Gemein-Nachrichten - Beylagen I-IV 1788,5
I. Lebensläufe einiger heimgegangenen Geschwister: 1) der verwitweten Schwester Christiane Elisabeth Erxleben 2.) der ledigen Schwester Lucretia v. Albertini 3.) des Witwers Ludwig Dietrich Mayer, 4) der ledigen Schwester Christiane Friedrike Sophie v. Schulenburg.
II. Von Grönland.
- 1.) Aus dem diario von Neu-Herrnhut vom Sept. 1786 bis Jun. 87.
- 2.) Bericht der Geschwister Möhnes von ihrem Aufenthalt unter den auswärtigen Geschwistern in u. um Kangek.
III. Von Antigoa.
- Aus dem diario von Gracehill vom Ende Jul. 1786 bis Jun. 87.
[2]
1.) Die verwitwete Schwester Christiane Elisabeth Erxleben geb. Wilhelmi (in Gnadenfrey) hat von ihrem Gang durch diese Zeit nichts schriftliches hinterlassen, u. pflegte immer zu sagen, wenn man auf ihren Lebenslauf zu reden kam: „Ich brauche keinen Lebenslauf zu schreiben; an mir u. meinem Leben ist nichts auf dieser Erd, u. es wird am Ende doch nur heissen: Da kommt ein’ arme Sünderin her, die gern fürs Lösegeld selig wär“. Es ist daher nur folgendes kürzlich anzumerken: Sie wurde d. 16 Sept. 1723 zu Barby geboren, wo ihr Vater Chr. Friedrich Wilhelmi Bürgermeister war. Von ihm u. ihrer Mutter Anna Dorothea geb. Hoyerin, die ein gottesfürchtiges Leben führten, genoß sie eine gute Erziehung, wofür sie öfters eine besondere Dankbarkeit äusserte. Anno 1742 trat sie mit ihrem seligen Mann, Gottfried Konrad Erxleben, [3] einem Kaufmann, in die Ehe, welche Gott mit 9 Kindern segnete, wovon noch 4 Söhne u. 2 Töchter am Leben sind. Als anno 1748 die ersten Brüder nach Barby kamen, hatte sie das Vergnügen, dieselben in ihrem Hause zu bewirthen; u. das war die Gelegenheit, daß sie die Brüdergemeine kennen lernte, u. sie herzlich lieb gewann. D. 13 Nov. 1752 wurde sie in die Gemeine aufgenommen, u. d. 19 April 1753 gelangte sie mit derselben zum heiligen Abendmahl. Viele Jahre lang hatten damals diejenigen, die aus der Stadt Barby entweder Mitglieder der Brüdergemeine wurden, oder sich als eine Societät an dieselbe anschlossen, viel Haß, Verachtung u. auch wol Verfolgung zu leiden, wovon unsre selige Schwester nebst ihrem Manne auch ihren Antheil erfuhr; sie liessen sich aber dadurch nicht irre machen, u. sie wurden als Kinder Gottes legitimirt. [4] D. 3 Jan. 1768 wurde sie durch den Heimgang ihres seligen Mannes in den Witwenstand versezt. Schon vorher hatte sie ihre Kinder zum theil in die Anstalten nach Herrnhut u. Hennersdorf abgegeben, u. nun zog sie auch nach Herrnhut ins Witwenhaus, wo sie nach dem Synodo 1769 (in welchem die damaligen Orts-Anstalten aufgehoben wurden) wieder ihre eigene Haushaltung anfing, u. die übrige Erziehung ihrer jüngsten Kinder besorgte. Das Gedeihen derselben lag ihr sehr am Herzen, u. der Heiland hat sie auch an ihnen viel Freude erleben lassen. Von ihrem ältesten Sohne, der Prediger zu Camby in Liefland ist, hat sie 3 Enkel erlebt. Anno 1778 wurde sie Chordienerin der Witwen in Niesky, u. im May 1779 kam sie zu eben dem Geschäfte nach Gnadenfrey. Sie ging bald mit aller möglichen Willigkeit u. großer [5] Activität in ihre Geschäfte, wozu ihr der liebe Heiland besondere Gaben geschenkt hatte. Sie war darinnen so unermüdet, daß sie öfters ihre Gesundheit darüber vernachläßigte. Der Segen Gottes war auch mit ihr; dabey aber war sie sich ihrer Versehen u. Fehler gar wohl bewußt, u. war sonderlich darüber, wenn sie zuweilen durch ihr hitziges Temperament übereilt wurde, öfters untröstlich. Sie stand in einem kindlichen Umgang mit dem Heiland, u. legte Ihm sowol ihr eigenes Anliegen, als auch sein ganzes Gnadenwerk, u. sonderlich ihr liebes Chor, täglich an Sein treues Herz. Sie nahm sich auch der Seelenpflege mit aller Treue an, u. war ihren Schwestern oft zum Trost u. Segen. Ueber die Anstellung einiger ihrer Kinder im Dienste des Heilands hatte sie eine besondre Freude. Sie genoß eine ziemlich gute Gesundheit, ausser daß sie zuweilen [6] mit krampfhaften Umständen (doch immer nur auf kurze Zeit) befallen wurde. Ihr Gemüth war meistentheils heiter, so daß sie öfters andern zur Aufmunterung diente. So war sie auch noch den Abend am 11 Febr. 87, da sie sich schon etwas unpäßlich fühlte, recht aufgeräumt, u. sagte: „ich werde euch hurtig einmal davon fliegen“ – aber weder ihr noch uns fiel es ein, daß es so geschwind geschehen würde.
D. 12ten wurde sie ernstlich krank an einem heftigen Fieber. Sie ertrug alle Schmerzen mit Geduld, war für die gute Pflege u. Wartung, die sie genoß, sehr dankbar, u. sagte: „ich bin es ja nicht werth, ihr macht es gar zu schön mit mir“. Dabey dachte sie öfters an die andern Armen u. Kranken im Hause. Einmal begehrte sie ganz alleine zu seyn, ließ sich aber vorher ihr Spruchkästchen geben. Man hörte sie ganz laut u. beweglich zum Heiland [7] beten, erstlich daß Er ihr alles vergeben wolle, u. dann nannte sie Ihm noch manches ganz besonders. Hierauf sagte sie: „nun habe ich mit dem Heiland über alles ausgeredet, u. habe Ihn auch gebeten, mir es klar zu machen, ob ich bey dieser Gelegenheit zu Ihm gehen werde: Er hat es aber nicht gethan.“ Sie wurde darüber zurecht gewiesen, u. der Spruch, den sie sich gezogen: „Der in dir angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollführen bis auf den Tag Jesu Christi“ – war ihr sehr tröstlich. Ein andermal hielt sie noch eine gründliche u. sünderhafte Unterredung, ihren Herzensgang betreffend, u. sagte zulezt: Nun kan mich nichts mehr stören, ich mag nun heimgehen oder wieder gesund werden, ich bin in den Willen des lieben Heilandes ergeben.
Ueber den Besuch verschiedener Geschwister war sie sehr erfreut, u. bat öfters, [8] daß man Verse singen möchte. Sie verschied am 17tn früh in der ersten Stunde sehr sanft mit dem Segen der Gemeine u. ihres Chores, im 64tn Jahr ihres Alters.
2.) Die ledige Schwester Lucretia v. Albertini (in Neuwied) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen:
- „Die Treue Jesu hört nie auf,
- davon ist auch mein Lebenslauf,
- zu Seines Namens Lob u. Preis,
- ein augenscheinlicher Beweis.
Ich bin geboren d. 26 Jun. 1762 an
der Brugg in Ober Engadin in Graubündten.
In meinem 4ten Jahre brachten
mich meine Eltern mit noch mehrern
meiner Geschwister nach Neuwied. Ich
gewohnte in der Anstalt bald ein; u.
ob ich gleich zum Leichtsinn sehr geneigt
war, so spürte ich doch von Zeit zu Zeit
kräftige Rührungen des heiligen Geistes an
meinem Herzen. Insonderheit wurde
[9] ich einmal am Gründonnerstag, bey
Gelegenheit einer kleinen Vorstellung
des Seelenleidens Jesu am Oelberg, unter
dem Gesang des Verses: Für mich
ging mein Herr in Todesnöthen p. so
bewegt, daß ich mich unter vielen Thränen
Ihm für seine Seelenschmerzen u.
Marter bis in Tod, zum ewigen Eigenthum
hingab; und seitdem ist mir
dieser Theil der Passion immer besonders
eindrücklich geblieben. Ich hatte
auch hernach manchmal recht selige Stunden
mit dem Kinderfreund. M Zuweilen
dachte ich (aus Veranlassung, daß ich davon
reden hörte) mit Verlegenheit darüber,
daß ich wol, wenn ich älter seyn
würde, vom lieben Heiland wieder abkommen
könte; wenn ich Ihm aber diesen meinen
Kummer kindlich klagte, so bekam ich
oft die tröstliche Versicherung, daß mich
nichts aus Seiner Hand reissen solte.
Anno 1775 wurde ich unter die größern
[10] Mädchen aufgenommen; ich erneuerte
dabey meinen Bund mit dem lieben Heiland,
u. bat Ihn um ein treues u. aufrichtiges
Herz, weil ich merkte, daß es mir
sehr daran fehlte. D. 14 Jan. 1776
wurde ich in die Gemeine aufgenommen,
u. d. 12 Oct. gelangte ich zum
heiligen Abendmahl. Ich ging darauf einen kindlich
vergnügten Gang bis ins folgende
Jahr, da ich eine tiefe Feindschaft gegen
den Heiland bey mir gewahr wurde, u.
zugleich auch meinen Unglauben so
zu fühlen bekam, daß ich in große
Noth gerieth. Es währte lange, ehe ichs
wagte, so schlecht wie ich mich fühlte,
zum Heiland zu nahen; aber Er ruhete
nicht, bis Er mich wieder an sich ziehen,
mich trösten u. seiner Gnade versichern
konte. Ich wurde auch sonst
mancherley verderbte Neigungen bey
mir gewahr, die ich nie gedacht hätte
bey mir zu finden; sonderlich war
[11] mir Hochmuth u. Selbstgefälligkeit gar
sehr im Wege. Ich blieb auch bey meinem
Verderben zu lang stehen, u. betrübte
den Heiland oft durch Mißtrauen u.
Zurücktreten, da Er mir doch mit seiner
Hülfe stets entgegen eilte, wie ich oft
in meinen Mädchenjahren erfahren habe.
Anno 1781 trat ich ins Chor der ledigen Schwestern
ein, mit dem angelegentlichen
Wunsch, daß der liebe Heiland mich in demselben
aller der Segen, die Er diesem
Chor insbesondere erworben, ganz theilhaftig
machen möge. Alle meine
Stunden heilige Du dir, mach mich
deinen Wunden, Lamm! zur Ehr u. Zier
– das war mein Flehen; und ach! wie
gern hätte mein treuer Heiland dieses an
mir erfüllt. Aber ich habe gar bald wieder
den Bund gebrochen, u. bin Ihm
noch oft zur Schmach gewesen; denn
nach Verlauf eines Jahres kam ich von
der seligen Einfalt ab, u. zerstreute
[12] mein Gemüth mit allerhand unnützen
Dingen. Ich fühlte wol darüber Bestrafung
in meinem Herzen, aber ich sezte
mich darüber weg, bis ich mein tiefes
Verderben in Seele u. Hütte so nachdrücklich
zu fühlen bekam, daß ich sehen
mußte, ich sey von der Sünde bis
in den Tod verwundet, zu allem schlechten
geneigt, u. zu allem Guten erstorben.
Da ich durch langes Widersetzen mich
immer mehr vom Heiland entfernt hatte,
so konte ich nicht so gleich wieder ein
Zutrauen zu Ihm faßen, u. meine Noth
wurde immer größer. Ich wurde herzlich
zu Ihm gewiesen, erfuhr auch manche
Tröstungen, hatte aber bey allem Gefühl
meines Verderbens doch noch so viele eigene
Gerechtigkeit übrig, von der ich
ganz ausgezogen werden solte, daß ich
lange nicht ganz ins klare kam. Einmal,
da ich in dem Gesangbuch den
Vers las: „In des Lammes Blut alleine
[13] stehet die Gerechtigkeit, diese heißt der
Glaube seine: dann erfüllt uns Fried
u. Freud, u. wir haben selge Stunden;
Seele u. Leib u. Geist erfährt solchen
Trost aus Jesu Wunden, welcher unaufhörlich
währt“ – wurde mir diese Sache
so klar, daß ich einen lebendigen Blick
in die Versöhnung Jesu thun, u. mir
Seine Gerechtigkeit auf die tröstlichste
Weise zueignen konte. Es wurden mir
in der Folge noch manche Eigenheiten
u. schlechte Ecken gezeigt; wenn ich
aber meine Zuflucht zu meinem treuen
Seelenfreund nahm, so erfuhr ich, daß heilen,
stillen u. trösten Seine Lust ist.
Aber doch hatte ich an der Lection:
„von purer Gnade u. Erbarmen zu
leben von einem Tage zum andern“,
noch immer zu lernen, u. daran
werde ich wol zu lernen haben bis
zum Erblaßen in Jesu Arm u. Schoos.“
So weit aus ihrer Nachricht.
[14] Zu Anfang des Jahres 1786 bekam sie ein Gallenfieber, u. blieb seitdem kränklich. In der Hofnung, daß ihr eine Luftveränderung zur Erholung dienen könte, that sie eine Reise nach Herrnhut, u. kam im Herbst dem Anschein nach ziemlich munter zurück; trat auch mit neuem Muth wieder in ihre Stelle in der Mädchenstube (wo sie schon einige Jahre als Mitaufseherin gebraucht worden) ein. Bey allem guten Willen aber, denselben mit den ihr von Gott verliehenen vorzüglichen Gaben ferner zu dienen, zeigte sichs doch bald, daß ihr die Kräfte dazu fehlten. Den folgenden Winter nahm ihre Kränklichkeit zu. D. 28 Merz 87 reiste sie mit ihren Eltern nach Embs, um einen dortigen Arzt zu consultiren[WS 1], kam aber d. 29ten äusserst entkräftet zurück, u. konte von da an wenig mehr ausser dem Bette seyn. In der [15] Marterwoche ließ sie sich die Leidensgeschichte Jesu vorlesen, u. mit Gesang unterhalten, zu ihrem besondern Trost u. Erquikkung. Ihre Schmerzen u. viele schlaflosen Nächte ertrug sie mit ungemeiner Geduld, u. war dabey licht u. vergnügt. Um die Mitte des Aprils gab sie zu verstehen, daß sie wol von dieser Krankheit nicht mehr genesen würde; und ihr Herz u. Sinn war nun ganz auf ihr bevorstehendes Glück gerichtet, u. sie seufzete oft zum lieben Heiland: Komm bald! Zulezt hatte sie noch viel auszustehen, besonders an ihrem Heimgangstage (d. 24 April 1787) aber mitten unter diesem Leiden fing sie einmal recht lieblich an zu singen: Nichts ist an mir, nichts als armes p. Zu Mittag sagte sie noch ganz vernehmlich: Ach der gute Heiland, nur noch eine Stunde! u. sahe dabey sehr vergnügt aus. Dieser [16] so sehnlich erwünschte Augenblick trat dann auch um 1½ Uhr ein, da sie mit dem Segen ihres Chores sanft u. selig entschlief im 25tn Jahr ihres Alters.
3.) Der Witwer Ludwig Dietrich Mayer (in Neusalze) war geboren d. 6 Nov. 1701 in der Reichsstadt Ulm, woselbst sein Vater Kaufmann war. Anno 1732 trat er mit seiner seligen Frau Dor. Magd. Marg. Schmutz aus Nürnberg in die Ehe. Nach einiger Zeit wurde er um seine Seligkeit bekümmert, u. suchte Gemeinschaft mit erweckten Seelen. Seine Frau konte dieses nicht fassen, und war sehr verlegen; verbot auch dem Bruder Kastenhuber, der damals in Ulm war, den Zutritt in ihr Haus; und als er von dort abreiste, ging sie in die Kirche, u. legte zum Beweis ihrer Dankbarkeit 8 Groschen in den Opferstock. Unser seliger Bruder ließ [17] sich nicht hindern, mit den so genannten Herrnhutern Bekanntschaft zu machen, wodurch die Verlegenheit seiner Frau immer größer wurde; denn sie glaubte, er hätte eine andere Religion angenommen. Als nun anno 1743 die Brüder Friedrich v. Watteville u. Ludwig v. Marschall durch Ulm reisten, u. in des seligen Bruders Hause besuchten; so glaubte sie, dieselben wären gekommen, ihren Mann zu einem Proselyten zu machen, u. ihn fortzuführen, welches ihr keine geringe Angst verursachte. Als aber der Bruder v. Watteville ihr sagte, der Grund, worauf die Brüder-Gemeine stehe, sey Christus u. Sein Blut, so ging ihr ein anderes Licht auf, u. sie dachte: Auf diesen Grund must du auch stehen, wenn du selig werden willst. Von der Zeit an verwandelte sich ihre Widrigkeit in Zutrauen u. Liebe gegen die Brüder; u. als ihr [18] Mann von der Begleitung dieser Brüder nach Hause kam, bezeugte sie ihm solches, u. bat ihn mit Thränen um Vergebung, daß sie ihm in dieser Sache widerstanden hätte. Von der Zeit an wurden auf seiner Frauen Bitte die Versammlungen in seinem Hause gehalten. Sie thaten auch eine Reise nach Augsburg, um die Erweckten daselbst zu besuchen. Anno 1748 zogen sie nach Hirschberg, wo er bey dem Herrn Kaufmann Menzel als Buchhalter in Condition kam. Er pflegte sich noch in seinen lezten Jahren mit vieler Dankbarkeit an die Wohlthaten zu erinnern, die er von seinen Freunden in Hirschberg genossen, insonderheit in dem Baumertschen, Hillmerschen u. Mathesischen Hause, wo sie 13 Jahre in Liebe u. Harmonie gewohnt haben. In Hirschberg sezten sie ihre Bekanntschaft [19] mit der Brüdergemeine fort, besuchten fleißig in Gnadenberg, wurden daselbst anno 1749 in die Gemeine aufgenommen, u. gelangten auch bald zum heiligen Abendmahl. Uebrigens machten sie sich ein Vergnügen daraus, den Geschwistern, wo sie konten, zu dienen.
Im Jul. 1765 kamen sie mit der ledigen Schwester Helene Wiesnerin (welche er auch nach dem anno 1771 erfolgten Heimgang seiner lieben Frau, um der vielen an ihr bewiesenen Treue willen bey ihrem langwierigen Krankenlager, zu seiner Pflegetochter annahm) hieher nach Neusalze, woselbst er in dem sich neuerbauenden Gemeinorte die Handlung u. die damit verbundene Spedition dirigiren solte. Die Besorgung der leztern behielt er bis kurz vor seinem Ende, von ersterer aber erhielt er auf seine [20] Bitte seine dimission. Uebrigens ist mit Dankbarkeit zu erwähnen, daß er bey unserm Kirchbau der Gemeine manche reelle Dienste erwiesen hat. Er genoß eine dauerhafte Gesundheit, u. selbst in seinem hohen Alter betrieb er seine Geschäfte mit jugendlicher Munterkeit u. mit solcher pünktlicher Redlichkeit, daß er sich viele Hochachtung dadurch erwarb. Weil er aber von andern Leuten gleichfalls strenge Redlichkeit erwartete, u. wo er dieses nicht fand, sein Mißfallen darüber ohne Rücksicht äusserte, so zog er sich dadurch manche Unannehmlichkeiten zu, die er sich hätte ersparen können. Ueberhaupt war er von einer feurigen Gemüthsart, u. da viel Selbstgerechtigkeit damit verbunden war, die sich auf seinen unbescholtenen Wandel gründete, so hielt es zuweilen schwer, ihn davon zu überzeugen, daß ein Kind Gottes die Beleidigungen [21] andrer mit Geduld tragen, u. darum gern vergeben muß, weil ihm so viel vergeben ist. Vor etwa anderthalb Jahren fing er selbst an zu merken, daß seine Kräfte geschwächt waren, u. es war ihm daher lieb, daß er ganz zur Ruhe gesezt wurde. Ein ziemlich starker Schlagfluß, der ihn auf eine kurze Zeit aller Empfindung beraubte, von dem er sich aber wieder erholte, schien der Vorbote von seinem Ende zu seyn. Und so sahe er auch selbst diesen Umstand an. Er äusserte oft, daß er nun nicht mehr lange leben werde; er sey auch bereit als ein versöhnter Sünder in die Ewigkeit überzugehen, Christi Blut u. Gerechtigkeit sey der einzige Grund seines Glaubens, u. damit hoffe er allein vor Gott zu bestehen, nur dieses bitte er sich vom Heiland zur Gnade aus, daß Er ihn mit einem langwierigen Krankenlager verschonen möchte. Und dieser Wunsch [22] ist ihm aufs lieblichste gewährt worden. Er legte sich am 25 April 1787 mit dem Wunsche schlafen, daß er nach einigen schlaflosen Nächten wieder einmal eine ruhige Nacht haben möchte. Denen, die in einem Hause mit ihm wohnten, war es merkwürdig, daß er noch zu seinem lezten Abendsegen viel u. vernehmlich sang, u. mit diesem Herzensseufzer schloß: „O daß ich bis in mein Grab Jesu Leiden, wie Er sich für mich begab aller Freuden, u. ins Sterben ging, daß ich leben möchte, fruchtbarlich bedächte.“ Früh Morgens, da man nach Ihm sahe, fand man, daß seine Seele in ihre ewige Ruhe heimgeflogen war, und sein entseelter Körper hatte das Bild eines sanft u. ruhig schlafenden so naturell, daß man sich kaum überreden konte, er sey wirklich todt, bis es die überhandnehmende [23] Verwesung ausser allen Zweifel sezte. Er war im 86ten Jahr seines Alters.
4.) Die ledige Schwester Christiane Friedrike Sophie v. Schulenburg (in Herrnhut) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin geboren d. 26 Jul. 1726 zu Assenheim, ohnweit Frankfurt am Mayn. Mein Vater war Herr Emanuel Ludwig von der Schulenburg, welcher vormals in Königlich Preußischen Kriegsdiensten gestanden, u. sich nun bey dem Gräflich Solmsschen Hofe zu Assenheim aufhielt; und meine Mutter eine geborne v. Pastonellen, welche ich aber schon in meinem 5tn Jahre verloren habe. Ich kam hierauf zu meiner Tante nach Hanau, bey der ich 6 Jahre unter strenger Erziehung verbrachte; doch dafür bin ich ihr immer sehr dankbar geblieben, daß sie mich zur Arbeit angehalten. Sie brachte mich darauf wieder zu meinem [24] Vater, allwo ich mich die meiste Zeit bey der dasigen Herrschaft aufhielt. Die Gräfin war eine gottesfürchtige Dame, u. hatte meiner seligen Mutter versprochen Mutterstelle bey mir zu vertreten. Dieses Versprechen erfüllte sie auch damit ganz, daß sie mich anno 1739 im May in Gesellschaft meines lieben seligen Vaters, u. mit seiner völligen Zufriedenheit nach Marienborn brachte, u. der seligen Gräfin v. Zinzendorf übergab. Ich kam noch denselben Abend in die Mädchen-Anstalt, u. gewohnte sogleich unter den Kindern ein. Nach einem halben Jahre hatte ich die Freude, daß meine liebe Schwester Marie Theresie (die jetzige Chor-Dienerin der ledigen Schwestern in Herrnhut) nachkam. Noch in diesem Jahre wurde ich an einem hitzigen Fieber heftig krank, so daß man mein Ende vermuthete. Ich wurde daher einsmals gefragt, [25] ob ich dann auch Vergebung meiner Sünden hätte? Ich antwortete, daß ich mir keiner Sünde bewußt wäre, u. nicht glaubte, daß der Herr Jesus um meinetwegen so jämmerlich hätte leiden müssen, ich dächte zu Seinem Tode nichts beygetragen zu haben. Diese Erklärung that ich gleichwol unter vielen Thränen, nur wußte ich nicht, warum ich weinen mußte. Ich wurde von dieser Krankheit wieder hergestellt, blieb aber noch lange schwächlich. Einmal, als unsre Arbeiterin (wie es alle Woche geschahe) eine Unterredung mit uns gehalten hatte, sagte sie zum Schluß derselben: Wer von euch Freudigkeit hat vor Gott zu treten, der komme, u. bete mit mir an; aber nicht anders als von ganzem Herzen, denn Gott ist gegenwärtig! Ich dachte in Gesellschaft auch mit zu gehen, allein sie sagte zu mir: Und du willst auch [26] mitkommen, u. glaubst doch nicht, daß der liebe Heiland für deine Sünden gestorben ist! Du gehörst hierzu noch nicht. Das fuhr mir durchs Herz, u. ich ging in einen Winkel, weinte u. bat den Heiland, Er möchte mir doch die Gnade schenken, zu glauben, daß Er auch für mich gestorben; u. hielt so 3 Tage u. Nächte mit weinen u. beten an; denn nun fühlte ich es ganz, daß ich auch eine arme Sünderin war, u. Vergebung meiner Sünden brauchte. Ich ließ auch nicht nach mit Bitten, bis ich die Versicherung u. den Trost ins Herz bekam, daß Er mir alle meine Sünden vergeben.
Anno 1741 kam ich mit der Mädchen-Anstalt nach Herrnhaag; u. gelangte am 3 Sept. dieses Jahrs zum erstmaligen Genuß des heiligen Abendmahls. Ob ich gleich dasselbe Krankheit wegen auf der Krankenstube genießen mußte, wird mir doch das, was ich dabey gefühlt, [27] so lange ich lebe, unvergeßlich bleiben; u. ich muß sagen, so oft ich dieses hohe Gut seitdem genoßen, hat sich allemal das damals gehabte selige Gefühl bey mir wieder erneuert.
Anno 1742 wurde ich zur Aufsicht bey
den Kindern mit angestellt, u. verbrachte
meine Zeit sehr vergnügt bey
ihnen. Anno 1743 wurde ich zur Akoluthie
angenommen u. als Arbeiterin
der größern Mädchen angestellt. Diese
Gnade beugte u. beschämte mich gar
sehr, weil ich mich für viel zu unvermögend
kannte, es diente mir aber
auch dazu, daß ich mich selbst immer
beßer kennen lernte. Anno 1745 erhielt
ich einen Ruf in die Kind Mädchen-Anstalt
nach Amsterdam, u. zog anno
1747 mit derselben nach Zeist. In
diesem Jahre wurde ich auch ins ledige
Schwesternchor aufgenommen. Weil
ich immer sehr kränklich war, so wurde
[28] ich anno 1749 abgelöset, u. kam auf
den Herrnhaag ins Mädchenhaus,
mit welcher Anstalt ich dann anno 1750
im Sept. nach Groß-Hennersdorf u.
1751 im Merz nach Herrnhut zog, u. darinn
verblieb bis ins Jahr 1766. In
dieser Zeit nahm mich der heilige Geist in
eine gesegnete Schule, darinn ich
mich viel gründlicher kennen lernte.
Schon oftmals hatte ich ein großes Verlangen
gehabt, auch einmal in einem
Chorhause zu wohnen u. anno 1766 widerfuhr
mir dieses Glück, da ich am
25 Aug. mit vielen Freuden einzog.
Für die darinn in reichem Maaße
genossene Gnade werde ich Zeitlebens
dankbar seyn. Anno 1776 bekam ich
einen Ruf nach Liefland ins Haus
des Herrn Landraths v. Ungern Sternberg.
Dieser Antrag fiel mir in
aller Absicht überaus schwer, u. nur
die Ueberzeugung von dem Willen
des Heilandes konte den Entschluß
[29] dazu bey mir zuwege bringen. Bey
einem achttägigen Aufenthalt in Barby
genoß ich viel Gutes, u. der Vers, womit
die Gemeine in der lezten Singstunde
mich u. meine Reisegesellschaft
segnete: Geist, Seel u. Leib ist Dir geweiht
p. welcher sich so ganz besonders
auf mich paßte, ist mir nach der Zeit
oft zum Trost u. Aufmunterung gewesen.
Am 23 Aug. kam ich auf meinem
Posten an, u. wurde sehr liebreich
aufgenommen. Die erste Zeit hatte ich
armes, an die Gemeine sehr verwöhntes
Kind viele bange Stunden, u. verbrachte
manche Nacht schlaflos u. unter vielen
Thränen. Aber der Heiland tröstete mich
mit dem Gefühl Seines Friedens, und
ließ mirs auch sonst wohl gehen in dem
Hause des Herrn Landraths, denn er u.
seine Gemahlin waren wie Eltern gegen
mich gesinnt. Anno 1779 that die
Frau Landräthin mit ihren zwey jüngsten
Kindern einen Besuch in Deutschland,
[30] u. nahm mich mit. In Barby
wurde mir die erfreuliche Nachricht gebracht,
daß ich mein Plätzchen im Herrnhutischen
Chorhause wieder einnehmen
könte. An meinem Geburtstag d. 26tn
Jul. traf ich wieder in Herrnhut ein, u.
ließ den Freudenthränen ihren Lauf,
daß ich mich wieder so gut aufgehoben
sahe. Solt ich nun nicht frölich seyn,
ich beglücktes Schäfelein; denn nach diesen
schönen Tagen werd ich endlich heimgetragen
in des Hirten Arm u. Schoos,
Amen, ja mein Glück ist groß.“
So weit sie selbst.
Es war in dem ganzen Gang unsrer seligen Schwester unveränderlich wahrzunehmen, daß sie durch Gnade einen vesten Grund des Glaubens an die blutige Versöhnung Jesu Christi in ihrem Herzen hatte, u. einen Trost, der ihr nie entwich, auch nicht in denen Stunden, wenn sie über ihre Mängel u. Zurückbleiben oft schmerzlich [31] betrübt war. Denn sie verstand das selige Sündergeheimnis[WS 2], sich mit alle ihrem Elend zutraulich an den Heiland zu halten, u. der Umgang mit Ihm war ihr unaussprechlich wichtig u. unentbehrlich. Sie hatte einen tiefen Eindruck von dem Glück, ein Glied der Gemeine zu seyn, u. es lag ihr sehr ernstlich an, als eine Magd Jesu der Gnade würdiglich zu wandeln. Sie konte daher auch nicht wohl ertragen, wenn sie bey andern eine Gleichgültigkeit dagegen zu spüren glaubte; da sie sich dann freilich zuweilen bey dergleichen Beurtheilungen länger aufhielt, als es nöthig war, u. sich manchmal selbst die Zeit damit verdarb. Gegen alle Armen u. Elenden war sie überaus mitleidig gesinnt, absonderlich hatte sie einen gar zärtlichen Hang zu den Kindern, so daß sie, ohne sich selbst zu schonen, [32] im Dienste derselben mit unermüdeter Liebe ihre Kräfte dran gewagt hat; überhaupt besorgte sie alles, was ihr aufgetragen war, mit gröster Treue u. Pünktlichkeit. Seit ihrer Zurückkunft aus Liefland diente sie verschiedene Jahre der Gemeine als Saal- u. Fremden-Dienerin, u. ihrem Chor als Gesellschaftshalterin u. Besucherin mit wahrem Vergnügen. Schon vor etlichen Jahren behielt sie von einer Krankheit etwas auszehrendes zurück, und ihre Gedanken waren dabey bald auf eine selige Vollendung gerichtet. Da es sich aber damit in die Länge verzog, so war ihr die Wartezeit bey zunehmenden Beschwerden der Hütte, freilich eine eigne Schule; doch wußte sie sich so nahe u. gläubig an ihren Erbarmer zu halten, daß man sie meistens vergnügt u. aufgeräumten Gemüths sahe. Von ihrer sünderhaften Herzensstellung findet sich ein lieblicher Beweis in einer von ihr selbst aufgeschriebenen [33] kindlichen Unterredung mit dem Heiland, darinn es heißt:
„Mein allerliebster Heiland! ich armes beschliesse nun dieses 1786te Jahr, in welchem ich mir die süße Hofnung gemacht hatte, daß Du dein Krankes ins gesunde Reich aus Gnaden u. Barmherzigkeit aufnehmen würdest; aber nach Deinem Willen bin ich noch da. Ach mein Erbarmer! Du legest nie mehr auf, als man ertragen kan; und so muß ich Dir zum Preise nachsagen, daß Du mir in diesem Jahre gnädig durchgeholfen. O vergib, vergib mir meine Ungeduld u. meine Empfindlichkeit, die ich oft gegen meine lieben Schwestern bezeugt habe. Ach mein Herr Jesu, wenn ich Dich nicht hätte, wo solt ich Aermstes unter den Elenden mich sonst hinwenden! Hebe Deine durchgrabenen Hände über mich Armes auf, u. absolvire mich von allen Sünden, darüber ich wol schon vielmal den tröstlichen Anblick Deiner Gnade empfangen habe; [34] aber ist noch das geringste an mir, das nicht Dein eigen ist, so schwemme es weg mit Deinem Versöhnungsblute. O könte ich Dich nur noch viel zärtlicher lieben u. an Dir hangen! Ich werde als eine große Schuldnerin zu Dir kommen. Reichen Trost wirst Du mir geben, so oft ich Tröstung nöthig hab: in den lezten Augenblicken wirst Du den lezten Trost mir schicken, die lezte Thrän’ treugst Du mir ab. Und ach! dann seh ich Dich, Du Märtyrer für mich! O der Freuden! Wenn ich fortan bey Dir seyn kan, da geht der ewge Sabbath an. Schönstes Licht, das die Todesnacht durchbricht: Du sollst meinem Herzen funkeln, wenn die Sinnen hier vergehn, wenn die Augen hier verdunkeln, wird das Marterlamm dort vor mir stehn, ich werds sehn, ach wie schön!“ Am 25 Merz 1787 wurde sie so schwach, daß ihr Ende nahe zu seyn schien; sie erholte sich [35] zwar in etwas wieder, mußte aber von da an ganz in der Krankenstube bleiben. An den Abendmahlstagen der Gemeine genoß sie dieses hohe Gut nebst den übrigen Kranken allemal unter vielen Thränen, u. es war ihr immer eine neue Herzstärkung. So oft ihr eins in die ewige Heimath voranging, schickte sie Sehnsuchtsthränen nach, und ihre Seele war voll Verlangen den bald zu schauen, an welchen sie glaubte. Er machte ihr inzwischen die Schmerzen u. Beschwerden ihrer Krankheit sehr erträglich. Die lezten Tage schlummerte sie viel, war sich aber dazwischen immer ganz gegenwärtig. Am 29 May sahe man schon in aller frühe, daß ihr seliges Ende herannahe. Sie empfing bey völliger Bewußtheit den Segen der Gemeine u. ihres Chores, unter dem innigsten Gefühl des Friedens Gottes, u. zu Mittag verschied sie so sanft u. stille, daß man es kaum gewahr wurde. Ihr Alter hat sie gebracht auf 60 Jahre u. 10 Monate.
[36]
1.) Aus dem diario von Neu-Herrnhut vom Sept. 1786. bis Jun. 1787.
Den 1 Sept. kam Bruder Heinze von Kangek zurück, wo er Anstalten getroffen hatte zum Bau eines Häuschens für ein paar Europäische Geschwister.
D. 8tn reisten unsre lieben Geschwister Brodersens mit dem Bruder Grillich nach Lichtenfels ab. In den folgenden Tagen war Bruder Fliegel in Kangek, u. arbeitete fleißig an gedachtem Häuschen. D. 12tn verabschiedete[WS 3] sich Bruder Heinze mit der hiesigen Gemeine, u. d. 16tn ging er an Bord, um über Lichtenfels nach Europa zu reisen. Geschwister Meyers waren nun einige Tage ganz allein hier. Die Grönländischen Geschwister fingen nun an in ihre Winterhäuser zu ziehen. D. 29tn kam Johannes, der ehedem die Gemeine verlassen hatte, u. nach Norden gefahren [37] war, hieher, u. brachte einen eigenhändig geschriebenen Brief mit, worin er um Vergebung seiner Versündigungen u. um Wiederannahme in die Gemeine bittet. D. 6 Oct. kamen Geschwister Möhnes von Lichtenfels hier an, um ihrem Rufe zufolge künftigen Winter bey unsern auswärtigen Geschwistern zu wohnen. D. 18tn hörten wir zu unserm Schmerz, daß der ledige Bruder Augustus bey Kangek in seinem Kajak verunglückt sey. Er war ein hofnungsvoller junger Mensch, sowol in Absicht auf das äussere als das innere. D. 23tn fuhren Geschwister Möhnes mit ihren zwey Kindern auf ihren Posten ab. Zu Anfang Nov. besuchte Bruder Fliegel unsre auswärts wohnenden Geschwister in Kellingarsuk u. Karosuk. An ersterm Orte war er besonders erfreut über der Geschwister ihre Liebe zu ihm u. unter einander, wie auch über ihr ordentliches Betragen. In [38] Karosuk war ihm auch unter den Geschwistern recht wohl. An beyden Orten hielt er etliche Versammlungen, u. empfahl den Geschwistern, sich vest an den Heiland zu halten. In diesem Monate waren wenig Grönländer hier auf unserm Lande, weil sie bey dem schönen Wetter ihrer Nahrung nachgingen. D. 27tn wurde die Kinderschule wieder angefangen, u. d. 28tn wurde den Geschwistern bekannt gemacht, wie den Winter über die Gesellschaften gehalten werden sollen. Durch diese u. andre Einrichtungen zur Bedienung der Gemeine schien ein ganz neues Leben unter die Geschwister zu kommen. In der Helfer-Conferenz wurde unter andern erzehlt, daß einer von denen in Kangek stehenden Heiden nach einer Versamlung des Bruder Möhne gesagt habe, er wolle das nächste mal über ihn spotten; darauf habe ihm eine von [39] unsern Schwestern gesagt: „Wenn du das thust, so ist es eben so, als wenn du über Gott deinen Schöpfer spotten woltest, denn er redet Gottes Wort, u. ist von Ihm zu uns gesandt worden“ – durch welche Antwort der Heide ganz niedergeschlagen worden. Andre Heiden in der Gegend bezeigen Lust sich zu bekehren, u. einer hat den Helfer Benjamin gebeten, in seinem Hause eine Versamlung zu halten. Desto schmerzlicher ist es, daß die Charlotte, die schon lange in Sünden u. Schanden lebt, den Heiden abrathen soll sich zu bekehren, weil es sie wieder gereuen möchte, so wie es sie auch reue, daß sie getauft worden. Eine andre ehedem Getaufte Namens Eleonora, die unter den Heiden in Ittersak wohnt, hat, um jemanden gesund zu machen, Hexerey gebraucht, obgleich ihr selbst die Heiden gesagt hatten: [40] „Du darfst so etwas nicht thun, du bist ja getauft.“ Sie hat darauf eine Lähmung bekommen, daß sie nicht im Stande ist was zu thun, u. sehr elend aussehen soll. Auch die Heiden sehen dieses für Gottes Strafe an. Von Johannes hörten wir auch allerley schlechtes, woraus wir ersahen, daß es ihm mit seiner vorgegebenen Reue noch kein Ernst ist. Alle diese Umstände wurden den Helfern zur treuen Fürbitte empfohlen. Am Gemeintag d. 10 Dec. wurden zwey Mädchen in die Gemeine aufgenommen. Die Geschwister hörten mit Vergnügen ein diarium von Okkak verlesen. In der Beter-Versamlung am 16tn war eine besondere Bewegung wahrzunehmen, indem während dem Anbeten verschiedene Geschwister laut weinten. D. 20tn hatten die Gesellschaftshalter ihre Conferenz, u. bezeugten durchgängig, daß die Geschwister [41] vergnügt wären, u. sich sehr auf die Weihnachtstage freuten. D. 23tn kamen in ihren Kajakken 6 Brüder von Kangek, 3 von Kellingarsuk, u. 3 von Karosuk hieher. Mit Booten zu fahren war unmöglich, daher auch keine Schwestern herkommen konten, so gern sie auch wolten. Heute hatten wir das heilige Abendmahl, wozu 2 Brüder von den auswärtigen u. einer von den hiesigen readmittirt wurden. D. 24tn begingen wir die Christnacht auf die gewöhnliche Weise. Viele Grönländer von der Dänischen Mission wohnten derselben auch bey, u. waren aufmerksam u. andächtig. In unsrer Gemeine war ein besonderer Freudengeist wahrzunehmen, der uns sehr tröstlich war. D. 25tn feyerte das Ehechor sein Chorfest im Segen. D. 26tn kehrten unsre Gäste zu den ihrigen wieder zurück, froh u. dankbar für alles hier [42] genoßene Gute. D. 31tn machten wir den Beschluß des Jahres, u. besahen gemeinschaftlich, unter großer Stille u. Aufmerksamkeit der Geschwister, unsern bisherigen Gang. Obgleich unsre hiesige Grönländische Gemeine, die ehemals so stark war, nun sehr klein geworden, u. überdem ganz zerstreut wohnt, so daß sie menschlichem Ansehen nach wol niemals zu dem ehemaligen Wohlstand wieder gelangen dürfte; so wissen wir doch, daß sie des Heilandes ist, u. Er in unsrer Mitte wohnt. An betrübten Vorkommenheiten, die bey gegenwärtiger Verfaßung fast unvermeidlich sind, hat es nicht gefehlt; aber dem grösten Theil der Geschwister liegt es doch an, der empfangenen Gnade treu zu bleiben; u. viele, die in Abweichungen gerathen waren, fangen an umzukehren, u. einige von ihnen sind wieder in einem erfreulichen Gange.
[43] Es sind in diesem Jahre 10 Kinder geboren worden, zur Aufnahme in die Gemeine sind 10 – u. zum heiligen Abendmahl 7 Personen gelangt. Getraut ist worden 1 Paar. Heimgegangen sind 12 Personen u. darunter 4, die im Kajak geblieben sind. Die Gemeine besteht aus
61 Eheleuten 3 Witwern 14 ledigen Brüdern 19 Knaben 50 Knäbchen 34 Witwen 26 ledigen Schwestern 21 größern Mädchen u. 59 Mägdlein Summa 287 Personen.
