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Geschichte des Dithmarscher Krieges

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Textdaten
Autor: Heinrich Rantzau (Christian Cilicius Cimber)
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Titel: Geschichte des Dithmarscher Krieges
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Heider Anzeiger G. m. b. H.
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Erscheinungsort: Heide
Übersetzer: Helene Höhnk GND
Originaltitel: Belli Dithmarsici descriptio (1570)
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Geschichte
des
Dithmarscher Krieges


Von
Heinrich Rantzau


Frei aus dem Lateinischen übertragen
von
Helene Höhnk


1914
Druck und Verlag: Heider Anzeiger G. m. b. H.


Preis 60 Pfg.
[003]
Vorrede.

Die Geschichte des Dithmarscher Krieges erscheint hiermit vollständig zum ersten Male. Die Darstellung ist von allen Geschichtsschreibern älterer und neuerer Zeit ergiebig benutzt worden. Daß unter dem Verfasser Christian Cilicius Cimber Heinrich Rantzau versteckt ist, haben Bertheau und Wetzel (siehe Band 9 und 21 der Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte) zur Genüge dargetan. Heinrich Rantzau, der damalige königliche Kanzler des Herzogtums Holstein, nahm an den Vorbereitungen zu dem von Herzog Adolf heraufbeschworenen Rachezug gegen die Dithmarscher als Stellvertreter seines Königs tätigen Anteil. Er begleitete auch seinen Vater Johann Rantzau, der von den drei kriegführenden Fürsten zum Oberfeldherrn ernannt worden war, auf dem Kriegszuge und schildert als Augenzeuge die Begebenheiten mit der Anschaulichkeit des Selbsterlebten. Bertheau hat ferner im Bande der Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte dargetan, daß unser Chronist Neocorus in seiner Darstellung von der Unterwerfung Dithmarschens fast wörtlich Heinrich Rantzau folgt. Auch aus dem Grunde haben wir es für interessant und wichtig gehalten, die alte lateinische Quelle in deutscher Uebersetzung einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen. Um den Stil den heutigen Anforderungen anzupassen, sah ich mich genötigt, den üblichen lateinischen Periodenbau zusammenzuziehen und gegebenenfalls zu kürzen. Genau genommen hätte das einleitende ganze erste Buch fehlen [004] können, da es nach dem Geschmacke der damaligen Zeit von dem Ursprunge der Cimbern handelt. Die mit allen Weitläuftigkeiten beschriebenen Schlußfolgerungen erscheinen uns heute ziemlich lächerlich und unglaubwürdig. Von großem Interesse dagegen ist die lebhafte Schilderung der staatlichen Zustände Europas, die Heinrich Rantzau als politischer Beobachter gibt.

Durch die besondere Güte des Herrn Grafen zu Rantzau-Breitenburg ist es mir möglich gewesen, aus einem anderen Werke Heinrich Rantzaus, das er zur Verherrlichung König Friedrichs II. von Dänemark hat veröffentlichen lassen, dem Buche drei Bilder beizugeben:

1. Die Erstürmung Meldorfs am 3. Juni.
2. Die Schlacht bei Norderstrand am 7. Juni.
3. Die Schlacht bei Heide am 20. Juni.

Aus meinen eigenen Sammlungen habe ich ein Bild Heinrich Rantzaus beigefügt.

Bad Oldesloe, im Juni 1913.

Helene Höhnk.
[005]
Erstes Buch.

Zur Einleitung der Geschichte des Krieges, der die Dithmarscher, ein Volk cimbrischer Abstammung, das sich unabhängig von Dänemark und Holstein gehalten hatte, unter das Joch der Knechtschaft führte, scheint es zweckmäßig zu sein, zunächst die damalige Lage Europas, dann den Ursprung der Dithmarscher, ihre Lebensweise, Sitten und Einrichtungen und endlich ihre Rohheit und Grausamkeit im Verkehr mit Freunden und Nachbarn, den Dänen und Holsten, zu schildern. Durch diese Anordnung wird nicht nur die Zeit des Krieges, die sich durch allerlei bemerkenswerte Begebenheiten auszeichnete, in ein helleres Licht gerückt, sondern auch Ursache und Aeußerung des Hasses unter den Völkerschaften deutlich erkennbar, und endlich über den Feldzug selbst, die Gefahren und Schwierigkeiten des Unternehmens, wie dessen Folgen, eine klare Uebersicht gewonnen werden. Deshalb behandle ich den ersten Teil für sich und gebe erst im zweiten die eigentliche Geschichte des Krieges.

Der Krieg gegen die Dithmarscher begann 1559. Am 1. Januar dieses Jahres war Christian, seines Namens der dritte König von Dänemark und Norwegen, nach einem ruhmreichen Leben im 56. Jahre seines Alters durch einen sanften Tod aus dem irdischen Jammertal eingegangen zur himmlischen Unsterblichkeit. Von Jugend auf mit einem angeborenen Uebel behaftet, das allmählich zur zehrenden Krankheit ausartete, war er bei stets abnehmenden Kräften genötigt, häufig das Bett zu hüten. Als er zu Ende des Jahres 1558 abermals darnieder lag, mahnte ihn Gott im Traume, wenn er noch letztwillige Verfügungen im Interesse seiner Familie zu machen, oder Wünsche [006] in bezug auf das Land habe, so müsse er sich beeilen, seine Anordnungen zu treffen, denn in acht Tagen werde er abgerufen in ein anderes Reich, schöner und herrlicher als sein irdisches Königreich. Der König erzählte seiner Gemahlin und seinen Kindern den Traum und traf seine letzten Bestimmungen. Dann nahm er das heilige Abendmahl und starb in der ihm vorher angekündigten Stunde. Sein Tod bestätigte die Glaubwürdigkeit der Träume.

Christian zeichnete sich durch Klugheit, Milde und andere vortreffliche Charaktereigenschaften aus und galt, vermöge vieler rühmlicher Taten in Kriegs- und Friedenszeiten, für einen der hervorragendsten Vertreter seiner Zeit. Fast 22 Jahre hielt er das Zepter der Königreiche Dänemark und Norwegen in seiner Hand. Norwegen war ihm von seinem Vater Friedrich (I.) als Erbe hinterlassen; er mußte aber noch vier Jahre um die Herrschaft kämpfen, da er weder durch ein Testament seines Vaters als König eingesetzt, noch von den Ständen anerkannt worden war. Durch ein feindliches Geschick entstanden ihm die heftigsten Widersacher und Gegenkönige. Erst nachdem alle mit Waffengewalt bezwungen waren, konnte er zum Segen und zur Wohlfahrt des Landes die Zügel der Regierung ergreifen.

Als er nun zum tiefsten Schmerze der Seinigen und zu aller Betrübnis aus diesem Leben geschieden war, folgte ihm sein Sohn in der Königswürde und Regierung des Reiches. Er war noch zu Lebzeiten des Vaters durch einstimmige Wahl der Vornehmsten des Reiches und der Stände im Vertrauen auf seine glänzenden Anlagen und bereits bewiesene seltene Tapferkeit zum König erwählt worden. Damals hatte Dänemark nach allen Seiten hin Frieden. Auf der höchsten Stufe der Macht und der Blüte der Kultur hatte Christian, der den Frieden zu erhalten wußte, seinem Sohne das Reich hinterlassen.

Dreiundzwanzig Tage nach dem Tode des Königs starb auch Christian II. im Alter von 78 Jahren nach 28 jähriger Gefangenschaft. Er war der rechtmäßige Erbe der drei Reiche Dänemark, Schweden und Norwegen, aber der Kronen verlustig gegangen wegen der von ihm angestifteten Ermordung mehrerer [007] Edlen und Bischöfe von Dänemark und Schweden.[1] Ein weiterer Grund zu Christians langer Gefangenschaft ist vielleicht in der Besorgnis zu suchen, die man wegen der Verwandtschaft seiner Töchter hegte. Nichten Karls V. und Ferdinands I. waren beide mit dem mächtigen Hause Habsburg-Lothringen durch die Ehe verbunden. (Dorothea war seit 1532 mit Friedrich II. von der Pfalz, Christine seit 1541 in zweiter Ehe mit Franz von Lothringen vermählt.) Christian starb, wie man glaubt, aus Bestürzung über das Gerücht von dem Tode seines Vetters, der väterlich für ihn gesorgt hatte.

In den Dänemark benachbarten Herzogtümern waren weder Feindseligkeiten ausgebrochen noch zu befürchten. Dagegen wüteten in den andern Ländern Europas Kämpfe und Fehden ohne Ende. Ein blutiger Krieg war namentlich zwischen Philipp II. von Spanien und Heinrich II. von Frankreich entbrannt. Nach zwei hitzigen Treffen kam es zu einer mörderischen Schlacht bei St. Quentin in der Provinz Rheims. (Die Gelehrten halten diese Stadt für gleichbedeutend mit dem alten Samarabrina, das durch Cäsars Winterquartiere berühmt geworden ist.)

Auf beiden Seiten waren große Verluste zu beklagen, aber die Franzosen litten am meisten. Die Blüte ihres Adels blieb auf dem Schlachtfelde und die Anführer und Vornehmsten des Reiches gerieten in Gefangenschaft. Trotzdem waren die Friedensbedingungen für Frankreich nicht so ungünstig, als man nach der Niederlage hätte erwarten sollen, und durch eine Heirat — wie es bei Fürsten, die Frieden schließen, zu geschehen pflegt — wurde aller Zwist beendet. Der Friede zwischen diesen beiden mächtigen Staaten Europas fiel in den Monat März desselben Jahres, in dem Christian dieses Leben mit dem jenseitigen vertauscht hatte.

Im römischen Reiche deutscher Nation herrschte damals Ferdinand I. von Oesterreich. Durch die Wahl der sieben Kurfürsten war er im Jahre 1558 seinem Bruder Karl V. auf [008] dem Thron gefolgt. Als Karl, der mächtigste Kaiser seiner Zeit, vom Alter gebeugt, gebrochen an Leib und Seele, den vielen Regierungsgeschäften nicht länger vorzustehen vermochte, ließ er durch Wilhelm Aurantzius den sieben Kurfürsten die Reichsinsignien überbringen, legte die Kaiserwürde ab, und zog sich in das Kloster St. Juste in Spanien zurück. Hier erwartete er in klösterlicher Abgeschiedenheit den letzten Tag seines Lebens und starb in demselben Jahre, als seine beiden Schwestern Maria und Eleonora, Königinnen von Ungarn und Frankreich und die Gemahlin seines Sohnes Philipp I., Königin Maria von England mit Tode abgingen.

Ferdinand berief die Fürsten und Stände des ganzen Reiches zu einem Reichstag nach Augsburg. Die Beratungen dauerten nahezu zehn Monate. Man gelobte die Würde des Reiches zu wahren, die Grenzen vor den Türken, den erbittertsten Feinden der Christenheit zu schützen, und die öffentliche Ruhe und Sicherheit in Deutschland zu befestigen. Auf Anregung der Geistlichkeit wurde auch beschlossen, Livland zur Werbung eines Heeres mit 100 000 Dukaten zu unterstützen. Die von dem Deutschritterorden gegründete baltische Kolonie hatte von den verheerenden Einfällen der wilden Moskowiten oder Rutenen viel zu leiden, da sie unter Anführung ihres grausamen, beutesüchtigen Fürsten beständig ihre Grenzen bedrohten. Ueber die geringe Hilfsleistung des Reiches war in Livland der Unwille so allgemein und groß, daß die Verweser des Landes sich genötigt sahen, die Annahme der 100 000 Dukaten zu verweigern. In ihrer verzweifelten Lage glaubten sie bei der Nachwelt mehr Ruhm zu ernten, wenn sie keine Hilfe vom Reiche annähmen, sondern den letzten verzweifelten Kampf mit einem überlegenen Feinde allein auskämpfen und männlich in den Tod gehen würden. Die Annalen der Geschichte sollten nicht von ihnen melden, daß sie ihrer Ritterpflicht uneingedenk, mit zu wenig Edelmut für das Vaterland gekämpft und ihre Hoffnung auf die Hilfe des Deutschen Reiches gesetzt hätten. So wurde Livland aller Hilfe bar, und einem mächtigen Gegner nicht gewachsen, die Beute der Barbaren. Die Feigheit des Landesobersten war überdies [009] den Rutenen günstig.[2] Unter dem Vorwande, ein altes Recht auf die Provinz zu haben, fiel der Herzog der Moskowiten mit einem großen Heere in Livland ein. Das ganze Land wurde mit Feuer und Schwert verwüstet, die meisten Festungen und Kastelle geschleift und zerstört. Eine Menge Menschen fielen der Mordlust eines erbarmungslosen Siegers zum Opfer. Tausende von Weibern wurden von Haus und Hof geschleppt, Tausende von Kindern von den Brüsten der Mütter gerissen. Welch ein düsteres Schauspiel und welch beklagenswertes Schicksal des schnell aufgeblühten Landes, das mehrere Jahrhunderte hindurch das sichere Bollwerk des deutschen Reiches gegen die östlichen Barbarenvölker gewesen war! Fürwahr! Diese Begebenheit gereicht Deutschland zur ewigen Schande! Tapfere Deutsche gründeten und verteidigten diese deutsche Niederlassung, die nun von schwächlichen Nachkommen reckenhafter Vorfahren der Tyrannei der Moskowiter preisgegeben, und mit dem elendesten Sklavenjoch belegt wurde.

Das war die politische Lage in Europa. Nun folgt die Schilderung von dem Ursprung und den Sitten jenes alten Stammes der Dithmarscher.

Das von den Dithmarschern bewohnte Land erstreckt sich sieben Meilen in die Länge, die Breite beträgt dagegen etwas weniger. Es ist mit Holstein verbunden, und liegt zwischen Nord- und Ostsee gerade da, wo die alten Cimbern ihre Wohnsitze hatten. Die Bewohner sind auch cimbrischen Ursprungs. Sie haben dieselben Sitten und Einrichtungen und waren, wie die Holsten, dem Sachsenreich tributpflichtig. Wir wollen sie daher nicht von einander trennen, sondern unter dem gemeinsamen Namen der Cimbern zusammenfassen. Sollte aber jemand hiergegen einwenden, die Dithmarscher müßten ein von den Cimbern verschiedener Volksstamm sein, weil sie von Gomer, dem Enkel Noahs, die Dithmarscher aber von Marsus abstammen, so ist die Erwiderung nicht schwer. Denn Marsus war der [010] Enkel Gomers, von seinem Sohne Tuiskon. Aus dieser Stammesverwandtschaft erklärt sich von selbst der gleiche Wohnsitz. Allein, daß die Marsen einst andere Gegenden bewohnt haben, daß sie von Germanicus besiegt und vertrieben wurden, dafür ist Tacitus der zuverlässigste Gewährsmann. Ich bin der Meinung, daß die Dithmarscher von der unwirtbaren Küste des von ihnen bewohnten Landes ihren Namen bekommen haben. Der ganze Landstrich, welcher die cimbrische Halbinsel bildet, wird eingeteilt in sumpfiges, flaches und waldiges Land. Die Bewohner der niedrigen oder sumpfigen und feuchten Gegenden heißen Marsen, als ob sie versenkt in Sümpfe und schlammigte Untiefen wohnten. Wir unterscheiden die Störmarsch, Krempermarsch, Haseldorfer Marsch und Dithmarschen. Da das Land unter dem Meeresspiegel liegt, sind die Bewohner genötigt, mit großem Kostenaufwand Dämme und Deiche gegen die Gewalt und den Andrang des Wassers aufzuführen. Hinter die Deiche, wo sie von Natur und durch ein festes Bollwerk geschützt waren, zogen sich die Bewohner mit ihrer Habe zurück, sobald Feindesgefahr von irgend einer Seite drohte. Beispiele hiefür werden später angeführt werden.

Das gerade Gegenteil von dem Worte Marsen ist der Name Holsten. Holste bedeutet Waldbewohner, der in höher und trockener gelegener Gegenden Einheimische. Das steht aber nicht in Widerspruch mit der vorigen Behauptung, daß Marsen und Holsten gemeinsam dem Geschlecht der Cimbern angehören.

Holstein, wie es jetzt allgemein heißt, zerfällt im ganzen genommen in Stormarn, Wagrien, Dithmarschen, die Herzogtümer Schleswig und Jütland und einige kleinere Territorien und Inseln, unter denen Angeln (nach Bedas Ansicht hat England von dieser Insel seinen Namen bekommen), Schwansen, Alsen und Klein-Cimbrien, auch Fehmarn genannt, die bedeutendsten sind. Das ganze Land hieß bei den Alten Cimbrischer Chersonnesus. Die Halbinsel erstreckt sich von der Elbe bei Hamburg bis zur äußersten Spitze Jütlands, von den Einwohnern Skagen genannt, zwölf Tagereisen in die Länge, in die Breite aber von Fehmarn bis nach Büsum, einer kleinen [011] Insel vor Dithmarschen, reichlich sechs Tagereisen. Sie wird auf der einen Seite fast ganz von der Ostsee, auf der andern von der Nordsee bespült. Nach Süden hin bildet die nördlichste Provinz des Sachsenlandes die Grenze. Von den übrigen benachbarten Fürstentümern Mecklenburg und Lüneburg wird das Land durch die Flüsse Trave, Bille und Elbe getrennt.

Wenn ich vorhin Cimbrien beschrieben habe, möchte ich jetzt speziell auf Holstein eingehen. Holstein wird von vier Flüssen eingeschlossen, im Osten von der Bille, im Westen von der Stör, im Süden von der Elbe und im Norden von der Eider, die nach einigen Geschichtsschreibern die alte Grenze Dänemarks gewesen sein soll. Der Benediktinermönch Annonius stellt aber die Ansicht auf, daß der Wall, der noch durch verfallenes Mauerwerk und große Erderhöhungen kenntlich ist, die Grenze gebildet habe. Der Wall führt den Namen „Dannevirke“. Er wurde von Gottfried, König von Dänemark, gegen einen Angriff Karls des Großen errichtet, von der Schleibucht, nicht weit von Schleswig und Gottorf, bis nach Hollingstedt, an der Mündung der Eider. Ehemals war Holstein bewohnt von jenen alten tapfern Cimbern, die durch ihre Kämpfe mit den Römern berühmt geworden sind. Die Römer waren es auch, die uns den Namen dieser Gegend übermittelt oder ihn erfunden haben. Ptolomäus, Strabo, Plinius und Tacitus, die größten römischen Geschichtsschreiber, behaupten einstimmig, daß die Cimbern zwischen den beiden Meeren, der Nord- und Ostsee, gewohnt haben und zwar nördlich von den Sachsen.

An den ehemaligen Namen erinnert heute noch die alte Benennung der Insel Fehmarn, die dem lübischen Freistaate gegenüber liegt. Nur in den Anfangsbuchstaben weichen die beiden Wörter voneinander ab: Cimbria — Fimbria.

Daß die Cimbern Nachkommen des Gomer, Noahs Enkel von seinem ältesten Sohne Japhet sind, ist jetzt die übereinstimmende Meinung. Obwohl der Name im Laufe der Zeit einigen Veränderungen unterworfen gewesen ist, erscheint es nicht schwer, ihn mit einer kleinen Beugung der Buchstaben von dem alten Stamm abzuleiten.

[012] Japhets Nachkommenschaft verbreitete sich über den größten Teil Asiens und Europas. Gomers Nachkommen hatten ihre Wohnsitze am Asowschen Meere. Sie nannten die Gegend jenseits Thrakien, wo der Don entspringt, die Krim und erhielten davon selbst den Namen Cimmerier. Hierfür ist der Prophet Ezechiel der sicherste Zeuge, der die Gomer und Thogorner als Stämme des Nordens bezeichnet. Das ist natürlich von Palästina aus gerechnet, wo der Prophet unter göttlicher Eingebung schrieb. Am Asowschen Meer blühten die alten Cimbern in Macht und Ansehen. Nahe dem Bosporus gibt es noch heute ein Gebirge und eine Stadt, die von ihnen den Namen Cimmerium erhalten haben. In der Folgezeit sind sie durch die Nachbarländer Rußland, Litauen, Preußen und Vandalien, das von den Pommern und Mecklenburgern bewohnt wird, nach der cimbrischen Halbinsel gewandert. Sie zerstreuten sich über das ganze Land, setzten sich aber besonders an den Küsten fest und nannten sich, mit einer kleinen Verstümmelung ihres Namens, Cimbern. Wann und bei welcher Gelegenheit diese Umwandlung stattgefunden hat, ist unbekannt, da das Volk keine Denkmäler jener Zeit hinterlassen hat, die Aufschluß darüber geben könnten.

