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Gemein-Nachrichten 1765,2

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Titel: Gemein-Nachrichten 1765,2
Untertitel: erschienen in der Reihe: Gemein-Nachrichten der Herrnhuter Brüdergemeine
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Herausgeber: Herrnhuter Brüdergemeine
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Erscheinungsdatum: 1765
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Erscheinungsort: Herrnhut
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[1]
Der
Gemein-Nachrichten
1765.
XXVIIste Woche.


I.
Am 4tn Sonntag post Trinitatis d. 30tn Jun.

war zur gewöhnlichen Zeit die Amts-Communion und Communion-Liturgie.

In der Gemein-Versammlung Abends um 7 Uhr hielt Bruder Joseph eine gesalbte Rede über die heutige Loosung: Tretet doch her zu mir; und sie traten herzu.

Vom Choro wurde vorher die unsern Gemeinen vom Synodo her noch besonders eindrückliche Loosung vom 29tn Aug. vorigen Jahres: Ich bin Joseph euer Bruder p. musicalisch abgesungen.

Um 9 Uhr war die Liturgie [2] mit dem Te Abba[WS 1], und zum Schluß derselben traten Geschwister Melchior Tills u. die Schwester Krügelsteinin als Gemein-Jünger von Herrnhuth ein.

☽ d. 1tn Julii

war eine Conferenz über die Besetzung von Neusalze. Es wurden verschiedene Ehe-Paare dahin ausgemacht u. unser lieber Bruder Lieberkühn vom Heyland zum dasigen Ordinario ernannt.

Bruder Gneuß, der in diesen Tagen aus Schlesien retournirte, hat den Bruder Klose von Gnadenbergel, der vor die Zeit sich der ledigen Brüder daselbst annehmen wird, mit noch 6 ledigen Brüdern hinbegleitet u. die Chormäßige Einrichtung der dasigen 14 ledigen Brüder in einem der neu erbauten Häuser veranstaltet.

Aus Liefland bekamen wir Nachricht, daß unser lieber Bruder v. Stackelberg mit der Schwester Helena v. Vittinghof getraut worden.

♂ d. 2tn Jul.
als am Feste Mariae Heimsuchung

war Gemein-Tag, zu deßen Anfang um 8 Uhr die Gemein-Litaney gebetet u. in derselben die [3] vorige Woche getrauten 2 Paare Johann Christian Quandts u. Johann Joachim Wiers namentlich eingeschlossen wurden.

Bald darauf versammlete sich die Gemeine zum ersten Theil der Lection. Zuerst wurde gesungen: Der Geist der Zeugen ruht auf den Gemeinen p. Gnade u. Kräfte gibt Er ohne Maaße p. Darauf verlas Bruder Johannes:

1.) einen Brief des Bruder Daniels aus Petersburg vom 3tn Jun. 1765. ans Directorium:

Wir hoffen, daß unser leztes Schreiben aus Lübeck vom 3tn May richtig wird angekommen seyn. Der liebe Heyland hat uns so gnädig u. glücklich geleitet, daß wir nicht völlig 8 Tage auf der See zugebracht haben, u, gegenwärtig haben wir das Vergnügen, euch aufs zärtlichste aus Petersburg in Jesu lieber Nähe zu grüßen u. zu küßen. Er, unser bester u. liebster Freund, der ins Herze sehen kan, weiß, was unser Wunsch u. Verlangen war, da wir in diesem Lande ankamen. In Lübeck mußten wir 14 Tage [4] wegen des Windes warten, u. nachdem wir etliche Tage in Travemünde zugebracht, wurden wir ans Schiff gerufen. Der Wind änderte sich aber sogleich u. wurde uns contrair, so daß wir allda noch 9 Tage liegen mußten. D. 20tn May gegen Abend wurde der Wind gut, u. des andern Tages Morgens um 3 Uhr gingen wir unter Segel. Der Wind war bald gelind, bald stark, bis wir d. 29tn auf der Rhede von Cronstadt vor Anker kamen. Wir waren von Herzen froh u. unserm lieben HErrn dankbar, weil eine lange See-Reise durch 52 Passagiers auf einem nicht gar zu großen Schiffe sehr beschwerlich worden wäre. 34 von ihnen waren Colonisten, alle aus Frankreich u. verstunden kein deutsch. Nachdem wir des Zolles wegen fast 3 ganze Tage nicht vom Schiffe gehen dürfen, so kamen wir in der Nacht zwischen d. 31tn May u. 1tn Jun. in des Bruder Koehlers Hause bey unsern lieben Geschwistern Friessens u. Westmann gesund und wohlbehalten an. Sie nahmen uns in vieler Liebe auf, u. den [5] folgenden Tag wurden wir in das vor uns von ihnen schon bestellte Logis bey Geschwister Ferbers gebracht. Wir fingen gleich mit vielem Vergnügen unsere Morgen- u. Abend-Liturgien an, u. der liebe Heyland bekannte sich eben so dazu, als wir es bey Lübeck u. Travemünde in den Gebüschen u. auf den Feldern schon genossen hatten. Nachdem wir ein wenig ausgeruhet hatten, so übergab uns Bruder Fries die vom Directorio für uns abgefaßte u. versprochene Instruction. Nachdem ich selbige etlichemal mit Attention u. Vergnügen durchgelesen, so kamen auf unser Verlangen die Brüder Fries u. Westmann auch zu uns, um mit uns gemeinschaftlich diese nach unser aller Herzen aufgesezten Puncte vorlesen zu hören. Wir hielten bey dieser Gelegenheit über verschiedene Sachen, die uns anlagen, eine ausführliche Conferenz, in welcher auch ausgemacht wurde, daß wir Morgen als am 4tn Jun. ins Allerheiligste gehen wolten, um mit Jesu theurem Leichnam u. Blute u. zwar zum erstenmal in diesem [6] Lande, sacramentlich gespeist u. getränkt zu werden. Wir freuen uns alle darauf, weil es uns lange deucht, daß wir kein AbendMahl gehabt haben.

Wie lang oder kurz die Zeit unsers Aufenthalts hier währen möchte, wißen wir noch nicht. Es scheint aber doch vor die Zeit so, daß es nicht gar zu lange werden würde. Wir alle, Mann vor Mann, grüßen insgesammt mit vieler Zärtlichkeit alles, ja alles. Unser lieber HErr wird Sein Herze ferner mit uns seyn laßen; denn wir sind ja Seine Leute, die auf Ihn sehen.

2.) Die Instruction der Astracaner Brüder, vom Directorio:
Allerliebsten Brüder,

Wir haben bey eurer Abfertigung versprochen, euch noch eine Instruction nachzusenden, u. da wollen wir euch hiedurch in Jesu Nähe aufs zärtlichste küßen u. euch folgende Puncte melden:

1.) Ihr seyd vom Heyland dazu gesandt, daß ihr die 2te Gemeine, die Er von der erneuerten Brüder-Kirche [7] in Asien pflanzen will, anfangen sollt. Die Gegend, die Er uns dazu angewiesen, ist im Königreich Astracan, zwischen der Hauptstadt des Landes u. Czarizin, u. zwar näher nach dem lezteren Orte zu. Ihr habt unser Herz bey der Abreise gefühlt. Unser Gebet u. Segen wird euch auf eurer Reise begleiten, u. wenn ihr an Ort u. Stelle seyd u. einen Platz zum Etablissement auszusuchen habt, auf euch ruhen bleiben.

2.) Von dem, was noch vor eurer Abreise von St. Petersburg zu thun ist, hat unser Bruder Fries, der als Agent der Brüder-Unitaet dahin abgegangen ist, eine ausführliche Instruction, u. wir finden nicht nöthig, etwas davon hier zu wiederholen. Der Heyland gebiete ihm, daß er glücklich sey u. alles fein bald zu stande komme, damit ihr euch daselbst nicht zu lange aufhalten dürfet, sondern beyzeiten auf euren bestimmten Platz kommet. Wandelt indeß, so lang ihr in Petersburg seyd, würdiglich dem Evangelio, daß ihr daselbst u. an den Orten, wo [8] ihr durchreiset, ein guter Geruch werdet; denn man wird gar sehr auf euch sehen.

3.) Haltet euch auf eurer Reise als eine geschloßene Gesellschaft zusammen; u. wenn sich dazu Zeit u. Gelegenheit findet, so unterlaßt nicht, eine Liturgie oder andere schickliche Versammlungen zu halten. Es wird gut seyn, wenn die Menschen, die euch sehen, den Eindruck von euch krigen, daß die Brüder ein devotes Volk sind, das seinen Heyland lieb hat.

4.) Wenn ihr in die Gegend kommt, wo ihr euch niederlaßen sollt; so wünschen wir, daß die Aussuchung des Platzes zum Etablissement so viel möglich von euch allen geschehe u. ihr wenigstens alle zugegen seyd, wenn der Ort determinirt wird.

5.) Habt ihr das Plätzgen gefunden, wo der Heyland den künftigen Gemein-Ort haben will; so ist wol das erste, daß ihr sorget, daß ihr unter Dach kommet: leget aber alles gleich so an, daß aufs künftige nichts verschnitten wird, [9] sondern schon zum voraus alles gehörig bedacht werde.

6.) Ihr unter einander richtet euch gleich Gemeinmäßig ein, so klein auch eure Anzahl ist. Weyhet dem Heyland euren Platz mit Gebet u. Thränen, u. bittet Ihn, daß Er in eurer Mitte, so wie Er in Seiner Gemeine gewohnt ist, wandele u. euch alle Tage besuche, segne u. salbe. Fanget auch gleich eure Haus-Liturgie u. Versammlungen, Morgen- u. Abendsegen an, u. laßet das Wort Gottes reichlich unter euch wohnen.

7.) Vor allen Dingen laße sich ein jeder anliegen, daß er im Special-Umgang mit dem Heyland im rechten Gange sey u. bleibe, u. nie eine Fremdigkeit zwischen Seinem u. eurem Herzen werde. Wir rathen euch daher, daß ihr zu dem Ende bald das Stunden-Gebet einrichtet u. ein jeder Bruder alle Tage eine Stunde dazu aussetze, über sein Herz, eure Colonie u. die ganze Kirche Jesu mit dem Heyland auszureden. Er schütte Seinen Geist u. Feuer auf dieses kleine Chor, u. salbe euch zu Seinen Priestern.

[10] 8.) Wir können euch nicht verhalten, daß ihr in ein Land kommt, wo der Fürst der Finsterniß noch große Gewalt hat u. er nicht so gebunden ist als anderwärts. Auf solchen Posten müßen sich die Diener Jesu gar nahe zu ihrem HErrn halten, sich unter einander veste zusammen schließen u. nicht aus ihrer Vestung weichen; sonst sind sie in Gefahr u. können in unselige Umstände gerathen.