Von diesen wohnen in Pissiksarbik 19, in Kellingarsuk 26, in Karosuk 16, in Kangek 152, u. in Neu-Herrnhut nur 74.
Noch in keinem Jahre ist die Gemeine so zerstreut gewesen wie in diesem. Die in Pissiksarbik wohnen 8 Meilen [44] von hier, u. sind also den Winter über ganz von uns abgeschnitten, u. im Sommer bekommt man sie auch wenig zu sehen. Sonst ist noch anzuführen, daß gedachte 287 Seelen aus 113 Communicanten, 163 Getauften u. 11 Ungetauften bestehen.
Den 1 Jan. feyerten die ledigen Brüder ihr Chorfest. Nach allen Versamlungen gingen die Geschwister mit Musik u. Gesang im Orte herum. D. 6ten konten wir wegen des ungestümen Wetters das Heidenfest nicht feyern, holten es aber am 7ten nach. Die Geschwister hörten ein diarium von Antigoa verlesen, u. zum Schluß des Tages wurde ein lediger Mensch unter die Taufkandidaten aufgenommen. Einen ähnlichen Festtag hatten wir am 19ten, als an dem Gedenktage der Abreise der ersten Brüder von Herrnhut nach Grönland. Leztern machte uns unser lieber Herr zu einem besonders [45] begnadigten Segenstag. Sonst war die Witterung in diesem Monate unsern Grönländern zu ihrer Erwerbung nicht günstig; zum Glück waren aber die hiesigen hübsch mit Heringen versehen, u. die auswärtigen, die auch keine Seehunde bekommen konten, kamen fleißig hieher, um Heringe zu holen. D. 2 Febr. feyerten die Witwen ihr Chorfest mit den gewöhnlichen Versamlungen. Zum heutigen Geburtstag unsers lieben Bruder Meyers hatten wir ein vergnügtes Liebesmahl. Er hat nunmehr seine meiste Lebenszeit in Grönland zugebracht. D. 23ten bekamen wir nach langer Zeit wieder einmal Nachricht von unsern Geschwistern in Kellingarsuk. Von Kangek u. Karosuk haben wir die Zeit her viel Besuch gehabt. D. 4 Merz wurden 2 Personen unter die Taufkandidaten aufgenommen, u. am 11ten wurde Nongak mit Namen Joel in Jesu Tod getauft. Da eine solche Handlung seit langer Zeit nicht vorgekommen [46] war, so fand sich alles dazu ein, was nur kommen konte, u. der Heiland bekannte sich mit vieler Gnade dazu. Zwey leibliche Geschwister des Neugetauften waren sehr traurig, daß ihnen nicht auch diese Gnade widerfuhr.
Unsre Geschwister fingen um diese Zeit an Hungersnoth zu leiden, weil sie ihren Vorrath von Heringen gröstentheils andern mitgetheilt hatten; u. doch fanden sich von andern Orten immer viele ein, die hier etwas zu bekommen hofften. Unter andern war der Hexenmeister Kellipak von Kangek hier. Da ihn Bruder Meyer fragte, ob er sich nicht bekehren u. seine Gauckeleyen fahren lassen wolte, da er selber sähe, daß er nichts damit ausrichtete, denn er hätte um Seehunde gehext, u. es wären noch nie so wenige gewesen als dieses Jahr: so antwortete er: Ja die Menschen hungern sehr, u. darum kommen wir hieher, uns einmal satt zu essen. Wenn ich werde von Süden zurückkommen, [47] dann will ich mich bekehren. Vom 14tn bis zum 17tn war Bruder Fliegel zum Besuch in Karosuk, wo es ihm aber jezt nicht so gefiel wie das erstemal, weil es den dasigen Geschwistern an Liebe fehlt. Mehr Freude hatte er in Kellingarsuk, wo er in den folgenden Tagen besuchte. D. 2 April kamen Geschwister Möhnes mit ihren Kindern von ihrem auswärtigen Posten, zu unsrer herzlichen Freude, munter u. wohl bey uns an.
Zur Feyer der Charwoche u. des Osterfestes fanden sich die auswärtigen Geschwister hübsch zahlreich ein, so daß es in den hiesigen wenigen Häusern an Platz fehlte. Zwey Schwestern gelangten zum erstmaligen Genuß des heiligen Abendmahls. Am Ostermorgen wurde die Gemeine mit Trompeten, Violinen u. Gesang geweckt, worauf die gewöhnlichen Versamlungen gehalten wurden. Unter andern war eine begnadigte Taufhandlung von 3 Erwachsenen u. einem [48] Kinde. Sonst feyerten auch heute die ledigen Schwestern ihr Chorfest, u. 2 Mädchen wurden unter sie aufgenommen.
D. 14tn erfuhren wir, daß 5 Europäische Boote voll Schiffsvolk hier bey der Colonie angekommen, u. zwar von einem Englischen Wallfischfänger genannt Succeß. Dieses Schiff war d. 12 Febr. von London abgesegelt, u. war nach Disco bestimmt, gerieth aber bey einem Nebel unter hiesige Inseln, blieb vest sitzen, u. ging so dann zu Grunde. Von 31 Mann waren 12 ertrunken, die übrigen retteten sich mit ihren nothwendigsten Sachen. In der Litaney am 15tn gedachten wir bey den Worten: Die mit Schiffen auf dem Meer fahren, erfahren deine Wunder – dieser armen Leute besonders. D. 18ten u. 19ten waren der Capitain, die zwey Steuerleute u. das übrige Volk von dem verunglückten Schiff bey uns auf einen freundschaftlichen Besuch. Wir bedauerten [49] nur, daß wir nicht mit ihnen reden konten. Ein Mohr oder Neger, den sie mithatten, war unsern Grönländern besonders merkwürdig, u. es kamen einige von den auswärtigen Plätzen expreß hieher, um ihn zu sehen. D. 20tn wurden alle unsre Brüder aufgefordert, die Sachen vom gestrandeten Schiff retten zu helfen, u. es blieb keiner zu Hause. D. 24ten erfuhren wir, daß unser alter Helfer-Bruder Benjamin in Kangek sehr krank sey, u. d. 26tn brachten sie, ehe wir es vermutheten, seine Leiche mit einem Boot, in Begleitung von 6 Kajacken, hieher. Nachmittags war das Begräbnis, welches besonders zahlreich u. feyerlich war. Dieser Heimgang ging uns sehr nahe, da Brüder von seiner Art unter uns nur selten werden, u. er seiner Nation besonders treu gedient hat. Er kam als ein Knabe mit seinen Eltern hieher zur Gemeine, wurde im Febr. 1745 getauft, u. gelangte im Merz 1749 zum heiligen [50] Abendmahl. Anno 1753 trat er zum ersten- u. anno 1781 zum andern mal in die Ehe. Er hatte den Heiland zärtlich lieb, und wes sein Herz voll war, des ging auch sein Mund fleissig über. Etliche u. 20 Jahre lang war er ein treuer und activer Nationalhelfer, u. bewies sich willig u. pünktlich, so oft ihm etwas zu thun aufgetragen wurde. Seinen Landsleuten die Gnade im Blute Jesu anzupreisen war ihm eine Gnade. Bey der Uebersetzung der Harmonie der 4 Evangelisten u. des Lehrbüchleins, wie auch bey Verfertigung des neuen Gesangbuchs, hat er nützliche Dienste geleistet; denn er hatte eine besondere Gabe, wenn er eine Sache recht gefaßt hatte, auch den dazu gehörigen Ausdruck in seiner Sprache zu finden. Sein Wandel war exemplarisch, und Grönländer u. Europäer konten nicht anders als ihm mit Achtung begegnen. Ueber die Abweichungen einiger seiner Mitgeschwister war er sehr betreten, u. man mußte ihm zureden, den Muth [51] nicht sinken zu lassen. Diesen Winter wohnte er bey einigen auswärtigen Geschwistern, u. hielt unter ihnen gute Ordnung. Die Gelegenheit zu seiner Auflösung war das Seitenstechen. Sein vergnügter Heimgang wird insonderheit seinen Hausleuten in lieblichem Andenken bleiben. Sein Alter kan man ohngefehr 60 Jahre schätzen.
Im Monat May waren viele Geschwister kränklich. Einige befürchteten, daß es wieder die böse ansteckende Krankheit seyn möchte, die vor einigen Jahren hier grassirte, u. die noch in Norden herumschleichen soll. Geschwister Meyers hielten sich eine Zeitlang in Pissiksarbik auf, zum Besuch der Geschwister, die daselbst auf dem Heringsfang waren. D. 4tn lief das nach Julianenhaab bestimmte Schiff hier ein, u. wir hatten die Freude, Geschwister Sörensens zu bewillkommen. D. 6ten lief auch das hieher bestimmte Schiff ein, und d. 7ten bekamen wir unsre diesjährigen Briefe. D. 10tn kamen Geschwister Meyers [52] von Pissiksarbik zurück. Einige von unsern dortigen Geschwistern sind vor kurzem heimgegangen, von denen uns die andern manches erfreuliche erzehlten. Der Witwer Barnabas, der viele Jahre in einem seligen Gang gewesen, zulezt aber in Versündigungen gerathen war, kam auf seinem Krankenlager zum Nachdenken über sich, redete sünderhaft mit Bruder Meyer aus, u. wendete sich zum guten Hirten, der ihn nun auch wird zu Gnaden angenommen haben.
Hiemit schliessen wir unser diesjähriges diarium, u. empfehlen uns dem treuen Andenken u. Gebet unsrer lieben Geschwister.
2.) Bericht der Geschwister Möhnes von ihrem Aufenthalt unter den auswärtigen Geschwistern in u. um Kangek.
D. 23 Oct. 1786 reisten wir von Neu-Herrnhut ab, u. kamen denselben Tag [53] an unserm Orte nahe bey Kangek, den die Grönländer Kigutelik nennen, an. Unser Flehen zu unserm lieben Herrn war, daß Er mit uns seyn, u. uns den hiesigen Grönländern wolle zum Segen seyn lassen. Es war uns nicht unbekannt, daß die meisten von den hiesigen Geschwistern durch die Zerstreuung gleichgültig gegen den Heiland u. die Gemeine geworden, u. manche auch in schlechte Umstände hineingerathen waren. Wir fanden nur die Helfer-Geschwister Simons mit ihrer Familie hier, die übrigen wohnten an 5 Orten zerstreut. Ich machte es daher zu meiner Hauptsache, sie so viel als möglich zu besuchen, so wie auch die an 3 Orten wohnenden Heiden. In unserm Grönländischen Häuschen richteten wir uns so gut ein, als wir konten. D. 25tn besuchte mich ein Heide, war sehr freundschaftlich, u. hörte aufmerksam zu, da ich ihm etwas [54] vom Heiland sagte. D. 27tn kamen einige Geschwister von Sarsuvik, welches der entfernteste Platz von uns ist, u. fragten, ob nicht bald Abendmahl seyn würde. Sie wurden auf den folgenden Tag bestellt. D. 28tn fanden sich noch mehrere herbey. Wir sprachen mit ihnen einzeln, u. fanden doch mehr erfreuliches u. tröstliches, als wir uns vorgestellt hatten. Abends hatten wir, 34 an der Zahl, den seligsten Genuß des Leibes u. Blutes Jesu im heiligen Abendmahl. D. 29ten hielt ich in Simons Hause eine Versamlung für die Kinder, wozu sich einige von Kangek u. auch von Sarsuvik eingefunden hatten. Ihre Gemüther waren ziemlich zerstreut, doch sassen sie ganz stille, u. hörten aufmerksam zu. Nachher sprachen wir mit einer ausgeschlossenen ledigen Weibsperson, die sich aber noch nicht sehr reuig bezeugte.
[55] D. 1 Nov. war ich in Kangek, hielt den Geschwistern eine Versamlung, u. ermunterte sie zu einem Kindern Gottes gemäßen Wandel. Nachher besuchte ich die hier wohnenden Heiden. Der Mann des Hauses, welcher zwey Weiber hat, ist ein Hexenmeister; sie versprachen wol sich zu bekehren; indeßen haben sie immer Entschuldigungen, warum es jezt noch nicht geschehen kan. D. 5tn besuchten uns viele Geschwister, u. wir hatten zusammen eine gefühlige Versamlung. D. 7tn besuchte ich die Geschwister in Sarsuvik, u. fand sie gesund u. wohl. Es halten sich hier 3 Matrosen auf, die mit großen Netzen über 80 See-Hunde gefangen haben, u. die in unsrer Versamlung aufmerksame Zuhörer waren. D. 8tn besuchte mich ein ausgeschlossener Abendmahls-Bruder, und bezeugte Reue über seine Vergehungen.
[56] D. 11ten war ich bey denen zunächst wohnenden Heiden, u. redete mit ihnen von der Bekehrung zum Heiland. Einige waren aufmerksam, andre aber sagten, sie hätten von solchen Dingen keinen Verstand; doch baten sie alle, daß ich sie mehr besuchen möchte.
D. 12tn besuchten wir beyde in Kangek. Viele, besonders junge Leute, fangen an krank zu werden, u. es wurde fleißig Medicin bey uns geholt.
D. 14tn hatte ich mit einem ausgeschlossenen Helfer eine gründliche Unterredung, konte mich aber über seinen Herzenszustand nicht sehr freuen.
D. 19tn meldete mir der Helfer-Bruder Benjamin in Sarsuvik, daß ihm der Heiland ein Töchterlein geschenkt habe, u. bat um die Taufe desselben. Ich ging am 20ten dahin, hielt den Geschwistern eine Versamlung, u. taufte das Kind mit Namen Sabina. D. 21tn wurde den Geschwistern der Abschnitt [57] von der heiligen Taufe aus der Idea fidei fratrum vorgelesen. Es war ihnen dieses Verlesen so angenehm, daß sie die Wiederholung desselben verlangten. D. 22ten mußte mit einer ledigen Schwester wegen ihres anstößigen Wandels nachdrücklich gesprochen werden; sie versprach, Beßerung. D. 26tn waren einige Heiden in der Versammlung aufmerksame Zuhörer. Ein ausgeschloßener Abendmahls-Bruder bezeugte sehnlich seinen Wunsch, wieder readmittirt zu werden. D. 27ten wurden alle, Getaufte u. Ungetaufte, zum Sprechen bestellt, wozu sie sich in den folgenden Tagen einfanden.
D. 1 Dec. waren wir beyde in Sarsuvik, u. unterhielten uns vergnügt mit den dortigen Geschwistern. Es war ihnen zum Wunder, daß eine Europäische Schwester zu ihnen gekommen war, da der Weg über einen hohen u. steilen Berg geht, u. daneben die See ist.
D. 3tn waren wieder einige Heiden in [58] der Versamlung. D. 5ten wurde mit einer ausgeschlossenen Witwe gesprochen; sie bezeugt aber noch keine Reue über ihre Vergehungen. Mehr Freude hatten wir über eine andre ebenfalls ausgeschlossene Witwe, die über sich zum Nachdenken kommt. D. 10ten musten wir eine ledige Schwester, die sich mit heidnischen Sachen abgegeben, vom Friedenskuß ausschliessen. Einige Heiden waren heute in der Versamlung. D. 11ten besuchte ich die benachbarten Heiden, von denen mir zwey Männer nicht ungeschickt zum Himmelreich zu seyn schienen. Da ich Abends nach Hause kam, überfiel mich auf einmal eine große Schwäche in allen Gliedern, ich bekam Kopfweh, Frost u. Hitze, u. musste mich gleich einlegen. Am 9ten Tage brach sich die Krankheit, so daß ich am 20ten wieder eine Versamlung halten konte. Zu den Weihnachtsfeyertagen waren einige Brüder in Neu-Herrnhut, [59] die übrigen Geschwister fanden sich bey uns so zahlreich ein, daß wir am 24ten das Liebesmahl in zwey Abtheilungen halten musten. Der Heiland war fühlbar in unsrer Mitte, u. man sahe bey einigen milde Thränen fließen. D. 25ten kam eine Witwe, die vorigen Sommer sich hatte verleiten lassen ein heidnisches Spiel mit zu machen, u. deswegen ausgeschlossen worden, u. sagte: ich fühle mich wie ein verlornes Schaf, das in der Irre geht, u. habe den Heiland gebeten, mir alles zu vergeben u. mir wieder zu erlauben Sein Fleisch u. Blut im heiligen Abendmahl zu geniessen. Es wurde herzlich mit ihr geredet.
In diesen Tagen wurden die Communicanten gesprochen, u. d. 27ten hatten wir das heilige Abendmahl. D. 28ten wurden die Geschwister in Kangek, u. auch an den andern Orten, öffentlich vor einem gewissen Verführer gewarnt, der oft in hiesige Gegend kommt, u. schon [60] manches Unglück angerichtet hat.
D. 29ten versamleten sich diejenigen Kinder, die am 24ten nicht hatten kommen können, u. hatten eine gesegnete Nachfeyer des Weihnachtsfestes.
D. 3 Jan. 1787 taufte ich ein Töchterlein der Geschwister Antons mit Namen Persida. D. 4ten hatten wir einen heftigen Sturm, so daß unsre Schlafstellen zitterten, u. wir uns kaum erwärmen konten. Am Heidenfest d. 6ten gedachten wir besonders der in dieser Gegend wohnenden Heiden, mit dem herzlichen Wunsch, daß auch sie ein Eigenthum Jesu werden mögen. D. 11ten kam ich von einem Besuch in Sarsuvik sehr abgemattet nach Hause, denn oft muste ich bis an den halben Leib im Schnee gehen, dann wieder über Berge steigen, die von Eis so glatt waren, daß ich oft hinfiel, u. dabey im Gesicht ein heftiges Stöberwetter ausstehen. Ich dankte dem Heiland sowol für seine Durch-Hülfe, [61] als auch für sein Bekenntnis zu meinem geringen Zeugnis von Ihm.
D. 19ten wurde in Sarsuvik der Bruder Philippus beerdigt, der nach einer dreytägigen Brustkrankheit selig entschlafen war. Seine Erklärung über seine Herzensstellung war uns besonders beym lezten Sprechen erfreulich gewesen.
Heute hatte ich auch eine Unterredung mit einem Heiden, der, wie es scheint, gern vom Heiland hört. D. 27ten wurden die Geschwister angelegentlich ermahnt, sich bey allen Vorkommenheiten kindlich an den Heiland zu halten. Es werden jezt viele krank an Brustkrankheiten, u. erholen sich davon sehr langsam wieder.
D. 31ten wurde mit einer ausgeschloßenen Getauften gesprochen, u. sie versprach sich aufs neue zum Heiland zu wenden. Auch wurde in diesen Tagen mit dem in Kangek wohnenden bekannten Hexenmeister nachdrücklich gesprochen, weil er sich unterstanden hatte eine von unsern Getauften zur Sünde verführen zu [62] wollen. Er gab klein zu, versprach alles Gute, u. seitdem hat man auch von dergleichen nicht mehr gehört.
D. 1 Febr. hatten wir die Freude, daß 4 Seelen von den hiesigen Heiden nach Neu-Herrnhut zogen, in der Absicht, sich zu bekehren. D. 7ten fand ich in Sarsuvik wenige zu Hause, weil bey gegenwärtiger hungriger Zeit alles auf Erwerbung ausgeht. Sie müssen sich jezt gröstentheils mit Muscheln u. Ulken[WS 4] durchbringen. Eine Witwe erfuhr beym fischen eine besondere Bewahrung, indem das Eis unter ihren Füssen einbrach, u. sie unter dasselbe gerieth; aber durch Hülfe einer andern Schwester, die ihr eine Fischschnur zuwarf, glücklich wieder herauskam. D. 18ten nahm der Heiland das Waislein Gregorius zu sich, ein liebes Kind, welches sein anhängliches Herz an den Heiland gefühlig darzulegen pflegte. Heute hörten wir zu unserm Schmerz, daß einige Geschwister, u. darunter [63] ein paar Communicanten, in Kangek sich verleiten lassen einer heidnischen Gauckeley beyzuwohnen, um Alken (eine Art Seevögel) herbey zu hexen; ja daß der ausgeschloßene Helfer Apollo an der ganzen Sache Schuld sey. Dieses u. mehrere schmerzliche Umstände bey einzelnen Seelen machen uns oft zu unserm lieben Herrn seufzen u. schreyen: Erbarme Dich über Deine arme Grönländische Gemeine, u. laß es dem Feind nicht gelingen sie aus Deiner Hand zu reissen. D. 7 Merz besuchten mich etliche Heiden, die am weitesten von uns wohnen, u. ich hatte mit ihnen eine angenehme Unterredung. Ueberhaupt hatte ich in diesem Monate öfters Gelegenheit mit Heiden zu reden. Einmal baten sie mich, ihnen mehr zu sagen, welches ich auch gern that. Etliche sagten, sie hätten so etwas noch nie gehört. D. 20ten fuhren Geschwister Simons mit ihrer Familie nach Neu-Herrnhut, [64] u. die andern fingen auch nach u. nach an von hier aufzubrechen. Wir blieben hier bis zum 2 April, worauf wir munter u. wohl wieder in Neu-Herrnhut ankamen.
Wir empfehlen zum Schluß die armen zerstreuten Grönländischen Geschwister dem besondern Gebet u. Andenken der Geschwister.
Aus dem diario von Gracehill vom Ende Jul. 1786 bis Jun. 1787.
Den 30 Jul. gegen 2 Uhr des Morgens erhob sich ein harter Sturm, der unter beständigem Donnern u. Blitzen so zunahm, daß wir einen Orkan befürchteten. Der Helfer Jonas von Buckshorn kam in aller Frühe zu sehen, wie wir uns befänden. Die heutige Losung: „Ich will diese Stadt beschützen, daß ich ihr aushelfe um meinetwillen“ – war uns besonders [65] tröstlich, u. wurde auch an uns erfüllt. Da wir in einer Helferconferenz in diesen Tagen einige Verlegenheit über unsre Neger-Brüder in English-Harbour bezeugt hatten, so nahm der Helfer Jonas die Sache zu Herzen, u. so bald er ein wenig Zeit hatte, ging er hin, um daselbst u. in der Gegend zu besuchen. Der Heiland war mit ihm, daß er mit einigen herzlichen Ermahnungen weit mehr Eingang fand, als er erwartet hatte, selbst bey solchen, die ihm pflegten aus dem Wege zu gehen. Auf Freemanns, wo Gnade u. Liebe ziemlich durchgängig zu spüren ist, fand er 2 Abendmahls-Brüder in Uneinigkeit, die er nicht bedeuten konte. Das betrübte ihn sehr, u. er sagte ihnen, daß ehe der selige Gang auf der Estate durch ein solches schlechtes Exempel gestört werden solte, so solten sie doch lieber gleich beyde mit ihm nach Gracehill gehen. Das thaten sie, u. der Heiland gab Gnade, [66] daß alles beygelegt wurde.
D. 9 Aug. ließ es sich wieder zu einem Orkan an, u. wir machten alle erforderliche Anstalten. Des Wetters ohngeachtet fanden sich diejenigen Geschwister ein, die das nächste mal zum heiligen Abendmahl gelangen solten, u. wir hatten ein gesegnetes Sprechen mit ihnen.
D. 11ten überlegten wir mit den Helfern wie das Sprechen der Witwen u. Eheleute zu ihren bevorstehenden Chorfesten, zugleich mit dem Sprechen der neuen Leute u. Taufkandidaten am besten besorgt werden könte. Wir hatten gedacht das Sprechen der leztern für das mal ausfallen zu lassen; die Helfer sagten uns aber, daß sie dadurch gar sehr würden betrübt werden: u. so beschlossen wir mit Gottes Hülfe beydes zu besorgen. Heute besuchte Bruder Hofmann die kranke Helferin Grace nebst ihrer alten Stiefmutter Abigail. Sie waren beyde vergnügt, nur bedauerten [67] sie, daß sie nicht nach Gracehill zum heiligen Abendmahl kommen könten. Die alte, die fast blind ist, war so erfreut, da sie Bruder Hofmanns Stimme hörte, daß sie gleich anfing mit großer Lebhaftigkeit vom lieben Heiland zu reden, so daß ihrer Tochter dabey die Thränen in die Augen kamen. Am 13 Aug. hatten wir in Gemeinschaft mit allen unsern lieben Brüder Gemeinen das heilige Abendmahl, welches 14 Neger-Geschwister zum erstenmal genossen. Aus Veranlassung der Geschichte dieses Gedenktages war hauptsächlich die Bruderliebe, als ein Hauptcharakter einer wahren Gemeine Jesu, das Objekt unsrer Unterredungen mit den Geschwistern.
D. 14ten wurde der Helferin Grace u. ihrer Mutter Abigail, auf ihr sehnliches Verlangen, ihr Antheil am heiligen Abendmahl von Bruder Hofmann gebracht. Es geschiehet dieses nicht für gewöhnlich, weil es in den wenigsten Neger-Häusern ohne Störung geschehen könte. Der Helfer Jonas, [68] Ehemann der Grace, hatte alles im Hause reinlich u. ordentlich gemacht, und wohnte nebst seiner Schwester der Handlung bey, wobey ein solches Gefühl war, daß kein Auge trocken blieb. 13 Geschwister, die gestern nicht hatten kommen können, empfingen ihren Antheil in der Communion-Liturgie. D. 18ten war Bruder Braun zu unserm Vergnügen bey uns. Es wurde unter den Geschwistern bald bekannt, u. Abends fanden sich so viele zur Versamlung ein, daß viele draussen stehen musten. Es war heute der Gedenktag, daß vor 4 Jahren der Grundstein zur hiesigen Kirche gelegt worden, in welcher Rücksicht Bruder Braun mit Angethanheit seines Herzens der Gemeine ihre Gnadenwahl zu Gemüthe führte. Das Gebet zum Schluß war mit vielen Thränen der Geschwister begleitet. Darauf war ein Liebesmahl mit unsern Helfern u. Dienern. Bruder Braun that an sie die Frage, ob sie glaubten, daß das Volk [69] noch in dem ersten Feuer der Liebe sey? Sie bejaheten es, u. versicherten, daß die Ursach, warum die Versamlungen jezt manchmal weniger als sonst besucht würden, in der überhäuften Arbeit u. dem Benehmen der weissen Leute zu suchen sey. D. 19ten lasen wir mit einander beym Frühstück das von Bruder Joseph zum Heidenfest verfertigte Lied. Die Beschreibung in demselben von dem Werke Gottes in Antigoa afficirte uns mit Freude u. Schaam, u. erregte manche herzliche Seufzer zum Heiland, daß Er ferner mit uns seyn wolle. Bruder Braun kehrte darauf nach S. Johns zurück. Der 20te war ein sehr geschäftiger Tag theils wegen Versamlungen der Erwachsenen u. Kinder (leztere hatten ihren Bettag) theils mit Sprechen der Witwer u. Witwen, theils mit Reparaturen unsrer Wohnungen, um sie noch beßer gegen Sturmwinde zu sichern, wobey die Neger-Brüder treulich halfen.
[70] Heute wurde der Bruder Salomon begraben. Es ist von ihm anmerklich, daß er gleich das erstemal, da er das Evangelium auf Bailyhill hörte, von demselben ergriffen wurde, u. seitdem unverrücklich am Heiland gehangen hat. Er wurde anno 1778 getauft. Er pflegte oft zu sagen: „Der Heiland ist vom Himmel gekommen, u. hat mich in der Wildnis aufgesucht. Er hat mich gefunden, nun laß ich Ihn nicht mehr gehen; ich armer Wurm habe Ihm sein Blut gekostet.“ Er war vielen Negern zum Segen, u. wurde auf seiner Estate durchgängig wie ein Vater geliebt u. geehrt. Er versäumte nicht gern eine Versammlung, ob er gleich wegen der Entfernung u. wegen seines Alters u. Schwachheit meist einen halben Tag dazu brauchte. Seit 5 Jahren war er von der Gicht so mitgenommen, daß er kaum Hand noch Fuß rühren konte; in seinem Herzen aber war er immer vergnügt. Er sagte: „Der Heiland ist mein Trost im Leben u. Sterben, ich warte auf Seinen Willen, [71] mit mir zu thun, wie es Ihm gefällt, bis Er mich zu sich nimt.“ Es war ein wahres Vergnügen ihn zu besuchen.
Ihm folgte noch heute die Schwester Rahel.
Nach ihrer Erweckung u. Begnadigung
(sie wurde anno 1778 getauft) ließ sie
sich das Heil ihres alten, meist blinden
u. erstaunlich unwissenden Mannes
angelegen seyn; sie führte ihn nach
Bailyhill, um das Evangelium zu
hören, u. wenn die neuen Leute gesprochen
wurden, brachten sie ihn auch
zu uns. Er konte wenig verstehen,
u. sie mußte es ihm dollmetschen. Nach
u. nach wurde der arme Mann gefühlig,
bekam ein Verlangen nach Gnade im
Blute Jesu, wurde anno 1780 getauft, u.
ging 1784 selig aus der Zeit. Seit der
Zeit blieb sie eine treue u. selige Witwe.
Dieses Jahr kam sie einmal zu uns,
u. sagte: Ach ich bin schon so lange getauft,
mein Herz ist ganz hungrig
nach dem Heiland; hat Er dann nicht auch für mich
[72] armen Wurm mehr Gnade! Sie sagte
dieses mit Thränen; und bald darauf
wurde sie Candidatin zum heiligen Abendmahl.
Da sie krank wurde, sahe sie ihrem Ende
mit Freuden entgegen.
D. 27tn feyerten wir das Chorfest der verwitweten Geschwister. Viele alte Mütter kamen weit aus dem Lande, um ihr Sprechen nachzuholen, welches ihnen sehr wichtig ist. Zur hiesigen Gemeine gehören 67 Witwer u. 203 Witwen; unter unsern Helfern, deren 17 sind, befinden sich ein Witwer u. 6 Witwen. Es war uns heute unter diesen mehrentheils sehr alten Vätern u. Müttern recht wohl. D. 2 Sept. verschied der Bruder William. Er war in der Englischen Kirche getauft worden. In der Folge verlor er sein Gesicht, u. das wurde die Gelegenheit, daß er den Heiland kennen lernte. Seine Frau, die nun auch zu unsrer Gemeine gehört, besuchte damals die Versamlungen des Herrn Gilbert; und da keine Mittel gegen die Blindheit [73] ihres Mannes anschlagen wolten, führten sie ihn in gedachte Versamlungen, mit vollem Glauben, daß ihm Gott helfen würde, wenn er Sein Wort hörte u. an Ihn glaubte. Herr Gilbert bestärkte sie beyde in diesem einfältigen Glauben, in sie wurden nicht beschämt, denn er bekam sein Gesicht wieder. Dieser Umstand machte einen großen Eindruck auf sein Herz, u. es lag ihm an, den Gott, der ihm so mächtig u. gnädig geholfen, näher kennen zu lernen. Er wurde mit den Neger-Geschwistern bekannt, fing an unsre Versamlungen zu besuchen, u. wurde 1783 in die Gemeine aufgenommen. Seine langwierige Krankheit war eine selige Schule für sein Herz. Kurz vor seinem Heimgang ließ er einen Helfer u. andre Brüder zu sich rufen, u. bat, daß man einige Verse aus dem Gesangbuch lesen oder singen möchte, und als ein Bruder den Vers las: Christi Blut u. [74] Gerechtigkeit p. sagte er (mit einem Gefühl, daß alle Anwesende ganz angethan waren): damit will ich vor dem Heiland bestehen als ein armer Sünder. Bald darauf verschied er. D. 3tn hatten wir unsern Bettag. 23 Personen wurden getauft, u. 3 wurden in die Gemeine aufgenommen, 29 kamen unter die Taufkandidaten. Von leztern waren nicht alle hier (wie dann überhaupt wegen des unaufhörlichen Regens mit Donner u. Blitz heute weniger Leute hier waren, als sonst an Bettagen gewöhnlich ist) aber es wurde ihnen von den andern bald bekannt gemacht. Denn diejenigen, die zusammen zu einer u. der andern Gemeingnade gelangen, sehen sich für näher verbunden an als natürliche Anverwandte. Wir mußten heute die Versammlungen etwas abkürzen, damit die Neger beyzeiten nach Hause kommen möchten. D. 5ten fingen wir an, die Eheleute paarweise [75] zu sprechen, u. waren die ganze Woche damit beschäftiget. Die Ehepaare unter den Negern wohnen oft weit auseinander, u. dienen verschiedenen Herrschaften; aber sie redetens mit einander ab, wie u. wenn sie zugleich hier seyn könten. Oft konte es nicht anders als spät in der Nacht seyn. Die Schwester Watson war in diesen Tagen sehr krank an der Ruhr, weswegen wir uns an unsern alten Freund Herrn Baily wendeten, der uns auch gute Dienste that.
D. 10ten feyerten wir das Chorfeste der
Eheleute. Bis Mittag hatten wir noch
volle Arbeit mit dem Sprechen. Es ist
ausserordentlich, wie die Neger-Geschwister
dieses Sprechen lieben, u. sie sind dabey
so offenherzig, daß wenige seyn werden,
die wir bey der Gelegenheit nicht
gründlich kennen lernen. Freude u.
Leid wechseln dabey ab, doch ist die
Freude überwiegend. Wir hörten z. E.
solche Aeusserungen: „Ach welche Seligkeit
[76] ist es, in den Wegen Gottes zu
wandeln, seitdem das Evangelium im
in das Land gekommen ist, u. der Heiland
uns aus der Finsternis der Sünde geführt,
u. uns hat Gnade widerfahren
lassen! Wir sind zu schlecht, u. der Heiland
ist so gut, daß Er für uns arme Sünder
gestorben ist. – Nichts soll uns
von Ihm scheiden, so lang wir Othem haben,
auch nicht uns von einander.
Wenn mich mein Herr nicht in ein
anderes Land verkauft, so will ich meine
Frau, oder sie soll mich begraben.
Niemand soll uns scheiden als der Heiland,
wenn Er eins von uns zu sich nehmen
will. Wir haben bey der Taufe dem Heiland
versprochen treu zu seyn, u. haben
dieses auch einander versprochen, da
wir uns in der Kirche die Hand gaben,
u. zu unsrer Ehe gesegnet wurden.
Der Heiland ist unser Zeuge, u.
wird uns auch bewahren.“ So wohl
uns nun war bey diesem Sprechen, so
[77] sahen wir uns doch genöthigt damit abzubrechen,
um doch einige Zeit zu den Versamlungen
zu gewinnen. In der ersten
empfingen 30 Paare den Segen der Gemeine
zu ihrer hinführo christlichen Ehe.
Darauf war ein Liebesmahl (das erste
von der Art hier in Gracehill) mit
sämtlichen ganzen Paaren, von denen
sich über 200 hier eingefunden hatten.
Etwa 40 hatten nicht kommen können.
So dann hatten sie eine Homilie, zu
deren Schluß, da über sie gebetet wurde,
viele Thränen vergossen wurden. Es
war überhaupt ein wahrer Segenstag.
Die Schwester Watson war noch immer sehr krank. Herr Baily besuchte sie, bediente sie mit Arzney, u. begab sich sogleich wieder weg. Ich sehe, sagte er, daß sie heute viel zu thun haben, u. ich will auf keine Weise stören. D. 12tn wurde sie etwas beßer, aber d. 14ten bekam Bruder Watson u. auch unsre Negerin Mary einen Anfall von derselben Krankheit, [78] der sich jedoch bald wieder gab.
Am vorigen Sonntag war das Ehechorfest
nur mit den ganzen Paaren gefeyert
worden. Nun wurde der 17te
für diejenigen zu einem Lehrtag
angesezt, die noch ungetaufte Ehegatten
haben, u. für die Brüder, die
mehr als eine Frau haben. Das Sprechen
mit leztern war wol nicht so angenehm,
als mit jenen; indessen liegt
es ihnen gröstentheils an, dem Heiland
auch in ihrem Grade zur Freude zu
werden. Viele sind verlegen, daß
sie mehr als eine Frau haben, und
wenn es auf sie ankäme, so würde
mancher die eine entlassen; wir
sagten ihnen aber, daß wir dazu
keine Anweisung in Gottes Wort hätten,
es stünde viel mehr ganz klar
darinn, daß der Mann sich von seinem
Weibe nicht scheiden solle, ausser
wegen Ehebruchs. (Es ist hier
die Rede von solchen Männern, die vor
[79] ihrer Taufe schon zwey Weiber hatten.
Wenn jemand nach seiner Taufe noch
eine zweyte Frau nehmen wolte, so
würde er von der Gemeine ausgeschlossen
werden. Nach der Vorschrift Pauli
wird kein Bruder, der zwey Weiber
hat, so lange beyde am Leben sind,
als Helfer oder Diener in der Gemeine
angestellt). Mit diesen Geschwistern
nun hielten wir am 17ten eben solche
Versamlungen, wie am 10ten mit den
andern Eheleuten geschehen war. Es
gehören zu unsrer Gemeine 126 Brüder,
die ungetaufte Weiber, u. 125
Schwestern, die ungetaufte Männer
haben. Brüder mit zwey Männern Weibern
sind 43, u. von diesen Weibern sind
62 getauft. D. 18ten hatten wir eine
vergnügte Helferconferenz, u. freueten
uns, so viele liebliche Aeusserungen
von dem Segen zu hören, den die
Geschwister durchgängig von den lezten
Festtagen gehabt haben. D. 19ten war
[80] Bruder Watson wieder sehr krank an der
Ruhr, aber seine Frau war ziemlich
wieder hergestellt. Herr Baily besuchte
uns fleißig u. mit Nutzen, so daß
sich Bruder Watson am 22ten wieder zu erholen
anfing. Heute verschied die Schwester
Frances. Von ihrer Taufe an (anno 1782)
blieb sie der empfangenen Gnade
treu, u. ihr Wachsthum in derselben
u. in der Erkenntnis war sichtbar.
Nach einer langwierigen Krankheit vor
einiger Zeit war ihr erster Gang hieher
in die Kirche. „Ach, sagte sie, ich bin
nicht werth in das Haus Gottes zu treten;
ich muß aber kommen, u. dem Heiland,
der so große Barmherzigkeit an mir
gethan, Dank bringen, u. verlange noch
mehr Segen in Seinem Hause zu geniessen.“
Zu Ostern wurde sie Candidatin
zum heiligen Abendmahl, zu ihrer sehr grossen
Freude. Sie wurde dem Leibe
nach immer schwächer, aber in ihrem
Herzen immer vergnügter, u. sie
[81] war ganz darauf gestellt, nun bald
zum Heiland zu gehen. Ihr Mann, ein
Abendmahls-Bruder, pflegte sie mit besonderer
Treue. Ihr Meister wolte keine
Bretter zu einem Sarge für sie hergeben,
sondern sagte zu ihrem Manne,
er solle ein Loch in der Erde machen
u. sie so geschwind als möglich verscharren.
„Nein“, sagte dieser, „so begräbt
man Hunde. Wir armen Neger haben
auch wie die Hunde gelebt, ehe wir
etwas von Gott wußten; meine Frau
ist aber als eine Christin gestorben,
u. hat den Heiland lieb gehabt. Den
Sarg will ich selber machen; und sobald
meine getaufte Brüder u. Schwestern Zeit
haben, soll sie ordentlich begraben
werden.“ Bruder Hofmann hielt das
Begräbnis. D. 26ten kamen sehr viele
Abendmahls-Geschwister zum Sprechen, wozu
ihnen der große Gerichtstag (dem
viele weisse Leute beywohnen musten)
sehr günstig war. D. 27ten, da wir
[82] eben zu Bette gehen wolten, kam ein
Ehepaar, beyde Communicanten, u. bereueten
sehr, daß sie durch ihr unfriedliches
Leben sich schon zweymal
des heiligen Abendmahls verlustig gemacht, u. sagten,
sie könten es nicht länger ausstehen,
wenn sich der Heiland ihrer nicht
wieder erbarmte. Wir hatten lang
auf einen solchen günstigen Augenblick
gewartet, ihnen zu Herzen zu reden;
aber sie zum heiligen Abendmahl wieder zu nehmen,
hatten wir nach gehöriger Ueberlegung
noch keine Freudigkeit.
Beym diesmaligen Sprechen der Communicanten
fanden wir, daß die
neuerlich gefeyerten Chorfeste nebst
dem vorgängigen Sprechen zu denselben,
viele gründliche Selbstprüfungen
veranlaßt hatten, u. wir fanden
die Herzen auch in Ansehung des heiligen
Abendmahls vergnügter u. heiterer. Ein
armer alter Mann mit grauen Haaren,
der vor Schwäche zittert, u. nicht
[83] mehr grade gehen kan, kam d. 30ten einen
weiten Weg her, u. freute sich wie
ein Kind, daß er die Gnade haben solte,
zum erstenmal zum heiligen Abendmahl zu gehen.
„Ach“, sagte er, „ich armer Wurm
freue mich; das ist es, warum ich den
Heiland gebeten habe: ich werde nicht
lange mehr leben, ich eile zum Heiland,
ich hatte nur noch verlangt Ihn im
heiligen Abendmahl zu geniessen; nun kan Er mich
zu sich rufen, wenn Er will.“
D. 1 Oct. hatten wir mit unsrer Neger-Gemeine das heilige Abendmahl. 20 Geschwister genossen es zum erstenmal, denen gröstentheils die ganze Zeit über kein Auge trocken blieb, besonders einem Treiber, welches bey dieser sonst rauhen Art von Leuten ein seltenes Exempel ist. Wegen der jezt grassirenden Krankheiten fehlten diesesmal mehrere als gewöhnlich; sie hatten sich aber der Gemeine ins Andenken empfohlen, u. wir gedachten ihrer bey dem Liebesmahl [84] gemeinschaftlich vor dem Heiland, daß Er dieser Kranken als Seiner Geliebten pflegen wolle. D. 2ten kam ein Ausgeschlossener auf zwey Krücken zu uns. Er hatte voriges Jahr das Unglück gehabt, in einen Kessel kochenden Zuckers zu fallen, u. war dadurch in die elendesten Umstände gerathen. Dieses hatte ihn auf sein Herz wieder gebracht, so daß er um Gnade u. Vergebung verlegen war, u. wir konten herzlich mit ihm reden. D. 7ten verursachte ein zweystündiger ungemein heftiger Platzregen einen sehr großen Schaden auf vielen Zuckerfeldern. Den armen Negern auf Jumbles u. Richmond wurde ihre erst kürzlich gepflanzte Provision ganz weggeschwemmt. Unsre Baumwolle-Plantage blieb vermittelst eines Abzugs unbeschädigt. Wir haben dieses Jahr mehr Baumwolle gepflanzt, als unser einziger Neger mit jäten u. s. w. zu bestreiten im [85] Stande ist; und ein paar Acker unsers Landes sind noch immer unbebaut. Bruder Hofmann besuchte auf Verlangen eine kranke Schwester auf Matthews. Sie war ihrem Heimgang nahe, u. sagte, daß sie für ihre Person fertig sey, u. sich freue zum Heiland zu gehen; daß aber ihr Pflegekind (die Sally, unsers Negers Joe Frau) ihr wie ein Stein auf dem Herzen liege, weil sie den Heiland nicht liebe (sie kommt wol zur Versamlung, ist aber noch ohne Gefühl). Bruder Hofmann wies ihr an, diese Sorge auf den Herrn zu werfen, der allein das Herz ändern könne, u. jezt nur ihre eigne Seligkeit wahrzunehmen, welches sie zu thun versprach. Eine andre kranke Schwester wurde ebenfalls besucht, u. in einer seligen Herzenssituation gefunden. Verschiedene alte u. lahme umgaben dabey den Bruder Hofmann, mit denen er sich herzlich unterredete.