Herodot erwähnt, daß die Cimbern bei einem Einfall in Lydien von dem König zurückgeschlagen seien. Auch Sabellicus erzählt, daß Alias, ein König der Lyder, sie aus Asien vertrieben habe. Ob diese Ueberlieferungen auf Wahrheit beruhen und die Cimbern schon um diese Zeit in die nördlichen Gegenden gekommen sind, ist nicht nachzuweisen. Was die alten sächsischen Schriftsteller über diese Begebenheiten berichten, ist mit Vorsicht aufzunehmen, da sie ohne Verständnis und Unterscheidungsvermögen den Stoff zu ihren Werken sammelten. Albert Cranzius, ein sorgfältiger Geschichtsschreiber verwirft ihre Angaben durchweg als haltlos.

Wenn die Wissenschaften bei den Cimbern ebenso eifrig betrieben wären, als das Kriegswesen, so würden sicherlich mehr zuverlässige Nachrichten über ihre Niederlassung und sonstigen Umstände vorliegen. Aber anstatt sich mit den Wissenschaften abzugeben, zogen sie es, wie so viele andere Völker, vor, Händel [013] zu suchen und Kriege zu führen. Trotzdem möchte ich auf keine bloße Vermutung hin glauben, daß der ganze Stamm sich ausschließlich mit dem Kriegshandwerk beschäftigt habe. Ich nehme vielmehr an, daß eine Anzahl Volksgenossen, abgesondert von den übrigen, ihre Aecker bebauten und Viehzucht trieben.

Die jetzigen Bewohner der Marschküste sind den alten Cimbern in Sitten und Gebräuchen nicht unähnlich, wie es an der Hand der Geschichtsschreiber nachgewiesen werden kann. Die alten Cimbern gehorchten nicht dem Befehle Einzelner. Es gab viele Edle unter ihnen, die durch Raub und Jagd ihren Unterhalt suchten, was nicht selten zu Streit und Fehden untereinander Anlaß gab.

Einige Schriftsteller meinen, daß die Cimbern durch große Ueberschwemmungen oder einen Ueberfall der Gothen von der cimbrischen Halbinsel vertrieben worden sind. Diese Annahme ist jedoch kaum wahrscheinlich. Ich möchte viel eher glauben, daß sie aus eigenem Antriebe oder auf einen Wink des Schicksals oder aus dem Verlangen nach fremden Schätzen wohnlichere Gegenden aufgesucht haben, zumal sie vor Gefahren, Anstrengungen und Schwierigkeiten nicht zurückschreckten, fremde Länder zu erobern und in Besitz zu nehmen. Und nicht die Cimbern allein, sondern auch andre, ihnen benachbarte Völker verließen ihre Wohnsitze und siedelten sich in anderen Gegenden an. So machten es die Gäten, Dacier, Sueven, Teutonen oder Tuiskonen (von Aska, dem Sohne Gomers, der auch Tuiskon heißt) und die Saker; Völkerschaften, die unter etwas veränderten Namen als Sachsen, Germanen, Dänen und Gothen noch heute Nachbarn der Cimbern sind.

Uebrigens waren die Cimbern immer ein aufgewecktes, betriebsames und kriegerisches Volk. Dies wird nicht nur durch ihren Namen, sondern auch ihre kühnen und heldenhaften Taten bezeugt. Von ihnen sollen die Sigambrier abstammen, was allerdings von einigen Gelehrten bestritten wird.

Nach einer Reihe von Königen, die von altersher über die Cimbern oder Cimmerier herrschten, kam die Gewalt auf [014] Antenor II., den Sohn des Marcomyrus. Das Reich war durch glückliche Kriege und Eroberungen der Vorfahren bedeutend vergrößert worden und erstreckte sich vom Rhein bis an das deutsche Meer. Antenor heiratete die Tochter des benachbarten Königs der Britten, namens Cambra. Nach dieser Frau, die wegen ihrer glänzenden Geistesgaben bei dem König in Gunst und Ansehen stand, wurde der Volksstamm Sigambrier genannt. Dies geschah im Jahre 3550 nach Erschaffung der Welt, als Ataxerxes Longimanus König in Persien war.

Auf Antenor folgte sein Sohn Priamus. Unter seiner Herrschaft behielt das Volk nicht nur den Namen der Sigambrier, sondern vermischte auch seine Sprache mit dem Idiom der Sachsen, welche die Cimbern am rechten Rheinufer antrafen, wohin sich ihre stetig wachsende Herrschaft ausgedehnt hatte.

Etwa 300 Jahre später, um 3840 nach Erschaffung der Welt, unter der Regierung Meradocus I., wurden sie von häufigen Ueberschwemmungen des Rheinstromes und der Nordsee heimgesucht und schließlich sogar gezwungen, ihr Wohngebiet zu verlassen. Sie siedelten sich im Harz und in Thüringen an, wurden aber bald von den Bojern wieder vertrieben. Da setzten sie über die Donau und ließen sich in Tirol nieder. Hier begannen sie unter Meradocus II. die Streitkräfte des Stammes zu sammeln und mit den Ambronen und Teutonen vereinigt, Einfälle in Gallien und Italien zu machen. Von Cassandrus I. nach Tirol zurückgekehrt, versuchten sie mit großer Macht — der Heereszug soll an 300 000 Köpfe gezählt haben — durch Helvetien und Gallien nach Spanien vorzudringen, wo ihnen aber von den Kelten eine empfindliche Niederlage bereitet wurde, daß sie sich zurückziehen mußten. Sie zogen raubend und plündernd durch Gallien und schlugen nach erneutem Bündnis mit den Teutonen und Ambronen die Richtung nach Italien ein. Dies geschah um das Jahr 110 vor Christi Geburt. Das erste Heer der Römer unter dem Konsul Papyrius Carbo ward in Illyrien vollständig aufgerieben. Bald darauf besiegten sie auch Mutius Junius Sylvanus, damals Konsul, der sich in ein unglückliches Treffen mit ihnen einließ. Nach diesem Siege schickten sie Gesandte [015] an den römischen Senat und verlangten Aecker und Wohnstätten, die ihnen aber verweigert wurden.

Bald nach der zweiten Schlacht fiel Aurelius Scaurus, ein Legat der versprengten Truppen, in ihre Hände. Von seinen Häschern in die Volksversammlung geführt, suchte er sie durch Drohungen zu erschrecken: „Sie sollten sich, auch wenn die Alpenpässe eingenommen wären, nicht nach Italien wagen, denn die Römer wären unbesiegbar.“ Als er dies gesagt hatte, stieß ihn König Bolus im ungestümen, jugendlichen Uebermut mit eigener Hand nieder. Nach Tacitus soll dieses im Jahre 640 nach der Erbauung Roms geschehen sein. Andere Schriftsteller weichen aber in der Zeitangabe von Tacitus ab.

Die Römer aber, beunruhigt durch das Herannahen eines so großen, siegreichen Volksstammes, boten jetzt alles auf, um rechtzeitig dem Einfalle des Feindes zu begegnen. Sie zogen ein starkes Heer am Fuße der Alpen zusammen. Im Jahre 649 nach der Erbauung Roms kam es an der Rhone zur Schlacht. Wiederum erfochten die Cimbern einen glorreichen Sieg über die Römer. Sie erschlugen 80 000 Soldaten, 40 000 Troßknechte und Sklaven und erbeuteten die Lager der Konsulen. Kaum zehn, wird behauptet, entflohen von diesem gewaltigen Heere. Der Prokonsul, Cajus Manlius, der den Oberbefehl gehabt hatte, fiel im Kampfe. Der Prokonsul Quintius Servilius Caepio rettete sich durch die Flucht und brachte die Kunde von der Niederlage nach Rom. Er verlor mit dem Oberbefehl alle öffentlichen Aemter und wurde im Gefängnis getötet, weil man glaubte, daß durch seine Unbesonnenheit die Schlacht verloren war und daß er aus dem Tempel zu Tolosa das delphische Gold hatte rauben lassen. Sein Leichnam wurde von den Gemonischen Treppen herabgestürzt. Nie haben die Römer eine größere Niederlage erlitten! Lähmende Furcht bemächtigte sich aller Gemüter und tiefe Besorgnis über den Ausgang des Krieges. Schon hörte man von dem schnellen Anzuge der Feinde, die der Stadt den Untergang gedroht hatten. Die einzige Hoffnung der Römer war auf Cajus Marius, einen geschickten kriegskundigen Feldherrn gerichtet. Er leitete die Feldzüge in Afrika und hatte [016] eben Jugurtha, den König von Lybien, besiegt. Sie riefen ihn nach Rom zurück, verlängerten sein Konsulat auf mehrere Jahre und übertrugen ihm den Oberbefehl des Verteidigungskrieges. Kaum ein Jahr nach jener unglücklichen Schlacht an der Rhone eröffnete er den Feldzug. Auf den Rat einer Wahrsagerin enthielt er sich zwei Jahre hindurch jeglichen Angriffes und ernstlichen Zusammentreffens. Währenddessen wurde das römische Lager unablässig von den Feinden bestürmt, aber mit nicht geringerer Standhaftigkeit von Marius verteidigt. Nach Verlauf von zwei Jahren lieferte er die glückliche Schlacht von Aquae Sextiae gegen die Teutonen und Ambronen, die mit geteilten Heeresmassen den Weg nach Italien eingeschlagen hatten. In diesem furchtbaren Treffen fielen 20 000 Feinde, an 9000 wurden gefangen genommen. Die Zahl der Getöteten soll so groß gewesen sein, daß die Massilienser später ihre Weinberge mit den Gebeinen der Erschlagenen umzäunten und die Schlachtfelder, mit Blut und den verwesten Körpern gedüngt, eine reichliche Weinernte gegeben haben. Lucius Florus berichtet, daß die Teutonen in Aquae Sextiae nicht in einer, sondern in zwei Schlachten besiegt worden sind.

Während dieses, für ihre Bundesgenossen so unerwarteten und unglücklichen Ereignisses, forderten die Cimbern, die von Tirol nach Italien gezogen waren, abermals Wohnsitze vom römischen Senat. Sie waren zwar an Zahl und Streitkräften geschwächt, aber ihr Mut war ungebrochen. Wiederum mit einer abschlägigen Antwort beschieden, drangen sie vor und schlugen das Heer des Konsuls Quintus Catullus, das die Alpenpässe besetzt hielt, in die Flucht. Dann fielen sie in Italien ein und lagerten an der Etsch. Auch in diesem Kampf verließ Marius das Glück nicht, das ihm sein ganzes Leben hindurch hold war. Mit großer Schnelligkeit rückte er heran, vereinigte sich mit Catulus und lieferte am 29. Juli eine Schlacht, in welcher 140 000 fielen und über 60 000 in die Gewalt der Römer kamen. Der cimbrische Krieg, der zwölf volle Jahre dauerte, begann mit der Niederlage des Papirius Carbo und endete im 5. Konsulat des Cajus Marius mit der vollständigen Unterwerfung

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[017] der Cimbern an der Etsch. Aber die Cimbern hatten auch den Römern empfindliche Verluste beigebracht. Sie töteten ihre Feldherrn, nahmen sie gefangen, oder jagten sie in die Flucht und vernichteten fünf römische Legionen. Wäre es nicht der Beschluss der göttlichen Vorsehung gewesen, dass die Römer alle Nationen unterjochen und in einem ausgedehnten Weltreich ihre höchste Macht entwickeln sollten, hätten sie nicht rechtzeitig, in der größten Gefahr, einen Feldherrn gehabt, der ebenso tapfer und tüchtig, als er unglaubliches Glück hatte, Rom wäre vielleicht schon damals zerstört worden. Darum wird Marius auch mit Recht der dritte Erbauer und Befreier Roms von Plutarch genannt.

Die Vornehmen der römischen Bürgerschaft aber, die Gegner des aus kleinen Verhältnissen zu hohen Ehren gelangten Marius gewesen waren, mußten eingestehen, daß der Staat von ihm allein gerettet worden war. Die Römer kämpften in diesem Kriege mit Aufbietung aller ihrer Kräfte, der Kräfte des ganzen großen Reiches. Als die Gelder zur Anwerbung neuer Soldaten erschöpft waren, da trieb Marius alle Bundesgenossen zur Hilfsleistung an. Verbrecher sogar und Verbannte wurden, dem Gesetz entgegen, in die Legion eingereiht, um dem gefürchteten Feinde eine möglichst große Truppenmasse entgegenstellen zu können.

Nach diesem Siege berichtet Tacitus an der Stelle, wo er mit schönen Worten den Zug der Cimbern schildert, wurden die Römer zweihundert Jahre hindurch in fortwährende schwere Kriege verwickelt, von dem Konsulat des Caecilius Metellus und Papirius Carbo bis zu dem zweiten Konsulat Trajans. Uebrigens sind einige Schriftsteller der Meinung, daß die Cimbern in dieser Schlacht nicht völlig aufgerieben worden sind. Es sind jedenfalls keine authentischen Nachrichten darüber auf uns gekommen. Die furchtbare Niederlage an der Etsch hatte ihre Macht so geschwächt und gebrochen, daß sie ihr altes Ansehen nicht wieder herzustellen vermochten. Wahrscheinlich aber zerstreuten sich die Ueberreste des geschlagenen Heeres dergestalt, daß sie sich teils zum Asowschen Meere zurückwandten, teils mit neuen Eroberungsplänen in Griechenland und Pannonien [018] einfielen, teils sich nach Deutschland und ihrer ursprünglichen Halbinsel begaben. Daß nach dieser Zeit der Cimbern nirgends mehr gedacht wird, kann nicht auffällig erscheinen. Der Mißerfolg ihrer Waffen gebot ihnen, sich ruhig zu verhalten, und unter ihnen fand sich keiner, der ihre Taten und ihr Andenken der Nachwelt überliefert hatte. Unter der Regierung des Kaisers Augustus zahlten bekanntlich auch die Cimbern dem großen Kaiser Tribut, und da sollen sie einmal einen ehernen Kessel, der ihnen besonders heilig war, dem Kaiser zum Geschenk gemacht haben. Durch dieses Zeichen der Unterwürfigkeit wollten sie neue Vorteile bei den Römern erreichen.

Um dieselbe Zeit sollen sie von den Dänen besiegt und aus Jütland, dem oberen Teile des cimbrischen Chersons, der dem Gebiet der Dänen zunächst liegt und den sie damals inne hatten, vertrieben sein. Darauf sollen sie sich aus Furcht vor den Dänen in den Schutz der Herzöge von Sachsen begeben haben, doch gehorchten sie nicht ohne mannigfache Empörungen. Hier glaube ich einige Angaben von Cäsar inbetreff der Cimbern und Teutonen nicht übergehen zu dürfen. Er sagt nämlich, sie hätten bei dem Zuge nach Italien ihr Hab und Gut nicht fortbringen können und es diesseits des Rheines unter dem Schutz von 6000 Mann lagern lassen. Diese wären nach der Niederlage ihres Stammes in Italien viele Jahre von den Grenznachbarn bekriegt worden. Sie hätten aber das Gebiet behauptet und sich die ganze Umgegend zu eigen gemacht. Der ihnen verwandte Stamm der Aeduaker ward um die Zeit von Cäsar besiegt. Ihre Stadt, die von der Natur trefflich befestigt war, wurde zur Uebergabe genötigt. Aus Furcht verließen sie auch alle übrigen Städte und Kastelle. In der darauf folgenden Nacht überfielen sie die römischen Verschanzungen, wurden aber von Cäsar zurückgeschlagen und verloren gegen 400 Mann, sowie alle Kriegsvorräte. Cäsar ließ die Gefangenen und die Beute verkaufen. Von den Käufern wurde die Zahl der Gefangenen auf 53 000 geschätzt. Nach der Ansicht etlicher Schriftsteller sind die Aeduaker die Grenznachbarn der Nervier und Eburonen in der Gegend von Tournayo oder Lüttich gewesen. [019] Nach anderer Lesart sollen sie in Helvetien nahe den Tauriern gewohnt haben. Hieraus erklärt sich auch die Behauptung, daß diejenigen Cimbern, welche die Niederlage überlebten, sich in Helvetien niederließen. Jedenfalls darf angenommen werden, daß viele Cimbern aus Italien entkamen und sich über alle Länder zerstreuten.

Was endlich über die ältesten Sitten und Einrichtungen dieses Volkes gesagt werden kann, ist ungefähr folgendes: Die uralten Cimbern und ihre Nachkommen, die später in Holstein wohnten, sprachen dieselbe Zunge wie die Sachsen. Einen König oder Fürst hatten sie nicht; in Kriegszeiten wählten sie den tapfersten zum Anführer. Der Oberbefehl eines solchen Führers dauerte nie länger als der Krieg, dessen Leitung in seine Hände gelegt war. Adel, Bauern und Leibeigene[3] waren die drei unterschiedenen Stände. Den Titel eines Grafen und Baron kannten sie fast gar nicht, ebenso wie er jetzt bei den benachbarten Dänen und Schweden nicht gebräuchlich ist. Erst vor wenigen Jahren haben einige der Neuerung wegen oder aus Ehrgeiz diese bisher ungewöhnlichen Ehrentitel oder Rangbezeichnungen eingeführt. Die höchste Würde nach dem Kriegsobersten war der Stand der Ritter, den man wegen des Schmuckes, den sie trugen, den goldenen Stand nannte. Zu dieser höchsten Ehrenstufe hatte keiner Zutritt, der nicht durch kriegerische Tüchtigkeit sich ausgezeichnet hatte. Die Ritterwürde wurde ihnen als Anerkennung ihrer vollbrachten Taten im Angesichte des Heeres auf offenem Felde von dem Befehlshaber erteilt, unter dessen Leitung sie sich hervorgetan hatten. Diese Sitte bestand auch bei anderen Völkern, und zu unserer Väter Zeit brachte sie Franz I., König von Frankreich — in der Tat ein rühmenswertes Beispiel — wieder zur Geltung. Franz I. hatte in einer gefahrvollen Schlacht das kampflustige Volk der Schweizer geschlagen. Er selbst war allen voran in den ersten Reihen der Kämpfenden gewesen und hatte die Pflichten eines tapferen Führers und Soldaten erfüllt. Deshalb empfing er nach der [020] Schlacht aus der Hand Bayards, des Ritters ohne Furcht und Tadel, unter feierlichen Zeremonien die Insignien des Ritterstandes. In unserer Zeit aber suchen tapfere und des Krieges kundige Männer nicht mehr zur Ritterwürde zu gelangen, weil sie nicht mehr wie ehemals, verdienstvollen Männern, sondern Günstlingen von Fürsten verliehen wird. Sie suchen diese Würde durch ihren Reichtum zu erkaufen, um vor andern einen Vorrang zu haben. Zeugnisse ihrer Tapferkeit besitzen sie nicht und die Zeremonie wird dadurch nichts weiter, als ein müßiges Schaugepränge. Der Kaiser oder Herzog zieht sein Schwert und läßt es leicht auf die Schulter des Ritters gleiten. Mit diesem Ritterschlag werden Würde und Insignien jedem ohne Unterschied zuteil.