9.) Wir bitten dahero unsern lieben HErrn angelegentlich, daß Er euch in wahrer Liebe, Einigkeit u. Herz-Vertraulichkeit nach Seinem Gebet Joh. XVII. zusammen erhalte, u. keine Trennung der Geister unter euch vorkomme. Vergebt einander balde, u. laßt nichts alt werden, u. redet fleißig mit einander aus.

10.) Besonders thut solches vor einem jeden AbendMahl. Der Heyland wird euch sodann eben das dabey genießen laßen, was wir in der Gemeine in dem Sacrament so seliglich erfahren.

11.) Wenn ihr Conferenz habt; so sey ein jeder mit der gehörigen [11] Awe u. Gegenwärtigkeit des Gemüths vor dem Angesichte Jesu dabey, damit Er sich zu euch neige u. euch nach Seinem Herzen rathe.

12.) Die Wochen u. Nachrichten leset fleißig mit einander. Ihr werdet von diesem Jahre an dieselben ordentlich bekommen. Seyd auch in der Ferne darauf attent, was der Geist den Gemeinen saget, auf daß ihr mit der Gemeine in allerley Gnade u. Erkenntniß fortwachset u. nicht etwa zurückbleibet. Wir empfehlen euch auch noch besonders die Lection der Reden des seligen Jüngers[WS 2], in denen unsere Gemeinen eine so selige Weide finden.

13.) In den dortigen Landen hat in specie der Geist der Unreinigkeit gar eine große Macht, u. die fleischlichen Sünden sind eine allgemeine Seuche. Daher habt ihr über die heiligen Chor-Principia zu halten u. euch insonderheit vor dem weiblichen Geschlechte in Acht zu nehmen, damit nicht etwa jemand durch Betrug der Sünde falle u. den Heyland, sich u. uns betrübe. Bewahret eure Seelen keusch u. [12] eure Leiber als Christi Glieder u. Tempel des heiligen Geistes. Er hat euch ja dahin gestellt, Er siegle euch der Sünde nu u. aller Noth der Erden zu.

14.) Den Bruder Daniel hat der Heyland zum Interims-Oeconomo der neuen Colonie in Astracan ernannt. Er wird sich also des Ganzen im innern u. äußern annehmen. Zugleich ist er auch der Chor-Pfleger der ledigen Brüder, an den sich die andren Brüder in Herzens- u. Banden-Sachen halten. Er besorgt die Liturgien, Versammlungen u. das heilige Sacrament.

15.) Wir haben unserm lieben HErrn herzlich gedankt, daß Er uns den Bruder Westmann dazu geschenkt hat, daß er euch begleite u. eure erste Einrichtung besorgen helfe. Er ist mit Colonie-Sachen u. Anlegung neuer Etablissemens bekannt u. wird euch mit Rath u. That assistiren können. So lange er bey euch ist, wird er das Amt eines Vorstehers besorgen, u. wenn er den ihm beschiedenen Theil gethan hat, wieder zu uns kommen u. von allen Umständen mündliche Nachricht bringen. Bis dahin wird es wol mit der Versendung von mehreren [13] Geschwistern Anstand haben.

16.) Wegen eurer äußern Einrichtung sind wir noch nicht im Stande euch viel Instructiones zu geben, weil uns die Umstände des dortigen Landes zu wenig bekannt sind. Der Heyland wolle euch auch darinne mit Seinen Augen leiten. In den Conferenzen, die wir mit Bruder Fries u. Westmann u. nachher mit Bruder Daniel gehalten, ist alles das enthalten, was wir euch vor die Zeit sagen können.

17.) So wie es bey dem Anfang aller unsrer Colonien bisher gewesen ist, so wird auch eure Oeconomie zuerst eine gemeinschaftliche Haushaltung seyn, von der alle Brüder mit dem nothdürftigen besorgt werden, da auch das, was ein jeder verdient, der Commun gehört. Ihr seyd auch in der Idee von uns abgefertiget worden, u. der Heyland wird es euch zum Segen anschreiben, wenn ihr auch im äußern alle Treue beweiset u. ein jeder seine Arbeit als dem HErrn Christo thut u. keiner sein Privat-Interesse sucht, sondern jeglichem das Beste des Ganzen [14] am Herzen liegt. Unterlaßet auch nicht, mit einander Haus-Conferenzen zu halten.

18.) Richtet gleich von Anfang, ja von Petersburg aus, eure Haushaltung aufs menagirlichste ein, u. suchet alle unnöthige Ausgaben zu ersparen; wenn euch auch von der Kayserin alles, was ihr nur verlanget, vorgeschoßen werden solte, so müßt ihr doch um deswillen, daß ihrs haben könnt, keinen Rubel oder Copecken mehr ausgeben u. auf das Conto Schulden machen. Denn es kommt doch einmal die Zeit, da es von euch oder der Gemeine wieder bezahlt werden muß, u. es läuft alles auf Rechnung der Colonie. Eine unbesonnene Oeconomie der ersten Anfänger der Colonie macht es den Nachkommenden schwer, bringt deren Seufzer auf sie u. ruinirt den Segen u. Gnade, der sonst auf ihnen ruhen würde.

19.) Wenn ihr an eurem Orte seyd, so sehet euch die Umstände des Landes recht an, was da vor Professiones u. andere Nahrungs-Mittel gehen; hütet euch vor unzeitigen, weit [15] aussehenden u. halb unmöglichen Projecten, die Zeit u. Unkosten erfordern, u. da am Ende doch nichts heraus kommt als Schaden. Es werden wol allerley Praesentationes kommen; überlegt ja alles gut, ehe ihr in etwas entrirt. Hütet euch insonderheit, in eine Handlungs-Compagnie mit jemand ausser euch zu treten.

20.) In dem Commercio u. allem Handel u. Wandel, beweiset euch als die Diener Gottes. Richtet euch aufs pünctlichste nach den Landes-Gesetzen, u. vermeidet allen bösen Schein, als ob Unrichtigkeiten unter euch vorkommen könten. So muß von euch z. E. kein Contraband-Handel oder verbotene Waaren, oder Vervortheilung der Accise oder Zölle je gehöret werden. Ein Bruder, der dergleichen thut, versündiget sich so wol an seinem HErrn, der uns befohlen hat, der Obrigkeit unterthan zu seyn, als auch an seinem Volke, der Gemeine, der er dadurch eine Schmach zuzieht u. sie um ihren guten Namen bringt.

21.) Weil in Rußland der Mißbrauch des starken Getränkes eine [16] fast allgemeine Gewohnheit ist, so wollen wir euch davor aufs allerernstlichste warnen u. euch bitten, darinnen auf euch selbst u. auf einander Acht zu haben. Wie manches gutes Gemüth ist dadurch an Leib u. Seele ruinirt u. in die größten Sünden gebracht worden. Erwehlet unter euch einen Bruder, der darinnen exemplarisch ist, daß er den Wein, Brandtewein p. in eurem Hause unter seiner Hand habe u. das nöthige ausgebe.

22.) Gegen alle obrigkeitliche Personen bezeiget euch ehrerbietig u. zutraulich; laßt euch aber ja nicht in zu große Familiaritaet ein: denn dadurch kan man, ehe man sichs versieht, in Sachen gezogen werden, da man nicht mehr zurück kan, ohne Feindschaft zu erregen.

23.) Das merket euch auch insonderheit, wenn euch ein Kayserlicher Commissarius mitgegeben werden solte.

24.) Solte euch von der Miliz eine Begleitung zugeordnet werden, so wol auf der Reise, als in der neuen Colonie; so behandelt [17] sie liebreich; sucht sie durch Wohlthun zwar zu gewinnen, aber so, daß auch daraus kein Mißbrauch entstehe u. sie, wenn ihr zu weit gegangen u. nicht in der Maaße continuiren könnt, grob u. wild werden u. es erzwingen wollen. Da wir auch Exempel haben, daß mancher Bruder aus guter Meynung sich mit solchen Leuten zu nahe eingelaßen u. sich schwere Umstände dadurch zugezogen hat; so merkts euch zur Regel, sich nicht zu familiair mit ihnen zu machen.

25.) Die deutschen u. andern protestantischen Ausländer werden euch wol als Landsleute u. auch wol als Religions-Verwandte ansehen, u. wie es in dergleichen fernen Gegenden Gewohnheit ist, eure Bekanntschaft und Freundschaft suchen; u. wir sind nicht ohne Hofnung, daß euch der Heyland an manchen unter ihnen zum Segen setzen wird. Es sind aber ordinair dergleichen Leute, sonderlich wenn sie sich schon länger in solchen Ländern aufgehalten haben, sehr verdorben u. nach dem Genio des Landes formirt. Darauf müßt ihr attent seyn, daß sich [18] nichts dergleichen in euch flechte. Ist ihnen mit dem Evangelio gedient, so könnt ihr ihnen den Tod des HErrn verkündigen u. euch ihrer annehmen, aber vorerst doch nicht anders, als auf Diaspora-Fuß; u. es muß euch nicht einfallen, sie in die Gemeine aufzunehmen oder zum AbendMahl zu admittiren.

26.) Krigt ihr Gelegenheit, mit den neuen Colonisten in Saratow umzugehen u. in Bekanntschaft zu kommen, so beweiset ihnen alle Liebe u. Freundschaft u. suchet ihr Bestes zu befördern. Unsern lieben Jannet sehet als euren Bruder an, tröstet u. unterstützet ihn in seinem Amte mit eurem Gebet u. guten Rath. Er muß sich zwar hüten, daß er nichts thue, was seinem Amt u. Character nicht gemäß ist; es ist aber doch eine große Differenz zwischen dem, was ein Prediger, der unter einem Consistorio in Deutschland stehet u. eingeschränkt ist, u. zwischen dem, was ein Prediger auf so einem Posten thun kan.

27.) Was wir euch wegen Bruder Rentels, desgleichen wegen der Brüder Brandt [19] u. Busch zu sagen gehabt, haben wir mit Bruder Daniel abgeredet. Mit ersterem gehet mit Liebe u. Respect um. Er wird willig seyn, euch zu dienen, u. ihr werdet seinen Rath vermuthlich in manchen Dingen brauchen können, weil er mit den dortigen Umständen bekannt ist. In sein äußerliches Negotium laßet euch aber nicht ein, führet mit ihm richtige Rechnung über alles, was ihr von ihm bekommt. Bruder Brandt ist euer Agent in Astracan, an den ihr euch addressiret, wenn ihr daselbst was zu thun habt. Mit Bruder Busch bleibet ihr in herzlicher Connexion u. Correspondenz u. betet für ihn, daß ihn der Heyland in Astracan segne. Wenn er aber nicht solte daselbst gebraucht werden, so kommt er zu euch.