D. 9ten wurde Anthony begraben. Er [86] war im Nov. 1782 getauft worden. Wegen seiner großen Unwissenheit kam man beym Sprechen mit ihm oft in Verlegenheit, ob es bey ihm nur an der Sprache, oder aber an dem wahren Leben aus Gott fehle. Da die Geschwister neulich paarweise gesprochen wurden, ließ Bruder Watson ihm jedes Wort von seiner Frau wiederholen. Die verstand er recht gut, u. sagte, seine Ohren wären zu dicke, die guten Worte zu hören; aber er dächte an nichts als an den Heiland, u. danke Ihm, daß Er ihn aus dem wilden Busch in den rechten Weg gebracht habe. Dieses war das lezte, was wir von ihm gehört haben, u. wir konten seinetwegen getröstet seyn. D. 18ten besuchte Bruder Hofmann viele Kranke. Auf einer Estate mußten die Geschwister ermahnet werden, sich der Kranken mehr als bisher anzunehmen. Auf andern Estates ist diese Sache in einem gesegneten [87] Gange. D. 22ten hatten wir eine lange u. lebhafte Helferconferenz wegen der neuen Leute u. Taufkandidaten. Es waren dieses mal nicht so viele wie sonst zum Sprechen gekommen, welches wir den vielen Krankheiten, der Hungersnoth u. der harten Arbeit zuschreiben musten. D. 23ten besuchte Bruder Hofmann einen kranken Bruder, der zwar frey aber übler dran ist als ein Sklave, denn für diese sorgen doch die Herren, daß sie Medicin bekommen. Er sagte: „ich habe keinen Doctor, u. auch kein Geld, einen zu bezahlen; der Heiland allein ist mein Doctor, auf Ihn vertraue ich allein; und gibt Er mir nur bald wieder so viel Kräfte, daß ich in die Versammlungen gehen kan, so will ich Ihm danken; denn wenn ich lange nicht in der Versammlung gewesen bin, so fehlt mir etwas.“ Bey diesem Bruder findet man gar nichts von dem hoffärtigen Wesen, das [88] den freyen Negern sonst eigen ist, sondern er hat ein sehr weiches u. gefühliges Herz. D. 25tn regnete u. stürmte es den ganzen Tag, aber dem ohngeachtet fanden sich über 30 Taufkandidaten zu ihrer Klasse ein, von denen einige sehr um die Gnade des Heilands verlegen sind, u. jezt viele Thränen vergossen. Sonst hatten wir die Zeit her bemerkt, daß die Versammlungen ins ganze weniger als sonst besucht wurden, u. waren verlegen, ob nicht ausser den bereits angeführten Verhinderungen auch Gleichgültigkeit daran Schuld seyn möchte. Davon redeten wir ausführlich in der Helferconferenz am 26ten. Sie erzehlten uns viel von den gegenwärtigen gedrückten Umständen des Volks wegen harter Arbeit, Hungersnoth u. der beständigen Gefahr, daß ihnen noch ihr weniges gestohlen wird. Ein alter Bruder sagte, daß so alt er auch sey, er noch nie eine solche harte Behandlung der Neger erlebt habe, als [89] jetzo. Wenn die armen Leute nicht Trost am Heiland hätten, so würden sie es nicht aushalten können; und dieses ist gröstentheils eine Folge von der Feindschaft der weissen Leute gegen das Evangelium. Das Mitleiden gegen unser armes Volk wurde uns heute besonders nahe gelegt, da eine liebe Helfer-Schwester eben deswegen nicht zugegen seyn konte, weil sie ganz unschuldiger weise jämmerlich zerpeitscht worden war.
D. 27tn taufte Bruder Watson auf Verlangen ein krankes Kind auf Johnsons, in Gegenwart von 20 Alten u. Lahmen, denen diese Gelegenheit, ein Wort vom Heiland zu hören, besonders wichtig war. Die hiesigen Leute leben in erstaunlicher Furcht vor ihrem harten Verwalter. D. 29tn war unser Bettag. Einer von den Täuflingen, deren heute 19 waren, war schon seit 11 Jahren Candidat dazu, hatte aber erst seit 7 Monaten wieder angefangen um seine [90] Seligkeit bekümmert zu werden. Er sagte: Nun erkenne ich meine Thorheit, und daß ich ein großer Sünder bin. Ich sehe, daß mich der Heiland nicht wegwirft, u. ich bitte Ihn von ganzem Herzen mir alle meine Sünden zu vergeben, u. mich zu Seinem Eigenthum anzunehmen. Während der Taufhandlung wurden viele Thränen vergossen. 4 Personen wurden in die Gemeine aufgenommen, u. 22 kamen unter die Taufkandidaten. Abends gegen 7 Uhr sezten wir uns zum Mittagsessen, denn den Tag über war keine Zeit dazu. D. 31ten beschlossen wir für dasmal die Orkanzeit, herzlich dankbar gegen den Heiland, daß uns über Erwarten so gnädig durchgeholfen worden. D. 1 Nov. hatten wir einen angenehmen Besuch von unsrer Schwester, der Frau Skennel, die Gracehill noch nie gesehen hatte. [91] Ihre treue Hülfe vor einigen Jahren, da wir in Bailyhill gröstentheils sehr krank darnieder lagen, wird uns unvergeßlich bleiben. Zur Klasse der Getauften am 2ten kamen die Neugetauften in ihren weissen Taufkleidern, u. waren sehr vergnügt. D. 4ten verschied die Schwester Eva. Sie war anno 1779 getauft worden, u. gelangte 1782 zum heiligen Abendmahl. Sie hatte etwas sehr lebhaftes, u. nachdem sie selbst Gnade erfahren, war sie gern beförderlich, daß auch andre derselben theilhaftig werden möchten, wozu sie bey Bedienung der Kranken gute Gelegenheit hatte. Sie gewann auch ihren Mann für den Heiland, der nun ein Abendmahls-Bruder ist. Sie war sehr beliebt, zumal auch bey den Kindern, von denen man immer ganze Haufen bey ihrem Hause sahe. Gleichwol waren wir bedenklich sie als Helferin anzustellen, so gut auch ihre Gaben dazu [92] zu seyn schienen, weil sie sich doch ein u. andermal zum Trunke hatte verleiten lassen. Es gereichte ihr dieses zur Demüthigung, u. sie wurde von Herzen darüber Sünder. Kurz vor ihrem Ende erklärte sie sich sehr gefühlig u. sünderhaft über die große Gnade des Heilands. Am Kinderbettag d. 5tn verlangten 30 Mütter von den neuen Leuten, mit ihren Säuglingen eine besondere Versamlung; womit ihnen auch gern gedient wurde. D. 7tn hatten wir eine Streitigkeit zwischen 3 Geschwistern von Rockhill abzuthun, wozu der Heiland auch Gnade gab. Eine Schwester, die auf dieser Estate so gut wie eine Helferin ist, hatte sich vergebliche Mühe darum gegeben, u. sagte nun (denn sie war mitgekommen): Der Heiland sey gelobt; ich sahe wohl, daß ich armes Ding nichts ausrichten konte, und daß des Heilands Gnade erst die Herzen weich [93] machen muß: dieser Abend reuet mich nicht; nun laßt uns in Seiner Liebe bleiben u. s. w. D. 9ten mußte sich die Schwester Hofmannin wegen eines Schadens am Knie einlegen. Ihr Mann hatte die Zeit her an Beulen viel zu leiden gehabt; u. so sind wir alle, auch unser Neger u. unsre Negerin, seit kurzem krank gewesen, u. sind es zum Theil noch. Herr Baily bedient uns dabey treulich, u. zwar unentgeldlich.
D. 13ten war ein heftiges Gewitter, welches an 3 Orten in unsrer Nachbarschaft einschlug. Viele Geschwister waren grade auf dem Weg hieher, einige kehrten ganz erschrocken zurück, andre kamen durchaus naß herauf zur Versamlung. D. 14ten ging das Sprechen der Getauften an. D. 15tn begrub Bruder Watson auf Matthews eine Getaufte Namens Frances. Sie war ein Object des grösten Mitleidens wegen einer so schlechten Krankheit, daß es fast unausstehlich war um sie zu seyn. [94] In diesem Zustand wurde sie anno 1780 von Bruder Watson in ihrem Hause getauft, weil es wegen ihres Aussatzes in der Kirche nicht wohl anging. Sie kam doch zuweilen zu uns, besonders in der Sprechzeit, u. hielt sich mit alle ihrem Elend kindlich u. gläubig an den Heiland. Diese ganze große Estate, Matthews, wird nun in den Zeitungen, im Ganzen u. in einzelnen Stücken zum Verkauf angeboten. Vor 7 Jahren würden wir uns über eine solche Offerte gar sehr gefreut haben, weil wir dorten wohlfeiler hätten bauen können, als hier; wir suchten auch damals ein Stückchen Land auf dieser Estate, aber vergeblich. Zur Anlegung eines dritten Missions-Etablissements aber ist diese Estate nicht dienlich, weil sie zu nahe an Gracehill gelegen ist.
D. 18ten hatten wir einen angenehmen Besuch von Bruder Braun zu Bruder Watsons Geburtstag, u. Abends hielt er mit den Helfern u. Dienern ein vergnügtes [95] Liebesmahl. Wir erinnerten uns, daß vor 12 Jahren Geschwister Englers nach Bailyhill gezogen, u. heute die erste Versamlung daselbst gehalten worden, bey welcher Gelegenheit wir uns umständlich von der damaligen Erweckung unterhielten. Mehrere Geschwister erklärten sich, daß sie sich jetzo beßer kennen lernen, als damals, u. daß es ihnen anliege, in der Erkenntnis Jesu zuzunehmen. Es waltete unter uns dabey ein besonders seliges Gefühl. D. 19ten verbrachte Bruder Braun den ganzen Sonntag bey uns, u. hielt alle Versamlungen, zur besondern Freude der Geschwister. Nach der Helferconferenz hatten wir weisse Geschwister noch eine besondere Conferenz, in welcher die Vermehrung unsrer Helfer u. Diener, von denen verschiedene theils alt u. schwach sind, theils durch ihren Sklavendienst zu sehr eingeschränket werden, daß sie ihr Amt nicht gehörig wahrnehmen können, in Ueberlegung [96] genommen wurde. Zu neuen Helfern wurden ein Bruder u. 3 Schwestern, u. zu neuen Dienern ein Bruder u. eine Schwester ernannt. D. 20ten kehrte Bruder Braun nach S. Johns zurück. D. 21ten hatten wir einen freundschaftlichen Besuch von zweyen Verwaltern. D. 22tn kamen viele Abendmahls-Geschwister zum Sprechen, unter andern ein Bruder, der neulich zu einem Diener ernannt worden. Da ihm dieses gesagt wurde, u. wie er dieses Amt anzusehen habe, brach er in Thränen aus. „Ach“, sagte er, „ich bin nicht werth ein Abendmahls-Bruder zu seyn, u. ich dachte, ich würde nie zu dieser großen Gnade gelangen; u. nun soll ich auch die Gnade haben, dem Heiland in seiner Gemeine zu dienen. Ich will es von ganzem Herzen thun; ich gebe mich dem Heiland ganz hin, und weiß nicht, wie ich Ihm genug danken soll für seine Liebe u. Gnade gegen mich elenden Sünder.“ Auch den 24ten [97] verbrachten wir mehrentheils mit dem Sprechen, bey welcher Gelegenheit denen, die zu Helfern u. Dienern bestimmt worden, ihr Ruf bekannt gemacht wurde. Unter diesen war auch unsre eigne Negerin Mary als eine Dienerin. Alle nahmen es mit Thränen u. tiefer Beugung an. Ein Bruder sagte: Es ist gar nichts gutes an mir; ich weiß, ich habe den Heiland gar oft betrübt, u. verdiene nicht die Gnade, die ich von Ihm empfangen, vielweniger diesen Ruf zu einem Helfer. Er gebe mir seine Gnade, daß ich Ihm nie zur Unehre werde.
D. 25tn besuchte Bruder Hofmann auf Verlangen ein fünfjähriges krankes Kind von ein paar Abendmahls-Geschwistern. Diesen Geschwistern liegt das Heil ihrer Kinder so sehr an, daß wir uns von Herzen freuen würden, wenn wir es so bey allen unsern Neger-Geschwistern sähen. Nach einer herzlichen Unterredung mit Eltern u. Kinde wurde lezteres mit Namen Rebekka [98] getauft, im Beyseyn vieler Geschwister. Den Eltern wurden während der Handlung die Augen nicht trocken. Die Helferin Nancy führte den Bruder Hofmann zu verschiedenen Kranken auf der Estate, denen er zum Trost u. Segen war. Abends gingen wir den Catalogum der in dieser Woche gesprochenen Abendmahls-Geschwister durch; unsre Herzen waren eines theils mit wahrer Freude u. Dank gegen den Heiland erfüllt über den Gnadengang der Geschwister, bey allem Druck von aussen, u. allen Gebrechen von innen; aber bey manchen nahmen wir Anstand, ob wir sie zum heiligen Abendmahl könten gehen lassen. Einige von leztern fanden sich nochmals ein, erkannten ihre Fehler, u. baten um Vergebung. Am Abendmahlstage d. 26tn hatten wir noch mit vielen zu sprechen. Ein Bruder kam zu Bruder Watson in seinen schlechten zerrissenen Arbeitskleidern, u. auf die Frage, warum er sich heute nicht rein anzöge? sagte er: „Ich muß [99] erst kommen, u. dem Heiland u. meinen Lehrern danken, ehe ich mich anziehen kan. Der Heiland ist zu gut (hier fiel er auf die Knie) gegen mich armen, elenden u. hartnäckigen Sünder; 3 Jahre konte ich nicht zum heiligen Abendmahl gehen aus eigner Schuld, u. doch wirft Er mich nicht weg, sondern will mich wieder anblicken. Was ich vor 2 Tagen gehört habe, daß mich der Heiland wieder zu seinem heiligen Tisch ruft, ist mir so zu Herzen gegangen, daß ich kaum mit jemand anders als dem lieben Heiland habe ein Wort reden können.“ Beym Liebesmahl wurde der Gemeine ein Gruß von der Unitaets Aeltesten Conferenz ausgerichtet, u. gesagt, wie sehr es diesen Brüdern anliege, daß sie in der Gnade u. Erkenntnis Jesu wachsen u. zunehmen möchten. Die Geschwister bezeugten, daß dieses auch ihr Wunsch wäre, u. baten die lieben Brüder wieder zu grüßen, u. ihnen für ihre Liebe zu danken. Dann wurden der Gemeine die 4 [100] neuen Helfer u. 2 neuen Diener bekannt gemacht, u. zu herzlicher Liebe empfohlen. Das heilige Abendmahl genossen 13 Geschwister zum erstenmal. D. 28tn besuchte Bruder Hofmann viele Kranke, die durch ihr Vertrauen u. Liebe zum Heiland ihm viele Freude machten. Nur eine Schwester äusserte sich, daß er den Heiland für sie um ein längeres Leben bitten möchte, da sie nun schon so lange krank gelegen. Er bezeugte seine Verwunderung über diesen Wunsch, u. wies ihr an, daß sie den Heiland selber um ein seliges Herz bitten, u. alles übrige Ihm überlassen solte. Unter andern besuchte er zwey Personen, die gar nicht mehr hieher kommen können, die aber in einer sehr seligen Herzenssituation sind; der einen stehen gleich die Thränen in den Augen, so bald sie etwas vom Heiland hört. Er sahe auch einen kranken Bruder, den man niemals über seine Armuth (die äusserst groß ist) klagen [101] hört; er weiß von nichts zu reden als von dem Trost, den er am Heiland genießt. D. 29ten besuchte die Schwester Watson die kranken Schwestern, unter andern die Helferin Grace, zu ihrem besondern Trost. D. 30ten wurde die Schwester Martha begraben. Sie blieb der in der heiligen Taufe (anno 1785) empfangenen Gnade treu, obgleich ihre Verwandte nicht ihres Sinnes waren. Sie hatte ein großes Verlangen nach mehrern Gemeingnaden, u. wir dachten auch an sie in der Absicht, aber der Heiland eilte mit ihrer seligen Vollendung. D. 1 Dec. kam ein Bruder, den wir wegen seiner schlechten Aufführung das vorige mal vom heiligen Abendmahl zurückgewiesen hatten, u. der damals keine Schuld bey sich finden konte. Nun hatte er alle, die er beleidigt hatte, um Vergebung gebeten, u. bat jezt, daß wir ihm auch vergeben möchten. Diese Veränderung war uns um [102] so lieber, da dieser Bruder ehemals in seinem einfältigen Gang vielen Seelen zum großen Segen gewesen. Dagegen wurden wir betrübt, daß ein paar Eheleute, die vorigen Sonntag mit beym heiligen Abendmahl gewesen, schon heute Klage gegen einander führten, u. nicht zu bedeuten waren. D. 2ten besuchte uns Herr Baily, u. freute sich, die Schwester Hofmann, in deren Schaden am Knie er zwey Incisionen hatte machen müssen, nun ausser Gefahr zu finden. Er ist während unsern zeitherigen Krankheiten, so oft er Gefahr sahe, alle Tage bey uns gewesen. Wie groß diese Wohlthat ist, kan man daraus ersehen, daß ein jeder Besuch von einem Doctor hier zu Lande 30 hiesige Schillinge (etwa 6 Reichstaler Sächßische) kostet, u. die geringste Medicin sehr hoch angesezt wird. Herr Baily schrieb uns einmal, da wir ihm Bezahlung anboten: „Ich wünschte, [103] daß ich mehr für sie thun könte; was meine Dienste betrift, so ist es mir genug, wenn Gott seinen Segen dazu gibt.“ D. 4ten wurden die neuen Helfer u. Diener in ihre Conferenz eingeführt. Es hatten sich zu unsrer Freude alle unsre Helfer- u. Diener-Geschwister bis auf zwey Kranke dazu eingefunden. Nach einer kurzen Rede des Bruder Watson davon, welche große Gnade es sey, wenn man von dem Heiland gewürdigt wird, auf irgend eine Weise in Seinem Hause zu dienen, wurden die neuen Helfer u. Diener gefragt, ob es ihr ganzer Sinn sey, mit Demuth u. Treue sich dem Dienste des Heilands unter ihrem Volke zu widmen? welches sie einstimmig bejaheten. Unter dem Gesang des Verses: Hier ist die Hand, Herr, hilfs uns thun p. gingen sie herum (die Brüder bey den Brüdern u. die Schwestern bey den Schwestern) u. gaben erst uns, u. dann den übrigen Helfern [104] u. Dienern die Hand darauf, u. wurden zugleich mit dem Friedenskuß empfangen. Darauf fielen wir auf die Knie, aber die Thränen unterbrachen die Worte, so mächtig fühlten wir das Bekenntnis des Heilands zu dieser Gesellschaft Seiner Diener aus dem Negervolk. Sodann wurde das Schreiben des Bruder Johannes an die Helfer u. Diener in Antigoa nochmals gelesen, wie auch die Antwort des Bruder Josephs auf ein Schreiben des Helfers Cornelius in St. Thomas, durch welche beyde Stücke sie die Instruction zu ihrem Amte aufs lieblichste erneuert bekamen. Wegen des neuen Zuwachses hatten wir ein neues Arrangement wegen der Besuche auf den Estates gemacht, welches nun den Geschwistern bekannt gemacht wurde. Eine Schwester fragte an, ob wir etwas dagegen hätten, wenn sie beym Besuchen gehen manchmal [105] auch eine andre Person von der Gesellschaft mit dazu nähme? Wir sagten, daß wir uns vielmehr darüber freuen würden, vorausgesezt, daß alles dabey ordentlich zuginge, u. niemand darüber seine eigentlichen Besuchsplätze versäumte. Es war überhaupt ein solches Leben unter unsern Helfern u. Dienern wahrzunehmen, daß wir uns von Herzen darüber freuen konten. D. 9ten nahm eine Schwester Namens Mariana sehr betrübt Abschied von uns, weil sie auf Ordre ihres Herrn auf die Spanische Insel Trinidad ziehen muß. Wir gaben ihr einen Taufschein mit, u. empfahlen sie der Gnade Gottes. D. 10ten fanden sich viele Kinder (ob es gleich nicht ihr Bettag war) ein, um Weihnachtsverse zu lernen. D. 11ten waren unsre Helfer wieder beysammen. Die neuangestellten hatten aus Blödigkeit ihre Besuche [106] noch nicht angefangen, u. baten, daß vorerst einige von den alten Helfern mit ihnen gehen möchten, bis sie die Leute kennen lernten. D. 12tn wurde der Bruder Richard, des Helfers Jonas leiblicher Bruder, begraben. Er war ein geschickter u. arbeitsamer Neger, u. viele Jahre ein Haupttreiber. Um doch auch ein Christ zu heissen, ließ er sich in der Englischen Kirche taufen, lebte aber nach wie vor in Sünden. Durch allerley schwere Krankheiten verlor er seine Kräfte, u. konte gar nichts mehr für seinen Meister thun. Er sahe eins nach dem andern von seiner zahlreichen Verwandtschaft zum lebendig machenden Glauben an Jesum gelangen, u. erkannte endlich aufrichtig, daß er nichts als den leeren Namen eines Christen habe. Er entdeckte uns seine Verlegenheit ums Seligwerden, u. wurde [107] d. 27 Nov. 1785 in die Gemeine aufgenommen. Das war für ihn ein großer Segenstag. Er sagte: „ich laße nun alles fahren, der Heiland hat sich über mich armen u. großen Sünder erbarmet; nun ist mein Verlangen, bey Ihm zu bleiben, u. zu Ihm selig heimzufahren.“ In seiner Krankheit nahm sich sein Bruder Jonas seiner treulich an. D. 13ten langten des Prinzen Wilhelm Heinrich Königliche Hoheit in Antigoa an, u. bey Sonnen-Untergang wurden alle Kanonen auf der Monkshill-Vestung (nicht weit von hier) gelöset, welches ein gewaltiges Donnern auf unserm Platz erregte. In den folgenden Tagen wurden die neuen Leute u. Taufkandidaten gesprochen. Auch von den armen Ausgeschlossenen kamen 5 Getaufte u. 3 Taufkandidaten, bereueten ihre Vergehungen, u. baten um Vergebung. Unter erstern [108] war zu unsrer Verwunderung einer, der zwey Jahre lang ein wüstes Sündenleben geführt hatte, u. sich manchmal ganz frech in seinem thörichten Kopf- u. Kleiderputz hier sehen ließ. Nun war er wie ein Lamm, weinte u. bat, daß wir nur mit ihm reden möchten, wiewol er es nicht werth wäre. Seine Frau ist eine Abendmahls-Schwester, die die Zeit her seinetwegen viel Noth gehabt hat. D. 17tn hatten wir eine lebhafte Helferconferenz, es fehlt ihnen noch an der Erfahrung, aber die Sache liegt ihnen doch an. D. 22tn besuchte Bruder Hofmann die kranke Helferin Grace, u. las ihr etwas aus der Harmonie. Dadurch wurde ihr Verlangen, wieder einmal einer Versammlung beyzuwohnen, so groß, daß sie sich vornahm, zu Weihnachten sich einmal hertragen zu lassen. Ein ausgeschlossener Bruder kam, [109] u. bat mit Thränen auf den Knien um die Wiederannahme in die Gemeine. Es wurde uns dabey ganz weich ums Herz, u. nach gehöriger Ueberlegung wurde ihm seine Bitte gewährt.
D. 24ten waren Geschwister Watsons auf Invitation bey Herrn Baily, u. wohnten der Taufe seiner 8 Monate alten Tochter bey. Zur Feyer der Christnacht hielten wir Abends eine Versamlung, zu der sich aber wegen des unaufhörlichen Regens nicht so viele wie sonst eingefunden hatten. Doch war unter denen, die da waren, ein seliger Freudengeist wahrzunehmen; nur sind unsern Negern die Weihnachts-Melodien noch nicht ganz geläufig. Wir wünschen oft ein musikalisches Instrument zu haben, theils um dem Gesang unsrer Neger aufzuhelfen, theils zur Unterstützung des Bruder Watson, der wegen seiner schwachen Brust seine Stimme nicht sehr erheben darf.
[110] D. 25tn war das Wetter beßer, u. das Volk fand sich in erstaunlicher Menge ein. Bey Beherzigung der Festmaterie, theils mit dem ganzen Volk, theils mit den verschiedenen Abtheilungen, war eine selige Bewegung zu spüren, u. man sahe manche Thräne fliessen. Noch festlicher war uns der zweyte Feyertag, an welchem wir unsern Bettag hielten. 35 Erwachsene wurden in den Tod Jesu getauft, u. 7 wurden in die Gemeine aufgenommen. Das war die zahlreichste Taufe u. Aufnahme, die noch hier auf Gracehill gehalten worden. 32 Personen kamen unter die Tauf-Candidaten, u. 3 Ausgeschlossene wurden wieder angenommen; auch kamen 2 ausgeschlossene Getaufte wieder in ihre Klasse. Die neuen Leute füllten allein die ganze Kirche an, welches uns um so mehr freute, da sie seit einiger Zeit etwas zurück geblieben waren. Den 27ten feyerten wir mit [111] den Kindern. Mit denen, die getauft oder gesegnet sind, hielten wir ein vergnügtes Liebesmahl, wobey sie ihre die Zeit her gelernten Weihnachts-Verse recht niedlich sangen. Ueber den Inhalt derselben wurde herzlich mit ihnen geredet. D. 30ten wurde der Bruder Hiob begraben. Er war ein treuer Bruder, den man aber immer wegen seiner bedenklichen Gemüthsart zu trösten u. aufzumuntern hatte. Er u. seine Frau waren sonst ein Paar von unsern solidesten Abendmahls-Geschwistern. D. 31ten versamlete sich, des ausserordentlich schlechten Wetters ungeachtet, viel Volk hier. Viele konten nicht bleiben bis Abends zum Jahresschluß, besonders die Wächter u. Treiber an den Estaten; es kamen aber andre, u. die Kirche konte sie nicht alle fassen; und so machten wir dann mit der Negergemeine einen begnadigten Beschluß des Jahres. [112] Es ist dasselbe für die hiesige Gemeine wahrlich ein seliges Jahr gewesen, sie hat zugenommen an Anzahl u. Gnade. 180 Erwachsene u. 19 Kinder sind getauft, u. 24 Personen in die Gemeine aufgenommen worden. Unter die Taufkandidaten sind 217 gekommen. Zum heiligen Abendmahl sind 95 Geschwister gelangt, u. 134 dazu Candidaten geworden. 34 Personen sind heimgegangen. Von ausgeschlossenen Getauften sind 6 wieder zur Gemeine hinzugethan worden, aber eben so viele haben wir zu unserm Schmerz wieder ausschliessen müssen. Zu Ende des Jahrs ist die Zahl der ausgeschlossenen Getauften 38, unter denen 9 gewesene Communicanten sind. Die Negergemeine besteht dermalen aus
444 Abendmahls-Geschwistern 240 Abendmahls-Candidaten 505 getauften Erwachsenen 113 getauften Kindern 343 Taufcandidaten 79 gesegneten Kindern Summa 1724 Seelen,
ohne die neuen Leute oder Lehrlinge.
[113]
D. 2 Jan. kam ein Abendmahls-Bruder zu Bruder Watson, u. klagte ihm seine Verlegenheit. Er ist von einer ängstlichen Gemüthsart, u. es wurde ihm herzlich zugeredet. D. 3ten besuchte Bruder Hofmann einen kranken Bruder, u. fand ihn etwas ungehalten darüber, daß ihn sein Meister in seinem Elend ohne Hülfe liegen läßt. Da ihm gesagt wurde, daß er sich damit die Zeit nicht verderben, sondern sich gläubig an den Heiland halten solte; sagte er gleich: Ja, das ist das beste für mich, das will ich thun; mein Heiland ist ja doch mehr als alles, u. ich weiß nichts seligers, als zu Ihm heimzugehen. D. 4tn wurde eine kranke Schwester besucht. Sie ist frey, aber äusserst arm, indem sie von ihren weltlichen Anverwandten nicht nur verlassen, sondern noch dazu ausgeplündert worden [114] ist. Aber eine andre Schwester, die auch arm ist, hat sie zu sich genommen, u. pflegt sie wie ihr eignes Kind, u. die übrigen Getauften nehmen sich ihrer auch an. In dieser Woche sahen u. grüßten wir die Geschwister zum neuen Jahr in ihren verschiedenen Klassen, so daß alle Abend eine eigne Klasse da war, wozu sie sich zahlreich einfanden. D. 6tn besuchte Bruder Watson die Kranken auf 4 Plätzen. Bey einer Schwester, die nahe am Heimgehen ist, fand er ein Mißvergnügen gegen eine andere Schwester, und da leztere nicht bey der Hand war, trug er einer Helferin auf, die Sache beyzulegen, welches sie auch treulich ausgerichtet hat. Zu Mittag kam eine Schwester zu uns, u. erzehlte mit Thränen, daß sie nebst andern von ihrer Estate auf die Insel S. Vincent würde versezt werden. Die andern Getauften, [115] die in gleichem Falle sind, kamen in den folgenden Tagen auch zu uns. Wir trösteten sie in ihrer Verlegenheit, u. ermahnten sie beym Heiland zu bleiben, der sie auch mitten in der Welt würde zu bewahren wissen. Wir gaben einem jeden seinen Taufschein. D. 7tn feyerten wir das Heidenfest. Der Gemeine wurden unter andern verschiedene Stellen aus dem alten Testamente, welche herrliche Verheissungen von der Bekehrung der Heiden enthalten, vorgelesen, u. wir freueten uns, die Erfüllung derselben so lieblich vor Augen zu sehen. Die Getauften waren heute zahlreich hier, aber von neuen Leuten hatten sich nicht so viele eingefunden, welches uns leid that, weil wir diesen Tag ihnen gern ganz besonders widmen. Wir dachten viel an die Gemeine in S. Johns, die heute ihren Bettag hatte mit einer [116] Taufe von 74 Seelen. D. 8ten hatten wir die erste Conferenz mit unsern Helfern in diesem Jahre. Ihre Zeugniße von dem Segen der lezten Feyertage waren uns zur Freude. Von den zu Weihnachten sonst gewöhnlichen Ausschweifungen war unter unsern Geschwistern nichts vorgekommen. In allen Klassen unsers Volkes hatten wir vorige Woche ein neues Leben u. Gefühl wahrgenommen; aber gestern waren wir über die neuen Leute bedenklich geworden. Die Helfer entschuldigten sie mit ihrer großen Unwissenheit, u. versprachen aufs neue sich ihrer treulich anzunehmen. Sonst wurde auch von den 8 Getauften u. 2 Taufkandidaten, die diese Woche nach S. Vincent gehen müssen, viel gesprochen. Zwey Personen von ihnen wären nicht gezwungen gewesen mit zugehen, aber sie hatten sich nicht entschliessen können sich [117] von ihren Ehegatten u. Kindern zu trennen, ob es ihnen gleich auch sehr wehe that, die Gemeine zu verlassen. Bey Gelegenheit, daß von den Taufscheinen die Rede war, wünschten die Helfer auch ihre Tauftage zu wissen; und wir hatten viel Vergnügen mit ihnen, da wir einem jeden den seinigen im Kirchenbuch aufsuchten. Da ein Bruder gefragt wurde, ob er noch wüßte, wer ihn getauft hätte? antwortete er: „Nein, das wird das Kirchenbuch sagen; meine Augen waren die ganze Zeit so in Thränen, daß ich nicht sehen konte.“ D. 9ten kam ein Bruder von denen, die nach Vincent gehen müssen, um, weil jezt Sprechzeit ist, sein leztes Sprechen noch zu geniessen. D. 12ten wurde der Bruder Joseph begraben, welcher der erste Getaufte ist, der auf der Estate Arthur Freemann heimgegangen. Er war ein sehr einfältiger Neger. Seit seiner Taufe im Merz 1786 war ein [118] besonders vergnügtes Wesen an ihm wahrzunehmen, u. zwar so, daß jedermann Notiz davon nahm. Er kam sehr gern zum Sprechen, u. ließ sich durch kein Wetter davon abhalten; er hatte zwar wenig zu sagen, aber er freute sich wie ein Kind, wenn er etwas vom Heiland hörte. Da er krank wurde, fragte ihn ein Helfer, wie es in seinem Herzen sey? Das, sagte er, habe ich dem Heiland gegeben, ich liebe Ihn, u. will zu Ihm gehen. D. 14ten war Helferconferenz, in Rücksicht auf das nun vollendete Sprechen mit sämtlichen Getauften, die noch nicht Communicanten sind. Sie haben durchgängig ein großes Verlangen, in den Gemeingnaden weiter zu kommen. In den folgenden Tagen wurden die Communicanten gesprochen. D. 18tn wurde die Schwester Patience begraben. Sie hatte sich noch vor ihrem Ende auf einer eignen Ecke müssen kennen lernen. Ihr Mann, ein Abendmahls-Bruder, hatte ausser ihr noch eine Frau, die [119] ebenfalls eine Abendmahls-Schwester ist, u. gegen diese war sie eifersüchtig. Das ging so weit, daß sie sich zu Anfang ihrer Krankheit nicht von ihr wolte bedienen lassen, ob sie es gleich mit aller Treue zu thun suchte. Der Heiland aber segnete die Bemühungen einer Helfer-Schwester so, daß sie zur Erkenntnis kam, u. ihren Mann u. die andre Frau herzlich um Vergebung bat. Es war von da an ein Vergnügen sie zu besuchen. Nun, sagte sie, fühle ich des Heilands Frieden; ach bittet Ihn alle, daß Er mich bald zu sich nehmen wolle! D. 21ten war unser Abendmahlstag. Viele unsrer Brüder sind Zuckerköche, und an manchen Orten geht die Arbeit Tag u. Nacht fort, u. auch an Sonntagen können viele erst zu Mittag abkommen: da wir dann mit dem Sprechen überhäuft sind. Sonst hatten wir bey dem Sprechen in diesen Tagen viel Freude. Der Heiland hat sein Volk in [120] den lezten Feyertagen aufs neue gesegnet. 11 Geschwister genossen heute die heilige Communion zum erstenmal. Der Raum in unsrer Kirche fängt an zu Begehung des heiligen Abendmahls zu eng zu werden, u. wir werden bald darauf denken müssen, dasselbe, wie in S. Johns, in zwey Abtheilungen zu halten. D. 24ten reisten Geschwister Watsons zur Stadt, erquickten sich ein paar Tage mit unsern dasigen Geschwistern, u. kamen am 27ten wieder zurück.
D. 2 Febr. fingen wir wieder an, die Harmonie der 4 Evangelisten zu lesen, u. werden zweymal in der Woche damit fortfahren. D. 3ten verschied die Schwester Agnes auf Freeman, u. wurde daselbst auf einem Platz begraben, den die dasigen Geschwister zum Begräbnisplatz der Getauften ausgesucht haben. Ihr folgte am 5tn die Schwester Ruth. Sie war eine freye Person, u. lebte lange nach Weltart, ohne um ihre Seligkeit [121] bekümmert zu seyn. Endlich hörte sie das Evangelium auf Bailyhill, machte sich aber nicht gleich mit uns bekannt, bis sie es vor Unruhe ihres Herzens nicht länger schaffen konte. Wir waren bange, daß sie sich von ihren weltlichen Verwandten würde wieder hinreissen lassen; aber sie machte sich von ihnen los, u. ließ sich von ihnen verspotten. Im Jan. 1786 wurde sie in die Gemeine aufgenommen (denn sie war in der Englischen Kirche getauft worden). Sie war nun dem Leibe schwach, u. mußte noch dazu die bittersten Verfolgungen von ihren Verwandten erdulden, wodurch sie in die elendesten Umstände gerieth. Aber eine Schwester, die auch frey ist, u. die mit ihr zugleich in die Klasse der Candidaten gekommen war (welches, wie schon gemeldet worden ist, den Geschwistern ein eignes Recht an einander gibt) nahm sie in ihr Haus, u. pflegte sie aufs treulichste, [122] ob sie gleich nichts hat, als was sie mit ihrer Händearbeit verdienen kan. Sie sagte: Nun ist eine andre Zeit; hat sich der liebe Heiland über uns arme Sünder erbarmt, u. uns gleicher Gnade theilhaftig gemacht, wie könte ich dich verderben sehen, u. mich deiner nicht annehmen! Diese beyden Schwestern waren einander wechselseitig zu großem Segen, u. es war ein Vergnügen sie zu besuchen. D. 11ten war ein sehr geschäftiger Sprechtag für uns alle mit den neuen Leuten u. Tauf-Candidaten. In der Helferconferenz mußte eine Erinnerung darüber geschehen, daß gar zu viele erst zur Zeit der Versammlungen zum Sprechen kommen; mit denen, die weit entfernt wohnen, oder sonst sehr gebunden sind, müßten wir Geduld haben; aber ins Ganze könne die Sache, bey der starken Vermehrung der Gemeine, nicht mehr so gehen, weil wir nicht alles bestreiten könten. Es ist bisher [123] an Sonntagen oft so gewesen, daß ausser dem Bruder, der die Versamlungen hielt, keines von uns allen denselben beywohnen konte, u. auch die Neger nicht, die unterdessen aufs Sprechen warteten. D. 15ten war die monatliche Conferenz mit den Helfern u. Dienern. Durch eine neue Einrichtung wird nun der Dienst in der Kirche weit pünktlicher u. ordentlicher besorgt, als vorher. D. 18ten war Bettag, oder wie ihn die Neger nennen, der große Lobtag, welche Benennung auch die Empfindung ihrer Herzen an solchen Tagen ganz ausdruckt. 27 Erwachsene u. 2 Kinder wurden getauft, u. 36 Personen kamen unter die Taufkandidaten. D. 19tn meldeten uns ein paar Geschwister, daß sie auf Befehl ihres Meisters nach der Insel Grenada ziehen müsten, u. nahmen wehmüthig von uns Abschied. D. 22tn war das gewöhnliche Verlesen aus der Harmonie; nur that es uns [124] leid, daß so viele Geschwister es versäumen mußten. Sie müssen sehr hart arbeiten, und das wird ihnen von vielen weissen Leuten ausdrücklich darum aufgelegt, damit sie nicht in die Versamlungen gehen sollen. An mehrern Orten finden wir sie darüber ganz niedergeschlagen. Doch sehen wir auch viele liebliche Exempel, daß kein Druck u. kein Elend sie von der Liebe Christi scheiden kan, u. das Werk des Heilandes behält immer seinen gesegneten Fortgang. D. 26ten besuchte Bruder Hofmann einen kranken Bruder. Erst konte derselbe vor großen Schmerzen nicht ein Wort reden, so daß sich die umstehenden Getauften darüber wunderten; da er aber zu reden anfing, war es mit einem solchen Gefühl begleitet, daß alles darüber bewegt wurde. Endlich sagte er: „Daß ich zum Heiland gehe, ist meine gröste Freude, nur bin ich verlegen, ob ich würdig [125] bin, zu Ihm zu kommen.“ Das verursachte eine gesegnete Unterredung von dem, was einen armen Sünder würdig macht, vor Gott zu erscheinen; worüber sich der Kranke unbeschreiblich freute. Von da besuchte Bruder Hofmann die kranke Helferin Grace. Dieselbe war vor einigen Tagen so schwach, daß sie ihr Ende vermuthete. Sie war ganz allein, u. flehete zum Heiland, daß Er ihr doch jemanden zuschicken möchte: und sogleich kam ihr Mann, der Helfer Jonas, müde u. hungrig von der Arbeit, ins Haus. Er weinte, daß er nun Abschied von ihr nehmen solte; u. sie weinte, daß sie ihm nichts vorsetzen konte, da er den ganzen Tag nichts gegessen hatte. Doch vergaß er Hunger u. alles, u. nahm sich ihrer an, daß sie sich wieder etwas erholte.
D. 8 Merz verschied der Bruder Philipp.
Er wohnte auf einer Estate, wo schon
viele Jahre sehr grausame u. gegen
[126] das Evangelium feindselig gesinnte Verwalter
sind. Er hatte deswegen auch
sein Theil reichlich zu leiden, war aber
geduldig, u. pflegte zu sagen: „Den
Leib können sie wol tödten, aber meine
Seele ist in des Heilandes Händen,
den kan u. will ich nicht verlassen, so
lange ein Othem in mir ist; denn Er
ist für mich gestorben, u. hat mich mit
seinem Blut von meinen Sünden
rein gewaschen.“ Voriges Jahr, da er
einmal ganz krank u. elend zum Abendmahls-Sprechen
kam, geschahe es, daß
es in seiner Abwesenheit aus des Verwalters
Garten etwas Frucht gestohlen
wurde. Er ersezte den Verlust sogleich
aus seinem geringen Vermögen,
u. bat den Verwalter ihn nicht zu
strafen, weil er zu krank sey die
Strafe auszustehen. Dieser aber achtete
so wenig seine Krankheit als seine
freywillige Entschädigung, ließ
ihn hinlegen u. derb auspeitschen.