Um dieselbe Zeit ließen sich die Cimbern zugleich mit den Sachsen, zum christlichen Glauben bekehren und entsagten jedem heidnischen Götzendienst. Früher verehrten sie die Sonne und den Mond und andere falsche Götter und beteten sie in heiligen Hainen an. Sie konnten sich nicht denken, daß man ein himmlisches und unsterbliches Wesen in Häuser einschließen könne, die von Menschenhänden gemacht sind. Ueber die Unsterblichkeit der Seele hatten sie die richtigen Begriffe, da die Lehre von dem Stammvater Gomer auf sie vererbt war. Es galt bei ihnen die Ehe eines Mannes mit einer Frau. Nach dem Tode der Frau heirateten sie selten zum zweiten Male. Aber sorgfältig sahen sie darauf, daß ihre Frauen ihnen ebenbürtig waren. Vermischung mit anderen Ständen oder mit fremden Völkerschaften gab sie der Schande und Verachtung preis. Diejenigen, welche des Ehebruchs angeklagt und überführt wurden, straften sie in einer besonderen Weise, damit nur das edle Blut ihrer Vorfahren bewahrt bliebe. Die Sitte, wie sie Recht und Gerechtigkeit übten, war folgende: Der ganze Stamm, in gewisse Bezirke oder Kurien eingeteilt, kam, nach vorheriger Bestimmung von Zeit und Ort, unter freiem Himmel zusammen. Jeder freie Mann erschien in Kriegsrüstung, und die Edlen des Distriktes fungierten als Zeugen und sorgten für Ruhe und Sicherheit außerhalb der Gerichtsstätte. Die Streitenden traten in die [021] Mitte des freien Platzes und brachten Klage und Gegenklage vor. Die Versammlung hörte still und aufmerksam zu und zog sich dann zur Beratung zurück. Die Zeit, welche mit der Beratung verfloß, wurde Cura (Sorge) genannt. Nach sorgfältiger Erwägung der Streitigkeiten wurden die streitenden Parteien mit dem Urteil bekannt gemacht. Wollte der eine oder der andere nicht darauf eingehen, so stand es ihm frei, die Sache zwölf Schiedsrichtern zu übertragen und von diesen an die ganze Versammlung appellieren zu lassen. Ein Appellationsgericht wurde einmal im Jahre abgehalten, und noch heute findet man nicht weit von Rendsburg einen Ort, der von den jährlichen Gerichtssitzungen daselbst seinen Namen erhalten hat. Es pflegen dort auch jetzt noch Zusammenkünfte stattzufinden, um Zank und Streit der Nachbarn untereinander zu schlichten. Auf der Halbinsel gab es übrigens noch andere derartige Plätze, deren Andenken uns aber in den Ortsnamen nicht aufbewahrt worden ist. Das Verbrechen des Totschlags bestraften sie nicht wiederum mit dem Tode, sondern mit einer Geldstrafe, damit nicht durch einen unglücklichen Zufall zwei Menschen aus dem Wege geräumt würden, und diese Sitte ward bis zur Regierung Christians III. beobachtet. Christian glaubte, daß diese Sitte sich nicht mit den göttlichen und menschlichen Rechten vertrüge. Er änderte daher das Gesetz vor nicht langer Zeit dergestalt ab, daß jeder, der hinterrücks einen Menschen oder jemand wehrlos mit Waffengewalt getötet habe, seine Schuld mit dem Tode büßen sollte. Weitere Rechtsgebräuche wagte auch Christian nicht abzustellen; sie wurzelten zu tief im Volke.

Entstand einmal heftiger Zwist über Recht und Ehre, so daß bei dem Adel nach altrömischer Sitte der Zweikampf entscheiden sollte, ließen die Cimbern doch gerne den Streit von dem Kriegsgericht schlichten. Ihre Gräber hatten sie im Walde oder auf dem Felde und sicherten sie durch gewaltige Steinhaufen. Diese Grabmäler, Gigantenlager oder Hünengräber genannt, sieht man noch heute an vielen Stellen der Halbinsel. In späterer Zeit wurde es Sitte, nach dem Beispiel der alten Römer, die Leichname auf Scheiterhaufen zu verbrennen und [022] die Asche in Urnen zu sammeln. Spuren dieser Gewohnheit finden sich noch in unserem Jahrhundert.[4] Auf ihr Wort, ihre Verträge, ihre Taten, hielten sie mit der grössten Treue. Ihre Sündhaftigkeit und Wahrhaftigkeit war bewunderungswürdig. Es galt für schimpflich und ehrlos, in den geringfügigsten Dingen unzuverlässig zu sein. Solche Tugenden, von den edelsten Vorfahren auf die Nachkommen vererbt, können nie ganz verloren gehen und werden sich durch die Jahrhunderte bewähren. Nichts halten sie für schimpflicher, als das gegebene Wort zu brechen. Wer sich nicht scheut, es dennoch zu tun, den trifft öffentliche Schande und Verachtung. Die Weiber pflegen sie im Kriege zu begleiten. Sie waren in Heilkunst und Zauberei bewandert und prophezeiten den Ausgang der Schlachten. Auch in diesem Kriege, den zu beschreiben wir uns vorgenommen haben, sollen die dithmarscher Frauen dessen Ende vorausgesehen haben. Nach Julius Cäsar hat dieser Brauch auch bei den Germanen bestanden. Mütter und Matronen bestimmten durch das Los, ob es ratsam sei, eine Schlacht zu schlagen oder nicht. Die Männer fügten sich meist dem Orakel. Im Verteidigungskriege feuerten die Frauen ihre Männer zum Widerstände an und zogen den Tod der Gefangenschaft vor. Die Flucht war für den Mann vollständige Vernichtung. Er durfte nicht in sein Vaterland zurückkehren. Ihren Lebensunterhalt suchten sie sich mehr durch Handel als durch Ackerbau zu verschaffen.

Die Halbinsel war, wie gesagt, ebenes, sumpfiges und waldiges Land. Das Besitztum der Einwohner bestand größtenteils in Weiden, Aeckern, Seen und Waldungen und ward nach freiem Belieben benutzt. Die Bauern waren noch nicht, wie es jetzt der Fall ist, mit Diensten beschwert, die sie dem Adel leisten mußten. Dies wurde erst allmählich von denen eingeführt, die die ursprünglichen Einwohner von diesen Küsten vertrieben hatten. Hinzufügen will ich noch, daß die Dithmarscher Bauern ihre eigenen Besitzungen haben, die vom Vater auf den Sohn vererben, [023] auch sind hier die Lasten seltener und leichter, weil der Adel seine dortigen Besitzungen nicht selbst bewirtschaftete. Als das Land in andere Hände fiel, wurden die alten Gesetze von den Siegern abgeschafft und die ländlichen Erbstellen in käufliche verwandelt. Das Besitztum des Adels blieb aber zum größten Teil ungeschmälert und behielt seine Rechte und Freiheiten. Es war allodiales Besitztum. Wenn der Mannesstamm einer Familie erloschen war, so fiel der Besitz nicht an den Fürsten, sondern an die Agnaten weiblicher Linie, wovon auch unsere Zeit Beispiele aufzuweisen hat. Solche Gerichtsbarkeit, solche Rechtsgewohnheiten, solche Sitten und Gebräuche, wie sie sie von den Vorfahren geerbt haben, pflegen sie noch heute und halten sie als Vermächtnisse hoch und heilig.

Es ist schon gesagt worden, daß nach der Niederlage in Italien die Ueberreste der Cimbern sich zusammenfanden und in ihre Heimat zurückkehrten, wo sie den väterlichen Boden noch eine Zeitlang behaupteten. Allerdings waren sie vielfachen Angriffen ausgesetzt und verloren ein Gebiet nach dem andern. Zur Zeit der Geburt Christi nahmen die Dänen ihnen Jütland, einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Reiches. Außerdem wurden sie durch die Einfälle der Vandalen oder Wilsen auch Magrer genannt, beständig beunruhigt, und endlich auch des Landstriches beraubt, dem die Eroberer den Namen Wagrien beilegten. Die Cimbern begaben sich deshalb unter den Schutz der Sachsen. Als Karl der Große, der erste deutsche Kaiser, die Sachsen nach einem dreißigjährigen Kriege besiegte, wurde den Cimbern Wohnsitze in dem heutigen Flandern und Brabant angewiesen und ihre Länder den Obotriten und Vandalen überlassen. Indessen hat Graf Adolf II. von Schauenburg diese Provinz später von den Feinden zurückerobert.

Allen Berichten zufolge waren es von auswärtigen Völkerschaften zuerst die Sachsen, die eine gewisse Herrschaft über die Dithmarscher ausübten. Aus dem Hause der Sachsenherzöge, das Deutschland mehrere Kaiser gab, verlieh Otto der Große einem Edlen Hermann Billung das ganze Land der Cimbern nebst den Herzogtümern Braunschweig und Lüneburg. Hermann [024] Billung hatte nicht allein im Kriege sich Ruhm erworben, sondern auch im Frieden sich ausgezeichnet. Anfangs Oberst einer Truppenabteilung, stieg er bis zum Oberbefehlshaber des Heeres und in Anerkennung seiner Verdienste betraute ihn Otto mit der Verwaltung und Herrschaft jener Provinzen. Er und seine Nachkommen regierten hier 150 Jahre. Dann wurde Graf Adolf von Schauenburg mit dem Herzogtum Holstein belehnt. Dies geschah um das Jahr 1131 nach Chr. Geb. 329 Jahre später, nach dem Erlöschen der Grafen von Schauenburg wurde König Christian I. von Dänemark zum Herzog gewählt. Er stammte aus dem alten erlauchten Hause der Grafen von Oldenburg. Da er ein Nachkomme, Sohn der Schwester Adolfs, des letzten Herzogs von Holstein war, kam er in Besitz des Reiches seines Onkels und nahm seinen Titel mit in den seinigen auf. Durch Auszahlung einer Summe Geldes fand er diejenigen ab, die auch mit dem Schauenburger Hause verwandt waren und Anrecht auf die Herrschaft hatten. Seine Nachkommenschaft regiert jetzt in Dänemark, Holstein, Schleswig, Dithmarschen und Norwegen.

Den Stammbaum des Hauses lassen wir für diejenigen, denen er unbekannt ist, nachfolgen.

Wie viele und große Veränderungen und Wechsel der Verhältnisse durch die häufigen Einfälle benachbarter Völker diese Gegenden getroffen haben, wie viele verschiedene Herren das Land innegehabt, zu welcher Zeit das alles geschehen, das auszuführen würde für unsere Zwecke zu weitläufig sein. Unser Plan war, uns mit den ältesten Bewohnern der cimbrischen Halbinsel bekannt zu machen, ihren Sitten und Gewohnheiten nachzuspüren, und darin glauben wir dem vernünftigen Leser Genüge getan zu haben. Vollständigere Angaben finden sich in den Werken guter Schriftsteller und Annalen und können also dort von jedem nachgesucht werden.

Wir kommen jetzt wieder auf das Land der Dithmarscher zurück und wollen verfolgen, was wir versprochen haben. Dithmarschen erstreckt sich also sieben Meilen in die Länge, etwas weniger in die Breite und ist der Länge nach von der Natur stark befestigt. Von Osten wird es durch die breite Eider geschützt,

[025]
Dietrich von Oldenburg † 1440 Februar 14. Gemahlin
1401 1. Adelheid, Tochter und Erbin Otto VII. von
Delmenhorst. 2. vor 1425 Hedwig, Erbin von Holstein,
Witwe Balthasars von Mecklenburg, † nach 1440.

Christian I. geb. 1426, König von Dänemark seit 1448, Herzog von Holstein seit 1460, † 1481
Mai 22. Vermählt 1449 Okt. 28 mit Dorothea, Tochter Johanns von Brandenburg u. Witwe
Christophs III. von Bayern, Königs von Dänemark geb. 1422, † 1495 Nov. 26.

Johann I (Hans) geb. 1455 Juni 8, König von Dänemark, † 1513 Februar 21. Verm. 1473 Sept. 6 mit Christine, Tochter Herzog Ernst von Sachsen, geb. 1461 Dez. 23, † 1521 (Erlitt 1500 die Niederlage bei Hemmingstedt.) Friedrich I. geb. 1471, König von Dänemark 1513, † 1533 April 3. Vermählt 1. 1502 April 10 mit Anna, Tochter Johanns von Brandenburg, geb. 1487 Aug. 26, † 1514 Mai 3. 2. 1518 Okt. 9 mit Sophie, Tochter Bogislavs von Pommern, geb. 1498, † 1568 Mai 13.

Christian II. geb. 1481 Juli 2 wurde 1520 König von Schweden, ging 1523 aller seiner Würden verlustig. † 1559, Januar 25. Verm. 1515 Aug. 12 mit Isabella, Tochter Philipps I. von Spanien, geb. 1501 Juli 18, † 1525 Januar 20.
 

Christian III. geb. 1504 Aug. 12, † 1559 Januar 1. Verm. 1525 mit Dorothea, Tochter Herzogs Magnus von Sachsen-Lauenburg geb. 1511 Juli 9, † 1571 Oktobr. 7. Johann, Herzog von Gottorp geb. 1521, † 1580 Okt. 2 (Führte den Krieg 1559 mit Dithmarschen.) Adolph, Herzog von Schleswig geb. 1526 Januar 25, † 1586 Okt. 1. Verm. 1564 Dez. 17 mit Christine, Tochter Philipps I. von Hessen geb. 1543 Juni 29, † 1604 Mai 13. (Er war der Anstifter des Dithmarscher Krieges.)

Friedrich II., König von Dänemark geb. 1534 Juli 1, † 1588 April 4. Verm. 1572 Juni 20 mit Sophie, Tochter Ulrichs von Mecklenburg geb. 1557 Sept. 4, † 1631 Okt. 3.
 

[026] von Westen durch die Nordsee, im Süden bildet die Elbe die Grenze und im Norden deckten es weitgezogene Gräben und Festungswerke. Viele Herren besaßen diese Küste im Laufe der Zeiten, manche wurden von den Einwohnern getötet, manche vertrieben oder mit Gewalt unterworfen. Nach den Sachsen, welche die Dithmarscher nebst einigen Nachbarstämmen zuerst beherrschten, melden die Annalen von Grafen, unter deren Botmäßigkeit sie standen. Unter ihnen ist einer mit Namen Dedo, der von den Bauern getötet wurde und als seine Witwe Ida, eine Suevin von Geschlecht (ihre Oheime waren Kaiser Heinrich III. von väterlicher und Papst Leo VIII. von mütterlicher Seite), einen Grafen Etheler geheiratet hatte, ward ihr das gleiche Schicksal zuteil. Der dritte nach Etheler, Rudolf Marchio, der durch Erbfolge das Land erhalten hatte, wurde ebenfalls umgebracht und nachher auch sein Sohn. Größer noch war die Schandtat die das Volk an seiner Gattin Walpurga ausübte. Ihre Feste Boeklenburg, wo der Mord geschah, ward niedergerissen und zerstört. Ihr selbst schnitt man die Nase ab, verstümmelte ihr die Ohren und warf sie in den Strom, der noch heute davon seinen Namen hat. Rudolfs Bruder Hartwig, auf den das Recht der Herrschaft überging, übertrug sie dem Bischof von Bremen und ließ sich selbst in Stade nieder. Später unterwarf Heinrich der Löwe das Land der Dithmarscher und schenkte dem Abte zu Stade mehrere Besitzungen. Als er aber ins Land kam, um den Zehnten einzufordern, wurde er erschlagen, und seine Besitzungen erhielten andere Namen, um das Andenken an den gezahlten Tribut auszutilgen. Im Jahre 1186 zwang Adolf III., Graf von Holstein, die Dithmarscher zur Unterwerfung. Als aber die Dithmarscher den angesiedelten Adel aus dem Lande jagten, überließ Adolf dem Bischof Hartwig von Bremen die Herrschaft über das widerspenstige Volk. Hartwig, aus dem holsteinischen Grafengeschlechte stammend, war ein streitbarer Herr, und kam, unterstützt von den Grafen von Oldenburg und Schauenburg, mit großer Heeresmacht nach Dithmarschen. Er verwüstete das Land und zwang die Einwohner zur Uebergabe. Sie versprachen, Gehorsam zu leisten und einen jährlichen Tribut [027] zu zahlen. Allein, kaum waren die Heere entlassen, so hatten die Dithmarscher auch schon den Vertrag vergessen. Sie weigerten sich nicht allein, den Tribut zu bezahlen, sondern fielen im offenen Treubruch von Hartwig ab und gingen zu dem König von Dänemark über, jedoch mit der Absicht, sich bei der ersten Gelegenheit auch von seiner Oberhoheit loszusagen. Als Adolf IV. und die Stadt Lübeck 1227 mit König Waldemar von Dänemark in Krieg lagen und bei dem Dorfe Bornhöved eine blutige Schlacht lieferten, gingen die Dithmarscher, die dem König Heeresfolge leisteten, zu den Feinden über und führten den für Waldemar ungünstigen Ausgang der Schlacht herbei. Insgeheim hatten sie vor Beginn der Schlacht mit den Holsten verabredet, den König zu verlassen und zu ihnen überzutreten. Zum Zeichen wollten sie den unteren Rand des Schildes nach oben kehren. Sobald es zum Handgemenge kam, wandten die Dithmarscher, die die äußersten Flügel bildeten, wo der Kampf am hitzigsten war, plötzlich ihre Schilde und griffen die Dänen im Rücken an. Dieses unerwartete Ereignis erschreckte das königliche Heer dermaßen, daß es von allen Seiten überwunden wurde. Unter den Gefangenen befand sich auch Herzog Otto von Braunschweig, ein Neffe des Königs. Der König selbst rettete sich nur mit genauer Not durch die Flucht. So setzten sich die Dithmarscher durch schändliche Treulosigkeit in den Besitz der Freiheit. 62 Jahre später sandten die Grafen Heinrich und Johann, eingedenk ihres alten Rechtes, wieder ein Heer nach Dithmarschen. Es wurde aber gleich in der ersten Schlacht besiegt.[5] Viele verloren ihr Leben, die übrigen entzogen sich durch die Flucht den grausamen Händen der Feinde. Die beiden Herzöge selbst kamen erst im Dunkel der Nacht über die Grenze. Nach Verlauf von 31 Jahren entstand ein Zwist unter den Grafen von Holstein, so daß beide Parteien zu den Waffen griffen. Die Dithmarscher benutzten diese Gelegenheit und rückten verheerend und brandschatzend bis Kiel vor. Mit Beute beladen wollten sie auf verschiedenen Wegen in ihre Heimat [028] zurückkehren. Graf Gerhard von Holstein verfolgte sie in Eilmärschen und erreichte sie kurz vor Tagesanbruch in Bornhöved, wo sie übernachtet hatten. An 5000 ließ er niederhauen, einige stürzten in den benachbarten Sumpf, andere sprangen über Kopf ins Wasser und kamen um. Stolz auf diesen Sieg zogen zwei Jahre später Gerhard und Johann ihre ganze Truppenmacht wider sie zusammen. 14 andere Herzöge leisteten ihnen Hilfe und am Geburtstag unserer heiligen Jungfrau Anfang Herbst rückten sie in Dithmarschen ein. Ohne Widerstand gelangten sie bis zu dem Ort, der von den Einwohnern Norderstrant genannt wurde, dem Mittelpunkte der Marsch. Hier widersetzten sich die Dithmarscher. Zweimal jedoch mußten sie der Uebermacht weichen. 1200 fielen, die übrigen stürzten sich aus der Flucht in die offene Kirche, verschanzten sich in aller Eile und hofften, sich auf diese Weise gegen die Gewalt der Feinde zu wehren. Als sie jedoch bemerkten, daß die Soldaten auf Befehl des Anführers Holz zusammentrugen, um es, in Brand gesteckt, in die Kirche zu werfen, erfasste sie namenloser Schrecken. Sie gelobten, dem Grafen von Holstein unterwürfig zu sein und baten demütig um ihr Leben. Die Holsteiner schenkten den Versprechungen der Dithmarscher jedoch keinen Glauben, und das um die Kirche aufgeschichtete Holz wurde angezündet. Schon fingen die bleiernen Dachpfannen der Kirche vor Hitze an zu schmelzen. Den furchtbarsten Tod vor Augen, wurden die Dithmarscher zur Verzweiflung getrieben und wagten einen Ausfall. Sie stürzten sich auf die Feinde, die die in der Kirche eingeschlossenen Dithmarscher für verloren gehalten hatten und nicht zum Kampfe gerüstet waren. Nur Graf Gerhard von Holstein und Herzog Heinrich von Mecklenburg entrannen unversehrt mit einigen wenigen. Es verstrichen mehrere Jahre. Da machten die Dithmarscher aufs neue Einfälle in Holstein, um Rache zu üben wegen der erlittenen Niederlage. Graf Nikolaus von Holstein begegnete ihnen in verschiedenen leichten Treffen, von denen das bei Tirperslo[6] das bedeutendste ist. Da die [029] Schlacht unentschieden blieb, kam es zum Waffenstillstand. Die schriftlich aufgesetzten und versiegelten Verträge besagten unter anderm, daß keine der beiden Parteien einen Feind aufnehmen und beschützen solle. Da der Vertrag auch für die Nachkommen gültig war, kam man später einmal auf diesen Punkt zurück. Herzog Ernst von Sachsen nämlich, der Schwiegervater Alberts von Holstein, zog im Jahre 1500 gegen die Dithmarscher, und nahm Beute aus ihrem Lande mit sich heim. Sein Rückmarsch führte ihn durch Holstein, und da seine Aufnahme daselbst als Feind der Dithmarscher gegen den Vertrag war, beschwerten sich die Dithmarscher über den Grafen von Holstein. Sie sandten Briefe an die benachbarten Fürsten und Städte und erklärten, es der Kriegssitte gemäß nicht hingehen lassen zu können, von dem Bundesgenossen des Grafen von Holstein in ihrem eigenen Gebiet überfallen und ausgeplündert worden zu sein. Sie forderten deshalb eine Vergütung für das ihnen zugefügte Unrecht. Als Gerhard dies erfuhr, berief er seinen Bruder Albert zu sich und machte ihm harte Vorwürfe, gegen seinen Schwiegervater so nachsichtig gewesen zu sein. Allein Albert erklärte durch einen Eidschwur, den er in Gegenwart der beiderseitigen Minister ablegte, feierlich und wahrhaftig, nichts von dem Vertrage gewußt zu haben. Gerhard, der die Unschuld seines Bruders erkannte, richtete zuerst zwei Schreiben an die Dithmarscher und dann an die Fürsten und Städte folgenden Inhalts: Er und sein Bruder könnten jede Beschuldigung mit gutem Gewissen von sich abwälzen. Die Dithmarscher hätten sich nicht entblödet, ihre Ehre und ihren guten Namen zu beflecken. Eine solche Beleidigung könnte nur mit Blut abgewaschen werden. Als die Dithmarscher sahen, daß die holsteinischen Nachbarn sie wieder bekriegen wollten, versprachen sie, durch Vermittlung des Reiches, die Unbill ungerächt hingehen zu lassen, wenn der Krieg abgehalten werden könnte. Die Fürsten ließen sich aber nicht bestimmen, ihren einmal gefaßten Plan aufzugeben. Nochmals versuchten [030] die Dithmarscher durch Briefe, die mit den Unterschriften jedes Geschlechtsobmannes versehen waren, die Fürsten umzustimmen. Sie gelobten, auf immer dem Grafen Gerhard und seinen rechtmäßigen Erben hold und gewärtig zu sein und den Holsteinern in allen Gefahren und Kriegen Hilfe zu leisten. Jedoch auch das wirkte nicht und der Krieg begann.