28.) In Ansehung der Rußischen Nation ist unser Wunsch, daß ihr euch so wol auf eurer Reise, als dem Orte eures künftigen Aufenthalts so betragen möget, daß ihr in jedermanns Gewißen, der mit euch aus dieser Kirche bekannt wird, das Zeugniß habt, daß [20] ihr Leute des Heylands u. ein eigenes Volk Gottes seyd. Den Grund der Hofnung, die in euch ist, könnt ihr, wenn ihr von jemand drum befragt werdet, darlegen u. Gottes Menschwerdung, Marter u. Tod bekennen. Aber hütet euch aufs sorgfältigste, euch mit Rußen in Dispute über Religions-Sachen einzulaßen u. das geringste gegen ihre Principia, Kirchen-Verfaßung u. geistliche Personen zu reden. Ihr habt keine Notiz davon zu nehmen, wenn sich leztere in ihrem Wandel auch noch so schlecht aufführen. Wir ehren die Rußische Kirche als eine alte Kirche u. beten vor sie, daß der heilige Geist auch in derselben sich kräftig beweisen u. viel tausend Herzen durch Jesu Blut selig machen möge. Was der Heyland in künftigen Zeiten an derselben thun will, u. ob ihr nicht eine eigene Gnaden-Heimsuchung bevorsteht, das überlaßen wir Ihm; uns liegts nur an, daß wir Ihm mit Wort u. That nichts verderben mögen. Es ist in der Rußischen Kirche die Grundlage gut, u. zu der simplen Geschichte von Gottes Zukunft ins Fleisch, Wunden u. Tod, [21] sagt auch ein rechtschaffenes Rußisches Herz Ja u. Amen.

29.) Ihr trefft auch in der Gegend, wo euch der Heyland hinstellt, ganze Nationen Heyden u. Mahomedaner an. Was ihr nun unter denen thun sollt, darüber können wir euch noch vor die Zeit keine special-Instruction geben. Unser Beruf ist, das Evangelium unter die Nationen der Erden zu bringen, besonders wo Christus noch nicht bekannt ist. Es kommt dabey auf unsern lieben HErrn an, wenn Er Seine Stunde vor eine Nation will schlagen laßen. Geht ihr indeß mit einem nach dem Heyl ihrer Seelen hungrigen Herzen hin, u. wenn ihr Heyden u. Mahomedaner sehet, so betet, weinet u. denket über sie. Ihr werdet wol so bald mit ihnen nicht reden können. Empfehlet sie indeß dem treuen Herzen Jesu, habt sie lieb u. behandelt sie auch äußerlich liebreich. Laßt euch aber nicht mit Presenten an sie auf so eine Weise ein, die ihr nicht continuiren könnet. Man kan aus guter Meynung es in dergleichen Sachen im Anfang verderben, [22] daß man hintennach Kummer u. Noth hat, wieder einzulenken. Da eure Anzahl noch so klein ist, könnt ihr jetzo noch nicht auf Missiones in die Tartarey, nach Persien p. antragen; ihr seyd zum Anfang der Colonie geschickt: aber seyd indeß auf alle Notizen, die euch von den benachbarten Ländereyen in die Hände kommen, aufmerksam u. in specie darauf attent, was ihr vor Spuren von den Friedens-Gedanken des Herzens Jesu über die dortigen Nationen merket.

30.) Wenn ihr Rußen oder Tartarn in eure Dienste zu dem u. jenem Geschäfte nehmet; so behandelt sie so, daß sie, wenn sie wieder von euch wegkommen, eine gute Impression behalten. Ihr müßt euch aber auch wohl vorsehen, daß ihr ihnen nicht zu viel trauet u. sie euch, wies der gewöhnliche Gang unter ihnen ist, betrügen.

31.) Eure Diaria u. Briefe ans Directorium u. die andern Unitaets-Collegia schicket offen an Bruder Fries in Petersburg zu deßen weiterer Besorgung, u. daß er sie auch lese. [23] Es ist nöthig, daß er als unser u. euer Agent von allen gehörige Notiz habe; special- u. Banden-Briefe könnt ihr versiegelt durch ihn an uns schicken.

Nun, lieben Brüder, das ists, was uns euch noch zu melden eingefallen ist. Wäret ihr schon eine Zeitlang dort gewesen und hättet uns von dem dasigen Statu u. eurer Einrichtung Nachricht gegeben; so würden wir uns über manches näher erklären können, als jetzo möglich ist. Der liebe Heyland sey mit euch und segne euch; der liebe Vater im Himmel bewahre u. beschütze euch unter den wilden u. räuberischen Nationen; der heilige Geist leite u. pflege euch; die Gemeine betet für euch, und wir bleiben

Eure treue Brüder
Herrnhuth
d. 9tn May
1765.
Johannes Frr. Ep. Joseph Frr. Ep.

Ges. Halte uns in Einem Bande u. laß keines Dir zur Schande seyn in einem fremden Lande p. Daß der Feind den Zeugen-Cronen unter denen Nationen, wo die Brüder drunter wohnen, gar nichts angewinnen mag.

[24] 3.) wurden die in der 25tn Woche befindlichen Briefe der Brüder Dehne, Thomas Jones u. Rudolph Stoll gelesen u. ihnen gesungen: Tragt, o ihr Creuzes-Beuten, durch aller Erden Breiten das Wort von Jesu Todes-Gang.

In der 2ten Versammlung zur Lection wurde zuerst gesungen: Lobet den HErrn alle Heyden, u. preiset Ihn alle Völker!

Sodann communicirte Bruder Johannes:

4.) Das kürzlich eingelaufene Diarium von Saron von den 3 lezten Monaten des vorigen Jahres, nebst einem Briefe des Bruder Grimms, welcher den Beylagen inserirt werden wird. Gott Lob u. Dank! fuhr Johannes fort, daß wir nach so vielen Schmerzen, die wir über Suriname u. die dortige Heyden-Sache gehabt, nun wieder so erfreuliche Nachrichten daher erhalten. Unter dem Indianer-Gemeinlein in Saron waltet wirkliche Gnade, u. wir erwarten daß der Heyland auch das Zeugniß der 2 Brüder, die jezt an der Corentyn sind, segnen u. den Schmerzens-Lohn, den Er sich aus den Arawacken [25] gesammlet hat, erhalten wird. Wenn Er es ferner den Brüdern, die unter die Frey-Neger gehen werden, gelingen u. endlich auch diejenigen, die diese Woche nach Paramaribo abgereist sind, fruchtbar seyn läßt; so wollen wir Ihm ein eigenes Gratias dafür bringen. Ich will also auch bey dieser Gelegenheit das ganze Werk Gottes in Suriname dem Andenken der Geschwister vor dem Heyland empfehlen: denn unsere dortigen Boten haben es gewiß besonders nöthig, daß an sie gedacht wird.

In der Lection folgte

5.) ein Brief von Bruder Balthasar Friedreich aus Copenhagen vom 24tn May 65. an Johannes:

Wir haben die etliche Wochen unsers Aufenthalts allhier von den hiesigen Geschwistern viele Liebe u. Gutes genoßen, u. nun sind sie auch um unser weiteres Fortkommen treulich besorgt. Wir solten anfänglich mit einem Schiffe gehen, welches schon viele Passagiers hatte, der Capitain wolte aber nicht mehrere einnehmen. Nun gehen [26] wir mit einem Schiff, die Jungfer Margaretha genannt, das gar keine hat, welches uns um so viel lieber ist. Es legte heute auf die Rhede aus, u. wir werden also ehester Tagen an Board gehen, obgleich unsere Sachen noch nicht angekommen sind. Mein Anliegen ist, daß sich mein blutiger Marter-Mann zu mir bekennen u. mit Seinen Wunden alle Stunden recht nahe bleiben möge. Ich bin ein armes Wesen, das sich nichts zutrauen kan noch will, bin aber doch aus Gnaden Seine. So will ich denn hiemit in Europa aufs zärtlichste Abschied nehmen; ich gehe mit der Gemeine Segen zu den lieben Schwarzen, u. mein treustes u. bestes Herz sey mir und meinen Brüdern auch auf dieser Reise innig nahe. Ich grüße das ganze Directorium u. bitte mir ferner deßelben Liebes-Andenken kindlich aus.

Bruder Bryant schreibt in einem Postscript: die 3 Brüder sind d. 2tn Jun. vergnügt u. gesund an board gegangen u. abgesegelt.

[27] 6.) Von Bruder Jacob Remin Goettlich[WS 3] aus Copenhagen vom 24tn May. 65. an Johannes:

Dein liebes Briefgen vom 14tn May hat mich sehr erfreut, u. meine Augen gingen mir vor Dankbarkeit über bey dem Gefühl Deiner u. des ganzen Directorii Liebe gegen uns arme Kinder. Meinen 48stn Geburts Tag d. 21tn Apr. feyerte ich recht niedlich mit meinen Brüdern in dem Städtgen Jessen u. empfahl mich aufs neue den treuen Händen meines Heylandes. Zu der Zeit, da in der Gemeine die Litaney gebetet wird, war mir besonders wohl, weil doch da an alle Pilger gedacht wird, zu denen ich aus Gnaden mit gehöre. Ueberhaupt habe ich auf der ganzen Reise manche selige Unterredung mit dem Heyland gehabt, mich in Barby einige Tage mit den dortigen Geschwistern gefreut u. auch in Lübeck bey den lieben Astracaner Brüdern manche selige Stunde gehabt. D. 7tn May kamen wir in Copenhagen an. Von meinem Aufenthalt allhier kan ich so viel melden, daß ich als ein armer Sünder selig gewesen bin, der liebe Heyland [28] hat sich zu mir bekannt, u. ich habe auch die Liebe der hiesigen Geschwister deutlich wahrgenommen.

Unser Schiff legte heute aus, u. wir werden also wol die Pfingst-Feyertage auf der See zubringen. Ich empfehle mich dann Deinem u. des ganzen Directorii Andenken vor unserm lieben HErrn, u. bleibe Dein auf Jesu Blut u. Tod verbundener Bruder.

7.) Von Bruder Joh. Friedr. Zenner ebenfalls an Johannes, Copenhagen d. 23tn May.

Ich habe Dich nur noch aus Europa grüßen u. mich aufs beste in Dein Liebes-Andenken empfehlen wollen. Du weißt, daß ich ohne den Heyland nicht zurechte kommen kan u. es daher meine Bitte vor Ihm ist, daß ich als ein Kind meine Tage u. Stunden mit Ihm zubringen möge. Ich muß bekennen, daß Er auf der Reise mit uns gewesen u. sich aus Gnaden zu uns Seinen Armen bekannt hat. Ich kan niemals ohne Thränen an mein liebes Herrnhuth denken, u. es ist gewiß Schade um eine jede Stunde, die man sich [29] im Schooß der Gemeine nicht recht zu nutze macht. Ich werde es jezt gut gewahr, was ich verloren habe; aber Seine unschätzbare Nähe tröstet mich auch zu Land u. See. Die lezten Tage in Herrnhuth werden mir unvergeßlich bleiben. Ich bin oft in den Busch gegangen u. habe Stunden lang vor dem Heyland geweint über meine Gnadenwahl. Insonderheit bat ich Ihn, daß Er mich zu einem wahren Jesus-Jüngling gestalten u. nach der engsten Regel Seines Herzens einhergehen laßen möge. Nun sehne ich mich von Herzen, bald an dem mir vom Heyland angewiesenen Orte zu seyn, u. verbleibe hiemit Dein armer Bruder p.