Diese Behandlung verkürzte ihm sein
[127] Leben, denn von da an konte er nicht
wieder zu Kräften kommen. Gleichwol
genoß er noch zweymal hier mit
der Gemeine das heilige Abendmahl, u. sagte,
daß er es, wo möglich, nie versäumen
wolte. Die Getauften auf seiner
Estate nahmen sich seiner liebreich
an. Auf seine selige Vollendung
freute er sich ausserordentlich, u. die
Geschwister erzehlten, daß seine Leiche
einen solchen vergnügten Blick gehabt,
als wenn er mit jemanden
freundlich redte. D. 11ten währte das
Sprechen der Getauften von Morgens
bis Abends. Wir hörten viel schmerzliches
von dem Druck, unter welchem
viele Geschwister seufzen; aber auch viel
erfreuliches von dem Troste, den sie
dabey am Heiland haben. Heute liessen
wir 6 neue Bänke machen, um beym
heiligen Abendmahl für alle Geschwister Sitze zu
haben, woran es seit einiger Zeit gefehlt
hatte. Um diese Zeit vollendeten
[128] wir unsre Baumwollen-Erndte, u.
hatten Gelegenheit den Ertrag gut
zu verkaufen. Dadurch wurden wir
in Stand gesezt, an unsern Gebäuden
manche Verbeßerungen zu bestreiten,
wofür wir unserm himmlischen Vater
herzlich dankten. Wir hatten nun die
Abendmahls-Geschwister zu sprechen, u. d. 16tn
kamen diejenigen, die zum erstmaligen
Genuß desselben gelangen solten.
Verschiedene Abendmahls-Geschwister hatten für
ihre Ehegatten, die noch nicht Communicanten
sind, zum Heiland herzlich gebetet,
daß sie auch zu dieser Gnade gelangen
möchten, u. wurden erhört, so daß es
viel Freude machte. Heute war auch
der Gedenktag der Einweihung unsrer
Kirche vor 4 Jahren, zu dessen
Begehung sich Abends ein großes Volk
einfand. Es sind in den 4 Jahren in
hiesiger Kirche 726 Personen getauft worden,
u. 301 sind zum heiligen Abendmahl gelangt.
D. 17ten erfuhren wir, wie hart
[129] etliche von unsern Abendmahls-Schwestern
behandelt werden, weil sie sich nicht
zum Dienst der Sünde hergeben wollen.
Zwey sind darum jämmerlich gepeitscht
worden, sind aber standhaft u. treu.
D. 18ten war unser Abendmahlstag. Ein
Bruder hatte durch harte Arbeit einen
gefährlichen Leibesschaden bekommen,
sagte aber, er könne diesen Genuß
nicht versäumen, wenn er auch auf
Händen u. Füßen herkriechen müßte.
Er fand sich auch wirklich ein, so wie
auch die kranke Helferin Grace. Die
erstmaligen Mitgenoßen, deren heute
21 waren, vergossen viele Thränen,
u. überhaupt war in der ganzen
Gemeine eine besonders selige Bewegung
wahrzunehmen. Ohngeachtet
wir 6 neue Bänke hatten machen lassen,
so hatten kaum alle Platz zum
sitzen. D. 19ten war die Nach-Communion
mit 10 Geschwistern. D. 26tn erfuhren
wir abermal, daß eine Schwester Namens
[130] Judith nach S. Vincent geschickt,
u. dadurch sowol von der Gemeine als
von ihrem Manne, der ein Bruder ist,
getrennt worden. D. 27tn besuchte Bruder
Hofmann einen Bruder, der viele
Jahre lang ein elender Krüppel ist,
u. nun in Gefahr ist, das eine Bein,
wo nicht gar sein Leben zu verlieren.
Die Gnade Jesu ist jezt viel kräftiger
an seinem Herzen zu spüren, als
wir es bey ihm in gesunden Tagen
gemerkt hatten. D. 30tn beendigten
wir das Lesen aus der Harmonie bis
zur Passionsgeschichte, u. dankten dem
Heiland für die Segen, die Er uns u. der
Negergemeine dabey zu geniessen gegeben.
Sonst erfuhren wir in diesen
Tagen ein paar schmerzliche Geschichten
von Abweichungen einzelner Seelen.
Um diese Zeit wurden die neuen Leute
u. Taufkandidaten gesprochen, wobey
wir ihnen sonderlich die nun angehende
Passionswoche zu Gemüthe führten.
[131] In diese selige Woche traten wir
dann am 1 April ein, mit herzlichem
Flehen zum Heiland, daß Er uns den so
oft darinn genoßenen Segen kräftigst
erneuern wolle. Die Neger fanden sich
dazu zahlreich ein. Unter andern kamen
auch einige Kinder, Verse zu lernen.
Diese thaten in aller Einfalt an
Bruder Watson eine Frage wegen des heute
(nemlich am 1 April) gewöhnlichen so
genannten Aprilschickens; und wir
musten uns wundern, daß diese thörichte
Gewohnheit sogar den Negerkindern
bekannt ist. D. 2tn, 3tn u. 4tn
wurde die Passionsgeschichte jeden Abend
gelesen, mit untermengtem Gesang.
Jedesmal war die Kirche ganz voll.
Wir wunderten uns, wie die Leute
so abkommen konten, da bey dem sehr
günstigen Winde alle Zuckermühlen
in Arbeit waren. Bruder Hofmann besuchte
einige Kranke, besonders solche,
die gar nicht imstande sind hieher
zu kommen, u. doch gern etwas von
[132] der in diesen Tagen waltenden Gnade
geniessen möchten. Der armen, seit vielen
Jahren krüppelhaften Eleonora auf
Patterson las er die ganze Leidensgeschichte
vor, u. das war es just, wornach
sie verlangt hatte; die ganze
Zeit wurden ihre Augen nicht trocken.
Ihre Tochter, die den Heiland noch nicht
kennt, hörte zu, u. schien auch bewegt
zu seyn. Da Bruder Hofmann sagte, er
müsse jezt weiter gehen, um auch
die Helferin Grace zu besuchen, sagte
die Eleonora: „Gott segne die gute Helferin
Schwester Grace! So lange sie Füße
zu gehen hatte, wie viel tröstliches hat
sie mir nicht vom Heiland gesagt! nun
ist sie auch ein Krüppel geworden, wie
ich; ach hätten wir keinen Heiland,
wo solten wir Trost hernehmen! Ich
werde für sie beten, u. sie muß für
mich beten, daß uns der Heiland beyde in
seiner Gnade erhalte.“ Die Helferin
Grace muß nun wieder die Passionswoche
[133] auf ihrem Krankenlager in großen
Schmerzen zubringen. Bruder Hofmann las
ihr auch die Leidensgeschichte bis zur
Kreuzigung vor, wofür sie sehr dankbar
war. Sie sagte: „ich weiß u.
fühle, daß ich armer Wurm meinem
gekreuzigten Heiland angehöre, der so
große Barmherzigkeit an mir gethan.
Ich bin in Seinen Händen, u. verlange
nach nichts so sehr, als selig zu Ihm
heimzufahren.“ Sie bat, daß man
ihrer in der Gemeine gedenken möchte,
mit der Bitte zum Heiland, daß Er sie
bald zu sich nehmen wolle. Am
Gründonnerstag d. 5tn sahen wir, daß
weit u. breit die Zuckermühlen stark
gingen, u. dachten viel an unsre Neger,
daß sie würden gehindert werden
zu kommen. Gleichwol kamen Abends
so viele, daß nicht alle in der Kirche
Platz hatten. Die Tagesgeschichte wurde
in zwey Sessionen gelesen, unter
[134] großer Stille u. Aufmerksamkeit der
Geschwister. Bey der Stelle von dem
schweren Bußkampf Jesu in Gethsemane,
fielen wir auf die Knie, u.
dankten Ihm mit tiefgebeugten Herzen
für Seine so saure Arbeit, damit
wir erlöset würden. Die Herzen waren
dabey so zerschmolzen, daß durchgängig
die Thränen mehr redeten
als die Worte. Wir gedachten auch gemeinschaftlich
der Kranken, daß ihnen
der Heiland auch ihren Antheil an der unter
uns so mächtig waltenden Gnade schenken
wolle, als welches sich viele ausgebeten
hatten. Am Charfreytag d. 6tn
versammleten sich zu Mittage so viele
Neger, als nur irgend von der Arbeit
abkommen konten, so daß die Kirche
mehr als halb voll war, u. eilten
darauf (gröstentheils mit nassen
Augen) so geschwind als möglich wieder
an die Arbeit. Wir lasen die Passionsgeschichte
bis zur Kreuzigung.
[135] Nachher ging Bruder Hofmann nach Buckhorn,
u. las der Helferin Grace das übrige
von der Passionsgeschichte vor.
Ihr Mann Jonas paßt sich seine Zeit u.
Arbeit so genau ab, daß er bey solchen
Gelegenheiten immer seinen Theil mit
genießt. Abends versamleten sich die
Geschwister in großer Anzahl zur Anhörung
der Leidensgeschichte Jesu, u.
begleiteten Ihn im Geiste bis zu Seiner
Ruhe im Grabe. Es waltete dabey
in der Gemeine ein unbeschreiblich
seliges Gefühl. D. 7tn hatten wir auf
den Abend alle unsre Helfer- u. Diener-Geschwister
zu einem Sabbaths-Liebesmahl
bestellt, mußten es aber im
Hause halten, weil die Kirche mit
Alten, Schwachen u. Krüppeln besezt
war, die weit aus dem Lande hergekrochen
waren, um morgen früh
die Osterlitaney mit zu beten. Beym
Liebesmahl waren wir, u. unsre Helfer
[136] u. Diener sehr angethan, u. voll
Lobes u. Dankes über den in diesen
Tagen so reichlich genossenen Segen.
Gegen Mitternacht, da der Mond aufging,
machten sich die Neger überall
auf, u. kamen haufenweise weit aus
dem Lande von allen Orten, so daß
am 8tn früh um 5 Uhr die ganze Kirche
voll war, u. die übrigen den
Platz vor unserm Hause u. hinter der
Kirche anfüllten. Eine halbe Stunde
vor Sonnenaufgang gingen wir in
die Kirche. Bruder Watson grüßte das
Volk mit den Worten: Der Herr ist
auferstanden! worauf von der Gemeine
u. besonders nachdrücklich von den
Helfern u. Dienern erwiedert wurde:
Er ist wahrhaftig auferstanden. Sodann
wurde nach dem Gesang einiger Verse
die Osterlitaney gebetet. Bey den
Worten: „Das ist mein Herr, der mich
verlornen u. verdammten Menschen erlöset
[137] hat, erworben, gewonnen, von allen
Sünden, vom Tode u. von der Gewalt
des Teufels, nicht mit Gold oder Silber,
sondern mit seinem heiligen theuren
Blute, u. mit seinem unschuldigen
Leiden u. Sterben; auf daß ich Sein
eigen sey, u. in Seinem Reich unter
Ihm lebe u. Ihm diene in ewiger Gerechtigkeit,
Unschuld u. Seligkeit; gleichwie
Er ist auferstanden vom Tode, lebet
u. regieret in Ewigkeit“ – u. der
Antwort der Gemeine: „Das ist gewißlich
wahr“ – durchdrang uns etwas
ausserordentliches, u. man fühlte, daß
dieses Bekenntnis in der Gemeine
Geist u. Leben war. Den Tag über
waren die gewöhnlichen Osterversamlungen,
theils mit der ganzen Gemeine, theils
mit den verschiedenen Abtheilungen.
Und so beschlossen wir diese seligen
Feyertage, die uns u. unserm Neger-Volke
unvergeßlich bleiben werden.
Der Heiland hat in seiner Gemeine
[138] gewandelt, die Herzen gesegnet, sie seliglich
geweidet u. aufs neue gestärkt
mit dem Verdienst Seines Leidens u.
Sterbens. Wir bemerkten viele, u.
manche, von denen wir es nicht gedacht
hatten, die auch nicht eine Versamlung
versäumten. Unter den neuen Leuten,
die vorher etwas zurückgeblieben
waren, ist eine ganz neue Bewegung
entstanden. Davon wurde viel in
der Helferconferenz am 9ten geredet, ja
die Helfer wußten nicht Ausdrücke genug
zu finden, um zu sagen, wie ihnen
u. den andern Geschwistern in
diesen Tagen ums Herz gewesen ist.
D. 11ten kam Bruder Braun zu uns, u. wir hatten einander genug zu erzehlen von dem gnädigen Bekenntnis des Heilands zu seinen beyden Negergemeinen in Antigoa. Wir hielten eine Conferenz zu unserm bevorstehenden Bettage. Abends hielt Bruder Braun die Versamlung, die zahlreich war, mit Leben u. Gefühl. Nachher war Conferenz [139] mit den Helfern u. Dienern, welche zu ihrer großen Freude die gewöhnlichen Aufträge bekamen, die Täuflinge auf den nächsten Bettag zu uns zu bestellen. D. 12tn reiste Bruder Braun wieder zurück. D. 13tn u. 14ten regnete es unaufhörlich, so daß alle niedrige Plätze unter Wasser stunden, u. der gröste Theil der Täuflinge verhindert wurde eher zu kommen als am 15tn, welches unser Bettag war. Vielen von ihnen gingen die Augen über, daß ihnen nun die große Gnade widerfahren solte, nach der sie so sehnlich verlangt hatten. Sowol bey den Täuflingen als bey vielen neuen Leuten u. Tauf-Candidaten fühlte man, daß sie in der lezten Charwoche einen tiefen Eindruck von der Liebe Jesu bekommen hatten. 27 Erwachsene wurden getauft, u. 3 Personen in die Gemeine aufgenommen, 36 kamen unter die Taufkandidaten. Der Taufhandlung [140] wohnten 3 Soldaten u. noch ein weisser Mann mit großem Respect bey. Ausser den Bettagsversamlungen hatten wir zum heutigen Sonntag Quasimodogeniti ein vergnügtes Liebesmahl mit allen, die seit Ostern voriges Jahr getauft u. in die Gemeine aufgenommen worden sind. Sie sassen in 7 Reihen, wie sie mit einander getauft worden, u. die heute Getaufte saßen vorne. Es waren in allen 208 Erwachsene u. 18 Kinder. Eine Schwester ist selig heimgegangen, u. 4 Personen sind nach S. Vincent versezt worden, die wir dem Gebet u. Andenken der übrigen besonders empfahlen. D. 17tn besuchte Bruder Hofmann die Kranken. Eine Schwester auf Stonehill hatte durch Ungeduld ihre Krankheit vermehrt, aber auch ihren Fehler erkannt, u. war nun in einer sehr seligen Herzenssituation. Es [141] fanden sich bald über 20 Neger zu Bruder Hofmann ein, denen er mit Vergnügen eine kleine Versamlung hielt. Es ist ein neues Leben auf dieser Estate entstanden, u. 4 von den lezten Täuflingen waren von daher. Ehemals war daselbst eine große Erweckung, zur Zeit der so genannten Tempel-Hanna (so hieß eine Schwester, die nun beym Heiland ist, u. die vielen Seelen zum großen Segen war). In der Folge verlöschte das Feuer fast ganz, indem die Neger durch die harte Behandlung eines unbarmherzigen Verwalters ganz muthlos wurden, u. es nicht wagen durften in die Versammlung zu gehen. Ein paar alte Abendmahls-Brüder, die untreu wurden, u. noch unter den Ausgeschlossenen sind, richteten auch großen Schaden an. Nun bricht der gute Same, der unter dem Schutt gelegen, wieder hervor. Ein lieber alter Helfer-Bruder Nicodemus nimmt sich ihrer [142] treulich an, u. sie lieben ihn wie einen Vater. Auch haben sie seit einigen Jahren einen andern Verwalter, der sie wol genau zur Arbeit anhält, sie aber doch verständig behandelt, u. gern in die Versammlungen gehen läßt.
Von da besuchte Bruder Hofmann auf Langford Morris die Schwester Rosine. Sie war auf dem Wege von bösen Negern überfallen u. beynahe umgebracht worden. In diesem Zustande fand sie eine andre Schwester, die mit ihr getauft worden, u. brachte sie nach Hause. Der Verwalter ließ sie ins Krankenhaus einsperren, wo sie in großem Elend sprachlos da lag. Die andern Geschwister brachten es mit vielen Bitten dahin, daß ihnen erlaubt wurde, sie aus dem Krankenhause zu sich zu nehmen, u. sie zu pflegen. Bey diesem Besuch nun redete sie zum erstenmal wieder ein paar gebrochene [143] Worte. Auf Hortons wurde die Schwester Sibylle besucht, die so darauf gestellt ist zum Heiland zu gehen, daß sie von sonst nichts wissen will. D. 18ten meldete ein gewisser Dr Mac Connell dem Bruder Watson, daß er in Zeit von 6 Wochen alle seine Neger auf eine kleine Insel bey Grenada versetzen würde; und da er wisse, daß verschiedene von ihnen zu unsrer Gemeine gehören, so wünsche er, daß der gute Unterricht, den sie genoßen, auf irgend eine Weise fortgesezt werden möchte, wir möchten daher auf eine Einrichtung in der Absicht denken, u. einem von den Getauften, den wir für den tüchtigsten hielten, den Auftrag geben, sich der übrigen anzunehmen. Er schlug uns auch einen Bruder dazu vor, der uns auch am besten dazu einleuchtete. Wir versprachen über die Sache zu denken.
[144] D. 22tn war Kinderbettag. Es wurde ihnen ein Theil der Passionsgeschichte vorgelesen, u. mit ihnen herzlich darüber geredet. Heute war der Gedenktag der seit Jahr u. Tag zum heiligen Abendmahl gelangten Geschwister, die in der Absicht ein vergnügtes Liebesmahl hatten. Ihre Zahl ist 97, aber auch von ihnen ist ein Bruder nach Grenada versezt worden. Sonst war uns über dem Anblick dieser Geschwister sehr wohl.
In den folgenden Tagen erfuhren wir aufs neue, daß wir uns über unsre Negergemeine, auch bey den gnadenreichsten Heimsuchungen derselben, nur mit Zittern freuen dürfen, indem verschiedene betrübte Umstände, einzelne Seelen betreffend, ans Licht kamen. Doch fand sich auch immer Materie zu reichem Troste.
D. 27ten B besuchte Bruder Hofmann die
kranke Helferin Grace, u. fand sie
[145] vergnügter als sonst in ihren schmerzhaften
Umständen. Er erzehlte ihr
den Umstand von einem Bruder, welchen
wir erst vorige Woche in den
Gemeinnachrichten gelesen hatten,
der, als er sehr viel an die Aerzte
gewendet, u. doch keine Beßerung
gefunden, bey sich selber dachte:
„Bin ich nicht des Heilandes, u. in
Seinen Händen! ist Er nicht der
beste Arzt Leibes u. der Seele?“ –
worauf er von allem abstand, sich
gläubig dem Heiland überließ, u. in
seinem Vertrauen nicht beschämt wurde,
indem er ganz wieder hergestellt
worden. Das machte auf die Kranke
einen tiefen Eindruck. Sie sagte: Ach
ja, der Heiland ist auch gewiß mein
bester Freund in allen meinen
Nöthen u. Schmerzen, u. auf Ihn
setze ich mein ganzes Vertrauen.
D. 30ten war Helferconferenz, zwar [146] mit unter mit einem wehmüthigen Gefühl über einige vorgekommene Abweichungen, aber doch ins Ganze mit herzlichem Dank für die in der Gemeine waltende Gnade.
D. 2 May hatten wir einen freundschaftlichen Besuch von Herrn Baxter u. seiner Frau, die uns vor ihrer Abreise nach S. Vincent gern noch einmal sehen wolten. Er will einen Versuch machen, den dortigen Caraiben das Evangelium zu verkündigen, wozu wir ihm von Herzen Gottes Segen wünschten. D. 10ten begab sich die Schwester Watson aufs Land, theils Kranke zu besuchen, theils die Abendmahls-Schwestern, besonders solche, die gar nicht in der Woche hieher kommen können, zu sprechen. Es fanden sich so viele Schwestern zu ihr ein, daß sie nicht allen ein Genüge thun konte, u. erst Abends spät nach [147] Hause kam. D. 11ten erhielten wir zu unsrer Freude einen herzlichen Brief aus der Unitäts Ältesten Conferenz. Nach der schönen Anweisung in demselben, u. der Zustimmung unsrer eignen Herzen gaben wir uns einander Herz u. Hände mit dem Friedens-Kuß unter einigen Versen, beym Heiland u. seinen Wunden unverrückt als Sünder zu bleiben, und als Seine arme Diener u. Dienerinnen von ganzem Herzen Seine Sache zu treiben. Er wolle nur immer mit uns seyn, und uns klein u. gebeugt erhalten, daß wir gesegnete Arbeit machen, u. Ihm Früchte bringen, die da bleiben! Heute wurde der Bruder Christian begraben. Er lernte den Heiland erst in seinem hohen Alter kennen, u. zwar dadurch, daß er von einer schweren Krankheit genas. Er sagte: „Der Heiland muß sehr gnädig [148] seyn, denn ich habe zu Ihm geschrien, und Er hat mich erhört; denn gewiß, kein Mensch hätte mir helfen können.“ Er wurde im Oct. 1783 getauft, u. eben jezt war ihm zugedacht, ein Mitgenoß des heiligen Abendmahls zu werden; aber der Heiland eilte mit seiner Vollendung. D. 12ten wurde mit den Abendmahls-Geschwistern gesprochen, und mit manchen sehr gründlich u. nachdrücklich. 7 von den Geschwistern, die das vorige mal nicht zum heiligen Abendmahl admittirt wurden, waren nun gründlich auf ihr Herz gekommen, u. wir waren ihretwegen getröstet. Mit andern hingegen mußte ernstlich geredet werden. Ueberhaupt aber fanden wir tröstliche Spuren, daß die Herzen einen neuen lebendigen Eindruck von der Marter Jesu bekommen hatten. D. 13tn hatten wir das heilige Abendmahl, welches 24 Geschwister zum erstenmal genoßen. D. 14ten besuchte Bruder Hofmann [149] auf Delap einen kranken Taufkandidaten, dem am vorigen Bettag in S. Johns die heilige Taufe zugedacht worden war (er gehört zu dasiger Gemeine, war aber wegen seiner Krankheit in hiesige Gegend gebracht worden). Bruder Hofmann hatte Freudigkeit ihn zu taufen; der Kranke aber, der sich etwas beßer fühlte, wünschte diese Gnade lieber in versammleter Gemeine zu empfangen: welches ihm dann auch versprochen wurde. Von da besuchte Bruder Hofmann auf Fry einen kranken Bruder, der sehr darnach verlangt hatte. Ueber 3 Jahre lang war er ein armer Krüppel, u. wohnte so weit weg, daß wir ihn bey unsern Besuchen nicht erreichen konten. Dieses ging den Geschwistern auf Fry so zu Herzen, daß sie ihren Eigenthümer, dem dieser Bruder auch gehört, um Erlaubnis baten, ihn zu [150] sich zu nehmen, mit dem Zusatz, es solte der Estate nichts kosten, sondern sie wolten ihn allein versorgen u. pflegen. Das geschahe dann auch, u. dieser Bruder, der vorher von jedermann verlassen war, genießt nun die Liebe u. Pflege seiner getauften Brüder u. Schwestern, u. kan auch von uns besucht werden, wofür er sehr dankbar ist.
Von hier ging Bruder Hofmann nach Lyons in das Haus der Helfer-Geschwister John u. Nancy. Es versamlete sich bald eine hübsche Anzahl Neger, auch von den neuen Leuten, denen eine Versammlung gehalten wurde. Die Geschwister auf Lyons wohnen eine gute Stunde von Gracehill, u. haben uns oft gebeten, manchmal zu ihnen zu kommen, u. ihnen eine Versammlung zu halten. Es gehört aber eigentlich die Erlaubnis des Eigenthümers dazu, [151] der erst künftiges Frühjahr von England zurück erwartet wird.
D. 15tn war Bruder Watson in Jumbles, auf Verlangen des Helfer-Bruder Jeremias, um deßen alte kranke Mutter Magdalena noch einmal zu sehen, die eine liebe treue Seele ist, u. den Heiland herzlich liebt. Während dem Besuch kam ihre Tochter, eine freye Mulattin, mit einem Pferd u. Wagen, um ihre kranke Mutter zu besserer Verpflegung nach S. Johns zu bringen. In den folgenden Tagen wurden mehrere Kranke besucht, zu allerseitigem Vergnügen. D. 20ten war Kinder-Bettag. Der kleine Sohn des Herrn Baily, Isaac, der sich zuweilen bey Bruder Watson aufhält, u. von ihm informirt wird (er ist in seinem 8tn Jahre) stellte sich mit den Neger-Kindern in die Reihe, u. sagte auch seinen gelernten Vers auf. Ein eignes Vergnügen [152] haben wir mit einem getauften Neger-Mädchen, von 5 Jahren, welches im Lernen alle übrige übertrift, u. seinen Eltern, die Abendmahls-Geschwister sind, zur Erbauung ist. Sie sagt manchmal zu ihrem Vater: „Vater, habt ihr kein Wort vom Heiland mir zu sagen? ich höre gern vom Heiland.“ Dem Vater kommen oft darüber die Thränen in die Augen. „Wie oft“, sagte er, „vergessen wir alte Leute den Heiland; aber wenn ich mein Kind sehe, wie sie die Versamlungen liebt, wie sie ihre Verse liebt, u. wie sie horcht, wenn sie nur etwas vom Heiland hören kann, so muß ich glauben, daß sie an nichts anders denkt, als an den lieben Heiland. So solte es mit uns alten Leuten auch seyn, u. noch vielmehr, da wir mehr davon wissen, was der Heiland für uns gethan hat.“ D. 27tn hatten wir eine [153] gesegnete Feyer des Pfingstfestes, wozu sich die Neger so zahlreich einfanden, daß ein großer Theil draussen stehen mußte. Es waltete in allen Versammlungen ein besonders seliges Gefühl. In diesen Tagen kamen wir in eine eigne Noth, die uns eine Zeit lang sehr beunruhigte. Ein alter Neger-Bruder Namens Joseph, der wegen seiner Schwachheit schon lange von der Arbeit abgedankt, u. so gut wie frey war, pflegte sich, weil er nicht gern eine Versamlung versäumte, viel hier aufzuhalten, u. that uns dann auch aus Liebe allerley kleine Dienste. Bey einer neulichen Veränderung mit der Estate wurde das Verzeichnis der Neger durchgegangen, u. dieser alte Mann vermißt; und da dem neuen Eigenthümer gesagt wurde, er wäre bey uns in Diensten, wurde er so [154] aufgebracht, daß er drohete, uns gerichtlich zu belangen. Zum Unglück wurde der alte Joseph durch allerley Erzehlungen so irre gemacht, daß er sich einige Tage versteckte, wodurch die Beschuldigung wahrscheinlich wurde. Wir fanden ihn aber aus, brachten ihn zu seinem Herrn, und dieser, da er den wahren Verlauf der Sache erfuhr, wurde so gerührt, daß er dem Joseph seine Freyheit vollends schenkte, u. es ihm auch schriftlich zu geben versprach. Wir dankten dem Heiland herzlich für seine Durchhülfe, da ohne Zweifel die Absicht des Feindes u. seiner hiesigen vielen Werkzeuge war, eine Schmach auf die hiesige Mission zu bringen. Die Neger-Geschwister nahmen während den etlichen Tagen unsrer Noth überaus großen Antheil daran, u. beteten unaufhörlich [155] zum Heiland, daß Er uns helfen wolle. Der arme Joseph war ganz betreten darüber, daß er uns u. sich so unnöthigen Kummer gemacht hatte, u. bat uns u. die Geschwister um Vergebung. D. 2 Jun. kamen unter andern etliche Ausgeschlossene zum Sprechen. Ein gewesener Communicant sagte: Meister, du hast gesagt, ich solte nicht zu dir kommen, so lange ich noch in Sünden fortlebte, u. so lange woltest du nicht mit mir reden. Ich elender Mensch gestehe, ich konte die Sünde nicht los werden; nun aber reuet sie mich, u. ich bitte den Heiland mir zu helfen; und nun muß ich auch zu dir kommen, u. vor Gott u. Menschen meine schweren Sünden bekennen, denn ich bin wie ein todter u. verlorner Mensch.
In der Helferconferenz am 3ten waren die Ausgeschlossenen unser besonderes [156] Augenmerk, da wir deutlich sehen, daß ihnen der gute Hirte nachgehet. Seit geraumer Zeit hatten uns die Neger-Geschwister, die nach Grenada versezt werden sollen, sehr am Herzen gelegen; Bruder Watson hatte daher auf einen Sonntag die Getauften, u. auf einen andern Sonntag die Ungetauften hieher bestellt, um mit ihnen zu reden, u. nach ihren Umständen ihnen zu rathen. Ihre gröste Betrübnis war, daß sie nun ohne Lehrer u. Gottes Wort, u. von der Gemeine getrennt seyn müßten, worüber viele von ihnen weinten. Manche müssen auch ihre Ehegatten u. Kinder verlassen. Wir baten sie, sich kindlich u. gläubig an den Heiland zu halten, u. versichert zu seyn, daß Er sie nicht verlassen u. nicht versäumen würde, sie möchten auch seyn, wo sie wolten. Wir empfahlen ihnen auch, einander von [157] Herzen zu lieben, u. sich zusammen zu halten wie Kinder einer Familie. Die Getauften bekamen ihre Taufscheine. Eine Abendmahls-Candidatin unter ihnen, die wegen ihrer Untreue seit 4 Jahren aus der Gemeine ausgeschlossen worden war, hatte seit geraumer Zeit mit vielen Thränen um die Wiederannahme gebeten; und ihre Bitte wurde ihr nun gewährt. Am 4 Jun. solten diese Geschwister abreisen, weswegen am 3tn die meisten von ihnen herkamen, um Abschied von uns zu nehmen. Bruder Watson brach mit dem Sprechen der vielen neuen Leute ab, redete nochmals herzlich mit ihnen, u. betete zulezt über sie, wobey die Thränen auf allen Seiten die Worte unterbrachen. D. 4ten segelten dann 50 Neger nach Grenada ab. 21 waren schon im Februar dahin versezt worden, u. 30 sollen noch nachgeholt [158] werden. Unter denselben sind 15 Getaufte u. 8 Taufkandidaten, u. verschiedene von den neuen Leuten, die fleißig in die Versamlungen kamen. Unter den Getauften sind 3 Communicanten u. 4 Abendmahls-Candidaten. D. 10tn hatten wir unsern Bettag, unter fühlbarem Bekenntnis des Heilandes zu seiner Gemeine. 27 Erwachsene wurden in den Tod Jesu getauft, u. 2 Personen in die Gemeine aufgenommen, 33 kamen unter die Taufkandidaten. Der nach Grenada versezten Geschwister wurde in der Gemeine theilnehmend gedacht. D. 24ten empfingen 14 Ehepaare den Segen der Gemeine zu ihrer Ehe. D. 25tn hatten wir eine zahlreiche Helferconferenz, u. bekamen umständlichen Bericht von dem Gang unsrer Geschwister. Wir proponirten ihnen, ob es nicht thunlich sey, daß wir zuweilen auf der Westseite [159] der Insel, old Road genannt, eine Versamlung hielten, da viele von den dasigen Geschwistern alt u. lahm sind, u. auch die andern wegen der Entfernung nur selten herkommen können. Die Helfer gingen von ganzem Herzen in die Sache hinein, besonders diejenigen, die in der Gegend zu besuchen haben, u. schlugen uns dazu Sir William Youngs Estate vor, wo der Verwalter sowol als der Eigenthümer es gewiß gern sehen würden. (Nota: Von der freundschaftlichen Gesinnung des Ritter William Young gegen die Brüdermission ist in Bruder Montgommerys Bericht von seinem Besuch in Tabago (s. 27te Woche 1787) etwas vorgekommen). Am 27tn begaben sich Geschwister Watsons auf diese Estate, u. wurden von dem Verwalter freundschaftlich aufgenommen. [160] Der Treiber, ein Abendmahls-Bruder, hatte sein Haus aufgeräumt, damit darinn Versammlungen gehalten werden könten, u. hatte die ganze Nacht damit zugebracht. Eine von den neuen Leuten gab ihr Haus dazu her, daß die Schwester Watson die Schwestern einzeln sprechen könte. Zu Mittag gab der Verwalter den Negern zwey Stunden frey, welches sonst in der Zuckererndte nicht leicht geschiehet. Die Neger brachten frölich einige Bänke zusammen, hatten eine Versammlung und gingen dann munter u. vergnügt wieder an die Arbeit. Der Verwalter, dem Bruder Watson unsern Wunsch sagte, daß wir öfters hieher kommen möchten, war sehr vergnügt darüber, u. sagte, daß, wenn nur die Zuckererndte vorbey wäre, er uns recht gern alle Tage da sehen wolte; denn es gebe keine beßere u. treuere Neger, als [161] die dem Evangelio gehorsam würden. Abends merkte er selber an, daß der zwey Freystunden ungeachtet, heute mehr Arbeit gethan worden als sonst, und daß die Neger besonders vergnügt u. aufgelebt dabey gewesen. Seine Mutter sagte: Ach was für Sünde haben wir weisse Leute auf uns, wenn wir die armen Neger hindern das Evangelium zu hören! Abends versammleten sich wieder viele, auch von den benachbarten Estaten, u. hatten eine Versamlung, aber das Haus konte nicht den vierten Theil fassen. Doch sahen u. sprachen wir sie alle, nach ihren 5 verschiedenen Klassen. Die hiesige Helferin Louise war besonders vergnügt u. aufgelebt, u. alles war sehr dankbar für den Besuch, zumal die Alten u. Lahmen, die mit ihren Krücken gekrochen kamen. Erst zu Mitternacht konten wir uns zur Ruhe begeben. D. 28tn kamen [162] Geschwister Watsons wieder nach Hause. Da wir sonst so viele Feinde unter den weissen Leuten haben, die dem Evangelio alles ersinnliche in den Weg legen, so thut es einem besonders wohl, wenn man einmal Leute von andrer Art antrift. Der Eigenthümer einer andern Estate in dasiger Gegend soll auch gut gesinnt seyn; nur gefällt es ihm nicht, daß die Neger so weit nach Gracehill in die Kirche zu gehen haben.
Hiemit beschliessen wir unser diesmaliges diarium, mit herzlichem Dank gegen den Heiland für sein bisheriges Bekenntnis zu uns, u. in gläubigem Vertrauen, daß Er uns u. unsre Negergemeine ferner segnen werde; wozu wir uns dem treuen Gebet u. Andenken der Geschwister herzlich empfehlen.
[165]
Hätte unser lieber Bruder v. Lüdecke, wie er sichs vorgenommen hatte, seine Personalia selbst zu Papier gebracht, so würden wir viel merkwürdiges darinn finden. Denn er hat in den etlich u. vierzig Jahren, die er in der Brüdergemeine zugebracht, nicht nur viel gutes für sein Herz genoßen, sondern auch im Dienste derselben, in manchen Aemtern, die ihm anvertraut worden, vieles erfahren, wofür er dem Herrn unserm Heilande herzlich zu danken pflegte. Wir wollen aber doch nicht unterlaßen, von seinem leben ein u. das andere anzumerken. Er war d. 31tn Dec. 1723 zu Sondershausen im Schwarzburgischen geboren, u. wurde als ein Kind von etwa einem viertel Jahr [166] von seinen Eltern mit nach Braunschweig gebracht. Sein Herr Vater Hans Adolph v. Lüdecke war Hof- u. Consistorial-Rath im Schwarzburgischen, u. seine Frau Mutter Sophia Eleonora eine geborne v. Rauschenblatt. Als er noch nicht 5 Jahr alt war, ging sein HErr Vater aus der Zeit, u. seine Frau Mutter, welche ein paar Jahre darauf wieder heirathete, sorgte nebst seinem Vormunde für seine Erziehung durch Privat-Informatores. Im Jahr 1741 kam er nach Halle ins Paedagogium, wurde im Jahr darauf erweckt, u. trat seine akademischen Studia an. Die Bekanntschaft mit einigen Brüdern, die damals in Halle waren, ließ ihm der Herr unser Heiland, nach seiner über ihm waltenden Gnade, zu großem Segen seyn. Unter diesen war insonderheit der selige Bruder Christian Rauch, der ihm in manchen Verlegenheiten mit Evangelischem Rath u. Zuspruch diente. Bey einem Besuch [167] zu Ebersdorf im Vogtland, welchen er im Jahr 1743 that, lernte er die dortige Gemeine kennen. Er stund damals in der ersten Liebe, u. es lag ihm von Herzen an, dem guten lieben Heilande, der ihn zu Gnaden angenommen hatte, zur Ehre u. Freude zu werden. Da kam er dann in eine sorgfältige Ueberlegung, ob er sich zu Bedienung der Geschäfte, die Ehre u. Vortheile in der Welt bringen, zubereiten lassen solte; oder ob es der Wille des Heilandes mit ihm sey, davon abzusehen, u. einen Weg zu erwehlen, der weniger Gefahr hätte, u. ihm nützlicher wäre für sein Herz. Kurz, es entstund bey ihm der Gedanke: Soll ich nicht zur Brüdergemeine gehen, u. bey ihr meine Zeit zubringen? und der Gedanke sezte sich tief bey ihm. Er unterredete sich darüber mit einem seiner liebsten Freunde; der aber wolte gar nichts davon hören, u. widerrieth es ihm aufs äusserste. Auch andre Männer, [168] vor denen er viel Achtung hatte, waren dagegen; unter diesen war auch der bekannte Pastor Allendorf in Köthen, bey dem er sich einige Wochen aufhielt, um wegen seiner geschwächten Gesundheit den Brunnen zu trinken. Sein Herz wurde aber dadurch nicht beruhigt. Da wendete er sich mit Gebet u. Flehen zu Jesu Christo, dem Freunde der armen Sünder, u. bat Ihn auf seinen Knien aufs herzlichste, daß Er ihm über dem, was er nach Seinem Sinn u. Wohlgefallen zu thun hätte, Gewißheit schenken wolte; und Er erhörte in Gnaden sein Gebet, u. machte sein Herz getrost, zur Brüdergemeine zu gehen. Damit legte er sich zur Ruhe, u. dachte bey sich: Wenn mir doch der liebe Heiland nun auch ein Zeichen Seines Willens geben wolte! Und siehe! früh um 4 Uhr kam sein Freund, der selige Bruder v. Gablenz, der bisher ihm immer, wenn davon die Rede war, ob Bruder Lüdecke zur Gemeine [169] gehen solte, heftig widerstanden hatte, vor sein Bett, u. sagte: Nun ist mirs ausgemacht, daß ich zur Brüder Gemeine gehen soll; ich werde mich aufmachen, u. mit der Post nach Marienborn abreisen. Dieses war unserm seligen Bruder was unerwartetes, er sahe es für das gewünschte Zeichen an, u. machte sich gleich mit auf zur Reise nach Marienborn. Es war am 2 Nov. 1743, als ihm der Herr die Gewißheit schenkte von seinem Gnadenberuf zur Brüdergemeine, u. am 8 Nov. kam er in Marienborn an. Die Losung an jenem Tage hieß: „Nicht fürs Volk allein (Joh. 11,23.) sondern holt durchs Lösegeld die mit Seinem Blut getauften u. bezahlten u. gekauften Erstlinge aus aller Welt.“ Und die Losung an lezterm Tage hieß: „Er hub seine Hände auf, u. segnete sie. Luc. 24,50. Deine theuren Hände segnen u. weihen aller Erden Ende, die nun Deine seyn.“
[170] Er kam also zu einer Zeit zur Gemeine da die heftigsten Streitschriften gegen die Brüder allen Menschen in den Händen waren. Daher war es kein Wunder, daß seine Verwandten u. sein Vormund durch diesen seinen Schritt, den er gethan hatte, aufs heftigste aufgebracht wurden. Der Vormund meldete es nach Wolfenbüttel an die Hochfürstliche Kanzley, u. erhielt von daher die Ordre, daß er selbst nach Marienborn reisen, u. den v. Lüdecke zurück bringen solte, u. man wolle ihm dazu offene requisitoriales mitgeben; welches auch geschahe. Der Vormund kam am 1 Jan. 1744 wirklich in Marienborn an, u. legte den dasigen Beamten zuvörderst sein Anbringen vor; worauf sich dieselben erklärten, daß wenn der Herr v. Lüdecke freywillig mit ihm reisen wolte, ihn niemand daran hindern würde; wo aber nicht, so werde ihn niemand nöthigen können, [171] wider seinen Willen die Brüder-Gemeine zu verlassen. Der Vormund machte sich daher selbst an den Herrn von Lüdecke, u. stellte ihm mit großem Ernst vor, wie er sich durch die Gemeinschaft mit den Brüdern – denen er einen schmählichen Charakter gab – um sein Glück in der Welt bringen würde, u. wie er sich würde müssen gefallen lassen, alles das Seinige darüber zu verlieren; denn wenn er bey diesen verhaßten Leuten bliebe, würde er sich den Weg zu einiger Beförderung verhauen, u. man würde ihm von dem Seinigen nichts mehr zukommen lassen. Was dieses bey unserm seligen Bruder für einen Erfolg gehabt, ist aus dem Berichte seines Herrn Vormunds an die Hochfürstliche Kanzley, davon das eigenhändige Concept ihm in die Hände gekommen, zu ersehen. Es heißt darinn: „Er (nemlich der junge Herr v. Lüdecke) welchen ich wider Vermuthen [172] von ganz munterm u. freudigen Gemüthe fand, hörte alles ihm gesagte mit großer Bescheidenheit an, und gab mir darauf diese Antwort u. Erklärung: Er sey von Kindheit an ein in allen Lüsten erzogenes Weltkind gewesen, welches bey heranwachsenden Jahren in allerhand grobe Sünden verfallen u. selber sich ergeben, ohne jemals mit Ernst an Gott zu gedenken, u. sich seine Sünden reuen zu lassen. In diesem Zustande sey er von mir nach Halle gebracht, woselbst er durch das schlechte Exempel u. die Verführung seiner Mitschüler nur noch tiefer in die Sünden gefallen, u. Gottes Worte nebst den Vermahnungen der Informatoren keinen Platz gegeben, bis er bey einer ihm von Gott zugeschickten Krankheit in sich selber gegangen, sein sündliches Leben, u. wie er dabey künftig fahren würde, in reife Erwägung gezogen, u. einen ernstlichen Vorsatz gefaßt, [173] sich zu beßern. Dabey sey er auch auf der Universität beharrt, u. habe in allen durch ein strenges Leben, fleißiges Beten, Kopfhängen u. sauer sehen die Hallischen so genannten Pietisten imitirt; aber dabey eine beständige Lust zur Sünde, unruhiges Gewissen u. Betrübnis über seine begangene Sünden gefühlt, bis er Gelegenheit gehabt mit einigen so genannten Herrnhutern oder Brüdern aus ihrer Gemeine, bekannt zu werden, die ihn auf das Verdienst Jesu Christi gewiesen, u. ihn ermuntert, solches im Glauben zu ergreifen, u. nebst Vergebung seiner Sünde sich deßen Gnade auszubitten. Dieses hätte er gethan, u. sich hernach nicht enthalten können zu der Brüdergemeine zu gehen, u. mit ihr Gott zu loben. Er empfinde dabey eine solche vollkommene Ruhe der Seelen u. Freudigkeit des Gemüths, daß er solche mit allen Gütern der Welt nicht vertauschen wolte. Es komme also [174] bey ihm nicht in Consideration, ob er sein vermeintes Glück dadurch verscherzte, indem er überzeugt sey, daß sein wahres Glück allein in seiner Seelen-Ruhe u. Seligkeit bestehe; hingegen es ein Unglück für ihn sey, wenn er wieder solte in die Welt geflochten werden. Versagte ich ihm die zu seiner Unterhaltung nöthigen alimenta, so würde ihn zwar solches, wegen seiner Mitbrüder, denen er das versprochene Kostgeld schuldig wäre, sehr betrüben, aber bey weitem nicht bewegen können die Gemeine zu verlassen, sondern allein necessitiren, sich unter die armen Brüder zu begeben, welches er, da es aus Liebe zu Christo geschehe, mit Freuden thun würde. Da er also aus überzeugendem Triebe Gottes sich hieher begeben, so würde ich ihm nicht verdenken, wenn er mir darinn nicht folgte, weil man Gott mehr als den Menschen gehorchen müßte.“ Weil nun sein Vormund [175] sahe, daß er nicht zu bewegen war, mit ihm nach Braunschweig zurück zu gehen, u. die Brüdergemeine zu verlassen; so reiste derselbe, nachdem er sich drey Tage in Marienborn aufgehalten, zurück nach Braunschweig. Unser lieber Bruder v. Lüdecke aber wurde Tags darauf, nemlich am 4 Jan. 1744 in die Brüder-Gemeine aufgenommen, u. dieses war u. blieb ihm so groß u. wichig, daß er Lebenslang diesen Tag seiner Aufnahme alljährlich mit dankbarem Herzen feyerlich beging. Er kam darauf nach Lindheim in das Seminarium, in welchem damals eine hübsche Anzahl von erweckten Studiosis u. Candidaten war, mit dem man die Absicht hatte, daß sie nicht allein in der reinen Lehre, wie sie aus der heiligen Schrift in der Augsburgischen Confession verfaßt ist, sondern auch von der besten Methode, sie ans Herz der Menschen zu bringen, gründlichen Unterricht haben möchten. Wobey [176] man auch einen jeden darauf zu führen suchte, daß wir nicht uns selber leben, sondern dem, der für uns gestorben ist. Er blieb dann bis ins Jahr 1746 in besagtem Seminario. Als in diesem Jahr der selige Ordinarius[WS 5] eine Reise nach Holland u. England that, ging Bruder v. Lüdecke auch dahin, u. war nicht nur bey den Synodo in Zeist, sondern auch bey dem, welcher in London gehalten wurde. Ehe er aber diese Reise antrat, wurde er in die Klasse der Arbeiter aufgenommen, u. that auch eine Reise nach Braunschweig, um sein Vermögen in eigene Administration zu nehmen.