Anfangs war das Glück den Holsteinern hold, allein, unbeständig wie es nun einmal ist, verließ es sie späterhin. Mit vereinter Macht fielen sie in die Marsch ein, gewannen reichliche Beute und errichteten bei Delffbrügge ein festes Bollwerk. Dies war nach der gewöhnlichen Form solcher Festungswerke, ein Turm, viereckig und auf beiden Seilen mit ausgedehntem Gehölz umgeben, das den Durchbruch feindlicher Geschosse nicht gestattete. Zwischen den Bäumen aber hatte man an verschiedenen Stellen Oeffnungen angebracht, durch welche größere und kleinere Geschosse auf die Feinde geschleudert werden konnten. Die Dithmarscher rückten wiederholt zur Bestürmung des Kastells heran, wurden aber stets mit großem Verluste zurückgeworfen. Ihre Stadt Meldorf wurde mit Sturm genommen. Einen Ort Hanerau, an der Grenze der Marsch, versahen die Feinde mit Bollwerken und fügten von den Kastellen Thieleburg und Schwabstedt aus den Dithmarschern beträchtlichen Schaden zu. So war die Lage der Holsteiner eine überaus günstige. Da plötzlich kehrte ihnen das Glück den Rücken. Graf Albert, der durch die sogenannte Nordhamme in Dithmarschen eingefallen war und mit unermeßlicher Beute in sein Land zurückkehren wollte, stürzte auf dem Marsche mit dem Pferde und starb bald darauf an den Folgen dieses unglücklichen Falles. Alberts Anhänger suchten durch die Hansestädte Lübeck und Hamburg mit den Dithmarschern Frieden zu schließen. Gerhard aber wollte in die Friedensbedingungen nicht willigen. Er hatte beschlossen, Dithmarschen zu erobern und den Tod des Bruders zu rächen. Mit großer Heeresmacht zog er durch die Süderhamme in Dithmarschen ein. Er selbst als Führer einer auserlesenen Schar, besetzte den Ausgang der Pässe. Die Soldaten streiften auf den Aeckern und in den Dörfern umher, verwüsteten alles, was ihnen unter die Hände [031] kam und machten große Beute. Unterdessen hatten sich die Dithmarscher an den Engpässen zusammengezogen und bemächtigten sich mit Leichtigkeit der versprengten Feinde. Erst am vierten Tage kam es zur wirklichen Schlacht. Der erste Angriff war gegen die Knappen gerichtet, die im Vorderzuge die Waffen trugen. Sie erhoben beim Anblick der Feinde ein klägliches Wehegeschrei. Graf Gerhard, in der Meinung, daß sie wegen der Beute untereinander in Zwist geraten seien, eilte ohne Helm herzu, um den Streit zu schlichten. Die Dithmarscher, die sich im Dickicht des Waldes verborgen gehalten hatten, umzingelten im Nu das feindliche Heer. Alles wurde niedergemacht, mit unmenschlicher Grausamkeit erschlugen sie den wehrlosen Herzog. Zwölf Edle aus dem Ritterstande, dreihundert vom Adel, unter ihnen die ausgezeichnetsten Männer, deren Namen ruhmvoll in den Annalen der Geschichte verzeichnet stehen. Kurz, die erlesenste Mannschaft aus den Herzogtümern Schleswig und Holstein, die Blüte einer kräftigen und regsamen Jugend, fand hier ihren Untergang. Am folgenden Tage fand man noch zwei edle Holsteiner, Wolfgang Poggwisch und einen Rantzau, lebendig unter den Leichenhaufen. Sie wurden erst freigegeben, als der Abbruch des Kastells zu Delffbrügge, das die Holsteiner noch inne hatten, genehmigt wurde. Allein die Dithmarscher konnten sich in ihrer Grausamkeit nicht genug tun und verweigerten den Leichnamen der Gefallenen, die weit und breit ihre Felder deckten, ein ehrliches Begräbnis. So scheußlich kann nur blinde, unmenschliche Wut handeln. Den Leichnam des Herzogs und die Körper einiger edler Ritter wurden gegen hohes Lösegeld ausgeliefert. Die übrigen Leichname blieben gegen jede Sitte und jedes Völkerrecht unbegraben auf den Feldern liegen, Vögeln und wilden Tieren zur Beute. Erst den Gattinnen der in der Schlacht gefallenen Adligen, die einsahen, daß durch Bitten nichts bei den Dithmarschern auszurichten sei, gelang es durch eine glückliche List, ihren Männern eine Stätte unter der Erde zu bereiten. Als Nonnen verkleidet, suchten sie die Gebeine ihrer Gatten auf und ließen sie feierlich beisetzen. Der wilde und unversöhnliche Haß dieses Volkes, ja dieses rohesten aller Völker, [032] war nicht gestillt worden durch den Mord an Lebenden, noch an den Gebeinen der Toten mußten sie, ohne jedes Gefühl von Barmherzigkeit und Menschlichkeit, ihre Wut auslassen.

Nach dieser, für die Holsteiner so verderblichen Niederlage, erneute man die alten Bündnisse und schloß einen Waffenstillstand, der aber zehn Jahre später von den Dithmarschern übertreten wurde. Die Friesen hatten nämlich vier mit Schandtaten behaftete Dithmarscher zum Tode verurteilt. Die Dithmarscher, die ihren ganzen Stamm durch diesen Vorfall beleidigt glaubten, zogen gegen die Friesen, um den Schimpf zu rächen. Sie setzten über die Eider. Da die Friesen ihnen jedoch zuvor kamen, ertranken sie teils in dem Fluß, teils retteten sie sich durch eilige Flucht. Kaum war die Niederlage in Dithmarschen bekannt geworden, so griff man allerorts zu den Waffen und fiel in die Landschaft Eiderstedt ein. Die Dithmarscher verwüsteten alles, was ihnen in den Weg kam, mit Feuer und Schwert. Sie legten den Einwohnern eine Geldbuße auf und kehrten mit Beute beladen heim. Allein, da ihnen die geforderte Summe nicht ausgezahlt wurde, brachten sie von neuem ein Heer zusammen und fielen abermals in Friesland ein. Sie raubten und plünderten und stellten unerträgliche Friedensbedingungen. Sie verlangten unter anderm, daß alle Streitigkeiten zwischen den Friesen und ihnen durch einen Ausschuß von zwanzig Dithmarschern und einem Friesen geschlichtet werden sollten. Unwillig über solche Gewalttätigkeiten gegen seine Vasallen ermahnte Herzog Adolf von Holstein die Dithmarscher, sich ihres Bündnisses gemäß zu verhalten und mit den Friesen Frieden zu schließen. Da sie jedoch nicht abließen, die Friesen zu bedrängen, beschloß er ernstere Maßregeln zu ergreifen. Es kam indessen noch nicht zu Feindseligkeiten, da Adolf mit dem König von Dänemark wegen des Herzogtums Schleswig in Streit lag. Der Schaden, den die Friesen bei dem Einfall der Dithmarscher erlitten, wurde auf 200 000 Mk. geschätzt. In ihrer Anmaßung gingen die Dithmarscher so weit, sich zu Schiedsrichtern zwischen Dänemark und Holstein aufzuwerfen, und obwohl mit den Verhältnissen des Erbrechtes vollständig unbekannt, meinten sie in ihrer Unwissenheit,

[Ξ]
Erstürmung Meldorfs

[033] die schwierige Frage lösen zu können. Als nach geraumer Zeit Christianus I., König von Dänemark, alle jene Länder erbte, begab er sich nach Deutschland und erhob vor Kaiser Friedrich III. seine und seiner Vorfahren Ansprüche auf Dithmarschen. Mit Bewilligung aller Staaten und Stände des Reiches wurde er Herzog von Holstein und nahm den alten, beinahe vergessenen Titel an. Und damit das Herzogtum seine richtigen Grenzen erhalte, wurde ihm Storman und Dithmarschen einverleibt. Dies geschah im Jahre 1440 und wurde durch ein kaiserliches Diplom mit dem Reichssiegel bestätigt. Fünf Jahre darauf ließ der König die Dithmarscher nach Rendsburg entbieten, um ihnen die Urkunde des Kaisers vorzulegen und forderte, ihm darauf den Eid der Treue zu leisten. Die Dithmarscher wiesen diese Forderung auf das Entschiedenste zurück und beteuerten, daß sie unter der Oberhoheit des Erzbischofs von Bremen ständen. Der König drohte, sein Recht mit Waffengewalt zu erkämpfen, willigte aber schließlich in einen Waffenstillstand auf ein Jahr. In dieser Zeit sollten sie wohl überlegen, daß es doch am besten sein würde, sich einem großen Reiche anzuschließen. Nachdem der Waffenstillstand verschiedentlich verlängert worden war, starb Christian I. 1481, und sein Sohn Johann folgte ihm als König von Dänemark in der Regierung, während Friedrich Herzog von Holstein wurde. König Hans unterwarf Schweden, das sich empörte, seiner Herrschaft wieder und beschloß darauf, Dithmarschen mit Waffengewalt zu bezwingen. Bevor er aber den Angriff ausführte, forderte er die Dithmarscher auf, sich gutwillig zu unterwerfen. Als aber seine Bemühungen erfolglos blieben, kündigte er den Krieg an, schickte aber gleichzeitig nochmals Gesandte, die versuchen sollten, die Bauern zur Unterwerfung zu bewegen. Als aber auch dies vergeblich war, fiel der König mit einem wohlausgerüsteten Heere im Februar des Jahres 1500 in Dithmarschen ein. Er hatte außer dem Fußvolk und der Reiterei, die er in seinem Lande ausgehoben oder in benachbarten Städten angeworben hatte, 6000 Söldner, die ihm bei der Unterwerfung Schwedens treffliche Dienste leisteten und wegen ihrer Kühnheit, Grausamkeit und Plünderungswut der Schrecken der [034] Völker war. Vom Adel hatten sich ungefähr 2000 angeschlossen. Einige Tage verhielt sich das Heer im Angesichte der Feinde ruhig, bis die letzten Truppen, welche erwartet wurden, ankamen. Auch wollte man sehen, ob nicht vielleicht die Feinde Furcht bekämen und beim Anblick einer so gewaltigen Truppenmacht zur Uebergabe geneigt sein würden. Als man sich darin getäuscht sah, wurde die Stadt Meldorf angegriffen und mit Sturm genommen. Die Dithmarscher zogen sich mit aller Habe von der Geest in die Marsch zurück, wo sie entschlossen waren, Leben und Freiheit mit ihrem Blute zu verteidigen. Die vom König ausgesandten Kundschafter wurden aufgefangen und bis auf einen, der ein Friese war, getötet. Durch Drohungen und Folter brachten sie den Gefangenen dahin, ihnen zu entdecken, auf welchem Wege der König eindringen wolle. Als sie dies erkundet hatten, arbeiteten sie die ganze folgende Nacht, um einen Wall durch den lehmigen und von Gräben durchschnittenen Weg aufzuwerfen. Der König setzte sich trotz der Warnungen von Seiten einiger ortskundiger Holsteiner mit seiner ganzen Truppenmasse in Bewegung, um auf dem vorher bestimmten Wege die Bauern zu überfallen. Den Vorderzug bildete das Fußvolk, dann folgten die Reiter und den Zug schlossen die Wagen, die wegen der Beute mitgeführt waren. Als sie sich dem Walle näherten, richteten die Bauern ihre Geschosse auf die Feinde und warfen eine große Anzahl nieder. Dessenungeachtet rückte das Fußvolk, durch Faschinen gedeckt, vorwärts, drang über die Gräben und nahm die Ebene ein. Der Raum war jedoch so eng, daß man keine Reihen zum Kampfe bilden konnte. Diese Schwierigkeit wurde noch erhöht, als ein gewaltiger Sturm ausbrach, der von Regengüssen und Hagelwetter begleitet war. Der Weg, schon vorher durch tiefen Schlamm beschwerlich, wurde durch den Regen unzugänglich. Ueber Felder und Wiesen ergossen sich die Meereswogen, da die Bauern die Schleusen geöffnet hatten und Dämme und Deiche von selbst gerissen waren. Die ganze Gewalt der Elemente hatte sich mit den Dithmarschern verbündet. Soldaten und Pferde waren durchnäßt, und die Geschosse versagten den Dienst, da der Zündstoff durch die Nässe unbrauchbar wurde. [035] Die Dithmarscher warfen unaufhörlich Pfeile und einen Regen von Steinen auf die königlichen Truppen. Als sie sie nun von der Unbill des Wetters und der Ungunst des Terrains gleichsam in einer Falle sahen, da setzten sie mit vereinigter Streitmacht über die Gräben und schlugen nach zweimal wiederholtem Sturm die Feinde in die Flucht. Nach vollständiger Niedermetzelung des Fußvolkes gerieten sie an die Reiterei, die, in die Enge getrieben, sich nicht von der Stelle rühren konnte, da der Schlamm den Pferden bis an die Knie reichte. Im Rücken die Wagen, vor sich die Leichenhaufen und die darüber hinstürmenden Feinde, an beiden Seiten die wie Meereswogen tobenden Wasserfluten, härter bedrängt ist kaum jemals ein Heer gewesen. Die Bauern vernichteten mit Speer und Lanze Rosse und Reiter im blutigen Handgemenge. Kaum entkamen der König und sein Bruder Friedrich über die angehäuften Leichen der Ihrigen. In einem Zeitraum von drei Stunden erlitt das königliche Heer diese unglaubliche Niederlage. Selbst den Siegern schien es nachher undenkbar, daß sie in so kurzer Zeit ein so zahlreiches feindliches Heer sollten zu Boden geworfen haben. Der Walplatz lag zwischen Meldorf und Hemmingstedt und führt noch den bedeutungsvollen Namen „Dusenddüwelswarf“. Es fielen in der Schlacht die Grafen Adolf und Otto von Oldenburg und außer einer großen Zahl von Rittern und Edlen aus Dänemark und anderen Ländern allein gegen 60 von der holsteinischen Ritterschaft, darunter vier Rantzaus, ein Breida Rantzau, Bruder des berühmten Ritters Johann Rantzau, unter dessen Oberbefehl ein halbes Jahrhundert später die Dithmarscher besiegt und von Dänemark unterjocht wurden. Auch in dieser Schlacht mäßigte das übermütige Volk seine Grausamkeit nicht. Nicht zufrieden, in der Schlacht gemordet und niedergemetzelt, Lebende und Tote ihrer Rüstung und Kleider beraubt zu haben, wüteten sie auch jetzt wieder gegen die Leichname. Einige Tausend trug man zusammen und schüttete Erde darüber. Alle übrigen, vornehmlich die Reiter, blieben unbestattet liegen. Verwesung ergriff sie auf offenem Felde. Man sah, wie wilde Tiere, Hunde und gefräßige Vögel sich an den Leichen derer sättigten, die aus edlem Blute entsprossen [036] und reich an Tugenden und vortrefflichen Eigenschaften gewesen waren. Aber Gott, der allmächtige Rächer allen Frevels, rächte auch diese unwürdige Niederlage 59 Jahre später durch die Nachkommen der Gefallenen. Um diese Zeit wurden die Dithmarscher nicht weit von der Stelle, wo sie unseren Vorfahren jene empfindliche Niederlage beibrachten, überwunden, verloren ihre Freiheit, durch deren Behauptung sie den Zorn der Götter und Menschen hervorgerufen hatten und mußten das Joch einer rechtmäßigen, aber milden Herrschaft auf sich nehmen. Wenn ich vor der Beschreibung dieses Krieges ein Bild gab von den ältesten Sitten und Einrichtungen der Dithmarscher und von den voraufgegangenen Kämpfen für ihre Freiheit, so geschah es, um klarzulegen, welch’ ein unversöhnlicher und roher Geist diesem Bauernvolke innewohnte und welche Umstände Grund zu diesem letzten Kriege gaben. Ein billiger Leser wird mir verzeihen, wenn ich mehr Umschweife machte, als vielleicht für die Sache nötig war.

[037]
Zweites Buch.

Adolf, Herzog von Holstein, ein Mann von edler Gesinnung und Gerechtigkeitsliebe, hatte kaum das waffenfähige Alter erreicht, als er, empört über die schimpfliche Niederlage seiner Vorfahren, seinen ganzen Sinn darauf richtete, sie in ehrenvoller Weise zu rächen. Sein Plan war, durch einen neuen Krieg die alte Schmach und die alten Verluste zu tilgen, zugleich aber den Ruhm seines Namens, seine Macht und Einkünfte zu erweitern. Schämen müßte sich, meinte er, sein ganzes Haus, ja, der ganze cimbrische Stamm eines solchen Makels, wenn es die unwürdige Handlungsweise des übermütigen Volkes, das den alten Beleidigungen täglich neue hinzufüge, ungerächt hingehen lasse. Denn in diesem hinfälligen und armseligen Leben, dem die Natur enge Grenzen gezogen, sei nichts ruhmvoller und eines Fürsten würdiger, als zunächst das Heil seiner Seele im Auge zu haben und dann, durch Zeugnisse seiner Tapferkeit und Geistesstärke einen ruhmvollen Namen auf die späteste Nachwelt zu vererben. Das sei die zweifache herrlichste und ehrenvollste Frucht des flüchtigen irdischen Daseins, wenn man den Weg der wahren Tugend beträte und sowohl die angenehme Hoffnung eines immerwährenden Ruhmes genieße, als auch seine Herrschaft möglichst weit auszubreiten trachte. Ausgezeichnet als Fürst durch die herrlichsten Gaben des Körpers und Geistes, war er schon in frühester Jugend von dieser Gesinnung durchdrungen. Mit dem grössten Eifer legte er sich auf das Kriegswesen und suchte in brennendem Ehrgeize sich das anzueignen, was ihm dauernden Ruhm und einen unsterblichen Namen eintrug. Um den Kreis seiner Taten zu erweitern, begab er sich [038] an den Hof Kaiser Karls V., wo er sich in der höchsten menschlichen Gesellschaft und sozusagen im Angesichte des ganzen Erdkreises befand. Da der Kaiser bald seine kriegerische Tüchtigkeit und Brauchbarkeit erkannte, wählte er ihn zum ständigen Begleiter auf seinen Feldzügen. Adolf suchte sich überall die Herzen der Soldaten zu gewinnen. Durch reichliche Geschenke verpflichtete er sich besonders die Obersten, die nicht in schimpflich schmutzigen Gewinn durch Unterschlagung des den Soldaten zukommenden Soldes, sondern in wahres Lob den Lohn des Kriegsdienstes setzten, so daß er immer, wenn er es verlangte und bedurfte, ihrer Hilfe versichert sein durfte. Mit Ungeduld hatte er schon lange den Augenblick ersehnt, wo er den Dithmarschern die Schmach vergelten könnte. Mancher Plan wurde von ihm entworfen und mit wachsamem Auge wartete er auf eine günstige Gelegenheit, seine Entschlüsse zur Ausführung zu bringen. Eine solche Gelegenheit schien sich ihm auch endlich zu bieten. Nach der Belagerung von Metz entließ Karl V. einige Truppen, die sich unter dem Oberbefehle von Georg von Halle und Hildemar von Münchhausen ins Bremer Land begaben. Mit diesen erwog Adolf den Plan zum Kriege. Jedoch König Christian von Dänemark, ein frommer und friedliebender Fürst, stand, solange er lebte, den Versuchen seines Bruders hartnäckig entgegen. Sein vorgerücktes Alter und ein sehr wachsames Gewissen hatten eine große Scheu vor dem Kriege in ihm erzeugt. Mit Vernachlässigung seiner weltlichen und politischen Angelegenheiten hatte er nur das Heil seiner Seele im Auge und konnte durch keine Vorstellung dahin gebracht werden, zu einem Rachezug gegen die Dithmarscher seine Zustimmung zu geben. Adolf war unwillig über das Zögern seines königlichen Bruders, der, im Grunde genommen, den Bauern nicht weniger zürnte als er. Denn oft genug hatte König Christian im Kreise seiner Vertrauten das trotzige Bauernvolk verwünscht, doch sobald ihn der jugendlich ungestüme, tapfere Bruder bat, er möchte sich die Dithmarscher mit Gewalt unterwerfen, antwortete er: „Zwar verdienten sie harte Strafe, aber für ihn als Greis, der nicht auf Erweiterung seines Gebietes, sondern auf einen seligen Ausgang aus diesem Leben denken [039] müsse, sei ein Krieg, der schon an sich so viel des Uebels hätte, eine zu schwere Aufgabe, die zu lösen er seinen Nachkommen überlassen müsse. Kaiser Karl hatte auf die Bitte des Herzogs Adolf die Schenkung seines Großvaters Friedrich in betreff des Herzogtums Holstein bestätigt und stellte 1548 ein neues Diplom für die Gebrüder Christian, Johann und Adolf aus.