Ges. Deine unschätzbare Näh segne sie zu Land u. See!

Nachmittag wurde in der Lection der Nachrichten aus den Beylagen continuirt.

In der Versammlung der AbendMahls-Geschwister um 7 Uhr wurden einige Erinnerungen, die hiesige Gemeine betreffend, gethan u. unter andern auch gebeten:

1.) Daß doch in den Singstunden [30] so viel möglich alle Geschwister mitsingen möchten, damit wir, wie mit Einem Munde u. mit verbundenen Kehlen dem HErrn unser Lob-Opfer bringen u. nicht nach u. nach etwas von der Singe-Gnade, die der Heyland unsern Gemeinen geschenkt hat, verloren gehen möge.

2.) Daß aus der Gemein-Litaney, die doch das gemeinschaftliche Gebet der Kirche ist, die Geschwister nicht ohne Noth wegbleiben möchten. Wir wollen zwar unsere Geschwister nicht auf eine gesetzliche Weise nöthigen, in die Versammlungen zu gehen; aber es ist doch schmerzlich, wenn sie ihr eigen Herz nicht dazu trägt. Der Heyland hat auf das Gebet der Kirchen-Litaney einen eigenen Segen gelegt, der noch darauf ruhet, u. wir wollen ihn ja nicht durch unsere Schuld verscherzen.

Hierauf wurde die heutige Gemein-Tags-Pericope aus Joh. 14. gelesen u. besungen:

– Gläubet ihr an Gott, so gläubet ihr auch an mich.

Ich leg die Hand in Deine Seite p.

In meines Vaters Hause sind viel Wohnungen. [31]

Sein Haus hat ja so manche Kammern p.

– Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten.

Da woll’n wir beysammen seyn, Eine Stätte haben p.

Und ob ich hingehe – will ich doch wieder kommen u. euch zu mir nehmen, auf daß ihr seyd, wo ich bin.

Und wo Du bist, da komm ich hin p.

Und wo ich hingehe, das wißet ihr, und den Weg wißet ihr auch.

Woll’n immer selger Dich verstehn p.

– Ich bin der Weg u. die Wahrheit u. das Leben.

Ja alle unsre Seligkeit kommt her aus Deinem Blute p.

Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.

Er hat einen Vater, der keine Ehre jetzo mehr annimmt vom Menschen-Heere, als durch den Sohn.

– Und von nun an kennet ihr Ihn u. habt Ihn gesehen.

Denn wem wär der Vater klar, wenn der Sohn nicht wäre.

– Wer mich siehet, der siehet den Vater.

Laß uns, wer Dein Vater ist, Dir an Augen lesen!

[32] – Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst.

So wie Er u. Du Eins seyn, so soll’n alle Heerden Seiner seligen Gemein in Dir u. Ihm werden.

– Gläubet mir, daß ich im Vater u. der Vater in mir ist; wo nicht, so gläubet mir doch um der Werke willen.

Wir haben Dich auch angerührt u. Deiner Wunden Kraft verspürt.

– Ich gehe zum Vater –.

Laß mich nur hier u. dort ewig hangen, mein Mann, an Dir.

Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich thun, auf daß der Vater geehret werde in dem Sohne.

Drum wird uns aufgelegt in des Sohnes Namen – Dich drum anzuflehn, wie es soll ergehn, Vater in den Höh’n.

Was ihr bitten werdet – das will ich thun.

Ich bitte mir denn aus mein Herz zu segnen p.

Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote.

Was Du uns befiehlest, das sind lauter Sachen, die man gerne wolte machen u. die man machen kan.

[33] Und ich will den Vater bitten, u. Er soll euch einen andern Tröster geben p.

Gott heilger Geist! nimm Du auch mich in die Gemeinschaft ein p.

Der Geist der Wahrheit p.

Und uns belebt Sein Wehen, das niemand kan verstehen, als Er u. die Gemein allein.

Ich will euch nicht Waysen laßen, ich komme zu euch.

Ach bleib nicht lange, wir warten Deiner p.

– Ihr sollt mich sehen; denn ich lebe u. ihr sollt auch leben.

Du magst noch so ungesehn – ’rum gehen, unser Geist kan Deiner Schön gnug fürs Herze sehen.

An demselbigen Tage werdet ihr erkennen, daß ich in meinem Vater bin, u. ihr in mir u. ich in euch.

Nun unsere Gemeinschaft sey mit Dir u. Deinem Vater; der Geist, der bleibe stets dabey p.

– Wer mich liebet, der wird von meinem Vater geliebet werden, u. ich werde – mich ihm offenbaren.

Amen, theures Amen! liebes Gottes-Lamm – Nehmt uns, wie wir da sind — an, Vater, liebe Mutter u. mein theurer Mann!

[34] Um 9 Uhr war die Aufnahme von 11 Geschwistern in die Gemeine. Bruder Johannes redete zuerst über den heutigen Text u. empfahl zum Schluß diese Geschwister nebst dem ganzen Volke der Gnadenwahl in einem herzlichen Gebet auf den Knien dem treuen Herzen Jesu.

Die zu diesem Gemein-Tage gehörige Beylage sub No VII. enthält:

I. Extract aus den Diariis der deutschen Gemeinen, mensis May 65.

II. Aus Nord-America.

1.) Extract aus dem Diarium der Gemeine in Bethlehem, Jan. u. Febr. 65.
2.) Extract aus dem Diarium der Gemeine in Nazareth, Jan. u. Febr. 65.
3.) Extract aus dem Diarium der Gemeine in Litiz, mensis Jan. u. Febr. 65.
4.) Extract aus dem Diarium der Gemeine in Bethabara u. Bethania in der Wachau, Jan. u. Febr. 65.

III. Aus Süd-America.

Diarium von Saron an der Sarameca von den 3 lezten Monaten 1764.

[35] IV. Diaspora-Nachrichten.

1.) Extract aus dem Diarium des Häufleins in Copenhagen vom ersten Viertel Jahr 1765.
2.) Der Brüder Waeckler u. Meerbrey Besuchs-Reise über den Thüringer Wald u. einem Theile des Franken-Landes.
3.) Renatus Kellers Besuch in der Weimarischen Diaspora.
4.) Webers Besuch im Eisenachischen p.
5.) Forsts Besuch in u. um Gotha p.
6.) Kochs Besuch in u. um Erfurth p.
☿ d. 3tn Jul.

Aus Zeist bekamen wir Nachricht, daß Bruder Leonhard u. die übrige liebe Gesellschaft am 26tn Jun. daselbst glücklich angekommen u. gleich am 28tn die Archiv-Arbeit angefangen worden. Ihre Visitation in Neuwied war mit besonderer Gnade u. Segen begleitet; die dasigen Geschwister können ihre Freude u. Dankbarkeit nicht genug darüber ausdrücken.

Geschwister Wohns wurden vor Gnadenthal u. Geschwister Waecklers vor Cathrinenhof u. die Diasporam in dasiger Gegend vom Heyland approbirt.

[36]
♃ d. 4tn Jul.

In der Versammlung der AbendMahls-Geschwister redete Bruder Johannes über die heutige Loosung.

♀ d. 5tn Jul.

Unser lieber Graf Heinrich, der mit seiner Agnes in Klitschdorf u. Gnadenbergel zum Besuch gewesen, kam heute wieder bey uns an.

♄ d. 6tn Jul.

Heute war der Tag, an welchem mit der Loosung Die Taube hatte ein Oelblat abgebrochen u. trugs in ihrem Munde, der heilige Geist uns das Oelblätgen auf einen jeden Tag des künftigen Jahres schenkte. Der Heyland hatte uns angewiesen, die heurigen Loosungen noch einmal zu nehmen, u. so wurden sie heute unter einem seligen Gottes-Frieden gezogen. Die Loosung des 1stn Jan. wird seyn: Wir sehen mit sehenden Augen, daß der HErr mit dir ist; u. des 31stn Dec. Du solt ein Segen seyn.

Bruder Johannes hielt Abends sowol in der Stunden-Beter-Versammlung als auch hernach dem Witwer-Chor eine Rede über die Loosung.


[37]
Die XXVIIIste Woche. 1765.


I.
Am 5tn Sonntag post Trinit. d. 7tn Jul.

betete Bruder Johannes um 8 Uhr mit der Gemeine die Litaney.

Nachmittag um 4 Uhr hielt er dem Ehe-Chor eine gesalbte Homilie, in welcher, so wie auch in dem Abendsegen dieses Chores, heute eine besondere Nähe unsers HErrn waltete.

In der Gemein-Versammlung redete Bruder Joseph über den heutigen Text.

☽ d. 8tn Jul.

Nachmittag hatten die Kinder ihre Homilie, die Bruder Johannes über die heutige Loosung hielt.

Geschwister Wiers bestimmte der Heyland zu der neuen Colonie im Astracanischen. Sie werden inzwischen in Petersburg bey Geschwister Friesens seyn.

Von Bruder Sternberg wurden wir mit einer lieblichen Relation von seinem Besuch der Böhmischen Colonisten in Schlesien erfreut.

Auch wurde uns in diesen Tagen eine Versetzung von etlichen Knaben [38] aus der Fullneckschen in unsere deutsche Anstalten angewiesen, welche die Brüder Sam. Utley u. Jesaias Nouall hieher begleiten werden.

Bruder Lochmann von Zeist kommt an Bruder Sam. Utleys Stelle nach Fullneck u. Bruder Abraham Taylor, den der Heyland zum Oeconomo der Englischen ledigen Brüder-Chöre ernennt hat, nach London.

♂ d. 9tn Jul.

In der Versammlung der Communicanten redete Bruder Johannes über die Loosung u.

☿ d. 10tn Jul.

hielt er den ledigen Brüdern Abends eine Homilie.

♃ d. 11tn Jul.

betrachtete Bruder Joseph in der gewöhnlichen Abend-Versammlung die heutige u. gestrige Loosung u. Bruder Johannes hielt darauf die Chor-Homilie der ledigen Schwestern; so auch

♀ d. 12tn Jul.

des Witwen-Chores. Von Gnadenbergel kamen Geschwister Waiblingers u. Bruder Seidliz bey uns an.

Auch retournirten die Brüder Koeber u. Weinel von Dresden. Wir fanden Ursach, dem Heyland für die gnädige Gesinnung unsrer lieben Landes-Obrigkeit, [39] von der wir bey der Negotiation wegen der Barbyschen Pacht-Sache u. des damit verknüpften bleibenden Etablissements neue Proben gehabt haben, herzlich zu danken.