Am 4 Jun. 1747 wurde er zur Akoluthie aufgenommen, u. darauf zum Vice-Pfleger oder Helfer der ledigen Brüder in Herrnhut berufen; und in dem folgenden Jahre wurde ihm eben dieses Amt in Herrnhaag anvertraut. Er hat vielmal geäussert, daß er bey Bedienung dieses Amtes sowol in Herrnhut [177] als in Herrnhaag gesegnete Zeiten gehabt habe. Nachdem er gegen das Ende des Jahres 1748 zum Diakonus der Brüder-Kirche ordinirt worden, übernahm er im Jahr daruf das Pfleger- oder Helfer-Amt bey dem ledige Brüderchor in Herrnhut. Das war aber die Zeit, in welcher die leichtsinnige Schwärmerey, welche nach u. nach bey verführerischen u. verführten Leuten in den Brüdergemeinen aufgekommen war, und worüber treue Herzen in derselben bisher schmerzlich betrübt gewesen, mit großem Ernst angeschrien wurde, u. aus unserm Mittel, als etwas für eine Gemeine des Herrn sehr schmähliges, weggeschafft werden solte. Da war auch in dem Brüder-Chor in Herrnhut vieles aufzuräumen u. auszufegen. Da machten ihm dann wol die Brüder, die ihren Leichtsinn erkannten, bereueten, beweinten, u. sich davon befreyen liessen, viel Freude; andre aber, die sich entweder selbst [178] von der Gemeine entfernten, oder von ihr entfernt werden musten, machten ihm Schmerz u. Kummer. Denn es ist allemal viel schwerer einem Uebel abzuhelfen, wenn es schon um sich gegriffen hat, als wenn man die ersten Spuren davon gleich vertilgt.
Im Jahr 1750 besuchte er abermal England,
wo der Ordinarius sich damals
befand, u. mit vielen Arbeiten überladen
war. In dieser Zeit diente
er sonderlich eine Zeitlang in der
Kinderanstalt zu Smithhouse in Yorkshire.
In diesem Jahre trat er auch
in den Besitz des Ritterguts Trebus
in der Oberlausiz, u. blieb in demselben
bis in den October 1759. Er
wurde dadurch die Orts-Herrschaft
des Geimeinorts Niesky, welcher im
Jahr 1742 zum Besten einiger Böhmen
in den Sächsischen Landen, welche gern
in einer Brüdergemeine wohnen wolten,
angefangen worden war. Nachdem
[179] sich aber diese Böhmen größentheils nach
Berlin gewendet, zogen verschiedene Brüder
von Herrnhaag u. andern Orten nach
Niesky; und dieser Ort bekam er in der
Zeit, da unser lieber Bruder v. Lüdecke Orts-Herr
war, einen nicht geringen Anwachs;
wie er dann auch im Jahr 1754 das Recht
erhielt, einen eignen Evangelischen Prediger
zu haben. Er konte sich zwar
in der Zeit seines Besitzes von Trebus,
um anderer Geschäfte willen, nicht immer
in Niesky aufhalten; er ließ sich
aber das Bestehen u. die Aufnahme dieser
Gemeine immer am Herzen liegen:
und daß ihm dieselbe viel, sehr viel
zu danken hat, ist denjenigen wohlbekannt,
die um die damaligen Umstände
genau wissen. Er hat auch
vom Jahr 1772 bis 75 dieser Gemeine
als Gemeinhelfer mit vieler Treue
gedient. Im Jahr 1753 kaufte er von
der Gräfin Kosbothz, ehemaliger Gräfin
v. Promniz, das Gut Neu-Dietendorf
[180] in dem Gothaischen. Seine Absicht dabey
war, dem sich da sammlenden Gemeinlein
zu dienen, u. sein Wachsthum u. Bestehen
zu befördern; und der Segen der
Brüder Unität begleitete u. unterstüzte
ihn dazu. Er vocirte auch in diesem
Jahr unsern lieben Bruder Frühauff zum Prediger,
welcher auch nach gewöhnlichem
Examine ordinirt u. installirt wurde.
Er wurde auch Vorsteher der Gemeine in
Neudietendorf, u. nahm sich nicht nur des inn-
u. äusserlichen Wachsthums derselben an,
sondern vertrat sie auch, wenn es nöthig
war, bey dem Herzog in Gotha u.
seiner Regierung. Das herzogliche Haus
u. viele Herren aus den Collegiis besuchten
auch mehrmalen dieses Oertchen mit
Wohlgefallen. Es erfolgte aber erst am
14 Merz 1764 die Landesfürstliche Versicherung,
daß, nach vorgängiger gründlicher
Untersuchung der dortigen Brüder-Verfaßung,
der zur unveränderten
Augsburgischen Confession sich bekennenden
[181] Evangelische Brüdergemeine, u. sämtlichen
Mitgliedern der Evangelischen Brüder-Unität
alle u. jede den übrigen
Landes-Einwohnern competirende Freyheiten
u. Rechte zugestanden u. selbige
insonderheit bey dem freyen öffentlichen
Religions-Exercitio u. der bey den Evangelischen
Brüdergemeinen hergebrachten
Disciplin u. Ordnung geschüzt
werden sollen. – Nach dem Synodo der
Unität im Jahr 1764 wurde er Gemeinhelfer
in Neudietendorf.
Unser lieber Bruder v. Lüdecke war auch Vorsteher der Brüdergemeine in Ebersdorf, und als der Landesherr anno 1761 derselben, eine Concession zur Erweiterung ihres Anbaues verliehe, wurde er Lehnträger dieses Etablissements, mithin der Mittelsmann zwischen der regierenden Landesherrschaft u. der Gemeine.
Der selige Ordinarius, der sich viel Mühe zu geben pflegte, seine Mitarbeiter gründlich kennen zu lernen, hatte unsern [182] Bruder v. Lüdecke sehr lieb. Durch seine Vermittelung war es auch geschehen, daß er anno 1751 die Schwester Justine Eleonore v. Schweiniz, welche er wie seine eigene Tochter liebte, zur Ehe bekam. Mit dieser lebte er die kurze Zeit, als er sie hatte, sehr vergnügt. Sie wurde mit Leibesfrucht gesegnet, ging aber über der Geburt derselben heim. Er verbrachte die Zeit seines Witwerstandes grösten theils in Herrnhut als Gemeinrichter u. Witwer-Chorarbeiter, u. war ein Mitglied der Aeltestenconferenz.
Als der selige Ordinarius im Jahr 1755 in Taubenheim in der Oberlausiz mit verschiedenen Brüdern über dem Bestehen der Brüder Unität u. der ihnen anvertrauten Geschäfte in Absicht auf das Aeussere eine Conferenz hielt, war unser lieber Bruder v. Lüdecke auch ein Mitglied derselben; und als hierauf ein Administrations-Collegium errichtet [183] wurde, war er auch einer der Brüder, die dazu ernannt wurden. Er war auch ein sehr theilnehmendes Herz, u. zog sich nicht zurück, wenn in Bedienung der Sache des Heilandes hier u. da ein Aufwand oder Hülfe nöthig war. Gott, der es merkt, u. nicht vergißt, wirds den lieben Seinigen noch in Gnaden gedenken, darauf können sie sich gewiß verlassen.
Im Jahr 1758 trat er in Herrnhut in seine zweyte Ehe mit der ledigen Schwester Hedwig Charlotte v. Rennenkampf. Mit dieser lebte er 13 Jahre in vergnügter u. mit 4 lieben Töchtern gesegneter Ehe, von welchen die 3 jüngsten hier noch lebenden den großen Verlust ihres zärtlich geliebten u. treuen Vaters mit uns beweinen. Sie reisten hierauf mit Geschwister Johannes u. Benigne von Watteville nach Holland. Im Dec. dieses Jahrs begleitete er den Bruder Johannes auf seiner Visitationsreise nach Neuwied. Anno 1759 war er mit dem Jüngerhause [184] in Heerendyk, u. dazwischen auf eine kurze Zeit mit Bruder Johannes in England; worauf er, wie oben gemeldet, mehrere Jahre hindurch sich dem Dienste der Gemeinen in Ebersdorf u. Neudietendorf widmete. Nachdem am leztern Orte im Sept. 1771 seine liebe Frau vom Heiland heimberufen worden, führte ihm im Nov. 1773 die gute Hand des Herrn wieder eine Gehülfin an der nun hinterlassenen lieben Witwe Anna Christiane Helene geb. v. Seidliz zu, mit welcher er in Barby zur heiligen Ehe verbunden wurde. Sie lebten kindvergnügt miteinander, u. was wir zu singen pflegen: „Du unser Friedens-König, Du, dem wir unterthänig, bereite diese Leut uns allen zu Exempeln, dem heilgen Geist zu Tempeln, dem Vater zur Vergnüglichkeit“ – das sahe man in ihrer Ehe. Doch unserm Herrn gebührt allein die Ehr; was wären wir doch, wenn kein Jesus wär!
[185] Das übrige von seinem im Dienste des Heilandes zugebrachte Leben noch mit wenigem zu berühren, so wohnte er sowol dem Marienbornschen als dem Barbyschen Synodo der Brüder Unität bey. jenes geschahe in den Jahren 1764 u. 69. und dieses anno 1775. Im leztern bekam er den Auftrag, das Gemeinhelferamt in Herrnhut mit unserm lieben Bruder Kohler zu übernehmen. Das that er durch Gottes Gnade, u. anno 1777 bekam er das Provinzial-Helfer-Amt der Oberlausizischen Gemeinen noch dazu. Auf dem anno 1782 in Berthelsdorf gehaltenen Synodo der Unität wurde er ein Mitglied der Unitäts-Aeltestenconferenz, u. zwar ein Aufseher-Departement, u. wurde auch hernach zu dem Consenioratu civili[WS 6] eingesegnet; und in diesem Beruf hat er seinen Lauf selig vollendet.
Von der über ihm waltendem Gnade hat er in seinem Leben manche sonderbare [186] Proben gehabt. Nur eins u. das andere zu erwähnen, so fiel er in seinem 6tn Jahre in eine Grube, u. würde darinn ertrunken seyn, wenn nicht die Hand des Herrn jemand vorbey gehen lassen, der ihn schreyen hörte u. errettete. Auf einer Reise von Ebersdorf nach Neu-Dietendorf ging der Weg über einen Berg, an dessen Fuß die Saale vorbey ging. Der Wagen, in dem er mit seiner Gesellschaft saß, fiel den Berg hinunter, u. überwarf sich etlichemal, daß das unterste oben, u. das oberste unten hin kam. Alles ging in einer solchen Geschwindigkeit, daß sich niemand besinnen konte. Ehe er aber zur Saale kam, blieb er an einem Strauch liegen, u. niemand hatte Schaden genommen. Von Neu Dietendorf reiste er einmal nach Erfurt, u. als er von da weiter reiste, kam er in ein so tiefes Wasser, daß er im Wagen mit dem halben Leibe im [187] Wasser saß. Eins von den 4 Pferden am Wagen stürzte, u. ersoff auf der Stelle. Da rief ihm ein Mann oben vom Berge zu, er solte aus dem Wagen herausklettern nach dem Kutschensitz zu. Das that er, u. nun griff man zu, u. rettete ihn. Dann rief der Mann dem Postillion zu: Schneid die Ziehriemen von dem ertrunkenen Pferde ab, u. dann kehre um. Das geschahe, u. er kam mit dem Wagen u. den noch übrigen drey Pferden davon.
Er hatte einige schwere Krankheiten überstanden z. E. anno 1757 die Ruhr, bey welcher Gelegenheit er seinem Heimgang nahe zu seyn schien – und anno 1768 eine heftige Gicht, an welcher er 8 Wochen lang darnieder lag. Von lezterer Krankheit bekam er seitdem dann u. wann wieder Anfälle, besonders anno 1787, da er das Töplitzer-Bad mit Nutzen dagegen brauchte.
Von seiner lezten Krankheit (es war ein heftiges Fieber, wozu sich bald eine [188] gänzliche Entkräftung gesellte) hätte er ja wol auch genesen können, wenn ihn der Herr noch länger hier hätte haben wollen; aber die Stunde hatte geschlagen, da ihn der Heiland zu sich nehmen wolte; und wenn die da ist, so kan einen niemand halten. Wir haben daher dem Heiland, als wir sahen, daß er seinem Ende nahe war, mit einander von Herzen gedankt, daß Er ihn so lange zum Dienste Seiner Gemeine unter uns hat lassen wollen, u. haben, in der vesten Zuversicht, daß er bey dem Herrn seyn werde ewiglich, ihn der guten Hand des Herrn wieder übergeben. Die mehresten von seinen lieben Collegen waren zugegen, als wir früh gegen 6 Uhr am 14 Febr. 1788 unsern Abschied mit ihm machten, u. ihn zu seinem Heimgang, welcher gegen halb 8 Uhr sehr sanft erfolgte, mit dem Segen des Herrn begleiteten. Sein Alter hat er gebracht auf 64 Jahr u. etliche Wochen.
Was sollen wir nun weiter von [189] ihm sagen? Er war ein armer, aber durch Gnade reichlich getrösteter Sünder, dem das Wort von der Versöhnung, die durch Christum geschehen ist, sein Herz genommen hatte. Die Brüdergemeine sahe er an als seine Mutter, u. blieb in unverrückter Liebe zu ihr. Was ihm in derselben anvertrauet wurde, das suchte er mit vieler Treue zu besorgen. Es war ihm eine Freude, wenn er imstande war seinem Nächsten zu dienen. Im Umgang war er angenehm, bescheiden u. verständig, es mochte seyn, daß er mit Brüdern oder mit Fremden, mit Hohen oder mit Niedern zu thun hatte. Wenn auch schwere Dinge vorkamen, so blieb er in einem Gleichgewichte, u. ließ den Muth nicht leicht sinken. Wo er in einer Gemeine die Ortsherrschaft war, da erzeigte er sich als einen liebreichen u. gütigen Herrn. Bekleidete er ein ander Amt, so blieb er dabey, als ein Diener der Gemeine, in seinen gemessenen [190] Schranken. Es lag im sehr an, mit jedermann, so viel auf ihn ankam, in Liebe u. Friede zu bleiben; doch konte er auch ernstlich seyn, u. den schlechten Dingen sich mit Nachdruck widersetzen. Dieses alles kam bey ihm aus Liebe zum Heiland, die bey ihm immer zum Grunde lag. Seine hinterlaßene liebe Witwe schreibt: „Sein kindliches u. zutrauliches Herz gegen seinen lieben Herrn in allen Vorfallenheiten, seine unbeschreibliche Liebe, Zärtlichkeit, Treue u. Geduld, die er gegen jedermann, u. sonderlich gegen mich u. seine Kinder, tagtäglich bewiesen, kurz sein edles Herz u. ganzer Charakter wird mir bis an mein seliges Ende unvergeßlich seyn u. bleiben“.
In Conferenzen blieb er bey der Sache, wovon die Rede war, und was dann von ihm geschenen solte, das suchte er treulich zu thun nach der genommenen Abrede. Gott sey Dank für diesen uns so lieben Collegen! Wir bitten unsern lieben Herrn, Er woll uns hinfort mehr beschern.
[191]
I. Lebensläufe: 1.) der ledigen Schwester Sophie Tugendreich Kneschken – 2.) Der Witwe Susanne Kolbinin – 3.) des ledigen Bruder Johannes Wagenknecht – 4.) der verheirateten Schwester Dorothea Doberin – 5.) des verheirateten Bruder Joh. Peter Hamel – 6.) der verheirateten Schwester Anna Margarethe Hegner – 7.) der ledigen Schwester Eleonore Catharina Sophie v. Gersdorf – 8.) des Knaben Johannes Hünerwadel.
II. Von unsern auswärtigen Geschwistern u. Freunden.
- 1.) Aus dem Bericht des Bruder Johann Heinrich Ernst von seinen Besuchen im Bergischen pp. in den Jahren 1786 u. 87.
- 2.) Aus den Berichten des Bruder Herold von der Societät in Potsdam, vom Merz 1786 bis Dec. 1787.
[192]
- 3.) Aus dem Berichte der Geschwister Ebers von ihren Besuchen im Schleswig-Holsteinischen 1787.
III. Von Labrador.
- Aus dem diario von Nain vom Sept. 1786 bis Aug. 1787.
1.) Die ledige Schwester Sophie Tugendreich Kurschken (in Herrnhut) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen:
„Ich bin geboren d. 20 Jul. 1728 in Herrnhut, wo mein Vater in Diensten bey der seligen Frau Gräfin v. Zinzendorf war. Meine Eltern liessen sichs sehr angelegen seyn, mich für den Heiland zu erziehen, u. ich wurde nach damaliger Erkenntnis sehr streng gehalten.
Anno 1734 ging mein Vater selig aus der
Zeit. Zwey Tage vor seinem Ende bat
er mich mit Thränen, den Heiland doch
recht lieb zu haben, u. Ihm u. der Gemeine
[193] ein gutes treues Kind zu seyn.
Darauf muste ich ihm die Hand geben, u.
das machte einen tiefen Eindruck auf
mich. Ich kam nun zu den Kindern ins
Waysenhaus: es war kurz vor Ostern,
welches mir darum anmerklich geblieben
ist, weil wir am großen Sabbath einen
besondern Gnadenbesuch vom Heiland hatten.
Wir wurden alle von Ihm so angefaßt,
daß wir miteinander auf die Knie
fielen, u. wol eine Stunde lang weinten
u. beteten, u. uns verbanden, uns dem
Heiland ganz aufzuopfern. Dieser Bund
ist mir Zeitlebens eindrücklich geblieben,
u. der heilige Geist hat mich in der Folge
oft daran erinnert. In meinem 13tn
Jahre hörte ich den seligen Bruder Martin Dober
über die Worte reden: „So ihr nicht essen
werdet das Fleisch des Menschensohnes,
u. trinken sein Blut, so habt ihr kein
Leben in euch.“ Das drang mir tief
ins Herz, u. es war mir, als ob jemand
zu mir sagte: Du bist noch todt, u.
must ganz anders werden – welches
[194] mir manche verlegene Stunden machte.
Bald darauf war die F erste Feyer
des 13 Nov. (anno 1741) welche mir besonders
anmerklich geblieben ist.
Meine Eltern (meine Mutter hatte nemlich wieder geheirathet) waren in der Versamlung, u. ich blieb allein zu Hause. Da widerfuhr mir etwas besonders, ich fiel auf mein Angesicht, weinte u. betete zum Heiland, u. fühlte Seine Nähe unaussprechlich. Meine Eltern fragten mich, als sie nach Hause kamen, warum ich so geweint hätte; ich erzehlte ihnen, wie mir zu Muthe gewesen, u. sie sagten mir, was heute für ein Segenstag in der Gemeine sey.
Bey Gelegenheit, daß Bruder Johannes um diese Zeit sehr lebhaft u. durchdringend die Marter Jesu predigte, wurde ich voll Verlangen, die Kraft des Blutes Jesu auch an meinem Herzen zu erfahren; und Er gewährte mir auch meine Bitte, so daß ich davon ganz hingenommen wurde. Anno 1742 wurde ich in die [195] Gemeine aufgenommen, u. gelangte zum heiligen Abendmahl. In demselben Jahre zog ich ins Chor-Haus der ledigen Schwestern, u. hatte eine selige Zeit, konte auch über alles, was bey mir vorkam, mit meinen Arbeiterinnen offenherzig ausreden. Anno 1745 ging meine Mutter selig heim, welches mir unter andern dazu diente, daß ich auch im äussern nur zum Heiland meine Zuflucht nehmen lernte. Die selige Gräfin v. Zinzendorf bewies sich von der Zeit an bis an ihr Ende wie eine zärtliche Mutter gegen mich. Ich kam darauf nach Marienborn u. Herrnhaag, u. wurde anno 1747 in das ledige Schwestern-Chor aufgenommen. Die so genannte Sichtungszeit war mir eben nicht zum Schaden, denn ich genoß auf eine kindliche Weise u. ohne viel Bedenken, was andern damals lieb u. wichtig war, in Einfalt mit. Und da der Heiland seine Gemeine zu Seinem Kreuze zurückführte, konte ich von Herzen mit Sünder werden, [196] u. einen neuen recht lebhaften Blick auf Seine Martergestalt thun. In meinem 23ten Jahre wurde mir mein Sünden-Elend besonders aufgedeckt, u. es währte eine Weile bis ich mich drein finden konte. In der Zeit war mir das heilige Abendmahl zu ganz ausnehmenden Trost, denn nun lernte ich erst die Seligkeit einer armen Sünderin, die sich u. den unaussprechlich treuen Freund der Sünder kennt, schätzen u. geniessen; ja es ging ein neues Leben bey mir an, weil mir der ununterbrochene Umgang mit dem Schmerzensmann die Hauptsache wurde. Anno 1750 kam ich wieder nach Herrnhut, wo ich verschiedene Jahre die Comtesse Elisabeth v. Zinzendorf zu bedienen hatte. Anno 1760 kam ich zum Dienst der Kinder in die Anstalt, welches mir eine große Gnade war, u. im folgenden Jahre wurde ich zur Akoluthie angenommen. Nach einem drittehalbjährigen Dienst in der Anstalt kam ich ins Chorhaus zu den größern Mädchen. Meinem Herzen [197] nach blieb ich in einer seligen Schule des heiligen Geistes, u. es wurde mir klar gemacht, worinn ich meinem Gnadengange hinderlich war, sonderlich durch die eigene Gerechtigkeit u. die scharfe Beurtheilung andrer. Je mehr ich Ihm aber dieses alles hingab, je mehr kleidete Er mich in Seine Gerechtigkeit ein.“ So weit ihre Nachricht.
Die selige Schwester wurde in verschiedenen äussern Geschäften bey ihrem Chore gebraucht. Sie war in allen Sachen, die ihr anvertraut wurden, ausnehmend treu u. pünktlich, konte keine Unordnungen vertragen, u. ging sehr strenge dagegen an, wo sie etwas dergeichen gewahr wurde. Daß sie darinn zu weit gehen konte, hat sie selbst oben berührt, u. die öfters vorkommenden Spuren der eignen Gerechtigkeit machten ihr noch manche trübe Stunden. Aber ihr treues, dem Heiland u. seiner Sache so ganz ohne Ausnahme ergebenes Herz, u. ihre kindliche Anhänglichkeit an Ihm, blieb doch immer ihr vorzüglicher Charakter, u. erwarb [198] ihr die Liebe u. das Vertrauen ihrer Schwestern immer mehr. Seit geraumer Zeit ließ sichs bey ihr zu einer Auszehrung an, u. im May 1786 muste sie die Krankenstube beziehen. Sie bezeugte oft, daß ihr der Heiland in dieser ihrer Ruhezeit durch seine Nähe gar viel zu gute thue, aber auch noch manche selige Schule mit ihr halte, um sie von den lezten Ueberbleibseln des eignen Guten noch ganz auszuziehen. Zu Anfang des Jahres 1787 bekam sie neue Zufälle ihrer Krankheit, war aber dabey heiter u. dem Heiland kindlich überlassen, wie Er es mit ihr machen wolle. D. 18 Jan. beschäftigte sie sich viel mit dem Vers: Mein Erlöser kennet mich, weiß um meine Freud u. Leiden p. u. sagte, daß sie denselben immer im Gemüth habe. Niemand dachte, daß ihr Ende so nahe sey; aber am 19tn früh gegen 3 Uhr bekam sie einen Schlagfluß, u. war in wenig Minuten hinüber ins gesunde Reich versezt. Sie war im 59tn Jahr ihres Alters.
[199] 2.) Die Witwe Susanne Kolbinin (in Gnadenfrey) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin anno 1710 den 9 Febr. zu Augsburg geboren, wo mein Vater, Joh. Seidel, Bürger u. Kürschner war. Meine Eltern hielten mich zum Guten an; wenn ich aber zu andern Kindern kommen konte, so war ich eins der leichtsinnigsten. Bey meinem ersten Abendmahl hatte ich ein Gefühl, das mir unvergeßlich geblieben ist. Nun, dachte ich aber auch, ist der gute Christ fertig; wenn ich alle Vierteljahre zum Abendmahl gehe, u. nichts Böses thue, so bin ich gewiß ein rechter Christ.
Bald nachher kam ich zu fremden Leuten
Leuten, um etwas zu lernen. Sie
führten ein frommes Leben; aber es waren
andre Leute im Hause, die leichtsinnig
waren, u. zu denen hielt ich
mich. Wenn ich darüber von meiner
Frau, sonderlich des Sonntags, erinnert
wurde, mit dem Beyfügen, daß ich lieber
in der Bibel lesen solte; so war
[200] meine Antwort: Was verstehe ich von
der Bibel! Einmal besuchte ich die Predigt
des Pfarrer Urlspergers. Er redete über
die Worte: „Es sey dann, daß jemand
von neuem geboren werde, kan er das
Reich Gottes nicht sehen.“ Da dachte ich
wie Nikodemus: Wie kan das zugehen?
Ich besuchte diese Predigten mehrmalen. Einmal, da über das Lied geredet wurde: Du sagst, ich bin ein Christ p. wurde mir sonderlich bey den Worten: „Thust du nicht auch also (nemlich wie du liesest) ist, was du sagst, ein Spott“ – angst u. bange. Ich nahm nun meinen Katechismus, u. ging ihn durch, und da ich zu der Frage kam: Wes Glaubens bist du? fühlte ich, daß ich die Antwort nicht mit Wahrheit sagen konte. Nun trieb mich die Noth zu Jesu Füssen, ich weinte u. bat um Gnade, u. Er ließ mich nicht ungetröstet, denn es hieß in meinem Herzen: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöset, du bist mein; ich tilge deine Uebertretung [201] um meinetwillen, u. gedenke deiner Sünden nicht.“ Dieser Trost ist mir hernach bey allen Bedenklichkeiten geblieben; denn ich bekam nachher mein Elend u. Sündigkeit recht zu fühlen, u. rief oft mit Paulus aus: Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?
Um diese Zeit erkundigte ich mich immer nach Leuten, die den Heiland lieb hätten; und bald darauf kam der Bruder Georg Schmidt nach Augsburg, u. erzehlte mir von Herrnhut. Mir wurde so: wenn ich bey den Leuten wohnen könte, so würde mir wohl seyn. Ich schrieb darum an die Gemeine, u. unterhielt sodann einen angenehmen Briefwechsel mit der Schwester Grünbeckin, der mir viel für mein Herz austrug. Es war mir ganz ausgemacht, daß ich zur Brüdergemeine gehörte; wie ich aber dazu kommen könte, war mir nicht klar. Der liebe Heiland aber wußte Mittel u. Wege, indem Er mir meinen seligen Mann zuführte. Ehe wir getraut wurden, [202] besuchte ich anno 1739 in Marienborn. Ich war 14 Tage daselbst, u. durfte allen Versamlungen beywohnen. Ich war mit den Gedanken hingegangen, bey der Gemeine besser zu werden, krigte mich aber nur noch schlechter zu fühlen, worüber ich viele Thränen vergoß.
D. 2 Jan. 1740 wurde ich mit meinem seligen Mann getraut. Wir fingen unsern Ehestand mit Gebet u. Flehen zum Heiland an, u. Er hat sich in Gnaden zu uns bekannt. Wir bekamen den Auftrag, uns der Erweckten in u. um Augsburg anzunehmen; u. wir thaten es so gut wir konten. Unser beyder Verlangen, in die Brüdergemeine zu kommen, wurde immer größer; unsre erste Bitte wurde uns jedoch noch nicht gewährt, endlich aber erhielten wir anno 1744 Erlaubnis nach Herrnhaag zu kommen, u. wurden bald der Gemein Gnaden theilhaftig. Was ich sowol überhaupt allhier, als auch insonderheit, durch die Reden des seligen Ordinarii für [203] mein Herz genossen habe, wird mir eindrücklich bleiben. Anno 1748 kamen wir nach Neusalze, wo wir bis zu der bekannten Einäscherung dieses Ortes im Jahr 1759, blieben. Nach einem kurzen Aufenthalt zu Gnadenberg, bekamen wir unser Plätzchen hier in Gnadenfrey angewiesen, wo mir der liebe Heiland die Gnade geschenkt hat, daß ich meinen Gang vergnügt u. selig gehen kan. Ich habe auch zu meiner Beschämung die Liebe der Geschwister gefühlt u. genossen, sonderlich bey meinen betrübten Umständen, da ich 1776 auf beyden Augen ganz erblindete. Im May 1779 ging mein lieber Mann selig zum Heiland. Von unsern 4 Kindern leben zwey Söhne u. eine Tochter, leztere im hiesigen Chor-Hause. Ich zog um ins Chorhaus der Witwen, u. wurde mit mütterlicher Liebe aufgenommen. Ich habe eine treue Pflege auf der Krankenstube genoßen, u. kan wol sagen, daß ich lauter Sabbathstage [204] gehabt, wofür ich dem Heiland u. meinen lieben Geschwistern nicht genug danken kan. Bey allen Umständen in meinem Lebenslauf hat es immer so in meinem Herzen geheissen: „Dennoch bleibe ich stets an Dir, denn Du hältst mich bey meiner rechten Hand.“ So weit sie selbst.
Unsre selige Schwester verbrachte ihre Sabbathszeit im Umgang mit dem Heiland, war eine treue Beterin auch für die Diener der Gemeine, u. gedachte sonderlich der reisenden Geschwister zu Land u. See. Ihre liebste Beschäftigung war, das Leiden u. Sterben des Heilands zu betrachten, worüber sie sich öfters so zu äussern pflegte: „Einmal bin ich mit dem lieben Heilande am Oelberge, dann gehe ich nach Golgatha, dann sehe ich Ihn als Leiche im Grabe; und Sein Auferstehungstag ist mir darum besonders wichtig, weil Er sich bald nach den armen Sündern umgesehen hat.“
[205] Ueber ihre Blindheit beklagte sie sich niemals; wenn man sie deswegen bedauerte, antwortete sie zuweilen: „ich sage zum lieben Heiland: Willst Du die Augen binden, mein Herz kan Dich schon finden.“ Die Munterkeit u. Zufriedenheit ihres Gemüths u. ihr in Jesu Liebe brennendes Herz war uns allen u. besonders den Kranken (denn sie war immer eine Einwohnerin der Krankenstube gewesen) zu besonderm Vergnügen u. Erbauung. Bey ihrer zunehmenden Alterschwäche war sie dem lieben Heiland dafür sehr dankbar, daß sie keine Schmerzen auszustehen hatte, und so war es auch in ihrer lezten Krankheit, die 5 Wochen währte. Die meiste Zeit lag sie im Schlummer, u. erwartete in der Stille ihr leztes Stündlein. Den Tag vor ihrem Heimgang stimmte sie noch im Morgensegen der Kranken ganz laut in den Vers ein: Bey Dir, Jesu, will ich bleiben p.
Einige Stunden vor ihrem Heimgange wurde mit ihr von der Freude, die [206] ihr bevorstünde, den Heiland zu sehen, geredet, wobey sie sehr vergnügt war. D. 24 Febr. 1787 entschlief sie sanft u. selig unter dem Gesang des Verses: Sein Seufzen u. sein Stöhnen p. im 78ten Jahr ihres Alters.
3.) Der ledige Bruder Johannes Wagenknecht in Zeist hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin geboren d. 7 Oct. 1743 zu Essenheim in der Pfalz u. in der reformirten Religion erzogen. In meinen Kinderjahren fehlte mirs nicht an Gelegenzeit zu Ausschweiffungen; jedoch erinnere ich mich, daß ich zuweilen ums Seligwerden bekümmert war. Besonders machte das Lesen eines Lebenslaufes eines in Herrnhaag heimgegangenen Kindes, den mir mein Großvater in die Hände gab, einen tiefen Eindruck auf mein Herz, u. ich wünschte meiner Seligkeit auch so gewiß zu werden. Dergleichen Rührungen hatte ich mehrere, sonderlich in [207] der Zeit, da ich in den Unterricht zum heiligen Abendmahl beym Pfarrer Velde ging, dem das Heil der Kinder sehr anlag; ich fühlte ein inniges Wohlseyn bey den Unterredungen mit diesem Manne. Da ich aber das erstemal zum heiligen Abendmahl ging, meinte ich nicht das erfahren zu haben, was ich dabey erwartet hatte. Darüber wurde ich Anfangs stutzig, nach u. nach aber so gleichgültig, daß ich mich über alle Gnadenzüge des heiligen Geistes an meinem Herzen wegsezte, wodurch ich alles gute, was ich noch gehabt, gänzlich verlor. Weil ich aber doch unruhig war, u. viel von der Brüdergemeine gehört hatte, so bat ich meinen Vater, mich zu einem Schuhmacher in die Lehre zu geben; wobey ich den Vorsatz hatte, sobald ich würde ausgelernt haben, zur Gemeine zu gehen. Doch als meine Lehrjahre aus waren, hatte sich dieser Vorsatz geändert, u. ich stand eben im Begriff auf die Wanderschaft zu gehen, als ich einen Schaden am Bein bekam, der mich nöthigte [208] zu Hause zu bleiben. Da sagte mein Vater, der nun auch mit den Brüdern bekannt worden war, zu mir: Du hast immer davon geredet, du woltest zur Gemeine gehen, wenn du ein Handwerk gelernt hättest, wenn wird das geschehen? Das brachte mich zum Nachdenken, u. ich faßte den Entschluß, sobald ich würde gesund seyn, nach Neuwied zu gehen, u. da um Erlaubnis zur Gemeine anzuhalten. Dieses geschahe, u. ich kam den 30 Dec. 1764 daselbst an, u. erhielt die gebetene Erlaubnis. Ich hatte aber noch nicht den rechten Begriff von einer Gemeine Jesu, mir selbst fehlte es am armen Sündergefühl, ich hielt mich bey Nebensachen auf, sahe mehr auf andre als auf mich selbst, u. stand dadurch dem Heilande im Wege, mir das zu geniessen zu geben, was ich in der Gemeine hätte geniessen können. Daher ging es auch gleich von meiner Ankunft in Neuwied an mit mir durch viele Abwechselungen. Wenn ich auch gleich manchmal [209] einen Gnadenblick vom Heiland bekam, so ließ ich denselben nie recht im Herzen zu Grunde sinken, sondern mein natürlicher Hang zum Großwerden, u. andre neben mir zu verachten, brachten mich bald wieder um den genoßenen Segen. Des lieben Bruder Rislers Vorträge drangen mir oft zu Herzen, u. machten mir, wenn ich verzagen wolte, Muth zum Heiland, der auch so gnädig war, mich, wenn ich als ein armer Sünder zu Ihm kam, freundlich anzublicken, u. mir Seinen Frieden ins Herz zu geben. In einem solchen Zustand befand sich mein Herz, als ich d. 26 Oct. 1766 die Gnade hatte, in die Gemeine aufgenommen zu werden. Ich verlangte nun zwar auch nach dem heiligen Abendmahl; es gefiel aber dem Heiland, mir mein Verderben noch mehr aufzudecken, u. mich noch mehr zu einem armen Sünder zu machen. Und darein konte ich mich nicht finden. Ich versuchte aus eigener Kraft gegen das Verderben zu kämpfen, u. [210] kam darüber in eine solche Verwirrung, daß ich gern die Gemeine verlassen hätte. Dieses war mit mein Vorsatz, als ich mich im Jahr 1772 auf eine Reise nach Hause begab, um mich von meiner Herrschaft los zu machen. Als ich aus Neuwied heraus war, betete ich zum Heiland: Ach laß mich das als ein Zeichen deiner Gnade über mir u. meines Berufs zur Gemeine erkennen, wenn ich in meinem Gesuch bey meiner Herrschaft glücklich bin. Und wirklich hat der Heiland alles zu meiner Beschämung so gefügt, wie ich Ihn gebeten hatte. Ich kehrte wieder nach Neuwied zurück, u. bekam bald darauf, auf meine Bitte, eine Versetzung nach Zeist, wo ich den 28 Jul. 1772 ankam, u. d. 23 Jan. 73. mit der Geimeine zum heiligen Abendmahl gelangte. Hier habe ich mich durch die Gnade Jesu noch gründlicher kennen gelernt; nur bereue ich, daß ich der Stimme Seines guten Geistes nicht folgsamer [211] gewesen bin. Der Heiland hat es immer gut mit mir gemacht.“
So weit seine Nachricht.
Der selige Bruder war ein ganz besonderes
Exempel, mit wie viel Treue u. Geduld
der Heiland einem armen Sünder nachgeht,
den Er einmal aus Gnaden zu sich gezogen
hat. Er erkannte u. bekannte
in seiner Krankheit mit Wehmuth, daß
er durch sein unsünderhaftes, von sich
selbst eingebildetes Betragen sich seinen
Gang selbst erschweret, u. auch andern
anstößig geworden sey, mit dem Zusatz,
daß doch auch andere sich ein Exempel
an ihm nehmen möchten, um sich
vor einem trägen Gang in der Gemeine
u. vor einem von sich selbst eingenommenen
Herzen vom Heiland bewahren zu
lassen. Mit viel Thränen beweinte er
die verlorne Zeit, u. erkannte sich als
einen Sünder, der aller Gnade unwerth
sey. Er fand aber reichen Trost im blutigen
[212] Verdienste Jesu, so daß es ein
Vergnügen war ihn zu besuchen u.
zu hören, was der Herr an seiner Seele
gethan. Im Jan. 1787 bezog er
die Krankenstube, u. im April zeigten
sich bey ihm Spuren einer geschwinden
Auszehrung. Auf Befragen, ob er ganz
in den Willen des Heilandes ergeben sey,
antwortete er: Wenn es dem Heiland
gefällt mich zu sich zu nehmen, so findet
Er einen armen Sünder, der kein
größer Glück weiß, als aus Gnaden
bey Ihm zu seyn. Oft hörte man ihn
laut zum Heiland beten, u. noch eine Stunde
vor seinem Verscheiden rief er: Ach
erbarme dich über mich, hilf mir meine
Schmerzen ertragen; ich habs wol nicht
verdient, aber Du hast ja meine Rechnung
mit deinem Blute durchstrichen:
ach komm, u. nimm mich zu Dir!