Allein, die Dithmarscher kümmerten sich ebensowenig um die neue Belehnung, als sie es hundert Jahre früher getan hatten. Kein kaiserlicher Spruch hatte Macht über sie, keine Oberherrschaft wollten sie anerkennen. Sie versagten den Gehorsam und erlaubten sich obendrein mancherlei Uebergriffe auf holsteinischem Gebiet. Außerdem wagten sie durch Schmähreden und Spottlieder Herzog Adolf zu verletzen. Da sie durch mehrere Jahrhunderte hindurch ihre Freiheit glücklich behaupteten, waren der Stolz und die Kühnheit dieses unbändigen Volkes zu der törichten Anmaßung ausgewachsen, daß sie sich für unüberwindbar hielten. In diesem eitlen und verderblichen Uebermut befangen, lehnten sie jegliche Vorstellung einer friedlichen Unterwerfung ab. Das Joch war mehrmals durch die Kühnheit und den Mut ihrer Vorfahren abgeschüttelt worden und sie waren gleichfalls bereit, sich mit der hartnäckigsten Gegenwehr zu verteidigen. Da war freilich nicht der Ort Gerechtigkeit, Billigkeit und Sittsamkeit zu suchen. Es konnten in Wahrheit keine so milden Bedingungen erdacht werden, aus die sie jemals eingegangen wären. Durch keine Güte und Nachsicht waren sie zu bestimmen, sich den Ideen des Völkerrechts zu fügen und Schaden von ihrem eigenen Lande abzuwenden. In ihrem Uebermute deuchte ihnen jede Gefahr gering. Sehen wir doch im Menschen zuweilen ein Geschwür sich bilden, dem kein Heilmittel hilft. Durch ihre Anwendung und Berührung wird es nur noch stärker gereizt. Es verbreitet sein Gift über den ganzen Körper und muß endlich den Tod herbeiführen. Einer solchen zehrenden Krankheit gleicht die Hartnäckigkeit trotziger und störrischer Menschen. Mit Strenge und Härte behandelt, um sie in den Schranken des Gehorsams und der Pflicht zu halten, schrecken sie vor keiner Gefahr und keiner verwegenen Tat zurück. [040] Wie vom Wahnsinn befallen, stürzen sie sich ohne Rückhalt in ihr Verderben und schenken vernünftigen Ratgebern kein Gehör. Läßt die Nachsicht der Obrigkeit ihnen Verzeihung für ihre Anmaßung widerfahren, um sie durch rücksichtsvolle Milde auf die Bahn des Rechtes zu führen, so wittern sie in dem Verfahren List und Trug. In solchem Wahnsinn befangen waren auch die Dithmarscher. Er führte sie so weit von dem Wege Rechtens, daß keine Milde, kein Uebereinkommen und keine Versprechungen imstande waren, sie zu besänftigen. Den König erfüllten, wie wir gesehen haben, diese Verhältnisse mit dem gerechtesten Unwillen. Er sah ein, daß hier nur Gewalt gebraucht werden konnte, aber daß es für ihn, dem Tode Geweihten, nicht geziemend sei, noch am Abend seines Lebens einen blutigen Pfad zu betreten. Sein Bruder Adolf verhielt sich zwar ruhig, da er an der Ausführung seines Planes gehindert war, aber nicht ohne Groll und Aerger. Er hatte keineswegs den Gedanken aufgegeben, einstens die Schmach seiner Vorfahren zu rächen, sondern harrte nur einer günstigen Gelegenheit, ihn zu verwirklichen. Als nun der König im Alter vom 59 Jahren starb, da beschäftigte er sich mit der Wiederaufnahme des Krieges. Um die Zeit der Jahreswende,[7] als der holsteinische Adel einer alten Sitte gemäß in Kiel versammelt war, begab sich Adolf nach Kiel so schnell er konnte. Schnelligkeit war ihm überhaupt von großem Werte. Alle großen Angelegenheiten gelangen seiner Ansicht nach nur, wenn sie nach schnellem Entschluß ausgeführt würden. Adolf betrieb in Kiel vor allen Dingen die Sammlung von Geldbeiträgen und brachte in kurzer Zeit eine beträchtliche Summe zusammen. Um Ostern reiste er ohne jede Begleitung nach Wolfenbüttel zu Herzog Heinrich von Braunschweig. Es ging damals in Deutschland das Gerücht, daß Herzog Heinrich seine jüngste Tochter, die nachher die Gemahlin Philipps von Grubenhagen wurde, Herzog Adolf vermählen wolle. Ob bei diesem Besuch die Kriegsangelegenheiten verhandelt worden sind, [041] läßt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen. Es ist aber mehr als wahrscheinlich, daß der Braunschweiger in Adolfs Plan eingeweiht war. Bald nach seiner Rückkehr berief Adolf einen Konvent der holsteinischen Ritterschaft in Kiel. Er wollte Gelegenheit bekommen, ein Heer zu sammeln, ohne gerade seinen Plan zu offenbaren. Auch ließ er Truppen anwerben durch den Holsteiner Daniel Rantzau, einen kriegstüchtigen Mann, der schon in Italien unter Karl V. mit Auszeichnung gedient hatte und von Adolf zum Kommandanten der Burg Peine ernannt war. Ferner beauftragte er den Obersten Wolfgang Schonvesius, einen alten Kriegsmann, tüchtig im Dienst und allgemein beliebt bei den Soldaten, wie Joachim Blankenburg, Befehlshaber einer Reiterabteilung, ein Heer zu bilden. Alle diese Anordnungen wurden so heimlich betrieben, daß selbst seine vertrautesten Ratgeber nicht darum wußten. Nur Moritz Rantzau und sein Geheimschreiber Adam Traziger sollen seinen Plan gekannt haben. Der Grund seiner Verschwiegenheit war der, daß er hoffte, die Dithmarscher durch einen plötzlichen und unerwarteten Angriff und durch die Schnelligkeit seiner Maßregeln besiegen zu können. Unterdessen waren die Truppen ausgehoben und dem Feldzuge stand nichts im Wege. Es fragte sich nur, ob der künftige König von Dänemark, sein Neffe, und sein Bruder Herzog Johann von Holstein ihm allein den Krieg überlassen oder sich an seinem Unternehmen beteiligen würden. Er wünschte nichts mehr, als daß man ihn allein ließe und ihn nicht unterstützen werde und hatte dies um so bestimmter angenommen, als der König noch nicht in sein Reich eingesetzt war. Adolf brannte vor Verlangen, seine Herrschaft auszudehnen und sich an dem verhaßten Volksstamm zu rächen. Allein, er wußte ebensowohl, daß er, auf sich selbst gestellt, eines großen Heeres bedurfte, da er der Unterstützung von seiten der Holsteiner nicht gewiß war und auf die Dänen noch weniger rechnen konnte, als sie noch um ihren König trauerten und den Sohn und Erben noch nicht wieder auf den Thron gehoben hatten.

Uebrigens konnte er von der Mehrzahl des holsteinischen Adels überzeugt sein, daß, wann und wo er immer seiner Hilfe [042] bedurfte, er in keiner Gefahr ihn verlassen, sondern mit der größten Bereitwilligkeit ihn unterstützen würde. Denn wie anderwo, so hält auch der holsteinische Adel das Kriegswesen für seinen eigentlichen Beruf. Er folgt seinen Fürsten mit Anhänglichkeit und Treue ins Feld und ist überzeugt, daß sein Ruhm durch nichts mehr verherrlicht und verewigt wird, als durch Kriegstaten. Mit ausharrendem Eifer strebt er diesem Ruhme nach und hält die Schätze für die ehrenvollsten, die in den Anstrengungen des Krieges gewonnen werden. Er setzt lieber sein Leben aufs Spiel, als mutlos und feige der Schlacht zu entgehen. Kriegerische Tüchtigkeit und Standhaftigkeit gelten ihm für die höchsten Tugenden und nicht mit Unrecht, insofern Vernunft und Rat Anteil haben an der Regierung und Recht und Gerechtigkeit über Wohl und Wehe des Staates und der Fürsten waltet. Allein, Adolfs Pläne ließen sich nicht so verheimlichen, daß sie der Wachsamkeit des königlichen Statthalters in Holstein und Amtmannes von Segeberg, Heinrich Rantzau, entgangen wären. Als ein Mann von Einsicht und Klugheit durchschaute er die Sache und bemühte sich, rechtzeitig Anstalten zu treffen, um dem plötzlichen Ausbruch des Ungewitters vorzubeugen. Durch einen reitenden Boten benachrichtigte er den König von den Plänen, mit denen Adolf sich trug. Gleichzeitig offenbarte er seinem Vater, dem Ritter Johann Rantzau, einem Manne von durchdringendem Verstande und weiser Lebenserfahrung, den ganzen Sachverhalt. Er ließ ihn seine Befürchtungen wissen, welch’ ein Brand entstehen könne, welche Zwistigkeiten unter den Verwandten auszubrechen drohten, wenn das Unternehmen zur Ausführung käme. Er forderte ihn auf, sein Ansehen und seine Klugheit bei den Fürsten zu verwenden und das Unheil im Keime zu ersticken. Johann Rantzau richtete sogleich ein Schreiben an Herzog Adolf, in welchem er ihn bat, sich nicht unbedachtsam in ein Wirrsal von Schwierigkeiten und Gefahren zu stürzen. Er werde sich zu Feinden machen erstens die Dithmarscher, die an und für sich ein gefährlicher Feind wären und durch seine Geheimtuerei zweitens seinen Vetter, den König, nebst seinem Bruder Herzog von Holstein, drittens [043] die benachbarten Seestädte Hamburg und Lübeck. Endlich möchte ihm auch Mangel an Getreidezufuhr daraus entstehen, wenn ihm auch die Gelder zum Kriegführen nicht fehlen würden. Der König und die Seestädte, nicht ins Einvernehmen gesetzt, würden Macht haben, jegliche Ausfuhr von Getreide zu verbieten. Er bäte den Herzog, einen Vertrauten aus seiner Umgebung zu ihm zu schicken, mit dem er die Verhältnisse näher prüfen und untersuchen wolle. Nach Empfang des Briefes sandte der Herzog Bertram Sehestedt, einen ebenso klugen als ernsten Mann und Freund des Vaterlandes zu Johann Rantzau nach Neumünster. Sehestedt suchte mit wenigen Worten die Gefahren und Schwierigkeiten, auf welche Rantzau verwiesen hatte, als unbegründet darzulegen und forderte ihn sogar auf, sich an dem Feldzuge zu beteiligen. Johann Rantzau lehnte dies aber entschieden ab und erwiderte, er sei ja zu den ersten Beratungen zu dem Feldzuge nicht hinzugezogen, und der Fürst habe, in betreff der Dithmarscher, an dein Tauftage seines Neffen auf Bothkamp, den er selbst zur Taufe gehalten, seinen jetzigen Plänen durchaus entgegenlaufende Ansichten geäußert. Aus diesem Grunde und da der Plan ohne Wissen und Willen des Königs und seines Bruders entstanden sei, versage er jegliche Teilnahme an dem Unternehmen, würden sie aber hinterher Herzogs Adolfs Plänen bestimmen, so würde auch er bereit sein, seinem königlichen Herrn Heerfolge zu leisten. Er fügte wiederholt hinzu, wenn auf einstimmigen Beschluß und königlichen Befehl der Krieg erfolgen solle, so werde er nicht ermangeln, seine Kriegserfahrung und seine Tatkraft in den Dienst der Fürsten und des Vaterlandes zu stellen. Diese Antwort übergab er schriftlich dem Gesandten, dem sie unerwartet genug kam. Während diese Verhandlungen in Neumünster stattgefunden hatten, war Johanns Sohn Heinrich ebenfalls nicht untätig gewesen. Er hatte zunächst den Kurfürsten August von Sachsen von der Angelegenheit in Kenntnis gesetzt und ihn gebeten, mit Rat und passenden Mitteln zu helfen. Der Kurfürst erwiderte, er zweifle nicht an der Tüchtigkeit und edlen Gesinnung seiner Verwandten. Er sei überzeugt, daß sie nur solche Pläne entwerfen würden, die zum Nutzen [044] des Staates gereichten und dessen Ruhe und Sicherheit aufrecht erhielten. Ferner weihte Heinrich als königlicher Statthalter den benachbarten Fürstbischof und Kanzler von Lübeck, Andreas Barby, einen Mann von scharfem Geiste und feinem Urteil, in die Verhältnisse ein, und nachdem sie zu wiederholten Malen zusammen gekommen waren und die Sache reiflich überlegt hatten, faßten sie den Entschluß, ohne Wissen des Königs zwar, aber in seinem Namen, ein Heer auszuheben, das in erster Linie zur Besatzung der königlichen Burgen in Holstein dienen sollte. Mit Barby und dem Statthalter Heinrich Rantzau traf auch Johann Rantzau mehrmals zusammen, und man einigte sich dahin, die Sache so zu führen, daß zwischen dem König und seinen Verwandten keine Zwistigkeiten entständen. Kurz zuvor hatte auch der König Herzog Adolf freundlich und liebevoll um Aufklärung gebeten, zu welchem Zwecke er die Truppen sammle, ob er vielleicht einen Krieg gegen die Dithmarscher plane. Adolfs Antwort darauf war: Nach vielen und mannigfachen Beleidigungen durch die Dithmarscher und da sie täglich seinen Untertanen neuen Schaden bereiteten, habe er die Ueberzeugung gewonnen, daß es notwendig sei, dieses übermütige Volk mit Waffengewalt zu beugen. Er leugne seinen Plan nicht, habe ihn aber geheim gehalten, damit die Dithmarscher nicht vorher von der Gefahr in Kenntnis gesetzt würden. Deshalb suche er überall den Glauben an einen Krieg zu unterdrücken, möchten die Leute alles mögliche denken, wenn sie nur seine wirklichen Absichten nicht erraten würden. Er war besonders bedacht, die Nachbarstaaten durch Verheimlichung seiner Unternehmung zu täuschen. Durch die Verhandlungen des Statthalters Heinrich Rantzau mit Andreas Barby hatten aber die Lübecker und Hamburger Wind bekommen, daß in Holstein ein Krieg auszubrechen drohe. Die Hamburger, dem Schauspiel dieses Krieges am nächsten, witterten Gefahr und schickten Gesandte zu Andreas Barby, die anfragen sollten, ob der Krieg mit Zustimmung des neuen Königs unternommen würde. Dasselbe tat die Bürgerschaft von Lüneburg. Barby ließ den Städten sagen, daß der König an der Kriegsrüstung unbeteiligt sei. Sie möchten sich [045] selbst beim Könige überzeugen, daß er nur freundschaftliche Gesinnungen gegen seine Nachbarn hege. Die Gesandtschaften, die zwecks Erforschung der Kriegsrüstungen ausgeschickt waren, beschlossen, sich lieber an den Bischof als an den Statthalter Heinrich Rantzau zu wenden. Sie waren der Meinung, daß Heinrich Rantzau wegen der Niederlage, die auch seine Vorfahren in Dithmarschen erlebt hatten, feindlich gegen die Dithmarscher gesinnt und jedenfalls im Einverständnis mit den Plänen Adolfs, dessen vertrauter Freund und Genosse er am Hofe Karls V. gewesen war, sein müßte.