♄ d. 13tn Jul.

hatten unsere Kinder einen gesegneten Gemein-Tag. Nachdem sie um 9 Uhr ihre Litaney gebetet, wurden ihnen Nachrichten u. Personalia von Kindern verlesen. Darauf war nach einer herzlichen Rede des Bruder Johannis eine Aufnahme von 5 Kindern in die Kinder-Gemeine, die in einem Gebet auf den Knien dem treuen Kinder-Freunde bestens empfohlen wurden.

Ihre gewöhnliche Agapen Nachmittag unterhielten sie selbst mit lieblichem Gesang, u. bald darauf kamen sie wieder zusammen, hörten eine Homilie von Bruder Joseph über die Gemein-Loosung u. prosternirten sich zu deren Schluß unter deßen herzlichem Gebet vor ihrem Freunde u. Liebhaber.

Die Stunden-Beter-Versammlung hielt Bruder Johannes über die heutige Loosung u. darauf auch eine Rede an die großen Mädgen über eben dieselbe.


[40]
Die XXIXste Woche. 1765.


I.
Am 6tn Sonntag post Trinit. d. 14tn Jul.

betete Bruder Joseph mit der Gemeine zur gewöhnlichen Zeit die Litaney. Abends um 7 Uhr in der Gemein-Stunde redete Bruder Georgius über die Loosung des Tages.

☽ d. 15tn Jul.

beging unser lieber Bruder Joseph seinen 62stn Geburts Tag. Bruder Johannes empfahl ihn dazu Abends in der Singstunde dem Liebes-Andenken u. Segen der Gemeine, die ihm zum Schluß sang: Wenn Sein Herze mit ihm ist, fehlts an keinem Segen p. Bleib ihm, o Lamm, bleib immer p. Das Anliegen ist eigentlich, Du solst ihn heut – recht merklich auf die Seite nehm’n p. Es segne ihn aufs neue das – für ihn verwundte Haupt p. So wolst Du ihn geleiten – bis daß er das vollendet, wozu Du ihn gesendet p.

♂ d. 16tn Jul.

wurde in der gewöhnlichen Versammlung der AbendMahls-Geschwister, nach [41] einer Rede des Bruder Johannis über die Loosung, nachstehender Brief von Bruder Louis v. Schrautenbach communicirt, darinnen er sich über seinen bisherigen Gang erklärt u. um Vergebung u. neue Anfaßung bittet. Es geschahe solches unter dem Gesang einiger Verse mit dem theilnehmenden Herzen der ganzen Gemeine.

Ehrwürdige, liebe Brüder u. Schwestern, Ich finde mich durch die Barmherzigkeit des Heylands, nach einer Abwesenheit von vielen Jahren, nun seit etlichen Monaten wieder in der Gemeine. Denen Brüdern, welchen ich den Zusammenhang meiner bisherigen Umstände habe vorlegen können, ist bekannt, daß niemalen bey mir ein Gedanke gewesen ist, die Gemeine zu verlaßen, oder nach einem selbsterwehlten Plan leben zu wollen, oder auch etwan den Ausgang gewisser schwerer Umstände in der Entfernung abzuwarten; sondern es waren unvermeidliche äußere Verrichtungen, die mich im Jahr 52, mit dem Rath der Brüder, nöthigten, nach meinen Gütern zu reisen, u. mich die vielen Jahre her dorten aufgehalten [42] haben. Binnen welcher Zeit ich von einem halben Jahr zum andern immer gehofft habe, mich los machen u. wieder zur Gemeine gehen zu können, an welchem so wol als meinem Gnaden-Ruf zu derselben ich nie irre geworden bin. Es ist aber in den ersten Jahren meiner Abwesenheit durch verschiedene Umstände u. auch Vergehungen von Seiten meiner, die ich damalen nicht einsehen wollen, geschehen, daß ich aus der nahen Connexion mit der Gemeine u. dem Genuß der Gemein-Gnaden, besonders des heiligen AbendMahls gesezt worden, daraus denn ein laulichter, gleichgültiger Zustand u. eine solche Herzens-Situation entstanden ist, die, wenn die heilige Gnadenwahl des Heylands, die auf das schlechte u. unwürdige fällt, u. Seine unermeßliche Treue nicht auch mich gehalten hätte, mich hätte in das Verderben führen sollen. Nun hat zwar der Heyland dem Welt-Geiste, mich hinzureißen u. meine Sinnen zu betäuben, nicht zugelaßen; ich bestehe aber doch mit Schanden vor dem Heyland u. auch der Gemeine mit meinem ganzen [43] bisherigen Laufe, der ganz anders hätte ausfallen sollen. Es sind dieses alles, lieben Brüder, solche Bekenntniße, die sich für einen Bruder gar nicht schicken, deßen ganzes Leben nur ein Zug, deßen Gang lauter Licht seyn soll, der nichts kennen soll, als sein Elend u. den Heyland, u. nichts wollen als Leib u. Seel u. Glieder willig herzuleyhn, Jesum zu erfreun. Es sind aber solche, die ich von mir nicht ablehnen kan, u. mein einiges, mein demüthiges Bitten ist, daß Er mir doch das Andenken alles deßen nie veralten u. mich nie keinen Gefallen an mir selber wolle haben laßen. Denn ich verlange nichts, als daß doch endlich Jesus Christ ein reines Herz zur Braut krige. Seit meinem Hierseyn hat der Heyland meiner Seele manches klar gemacht, dafür ich Ihm im Staube danken kan. Es ist aber noch nicht, wie es seyn solte.

In den ersten Monaten meines jetzigen Aufenthalts haben einige Brüder im Namen des Directorii mich befragt: ob in Betracht mancher Umstände u. besonders, weilen [44] ich doch nun seit so vielen Jahren meinen Weg alleine gegangen, ich nicht auf den Fuß eines Freundes der Gemeine continuiren könne, doch in näherer Connexion etwan, als bishero, u. ob mir dieses nicht zuträglicher seyn würde, als mich wieder ganz in die Gemeine zu begeben, welches doch in gewißen Absichten seine Inconvenienz auch haben könne. Nun bin ich zwar von der Wahrheit, daß der Weg zu den Wunden des Heylands aller Enden, allen Seelen offen stehe, die dahin fliehen, u. also das Wohnen in Gemeinen oder äußere Gehören zu denselben zur Seligkeit nicht nothwendig sey, sehr gründlich überzeugt. Ich würde auch, wenn ich auf der andern Seite auf mich u. das wenige Geschick, das ich in meinem ganzen Wesen zu einem Mitgliede der Gemeine finde, sehen wolte, mich leicht entschließen können, Jerusalem in der Ferne Glück zu wünschen, mit meiner Person aber auch weiter nicht zu beschweren. Mein Herz aber sagt mir anders. Es hat der Heyland von dem erstenmale an, da ich Seine [45] gewaltige Gnade an meinem Herzen gefühlt habe, einen Ruf zur Gemeine in meine Seele gelegt, der mir durch die mancherley Abwechselungen meines Lebens noch nicht eine Minute streitig geworden ist. Obwolen ich nun zwar von einem Tage zum andern immer weniger sehe, wozu ich etwa in der Gemeine taugen könte, so wird sie mir auch von einer Zeit zur andern immer ohnentbehrlicher für mein eigen Herz. Ich bin durch eine etliche u. zwanzigjährige u. nunmehro schmerzhafte Erfahrung gewiß, daß der Gang der Gemeine derjenige ist, den der Freund der Menschen, der Erforscher der menschlichen Natur meiner kranken Seele zu ihrer Genesung angewiesen hat. Wäre ich gesund, so hätte ich sie vielleicht nicht so nöthig. Wehret mir also nicht, liebe Brüder, so zu wandeln, wie ich berufen bin. Vergebet mir den Kummer, den ich euch ins Ganze u. vielen besonders, in der vergangenen Zeit gemacht habe, u. faßet nach aufs neue an

als
Euren unwürdigen Bruder
Schrautenbach.
[46]
☿ d. 17tn Jul.

kam unser lieber Bruder Brodersen aus London bey uns an.

Abends um 7 Uhr versammleten sich die Stunden-Beter auf dem Gemein-Saal. Bruder Johannes sagte zuerst:

Lieben Geschwister, wir haben heute unsern Bund auf Jesu Blut u. Tod u. auf den täglichen Umgang mit unserm Marter-Mann beym Lobe- u. Verbindungs-Kelch erneuern wollen; u. dazu gibt uns erstlich der Geburts Tag unsers lieben Bruder Josephs, der am 15tn gewesen ist, Gelegenheit. Die Loosung an dem Tage hieß: Ich will mit dir seyn. Wißt ihr was? so heißt der Paß, den man in aller Welt bey uns liest. Dazu kommt nun noch, daß er morgen mit seiner Ehe-Schwester, unserm lieben Bruder Seidliz u. Gneuß nach Berlin u. Rixdorf zur Visitation der dortigen Gemeinen abreisen wird. Dazu wollen wir dieser lieben Gesellschaft die heutige Loosung zurufen: Thue alles, was in deinem Herzen ist, fahre hin, siehe, ich bin mit dir, wie dein Herz will. Wir geben uns [47] darauf die Hand. Unser lieber HErr hat diese Reise selbst anbefohlen, die uns, wenigstens für die Zeit, noch nicht eingefallen wäre, wenn Er es nicht selbst vor nöthig gefunden, benannte 2 Zweiglein der Brüder-Kirche, die Er aus den alten Böhmischen Brüdern in unsern Tagen zu unsrer Freude gesammlet hat, zu besuchen. Wir wünschen, daß sie der Heyland zu recht lieblichen u. seligen Gemeinen gestalten u. ihnen auch dazu diese Visitation gesegnet seyn laßen möge. Insbesondere wollen wir auch unsern Bruder Joseph mit unserm Herzen segnen, ihn recht lieb haben u. unsern Bund mit ihm u. unter einander erneuern; wir stehen doch in Einem Liebes- u. Friedens-Bund, auf Jesu Marter u. Tod. Unser lieber HErr wird auch jezt unter uns seyn u. sich so wol zu uns als zu den reisenden Geschwistern bekennen. Wir geben uns also einander die Hand darauf, Seine fleißige, treue u. ergebene Diener zu seyn, bis alles das vollendet ist, wozu Er uns berufen hat. Wir wollen dem Heyland in specia für alles das danken, was Er [48] durch unsern Bruder Joseph der Gemeine Gutes u. Seliges geschehen laßen, u. Ihn bitten, daß Er ihn segne u. salben u. zu seinem künftigen Gang mit neuer Gnade anthun wolle.

Der Bundes-Kelch wurde hierauf unter folgendem Gesang herum gegeben: Wir geben uns darauf die Hand p. So laß nun Deinen Liebes-Wind uns sanftiglich durchgehen p. Wir schwören Dir die Herzlichkeit, die Bluts-Verwandte fühlen p. Wir faßen uns im Geiste an p. Du süße Lieb’, schenk uns Deine Gunst p. Hör, was die Stürmlein sagen p. Er geb uns muntre Kehlen p. Gib uns ein Ohr, das höret p. Die Hände müßen segnen p. Wir wollen Deine Diener seyn p. Chor: Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi – sey mit uns allen! Amen.