Diese Bitte erhörte dann der Heiland, da Er ihn unvermuthet d. 8 May Abends zu sich nahm, mit dem Segen seines [213] Chores u. unter dem Gesang einiger Verse, im 44ten Jahre seines Alters.
4.) Die verheiratete Schwester Dorothea Doberin geb. Basse (in Niesky) war geboren d. 28 Jan. 1745 zu Sönderby auf der Insel Fühnen, wo ihr Vater Niels Basse Prediger war. Ihre Eltern liebten den Heiland u. die Brüder Gemeine, u. erzogen ihre Kinder mit vieler Sorgfalt. Sie hatten deren 12, von welchen 7 in zarter Jugend starben, 5 Töchter aber heranwuchsen, u. theils in der Gemeine theils in innigster Verbindung mit derselben, von ihrem Heilande viel Gutes genossen, wovon nun noch die Schwestern Möller u. Kölle in u. bey Kopenhagen, u. die Schwester Voullaire in Montmirail am Leben sind.
„In meiner Kindheit (berichtet die selige Schwester von sich selbst) machte mir hauptsächlich das Gebet meiner Eltern für mich zum lieben Heilande einen so tiefen Eindruck, daß ich mich oft von meinen Geschwistern entfernte, u. Ihn ganz im
[NN] Verborgenen mit vielen Thränen bat,
mir entweder die Versicherungung zu
geben, daß Er mich, wenn ich groß würde,
bey sich erhalten, oder mich balde, so
schlecht ich wäre, zu sich nehmen, u. aus
Gnaden selig machen wolle. Den Heiland
u. meine Eltern zu betrüben war
mir immer die gröste Sünde, welches
mich oft äusserst verlegen machte; doch
getraute ich mich nicht, meine Noth darüber
jemand anders als dem Heiland zu
klagen. Mit zunehmenden Jahren wurde
ich von Eigenliebe u. Hochmuth sehr
gequält, u. bekam Lust zur Welt, aber
zugleich große Herzensangst darüber,
weil mein treuer Heiland mich immer darauf
führte, was ich als Kind so oft mit
Ihm ausgemacht hatte. Er bewahrte
mich hierdurch, bey mancher Versuchung,
vor allen Ausschweifungen. Meine Eltern
erlaubten mir hierauf in meinem
20ten Jahre nach Kopenhagen zu ziehen,
wo ich ein Jahr bey Geschwister Cröger u.
ein Jahr bey Geschwister Schytts wohnte. Ich
[NN] lernte hier meine Verdorbenheit noch
mehr kennen, genoß aber zugleich vielen
Segen für mein Herz. Die Krankheit
meines Vaters machte mirs zur unumgänglichen
Pflicht, im Oct. 1766 zu ihm
zurückzukehren, u. bey der Schwächlichkeit
meiner Mutter mich seiner, so wie auch
der weitläuftigen Wirtschaft, nach allem
Vermögen anzunehmen. Er verschied
nach 5 Monaten sehr selig in meinen Armen,
u. wurde von der ganzen Kirchfahrt
als ein treuer Vater u. Lehrer beweint.
Meine Mutter wolte nun als Witwe
das so genannte Gnadenjahr auf dem
Pfarrhofe noch aushalten; allein derselbe
brannte nach 3 Monaten mit
allen Gebäuden ab. Da ich alles in vollen
Flammen, u. den Verlust des grösten
Theils unsers mäßigen Vermögens sahe,
u. zum Heiland seufzete, gab Er mir auf
die Stelle die tröstliche Versicherung
ins Herz, daß Er sich unser in allen
Dingen annehmen werde; und diesen
Trost hat Er mir seitdem immerfort erhalten.
[214] Meine Verwandten trachteten nun auf alle Weise, u. durch vortheilhafte Versprechungen, mich von dem Vorhaben abwendig zu machen, mit meiner schwachen Mutter in die Nähe von Kopenhagen zu meiner ältesten Schwester zu ziehen, welche mit dem Bruder Möller, Prediger in Blauströd, verheirathet war. Der treue Heiland ließ es uns aber gelingen, daß wir nach zwey Monaten hinkamen. Mein Verlangen u. Wunsch war nun darauf gerichtet, in eine Brüdergemeine zu kommen, deßen ich auch im folgenden Jahre 1768 gewährt wurde, da ich nebst meiner jüngsten Schwester nach Zeist in Holland kam. Auf der Seereise dahin geriethen wir durch einen heftigen Sturm, welcher uns an die Schwedische Küste verschlug, in die gröste Lebensgefahr, wobey mich aber der Heiland mächtig tröstete. In Zeist verbrachte ich einige Zeit in äußerster Verlegenheit über mich selbst, u. [215] war mit mir selber so unzufrieden, daß ich oft wünschte, lieber ein Wurm zu seyn den man zertritt, weil ich mich nicht werth achtete Gottes Erdboden als Mensch zu betreten. Es war mir noch verborgen, daß ich, so schlecht ich mich fühlte, dem Heiland doch nicht zu schlecht sey, u. daß Er so gern mich selig haben wolte. Dies Geheimnis wurde mir in einer Rede des selige Bruder Bruiningks aufgeschlossen; und nun konte ich mich meines Glückes, dem Heiland anzugehören, u. der Stille mit Ihm umzugehen, freuen. Ich fühlte Seine Liebe u. Treue gegen mich auf eine besondre Weise, u. schämte mich sehr, daß ich so lange auf mein Schlechtseyn gesehen, u. vergessen hatte, was Er um meinetwillen gethan hat.“ So weit sie selbst.
Sie wurde anno 1768 in die Gemeine
aufgenommen, u. 1769 mit derselben
des heiligen Abendmahls theilhaftig. Es wurden
ihr hierauf die Orts-Mägdlein zur Aufsicht
[216] u. Erziehung übergeben, welches
Geschäfte sie mit vieler Treue besorgte.
Ihr Gnadenloos, als ledige Schwester ihre
Tage im Umgang mit Jesu verbringen
zu können, schäzte sie ungemein;
es kostete sie daher viel, als ihr anno 1775
die Heirath mit mir (schreibt ihr Mann)
angetragen wurde, sich dazu zu entschliessen;
allein die Ueberzeugung, daß
es der Wille Gottes sey, siegte. Unsre
Herzen wurden gleich in wahrer Liebe
mit einander verbunden, die unsre 12-jährige
Ehe, bey Freud u. Leid, zu einer
ihr u. mir ewig unvergeßlichen
Segenszeit machte. Weil sie gering
von sich dachte, hielt sie sich unwerth u.
ungeschickt, im Dienste Jesu gebraucht
zu werden; nahm aber der ihr aufgetragenen
Geschäfte mit großer Treue
wahr, u. hatte das Glück, durch ihr liebhabendes,
aufrichtiges, sanftes Wesen
durchgängig Achtung u. Liebe zu gewinnen.
So diente sie mit mir noch
[217] 1½ Jahr der Gemeine in Amsterdam,
u. insonderheit den verwitweten verheirateten
u. ledigen Schwestern daselbst, hierauf der
Gemeine in Zeist 3 Jahre, u. 5 Jahre der
Gemeine in Christiansfeld, nach deren Verlauf
wir anno 1785 hieher nach Niesky
berufen wurden. Sie hatte in Amsterdam
einen Sohn u. in Zeist eine Tochter geboren,
die aber beyde vorher schon verschieden
waren. Nun hinterläßt sie 2
kleine Töchter, davon die eine in Christiansfeld
im Jun. 1782, die andre hier
in Niesky im Oct. 1786 geboren worden.
In ihrer lezten Schwangerschaft hatte
sie große Beschwerden von gichtischen
u. krampfhaften Zufällen auszustehen.
Seit ihrer über alles Erwarten leichten
Niederkunft verfiel sie in eine völlige
Auszehrung, ertrug aber alles Ungemach
mit besonderer Geduld, Freundlichleit u.
kindlicher Ergebenheit. Sehr beschämend
u. erquickend war ihr die Liebe der
Geschwister, denen sie herzlichst dafür zu
[218] danken bat. Mich suchte diese edle Seele,
bey meiner vor ihr nicht immer zu verbergenden
Wehmuth, auf alle Weise zu
trösten u. zu erfreuen. Seine selige
Friedsgedanken (sagte sie) bleiben doch,
bis wir Ihn sehn, u. auf ewig ohne Wanken,
allemal die köstfrlichsten. Am 23 May
1787 war sie das leztemal auf dem
Saal bey einem Chor-Abendmahl, welches
ihr überaus gesegnet war. Auf ihre
herannahende Vollendung freute sie
sich sehr, u. bat den Heiland nur immer um
Geduld, Seine Stunde abzuwarten.
Etwa 8 Tage vor ihrem Ende bezeugte
sie mir, sie sey einige Tage sehr bekümmert
gewesen, ob der Heiland auch
völlig mit ihr zufrieden sey, u. ihr alles
vergeben habe. Er habe ihr aber jezt
die Versicherung davon, u. zugleich den
Trost ins Herz gegeben: „Siehe, in die
Hände hab ich dich gezeichnet, du bist
mein“. Nun sey sie sehr vergnügt, u.
völlig mit Ihm einverstanden. Von
[219] ihrem kindlichen u. herzvertraulichen
Umgang mit Jesu Christo pflegte sie mir
viel zu sagen, desto deutlicher war
aber derselbe aus ihrem ganzen Betragen
wahrzunehmen. Alles auch das geringste
Gute nahm sie als unverdiente
Gnade mit herzlicher Dankbarkeit aus
Gottes Hand, und wenn die Selbstgefälligkeit
einmal in ihr sich regte, so gereichte
ihr dieses gar bald zu desto tieferer Demüthigung
vor dem Heilande. Wenn
man einige Verwunderung darüber bezeigte,
daß sie mit solcher heitern u.
ruhigen Gelassenheit von ihrem Mann
u. Kindern scheiden könne, antwortete
sie: Das kan ich freilich nicht von mir
selbst, der Heiland allein hat mirs gegeben;
ich liebe meinen Mann u. meine
Kinder gewiß sehr zärtlich, aber ich
bin versichert, daß des Heilandes Liebe
zu ihnen noch weit größer ist: und
warum solte ich derselben durch meine
Sorge in den Weg treten? Auch sehe
[220] ich, daß sie hier recht gut besorgt sind,
wofür ich Ihm nicht genug danken kan.
Ueberhaupt, sagte sie, hat der Heiland von
jeher alles so gut mit mir gemacht,
daß die Dankschuld unter allen meinen
vielen Schulden die gröste ist. Der
Vers war mir daher immer so wichtig:
„Hab Dank, o Jesu! habe Dank für
Deine Lieb u. Treu: hilf, daß ich Dir mein
Lebenlang von Herzen dankbar sey.“
Am 4 Jul. Nachmittag merkte sie mit
inniger Freude, daß der so sehnlich gewünschte
Augenblick ihrer Auflösung
herannahe. Um 6 Uhr Abends war
derselbe da, ihre Seele verließ den
sehr ermüdeten u. abgezehrten Leib,
u. eilte, unter Begleitung des herzlichsten
Segens, zu dem, den sie so innig liebte.
Ihr Leben hienieden hat gewährt 42
Jahre, 4 Monate u. etliche Tage.
5.) Der verheiratete Bruder Johann Peter Hamel (in Gnadau) war d. 2 Aug. 1719 zu [221] Wörmliz bey Möckern geboren, woselbst sein Vater Pachtmüller war; derselbe zog aber anno 1721 nach Wespen bey Barby, u. bauete die Windmühle daselbst. Der selige Bruder wurde von seinen Eltern sorgfältig u. christlich erzogen. Er verspürte auch schon in seinen jungen Jahren die Arbeit des heiligen Geistes an seinem Herzen; besonders ist ihm die Confirmation zum heiligen Abendmahl, u. dessen erstmaliger Genuß unvergeßlich geblieben. Er erlernte bey seinem Vater das Mühlenhandwerk, u. weil er grosses Belieben an der Musik hatte, suchte er sich auch in derselben zu üben, welches aber in der Folge eine Gelegenheit wurde, daß er fleißig zu weltlichen Ergötzungen kam, die er auch gern aufsuchte. Doch blieb er dabey immer unruhig in seinem Herzen, u. er war überzeugt, daß er bey einem solchen Leben nicht selig sterben könne. Bey der Erinnerung an diese Zeit [222] konte er die große Langmuth u. Geduld Gottes nicht dankbar genug preisen u. rühmen; „denn“, sagte er, „hätte mich Seine Hand nicht gehalten, so hätte ich mich ganz von Ihm verloren, u. wäre ins Sündigen hineingerennt, wozu ich Lust u. Gelegenheit genug hatte; aber Ihm sey tausendmal Dank gesagt, daß Er sich meiner Seele so treulich angenommen, daß sie nicht verdürbe!“
Anno 1739 heirathete er die nunmehrige Witwe Dorothea Margarethe geb. Lauerbach in Salze. Sie faßten bey dieser Verbindung den vesten Vorsatz, ein gottseliges Leben zu führen, u. Gott angenehm zu werden. Von ihren 11 Kindern sind noch 4 Söhne u. 4 Töchter am Leben, von denen er 12 Enkelkinder erlebt hat.
Nachdem er die Mühle in Wespen von seinem Vater übernommen hatte, bekam er auch nach dem Ableben seiner Schwiegermutter die Windmühle in Salze, u. hatte eine ziemlich weitläuftige [223] Wirthschaft. Gott schenkte ihm aber Kräfte u. Verstand, daß er alles mit gutem Erfolg besorgen konte, u. erwarb sich den Ruhm eines fleißigen u. ehrlichen Mannes. Aber bey allem äussern Glück verfolgte ihn die Unruhe seines Herzens, besonders wenn er ans Sterben dachte. Er suchte daher fromme Leute auf, ging fleißig in die Kirche, u. las viel in geistlichen Büchern; es kam aber zu keiner wahren Herzensruhe, u. er fiel immer wieder in das alte Verderben. In dieser Zeit besuchte er auch die Predigten u. Erbauungsstunden des seligen Abt Steinmetz in Magdeburg, zum Segen für sein Herz. Als anno 1750 die Brüder nach Barby kamen, ging er auch bald dahin in ihre Predigten, anfangs zwar mehr aus Neugierde, um zu sehen u. zu hören, ob die schlechten Dinge wahr wären, deren man die Brüder beschuldigte; allein er wurde bald eines beßern überzeugt, und das [224] Evangelische Zeugnis von der Versöhnung im Blute Jesu, und daß ein armer Sünder allein dadurch gerecht u. selig werden könne, drang gleich so tief in sein bekümmertes Herz, daß er von da an nicht mehr von ihnen bleiben konte, u. nähere Bekanntschaft mit ihnen suchte. Er zog sich zwar dadurch viele Schmach u. Verfolgung zu, allein durch Gottes Gnade achtete er solche nicht, u. konte von seinen bisherigen Gesellschaften, die ihm nur Unruhe zugezogen, getrost absehen. Er erklärte sich über diese Gnadenzeit mehrmalen so: „Ich wurde durch den seligen Bruder Clemens in seinen Predigten u. Privatunterredungen als ein armer u. verlorner Sünder zum lieben Heiland als meinem Versöhner grade hingewiesen, wo ich allein Gnade u. Friede für meine Seele finden würde. Ob ich nun gleich von dieser Gottes-Wahrheit, und daß es der rechte Weg zum Seligwerden sey, überzeugt war, [225] so konte ich mich dennoch nicht gleich dreinfinden, u. von meinem Thun u. Wirken ablassen, sondern wolte noch immer selbst etwas zu meiner Seligkeit beytragen; ich konte mich eben dem lieben Heilande nicht ganz überlassen, u. seine Gnade umsonst annehmen. In diesem Zustande mühete u. plagte ich mich viel, bis ich mir endlich keinen Rath mehr wußte, und als ein verlorner u. verdammter Sünder zu Jesu Füssen hinfiel, u. Ihn um Gnade u. Erbarmen anrief. Er erbarmte sich meiner in dieser Noth, vergab mir alle meine Sünden, u. ließ mich Trost, Leben u. Seligkeit geniessen. Von da an hat Er mich als einen armen aber begnadigten Sünder bey sich u. seinen Wunden erhalten, u. ich traue es Ihm zu, daß Er mich bey sich erhalten werde, bis an mein seliges Ende.“ Anno 1756 wurde er nebst seiner Frau in Barby in die Societät aufgenommen. Er machte sich die Gemeinversamlungen, ohngeachtet [226] der weiten Entfernung von Wespen, zum Segen für sein Herz fleißig zu Nutze. Das Heil seiner Kinder lag ihm sehr nahe am Herzen, u. er hatte die Freude, daß 6 Töchter u. ein Sohn nach u. nach Erlaubnis zur Gemeine nach Ebersdorf erhielten. Anno 1767 erhielt er beym Anfang des hiesigen Gemeinortes Gnadau, Erlaubnis sich ein Haus u. Windmühle allhier zu bauen, u. wurde demnach einer der ersten hiesigen Einwohner. Ohngeachtet er hier wenig Nahrung vor sich sahe, u. darum etwas kleingläubig wurde, so schenkte ihm doch der Heiland Muth u. Freudigkeit es im Glauben auf Ihn zu wagen, und Er hat auch hierinn sein Gebet erhöret, u. ihn gesegnet. Anno 1768 konte er hier sein Haus beziehen, u. den Anfang mit mahlen machen. Er wurde in demselben Jahr in die Gemeine aufgenommen, u. gelangte 1769 zum Genuß des heiligen Abendmahls mit derselben. Anno 1777 that er einen gefährlichen Fall von der Mühle, so daß [227] er für todt in sein Haus getragen wurde. Er erholte sich zwar wieder, aber seine Leibes- u. Gemüths-Kräfte nahmen von der Zeit an merklich ab; doch besorgte er nothdürftig seine Geschäfte, bis er im Jahr 1786 seinem Sohne Gottfried die Mühle ganz überließ, u. sich zur Ruhe begab.
Wir können ihm das Zeugnis geben, daß er in einem kindlichen Umgang mit dem Heiland stand, und ein fleißiger Beter für sich u. seine Kinder, u. für die Gemeine war, und nicht selten fand man ihn auf den Knien betend. Er dachte klein u. niedrig von sich, u. hielt alles, was sein Herz am Heiland u. in der Gemeine genoß, für unverdiente Gnade. Davon finden sich in seinen Anmerkungen, die er seit der Bekanntschaft mit den Brüdern gemacht, liebliche Beweise, da er verschiedene Herzensgespräche mit dem Heiland, u. viele Verse aus Liedern die ihm besonders gesegnet waren, von Zeit zu Zeit aufgeschrieben hat.
[228] Seine lezte Krankheit währte 7 Wochen. Er glaubte u. wünschte, daß dieselbe die Gelegenheit zu seiner Auflösung seyn möchte, u. man hatte oft an ihm zu trösten, wenn es sich damit zu verziehen schien. Es wurde ihm in dieser Wartezeit noch manches klar, das dem Heiland an ihm im Wege stehen könte; darüber Er ihn aber sehr liebreich zufrieden sprach. Am 7 Jul. 1787 genoß er das lezte mal hienieden das heilige Abendmahl mit wahrer Sehnsucht seines Herzens unter einem unbeschreiblich seligen Gefühl der Nähe Jesu. Da er am 8ten zu seiner Heimfahrt eingesegnet wurde, war er sich ganz gegenwärtig, u. es war erbaulich ihn anzusehen. Seine lezte Worte waren: Mein Jesu! mein Jesu! worauf er sanft u. selig entschlief in einem Alter von beynahe 68 Jahren.
6.) Die verheiratete Schwester Anna Margarethe Hegner, geb. Wiedler (in Neuwied) hat folgende Nachricht von sich hinterlaßen: [229] „Ich bin geboren d. 3 Jun. 1726 zu Arau in der Schweiz. In meiner Jugend war ich ein lustiges, munteres Kind, und hatte die Welt lieb; meine Mutter aber hatte ein genaues Auge auf uns, u. hütete uns, so viel ihr möglich war, vor böser Gesellschaft. Diese ihre Sorgfalt u. viele herzliche Erinnerungen kamen mir in der Folge sehr zustatten; denn als ich anno 1739 nach Bern in Pension kam, hatte ich viel Gelegenheit Böses zu sehen u. zu hören, mußte auch meinen Hang zur Welt gründlich fühlen. Mein treuer Heiland aber, der schon damals an meinem Herzen arbeitete, bewahrte mich vor allem Schaden, u. erweckte einen solchen Eckel bey mir, länger in diesem Hause zu bleiben, daß ich nicht ruhete, bis meine Eltern mich wieder nach Hause nahmen. Am 1 Jan. 1740 wurde ich kräftig erweckt. Ich ging nach Gewohnheit meinem Oncle Zacharias Wiedler zum neuen Jahr gratuliren. Er sagte [230] zu mir: Willst du dann auch den lieben Heiland lieb haben, u. Ihn kennen lernen? Das drang mir durchs Herz, ich antwortete mit einem kleinlauten Ja! ging darauf nach Hause, warf mich nieder, u. betete: „Ach lieber Heiland, erbarme Dich doch über mich, Du weißst, daß ich ein so wildes Kind bin, u. die Welt viel lieber habe als Dich; wenn Du mir nicht ein ander Herz gibst, so werde ich das alles wieder vergessen.“ Diesen Tag ging ich nicht mehr aus dem Hause, aus Furcht mich wieder zu zerstreuen. Es war grade um die Zeit, daß ich in die Unterweisung zum heiligen Abendmahl gehen solte, u. zwar zu dem seligen Pfarrer Ernst. Er redete sehr herzlich mit uns vom lieben Heiland, und alles, was er mit uns redete, drang mehr auf Herzerfahrung als Kopfwissenschaft. D. 8 Jan. Abends kam der Oncle Zacharias mit seiner Frau u. ein paar andern Freunden zu uns. [231] Sie fingen an liebliche Lieder zu singen, und dieses war der Moment, wo unser ganzes Haus, Vater, Mutter, mein Bruder u. meine Schwestern, so wie ich, von der Gnade ergriffen wurden. Der liebe Heiland hat auch seinen Segen dazu gegeben, daß alle an Ihm beklieben sind. Ich machte darauf mit meiner seligen Base Esther Wiedler einen Bund, daß wir ganz allein für den Heiland leben, Ihn kennen lernen, u. Seinen Lehren folgen wolten, warfen uns vor Ihm aufs Angesicht, u. baten Ihn um Seinen Segen dazu. Wir zwey kamen darauf wöchentlich zweymal zusammen, u. beteten, oder unterredeten uns mit einander vom lieben Heilande. Dieses erfuhr der Pfarrer Ernst, u. schickte seine 2 Töchter zu uns (die eine war die noch lebende Schwester Stephani in Arau, u. die andre die selige Schwester Duvernoy in Montbeillard) und wir zusammen pflegten ihn wöchentlich zu besuchen, zum großen [232] Segen für unsre Herzen. Unsre Anzahl vermehrte sich bald bis auf 12. Es währte aber nicht lange, so wurden wir überall verschmähet u. verspottet; besonders hatten wir von dem feindseligen Collegen des Pfarrer Ernst manches schwere zu ertragen; der Heiland gab uns aber Gnade, ihm immer so zu antworten, daß er sich endlich schämte, u. uns mit Frieden ließ. Anno 1743 bekam ich die ersten Geschwister aus der Brüder Gemeine zu sehen, u. sie waren mir zum Segen. Indessen mußte ich mein tiefes Verderben recht fühlen; ich nahm meine Zuflucht zum Heiland, u. flehete Ihn um Hülfe u. Beystand an. Es ging aber damals in Arau noch etwas gesetzlich zu, u. es wurde mir sehr schwer gemacht, und darüber gerieth ich in Trockenheit u. Gleichgültigkeit. Als ich in diesen Umständen einmal zu meiner Mutter kam, war eben ein Bruder von Herrnhaag da. Ich erschrack, u. dachte: [233] der wird dirs gleich ansehen, wie es mit dir geht; sezte mich aber doch hin, um zu hören, was er mit meinen Eltern reden würde. Er redete von der großen Liebe des Heilandes zu armen Sündern, u. daß man es nicht beym gut werden wollen anfangen müsse u. s. w. Mein Herz wurde darüber so weich, daß ich in meine Kammer ging, mich dem Heiland zu den Füssen hinwarf, Ihn um Erbarmung anrief, u. nicht eher wieder aufstand, bis ich der Erhörung meines Gebets versichert war. Von da an konte ich kindlicher u. zutraulicher gegen den Heiland seyn; mein ganzes Sehnen ging dahin, so gestaltet zu werden, wie Er mich gern hätte. Es kam aber manche Hinderung drein, und weil mich die Welt überhaupt, u. meine Anverwandten insbesondere lieb hatten, so war ich immer bange, von der rechten Spur wieder abgeleitet zu werden. Daher mein Wunsch war, doch in eine Bruder-Gemeine zu kommen, wo ich mehr in Sicherheit [234] wäre; durfte es aber noch niemanden sagen, als dem Heiland in sein treues Ohr; ich bat Ihn zugleich, daß Er, der mein Unvermögen beßer als ich kenne, sich doch meiner annehmen wolle. Anno 1744 kam ich zu den zwey Kindern eines Herrn Denlers in Langenthal. Im äussern hätte ich es nicht beßer wünschen können; ich erfuhr aber erst recht, in welche Noth ich gerathen könte, denn ich hatte in diesem Hause rechte Versuchungsstunden; daher ich mich auch alle Morgen der treuen Aufsicht des Heilandes empfahl, u. Ihm alle Abende mit Thränen für Seine Bewahrung dankte, auch manche halbe Nacht mit Beten u. Weinen um Seinen fernern Beystand verbrachte. Im Merz 1745 kamen die Geschwister Peistels nach Arau, welcher Besuch mir zum Segen war. Bald kamen noch mehrere Geschwister, u. ich machte mir diese Besuche recht zu Nutze; nahm auch Gelegenheit meinem Vater zu erkennen [235] zu geben, daß ich zur Brüder-Gemeine zu gehen wünschte. Er genehmigte es nicht nur, sondern schrieb auch ohne mein Vorwissen an die Gemeine, u. bat um Erlaubnis für mich. Ich erhielt dieselbe nach Herrnhaag, u. reiste d. 25 Merz 1747 mit meiner ältesten Schwester dahin ab. Mein Vater nebst andern Geschwistern begleitete uns bis Basel. Als wir in den Busch kamen, schlossen wir einen Kreis, u. hielten zusammen eine liebliche Abschieds-Sing- stunde. D. 1 April langten wir glücklich in Herrnhaag an, mit der Losung: „Er ging hinein, u. schloß die Thür zu!“ Meine ersten Gedanken waren: Lieber Heiland, nun hast Du mich glücklich zur Gemeine gebracht, laß mich jezt auch ganz gedeihen, daß ich recht selig u. vergnügt und Dir u. der Gemeine zur Freude werde! Ueberall wurden wir in Liebe bewillkommt, u. ich weinte diesen Tag viele Freudenthränen. D. 30 Jul. [236] wurde ich in die Gemeine aufgenommen. D. 19 April 1748 reiste ich mit 3 andern Schwestern, von denen zwey Grönländerinnen waren, nach Herrnhut ab, wo wir am 3 May ankamen. Den folgenden Tag kamen wir nach Hennersdorf. D. 12 Jul. gelangte ich zum Genuß des heiligen Abendmahls mit der Gemeine; was ich dabey genossen habe, bleibt unbeschrieben. (Hierbey verdienet folgender Umstand, den die selige Schwester oft mündlich zu erzehlen pflegte, noch angemerkt zu werden: Die von Herrnhaag nach Hennersdorf gekommenen ledigen Schwestern wohnten alle auf einer Stube, schliefen auf dem Stroh, u. hatten ihre Kleiderbündel neben sich liegen. Eines Tages besuchte sie der selige Ordinarius, u. fand ihrer ein paar über ihrem Bündel. Habt ihr dann keinen Schrank, fragte er. Antwort Nein! Sogleich ging er hin, räumte einen seiner eignen Schränke aus, u. sandte [237] ihnen denselben, mit dem Bedeuten, daß sie die Fächer unter sich theilen möchten. Folgenden Tages besuchte er sie abermal, u. sahe sich ihre Einrichtung im Schrank an. Dasjenige Fach, welches unsre selige Schwester bekommen, hatte folgende Worte angeklebt: „Leide dich geduldig, liebe Seele, u. sey stille.“ Wem gehört dieses Fach? Antwort: der Anna Wiedlerin. „Gut, mein Kind, sprach er zu ihr, merke dir dieses Sprüchelchen, so wird es dir gut gehen.“ Diese Worte schrieben sich tief in ihr Herz, u. sie erinnerte sich derselben nachher, so oft schwere Umstände vorkamen, zu ihrer Aufmunterung zum stillen Aushalten. Nun schreibt sie weiter:) Im August reisete ich mit mehrern Schwestern wieder nach Herrnhaag zurück. Im Oct. wurde ich bey Kindern angestellt. So viele Thränen es mich kostete mein liebes Chorhaus zu verlassen, so willig war ich doch, bey Kindern zu dienen, denn ich liebte sie [238] sehr. Im Jahr 1749 hatte ich eine eigene Zeit, es kam manches vor, was ich nicht verstand; aber ich bat den Heiland sich meiner anzunehmen, u. mich sowol vor allem Leichtsinn, als auch vor allem raisonniren zu bewahren.“
So weit aus ihrer eignen Nachricht, die überhaupt nur bis ins Jahr 1750 geht.
Sie zog mit den Kindern von der Wetterau nach Herrnhut, u. blieb bey ihnen bis ins Jahr 1760. In dem selben Jahr kam sie hieher nach Neuwied, u. wurde am 8 Sept. mit dem nunmehrigen Witwer zur heiligen Ehe verbunden. Sie war eine solide u. in der ganzen Gemeine legitimirte Schwester. Mit dem lieben Heiland stand sie in einem genauen u. herzvertraulichen Umgang, u. es war ihr Gnade, Seinem Hause zu dienen. Sie war viele Jahre eine treue Krankenpflegerin u. Besucherin im Ehechor, u. besonders [239] diente sie bey Wöchnerinnen mit vieler Angelegenheit u. Sorgfalt; auch die lezte Zeit, da ihre Kräfte schon sehr abnahmen, ließ sie sich nicht abhalten, in diesem ihrem Dienste unverdroßen fortzufahren. Sie war viele Jahre schwächlich, ihre lezte Krankheit aber war kurz, u. sie war sich in derselben wenig gegenwärtig; sonst aber war sie niedlich u. liebhabend, u. es waltete bey ihrem Krankenbette ein seliges Gefühl.
Sie entschlief sanft u. selig am 16 Jul. 1787 in einem Alter von 61 Jahren u. 6 Wochen.
7.) Die ledige Schwester Eleonore Catharine Sophie v. Gersdorf (in Herrnhut) war die älteste Tochter unsers seligen Bruders Abraham v. Gersdorf. Sie hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin geboren d. 24 Febr. 1732 in Siegersdorf. Von meinen zarten Kinderjahren an hatte ich eine Nervenschwäche, u. lernte auch erst im 7tn Jahre reden. Anno 1740 brachten [240] mich meine seligen Eltern mit zur Gemeine nach Herrnhaag. Ich kam in die Mädchenanstalt, wo ich Anfangs recht vergnügt war; ich merkte aber bald, daß mir das Leben im Herzen fehlte, u. ich bat den Heiland angelegentlich, mir doch auch die Gnade zu schenken, die ich an so manchen andern Kindern bemerkte. Er erhörte mein Gebet, es wurde mir leicht u. wohl ums Herz, u. ich kam in einen vertraulichen Umgang mit Ihm. Und da ich in meinem 12ten Jahre anfing in schlechte Dinge hinein zu gerathen, wurde ich gleich in meinem Herzen darüber bestraft, u. ruhete nicht eher, bis ich die Vergebung des Heilandes darüber fühlte. Ich wurde den Kindern als Aeltestin vorgestellt, welches mir sehr wichtig u. eine Gelegenheit war, daß ich viel betete u. weinte. Anno 1745 kam ich unter die größern Mädchen, u. hatte von da an wieder eine besondere Gnadenzeit. Mein [241] Grundverderben wurde mir immer mehr aufgedeckt, welches mir eine Veranlaßung war, daß ich mich desto mehr nach dem Genuß des heiligen Abendmahls sehnte. Diese Gnade widerfuhr mir im April 1747. Im Jun. desselben Jahres wurde ich zur Akoluthie angenommen. Ich war sehr beschämt über alle Gnade, die mir der Heiland widerfahren ließ, u. gab Ihm Herz u. Hände zum Treuseyn bis ans Ende. Mit zunehmenden Jahren verlor sich aber das kindliche u. gerade Wesen, ich gerieth in Einbildung von mir selbst, wurde unzutraulich, u. ging meinen Gang für mich allein so hin. In diesem Zustande reiste ich mit der Mädchenanstalt im Sept. 1750 von Herrnhaag nach der Oberlausiz, u. Anno 1751 im Merz zogen wir hier in Herrnhut ein. Da es sich nun ganz mit mir geändert hatte, u. ich zu nichts mehr gebraucht wurde, regte sich Verdruß u. Eigenliebe gar stark bey mir, u. ich [242] kam darüber in ein recht bedenkliches u. melancholisches Wesen. Der Heiland schenkte mir zwar manchen Gnadenblick, da ich aber meine schlechten Ecken doch noch nicht gründlich erkannte, ging es sehr abwechselnd mit mir. Im Jun. desselben Jahres wurde ich ins ledige Schwesternchor aufgenommen, u. einige Zeit darauf in einer Mädchenstube als Gehülfin angestellt. Anno 1755 gereichte mir eine gründliche Unterredung mit der seligen Anna zum großen Segen. Der Heiland schenkte mir Gnade, mich selbst im rechten Licht zu erkennen, u. da sahe ich, daß der Hochmuth bey mir viel tiefer saß, als ichs je geglaubt hatte. Ich schämte mich darüber vor dem Heiland, u. erhielt einen kräftigen Trost Seiner Vergebung. In diesem Jahre zog ich auch ins Chorhaus ein, da mir der grade u. aufrichtige Umgang meiner Chorgespielen zu vielem [243] Segen u. Ermunterung war. Der Einzug in unser neues Chorhaus war eine besondere Gnadenzeit für mein Herz. Wenn ich zurückdenke, daß ich mir so manche Stunden selbst verdorben habe, und der Heiland mich doch so unbeschreibliche Barmherzigkeit hat geniessen lassen, so fließen meine Sünderthränen in reichem Maaß u. s. w. So weit schrieb die selige Schwester im Jahr 1760.
In der Folge wurde ihr Gnadengang noch manchmal durch neben einkommende Natur-Fehler u. Eigenheiten gestört; aber bey allen Schwachheiten u. Gebrechen ihres Herzens u. Gemüths war u. blieb sie doch ein besonderes Objekt der Gnade u. Liebe ihres Erbarmers, u. Er wußte sie immer wieder zurückzuführen auf den ersten Grund, den sie in Seinem Blut u. Wunden gefunden hatte. Sie kannte u. liebte Ihn als den Versöhner ihrer Sünden, u. hatte einen kindlich vertraulichen Umgang mit Ihm. Anno 1774 bekam sie epileptische Zufälle, die aller [244] angewandten Mittel ohngeachtet in der Folge mehrmalen vorkamen. Diese Krankheit gab ihr Gelegenheit zu manchen trüben Kummerstunden, diente ihr aber auch dazu, daß sie desto mehr ihre Zuflucht zum Heiland nahm. Ueber ihre damalige Herzensstellung äusserte sie sich in einem Briefe unter andern so: „Wenn ich zurückdenke, was für Barmherzigkeit der Heiland an meiner Seele gethan hat, so beugt es mich in Staub vor Ihm. Komme ich aber auf die verlorne Zeit zurück, u. wie ich mir so manchen Gnadenbesuch verscherzt habe, so bin ich sehr betrübt. Ach wie oft habe ich die Stimme des heiligen Geistes überhört, u. habe mich von meinem eignen Geiste regieren lassen, war eingebildet von mir selbst, u. wolte immer gern etwas seyn. Das waren beständig meine Gedanken; aber des Heilandes Gedanken waren ganz anders über mich; Er hat michs fühlen lassen, daß Er mit meinem Gang nicht zufrieden seyn konte, u. [245] hat aus Treue solche schwere Zufälle über mich kommen lassen; ich habe es aber nicht gleich einsehen wollen, daß es mir an einem Sünderherzen fehlt, sondern ich war unwillig u. ungeduldig; endlich kam ich in eine ernstliche Unruhe über mich, u. weinte Tag u. Nacht, bis die erwünschte Stunde kam, da Er sich meiner wieder erbarmen konte. Nun ist mein beständiges Bitten zu Ihm, daß Er mich in der Gnade erhalten, u. mich immer kleiner u. sünderhafter machen wolle; ich fühle wol, daß noch gar vieles an mir abzuschmelzen ist, und dazu hat Er mich in Seine Cur genommen: ach möchte es Ihm nur ganz mit mir gelingen!“ Seit dem Anfang des Jahrs 1787 hatte sie nichts von den Anfällen ihrer Krankheit gehabt, klagte aber öfters über Kopfschmerzen u. Nervenschwäche. Uebrigens war sie seit einiger Zeit ungewöhnlich heiter u. vergnügt, erzehlte auch vor kurzem [246] einer Schwester, was sie oft in der Stille für selige Stunden habe, wenn sie so allein für sich singe oder bete. Ueberhaupt erklärte sie sich ausnehmend dankbar über alles. Am 16 Aug. war sie Vormittags noch ganz wohl, Nachmittags aber glaubte sie die Annäherung ihrer Krankheit zu bemerken. Den folgenden Morgen um 4 Uhr fand sich der Paroxysmus ein, u. zugleich ein Steck- u. Schlagfluß, der sie in wenig Minuten ins gesunde Reich versezte. Wir segneten (schreiben die Schwestern) ihre Ruhe unter dem Gesang: Schlaf, liebes Kind, mit der Gemeine Jesu Frieden p. Sie war im 56ten Jahre ihres Alters.
8.) Der Knabe Johannes Hünerwadel (in Norden) war daselbst geboren den 25 Merz 1771. „Er war uns“ (schreiben die Eltern) „als ein Kind durch sein an den Heiland anhängliches, munteres, liebhabendes u. folgsames Wesen zu [247] vieler Freude; in den folgenden Jahren aber, da sich das sündliche Verderben in ihm hervorthat, waren wir seinetwegen oft in Kummer u. Sorgen, ob er auch gedeihen werde. Dann u. wann that sich eine Hofnung hervor, daß sich die Gnade Gottes seines Herzens bemächtigen u. es zu einer gründlichen Veränderung bringen würde; allein seine flüchtige u. ausschweifende Art ließ es nicht dazu kommen. Er nahm die Bestrafungen darüber kindlich an, u. oft unter Vergießung häuffiger Thränen u. wiederholten Versprechungen, sich dem Heiland hinzugeben. Er erlernte bey uns das Gerberhandwerk, u. war in seinem Beruf treu u. fleißig, übte sich auch in seinen Freystunden in der Musik, um einmal der Gemeine als Organist dienen zu können; wovon er auch schon einige Proben gemacht. Nur blieb uns der Wunsch übrig, daß es doch mit seinem Herzen beßer gehen, u. er, [248] da er doch sonst von keiner versteckten Art war, auch einmal vor dem Heiland mit allen seinen Sünden grade herausgehen, u. Gnade in Seinem Blute suchen möchte.“ „In dieses aufrichtige Zeugnis seiner Eltern von ihm, stimme ich“ (schreibt Bruder Stegmann) „vollkommen mit ein. Ich habe ihn als einen offenherzigen u. aufrichtigen Knaben kennen gelernt, wenn ich mich mit ihm über seinen Seelenzustand u. Wandel besprochen; und man wünschte ihm dabey nur, daß es ihm ein Ernst werden möchte, sich mit seinen Sünden zum Heiland zu wenden, wozu man ihn zu ermuntern suchte. Es schien auch, als wenn er aus seinem Schlaf u. Traum aufwachte, u. es ihm anläge, des Heilandes froh zu werden. Er bat dann um die Aufnahme in die Gemeine, welche Bitte ihm am 12ten Febr. 1786 gewährt wurde. Die Freude, die man damals über ihn hatte, währte nicht lange, denn er kam, leider! bald wieder in sein voriges gleichgültiges [249] Fach hinein. Er klagte sich oft selbst darüber an; wie er solches auch in der leztern Gesellschaft, die mit den Knaben gehalten ward, that, da er bezeugte, daß ihm der Heiland oft an sein Herz komme mit seiner Gnade, daß er aber nicht treu mit derselben umgehe; sondern durch unnöthige Zerstreuung immer wieder von derselben abkomme.