Unter solchen Verhältnissen kam Bertram Sehestedt, dessen wir vorhin gedachten, in Bordesholm, einem Kloster jener Gegend, mit Johann Rantzau zusammen. Er teilte mit, daß Herzog Adolf nach genauer Prüfung seiner Ratschläge ihm gefolgt sei und dem Könige und seinem Bruder Johann in einem Briefe verheißen habe, wenn sie mit vereinten Hilfsmitteln und vereinten Streitkräften gegen die Dithmarscher zu Felde ziehen würden, so sei er bereit, ihnen zwei Drittel des eroberten Dithmarscherlandes abzutreten, jedoch mit der Bedingung, daß sie sich auch an den Kosten der bisherigen Rüstungen beteiligen sollten. Dazu kamen noch einige andere Bedingungen von geringerer Bedeutung. Den Vertrag kündigte er dem Bischof zu Lübeck und seinem Sohne Heinrich Rantzau mit und trug ihnen auf, dafür zu sorgen, daß der König auf das Anerbieten seines Oheims eingehe und seine Truppen mit denen Herzog Adolfs zusammen rücken lasse. Nach einer nochmaligen Beratung entschloß man sich folgendermaßen: Der Statthalter Heinrich Rantzau sollte dem König in einem Briefe die ganze Sachlage möglichst deutlich auseinandersetzen, der Bischof dagegen persönlich nach Dänemark reisen und beim Könige vorstellig werden, daß es Ehrensache sei, an dem Kriege teilzunehmen. Johann Rantzau betrieb, obwohl der Vertrag noch nicht abgeschlossen war, die Anwerbung von Soldaten durch den Grafen Anton von Oldenburg. Auch Johann Barner, Burgvogt zu Pinneberg, einem würdigen Greise von ausgebreiteter Kriegserfahrung, bot er Geld zur Anwerbung von 300 Reitern. Mit dem Gelde pflegten die Reiter gedungen zu werden, nachdem [046] sie ihre Namen dem Obersten angezeigt haben. Darauf leisten sie den Fahneneid und treten in Dienst und Sold. Zu demselben Zwecke verhieß er Franz von Bülow eine bestimmte Summe Silbers. Gleichzeitig trat Andreas Barby die Reise nach Dänemarck an, und Heinrich Rantzau schickte Boten an den König, um ihn hinlänglich von dem Stand der Dinge zu unterrichten. Heinrich, als Stellvertreter des Königs in Holstein, riet entschieden, an dem Kriege teilzunehmen. Einer von den beiden Wegen, so argumentierte er, müsse notwendig eingeschlagen werden, und zwar wäre der kürzeste und gradeste auch hier der beste. Er könne Adolfs Plan entgegen sein und sich neutral verhalten oder er müsse in Gemeinschaft mit seinen Oheimen die Waffen ergreifen. Gesetzt den Fall, er stelle Adolfs Unternehmen Hindernisse in den Weg, so setze er sich keiner geringen Gefahr aus, denn Adolf hätte eine große Truppenmacht zur Verfügung. Sollte er aber vorziehen, neutral zu bleiben, so müsse er bedenken, daß Adolf allein den Ruhm davontrüge, das Land Dithmarschen bezwungen und unterworfen zu haben. Es sei jedenfalls am ratsamsten, mit vereinigten Kräften den Krieg zu beginnen. Der König ging auf diesen Vorschlag ein, und Herzog Adolf schickte daraufhin Johann Sehestedt, einen Bruder Bertrams, an den König und an den Herzog Johann. Adolf bat den König, er möge einige seiner Räte nach Neumünster schicken, denn er selbst könne sich aus dem Lager nicht mehr entfernen. Dorthin käme auch Herzog Johann. Sie würden sich über den Krieg beraten, wie es sich unter Verwandten ziemte, und falls sie sich einigten, gemeinsam die Kosten der bereits geschehenen Rüstungen zu tragen, würden auch Vorteil und Gewinn des Krieges ihnen in gleichem Maße zufallen. Es wurden noch zu wiederholten Malen Bevollmächtigte von der einen wie von der anderen Seite geschickt, da man sich über Ort und Zeit der letzten Zusammenkunft nicht einigen konnte. Endlich wurde beschlossen, daß die Fürsten mit ihren Ratgebern sich auf den 4. Mai in einem kleinen Dorfe bei Nortorf einfinden sollten. Und so geschah es. Die Fürsten verweilten über den Beratungen bis zu Anfang des folgenden Monates und trafen über Beginn und Art der Kriegsführung [047] folgende Verordnung. Adolf sollten die Kosten seiner bisherigen Rüstungen vergütet werden, sobald die erste Aushebung stattfände. Die Rückerstattung der bereits bezahlten Gelder dürfe nur auf Ausstellung einer eigenhändigen Bescheinigung geschehen. Die Kosten wurden auf 200 000 Taler geschätzt. Dabei waren jedoch die Gelder übergangen, die man den Soldaten bei ihrer Werbung als Handgeld gegeben hatte. Sie sollten bei der ersten Soldzahlung abgezogen werden. Sobald der Beitrag zu den Kosten bezahlt worden, sollte alles mit gemeinsamen Mitteln beschafft werden. Falls sie Dithmarschen besiegen und erobern würden, sollte das Land in drei gleiche Teile geteilt und durchs Los entschieden werden, welcher Teil einem jeden von ihnen zufalle. Bauern und Untergebene, die durch Plünderung oder Feuersbrünste Schaden erlitten, sollten keine Entschädigung erhalten. Keiner solle überhaupt Genugtuung dem andern schuldig sein. Jeder habe für sich selbst herzukommen. Unter solchen Vereinbarungen schlossen sie ein Bündnis auf Schutz und Trutz und begannen sofort die nötigen Anstalten zum Kriege zu treffen. Auf einstimmigen Beschluß war zunächst Johann Rantzau zum obersten Feldherrn des ganzen Krieges erwählt. Seine große Tapferkeit und Charakterstärke, seine Einsicht und Tüchtigkeit im Kriege befähigten ihn vor allem andern zu diesem wichtigen Posten. Er übernahm die Würde trotz seines vorgerückten Alters. Bertram Sehestedt, der zu seinem Unterfeldherrn ernannt wurde, schlug das Amt aus, weil er fürchtete, nicht in allen Punkten mit dem Oberfeldherrn übereinstimmen zu können. An seiner Stelle erwählte Johann Rantzau Franz von Bülow, der, obwohl ein Ausländer, mit dem holsteinischen Adel verschwägert und vor kurzem in königliche Dienste getreten war. Die Fürsten bestätigten unverzüglich seine Wahl und ernannten Männer aus ihrem Gefolge, die die Aushebung von Reiterei und Fußvolk besorgen und den Soldaten nach Kriegsbrauch den Fahneneid abnehmen sollten. Der König ernannte Nikolaus Rantzau, Amtmann auf Steinburg, und seinen Minister Holger Rosenkranz. Herzog Johann wählte Otto von Thienen und Caspar von Buchwaldt. Graf Adolf ernannte zwei Rantzaus, Nikolaus, mit [048] dem Beinamen Luscus und Paul,[8] den Sohn des Oberfeldherrn. Den Feldherrn wurden sogenannte Quaestores beigeordnet, welche die Finanzverwaltung hatten und sich stets in der Begleitung der Vertrauensmänner befanden. Heinrich Rantzau zahlte im Auftrage des Königs zur Anwerbung von Soldaten zunächst 1500 Taler, da eine grössere Summe in der Eile nicht aufzubringen war. Nun wurde zur Wahl von Kriegsräten geschritten, deren Aufgabe es sein sollte, die Oertlichkeiten zu besichtigen, die Absicht der Feinde auszukundschaften, die Auszahlung des Soldes zu besorgen, die Gefangenen anzunehmen und die gerichtlichen Untersuchungen zu leiten, kurz, auf alles, was den glücklichen Fortgang des Krieges befördern könnte, Acht zu haben, damit die mit der eigentlichen Leitung des Krieges Beauftragten nicht zu oft in ihrem Geschäfte unterbrochen würden. Zu Kriegsräten waren die edelsten und verdienstvollsten Männer der Ritterschaft gewählt worden. Zunächst Johann Rantzau, ferner sein Sohn Heinrich, Breida, Christoph und Moritz Rantzau, Bertram und Benedikt von Ahlefeld, Holger Rosenkrantz, Bertram von Sehestedt. Zur Beratung zogen sie hinzu Wolfgang Sonvesius, Wilhelm Waltherthumbius, Reimarus von Walde und einen älteren Obersten Christoph von Wrisberg, der sich in der Schlacht bei Drakenburg hervorgetan hatte. In Betreff der Werbung ward beschlossen, daß die Städter und Landbewohner nicht übermäßiger als nötig beschwert werden sollten. Dieser Beschluß wurde gefaßt, weil man fürchtete, daß sich mehr Freiwillige als man wünschte, von Ruhmsucht getrieben, dem Kriege anschließen würden. Trotz der scharfen Sichtung der Angeworbenen befanden sich schließlich doch über 500 Freiwillige im Lager unter Anführung von Jakob Blankenburg und Askamus von Halle. Ferner wurde bestimmt, daß kein holsteinischer Einwohner und Ackerbauer mit nach Dithmarschen zöge. Vielmehr sollten alle für den Fall eines unsicheren Schicksals und zweifelhaften Ausgang des Krieges zum Schutze der Grenzen zurückbleiben. Nikolaus Rantzau, Amtmann von

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Schlacht bei Norderstrand 1559.

[049] Steinburg, der als Oberst unter Karl V. gedient hatte und ein ausgezeichneter Befehlshaber war, wurde mit seinen Untertanen aus der Kremper- und Wilstermarsch zur Deckung der Elbe angestellt. Heinrich Rantzau der Aeltere, der den größten Teil seines Mannesalter den Waffen gewidmet hatte und im Kriege Christians von Dänemark gegen die Stadt Lübeck durch den Grafen von Oldenburg gefangen genommen war, später aber seine Freiheit erlangte, wurde Anführer der Friesen und Eiderstedter, um die Ufer der Eider zu besetzen. Zur weiteren Sicherheit versprach der König, seine ganze Seemacht aufzubieten. Die Schiffe sollten vor der Elbmündung Anker werfen, zur Deckung der Bundesgenossen und um dem Feinde alle Möglichkeit abzuschneiden, über die Elbe in die Nordsee zu entkommen. Alle Anordnungen wurden mit solcher Umsicht getroffen, daß die Dithmarscher von allen Seiten eingeschlossen wurden. Sie konnten weder fliehen, noch auf Hilfe von außen oder auf Zufuhr und andere zur Kriegsführung notwendige Unterstützung rechnen. Im Falle ihnen aber wider Hoffen und Erwarten das Schicksal in ihren Unternehmungen nicht günstig sein sollte, so könnten sie mit der an der Grenze aufgestellten Ergänzungsmannschaft sich leicht vereinigen, um den Andrang der Feinde auszuhalten und ein verlorenes Treffen wieder einzuholen. Zu gleichem Zwecke befahl der König dem Adel in Fünen und Jütland, im mißlichen Kriegsfalle ihre Reiterei gerüstet zu halten, um bei seiner Aufforderung sofort heranrücken zu können. Da bei dem gleichzeitigen Friedensschluß zwischen Spanien und Frankreich manche Offiziere entlassen waren, traf man mit ihnen die Uebereinkunft, mit ihren Truppenabteilungen zu des Königs Heer zu stoßen, sobald Hilfe nötig sein würde. Johann Berner, den wir schon erwähnten, hatte nochmals Befehl erhalten, 500 Reiter anzuwerben. Man fürchtete nämlich damals besonders, daß, während man mit der Unterjochung der Dithmarscher beschäftigt wäre, auswärtige Herzöge einen Aufstand erregen könnten. Auch die Haltung der benachbarten Städte ließ argwöhnen, als wollten sie gegen das Reich feindlich vorgehen. Für alle Fälle empfahl es sich, ein gewaffnetes Heer in Bereitschaft [050] zu halten. Alle Burgen in Holstein wurden befestigt und erhielten entsprechende Munition und Besatzung. Von der Fürstenversammlung erhielt auch der Graf von Oldenburg ein Schreiben mit der Aufforderung, zur Unterstützung mit einem Heer über die Elbe zu kommen. Auch über die Leistungen in betreff der Munition einigte man sich dahin, daß jeder von den Fürsten sechs Wurfmaschinen für den Kampf in der Ebene und zwei Böller zur Belagerung mit dem dazu gehörigen Gerät, und ebenso acht Packwagen zu stellen habe. Außerdem wurden 1000 Schanzgräber angeworben, mehrere Schiffsbrücken gebaut und die Zufuhr von Lebensmitteln besorgt. Es wurden alle Gutsbesitzer in Holstein verpflichtet, täglich eine bestimmte Menge Getreide ins Lager zu liefern, denn die Fürsten fürchteten, die Staaten möchten bei der ungünstigen Stimmung, die das Kriegsunternehmen hervorgerufen hatte, die regelmäßige Zufuhr verweigern. Kurz, alles, was zum Kriege gehört und was bei der Schnelligkeit der Anstalten durchzuführen war, ward angeordnet. Von einem längeren Aufschub rieten alle ab.

Es ging das Gerücht, daß die Bauern mit größter Anstrengung nach allen Seiten hin durch Anlegung von Gräben und Wällen ihre Verteidigung vorbereiteten. Die Pläne der Fürsten hatten ihnen nicht länger verborgen bleiben können. Die Dithmarscher wußten genau, daß das Ziel des Unternehmens ihre Unterjochung war. Sie beeilten sich daher, die Feinde nicht unvorbereitet ins Land fallen zu lassen. Der Krieg hätte noch mit größerer Vorsicht und geringerem Kostenaufwande geführt werden können, wenn nicht Graf Adolf so sehr geeilt hätte. Seiner Meinung nach hing alles Kriegsglück davon ab, die Dithmarscher möglichst schnell und unvorbereitet zu überfallen. Der König hatte sich erst nach langer Ueberredung bewegen lassen, an den Unterhandlungen in Nortorf teilzunehmen. Von ausländischen Offizieren und gedungenen Leuten wurde ihm eingeflüstert, er gehe einen gefahrvollen Gang. Unbewaffnet käme er zu einem bewaffneten Feinde. Auch von Verschwörungen gegen das Leben des Königs war die Rede und gewisse Personen sollten den Auftrag haben, Truppen gegen den König anzuwerben. [051] Briefe, die man später auffing, bewiesen, daß alles leeres Gerücht und Verleumdung war. Solche Art Leute, die dergleichen Gerüchte auszustreuen pflegen, gibt es an Fürstenhöfen meistens eine große Anzahl. Durch verleumderische Angebereien suchen sie die Gunst der Fürsten zu gewinnen. Gegen den einen erregen sie Mißgunst, gegen den anderen Verdacht. Durch Haß, Zwietracht und Bedrückung, durch den Fall anderer suchen sie Vorteil zu gewinnen. Mit solchen Kunstgriffen suchten jene Männer auch den König zu umstricken, der damals gerade die Zügel der Regierung in die Hand nahm. Aber das künstliche Gewebe von Schmeichelei und Verleumdung wurde durch die Wachsamkeit eines treuen Anhängers des Königs zerrissen. Heinrich Rantzau der Jüngere, der oben bereits als Kanzler des Königs eingeführt worden ist, ein Mann von großer Scharfsicht und gerader Sinnesart, wies den König auf die Haltlosigkeit dieser Gerüchte hin. Nur um Zwietracht zu erregen, wären sie erfunden, denn Zwietracht der Fürsten gewähre gerade denjenigen die meisten Vorteile, welche die Urheber jener unwahren Vorspiegelungen gewesen. Da sie Freunde seien und kein Eigentum im Lande besäßen, hätten sie nichts zu verlieren. Aus der Umwälzung der bestehenden Verhältnisse dagegen, die meistens eine Folge des Streites und der Zwietracht unter Fürsten sei, würden sie vielleicht zu Reichtum gelangen, woran in ruhigen Zeiten nicht zu denken wäre. Im übrigen wisse er sowohl von dem Grafen Adolf als von seinem Bruder und anderen, die ihm verwandtschaftlich nahe ständen, daß, falls jemand etwas gegen den König im Schilde führen sollte, so würden seine Verwandten alles daran setzen, solche Pläne zu vereiteln, denn nach der Art und Weise eines Italieners oder Spaniers zu handeln und heimtückische Pläne unter einem glatten Aeußeren zu verbergen, das sei im Lande der Cimbern etwas Unerhörtes. Der König ließ sich überzeugen und machte sich auf den Weg, obgleich die Vorstellungen seiner Schmeichler seine Furcht wachzuhalten suchten, so daß er die größte Vorsicht beobachtete und mit einer Bedeckung voll 500 Reitern nach Nortorf kam. Adolf dagegen begab sich auf zwei leichten Reisewagen, mit munteren [052] Rossen bespannt, auf die Reise, so daß er beim Anblick der bewaffneten Begleitung des Königs eher Ursache haben konnte, für sich zu fürchten. Nach beendeter Zusammenkunft trennten sich die Fürsten im besten Einvernehmen. Herzog Adolf begab sich nach Rendsburg, Herzog Johann auf seine Burg Gottorp, und beide betrieben die Rüstungen zum Kriege auf ihre Weise. Der König aber reiste mit seinem Kanzler Heinrich Rantzau nach Segeberg, der als Statthalter hier die königliche Burg inne hatte. Zwei Tage verweilte er als Gast bei Heinrich Rantzau und brach dann mit Zurücklassung seiner ganzen Bedeckung, nach Kolding in Jütland auf, wohin er den Adel aus Fünen berufen hatte. Er sollte sich daselbst mit Pferden und Fußvolk stellen. Der König nahm die Musterung der Mannschaften ab, dankte dem Adel, seinem Rufe Folge geleistet zu haben, und versicherte, daß er nur im Falle der dringendsten Not die erbetene Hilfe in Anspruch nehmen werde. Vorläufig beabsichtigte er nur, sich den Rücken zu decken und alle nötigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Dann inspizierte er das Lagergerät und die zum Marsch und zum Kriege erforderlichen Werkzeuge und Waffen, die auf sein Geheiß in Kolding aus verschiedenen Teilen des Reiches vereinigt waren. Am Tage vor Pfingsten kehrte er nach Segeberg zurück. In derselben Woche hatte die Aushebung der Reiterei und eines großen Teiles des Fußvolkes stattgefunden. Die Söldner unter dem Oberbefehl der Obristen Wolfgang Schonvesius und Reimer von Valde wurden während der Festtage gemustert. Als der König auf seiner Reise nach Kolding in Gottorp vorgesprochen hatte, war unter den Fürsten vereinbart worden, am Mittwoch nach Pfingsten eine Zusammenkunft in Hohenwestedt zu halten. Der König begab sich drei Tage vorher nach Neumünster, um dem Versammlungsorte näher zu sein. Am Tage vor der Zusammenkunft musterte er seine Leibwache und verteilte Belohnungen. Zum Fahnenträger ernannte er einen Dänen vom Adel mit Namen Georg Rautenus. Zum Obersten der Leibwache setzte er den Dänen Johann Trucius ein und verlieh ihm den Titel Marschall. Zu dessen Stellvertreter aber berief er den Holsteiner Joachim Brockdorff. Unter dieser [053] Reiterfahne dienten 400 Mann. Der Verabredung gemäß, trafen die Fürsten am 16. Juni mit ihren Räten und Kriegsobersten zusammen. Nach eingehenden Beratungen wurde einstimmig der Beschluß gefaßt, daß die zusammengezogene Reiterei und das zur Verfügung stehende Fußvolk innerhalb fünf Tagen in das feindliche Gebiet einrücken solle. Der König begab sich nach Schluß der Beratungen auf das Heinrich Rantzau gehörende Schloß Melbeck und verweilte daselbst vier Tage. Auf der Zusammenkunft war auch ein Schreiben abgefaßt, das, dem völkerrechtlichen Gebrauche gemäß, den Dithmarschern den Krieg ankündigte. Diese Art der Kriegserklärung nannte man auf Lateinisch Fecialum.[9] Sie wurde drei Tage vor dem Einrücken des Heeres von einem königlichen Parlamentär überbracht und gelangte am 20. Juni an die 48 Landesvorsteher der Dithmarscher. Es hieß in dem Schreiben: Da die Dithmarscher den rechtmäßigen Herren und der von Gott eingesetzten Obrigkeit sich nicht nur häufig und frevelhafterweise widersetzt hätten, sondern auch der Majestät und Würde der Fürsten entgegen gewesen wären, indem sie ihren Namen öffentlich verspotten ließen durch Schimpfen und gotteslästerliche Reden und ihre Untertanen mit Raub und Brand und Plünderung fortdauernd bedroht und geschädigt hätten. Auf Grund dieser Missetaten sei es beschlossen, sie mit Krieg zu überziehen und mit Gottes Hilfe zu unterwerfen. Die Fürsten erachteten es als ihre Pflicht, die bedrängten Untertanen gegen Raub, Plünderung und Gewalt zu schützen. Sie wären lieber der Strafvollziehung enthoben gewesen, aber die Dithmarscher hätten ihr Schicksal selbst gewollt. Sie möchten es noch als besondere Freundlichkeit ansehen, daß man ihnen den Krieg erkläre. Mit Rebellen und Mordbrennern werde sonst nicht also verfahren.

Der Bote, der das Schreiben überbringen sollte, streubte sich lange, dieses Amt zu übernehmen, weil er die Wut und Grausamkeit der Dithmarscher fürchtete. Allein, zum Tode verurteilt, ließ er sich durch Drohungen und die Furcht vor dem gewissen [054] Tode bestimmen, einem ungewissen Schicksal entgegenzugehen. Den Brief, [10] der mit den drei fürstlichen Siegeln versehen und an einem weißen Stabe befestigt war, brachte der Bote nach Heide, dem Hauptort des Landes, woselbst die 48 Regenten versammelt waren. Als sich das Gerücht von der Kriegserklärung verbreitete, stürzte das empörte Volk sich mit lautem Wutgeschrei auf den Boten. Die Landesregenten nahmen ihn jedoch in Schutz und ließen ihn in einer Privatwohnung sicher verwahren, während Rat über das Antwortschreiben gepflogen wurde. Am 18. Juni kehrte er mit einem Briefe an die Fürsten zurück. Wir geben den Inhalt, so gut wir es vermögen, in lateinischer Übersetzung wieder: Großmächtigster König, erlauchteste Herzöge! Mit Unwillen haben wir Euren Brief empfangen, der uns kund tut, daß Ihr gesonnen seid, uns mit Krieg zu überziehen, und daß Ihr uns unterwerfen wollt zum Gehorsam und zur Knechtschaft. Wir antworten Euch nicht mit beleidigenden, sondern mit demütigen Worten. Wenn Euch ein Recht zustände auf Dithmarschen, würden wir uns, wenn auch ungerne, doch billig fügen. Aber wir gehören dem Erzbistum Bremen. Wir haben unter dessen Oberhoheit und Gottes Beistand mehr als vier Jahrhunderte gestanden und werden in dieser Stellung zu bleiben trachten. Wir sind durch Urkunden und Dokumente von Päpsten, Kaisern und Königen hinreichend versichert. Wir können auch Euch ebensowenig als Euren Vorfahren Rechte einräumen, die Ihr nicht beanspruchen könnt. Wir haben Euch nicht herausgefordert, folglich versündigt Ihr Euch gegen Gottes und Menschen Gebot, gegen Versicherungen, die uns gegeben und durch königliche und fürstliche Siegel bestätigt worden sind. Wir geben Euch zu bedenken, wie frevelhaft Ihr gegen den in der goldenen Bulle geheiligten Frieden gehandelt und alles verletzt habt, was uns die Gnade Gottes durch lange Zeiten verliehen hat. Sollte unsere Handlungsweise in irgend einer Art unbillig gewesen sein, oder sollten wir uns eines Frevels schuldig gemacht haben, so [055] hätte man uns nach den Rechten richten sollen, um Euch in diesem Falle Genüge zu leisten, bieten wir Euch an, uns einer gerichtlichen Entscheidung zu unterziehen. Solltet Ihr wider unser Hoffen und Erwarten unser Anerbieten nicht annehmen, sondern uns und unser Land mit Gewalt zu unterjochen suchen, unsere Weiber und Kinder, Witwen und Waisen dem Untergange und Verderben preisgeben und Eure Hände mit unschuldigem Blut beflecken wollen, so stellen wir dem allerhöchsten Gott im Himmel unsere Sache anheim. Ihn werden wir im heißen Gebet Tag und Nacht anflehen, daß er uns, unser heiliges Recht und seinen gesegneten Frieden schenken möge, daß er Eure und unser aller Herzen in seine Gewalt nehmen und Euch mit seinem göttlichen Wesen erleuchten möge, von Eurem unseligen Vorhaben abzulassen und Eure Seelen von der schweren Schuld des Blutvergießens zu befreien. Eingedenk der verhängnisvollen Fahrten in unser Land, bitten wir im Namen unserer beiderseitigen Gattinnen und Kinder um Ruhe und Frieden. Solches wollen wir Euch in aller Ehrfurcht anempfohlen haben. In höchster Verehrung des Königs und der Herzöge die 48 Landesverweser und alle Einwohner Dithmarschens.