Mehrgenannte liebe Gesellschaft trat also

♃ d. 18tn Jul.

die Reise nach Berlin u. Rixdorf an.

Die Versammlung um 7 Uhr hielt Bruder Georgius über die Loosung.

♄ d. 20tn Jul.

gingen Geschwister Kriecheldorfs nach Schlesien, um in Neusalze mit der Zeit [49] zur Bau-Aufsicht gebraucht zu werden. Abends in der Beter-Versammlung redete Bruder Johannes über die heutige Loosung, u. hielt darauf über eben dieselbe den Witwern u. kleinern Mädgen Homilien.

Das erfreulichste in dieser Woche waren uns die lieblichen Nachrichten aus Jamaica u. Schottland. In Jamaica bekennt sich unser lieber HErr zu Geschwister Schlegels Arbeit. Es ist nicht nur Liebe u. Harmonie unter unsern dortigen Europäischen Geschwistern, sondern es zeigt sich auch unter den Negern neues Leben u. Segen. Einige von den getauften. Negern sind Candidaten zum AbendMahl worden. In Schottland hat der Heyland dem Bruder Caldwell, der nach der Synodal-Resolution zum Besuch dahin abgegangen, eine offene Thür geschenkt, daß er in der Stadt Air u. der umliegenden Gegend bereits tausenden den Tod des HErrn mit Eindruck auf die Herzen verkündiget hat. Es werden nun auch nach Anweisung unsers HErrn ein Paar Ehe-Geschwister aus dem North von Ireland dahin gehen. So haben wir auch aus der Wachau angenehme Briefe erhalten.


[50]
Die XXXste Woche. 1765.


I.
Am 7tn Sonntag post Trinit. d. 21tn Jul.

wurde um 8 Uhr die Kirchen-Litaney gebetet.

Nachmittag um 4 Uhr hielt Bruder Johannes dem Ehe-Chor eine Homilie über die Loosung, über welche auch Bruder Lieberkühn Abends in der Gemein-Stunde redete.

♂ d. 23tn Jul.

reisten Geschwister Lieberkühns von uns nach Gnadenbergel ab. Er ist zum Ordinario der künftigen Gemeine in Neusalze vom Heyland bestimmt, wird aber vorerst in Gnadenbergel die Vices des Ordinarii versehen, weil unser liebes Herz Georgius nach der Anweisung unsers HErrn vor diese Zeit hier in Herrnhuth beym Directorio ist. Die Gemeine ertheilte unsern Geschwistern Lieberkühns in der Singstunde Abends vor der Abreise unter einem eigenen lieblichen Gefühl den Segen.

Auch traten heute Jac. Schellingers


[106]
Die XXXIVste Woche.
1765.


I.
Am 11tn Sonntag post Trinit. d. 18tn Aug.

betete Bruder Joseph früh mit der Gemeine die Litaney u. gedachte gehörigen Orts des Bruder Georg Keiters, der in St. Thomas, und der Schwestern Ostin u. Morbachin, die in Gnadenfrey heimgerufen worden.

Gegen Mittag retournirten unsere lieben Heinrichs von Merseburg, allwo sie den Herrn Grafen Promnitz, unsrer lieben Agnes Bruder, auf eine besondere Veranlaßung besucht hatten.

Nachmittag hielt Johannes dem Ehe-Chor eine Homilie über die Loosung, über welche auch Bruder Joseph Abends in der Gemein-Stunde redete u. zum Schluß die morgen auf ihren Posten im Hollsteinischen wieder abreisende Geschwister Erich Braus dem Segen der Gemeine empfahl, welche ihnen [107] sang: O könten sie – die Herzen – auf Emauntisch heitzen! Deines Angesichtes Schweiß segne sie auf ihrer Reis’ p. HErr Jesu Christ! Dein Tod – behalte Deine Leute p.

☽ d. 19tn Aug.

kamen Geschwister Waecklers von Neu-Dietendorf bey uns an.

Von Bruder Gambold erhielten wir einen lieblichen Bericht von der Einrichtung der Gemeine in Coothill in Ireland am 6tn Jul.

Sonst wurde heute vom Directorio eine ausführliche Conferenz über die Berlinische u. Rixdorfische, u. am 21tn darauf über die Schlesischen Gemeinen gehalten, in welchen uns unser lieber HErr verschiedene wichtige Anweisungen gab.

♂ d. 20tn Aug.

hielt Bruder Georgius zur gewöhnlichen Zeit eine Rede über die Loosung.

☿ d. 21tn Aug.

traten Geschwister Daniel Schnepfs mit dem Segen der Gemeine ihre Reise nach der Wachau an.

♃. d. 22tn Aug.

bekamen wir wieder Diaria u. Briefe aus St. Thomas, u. unter andern [108] eine schöne Erklärung über verschiedene wegen der Arbeit der Brüder unter den Negern von der hohen Obrigkeit vorgelegte Fragen, darinnen unter andern gemeldet wird, daß bereits 67 von unsern hingesandten Geschwistern in den dortigen 3 Eylanden heimgegangen. Der von unsern Brüdern getauften Erwachsenen sind 2816, der Kinder 654, der von andern Getauften u. in unsere Gemeine aufgenommenen 69. Summa 3539. Von diesen sind bereits 789 vor dem Throne des Lammes. Gegen 600 sind AbendMahls-Geschwister, u. sie zehlen über 2000 Lehrlinge u. Tauf-Candidaten, die hofnungsvolle Leute sind u. um die heilige Taufe bitten.

Auch bekamen wir diese Woche erfreuliche Diaria u. Briefe aus Suriname vom 28tn May. Unsere Geschwister sind wohl, die Arbeit unter den Indianern geht in neuem Segen, u. es continuirt auch die hofnungsvolle Bekanntschaft mit den Frey-Negern.

Bruder Daniel meldet vom 28tn Jun. aus der Stadt Moscau seine u. der andren Astracanschen Brüder glückliche [109] Ankunft daselbst.

Die Versammlung um 7 Uhr hielt Bruder Johannes über die Loosung u. darauf den ledigen Schwestern über eben dieselbe eine Chor-Homilie.

♄ d. 24tn Aug.

kamen Geschwister Hadwigs aus Liefland mit der Schwester Christiane Friederica glücklich u. wohl an.

Von unsern Brüdern aus Trankenbar in Ost-Indien bekamen wir vom 24tn Oct. vorigen Jahres Briefe, die uns über das, worüber wir ihrenthalben verlegen waren, gar sehr trösteten. Sie sind alle wohl u. gesund.

In der Beter-Versammlung betrachtete Bruder Johannes die heutige Loosung über welche er um 8 Uhr den großen Mädgen eine Chor-Homilie hielt.

Sonst fügen wir dieser Woche noch folgendes bey:

1.) Bruder Lauterbach wurde von Zeist hieher gerufen, um dem Bruder Joseph bey der Arbeit an dem Lebenslaufe des seligen Jüngers zu assistiren.

2.) Der Heyland hat das Directorium angewiesen, daß diesen Herbst eine Visitation von ihm in Gnadenbergel [110] u. Gnadenfrey geschehen soll. Die Correspondenz an daßelbe gehet aber auch als denn, wie bisher, nach Herrnhuth.

3.) Bruder Gambolds Bericht ans Directorium von der Einrichtung der Gemeine zu Coothill im North von Ireland:

Am 5tn Jun. reiste ich mit meiner Frau von London nach Fulneck ab, wo wir uns 11 Tage zu unserm grossen Vergnügen aufhielten u. in der Zeit auch die dortigen Land-Gemeinen sahen. Unsern kleinen Sohn, der mit uns gekommen war, ließen wir in der dasigen Kinder-Anstalt u. sezten unsre Reise nach Irrland fort, in Gesellschaft der ledigen Schwester Mariegen Schneiderin. In Duckenfield blieben wir ein paar Tage u. erquickten uns in dem lieblichen Gemeinlein daselbst. Als wir an die See kamen, war der Wind uns zwar entgegen; aber unser guter HErr half uns doch so glücklich hinüber, daß wir am 29tn nach Dublin kamen, u. den folgenden Tag das heilige AbendMahl mit dieser Gemeine halten konten. Wir ruhten hier 3 Tage aus, damit die Brüder im North Zeit haben möchten, uns in Coothill [111] zu begegnen, wohin ich u. meine Frau am 4tn Jul. abreisten u. am Freytag Nachmittag d. 5tn ankamen. Wir fanden unsern lieben Bruder Anton, die Brüder Horne u. Jorde u. Geschwister Zanders, welche leztere die Arbeiter an diesem Orte sind, schon vor uns, die uns alle mit vieler Liebe empfingen. In der Conferenz hielten wir dafür, daß, ob die Zeit gleich kurz war, doch der morgende Tag am schicklichsten seyn würde zur Einrichtung dieser neuen Gemeine, u. unser lieber HErr bestätigte diesen Gedanken. Alle die Candidaten zur Gemeine, welche vor 2 Jahren bey unsers lieben Bruder Johanns Visitation dazu ausgemacht worden, /: ausgenommen 1 oder 2, bey denen Geschwister Zanders ein Bedenken hatten :/ waren schon bestellt, u. dazu kamen noch etliche neue, von denen man glaubte, daß sie in Vorschlag kommen könten. Am Sonnabend früh d. 6tn Jul. waren sie alle beysammen, u. wir sprachen einzeln mit ihnen zu unsrer Satisfaction. Sie sind einfältige Herzen u. recht gefühlig gegen den Heyland u. das Wort von Seiner Versöhnung, u. voller Verlangen nach den [112] Gemein-Gnaden. Die mehresten von ihnen wohnen kaum eine Englische Meile von der Capelle, u. nur sehr wenige in Arvogh, welches über 3 deutsche Meilen von hier liegt. Diese leztere waren die vorige Nacht durch zu Fuße hieher gegangen. Nach diesem Sprechen kam die Conferenz zusammen, um den gnädigen Willen unsers HErrn u. Hauptes zu hören, welche von ihnen Er uns anweisen würde als die ersten Gemein-Glieder an diesem Orte. /: 6 ledige Brüder sind aus andern Gemeinen, wo sie bereits aufgenommen waren, hieher gezogen, deren exemplarischer Wandel ein guter Geruch in der ganzen Gegend ist :/ Alle die alten Candidaten, ausgenommen 2, u. auch 4 von den 6, die jezt erst vorgeschlagen wurden, bekamen die Erlaubniß zur Aufnahme, nemlich 8 Paar verehlichte Geschwister, 7 verehlichte Brüder, 4 verehlichte Schwestern, 2 Witwen, eine ledige Schwester, das ist, 15 Brüder u. eben so viel Schwestern, in allen 30. Unter diesen war ein Bruder, der in der Römisch-Catholischen Religion erzogen war, u. ein anderer, der ehedem ein notorisch schlechtes Leben [113] geführt hatte; die große Veränderung aber, die bey ihm vorgegangen, war die Gelegenheit, daß die Leute in Arvogh vor etlichen Jahren nach dem Evangelio u. dem Umgang mit den Brüdern begierig wurden. Alle diejenigen, mit denen wir gesprochen hatten, wurden zu einem LiebesMahl Nachmittags in der Capelle bestellt. Wir redten mit ihnen von dem Werke, das der Heyland in unsern Tagen auf Erden hat u. unter dem Brüder-Volk u. durch deßen Dienst ausführet, u. was der Grund u. das Leben von dem allen sey, nemlich das verdienstliche Leiden u. der Tod des HErrn. Wir führten ihnen auch zu Gemüthe, daß die Seelen an diesem Orte nun schon etliche Jahre von den Brüdern mit dem Evangelio bedient worden, u. daß es eine geraume Zeit ihr Verlangen gewesen, zu einer Gemeine eingerichtet zu werden, damit sie mehrerer Pflege genießen u. mit Christi Blut und Christi Sinn ausgeschmückt werden möchten. Unser lieber HErr habe auch schon vor einiger Zeit Sein Ja-Wort dazu gegeben; u. dem zufolge solte ihnen diese Gnade am heutigen Tage [114] zu Theil werden; es hange allemal von der souverainen Gnadenwahl des Heylands ab, was vor schwache u. in sich selbst unwürdige Sünder Er als die ersten Glieder einer solchen Gemeine zu ernennen beliebte. Hierauf wurden die Namen gelesen, u. diese 30 Personen, nebst den vorerwehnten 6 ledigen Brüdern, in Seinem theuren Namen, ja im Namen der heiligen Drey-Einigkeit zu einem Gemeinlein, wie Seine übrigen Brüder-Gemeinen sind, in deren Mitte Er wandelt, u. die Sein Schmerzens-Lohn sind, declarirt. Wir empfahlen sie in einem herzlichen Gebet unserm lieben Vater, dem heiligen Geiste u. unserm lieben HErrn, zum Schutz, Pflege u. Seiner beständigen Nähe u. Segen. Wir wünschten auch insonderheit, daß dieses Häuflein, nach der heutigen Loosung, als ein Täublein in der Arche Seiner Kirche, ja in Seinen heiligen Wunden unverrückt bleiben u. zum Segen für dieses ganze Land sein Oel-Blat tragen möge. Eine Schwester, die zur Aufnahme ausgemacht war, nemlich die verehlichte Schwester Cooney, war noch ungetauft, hatte aber schon [115] lange ein sehnliches Verlangen nach der Taufe; sie wurde also am heutigen Tage durch das Sacrament der Taufe aufs feyerlichste in die Gemeine aufgenommen u. Catharina genannt, welchen Namen sie auch vorher hatte. Die Geschwister gingen hierauf nach Hause, u. am Sonntag früh d. 7tn Jul. kamen sie wieder. Zuerst war die öffentliche Predigt u. dann das vierteljährige LiebesMahl der Societaet, welches Bruder Zander auf den heutigen Tag bestellt hatte, noch ehe er wußte, was in diesen Tagen hier geschehen würde. Die Societaet besteht aus 100 Personen. Nach einer kurzen Anrede wurde ihnen Bruder John Caldwells Brief aus Schottland vorgelesen. Er ist ein lediger Bruder aus diesem Orte u. von den hiesigen Geschwistern gar sehr geliebt. Wir nahmen Gelegenheit, ihnen zu sagen, daß nunmehro eine Gemeine allhier eingerichtet sey, u. wie sie solches anzusehen haben, u. daß die Societaets-Leute sich auch fernerhin recht nahe an den Heyland halten möchten. Wir beschloßen, daß wir diesen Abend, da wir alleine seyn [116] würden, das heilige AbendMahl halten wolten, u. hielten daher des Nachmittags Conferenz, um unsern lieben HErrn zu fragen, wer von den Aufgenommenen die Gnade haben möchte, an Seinem heiligen Leichnam u. Blut ein Mitgenoß zu werden. In dieser so wol als in der gestrigen Conferenz nahmen wir mit dankbarem Herzen Seiner pünctlichen Direction wahr. Aus 30 erlaubte Er 10, nemlich 6 Brüdern u. 4 Schwestern, des höchsten Gutes theilhaftig zu werden. Abends um 6 Uhr hatten diese Communicanten eine Versammlung in der Capelle, da ihnen erst eine Rede gehalten wurde von diesem hochheiligen Sacrament, worinnen der HErr Seiner Kirche Seinen eigenen Marter-Leib u. Blut mittheilet, Leben u. Saft gibt u. sie wie der Weinstock die Reben durchgehet, u. dadurch die Glieder Seiner Kirche mit sich selber u. unter einander vereinigt. Wir nahten uns daher niemals dieser Geheimniß-vollen Handlung ohne zärtliche Beschämung u. Beugung, u. das Gefühl unsers mannigfaltigen Elends u. unserer Sündigkeit mache, daß wir allemal vorher Seiner gnädigen Absolution höchstbedürftig sind. Wenn das [117] heilige AbendMahl zum erstenmal in einer Gemeine gehalten werde, pflege diese Absolution durch das Fußwaschen zu geschehen. Es wurden denn die Füße dieser Geschwister gewaschen, u. nachher hielten wir das heilige AbendMahl. Es sahen 10 Geschwister als Candidaten zu, u. von diesen werden das nächstemal 6 confirmirt werden. Die heilige Communion wird künftighin des Sonnabends seyn. Nun war nur noch eine Versammlung übrig für die Communicanten alleine, nemlich die Liturgie nach der Communion am Montag früh. Dieselbe hielt unser lieber Bruder Anton mit einem besonders gesalbten Gefühl, u. redte auch kürzlich über die schöne Loosung: Du bist ein heilig Volk Gott deinem HErrn, dich hat Gott dein HErr erwehlet zum Volk des Eigenthums aus allen Völkern, die auf Erden sind. „Nun so gesegne dich auch dein Schöpfer, nun so formir dich der weise Töpfer;“ u. gab diesem Häuflein seinen Segen. Hierauf nahmen wir Abschied von einander. Die Brüder Anton, Horne u. Jorde kehrten nach dem North zurück, u. ich u. meine Frau nach Dublin, wo wir [118] etliche Tage warteten, bis wir eine Schiffs-Gelegenheit bekamen. Nach herzlichem Abschied von Geschwister Molthers gingen wir mit der Schwester Brockdorfin, deren Stelle unter den ledigen Schwestern in Dublin durch die Schwester Mariegen Schneiderin ersezt ist, an board, u. nach einer etwas langsamen Fahrt kamen wir am 18tn Jul. in Parkgate u. am 24tn in London wohlbehalten an. Ich verbleibe

Euer armes, aber
liebendes Herz
d. 31tn Jul. 1765. John Gambold.

4.) Aus Bruder John Caldwells Brief an Bruder Anton d. d. Air in Schottland d. 2tn Jul. 65. ist folgendes zu communiciren:

Nun will ich dir melden, wie es mir gegangen, seit ich dir lezthin schrieb. D. 4tn Jun. hörte ich, daß 3 von den Kranken, die ich hier in der Stadt u. aufm Lande besucht habe, selig auf Jesu Verdienst heimgegangen sind. Abends um 7 Uhr hielt ich eine Versammlung in der Ziegel-Scheune, abermal zu einer großen Menge Menschen, über die Worte Joh. 3. „Wahrlich, wahrlich ich sage dir, es sey denn, daß jemand von neuem geboren werde, [119] kan er das Reich Gottes nicht sehen“. Der Heyland war in unsrer Mitte u. bestätigte das Wort mit Seiner lieben Nähe. Die folgenden Tage besuchte ich in Blackhall u. Peasley, aber die dortigen Leute waren nicht dafür, daß ich Versammlungen halten solte, aus Furcht, es möchten Unruhen im Kirchspiel daraus entstehen. Zulezt kam ich nach Glasgow, wo ich etliche Leute, mit denen ich bey meinem vorigen Hierseyn bekannt worden, zu meinem Vergnügen besuchte. Ich hielt zu unterschiedenenmalen kleine Versammlungen, wodurch ich mit mehrern von den Stadt-Leuten bekannt wurde. D. 13tn retournirte ich nach Air, u. besuchte den folgenden Tag meine Bekannte in und außer der Stadt, zu beyderseitiger Satisfaction. D. 14tn Abends um 7 Uhr hielt ich eine Versammlung über Jes. 53, 11. „Darum daß Seine Seele gearbeitet hat, wird Er Seine Lust sehen u. die Fülle haben.“ Unsre Scheune war wieder zu klein. Ein Pfarrer u. einige wohlhabende Leute aus der Stadt waren zugegen. Sonntags d. 16tn hielt ich früh u. Abends [120] Versammlungen in Air u. ging auch nach Maybole, wohin mich gegen 100 Leute von Air begleiteten. D. 17tn wurde ich von einem jungen Menschen besucht, der auf der Universitaet zu Glasgow studirt hat u. Pfarrer werden soll. Er ist wirklich um seine Seligkeit bekümmert u. hatte sich etliche Tage in Air aufgehalten, um mich zu hören. Er redte sehr gerade mit mir von seinem Verderben u. gesezlichen Kämpfen mit der Sünde. Ich sagte ihm, er müßte als ein armer Sünder zum Heyland kommen, sich aus Gnaden ein seliges Herz u. die wahre Freyheit in Seinem Blut u. Tode schenken laßen. D. 19tn ging er auch mit mir aufs Land, verschiedene erweckte Leute zu besuchen. D. 20tn ging ich nach Barnewell in Creagy-Kirchspiel. Die Leute hatten ein Zelt aufgeschlagen, unter welchem ich stund u. eine Rede zu 600 Leuten hielt über Jes. 12,2. „Siehe, Gott ist mein Heyl, ich bin sicher u. fürchte mich nicht; denn Gott der HErr ist meine Stärke.“ Barnewell liegt nahe an der Glasgower Straße. Der Pfarrer ist weggegangen, die Kirche [121] eingefallen u. alles in der größten Confusion. Der Heyland schenke mir Eingang bey diesen Leuten. Sie baten mich sehr, ihnen öfters Versammlungen zu halten; ich habe aber so viele Invitationen, auch von andern Orten, daß ich sie für die Zeit nicht alle annehmen kan. Wie ich Abends nach Air zurück kam, erhielt ich deinen lieben Brief, welcher mir sehr angenehm war. D. 22tn u. 23tn war ich wieder in Maybole. Unser lieber HErr gibt mir eine offene Thüre, Er geht voran u. ich folge Ihm nach, u. es ist gewiß, daß Er eine besondere Hand darunter hat, daß ich in diese Gegend gekommen bin; denn es ist bekannt, daß der Heyland u. Sein Blutvergießen u. Tod nirgends in ganz Schottland so verleugnet u. gering geachtet wird, als in der Grafschaft Air, wo die Leute durchgängig sehr eigengerecht sind. D. 28tn erfuhr ich, daß die Frau Loggan, die ich auf ihrem Kranken-Bette etlichemal besucht hatte, /: welches die Gelegenheit wurde, daß man mich zuerst invitirte, in Maybole Versammlungen zu halten :/ diesen Morgen selig zum Heyland gegangen war. Sie dankte dem Heyland oft vor ihrem Heimgange, [122] daß Er sie so lange hätte leben laßen, bis sie gehört hätte, was der HErr für ihre Seele gethan. D. 29tn am heutigen AbendMahls-Tage hielt ich eine Herzens-Bande mit dem Heyland, u. legte mich u. alle meine Umstände an Sein treues Herz, u. Er tröstete mich gar gnädiglich. Nachmittags ging ich nach Tarboutton, meinen Freund Mr William Hood zu besuchen. Dieser Ort liegt eine starke deutsche Meile von Air. Der Pfarrer redt sehr bescheiden von den Brüdern u. hat seinen Kirch-Kindern erzehlt, wie viel Gutes die Brüder an so manchen Orten in der Welt gethan haben. Die Leute wolten, daß ich ihnen Abends um 6 Uhr eine Versammlung halten solte, u. schlugen mir ein Zelt auf: u. da es Zeit war, daß die Leute zusammen gerufen werden solten, so lauteten sie die Glocken. Ich that was ich konte, es zu verhindern, aber sie wolten es so haben. Ich redete über Ps. 138,6. „Der HErr ist hoch u. siehet auf das Niedrige, u. kennet den Stolzen von ferne“. Ich war dabey recht selig in meinem Herzen. Sonntags d. 30tn hielt ich wieder Versammlung in Air. Der Herr Pfarrer Derumple [123] machte heute, nachdem er seine Predigt geendiget, seinen Zuhörern bekant, daß er diesen Abend um 5 Uhr auch eine Versammlung halten würde, da er die Irrthümer der Brüder oder sogenannten Herrnhuther darthun wolte. Er sagte ihnen auch, daß wenn jemand von ihnen in meine Versammlungen gehen würde, den wolte er aus seiner Kirche ausschließen. Aber es schien einen ganz andern Effect zu haben, als er gedacht: denn es kamen mehr Leute in unsre Versammlung, als je vorher; ja seine eigenen Leute scheinen seitdem noch viel begieriger nach dem Evangelio. Ich kan nicht anders denken, als daß der Heyland ein großes Volk in dieser Stadt hat, das als Sein Schmerzens-Lohn für Ihn gesammlet werden wird. Der angefangene Widerspruch bekräftiget mich noch mehr in dem Gedanken. D. 1tn Jul. bey meinem heutigen Besuch fand ich, daß die Leute über das Lästern ihrer Pfarrer sehr unzufrieden waren. Ich befriedigte sie u. sagte ihnen, daß sie freylich etwas von der Art erwarten müßten; es würde [124] aber alles seinen guten Nutzen haben, sie solten nur geduldig seyn und sich ja nicht dadurch in Affect bringen laßen. Es wäre mir sehr lieb, wenn mich ein Bruder je eher je lieber zu besuchen käme.