Kurz vor seiner Krankheit führte ich ihm angelegentlich zu Gemüthe, daß er nicht wisse, wie bald ihn der Heiland abfordern könne; u. bat ihn, daß er demselben sein Herz geben möchte. Er weinte dabey, u. versprach solches zu thun. D. 7 Aug. 1787 bekam er die Blattern, u. man mußte bald an seiner Genesung zweifeln. Er war Anfangs niedergeschlagen, u. wünschte sehr wieder gesund zu werden, u. ersuchte deswegen alle, die zu ihm kamen, den Heiland zu bitten, daß Er ihm diesmal wieder aufhelfen möchte; u. sagte dabey, es sey [250] nun sein ernstlicher Sinn, Ihm sein ganzes Herz zu geben, u. hinfort in der Welt nur für Ihn zu leben. Auf die Frage, was er dazu dächte, wenn ihn der Heiland denn doch bey dieser Gelegenheit zu sich nehmen wolte? sagte er mit Wehmuth: ach, daran kan ich nicht ohne Angst u. Furcht denken, denn ich bin noch nicht bereit zu Ihm zu gehen. Es wurde ihm darauf gesagt, der Heiland wolle ihn fertig machen, wenn er nur sein ganzes Herz jezt Ihm hingeben wolle; wenn er das thun würde, so würde er sein leztes Stündlein mit Freuden erwarten können. Er begab sich darauf in die Stille, u. man hörte ihn viel seufzen u. beten, unter andern: „Ach mein lieber Herr Jesu, mein treuer Heiland, erbarme dich meiner armen Seele!“ Der Heiland sahe sein Seufzen gnädig an, u. man merkte, daß der heilige Geist kräftig an seinem Herzen arbeitete, u. ihn fertig machte. Sein Blick [251] zeugte davon, als welcher immer heiterer zu werden anfing, so daß man ihn mit Vergnügen ansahe, u. es einem recht wohl bey seinem Krankenbette war, da bey demselben das Herz zum Lobe der großen Hirtentreue Jesu, die sich an diesem Kranken veroffenbarte, hingenommen wurde. Insonderheit war seine ausnehmende Geduld auch erbaulich. Er hatte es sehr gern, u. bat öfters darum, daß man Verse singen möchte; und als unter andern der gesungen wurde: Christi Blut u. Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck u. Ehrenkleid p. betete er denselben recht gefühlig mit. Da er in der Phantasie davon redete, daß er nach Hause wolle; u. er gefragt wurde, ob ihn nach der Behausung der ewigen Freuden verlange? antwortete er: Ja, dahin will ich. Er wurde weiter gefragt, ob er dann nun als ein armer Sünder mit Freuden zum Heiland, im Vertrauen auf Sein blutiges Opfer [252] u. Verdienst gehen könne? worauf er ein freudiges Ja zur Antwort gab; und ob er nichts mehr auf seinem Herzen habe, was ihn bekümmere? Er antwortete: Nein, gar nichts mehr, der Heiland ist mir gnädig u. freundlich.“ Da an seinem Heimgangstage d. 18 Aug. unter andern der Vers gesungen wurde: Mein Freund ist mein, u. ich bin Sein p. nickte er etlichemal dazu mit dem Kopf, mit einem sehr freundlichen Blick; und da es an die Worte kam. „O wie werd ich Ihn droben für sein Leiden, Blut u. Tod ohne Ende loben“ – so hob er seine zitternde Hände in die Höhe, welches allen Anwesenden so rührend war, daß sie sich der Thränen nicht enthalten konten. Bald darauf entschlief er sanft u. selig, in einem Alter von 16 Jahren u. 5 Monaten.
[253]
Nachdem ich diesesmal eine ziemlich lange
Ruhezeit zum Segen für mein Herz in
der Gemeine zu Neuwied genossen hatte,
reiste ich am 18 April 1786 mit einer
großen Gesellschaft, die zu den Feyertagen
in Neuwied besucht hatte, von
da ab. Alle meine Reisegefährten bezeugten,
daß ihnen der Besuch zum Segen
gewesen sey. In Cölln verabscheidete
ich mich mit ihnen, u. blieb einen Tag
bey unserm Freund Hardt, mit dem
ich recht angenehme Herzensunterredungen
hatte. Von hier aus besuchte ich weiter,
unter andern den Herrn Pastor Burgmann
in Mühlheim.
[254] D. 23tn kam ich nach Remscheid zu unsern lieben Altenpohls u. Aschenbergs, wo ich für gewöhnlich meinen Aufenthalt im Bergischen habe. Kaum hatte ich aber mich ein wenig eingerichtet, als ich Nachricht von Wesel erhielt, daß die Hofräthin Daems in Röpling krank geworden, u. sehr nach einem Besuch verlange. Diese 76jährige Dame ist seit vielen Jahren mit uns bekannt, u. hat den Heiland herzlich lieb, ist aber sonst von einer ängstlichen Gemüthsart, u. hat Aufmunterung nöthig. Die Familie nahm mich sehr freundschaftlich auf, u. ich mußte einige Wochen da bleiben. In der Zeit besuchte ich fleißig die etlich 20 Seelen hier herum, die mit uns bekannt sind. Es hat bisher unter ihnen noch zu keiner rechten Herzensgemeinschaft kommen wollen; jezt ist doch einige Hofnung dazu. Mit 7 Predigern bin ich in einer freundschaftlichen Connexion, die an dem Fortgang unsrer Heidenmissionen [255] viel Antheil nehmen. Einigen werden die Predigerconferenzen communicirt. Die neue Lehre ist bis in hiesige Lande noch nicht sehr gedrungen.
D. 18 Jun. kam ich wieder nach Remscheid, wo ich unter andern viele Briefe zu beantworten fand. Ein paar verirrte Schafe waren die ersten, an die ich schrieb. In den folgenden Wochen that ich die gewöhnlichen Besuche im Lande herum. Es gingen um diese Zeit etliche Seelen recht selig u. vergnügt heim. Eine Frau Namens Spickerin im Littringhausischen bezeugte vor ihrem Ende, daß sie es dem lieben Heiland sehr schwer gemacht habe, ihr Herz zu gewinnen, nun sehe sie aber ihrem lezten Stündlein mit Freuden entgegen. Ein Schulmeister Helderhof in Remscheid, der ehemals erweckt gewesen, aber ganz wieder eingeschlafen war, ließ vor seinem Ende einen Bruder zu sich kommen, u. bekannte, daß er seine Zeit bisher verträumt hätte, daß ihm aber vom Heiland, [256] zu dem er sich als ein Sünder gewendet, alle seine Sünden vergeben worden. Als der Prediger ihn fragte, worüber er in der Leichenpredigt reden solte, antwortete er: Wollen sie was sagen, so wäre es das: „Das ist ein theures werthes Wort, daß Jesus Christus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen“ – welche Worte der Prediger auch zu seinem Texte nahm. Eine junge Frau Namens Hohersbergin ging ebenfalls nach einer Krankheit von 5 Tagen selig aus der Zeit. Sie bezeugte auf eine angenehme Weise das Wohlseyn ihres Herzens, mit der Bitte, es solle sie niemand aufhalten, denn sie begehre nicht wieder gesund zu werden. – Ich besuchte unter andern in Solingen, wo ehemals durch den seligen Pastor Forstmann eine große Erweckung entstanden ist. Es sind noch immer einige, die man mit Vergnügen besuchen kan, wiewol einem wehmüthig ums Herz wird, wenn man an die ehemaligen [257] Zeiten zurückdenkt. D. 21 Aug. trat ich ins Märkische Land ein. In Brekerfeld kamen 20 Seelen zusammen, u. es war mir unter ihnen wohl. In Westhofen hielt ich mich einige Tage auf. Die in dieser Gegend mit uns bekannten Leute wohnen sehr zerstreuet, u. können nur des Sonntags zusammenkommen. Es sind ihrer etwa 20. In Asseln kamen über 50 Personen zusammen, die sehr begierig waren, ein Wörtchen vom lieben Heiland zu hören. Ich hatte besonders mein Vergnügen mit den Kindern, die recht aufmerksam auf das waren, was ihnen gesagt wurde.
Den Monat Oct. verbrachte ich in Hemmerde, wo ich mit dem verbundenen Häuflein zur Beichte u. zum heiligen Abendmahl ging. Von da besuchte ich in der Gegend weiter herum. Wo ich des Sonntags war, war immer eine zahlreiche Versamlung, u. noch nie hatte sich das Verlangen der Seelen nach Gemeinschaft so zu Tage gelegt, [258] als diesesmal. Es finden sich auch neue Leute herbey, von denen einige auf eine besondere Weise vom Heiland ergriffen worden sind. Einmal hatte ich 14 von unsern Gehülfen beysammen, da wir dann über alles gründlich ausredeten. In dieser Zeit gingen einige Seelen selig heim. Den einen Namens Kayser, in Lennep, besuchte ich kurz vor seinem Ende, u. er bezeugte mit Thränen in den Augen, wie sehr er verlange zum Heiland zu gehen. Ein andrer Namens Schliper erzehlte dem Prediger von seiner Erweckung zu den Zeiten des seligen Angelkorts; und dieser nahm Gelegenheit davon in der Leichenpredigt zu reden. Ein Mädchen von 9 Jahren ging sehr niedlich u. vergnügt heim, just da ich im Hause der Eltern besuchte. Es waltete dabey ein solches Gefühl der Nähe des Heilandes, daß die Eltern bey allem Schmerz über ihren Verlust recht freudig u. getrost waren. Vor dem Begräbnis hatte [259] ich Gelegenheit einer großen Schaar Kinder ein Wort vom Heiland zu sagen.
Die Weihnachtsfeyertage beging ich gemeinschaftlich mit 67 Seelen, u. der Heiland war in unsrer Mitte. Einmal hielt ich eine Gesellschaft mit 10 ledigen Mannsleuten. In einer Gegend sind die Gesellschaften in einem seligen Gang, in andern aber hält es damit schwerer.
Zum Jahresschluß war ich wieder in Hemmerde, u. blieb den ganzen Jan. 1787 daselbst. Ich erhielt von allen Orten erfreuliche Briefe von dem Gange der verbundenen Häuflein, u. nahm mir Zeit, überall hin, wo es nöthig war, zu antworten. Im Febr. wurde ich abermal ersucht, die kranke Frau Hofräthin Daems in Röpling zu besuchen. Sie war schmerzlich krank, u. dabey sehr verlegen um die Gewißheit ihrer Seligkeit. Ich wies sie einfältig zu dem vollgültigen Opfer Jesu, sie solle doch glauben, daß Er ihr wohl wolle, und [260] sich nicht länger mit der praedestination aufhalten. Ich muste etliche Wochen da bleiben, u. ihr alle Tage etwas vorlesen. Die Prediger, die sie zu besuchen pflegten, waren gegen mich sehr freundschaftlich, u. ersuchten mich mehrmalen, bey der Kranken bis an ihr Ende auszuhalten; da aber die Krankheit langwierig zu werden schien, und ich zu Ostern gern in der Mark seyn wolte (wie es die dasigen Geschwister mit mir verabredet hatten) so nahm ich am 28 Merz Abschied, wobey die Kranke u. ihre Familie sehr angethan war.
In der Marterwoche u. am Osterfest war ich an 4 Orten bey den verbundenen Häuflein, zulezt in Hemmerde, wo 30 Geschwister gemeinschaftlich zum heiligen Abendmahl gingen. Wir erinnerten uns an 22 Seelen, die seit Ostern 1786 selig zum Heiland gegangen, u. darunter waren 8 Kinder, bey Gelegenheit der Blattern.
[261] D. 16 Apr. erhielt ich Nachricht von dem seligen Verscheiden der Frau Hofräthin Daems. In Hemmerde ging im May ein Bruder Namens Schulz selig heim. Das lezte, was man von ihm hörte, waren die Worte: O wie sehr lieblich sind all deine Wohnungen p. u.: Christi Blut u. Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck p. Eben daselbst ging unsrer Geschwister Sybrechts Tochter, ein Kind von 10 Jahren, das den Heiland zärtlich lieb hatte, selig heim. Die Kinder unsrer hiesigen Geschwister, 19 an der Zahl, haben ihre besondere Versammlungen, u. sind in einem Hofnungsvollen Gange. Im Jun. hielt ich mich in der Iserlöhnischen u. Sauerländischen Gegend auf. An einem Orte waren über 60 Personen beysammen, die nachher auch Gesellschaften hatten: ich hielt dieselbe mit 9 ledigen Mannsleuten, von denen einer nachher sagte, daß er etwas dabey erfahren habe, das er nie wieder vergessen werde. Mit den Gehülfen [262] hatte ich eine aparte Unterredung. In dieser Zeit erhielt ich Nachricht von dem seligen Heimgang von 4 Seelen; unter diesen war auch die Frau unsers lieben Bruder Altenpohls in Remscheid. An diesen Ort kam ich am 14 Jul. wieder zurück. D. 17tn hatte ich einen besondern Gedenktag, da es just 25 Jahre war, seitdem ich in dieses Land getreten bin. Ich redete darüber mit dem Heiland aus, u. fand viele Materien zu meiner tiefen Beschämung, aber auch zum Lob u. Dank gegen Ihn. Nachdem ich von hieraus an verschiedenen Orten besucht hatte, trat ich am 20 Aug. meine Rückreise nach Neuwied an, wo ich am 23tn ankam, herzlich dankbar gegen den Heiland, daß Er sich zu meinem geringen Dienste überall in Gnaden bekannt hatte.
[263] 2.) Aus den Berichten des Bruder Herolds von der Societät in Potsdam vom Monat Merz 1786 bis Dec. 1787.
D. 28 Merz 1786 langten wir, nach einer wegen des großen Wassers sehr beschwerlichen u. gefährlichen Reise, in Potsdam an. Viele Brüder waren uns entgegen gekommen, u. man konte gut merken, daß es den Geschwistern lieb war, daß nun ein paar Geschwister aus der Brüdergemeine bey ihnen wohnen solten. Wir wurden in den folgenden Tagen fleißig besucht, u. sehr liebreich bewillkommt. D. 31ten unterredeten wir uns mit den drey hiesigen Gehülfen über den Gang der Societät. Abends war die erste Versamlung, zu welcher dieses mal alle kamen. Bruder Holberg bewillkommte uns erst mit einigen Segensversen, u. las darauf ein herzliches Schreiben des Bruder Dombrowsky an hiesige Geschwister, unsern Beruf [264] betreffend, worauf ich Gelegenheit nahm, mich umständlich gegen die Geschwister zu erklären, u. uns ihrer Liebe u. ihrem Gebet zu empfehlen. In den folgenden Tagen besuchten wir die Geschwister fleißig in den Häusern. D. 7 Apr. war Conferenz mit den Gehülfen, welche überhaupt für gewöhnlich alle 14 Tage gehalten wird. D. 8tn bat eine ausgeschlossene Schwester unter vielen Thränen um die Wiederannahme. D. 9tn machten wir unter einem seligen Gefühl den Anfang die Passionsgeschichte mit einander zu lesen. Vom 10tn bis 13tn wurden die Geschwister einzeln gesprochen. Es war durchgängig ein Verlangen wahrzunehmen, dem Heiland zur Ehre u. Freude zu werden, u. die hin u. wieder vorgekommenen Anstösse aus dem Wege zu räumen. Am Charfreytag gingen die Geschwister in ihren Kirchen zum heiligen Abendmahl. Am Ostermorgen früh [265] um 6 Uhr beteten wir auf unserm Sälchen die Osterlitaney, u. nachher gingen einige Brüder mit uns auf den Kirchhof, die Gräber unsrer entschlafenen Geschwister zu besuchen. Besonders eindrücklich war es uns, da wir auf dem Leichenstein des seligen Bruder Hollfeld den Vers erblickten: Der Grund, wo ich mich gründe, ist Christus u. sein Blut p. Unter den heutigen Versamlungen war auch eine mit den Kindern, die sehr weich u. angethan waren. Wir hatten in diesen Tagen Besuch von einigen Personen vom Lande, die um ihre Seligkeit bekümmert sind. D. 21tn wurde ein Abbittebrief von einer ausgeschlossenen Schwester gelesen, u. dieselbe herzlich wieder angefaßt. D. 4 May schlossen sich unsre 4 ledigen Schwestern im Geiste an ihre Chor-Verwandte in der Gemeine an, u. hatten ein paar Festversamlungen, in welchen sie sehr angethan u. weich waren. [266] Am zweyten Pfingstfeyertage brachte ein Bruder seine Frau zu uns, die immer sehr bedenklich gewesen, in unsre Versamlungen zu gehen, nun aber durch seine Erzählungen von dem darinn genossenen Segen so angefaßt war, daß sie sich auch Erlaubnis dazu ausbat.
Im Monat Jun. kam der Kauf eines Hauses zum Gebrauch der Societät, mit Genehmigung der Stadt-Obrigkeit, zustande; wofür die Geschwister dem Heiland sehr dankbar waren. D. 20 Jul. reiseten wir nach Cremmen. Dasige Geschwister wurden einzeln gesprochen, u. mit den Gehülfen unterhielten wir uns etliche mal über die Umstände des Häufleins, bey welchem der Feind mit unter grossen Schaden angerichtet hatte. In den Versamlungen war eine selige Bewegung wahrzunehmen. D. 24ten kamen wir wieder nach Potsdam zurück. D. 25tn war die lezte Versamlung in Geschwister Ackermanns Hause, mit herzlichem Dank gegen den Heiland für alle die seit [267] 24 Jahren in demselben genossenen Segen; und am 30 Jul. wurde unser neuer Versamlungssaal in dem vor kurzem gekauften Societätshause eingeweihet, wozu unser lieber Bruder Lauterbach nebst seiner Frau von Berlin hieher gekommen war. Es war nach dem Zeugnis aller Geschwister ein wahrer Segens- u. Gnadentag.
D. 4 Aug. zogen wir in das neue Haus ein; ausser uns wohnen noch ein Paar Geschwister darinnen. D. 22tn reisten wir zum Besuch nach Brandenburg. Die dasigen Gehülfen wurden unter andern gebeten, mehr auf den Dörfern zu besuchen, wo es viele heilsbegierige Seelen gibt. D. 29ten kamen wir wieder nach Potsdam zurück. D. 13 Sept. besuchten zwey erweckte Kolonisten von Hertefeld, 4 Meilen von hier. D. 16 Oct. geschahe eine nachdrückliche Erinnerung wegen der Kindererziehung, welche nachher viele sünderhafte Aeusserungen verursachte. D. 26tn hielt uns Bruder Baumeister von Barby, der unsre Geschwister Graf Einsiedels [268] auf einer Reise hieher begleitet hatte, eine gesegnete Versamlung.
D. 1tn u. 2 Nov. wurden die Geschwister einzeln gesprochen; es gab viele Materien zur Freude, aber auch zum Leidtragen. Ein Bruder mußte ausgeschlossen werden. D. 3tn besuchte uns ein erweckter Schiffer aus Brandenburg, mit dem ich eine gefühlige Unterredung hatte.
In diesem Monate besuchten wir wieder in Cremmen, wo auf Verlangen der Geschwister wieder Gesellschaften eingerichtet wurden. Auch waren wir in Hertefeld, wo noch nie Geschwister besucht hatten. Es fanden sich 18 Personen zu einer Versammlung ein, die sehr angethan waren, u. um öftern Besuch baten. D. 22tn kamen wir wieder nach Potsdam. D. 27tn wurden auf Verlangen vieler Geschwister die Gesellschaften wieder angefangen, wovon wir einen erneuerten Segen hoffen. D. 10 Dec. früh hörten wir, daß der Bruder Timler von der Garde [269] du Corps in der vorigen Nacht plötzlich aus der Zeit gegangen.
Zum Schluß des Jahres 1786 bestand die Societät in Potsdam aus 185, in Brandenburg aus 145, u. in Cremmen aus 72 Seelen, die Kinder der Geschwister mitgerechnet.
D. 21 Jan. 1787 war die Gesellschaft der ledigen Brüder besonders lebhaft u. gesegnet. D. 29tn besuchte uns eine Witwe von Bornstedt, die um ihre Seligkeit bekümmert ist. D. 7 Febr. brachte uns eine Frau mit Freudenthränen die Nachricht, daß ihr Mann ihr nun völlige Freyheit gegeben in unsre Versamlungen zu gehen. Sie hatte bisher manches deswegen auszustehen gehabt. D. 25tn erfuhren wir, daß die Witwe Fischerin im Armen-Lazareth, die öfters unsre Versamlungen besuchte, im Vertrauen auf den Heiland selig aus der Zeit gegangen. D. 8 Merz kam ein Bauer von Hertefeld zu uns, u. schüttete unter vielen Thränen sein ganzes Herz aus. Er wurde mit aller [270] seiner Sündennoth liebreich zum Heiland gewiesen, u. ging getröstet wieder zurück. D. 19tn kam eine Frau, die schon einige Zeit in die Sonntagsversammlungen geht, u. klagte, daß sie ihre Armuth u. sündliches Verderben überall so sehr fühlen müsse, welches doch sonst nicht so bey ihr gewesen; sie hätte sich manchmal gewundert, daß man bey uns so viel vom menschlichen Elend und Verderben hörte, von dem einzig u. allein der Heiland befreyen könne; nun sey ihr darüber ganz anders zu Muthe u. s. w.
Gegen Ende des Monates besuchten wir in Cremmen u. Hertefeld. An lezterm Orte ist eine besonders selige Bewegung wahrzunehmen. Die Leute waren so begierig etwas vom Heiland zu hören, daß wenn wir aus einem Hause ins andre gingen, uns alles nachfolgte, um nichts zu versäumen. Den Weibsleuten war die herzliche Anfaßung von Seiten einer Schwester ganz was [271] neues, u. sehr wichtig. Der neuerweckte Bauer, dessen oben erwähnt worden, ist seinem ganzen Hause zum Segen; u. überhaupt ist die Erweckung an diesem Orte im Zunehmen. Im April waren uns die Marterwoche u. Ostertage wahre Tage des Heils. Vom 18tn bis 24tn waren wir in Brandenburg, u. am 29tn waren 4 Brüder von daher bey uns zum Besuch. Im May wurden 3 Personen, die wegen Vergehungen ausgeschlossen gewesen, nachdem sie dieselben mit vielen Thränen bereuet hatten, herzlich wieder angefaßt. Bey einem Besuch in Nova Wess gab der Heiland Gnade, daß einige Mißverständnisse gehoben wurden. Im Junius waren wir zum Besuch in Herrnhut, u. am 14 Jul. kamen wir wieder zurück. D. 5 Sept. wurden zwey Schwestern zur Societät hinzugethan. D. 27tn ging der Knabe Carl Thomas Philip Möliz vergnügt u. selig heim, in seinem 15tn Jahr. Er hatte den Heiland zärtlich lieb, u. die [272] Passionslieder waren seine liebste Weide. Seine ausserordentliche Geduld bey seiner sehr schmerzhaften Krankheit war sehr erbaulich u. beschämend. Bey jedem Besuch gab er sein zärtliches u. verlangendes Herz gegen den Heiland mit Gefühl zu erkennen, u. konte von der Liebe Jesu, u. von der Seligkeit, die man in Seiner Gemeinschaft genießt, nicht genug hören. Wir hätten ihn gern länger behalten, aber der Heiland eilte mit ihm aus dieser verführerischen Welt heraus. – D. 5 Oct. kamen zwey Bauern von Hertefeld hieher, u. waren in der Versamlung sehr angefaßt. D. 7tn besuchten uns 3 Erweckte von Kemniz. D. 9tn besuchten wir die Geschwister in Nova Wess. Dieses neu angelegte weitläuftige Dorf ist wie ein Sandmeer, darinn man versinken möchte. Die Einwohner sind Colonisten aus allerley zum Theil recht schlechten Volke. In diesem Monate wurde mit den Eheleuten [273] eine besondere Chorversamlung angefangen, so wir auch im Nov. eine wöchentliche Kinderstunde Mitwochs-Nachmittag, da keine Schulen sind. Eltern u. Kinder waren darüber sehr vergnügt; wie dann überhaupt durch Gottes Gnade in der Kindererziehung mehr Ernst als sonst bey den Geschwistern wahrgenommen wird. D. 7 Dec. ging unsre Schwester Eleonore Sophie Löhrin selig u. vergnügt heim. Sie war anno 1740 hier in Potsdam geboren. Von Jugend auf fühlte sie, daß ihr etwas fehle, u. sie so, wie sie sey, nicht könne selig werden. Sie wurde darüber oft sehr unruhig, wußte aber nicht, wie sie es anfangen solte, und so wurde ihre Noth immer größer. Einmal, da sie zum heiligen Abendmahl gehen wolte, u. vorher vom Prediger im Beichtstuhl unter andern hörte, ein jedes solte sich prüfen, ob es im wahren Glauben an den HErrn Jesum stünde – [274] war ihr dieses wie ein Schlag ans Herz, u. es fiel ihr auf der Stelle ein: Das fehlt dir. Da ging ihre Noth erst recht an, u. sie hatte Tag u. Nacht keine Ruhe. Endlich fragte sie eine von unsern Schwestern um Rath, u. diese brachte sie zu uns. Sie sahe einer recht abgeängsteten Seele ähnlich, die das innigste Mitleiden gleich erregte. Sie wurde mit aller ihrer Noth zum großen Sünderfreund gewiesen, u. dieser Zuspruch wurde ihrem Herzen so gesegnet, daß sie vergnügt u. heiter wurde, u. auch einen ganz veränderten Blick bekam; „Ach, sagte sie, das ist ein Balsam des Lebens auf mein verwundetes, todtkrankes Herz!“ Sie kam bald wieder, u. bat sehr dringend um Erlaubnis zu unsern Versamlungen. Wir hatten einiges Bedenken, weil ihr Mann dagegen war. Als sie zum Schluß des 1786ten Jahres, ohne unser Wissen, zum erstenmal mit in der Versamlung war, [275] wurde sie so übernommen, daß sie unaufhörlich weinen muste. Ihr Mann merkte diese selige Veränderung bey ihr, u. war ihr nicht nur nicht mehr hinderlich an der Gemeinschaft mit uns, sondern vielmehr förderlich, welches ihr zum Erstaunen war, u. sie wußte nicht, wie sie dem lieben Heiland genug dafür danken solte. Der heilige Geist nahm sie immer mehr in seine selige Schule, zog sie immermehr von ihrer vermeinten Frömmigkeit u. eignen Heiligkeit aus, u. machte sie zu einer recht armen, nach Jesu Blute weinenden Sünderin. Je mehr sie nun ihre Armuth zu fühlen bekam, je mehr Verlangen äusserte sie, alles in unsrer Gemeinschaft mit zu geniessen. Sie bekam auch Erlaubnis zur Mitwochsversamlung. Nicht lange darauf wurde sie bedenklich krank. Als wir sie besuchten, sagte sie: „sie habe mit dem liebe Heiland über ihren ganzen Gang ausgeredet, sie wäre über [276] Seine unbeschreibliche Barmherzigkeit u. Treue ganz erstaunt; sie habe Ihn aber kindlich gebeten, Er möchte sie doch noch einmal wieder gesund machen, daß sie noch völlig in die Societät aufgenommen werden möchte, nach welcher Gnade sie ein großes Verlangen habe.“ Es beßerte sich auch wirklich von Tag zu Tage, u. sie wurde zu unsrer Verwunderung so weit hergestellt, daß sie am 5 Sept. mit noch einer Schwester in die Societät aufgenommen wurde. „Ach, sagte sie oft, ich kan mirs nicht vergeben, daß ich so spät zu den Geschwistern gekommen bin: ach was habe ich versäumt!“ D. 16 Sept. wolte sie gern in die Versamlung gehen, hatte sich auch schon dazu angezogen; es überfiel sie aber ein starkes Fieber, so daß sie sich gleich einlegen mußte. Einmal sagte sie bey einem Besuch: „Ich habe jezt in meiner Einsamkeit eine gar selige Weide an den schönen Liedern [277] im Brüder-Gesangbuch, u. das schöne Lied: Ich habe nun den Grund gefunden p. drückt mein ganzes Herz aus; nur kan ichs nicht genug bedauren, daß ich mir selbst so lange im Wege gestanden, mich bey andern Dingen aufgehalten, u. so spät zu der Gnade in Jesu Blut u. Wunden gekommen bin.“ Auf die Frage: ob sie bereit sey, mit Freudigkeit vor dem Angesicht Jesu zu erscheinen? sagte sie: „Der liebe Heiland hat mir alle meine Sünden vergeben, u. mich Seiner Gnade versichert; Er ist mein, u. ich bin Sein: Christi Blut u. Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck u. Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehn.“ Da kurz vor ihrem Ende noch einige Verse gesungen wurden, sagte sie: Ach das war schön! das erquickt recht, ach wie wohl ist mir, welche Freude steht mir bevor! Nun verlangt mich recht sehnlich bald bey Jesu meinem Heiland zu seyn. In dieser Herzensstellung [278] verschied sie sanft u. selig. Wir müssen von ihr sagen, daß ihr Gang in der kurzen Zeit, da sie unter uns war, so beschaffen war, daß uns oft die Worte einfielen: Die Lezten werden die Ersten seyn. Wir dachten, eine brauchbare Gehülfin an ihr zu bekommen, aber der Heiland eilte mit ihrer Vollendung. –
In diesem Monate besuchten wir noch in Cremmen u. Hertefeld; an lezterm Orte geht die Erweckung im Segen fort. Einige von dasigen Leuten hatten in Cremmen Gemeinnachrichten verlesen hören, u. baten nun beweglich um die Communication derselben; wozu ihnen Hofnung gemacht wurde.
Gegen Ende des Jahres wurde die Societät in Potsdam mit 3 Personen vermehrt. Es besteht dieselbe gegenwärtig aus 181 Seelen, die sich mit uns dem Gebet u. Andenken der Gemeine empfehlen.
[279] 3.) Aus dem Bericht der Geschwister Ebers von ihren Besuchen im Schleswig-Holsteinischen im Jahr 1787.
Zu Anfang des Jahres empfingen wir erfreuliche Briefe aus verschiedenen Gegenden von dem Gnadengange der Geschwister. Unter andern meldete uns unser alter Freund Rohlf von Husum, daß seine Frau zu Ende des vorigen Jahres schleunig u. selig aus der Zeit gegangen wäre. Sie war eine Schwester des Pastor Bendix, der vor einigen Jahren in Barby besuchte, u. auf seiner Rückreise in Hannover schnell aus der Zeit ging. Dieser Vorgang u. die nicht lange darauf erfolgte selige Vollendung ihres ältesten Sohnes machten einen großen Eindruck auf ihr Herz. Schon einige Wochen vor ihrem Ende hat man bemerkt, daß sie oft allein gegangen, u. manche Stunden in der Stille im Umgang mit dem Heiland verbracht; auch hat sie oft [280] mit ihrem Manne vom Heimgehen geredet, ob sie gleich keine Krankheit hatte, die dieses so bald vermuthen liesse. Den lezten Tag war sie besonders viel allein, u. man hörte sie in einem entlegenen Zimmer mit dem Heiland reden. Sie hatte die Gewohnheit, alle Abende mit ihren Kindern etwas erbauliches zu lesen u. zu singen. An diesem Abende traf sichs, daß eine Betrachtung von der seligen Ewigkeit gelesen, u. der Vers gesungen wurde: Ich eile meiner Heimfahrt zu p. Darauf ging sie mit den Ihrigen zu Bette; nach einer Viertelstunde aber rief sie ihren Mann u. ihre älteste Tochter zu sich; sie standen auf, u. fanden sie im Verscheiden. Noch hörte man von ihr die Worte: Herr Jesu, Dir leb ich – Dein bin ich todt u. lebendig! und damit entschlief sie.
Hier in Flensburg hatten wir im Januar eine betrübte Veranlaßung, [281] den Geschwistern ihre Pflicht bey der Kinderzucht nachdrücklich ans Herz zu legen. Im Febr. thaten wir eine Besuchreise. In Egensund suchten wir die dortige kleine Hausfamilie, u. die wenigen Seelen, die sich zu derselben halten, zu ermuntern, die Liebe zum Evangelium zu einer seligen Erfahrung, Genuß u. Trost des Herzens kommen zu lassen.
In Sonderburg fanden wir bey unsrer Ankunft etwas trockenes; der Heiland gab aber bey den einzelnen u. allgemeinen Unterredungen Gnade zu neuer Anfaßung der Geschwister. Die selige Herzenssituation des kranken Bruder Heiders, der seit ein paar Jahren bey der bittersten Armuth auch ein wahrer Lazarus ist, war uns besonders erfreulich. Er ist einige Wochen darauf selig vollendet worden. In Erken auf der Insel Alsen konten wir uns über den Gang der Geschwister von Herzen freuen. [282] Unter den 4 Gehülfen waltet Liebe u. Eintracht, u. sie nehmen sich der Seelen treulich an. Das hiesige Häuflein ist ansehnlich, u. es finden sich immer von Zeit zu Zeit neue Leute herbey. D. 15tn Merz kamen wir wieder nach Flensburg. Nach einem für unsre Herzen gesegneten Besuch in Christiansfeld im April traten wir im May von Flensburg aus eine Besuchreise im Lande an. In Bredsted fanden wir manche Veranlaßung, zu mehrerer Liebe unter einander zu ermahnen. Zweyen Weibsleuten, die nicht längst zu der Gemeinschaft hiesiger Geschwister gekommen, u. über ihren Seelen-Zustand sehr verlegen waren, suchten wir Muth zu machen, sich mit ihrer Noth zuversichtlich zum Heiland zu wenden. Die Pfingstfeyertage begingen wir mit den Geschwistern in Husum. Bey ihrem unbescholtenen Wandel bleibt noch immer der Wunsch, daß sich mehr Leben im Herzen bey ihnen zeigen möchte. In der hiesigen Kirche hörten wir ein paar [283] reale u. recht erbauliche Predigten. In Schwabstedt unterredete ich mich mit Pastor Hennigsen, u. lernte einen Mann kennen, der gründlich um seine Seligkeit bekümmert ist. Von hier aus besuchten wir viele einzelne Seelen, die sehr zerstreut wohnen, u. selten zusammen kommen können. Eine Witwe, die seit Jahr u. Tag zu Bette liegen muß, u. die durch Mordbrennerey einen großen Bauerhof eingebüßt hat, war uns durch ihre selige Herzensstellung, da sie alle dieses Leiden kindlich aus der Hand des Heilandes annimmt, mit der Zuversicht, daß es zu ihrem Besten dienen müsse, zu besonderer Freude. In Schleswig sprach ich unter andern mit einigen Soldaten, die an ihren Orten zu den Brüdern gehören, u. nun wegen des bevorstehenden Campements zum Exerciren hier waren.
In Rendsburg verstatteten die Unruhen des Ortes zum Empfang des Kronprinzen, die starke Einquartirung u. die Situation des Hauses, wo die Geschwister [284] zusammen kommen, uns keinen langen Aufenthalt, doch benutzten wir ein paar Tage zu gesegneten speciellen Unterredungen mit den Geschwistern, u. lernten auch die lieben Geschwister Major Barths, die von Kopenhagen hieher gezogen sind, kennen. Von hier gingen wir weiter nach Kiel, Echernförde, Kappel u. andern Orten, wo wir theils wenige theils mehrere Bekannte haben. Wir suchten sie überall zu mehrerer Gemeinschaft aufzumuntern, womit es an manchen Orten noch nicht recht gehen will. Sonst fanden wir durchgängig, daß die Geschwister für die neue Einrichtung mit den Gemeinnachrichten (da ihnen nemlich mehr als sonst communicirt wird) sehr dankbar sind. D. 27 Jul. kamen wir wieder nach Flensburg. Unterdessen war der Bruder Hans Lassen, einer der hiesigen Gehülfen, selig heimgegangen. Unterm 17 Jun. hatte er noch folgendes an mich geschrieben: „Ich fühle mich oft so elend, arm u. mangelhaft, daß [285] ich mir gar nicht zu helfen weiß, u. es bleibt mir nichts übrig, als daß ich mich dem treuen Heiland so überlasse u. hingebe, wie ich bin. Er läßt mich dann nie ungetröstet; und so hat Er sich auch in unsern Versamlungen zu mir u. meinen Geschwistern gnädig bekannt; und wenn ich mich am ärmsten u. elendesten fühle, wie ichs dann auch wirklich bin, u. mich im Vertrauen auf Ihn hinsetze, u. meinen Geschwistern etwas vorlese oder singe, so hat Er uns seine liebe Nähe fühlen lassen, daß ich Ihm oft mit beschämten Herzen habe danken können.“ Er wurde am 24 Jun. von dem grassirenden Faulfieber überfallen. Er war wenig bey sich aber einmal, auf die Frage, was er mache? antwortete er: ich liege hier als ein armer Sünder vor meinem Heilande. Er verschied am 3 Jul.
Im Sept. thaten wir abermals eine Besuchreise. Von dem kleinen Häuflein in Egensund sind viele nach u. nach selig vollendet worden; um so mehr freuete [286] es uns, 3 neue Leute kennen zu lernen, die um ihre Seligkeit bekümmert sind. In Satrup fanden wir 30 Seelen beysammen, die zwar von verschiedener Art sind, aber doch alle gern selig seyn möchten. Es hat bisher jemand gefehlt, der ihr Führer seyn, u. den Zusammenhalt schicklich besorgen könte. Desto erfreulicher ist es, daß gegen Ende des Jahres der junge Prediger Windekilde das hiesige vacante Diakonat erhalten hat. Er hat beym Antritt seines Amtes ein schönes Zeugnis vom Heiland abgelegt.
In Ecken kamen über 50 Personen zusammen, die Geschwister sind hier in einem seligen Gange; nur ist man bey Bedienung derselben etwas eingeschränkt.
D. 17 Dec. ging hier in Flensburg der Probst Schmidt unvermuthet aus der Zeit. Er hatte die Geschwister lieb, und der Heiland u. Seine Versöhnung war in allen seinen Vorträgen die Hauptmaterie; wovon man auch manchen Segen verspürt hat.
[287] Die Anzahl der Geschwister u. Freunde im Schleswig-Holsteinischen u. der Insel Als, die theils aus verbundenen Häuflein bestehen, die die Gemeinnachrichten bekommen, theils sonst mit uns bekannt sind, u. von uns besucht werden, beläuft sich beym Schluß des Jahres 1787 auf 270 Erwachsene, welche wir dem Andenken u. Gebet der lieben Gemeine empfehlen.
D. 23 Sept. hatten wir ein Abschieds-Liebesmahl mit unsern lieben Geschwistern Frechs, Burkhardts u. Krügelsteins. Erstere zwey Paare segelten am 24tn mit der Amity nach Okkak, u. Geschwister Krügelsteins am 29tn mit der Schaluppe des Tuglauvina nach Hoffenthal.
D. 3 Oct. fingen wir an ein neues [288] Eskimo-Winterhaus zu bauen. Die 3 Familien, die darinn wohnen werden, deren Häupter Taufkandidaten sind, halfen dabey treulich, freuten sich über das schöne Haus, u. riefen oft aus: das ist dankenswerth! Wir wurden am 5tn damit fertig. D. 6tn kam Tuglauvina, u. brachte einen Brief von Bruder Krügelstein, geschrieben auf der Insel Ukkasik, aus welchem zu ersehen war, daß die Schaluppe ans Ufer getrieben worden, u. zwey Löcher bekommen hätte, weswegen sie ohne Hülfe u. Reparatur ihres Fahrzeuges nicht weiter reisen könten. Die Brüder Lister u. Stephan Jensen machten sich sogleich mit Nathanael u. seiner Familie dahin auf. D. 10tn u. die folgenden Tage nahmen wir unsre Gartengewächse ein, die zwar dieses Jahr nicht so reichlich ausgefallen sind wie sonst; die aber doch inmer eine große Wohlthat sind, für die wir unserm lieben Vater im Himmel herzlich danken. D. 13tn gingen [289] wir in den Busch, um zu sehen, wo wir dieses Jahr unser Brennholz hernehmen werden. D. 17tn hatten wir die Freude, unsre lieben Geschwister Becks mit ihrem kleinen Benjamin in einem Boote von Okkak bey uns ankommen zu sehen. Sie hatten wegen des vielen Nebel- u. Regenwetters 13 Tage auf ihrer Reise zugebracht. D. 23tn kamen unsre lieben Brüder Lister u. Stephan Jensen glücklich wieder nach Hause. Sie hatten auf der Reise zur Schaluppe hin, die etwa 10 Deutsche Meilen von uns lag, wegen des Wetters 5 Tage zugebracht. Bey Untersuchung des Fahrzeugs fanden sie, daß nicht nur zwey Löcher drinnen waren, sondern auch, daß alle Nägel losgegangen, waren. Das machte viel Arbeit, sie wurden aber am 16tn damit fertig, u. Geschwister Krügelsteins sezten am 20tn ihre Reise nach Hoffenthal fort. D. 25tn kamen 3 Boote von der Rennthierjagd hier an; es waren einige Familien von unsern Getauften dabey. Nun [290] wurde es auf unserm Lande lebhaft, u. die Versamlungen wurden lebhaft besucht. Wir hörten aber bald die betrübte Nachricht, daß des Marcus zweyjähriger Sohn Isaac auf der Reise ertrunken sey. D. 27tn wurde mit unsern Eskimoischen Abendmahls-Geschwistern, 6 an der Zahl, einzeln gesprochen. Man konte sich über ihre Aeusserungen u. ihr Verlangen nach dem Genuß des heiligen Abendmahls freuen. D. 28tn besuchte Petrus in unserm Hause; wir nahmen Gelegenheit ihm unser Mitleiden über seinen Zustand zu bezeugen; und er gestand, daß er ehemals viel vergnügter gewesen, da er den Heiland lieb gehabt, als jetzo, da er in Sünden lebe, u. den Gewohnheiten der Menschen folge. Auch sagte er: „wenn ich daran denke, daß ich der erste bin, der hier getauft worden, und daß die, welche nach mir getauft sind, viel beßer sind als ich, so muß ich mich recht schämen.“ Abends hatten wir das heilige Abendmahl. D. 29tn wurde mit den [291] hiesigen Männern eine Unterredung gehalten von dem, was wir von ihrem Verhalten den Winter über erwarten. Sie waren recht vergnügt, versprachen auch alles gute. In diesen Tagen zogen dann die hiesigen Einwohner, 54 Personen groß u. klein, in ihre 4 Winterhäuser ein. D. 4 Nov. erfuhr unser Bruder Parchwiz eine besondere Bewahrung des Heilands, da bey der Arbeit im Busch ein Eskimo neben ihm, ohne Anzeige zu thun, einen großen Baum fällte, der ihn mit dem Gipfel grade auf den Kopf traf. Er hätte leicht sein Leben dabey einbüssen können, so aber kam er mit einer ziemlich starken Verwundung davon. D. 17tn endigten wir unsre diesjährige Busch-Arbeit. D. 20ten u. 21tn wurden die Getauften u. Taufkandidaten einzeln gesprochen. Ihre Erklärungen waren uns meistens erfreulich. Sie sind sowol auf der Rennthierjagd, als auch überhaupt in der Zeit ihrer Abwesenheit von uns, vor Abweichungen bewahrt geblieben, und [292] man merkt deutlich, daß sie etwas solider werden, u. auf die Arbeit des heiligen Geistes in ihren Herzen aufmerksam sind. D. 25tn hatten wir das heilige Abendmahl, wobey die Elisabeth, Daniels Frau, als Candidatin zusahe. Sie erklärte sich nachher recht herzgefühlig darüber. D. 27tn war eine besondere Versammlung für die Getauften u. Taufkandidaten, in welcher zwey Weiber unter leztere aufgenommen wurden. Es wurde ihnen auch bekannt gemacht, daß von nun an, die im Winter gewöhnlichen besondern Versamlungen für sie angehen würden. D. 29tn wurde die Schule mit den Kindern wieder angefangen, worüber sie sich sehr freueten. Sie sind in 2 Klassen getheilt: die 9 kleinere hat Bruder Lister, u. die 8 größere Bruder Beck. Man muß sich wundern, daß die Kinder den Sommer über so wenig von dem vergessen, was sie gelernt haben; man darf die Sachen nur einige mal mit ihnen wiederholen, so sind sie ihnen wieder geläuffig.