Am 19. Juni standen die ganze Reiterei und 30 000 Mann Fußvolk 9 Uhr vormittags bei Oelixdorf in der Nähe von Itzehoe an der Stör vereinigt. Der König und die Herzöge waren selbst zugegen. Man beriet noch über die Ordnung des Heeres und ließ dann ausrücken. Den Vortrab bildete ein Ausschuß aus den verschiedenen Truppengattungen, durch das Los bestimmt. Ihm folgte eine Reiterabteilung unter Moritz Rantzau. Dann kam die von Schonwesius und Reimarus von Valde befehligte leichte Artillerie. In der Mitte folgten die Leibwachen des Königs und der Herzöge nebst der auserlesenen Schar, die Waltherthumbius befehligte. Den Nachtrab bildeten 10 000 Mann unter Blankenburg und Theoderich von Halle. So rückte im stattlichen Zuge das Heer vor und schlug am Abend desselbigen Tages bei Albersdorf an der Grenze Dithmarschens sein Lager auf. Das ganze Heer war 39 000 Mann stark, wovon 4000 auf die Reiterei und 35 000 auf das Fußvolk kamen. [056] Es wuchs aber auf 50 000 an, als Graf Anton von Oldenburg mit 15 000 nachrückte. Anführer waren Wolfgang Schonwesius, Wilhelm Waltherthumbius und Reimar von Valde für das Fußvolk. Die Reiterei befehligten Joachim Blankenburg, Moritz Rantzau, Cais Sohn und Theoderich von Halle. Die Leibwache des Königs und der Herzöge wurde geführt von Johann Trucius, Bertram Sehestedt und Benedikt von Ahlefeldt. Fahnenträger war Adolf Gregor von Ahlefeldt. Das Fußvolk schlug jenseits des Flusses, der an dem Dorfe vorbeifließt, seine Zelte auf. Die Reiterei besetzte das Dorf selbst. In der Nacht hielten 3000 Mann Infanterie und 200 Reiter Wache. Da ereignete es sich, daß 18 Bauern eine Bombe explodieren ließen unter die wachthabende Mannschaft, ohne erheblichen Schaden anzurichten. Gleichzeitig meldete ein Soldat dem obersten Feldherrn, daß die Feinde sich zum Angriff auf die Wachtposten anschickten. Auf diese Nachricht ritt Johann Rantzau mit seinem Sohne Heinrich zur Rekognoszierung aus. Man gewahrte aber nichts von einer feindlichen Bewegung. Am folgenden Tage suchten die Einwohner ihre Pferde und Rinder in Sicherheit zu bringen, wobei an verschiedenen Stellen gekämpft und gefochten wurde. Auf beiden Seiten gab es sogar Tote, Verwundete und Gefangene. Häuser und Hütten im nächsten Umkreis des Dorfes wurden von den Soldaten in Brand gesteckt. Im Kriegsrat beschlossen die Hauptleute einstimmig, nicht eher das Lager zu verlassen, als bis man von den Plänen des Feindes unterrichtet sei. Zu diesem Zwecke wurden zunächst die Gefangenen mittels der Folter zu Aussagen gezwungen. Gleichzeitig begaben sich die Kriegsobersten unter Bedeckung der Waltherthumbischen und Blankenburgschen Schar ins feindliche Gebiet, um auszukundschaften, wie und wo dem Feinde am leichtesten beizukommen wäre. Man fand drei für einen Einfall passende Wege. Zu entscheiden war zwischen der Bestürmung der Thielenburg, Hamme und Meldorf. Diese drei Orte waren die festesten Bollwerke Dithmarschens, die durch Anlegung von Gräben, Dämmen und Wällen noch mehr befestigt waren. Der erste Angriff galt der Thielenburg.[WS 1] So stark und vortrefflich die Befestigungen auch [057] gemacht waren, dem Andrang der großen Truppenmassen vermochten sie nicht zu widerstehen. Beiläufig erfuhr man, daß mehrere Wagen mit Kriegsgerätschaften und Munition ins Innere gebracht worden waren. Heinrich und Moritz Rantzau ließen deshalb Wurfmaschinen auf die benachbarten Hügel bringen und beschossen die Feinde im Rücken, jedoch ohne Erfolg. Nun drangen von der anderen Seite die Bauern in 10 Abteilungen mit kleinen Kanonen vor, aber auch ihre Angriffe blieben erfolglos. Offiziere und Soldaten des königlichen Heeres warteten voll Ungestüm auf das Zeichen, mit Sturm in die feindlichen Reihen einzudringen. Allein Johann Rantzau trug Bedenken, ohne Einwilligung der Fürsten die offene Feldschlacht zu wagen. Der Feldherr, ein Mann von den ausgebreitetsten militärischen Kenntnissen und Erfahrungen, kannte wohl den Charakter der Söldner, bei denen Mut und Begeisterung mit dem ersten Angriff erlischt. Deshalb beschloß er, die Soldaten in einem schwierigen Unternehmen auf die Probe zu stellen. Er brach von der Thielenburg nach Hamme auf, einem stark befestigten Platze, der den Eingangspunkt in die Marsch bildet. Hier unterlag einst Herzog Gerhard von Schleswig dem tapferen Widerstande der Bauern. Bei Annäherung der Bundestruppen versandten die Dithmarscher einen Regen von Pfeilen und Geschossen auf die Feinde, ohne ihnen jedoch erheblichen Schaden zuzufügen. Nachdem ein dem Geschütz unmittelbar ausgesetztes Dorf eingeäschert war, zogen sie sich in ihr Lager zurück. Zur Auskundschaftung der Befestigungswerke und der nächsten Umgegend bediente man sich eines Dithmarschers namens Splittering. Er war vor sechs Jahren wegen Wilddiebereien im Holsteinischen ergriffen und in Gefangenschaft gewesen. Am folgenden Tage rekognoszierte man in der Gegend von Meldorf. Wegweiser waren ein Holsteiner, der in der Nähe der Stadt gewohnt und beim Ausbruch des Krieges in verstellter Flucht auf einem Lehmkarren sich fortbegeben hatte, und der Dithmarscher Barthold Peters. Dieser war aus seinem Vaterlande verbannt, weil er in einem Erbschaftsstreit mit seinen Landsleuten an das Reichskammergericht appelliert hatte, als er sich durch einen unbilligen [058] Rechtsspruch übervorteilt glaubte. Bei Meldorf fiel nichts Bemerkenswertes vor. Ein Pferd stürzte und von einem Dithmarscher Reinhold Ruhe, der unter den Deutschen in Frankreich gedient hatte, einem kühnen und starken Manne, ward auf einen Holsteiner eine kleine Handbombe abgeschleudert. Zurückgekehrt, statteten die Offiziere ihrem Oberfeldherrn Bericht ab. Johann Rantzau entwarf darauf den Plan, daß entweder auf die Thielenburg oder auf Meldorf der Angriff zu machen sei und berief zu dem Zwecke einen Kriegsrat. An drei Orten stand, wie wir erst bemerkten, der Eingang in die Marsch offen. Die Thielenburg war am stärksten von den Bauern befestigt. Ihre ganze Macht war dorthin zusammengezogen. Sie waren bereit, für die Freiheit des Vaterlandes, für Leben und Gut mit dem letzten Blutstropfen zu kämpfen. Hamme war, aller Ansicht zufolge, der gefährlichste Punkt, dessen Bestürmung das größte Wagnis schien. Von Nikolaus Rantzau kam an diesem Tage ein Bote mit der Meldung, daß Graf Anton von Oldenburg seine Truppen gegen Wedel vorrücken und über die Elbe setzen lasse. Auf diese Nachricht wurde beschlossen, nicht eher anzugreifen, als bis der Graf angekommen sei. Heinrich Rantzau sandte ihm ein Schreiben, in welchem er ihm Anweisung gab, wo er rasten und übernachten könne, um seinen Bedarf an Heu, Hafer und Wein zu bekommen. In dem abgehaltenen Kriegsrat stimmte Johann Rantzau für den Angriff auf Meldorf, das für den Hauptort galt und begründete seinen Plan in folgender Weise: Alle die früher bereits die Dithmarscher bekriegt hätten, waren bei genauer Ortskenntnis zu der Ansicht gekommen, daß es klüger gewesen wäre, Meldorf zuerst anzugreifen. Es läge in der Mitte des Landes und teile Süder- und Norderstrand voneinander. Wenn dieser Platz genommen sei, wären die Feinde getrennt, daß sie ihre Streitkräfte nie wieder zusammenziehen könnten. Getrennt würden beide Teile leicht zu unterwerfen sein. An der Stadt vorbei fließe ein breiter Fluß ins Meer, der die Trennung der Streitkräfte auf natürlichem Wege erleichtere. Die Erfahrung lehre ferner, daß, solange der Mut der Soldaten und ihre Kräfte frisch seien, man sie zu den schwierigsten [059] Unternehmungen gebrauchen könnte, wogegen durch zu langes Zögern Mut und Tatkraft geschwächt würden. In diesem Falle wäre auch noch zu beachten, daß die Soldaten gegen des Krieges unkundige Leute kämpfen sollten und bei dem ersten Angriff den größten Eifer zeigen würden. Wenn die Erstürmung des ersten festen Platzes gelänge, so würde man sie auch zu weniger schwierigen Unternehmungen gebrauchen können. Da, wie zu erwarten stehe, die Feinde mit Aufwand aller ihrer Kräfte, mit Hartnäckigkeit und Todesverachtung sich verteidigen würden, gelte es, die Stimmung der Soldaten auszunutzen. Seine Meinung wäre daher, daß, um ein möglichst schnelles und glückliches Ende des Krieges herbeizuführen, es am ratsamsten sei, einen Sturm auf das feste Meldorf zu unternehmen. Dieser Meinung des Oberfeldherrn trat Breida Rantzau entgegen. Zu verschiedenen Malen, so führte er aus, sei dieser Ort unglücklich von unseren Vorfahren bekämpft worden. Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen hätten sie nicht nur die Hoffnung auf Sieg aufgeben müssen, sondern wären nach harten Niederlagen sogar gezwungen gewesen, ihre Rettung in schimpflicher Flucht zu suchen. Allerdings wäre der Platz auch eingenommen worden, aber der Vorteil so gering gewesen, daß sie trotzdem die schmählichste Niederlage erlitten hätten. Er riete also entschieden davon ab, auf Meldorf vorzugehen, einen Platz, der den Vorfahren so unheilbringend geworden wäre. Er meine, daß die Thielenburg zu besetzen sei, die, weil weniger stark befestigt, mit leichter Mühe genommen werden könnte. Wenn das Heer einmal über die Bauern gesiegt hätte, würde es mit größerer Zuversicht schwierigeren Angriffen entgegengehen. In demselben Maße, wie ihr Zuvertrauen wachse, würde das der Feinde abnehmen. Wenn sie die festen Bollwerke nach und nach besetzen und einnehmen würden, müßte der Feind sich immer weiter zurückziehen und würde schließlich ganz in die Enge getrieben. Im Falle sein Vorschlag dem Kriegsrat annehmbar erscheine, hoffe er Gewähr für den glücklichen Ausgang des Krieges geben zu können. Er riet noch, bei Einbruch der Dunkelheit einige Fähnlein Reiter und Fußvolk zu seinem Bruder Heinrich zu [060] schicken, der mit einer großen Mannschaft aus holsteinischen Einwohnern gebildet, an der Eider stehe und nur auf Nachricht warte, um über den Fluß zu setzen und die Feinde im Rücken anzugreifen. Auf diese Weise müßte ihnen der Sieg mit Gottes gnädiger Hilfe gewiß sein. Breida Rantzau war der erste und vornehmste im Kriegsrat der Feldherrn, nicht allein wegen seines Alters, sondern mehr noch wegen seines scharfen Verstandes und seiner Beredsamkeit. Im Kriegswesen stand sein Ruhm allerdings weniger hoch, da er nämlich während der Belagerung der friesischen Stadt Dam durch den kaiserlichen Oberst Georg Schenk, von König Christian mit der Entsetzung beauftragt, sich hatte gefangen nehmen lassen. Ebenso war er als Befehlshaber in einem Kriege Dänemarks gegen Lübeck in die Hände des Grafen von Oldenburg gefallen. Der Oberfeldherr blieb dessenungeachtet bei seiner Ansicht und fand damit die Zustimmung des Königs und der Herzöge. Beim Verlassen der Versammlung meinte Breida Rantzau, der Ausgang würde lehren, wer den besten Rat erteilt hätte und Recht behielte. So ward denn auf der Fürsten Befehl der Beschluß gefaßt, Johann Rantzaus Plan auszuführen und zur Bestürmung Meldorfs zu schreiten. Alles Gepäck unter der Bedeckung von 1000 Mann Fußvolk und 40 Reitern sollte im Lager zurückbleiben. 2000 Mann sollten nach der Thielenburg aufbrechen und Blankenburg mit 200 Reitern ihre Flanken decken. Dieselbe Mannschaft wurde nach Hamme beordert, unter Anführung eines Hauptmannes, der in Blankenburgs Diensten stand. An beiden Stellen sollte eine Stunde vor dem Sturm auf Meldorf ein Angriff geschehen, damit die Feinde in mehrseitige Gefahren verwickelt und ihre Kräfte auf diese Weise geschwächt würden. Johann Rantzau hatte sich in dieser Berechnung auch nicht getäuscht. Kaum hatten die Besatzungen auf der Thielenburg und in Hamme das Anrücken der Feinde bemerkt, als sie durch Alarmfeuer sich gegenseitig von der Gefahr unterrichteten und Unterstützung und Verstärkung verlangten. 20 000 Mann, mit Brücken und Schutzdächern versehen, unter Anführung von Schonwesius, Reimar von Valde und Waltherthumbius, drangen darauf von [061] der Nordseite gegen Meldorf vor. Der Angriff sollte bei einer kleinen Hütte, die unmittelbar vor der Stadt liegt, erfolgen. Als Wegweiser diente Barthold Peters. Dietrich von Halle sowohl als der Graf von Oldenburg stießen zu dem Angriffsheer. Der Graf von Oldenburg kam mit Franz von Bülow von der Ostseite, indem er das Dorf Windbergen seitwärts liegen ließ. Ihm folgte Moritz Rantzau mit seiner Schar. Als Führer diente diesem vereinigten Heere jener Holsteiner der bei Meldorf gewohnt hatte und später nach Holstein zurückgezogen war. Auch die Fürsten rückten mit zwei Fähnlein gegen die Stadt vor, hielten sich aber außerhalb des Bereichs der Gefechtslinie. 4000 Mann blieben zum Schutze der Kanonen, die auf dem Galgenberg aufgestellt, mit Dämmen und Wällen aus Flechtwerk und Erde gesichert waren. Die zuerst ankommende Kolonne sollte durch Feuern ein Zeichen geben, und wenn eine Abteilung über das Geschütz hinaus vorgerückt sei, sollten die Fürsten die in der Nähe auf einem erhabenen Punkt belegene Mühle anzünden lassen und damit das Signal zum Angriff geben. Während dies geschah, hielt der Graf von Oldenburg bei dem Dorfe Hohenaspe eine Musterung seiner Truppen ab und brach denselben Tag mit dem ganzen Train auf. Am folgenden Tage schlug er in dem Dorfe Tensbüttel, eine halbe Meile von Albersdorf, im Feindesland, sein Lager auf. Er hatte auf seinem Marsche fünf Kastelle getroffen. Um dieselbe Zeit kam Sebastian Ersamenus als Abgesandter der Stadt Lübeck ins Lager. Er bot sich im Namen seines Staates an, die beiden streitenden Mächte zu vergleichen. Mit Genehmigung der Feldherrn sandte er seinen Geschäftsträger nach Hamme, um eine Erklärung der Dithmarscher zu verlangen. Er erhielt ein Schreiben mit der anmaßenden Unterschrift der Bauern: Wir Oberbefehlshaber, Obersten und Leiter des Krieges, zur Zeit in Hamme. Da der Gesandte, der Sicherheit halber mit einer Bedeckung abgeschickt worden war, entspann sich ein leichter Kampf mit den Feinden. Es fielen mehrere Dithmarscher, von Seiten der Holsteiner aus der Reiterei. Verwundet wurde ein Lüneburger aus der Adelsfamilie von Sporch, jedoch nicht tödlich. [062] Ersamenus, der einsah, daß die Fürsten, sich eben zum Sturm anschickend, sich aus Unterhandlungen nicht einlassen würden, verließ das Lager und kehrte nach Lübeck zurück. So zog man denn nach Kriegsrat vom 29. Juni, als sich die Sonne zum Untergang neigte, aus dem Lager. Voran gingen die Schanzengräber unter der Begleitung Theoderichs von Halle mit 4000 Mann. Ihnen folgte das schwere Geschütz, sowie die Fähnlein der Leibwache. Den Beschluß bildeten 30 000 Mann unter Schonwesius, Reimer von Valde und Waltherthumbius. Der Oberfeldherr Johann Rantzau rückte mit vier Fähnlein in Begleitung der Quartiermeister vor und brachte auf dem für die Kanonen bestimmten Hügel Wälle und anderweitige Befestigungen an. Schonwesius mit einigen Schanzengräbern und dem Wegweiser Barthold Peters drang bis zu dem Geschütz der Feinde vor. Ihm folgten 20 000 Mann Infanterie und Theoderich von Halle mit seiner Reiterei. Schonwesius, in der Hoffnung, vor Tagesanbruch die Brücken aufwerfen zu können, stürzte sich mit seinen Truppen in die größte Gefahr. Als er schon alle Schwierigkeiten des Marsches überwunden und eben der Wegweiser Barthold Peters bei dem heftigen Andrang der Feinde sich entfernt hatte, um sein zurückgebliebenes Pferd zu besteigen, wurde er von einem des Weges unkundigen Soldaten geradewegs in die tiefen Gräben hineingeführt. Barthold Peters war lange nicht in der Marsch gewesen, so daß die Veränderungen in Grabenanlagen ihm unbekannt waren. Die Soldaten wateten bis an den Hals im Wasser und wenn Theoderich von Halle ihnen mit seiner Schar nicht Hilfe gebracht hätte, wären sie elendiglich umgekommen. Theoderich von Halle wurde bei dem Rettungswerke in einen gefahrvollen und schwierigen Kampf mit den Bauern verwickelt, durch einen Pfeilschuß verwundet. Schonvesius wurde von einem kurzen, ehernen Geschosse durchbohrt und starb vier Tage darauf am Wundfieber. Er hatte seine Pflicht als Soldat erfüllt und seine Soldaten durch Wort und Beispiel angefeuert. Diesem Vorspiel folgte ein blutiger Kampf zwischen den nachrückenden Truppen und den Bauern. Lange wurde gefochten unter dem fortwährenden Feuer der Geschütze.