[125]
Die XXXVste Woche. 1765.


I.
Am 12tn Sonntag post Trinit. d. 25tn Aug.

war Gemein-Tag, zu deßen Anfang um 8 Uhr die Litaney gebetet wurde.

In den Versammlungen zur Lection communicirte Bruder Johannes aus den eingelaufenen Briefen u. Nachrichten unter andern folgendes:

1.) Bruder Matth. Kremser schreibt aus St. Thomas vom 16tn May 1765. an Bruder Joseph unter andern:

Ich lebe mit meinem treusten Freunde hier in St. Thomas selig. Er tröstet mich mit Seiner lieben Nähe u. läßt mich fühlen, wie lieb Er mich hat. Darum thue ich auch gern, was ich kan, so wol im innerlichen als im äußerlichen. Der Heyland ist bisher mit mir gewesen u. hat mich gesegnet.

Daß ich in Tortola gewesen, wirst Du wol schon vernommen haben. Weil ich bereits einige Invitationes bekommen hatte, [126] daselbst Zucker-Mühlen anzulegen, so fiel mir ein, vielleicht hat der Heyland auch Frieds-Gedanken über Tortola, die dortigen armen Sclaven durch Sein Blut selig zu machen, u. da Er sich so mancher Mittel bedient, das Evangelium von Seinem Versöhnungs-Tode bekannt zu machen; so ist vielleicht Sein Wille, daß ich hingehen u. nachsehen soll, ob nicht ein oder zwey Seelen sind, die nach Ihm fragen. Und so bin ich mit meiner Geschwister Sinn u. Herzen gegangen. Sonntags d. 16tn kam ich mit meinen Zimmer-Leuten auf Tortola in Roude an, u. ging gleich zu dem Herrn, für den ich die Mühle zu machen hatte. Er ließ sich in allerhand Discourse mit mir ein u. äußerte unter andern, daß wir ja den Negern auf den Dänischen Eylanden predigten. Ich antwortete, ja wir wären allein um der armen Neger willen hier in West-Indien, predigten ihnen das Wort von der Versöhnung u. daß ein jeder, der da glaube, daß Jesus Christus in die Welt gekommen sey, u. Sein Blut für uns vergoßen habe, [127] Vergebung der Sünden erlange pp. Ferner continuirte ich: es wären hier auch viele Neger, die in ihren heydnischen Greueln lebten u. keine Erkenntniß von Gott hätten, da Er sie doch mit Seinem Blute erlöset habe. Als er darauf erwiederte, er glaube nicht, daß die Neger von Gott erschaffen wären, fragte ich ihn, ob er nicht das 18te Cap. Jesaiä u. was der Prophet Zephanja im 3tn Cap. v. 10. sagt, gelesen hätte? Ja, sagte er, es stünden wol Verheißungen von ihnen in der Bibel, u. sie wären freylich Menschen; aber der Fluch ruhete doch auf ihnen. Ich antwortete: den habe der Heyland am Creuz auch für sie getragen, u. die Neger hätten daßelbe Recht zum Heyland, als wir Weißen, wir wären alle zur Seligkeit berufen.

Die weißen Leute sind hier ein sehr wildes u. rauhes Volk, dergleichen ich nicht viel gesehen habe, u. ich weiß nicht, obs in Sodoma u. Gomorrha schlechter zugegangen ist, als hier. Ich habe mich nur 14 Tage aufhalten können, u. gleichwol [128] ists unter den Negern bekannt worden, wer ich bin. Es sind auch verschiedene, die mich in St. Crux haben predigen hören, und in allen gegen 12 von selbst zu mir gekommen u. haben mich gefragt, wie sies machen solten, daß sie selig würden? Ich habe ihnen dann erzehlt, was der Heyland für sie gethan, von Seiner Geburt an bis zur Himmelfahrt, u. wie lieb Er sie habe. Ach! sagten sie, ich solte doch bey ihnen bleiben u. ihnen Worte von ihrem Erlöser sagen. Darauf antwortete ich, es würde vielleicht die Zeit kommen, daß einmal einer von uns zu ihnen käme, sie solten nur indeßen die Worte, die ich ihnen gesagt, tief in ihr Herz schreiben u. nicht vergeßen, was der Heyland für sie gethan habe. So hat auch einer von meinen Negern, Johannes der ein AbendMahls-Bruder ist, vielen von seiner Nation u. die mit ihm von Guinea gekommen sind, geprediget. Wenn nur vors erste ein Bruder da wohnte, der eine Profession hätte! D. 2tn Mart. ging ich wieder von Tortola ab nach St. Jan u. erfuhr unterwegs eine augenscheinliche Bewahrung [129] der liebe Engel. Da wir nemlich nicht weit mehr von St. Jan waren, kam auf einmal ein so heftiger Wirbel-Wind in die Segel, daß sie von einer Seite auf die andere flogen u. ich vom Baum in die See geschmißen wurde. Ich krigte aber noch das Fahrzeug zu faßen, hielt mich daran vest u. kam so ohne Schaden wieder glücklich hinauf. Ich dankte dem Heyland herzlich vor diese Bewahrung.

Das ist es, was ich von Tortola melden kan. Ich habe daselbst mit vielen Planters gesprochen, die sich freundlich gegen mich bezeiget, u. an Arbeit würde mirs auch nicht fehlen. Das Ab- u. Zureisen über die See ist aber etwas beschwerlich u. mit mancher Gefahr u. großen Kosten verknüpft. Ich bin auch 2 Monate in St. Jan gewesen; nun bin ich aber wieder bey meinen lieben Geschwistern in St. Thomas, lebe mit ihnen in Liebe u. Friede, u. der Heyland segnet uns zusammen. D. 11tn May ist unser lieber Bruder Georg Keiter recht selig in seine ewige Ruhe eingegangen. Es ist freylich schmerzlich, in 5/4tel Jahren 4 Paar Geschwister [130] getrennt zu sehen; was Er aber thut ist wohl gethan.

Geschwister Martin Macks sind von Ehe-Geschwistern noch alleine hier in St. Thomas übrig; der Heyland erhalte sie gesund! Schlüßlich empfehle mich in Dein Liebes-Andenken u. bitte alles herzlich zu grüßen pp.

2.) Unterthänigste Erklärung auf den von unsrer hohen Obrigkeit hier auf St. Thomas unterm 9tn Jan. 1765. communicirten Extract des Schreibens der Hochlöblichen Rent-Cammer zu Copenhagen d. d. 14tn Sept. 64. uns Mährische Brüder u. unsre Arbeit unter den Negern hier auf St. Thomas, Crux u. Jan betreffend:

1.) Wie viel Mährische Brüder sich auf allen 3 Eylanden befinden, die sich mit der Bekehrung der Neger abgeben?

So sind gegenwärtig Brüder auf allen 3 Eylanden 10; auf St. Thomas 6, auf St. Jan 2 u. auf St. Crux 2. Frauen sind gegenwärtig 5, darunter sind 2 Witwen. Diese alle sind zu keiner andern Absicht in diesen Eylanden, als alleine zu Bekehrung der Neger, und [131] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/135 [132] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/136 [133] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/137 [134] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/138 [135] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/139 [136] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/140 [137] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/141 [138] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/142 [139] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/143 [140] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/144

[531] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/535 [532] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/536 [533] Seite:GN.A.110 Gemein-Nachrichten 1765,2.pdf/537

Anmerkungen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Abba: aramäisch Vater, Gott. Te Abba ist ein feierlicher Gesang zum Lobe Gottes (lat. Te Deum)
  2. seliger Jünger: Bezeichnung innerhalb der Brüdergemeine für ihren Gründer Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf nach dessen Tod
  3. nach Herrnhuter Lebenslaufsammlung wahrscheinlich Jacob Remigius Göttlich (1717–1771)