[293] Sonst ist von dem Monat Nov. anzuführen, daß die Witterung unsern Eskimos zur Erwerbung nicht günstig war, daher einige schon anfingen über Hunger zu klagen. Etwas beßer ging es zu Anfang Dec., da alle Tage auf dem dünnen Eise einige Seehunde gefangen wurden. D. 20ten hatten die Männer zum erstenmal ihre Gesellschaft, u. waren recht vergnügt. Ein gleiches geschahe am 21tn mit den Weibern. Heute wurden unsre 6 Communicanten gesprochen, u. wir konten uns über sie freuen. Das heilige Abendmahl hatten wir am 23tn. Zur Christnacht am 24ten hatten erst die Schulkinder ihre Versammlung, u. sungen ihre Weihnachtsverse recht munter u. gefühlig. Zum Schluß wurde jedem ein Schiffszwieback gereicht, worauf sie recht vergnügt nach Hause gingen. Bald nachher hatten die Getauften u. Candidaten, nemlich 21 erwachsene Personen u. 4 getaufte Kinder ein fröliches Liebesmahl, wozu die Brüder [294] Rose u. Beck mit Violinen spielten, welches den Eskimos allemal eine besondere Freude ist. Zu allen unsern Versammlungen in diesen Festtagen bekannte sich der liebe Heiland mit vieler Gnade. D. 29tn kam die Catharina, die voriges Frühjahr von einem Eskimo unversehens durchs Bein geschossen worden, mit einem todten Töchterlein nieder. Diese Person ist ein besonderes Object unsers Mitleidens; seit dem Frühjahr hat sie auf einer Stelle liegen, u. viel ausstehen müssen. Sie wird täglich von Bruder Lister verbunden, u. von den zerschmetterten Knochen wird noch immer ein Stück nach dem andern herausgenomen.
Zum Schluß des Jahres lasen wir uns unter andern die Memorabilien der Unitaets Aeltesten Conferenz vom Jahr 1785, u. freuten uns über das Wohlergehen der Gemeine, zu der wir auch aus Gnaden gehören. Unser Eskimoisches Gemeinlein besteht zum Schluß des Jahres aus 6 Communicanten, 5 Abendmahls-Candidaten, [295] 2 Getauften, 11 Taufkandidaten u. 4 getauften Kindern, Summa 28 Seelen.
Ins ganze wohnen dermalen 54 Eskimos auf unserm Lande.
D. 6 Jan. 1787 hatten wir eine begnadigte Feyer des Heidenfestes. Früh um 9 Uhr war eine Festversamlung für alle hier wohnende Eskimos, in welcher sie zum Genuß der ihnen durch Jesum erworbenen Seligkeit herzlich eingeladen wurden. Der Schluß wurde mit einem Gebet gemacht. Nachher hatten wir in unsrer Hausgemeine zwey Lectionen Heidennachrichten. Nachmittags gegen 2 Uhr war eine begnadigte Tauf-Handlung, da 3 Erwachsene mit Namen Abel, Tobias u. Susanna zu dieser Gnade gelangten. Nachher hatten die Getauften u. Candidaten ein Liebesmahl; u. bald darauf eine Nachrichten-Lection, da ihnen einige Briefe u. Reden der Grönländischen Helfer übersezt vorgelesen wurden, worüber sie ihr Vergnügen bezeugten. Um 7 Uhr lasen wir [296] für uns das Lied, welches Bruder Joseph voriges Jahr zum Heidenfest gemacht hat, u. zum Schluß des Tages verbanden wir uns in einer besondern Versammlung zu neuer Treue im Dienste unsers lieben Herrn auf dem uns angewiesenen Posten. D. 7tn erzählte uns der eben getaufte Abel, daß er die vergangene Nacht wenig geschlafen habe vor Vergnügen, sein Inwendiges wäre warm gewesen, u. hätte sich wie bewegt vor Vergnügen um Jesu willen. Seine Frau Catharina freuet sich sehr, daß er getauft worden, u. sagte, sie könne sich nun mehr als zuvor auf das heilige Abendmahl freuen. Tobias u. Susanna, so wie auch mehrere Geschwister, bezeugten ebenfalls ihr Wohlseyn über den gestrigen Tag. D. 12tn ließ sich ein Wolf in einem Busche hinter unserm Gottesacker sehen, u. wurde den folgenden Tag in einem Fuchsfalle gefangen. Heute bekamen unsre Eskinos 21 See-Hunde, wodurch der Hungersnoth auf [297] einige Zeit abgeholfen wurde. D. 20ten hatten wir das heilige Abendmahl, wobey Daniel u. Maria zum erstenmal, u. Beata zum leztenmal zusahen. Sie erklärten sich nachher recht gefühlig darüber.
D. 24tn kam unser lieber Bruder Branagin von Hoffenthal hier an. Er hatte unterwegens ein ausserordentliches Stöberwetter ausstehen müssen, dergleichen ihm auf allen seinen Reisen in Labrador noch nicht vorgekommen war. D. 27tn hatten wir durch ein paar Eskimos einen großen Schrecken in unserm Hause. Sie nahmen unsre Flinten herunter, um sie zu betrachten, u. unter diesen war eine mit einer Kugel geladen, die man vergessen hatte wieder herauszunehmen. Diese Flinte ging nun unter den Händen der Eskimos unversehens los, u. die Kugel fuhr durch die Thür ins Vorhaus, wobey es ein Glück war, daß grade niemand da aus- u. einging. Es ist zwar oft den Eskimos ernstlich untersagt worden, unsre Flinten [298] anzurühren; aber sie sind wie die Kinder, die alles, was glänzt, in die Hand nehmen müssen. D. 29ten schenkte der Heiland unsern Geschwistern Rose ein gesundes Söhnlein, welches in der heiligen Taufe den Namen Christian Ludwig bekam. D. 30tn reiste Bruder Branagin nach Hoffenthal wieder zurück.
D. 2 Febr. wurde die Nokosak, Daniels Tochter, unter die Taufkandidaten aufgenommen. Sie bezeugte, daß sie jetzo in Wahrheit Gedanken habe, sich zu Jesu zu wenden, sie sey wol schlecht, glaube aber, der Heiland werde sich über sie erbarmen. Ihre Eltern freueten sich sehr darüber. D. 16tn wurden unsre Communicanten gesprochen. Wir werden gewahr, daß seit der lezten Taufhandlung unter unsern Eskimos eine recht selige Bewegung entstanden ist. Einige von denen, die noch nicht getauft sind, bitten sehr um diese Gnade. Das heilige Abendmahl am 17ten genoß die Beata zum erstenmal mit uns. Sie [299] bezeugte ihre Dankbarkeit mehr mit Thränen als mit Worten, welches bey den Eskimos etwas rares ist. D. 18ten kamen ein paar Familien wieder hieher, die ins Land gereiset waren, um ihr vergrabenes Rennthierfleisch zu holen; aber die Wölfe, Füchse u. Dachse, wovon erstere oft Heerdenweise sich einfanden, hatten nicht nur das meiste verzehrt, sondern sezten auch das Leben der Menschen in Gefahr. Einen Knaben von 8 Jahren hatte ein Wolf schon an den Füssen gepackt, er wurde aber noch glücklich gerettet. D. 19ten hatten wir einen besondern Festtag, da wir uns erinnerten, daß heute vor 11 Jahren unsre Eskimokirche eingeweiht, u. darinn die erste Taufe gehalten worden. Um 10 Uhr war eine Versammlung für die Getauften u. Candidaten, um 4 Uhr hatten die Getauften ein Liebesmahl, u. um 7 Uhr wurde ihnen unter andern ein Brief von Bruder Jens Haven gelesen, worüber sie ihr Vergnügen bezeigten. D. 23tn [300] kam Petrus mit einer Gesellschaft aus dem Lande zurück. Sie hatten viel Hunger u. Kälte ausgestanden. Einmal wurden sie mit ihren Hunden so zugeschneyt, daß sie einander nur an der Stimme erkennen konten. Wegen Mangels an anderm Werkzeug arbeiteten sie sich mit dem Kochkessel durch den Schnee.
D. 27tn erhielten wir nach langer Zeit Nachricht von dem Wohlbefinden unsrer Geschwister in Okkak, daß aber unter den dasigen Eskimos große Hungersnoth sey, weil nur ein Wallfisch in Norden gefangen worden. Die hiesigen hingegen haben doch seit einiger Zeit ihren nothdürftigen Unterhalt gefunden. Vom 12ten bis 15 Merz war Bruder Towl von Okkak hier zum Besuch. D. 17tn hatten wir das heilige Abendmahl. Von unsern Eskimoischen Communicanten fehlte dabey Marcus, der auf Erwerbung verreiset war. Er kam am 18tn hieher, in der Meinung, zum Abendmahl noch zurecht zu kommen, u. war sehr betrübt, daß er sich [301] verrechnet hatte. In den folgenden Tagen hatten wir ein so ausserordentliches Schnee- u. Stöberwetter, daß wir vor unsern Fenstern fleißig schauffeln musten, um nur das nöthige Tageslicht zu erhalten.
In der Marterwoche zu Anfang des April lasen wir die Passionsgeschichte Deutsch u. Eskimoisch. Unter unsern Eskimos waltete in diesen Tagen ein recht seliges Gefühl. Das heilige Abendmahl am Gründonnerstag genoß die Justina zum erstenmal. D. 13tn reiste unser Bruder Hasting zum Besuch nach Hoffenthal. D. 19tn u. 20tn war das Stöberwetter so heftig, daß wir von den Eskimos keinen Besuch in unserm Hause hatten, der sonst nie einen einzigen Tag unterblieben war. D. 22tn hatten unsre Communicanten eine solenne Versamlung, in welcher besonders die zwey Schwestern Beata u. Justina, die seit einem Jahr zum heiligen Abendmahl gelangt sind, an die ihnen widerfahrne Gnade erinnert wurden. D. 25tn kam Bruder Krügelstein von Hoffenthal, u. d. 27tn Bruder Frech [302] von Okkak hier an, um einer ausführlichen Conferenz beyzuwohnen, die hier in Nain über das ganze Missionswerk in Labrador gehalten werden solte. D. 29tn wurde unter einem seligen Gefühl der Nähe Jesu diese Conferenz angefangen. Sie bestand aus den Brüdern Rose, Lister, Beck, Frech u. Krügelstein. D. 2 May fuhren 3 Brüder nebst 4 Eskimos nach Tunulersoak, um Holz zu Brettern zu fällen; und da wir nun von allen 3 Missionsplätzen gegen 40 Hunde beysammen hatten, so konten wir das gefällte Holz bequem nach Hause bringen. D. 7tn zogen die Eskimos aus ihren Winterhäusern heraus. D. 11tn machten wir einen gesegneten Beschluß unsrer zeitherigen Conferenzen. Wir hatten uns in denselben unterredet von der öffentlichen Verkündigung des Evangelii, als dem Hauptzweck unsers Berufs, von der dabey nöthigen Vorsicht in Absicht auf den Gebrauch der noch sehr unvollkommenen [303] Eskimosprache – von den allgemeinen u. besondern Versamlungen – von dem Unterricht der Taufkandidaten, Getauften u. Communicanten – von den Gesellschaften – von den Kinderschulen – von der Zuziehung künftiger Gehülfen aus der Nation – von der Gemeinzucht u. der Behandlung der Ausgeschlossenen – von den Ehen der Eskimos – vom einzelnen Sprechen – von den Missions- u. Haus-Conferenzen – von Eskimoischen Uebersetzungen, u. der Nothwendigkeit verschiedene Stücke aufs neue zu revidiren u. s. w. Auch erzehlten wir einander, wie dermalen der Gang unter unsern Eskimos an jedem Orte beschaffen sey, u. theilten Freude u. Leid mit einander. Zum Schluß genossen wir mit den hiesigen Eskimo-Communicanten das heilige Abendmahl. Leztere hatten sich sehr verlangend darnach erklärt, u. sahen auch recht vergnügt aus. In der folgenden Nacht reiste Bruder Krügelstein nach [304] Hoffenthal ab, u. mit ihm Bruder Lister auf einen Besuch daselbst, u. Geschwister Becks, um ihrer bereits voriges Jahr erhaltenen Bestimmung gemäß dorten zu bleiben. Morgens darauf reiste auch Bruder Frech wieder nach Okkak ab. In dieser Woche waren wir beschäftigt unsre Sägemühle in Gang zu bringen, u. den Teichdamm zu repariren.
D. 15tn u. 16tn lasen wir Berichte von Antigoa, u. wünschten sehnlich, eine solche Gnadenzeit unter hiesiger Nation zu sehen. D. 19tn zogen die lezten Eskimos von hier weg, so daß wir ganz allein waren. Unser sehnlicher Wunsch war, daß sie alle der empfangenen Gnade treu bleiben möchten. Sie sind zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben, u. zuweilen unter Wilden, da es dann nicht an Gelegenheit fehlt auf Abwege zu gerathen. Heute kam unser lieber Bruder Lister glücklich u. wohlbehalten von Hoffenthal wieder zurück. Im Jun. [305] waren die Eskimos nur selten ab u. zu hier. D. 6tn Abends sahen wir von unserm Hause mit Verwunderung zu, wie ein Eskimo mit vieler Geduld u. Gelassenheit anderthalb Stunden lang auf dem Eise, wo schon viel Wasser stand, auf der Seite liegend, hinter einem Seehund kroch, u. alle Bewegungen eines Seehundes nachahmte, womit er ihm dann endlich so nahe kam, daß er ihn mit einem Stich erlegen konte. In Zeit von einer halben Stunde war der Seehund zerlegt, u. die Presente ausgetheilt. Zum heiligen Abendmahl am 9ten fanden sich 5 Eskimo-Geschwister ein. Die Maria sahe dabey als Confirmandin zu. D. 14tn besuchte uns ein Heide Namens Savarok. Da ein Bruder zu ihm sagte: Du hast doch nun schon viel von Jesu gehört, willst du dich dann nicht auch bekehren? antwortete er: Ja, ich habe viel gehört, u. es ist sehr schlecht, daß ich mich noch nicht bekehre; ich habe wol beynahe Gedanken dazu, es ist aber sehr [306] wunderbar, daß ich so anhänglich bin an meine Mitmenschen, welche ungläubig sind. Er versprach dann doch weiter darüber nachzudenken. D. 20tn wurde der Beschluß mit der Arbeit in der Sägemühle gemacht. Es sind doch 200 Stück Bretter geschnitten worden, wozu zur genauen Noth das Wasser hinreichte, weil vorigen Winter wenig Schnee auf den Bergen geblieben war. D. 6 Jul. kam unser Nathanael von seinem Erwerbungsplatz hieher. Er war sehr froh, daß er zum heiligen Abendmahl zurechte kam, welches wir am 7tn genossen, u. mit uns die Maria zum ersten mal. D. 12tn kam eine Gesellschaft Eskimos hier an, unter andern unser armer Erstling Petrus, der durch ein Unglück mit seiner Flinte ein Glied an einem seiner Finger verloren hatte. Er wolte nemlich nach einem Seehund schiessen, u. hatte den Hahn aufgezogen, wurde aber gewahr, daß die Oeffnung im Rohr noch zugestopft war, u. indem er diesem Umstand abhelfen wolte, ging [307] die Flinte los. Er blieb hier in der Cur, war dabey ziemlich zahm, u. ging fleißig in die Versammlungen, konte sich aber gleichwol nicht recht raffen. D. 14tn waren mehrere Geschwister nebst andern Eskimos hier, u. Abends hielten wir mit ihnen eine Singstunde, wobey sich besonders die Kinder mit ihrem lebhaften Gesang auszeichneten. D. 22tn waren 42 Eskimos in der Versammlung. Gegen Ende des Monates standen 13 Zelte auf unserm Lande, u. es war sehr lebhaft bey uns. Unsre Geschwister hielten sich zusammen, u. die Heiden standen in einiger Entfernung von ihnen. Die Versammlungen wurden fleißig, auch von leztern, besucht, so daß die Kirche oft ganz voll war. In der Erwerbung waren die Eskimos glücklich, u. einige haben einen hübschen Vorrath auf den Winter gesammlet. D. 5 Aug. fuhr Petrus, nachdem er von seinem Schaden geheilt worden, wieder von uns ab. D. 7tn war der bekannte Tuglauvina mit seinem großen zweymastigen Boote hier, u. brachte uns Briefe von unsern Geschwistern in Hoffenthal. D. 11tn standen [308] wieder 14 Zelte bey uns, u. die Versammlungen wurden fleißig besucht. D. 12tn nahm Tuglauvina alle Männer zusammen, um sein großes Boot ans Land ziehen zu helfen, welches künftiges Frühjahr reparirt werden soll. D. 13tn reiste dieser Mann weiter. Er hat gegen einige Brüder geäussert, seine Gedanken zur Bekehrung wären sonst nur klein gewesen, jezt aber hätte er große Gedanken; er wolle doch gern seine arme Seele retten lassen, denn er habe viel schlechtes gethan. Es ist deutlich zu merken, daß ihn seine viele Blutschulden u. andre Greuel zuweilen sehr unruhig machen. D. 24tn war Nathanael hier von seinem Erwerbungsplatz, u. erzehlte uns, daß Kagviluk mit seiner Frau bey ihm stünde, um, wie die Eskimos sich ausdrukken, die Gebräuche der Gläubigen zu lernen. An diesem Mann hat Nathanael schon lang gearbeitet, u. wie es scheint, nicht ohne Segen. D. 24 Sept. erhielten wir nach vielem Kummer über das lange Ausbleiben des Schiffes die fröliche Nachricht von der Annäherung desselben, u. am 28tn hatten wir die Freude, unsern lieben Bruder Fraser bey einem Liebesmahl zu bewillkommen. Hiemit empfehlen wir uns dem fernern Andenken u. Gebet der Gemeine.
[309]
I. Lebensläufe: 1) der Witwe Anna Catharina Hayn – 2) des ledigen Bruder Gottfried Reinhold 3) der ledigen Schwester Catharine Krüger 4.) des ledigen Bruder Justus Christoph Garren 5) des Witwer Alexander Magnus 6) der ledigen Schwester Sophie Rosine Bräutigam 7.) des verheirateten Bruder Daniel Mülow 8.) der ledigen Schwester Anna Cheneviere.
II. Von Süd-Amerika.
- 1.) Aus dem diario der Neger-Gemeine in Paramaribo – 1787.
- 2.) – von Sommelsdyk – 1787.
- 3.) Aus dem diario der Brüder im Freyneger-Lande bey Bambay – 87.
- 4.) Aus dem diario des Indianergemeinleins zu Hoop an der Corentyn, vom Jan. bis Jul. 1787.
[310]
1.) Die Witwe Anna Catharina Hayn (in Gnadenfrey) hat folgende Nachricht von sich hinterlassen: „Ich bin geboren Anno. 1717 d. 29 Aug. zu Hirschgrund im Oesterreichischen Schlesien. Anno 1730 entstand eine große Erweckung in Ober-Schlesien, u. ich wurde auch um meine Seligkeit bekümmert. Ich mühete mich viel u. mancherley; es war mir aber nicht klar, daß ich als eine arme Sünderin zum Heiland kommen durfte; daher ich dann meine Zeit in grosser Unruhe meines Herzens verbrachte. Im Febr. 1737 trat ich in die Ehe mit meinem seligen Mann Johann Christoph Hayn, einem Bleicher in Hillersdorf, welcher auch erweckt war. Wir haben 5 Kinder mit einander gehabt, welche alle auf dem hiesigen Gottesacker ruhen. Anno 1740 kam Bruder Stör nach Ober-Schlesien, der auch uns öfters besuchte. Er erzehlte uns viel von der Brüdergemeine, wobey uns sehr wohl war, u. unser Sehnen [311] ging nun auch dahin, bey einem solchen Volk zu wohnen. Wir entdeckten diesen unsern Sinn noch zweyen von unsern Vertrauten, welche Eines Sinnes mit uns waren, noch dasselbe Jahr nach Herrnhut zu gehen. Allein da mein Mann bey der Herrschaft um unsre Loslassung ansuchte, wurde er in Arrest genommen, u. kam nur auf Bürgschaft los. Wie mir dabey zu Muthe war, daß ich nun in Hillersdorf bleiben solte, kan ich nicht beschreiben. Anno 1743 ging ich das erstemal nach Gnadenfrey zum Besuch, wo mir alles groß u. wichtig war, u. ich mir wünschte, da bleiben zu dürfen. Anno 1746 kam Bruder Lieberkühn nach Rösniz, wohin ich zum Besuch ging. Diesen Besuch wiederholte ich das nächste Jahr, jedoch mit vieler Angst u. Bangigkeit, indem unsre Umstände immer härter wurden; wir musten noch zwey Bürgen stellen, u. mein Mann kam wieder in Arrest. Ich klagte meine Noth dem [312] Bruder Lieberkühn, u. er tröstete mich mit den Worten, daß ich mich nur zufrieden geben solle, der liebe Heiland würde mir schon helfen, daß ich mich noch würde freuen können. Den andern Tag ließ er mich rufen, u. sagte mir, daß ich mit den Geschwistern zum heiligen Abendmahl gehen könte; über welche Gnade ich mich mit tiefer Beugung freuete; ich fühlte dabey einen kräftigen Trost vom lieben Heiland in meinem Herzen. Mein Anliegen war nun, ganz Seine zu seyn; nur hieß es immer in meinem Herzen: Wenn du nicht zur Gemeine kommst, so wird nichts ganzes aus dir. Als die Geschwister von Rösniz wieder wegkamen, besuchte ich in Gnadenfrey, wo ich zu meiner Freude wieder die Gnade hatte, mit der Gemeine zum heiligen Abendmahl zu gehen. Da ich nach Hause kam, bat ich den lieben Heiland ohne Aufhören, Weg u. Bahn zu machen, daß wir zur Brüdergemeine kämen. Er erbarmte sich unser, u. [313] half uns durch alles schwere durch, so daß wir im Sept. 1755 nach Gnadenfrey kamen. O wie froh u. dankbar war ich für mein Plätzchen! Ich wurde bald der Gemein-Gnaden theilhaftig. Nun aber nahm mich der liebe Heiland in eine eigene Schule: ich fühlte, daß mir noch was fehlte; da ich aber sehr fromm, u. in keine grobe Sünden gerathen war, so konte ich das Sünderseyn nicht recht verstehen. Einmal wurde mir das Exempel vom Pharisäer u. Zöllner in meinem Herzen so recht lebendig vorgestellt, ich lernte mein Pharisäisches Herz kennen; dazu kam auch noch der Unglaube, u. sonst noch allerley Spuren von meinem Grundverderben, bis ich endlich in einer besondern Gnadenstunde den Heiland als meinen Versöhner kennen lernte, von welcher Zeit an ich meinen seligen Lebensgang eigentlich rechnen kan.
Anno 1768 wurde uns angetragen, nach Dirsdorf zu ziehen, um eine Bleiche [314] anzufangen, u. zugleich wurde uns aufgetragen, uns der erweckten Seelen mit anzunehmen. Ich fühlte mich sehr arm, konte aber gehorsam seyn, u. dem lieben Heiland zutrauen, daß Er mir schenken werde, was ich brauchte. D. 15 Merz 69 wurden wir zur Akoluthie angenommen; es war mir so, dem lieben Heiland Leib u. Leben hinzugeben, wenn Er mich zu etwas brauchen könte. In Dirsdorf habe ich viel Liebe genossen, sowol von der Herrschaft als auch von dem Pastor Struenser u. den dortigen Erweckten, sie haben uns lieb gehabt, u. wir sie. Weil es aber unser beyder kränkliche Umstände nicht länger zuliessen da zu bleiben, so zogen wir d. 28 Nov. 1781, dankbar u. froh über alles genossene Gute, wieder nach Gnadenfrey. (Es ist hierbey mit Dank gegen den lieben Heiland zu bemerken, daß Er ihren beyderseitigen Dienst an manchen Seelen in Dirsdorf hat gesegnet seyn [315] lassen). D. 26 Aug. 1783 ging mein lieber Mann selig in seine ewige Ruhe ein. Ich übergab mich bey dieser Gelegenheit aufs neue mit Leib u. Seele meinem lieben Heiland, der mich auch über diesen Verlust getröstet hat. Am 14 Sept. zog ich in mein liebes Chorhaus ein. Nun muß ich bekennen, daß ich mich immer ärmer u. elender fühle; ich schätze aber die Gnade groß, daß ich, eben so wie ich bin, zu meinem lieben Heiland kommen, u. mir Sein Blut u. Gerechtigkeit zueignen darf. Und so erwarte ich mit Verlangen die frohe Stunde, da Er mich zu sich rufen wird.“ So weit sie selbst. Ihre lezte Krankheit war eine schmerzhafte Wassersucht. Einmal sagte sie: Ach wie bin ich doch so glücklich, daß ich weiß, wie ich mit dem Heiland stehe! Was gäbe ich jezt an bey meinen vielen Schmerzen u. großen Beängstigungen, wenn ich Ihn nicht hätte! [316] Als sie einmal zu einer schweren Stunde gefragt wurde, ob sie mit jemanden tauschen möchte? antwortete sie: „O nein! ich nähme nicht die ganze Welt für diese frohe Hofnung, bald zu meinem lieben Heiland zu kommen.“
D. 23. April 1787 hörte man sie einige Augenblicke vor ihrem Verscheiden sagen: „Nun wirds alle; ich fühle, daß der liebe Heiland kommt“ – und damit entschlief sie ganz sanft, im 70tn Jahr ihres Alters.
2.) Der ledige Bruder Gottfried Reinhold (ebenfalls in Gnadenfrey) hat folgende kurze Nachricht von sich hinterlassen:
„Ich bin d. 30 April 1714 zu Giersdorf im Frankensteinischen Kreise geboren, wo mein Vater ein Bauer war. Meine Eltern sparten keinen Fleiß, ihre Kinder zu allem Guten zu erziehen. Die ersten Züge des lieben Heilands, da Er an mein Herz gekommen ist, kan ich von meinem 10tn Jahre an [317] rechnen. In meinem 17tn Jahr ging ich das erstemal zum heiligen Abendmahl. Weil meine Eltern mir gesagt hatten, ich solte mirs wohl überlegen, was ich thäte; so war ich etwas zitterhaft, es war mir aber doch wohl dabey zu Muthe, u. mein Herz war weich. In meinem 20ten Jahr kam ich nach Töpliwoda, wo ich mit dem seligen Pastor Heller bekannt wurde. Da ich ihm meinen Zustand erzehlte, gab er mir den Rath, ich solte dem Heiland meine Noth klagen, u. Ihm mein Herz ausschütten, gerade so, wie ich es bey ihm gethan hätte. Das that ich, ging in einen Stall, warf mich auf die Knie, u. schüttete mein Herz, so gut ich konte, vor dem Heiland aus, u. mir wurde darauf sehr wohl. Zu der Zeit reiste mein leiblicher Bruder zum Besuch nach Herrnhut, u. erzehlte mir nachher von der großen Sünderliebe des Heilands zu uns armen elenden Menschen. Er fragte mich, ob ich [318] ein wahrer armer Sünder wäre? Ob ich nun gleich in meinem Herzen unruhig war, so verstund ich das doch nicht. Er sagte mir dabey, daß in Peile eben solche Brüder als in Herrnhut wären, die auch Versamlungen hielten; ich solte doch kommen, u. sie mit besuchen, da würde ich es beßer hören, als er mirs sagen könte. Das that ich; und da ich zum erstenmal hieher kam, begegnete mir der selige Bruder v. Seidliz, nahe bey Gnadenfrey, u. da er hörte, daß ich gern in die Versamlungen gehen möchte, erlaubte ers nicht nur, sondern küßte mich auch, u. sagte, daß ich hieher gehörte. In der ersten Versamlung hörte ich das verdienstliche Leiden des Heilands so anpreisen, daß es mir durchs Herz ging. Ich nahm mir vor, hier öfters zu besuchen, u. mich mit den Brüdern bekannt zu machen. Anno 1741 wurde ich mit Gewalt zum Soldaten genommen, u. kam als Grenadier [319] in Jauer zu stehen. Das währte 2 Jahre lang. Ich bat mir öfters Urlaub aus, u. ging hieher in die Versamlungen, zum Segen für mein Herz. Anno 1744 marschirte ich mit nach Böhmen, u. kam mit beym Magazin zu Pardubiz zu stehen, Bey einem feindlichen Ueberfall, als ich eben auf der Wache stand, kam ich in große Angst um mein Leben; denn ich war gleichwol meiner Seligkeit noch nicht recht gewiß. Daher wandte ich mich mit Thränen zum Heiland, Er solte mir doch diesmal glücklich durchhelfen, u. mich wieder zu meinen Brüdern bringen, die mir überall einfielen. Es wurde mir auch so ausgemacht in meinem Herzen, daß es geschehen würde, daß ich mich nachher nicht mehr so fürchtete. Im Dec. desselben Jahres kam ich nach Schlesien zurück, u. in Strigau zu stehen. Ich sagte es meinem Capitain frey heraus, daß ich gern zuweilen meine Brüder in Gnadenfrey besuchen [320] möchte; u. der Heiland neigte sein Herz, daß ers nicht nur gern zuließ, sondern auch dabey allezeit sehr freundlich gegen mich war. Im May 1746 wurde ich in die Gemeine aufgenommen, welcher Tag mir unvergeßlich bleibt. Ich kam von da an in genauere Verbindung mit dem Heilande, besonders auch, da ich im May 1747 mit zum heiligen Abendmahl gelangte. Anno 1756 bekam ich meinen Abschied, u. kam darauf nach Gnadenfrey zum wohnen. Hier wurde mir mein tiefes Grundverderben immer mehr aufgedeckt, ich hielt mich aber mit meiner Noth kindlich zum Heiland, u. wurde von Ihm immer reichlich getröstet.“ So weit sein Aufsatz.
Der selige Bruder war ein begnadigter armer Sünder, der in einem genauen Umgang mit dem Heiland stand. Es war ein wahres Vergnügen, sich mit ihm von dem zu unterhalten, was der Herr an seiner Seele gethan hatte. Er konte nie davon reden, ohne daß ihm die Augen [321] übergingen. Seine selige Herzensstellung äusserte sich besonders lieblich in seiner lezten schmerzhaften Krankheit, welche in einer Wassersucht bestand. Er sagte mehrmalen: Solt ich nun nicht frölich seyn, ich beglücktes Schäfelein, denn nach diesen schönen Tagen werd ich endlich heimgetragen in des Hirten Arm u. Schoos? Amen, ja mein Glück ist groß.
Er entschlief am 2 May 1787 in einem Alter von 73 Jahren.
3.) Die ledige Schwester Catharine Krügerin (in Herrnhut) war von Lettischer Nation, u. ward geboren auf Neuhof in Liefland d. 29 April 1727. Als sie 12 Jahre alt war, kam sie zu der Fräulein Lucia v. Gavel in Dienst, u. hatte da manche Gelegenheit vom Heiland u. seiner Sünderliebe zu hören, wurde auch mit Geschwistern aus der Brüdergemeine bekannt, u. von ihnen als ein Kind der Gnadenwahl ins Auge gefaßt. Ohngefehr in ihrem [322] 18 Jahre wurde sie gründlich erweckt, u. man konte sich über ihren erbaulichen Wandel unter den Schwestern in Liefland herzlich freuen. Von ihren 2 leiblichen Schwestern, die sehr begnadigte Arbeiterinnen unter der Lettischen Nation waren (von denen die bekannte Baba noch am Leben ist) genoß sie auch manchen Segen für ihr Herz. Ihr Verlangen ging nun zur Gemeine; sie kam auch von ihrem Sklavenstande los, u. reiste anno 1744 mit einer großen Gesellschaft nach Herrnhaag. Die selige Gräfin v. Zinzendorf nahm sie in ihre Dienste, u. sorgte für sie wie eine treue Mutter; u. sie wurde wegen ihrer Treue u. Pünktlichkeit in der Arbeit, und weil sie alles mit Munterkeit u. Vergnügen that, von jedermann geliebt. Anno 1745 wurde sie in die Gemeine aufgenomen, u. gelangte 1746 zum heiligen Abendmahl. 1750 reiste sie mit ihrer Herrschaft nach Barby, u. von da hieher nach Herrnhut, [323] wo sie der seligen Frau Gräfin bis zu ihrem Heimgang anno 1756 mit einer recht kindlichen Liebe u. Anhänglichkeit diente. Nach der Zeit gedachte der selige Ordinarius sie im Dienste des Heilandes unter ihrer Nation in Liefland zu brauchen; sie hatte aber keine Freudigkeit, u. hielt sich selbst nicht tüchtig genug dazu, blieb also im Dienst der ihr so werth geschäzten Familie bis anno 1773, da sie in ihr Chorhaus einzog, u. 1775 die Aufsicht bey der Wäscherey übernahm, welches Amt sie über 12 Jahre mit einer Angelegenheit u. Sorgfalt bedient hat, die wenig ihres gleichen haben wird. Sie sahe ihr Geschäfte an als ein Werk, das sie für ihren lieben Herrn that, u. es lag ihr alles daran, Seines Wohlgefallens u. der Zufriedenheit ihrer Schwestern dabey versichert zu seyn. Da sie in ihrer Arbeit überaus geschickt u. verständig war, so nahm sie auch ihren untergebenen Schwestern alles recht genau, belehrte sie [324] aber mit desto unermüdeterm Fleiß u. Treue, u. hatte ein mütterlich gesinntes Herz gegen sie, welches machte, daß sie sich ihre zuweilen etwas verdrießliche Art u. die vielen Erinnerungen doch gern gefallen liessen; um so mehr, da sie zu andrer Zeit wieder sehr liebreich u. aufgeräumt mit ihnen war, u. sie ihr ganzes Herz fühlen ließ. Ueberhaupt war sie unter ihrem Chore als eine liebe u. treue Magd Jesu, die das Siegel Seiner Gnade an ihrer Stirne trug, geliebt u. legitimirt. Sie war von Herzen klein u. arm in sich selbst, u. fand ihre gröste Seligkeit darinn, nur allein von der Gnade ihres lieben Heilandes zu leben. Schon seit verschiedenen Jahren war sie öfters kränklich, u. dachte manchmal darauf, noch hienieden eine kleine Ruhe u. Sabbathszeit zu haben; allein ihre treue, dienstwillige Seele verschob es immer noch, diesem Gedanken [325] ernstlich Platz zu lassen, u. so besorgte sie ihre Geschäfte in Schwachheit von einer Zeit zur andern fort. Dabey äusserte sie oft den Wunsch, einmal geschwind zu ihrem lieben Herrn heimzufliegen. Am 28 April 1787 beym Beschluß einer sehr arbeitsamen Woche wurde sie mit starkem Frost u. Seitenstechen befallen, u. d. 29tn als an ihrem Geburtstage bezog sie die Krankenstube. Die Krankheit stieg von Tag zu Tage, doch dachte noch niemand, u. sie selbst auch nicht, an ihr so nahes Ende. Aber am 4 May früh fand sich ein Steckfluß ein, u. bald nach dem Festmorgensegen ihres Chores hatte sie das Glück, zu ihrem lieben Herrn heimberufen zu werden, u. in das ewige Freudenfest Seiner Versöhnung, als eine in Jesu Blut rein gewaschene jungfräuliche Seele, einzugehen. Es waltete bey diesem Heimgange ein hinnehmendes [326] u. Herzzerschmelzendes Gefühl der nahen Gegenwart unsers lieben Herrn, welches einen lieblichen Einfluß auf unsre diesmalige Festfeyer hatte. Die selige Schwester war 60 Jahr alt.
4.) Der ledige Bruder Justus Christoph Garven
(in Niesky) war der älteste Sohn
in einer ziemlich zahlreichen Familie,
u. wurde d. 23 Oct. 1759 zu Jeinsen,
nicht weit von Hannover, geboren,
wo sein Vater noch in einer Königlich
Churfürstlichen Bedienung steht. Seine Eltern,
die seit vielen Jahren mit der
Brüdergemeine in Bekanntschaft gekommen
waren, wünschten nichts so sehr,
als alle ihre Kinder für den lieben Heiland
zu erziehen. In dieser Absicht luden
sie im Jahr 1766 den Bruder Daniel Köhler
(welcher gegenwärtig im Dienste des
Herrn in der Wachau steht) zu sich
ein, um sich des Unterrichts u. der
Erziehung ihrer Söhne besonders anzunehmen.
[327] Dieser hatte zu diesem Geschäfte
ein vorzügliches Talent, wovon er an
dem Seligen, welcher viele Fähigkeit u.
Fleiß zum lernen besaß, frühe Früchte
zu sehen die Freude hatte. Mit demselben
schickten seine Eltern ihn im
9ten Jahre seines Alters nebst ihren 3
andern Söhnen zur Gemeine nach Zeist
in die damals dort befindliche Knäbchen-Anstalt,
in welcher er von 1768 bis
1773 blieb. Er erlernte darauf die Goldschmidtsprofession,
ebenfalls in Zeist.
Seinem Herzensgange nach war er, nach
dem Zeugnis seines damaligen Chorhelfers,
in einem erfreulichen Gange.
Sein tiefes Grundverderben lernte er
zwar schmerzlich kennen, er war aber
damit offenherzig, u. ließ sich zum
Seelenarzt hinweisen, der sich auch seiner
Seele herzlich annahm. Er gelangte
in seinen Knabenjahren zu den Gemein-Gnaden,
u. wurde bald, nachdem
er ins Brüderchor aufgenommen worden
[328] war, in seiner Profession als Meister
angestellt. Dieses Geschäfte hat er, aller
für ihn damit verbundenen Schwierigkeiten
ungeachtet, mit großer Treue u.
Angelegenheit bis in den Merz 17787
bedient. Obgleich seine natürliche Blödigkeit
verursachte, daß er sich am
liebsten ganz eingezogen hielt, so genoß
er doch dabey die Achtung u. Liebe
seiner Brüder auf eine ausgezeichnete
Weise, u. war denen, die mit ihm in
nähere Bekanntschaft kamen, durch sein
liebreiches u. offenes Wesen jederzeit
zum wahren Segen. Denn seine Worte
u. Handlungen zeugten von der wahren
u. innigen Verbindung, in welcher er
schon seit seinen frühern Jahren mit
seinem lieben Heiland stand. Nichts war ihm –
wie er sich oft selbst äusserte – schmerzlicher,
als wenn er fand, daß er seinem
Herrn u. Heiland noch mehr hätte
zur Ehre leben, u. bey der Unterstüzung
u. Gnade, die er täglich von Ihm genösse,
[329] auch in vorkommenden Schwierigkeiten,
die sein nachdenkliches Gemüth
bisweilen zu sehr bekümmerten, sich dankbarer
u. kindlicher an Ihn halten, u.
auf Ihn verlassen können. Bey diesem
Gefühl seiner Armuth aber hatte er
den vesten Sinn, seinem Herrn u. Heiland,
dem er sich mit Leib u. Seele ergeben,
u. dessen Liebe er schon auf so vielfältige
Weise erfahren hatte, nach allem
Vermögen zu dienen. Er nahm daher
den Ruf, welchen er zu Ende Merz
1787 erhielt, das Mithelferamt bey den
ledigen Brüdern, Knaben u. Kindern in
Niesky zu besorgen, u. leztern auch
mit Information zu dienen, aus der
Hand des Herrn mit demüthiger Ergebenheit
u. kindlichem Vertrauen auf
Seinen Beystand an; u. wir hatten
am 8 Jun. die Freude, ihn in unsrer
Mitte zu sehen, u. in herzlicher Liebe
zu bewillkommen. Er besorgte hier seine
[330] Geschäfte mit treuester Angelegenheit,
u. ließ sich angelegen seyn, in dem,
was zur Ehre des Herrn gereichte, nichts
zu verabsäumen. Sein liebreiches,
sanftes, theilnehmendes Wesen erwarb
ihm gar bald das Zutrauen u. die
Liebe seiner Pflegebefohlnen, wofür er
seine Dankbarkeit gegen den Heiland oft
bezeugte. Weil er ein im Blute Jesu
versöhntes u. von Seiner Liebe durchdrungenes
Herz hatte, so hatte er auch
die Gnade, in wahrer Herzens-Demuth
u. Niedrigkeit einherzugehen. Ueber
sein Amt erklärte er sich mehrmalen
dahin, daß er viel Unvermögen bey
sich finde, und daß allein die Huld des
Heilands ihm Trost u. Freudigkeit dazu
verleihe. Am 15 Sept. sahe er sich genöthigt,
nachdem er schon ein paar Tage
zuvor sehr über Schwäche geklagt hatte,
die Krankenstube im Paedagogio, wo
er seine Wohnung hatte, zu beziehen,
u. es zeigte sich bald, daß er mit der
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Anmerkungen
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: consuliren
- ↑ Vorlage: Sündergehimnis
- ↑ Vorlage: verabscheidete
- ↑ Fisch (lat. Scorpius marinus)
- ↑ erster Theologe innerhalb der Brüdergemeine, hier Zinzendorf (seit 1744)
- ↑ Amt für die Betreuung der äußerlichen Angelegenheiten der Gemeine (Wirtschaft, Beziehungen zur Obrigkeit und Ordnung in den Gemeinen); Mitglieder waren Gehilfen der Bischöfe