[063] Endlich erlahmte die Kraft der Dithmarscher. Sie wichen und ergriffen die Flucht. Die Soldaten drangen durch das Geschütz in die Stadt ein. Während hier mit schwankendem Glücke gekämpft wurde, ließ Heinrich Rantzau verabredetermaßen die Mühle vor der Stadt in Brand setzen. Auf dieses Zeichen rückten die Oldenburger heran und eilten, ihren Bundesgenossen zur Hilfe zu kommen. An drei Stellen sollten die Einwohner angegriffen werden, von der Seite durch Schonwesius, im Rücken durch den Grafen von Oldenburg und von vorne durch die Fürsten und Johann Rantzau. Die Ausführung dieses so wohl durchdachten Planes erlitt einen Verzug. Der Marsch ging langsamer vor sich, als der König forderte. Die Soldaten sollen Schuld daran gewesen sein und sich geweigert haben, vorzugehen. Allein, Johann Rantzau und Wriesberg feuerten die Artillerie an und drangen gradeswegs in die Stadt ein. Währenddessen erlitten die Truppen des Schonwesius beim Uebersetzen über die Gräben einige Verluste. Als Johann Rantzau, ein Führer voll unerschütterlichen Mutes und unbezwinglicher Tapferkeit, erfuhr, daß die Soldaten bei den Gräben in Gefahr seien, sprang er vom Pferde und mischte sich unter das Fußvolk, in dessen ersten Reihen er auf das Verwegenste mitkämpfte. Auf die Weise allein glaubte er die Soldaten anfeuern zu können. Er wollte nicht, daß man von ihm sagte, der Oberfeldherr habe furchtsam seine Soldaten verlassen. Das Beispiel tat auch hier Wunder. Es sammelte sich alles zum Angriff und drang auf die Bauern ein. Zwar kämpften die Dithmarscher mit ihren nervigten Gliedern und ihren gewaltigen Armen wie tapfere Männer in der letzten Entscheidung. Keiner von ihnen dachte vom Platze zu weichen. Jeder wollte das Schlachtfeld mit seiner Leiche decken. Wunden konnten ihren Mut nicht lähmen. Endlich, als ihre Reihen gelichtet, der Wall verloren und die Tore erbrochen waren, stand die Stadt den Siegern offen. Herzog Adolf mit drei oder vier Rittern seiner Grafschaft, der König mit seiner Leibwache und Heinrich Rantzau hielten ihren Einzug. In der ersten Wut und Siegesfreude der Einziehenden wurde alles niedergemetzelt, was sich in der Stadt und deren Umgebung vorfand. Alle [064] Straßen und Häuser füllten sich mit Leichen. Auch die Frauen schonte man nicht. Manche fielen den Soldaten zum Opfer, manche wurden als Gefangene aus der Stadt geführt. Während des Blutbades wurde es nämlich ruchbar, daß sich auch Frauen unter die Verteidiger gemischt hatten. Eine Frau soll sogar zwei Soldaten hintereinander mit dem Schwert erschlagen haben. So überwand die Liebe zur Freiheit und zum Vaterlande sogar die dem weiblichen Geschlechte angeborene Weichheit und Schüchternheit. Es fielen bei der Bestürmung von den Dithmarschern ungefähr 400. Auf der andern Seite betrug die Zahl der in der Schlacht Getöteten und später an den Wunden Gestorbenen gegen 100, unter ihnen der dänische Obrist Johann Strugmann. Auch erlag seinen Wunden, wie schon erwähnt wurde, Wolfgang Schonwesius, ein Mann, ebenso hervorragend als Mensch wie als Feldherr. Ferner der Fahnenträger in Daniel Rantzaus Schar. Wenn beim Anrücken der einen Abteilung nicht gezögert worden, sondern der Sturm von drei Seiten zu gleicher Zeit vor sich gegangen wäre, so würde den Bauern kein Ausweg zum Entkommen geblieben sein. Alle, die sich in der Stadt aufhielten, wären den unsrigen in die Hände gefallen. Allein, da die Reiterei auf der einen Seite zurückgeworfen wurde, entkamen sie in der Richtung, in welcher der Graf von Oldenburg mit seinem Heere heranzog. Ungefähr neun Fähnlein stark, zwanzig Stück grobes Geschütz mit sich führend, gingen sie gerade dem Heere des Grafen entgegen. Die Reiterei machte einen Angriff auf sie und Moritz Rantzaus Schar hieb gegen 300 von ihnen nieder, wobei er 25 Kanonen, eine große Menge Pulvers und einige Fahnen erbeutete.

So wurde am 30. Juni, um die elfte Vormittagsstunde, Meldorf erstürmt und eingenommen, seine Besatzung teils getötet und teils gefangen genommen. Die Soldaten blieben zunächst in der Stadt kampfbereit stehen, da das Gerücht verbreitet wurde, daß die Feinde sich an einem kleinen Flusse vor der Stadt zusammengezogen hätten. Als aber der Haufe durch die Reiterei auseinandergesprengt worden war, gestattete man den Soldaten, auf Plünderung auszugehen. Sie verließen gegen

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Schlacht bei Heide.

[065] Abend die Stadt und bezogen außerhalb ihre Quartiere. Die Reiter dagegen machten es sich im Orte bequem. Der Graf von Oldenburg schlug in dem Dorfe Ammerswurth, östlich von Meldorf, seine Zelte auf. Nicht weit von ihm Moritz Rantzau. Am folgenden Morgen wurde noch in der Stadt wegen eines Streites zwischen Fußvolk und Reiterei über die Beute Halt gemacht. Das Fußvolk beanspruchte die ganze Beute für sich, da besonders durch ihre Anstrengung der Sieg erfochten sei. Die Reiter hätten wegen der hindernden Gräben dem Feinde gar nicht beikommen können. Trotz des Dazwischentretens und der Vermittlung von Seiten der Feldherren, konnte es nicht verhindert werden, daß die Streitenden die Waffen gegen sich selbst kehrten. Das Ansehn der Fürsten beruhigte endlich die aufgeregten Gemüter und so wurde denn beschlossen, am folgenden Tage alle Truppen gegen Brunsbüttel vorgehen zu lassen. Die Ausführung dieses Planes wurde jedoch auf den dritten Tag hinausgeschoben, weil bessere Ratschläge gegeben waren. Reimar von Valde wurde mit 1000 Mann und Blankenburg mit einer Reiterabteilung zu Nikolaus Rantzau geschickt, der die Ufer der Elbe besetzt hielt. Rantzau sollte von Süden her Brunsbüttel angreifen, während der Oberfeldherr mit dem größeren Teile des Heeres den Ort von vorne zu stürmen gedachte. Jene Korps begaben sich nun auf Umwegen durch das holsteinische Gebiet zu Nikolaus Rantzau, um die Dithmarscher so wenig wie möglich von dem Plane merken zu lassen. Inzwischen fand eine Lager-Inspektion statt, die Toten wurden aufgesucht und beerdigt. Gleichzeitig wurde ein Kriegsrat abgehalten, was mit dem Gepäck geschehen sollte, und wie die Feinde, die sich in Hamme und an den höher gelegenen Orten Dithmarschens verschanzt hatten, anzugreifen seien. Schonwesius Leiche wurde, wie er es gewünscht hatte, nach Holstein gebracht und mit allen kriegerischen Ehren in Itzehoe beigesetzt. 40 Reiter begleiteten die Leiche. Da die Bauern alle Wege und Pässe, um die Zufuhr abzuschneiden, besetzt hatten, fürchtete man, der Leichnam möchte aufgefangen und von den Bauern geschändet werden. An Schonwesius Stelle trat Christoph Wriesberg. Es geschah dies auf besonderen Wunsch der Fürsten, obschon aller [066] Augen mehr auf Daniel Rantzau gerichtet waren, der durch vornehme Herkunft und große Kriegstüchtigkeit sich Hoffnung machen konnte. Der König hatte besonders Wriesberg ihm vorgezogen. Es sollte nicht heißen, daß der Krieg allein unter Leitung des Rantzauschen Geschlechts geführt werde. Von den Gefangenen erfuhr man, daß die Feinde einen heimlichen Kundschafter im Lager hielten, der unter anderem berichtet habe, es sei der Beschluß gefaßt worden, in der Nacht des Sturmes auf Meldorf eine Schar Reiter und Fußvolk nach Thielenburg zu schicken, um die Feinde an der Vereinigung zu hindern, während eine andere Abteilung der Truppen einen Angriff auf Hamme unternehmen sollte. Demzufolge habe die Besatzung von Thielenburg noch in derselben Nacht nach Meldorf geschickt, um bei so drohender Gefahr Hilfe zu erlangen. Von der Besatzung seien sofort 500 Mann nach der Thielenburg abmarschiert. Man sieht also, wie vorteilhaft der Plan war, nur dem Anscheine nach einen Angriff auf Thielenburg ins Werk zu setzen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß, wenn die Dithmarscher ihre ganze Macht an einem Punkte hätten konzentrieren können, sie vielleicht dem Feinde eine Niederlage bereitet hätten. Ohne Zweifel wäre ihren Gegnern der Sieg bei weitem schwerer gemacht worden.

Am dritten Tage nach der Einnahme von Meldorf brach Johann Rantzau mit dem Heere des Grafen von Oldenburg, den Wriesbergischen und den Waltherthumbischen Truppen nebst der Schar Moritz Rantzaus auf und lagerte sich an einem Flüßchen nicht weit von Brunsbüttel, wo die Feinde Befestigungen angelegt hatten, um unter Deckung das nötige Trinkwasser schöpfen zu können. Als man sich dem Flusse näherte, um auszukundschaften, wie in der Frühe am besten ein Angriff zu bewerkstelligen sei, wurde dem Obersten Wriesberg sein Pferd mit einer Schleuderkugel getroffen und sofort getötet. Am folgenden Tage, dem 8. Juli, als man sich den Feinden näherte, sah man im Flusse eine seichte, sandige Stelle, die sofort zum Durchgang benutzt wurde. Als die Bauern sich auf die Weise überrumpelt glaubten, verließen sie die Verschanzungen und ergriffen die Flucht. Die Reiterei saß schnell auf und versperrte [067] ihnen den Weg, so daß auch an diesem Tage 400 Feinde umkamen. Auch eine Fahne wurde erbeutet. In den letzten Tagen hatten die Dithmarscher wiederholt viele mit Korn beladene Wagen erbeutet und die Fouragiere der Holsteiner beständig beim Futterholen gehindert. Ein Edelknabe aus dem holsteinischen Geschlechte der von Qualen, welcher der Königinmutter einen Brief vom Könige überbringen sollte, war dabei von zwei Kugelschüssen schwer verwundet worden. Allein, da die Wunde nicht sofort den Tod herbeigeführt hatte, schleppte er sich von dem Mühlenhügel, eine halbe Meile von Meldorf, in einen Graben bis in das Lager des Königs und brachte den Brief unversehrt zurück, worauf er am andern Tage seinen Geist aufgab.

Johann Rantzau griff nun Brunsbüttel mit dem Oldenburgischen Heere an, nahm es mit Sturm, fand aber im ganzen Orte keine einzige lebende Seele. Alle Einwohner waren geflohen. Während der Belagerung von Brunsbüttel kamen Reimar von Valde und Blankenburg mit Nikolaus Rantzau und seinen Truppen an. Johann Rantzau schickte Blankenburg mit seiner Schar sofort ins Lager der Fürsten, um sie auf alle Fälle gegen Belästigungen von seiten der Feinde zu sichern. Da das Glück den Unternehmungen günstig zu sein schien, fingen die Soldaten an auf eigene Hand Ausfälle zu machen und auf Beute zu gehen. Besonders die Oldenburgischen Truppen. Auch Waltherthumbius unternahm einen Streifzug nach Beute. Er überflügelte in der Vormittagsstunde die Feinde, warf sich ihnen entgegen und, da er etwas hinter den Verbündeten zurückgeblieben war, vereinigten sich seine Schleuderer mit den Oldenburgischen und drangen ohne Befehl auf die Feinde ein, in der Zuversicht, die Bauern leicht zusammenhauen zu können. Allein, da es schon zwischen 8 und 9 Uhr abends war, wollten die Feldherrn wegen dieses Scharmützels nicht alle Soldaten aus dem Lager ziehen. Sie beschlossen vielmehr, erst beim Anbruch des folgenden Tages mit aller Macht dem Feinde entgegen zu rücken und eine Entscheidung des Kampfes herbeizuführen. Johann Rantzau und der Graf von Oldenburg übenachteten [068] in Brunsbüttel. Waltherthumbius hatte in dem nächsten Dorfe sein Quartier aufgeschlagen. In der Nacht wurde der Stellvertreter Blankenburgs mit einer Schar Reiter nach der Bökelenburg geschickt, um dort einen Trupp feindlicher Soldaten, welche durch die Flucht entkommen waren, gefangen zu nehmen. Zu gleichen Zwecken wurde Moritz Rantzau mit einer auserlesenen Schar von 300 Reitern an einer sandigen Stelle der Gegend aufgestellt. Als das Morgenrot anbrach und aller Kräfte neu belebt waren, fing das Heer an, sich in Bewegung zu setzen. Der größte Teil der Feinde war in der Nacht geflohen. Ungefähr 400 Bauern mit einer Schar von Weibern und Kindern hatten sich bei elenden, mit Sumpf umgebenen Hütten verschanzt, durch Ziehung von Gräben, durch Aneinanderreihung von Packwagen, durch Ruten- und Strauchbündel und andere primitive Gegenstände und waren entschlossen, hinter diesen Schanzen dem Andrang des feindlichen Heeres zu widerstehen. Als sie sich jedoch von allen Seiten umzingelt und eingeschlossen sahen, warfen sie ihre Waffen von sich und ergaben sich auf Gnade und Ungnade. Ueber das Schicksal der Gefangenen zu entscheiden überließ Johann Rantzau den Fürsten, die während dieser Vorgänge im Lager angekommen waren. Der König und Herzog Johann waren von dem Unglück der Feinde tief gerührt und entschlossen, den Gefangenen das Leben zu schenken. Als man am folgenden Tage zu einem Kriegsrat wegen des Urteils über die Gefangenen zusammentrat, wurde vorgebracht, die Gefangenen hätten gleich getötet werden müssen, eingedenk der Grausamkeit, die ihre Vorfahren in früheren Zeiten an den Holsteinern und Dänen bewiesen hätten. Auf diesen Einspruch nahm Johann Rantzau das Wort und erklärte, es sei nicht grausam, sondern tyrannisch, Gefangene, die sich auf Gnade und Ungnade ergeben hätten, mit dem Tode zu bestrafen. Der König schloß sich Rantzaus Meinung an, und das Urteil wurde dahin formuliert, daß die Anführer bis zum Ausgang des Krieges in Holstein in Gefangenschaft bleiben sollten. Die übrigen Gefangenen wurden in Schiffen über die Elbe gebracht. Der Unterfeldherr Rantzaus erhielt den Befehl, für die Gefangenen [069] zu sorgen und ihnen nach der gesetzlichen Schwurformel vor der Entlassung einen Eid abzunehmen. In den Nachmittagsstunden traten darauf wieder alle zur Beratung zusammen. Der ganze östliche Teil des Landes war bereits in der Gewalt der Feinde. Es fragte sich nun, wie die Bauern, die sich an der Nordseite auf das nachdrücklichste versichert hatten, und bereit waren, den letzten entscheidenden Widerstand zu leisten, am vorteilhaftesten anzugreifen wären. Während der Beratungen lief einer von den dithmarsischen Posten zu den unsrigen über und berichtete, die Bauern hätten in der vorigen Nacht den Plan entworfen, von ihren Weibern den Ort anzünden zu lassen und selbst das Lager der Fürsten zu bestürmen, das nur mit einer mäßigen Bedeckung bei Meldorf zurückgeblieben war. Auf dem Marsche habe sie aber plötzlich ein Schrecken befallen und über hundert hätten die Waffen weggeworfen und sich auf die Flucht begeben. Die übrigen, durch diesen Vorfall verwirrt, hätten ihr Unternehmen aufgegeben und sich zurückgezogen. Der Plan, wenn auch erfolglos, war sehr fein angelegt. Die Bauern wußten, daß der größte und beste Teil des feindlichen Heeres abgezogen und zum Schutze der Fürsten diejenigen Truppen zurückgelassen waren, die bei der Erstürmung von Meldorf am schwersten gelitten hatten. Sie erkannten weiter, daß sie nur auf diesem Wege, wenn das feindliche Heer von seinem Plane abgezogen wurde, um ihren bedrängten Fürsten zu Hilfe zu kommen, zu den ihrigen, die in der größten Gefahr schwebten, gelangen könnten. Der Erfolg ihres klug berechneten Planes hätte leicht ein günstiger sein können, wenn die Ausführung in der beabsichtigten Weise vor sich gegangen wäre. Als der Unterfeldherr ins Lager zurückgekehrt war, entstand von neuem ein heftiger Streit über die Beute. Die eine Partei forderte Verteilung, die andere Verkauf der Gegenstände, und obwohl die Fürsten ihren ganzen Anteil den Soldaten schenkten, ließ sich der Tumult im Lager nicht ohne Mühe beschwichtigen. Um in Zukunft solche Zwistigkeiten zu verhüten, wurden Aufseher ernannt, die mit Vollmacht versehen, die Beute verteilen sollten. Dann rüstete man sich zur völligen Besiegung des Feindes. [070] Nach dem Plan der Kriegsräte sollten der Graf von Oldenburg und Moritz Rantzau ins Lager der Fürsten zurückkehren und dort die Aufsicht über die Munition übernehmen. Am 15. Juli, bei Sonnenaufgang, sollten sie sich dem Feinde zeigen und dem Scheine nach aus Hemmingstedt zumarschieren. Die Feinde müßten alsdann Verdacht schöpfen, daß auf diesem Wege ein neuer Angriff gemacht werde. Am Tage vorher aber sollten 30 000 Mann mit den Fürsten und dem Blankenburgischen Heer um 3 oder 4 Uhr nachmittags gegen Thielenburg vorgehen und daselbst die Feinde durch einen Angriff festhalten. Gegen diesen Plan war aber der Graf von Oldenburg. Er wollte nicht länger müßig den Ereignissen zusehen und sich auf diese Weise den Anteil am Kriegsruhm entgehen lassen. Aus seiner Weigerung folgte die Notwendigkeit, Waltherthumbius mit seiner Schar die Hut des Lagers und der Geschütze zu überlassen. Ueberdies hatten sich die Soldaten durch übermäßiges Trinken so geschwächt, daß viele im Lager zurückblieben und kaum die Hälfte der Fahne folgen konnte. Dieser Umstand führte eine Verzögerung im Marsche herbei. Die Soldaten machten zu wiederholten Malen Halt, so daß der König in heftigen Zorn geriet und zu den Umstehenden sagte, es werde ihn noch gereuen, überhaupt ins Feld gezogen zu sein. Er wäre mitgegangen, um zu lernen, aber allmählich käme er von diesem Gedanken zurück. Die Soldaten wären Feiglinge; sie hätten ihren Sold bekommen und wären ihnen verpflichtet. Was möchten sie erst im umgekehrten Falle alles tun, wenn er und seine Verwandten ihnen Verbindlichkeiten schuldig wären. Johann Rantzau gab nun den Fähnrichen Befehl, mit ihren Fahnen voraus zu gehen. Das spornte die Soldaten an, ihren Marsch fortzusetzen. An der Spitze des Zuges schritt die Schar Blankenburgs. Ihm folgte Wriesberg mit den Schonwesianischen Truppen, die alles Schanzwerk und alles Kriegsgerät mit sich führten. In der Mitte des Zuges befanden sich die Fürsten zu Roß mit ihrer Leibwache. Den Beschluß bildeten die beiden übrigen Truppenkorps und die Oldenburgische Reiterei. Das nächste Ziel war das alte Lager bei Albersdorf, wo einige [071] Schanzbrücken zurückgeblieben waren. Man ließ das Heer eine Zeitlang rasten und durch die Obersten verkündigen, daß die Beute in Zukunft dem gehöre solle, der sie genommen habe. Es dürfe jedoch niemand zum Plündern schreiten, bis der Feind völlig geschlagen sei. Bereits vor Sonnenuntergang verließ man das Lager und rückte gegen Thielenburg vor, das durch einen doppelten Sturm angegriffen worden sollte. Johann Rantzau ritt mit wenigen Begleitern auf Kundschaft aus, um den für den Angriff geeignetsten Punkt auszukundschaften. Die Festung bestand nur aus einem Bollwerk, von Dämmen und Sumpfgräben eingeschlossen. Der einzige Zugang war mit den Geschützen der Bauern besetzt. Die Dithmarscher rühmten laut, daß von diesem Platze aus die Feinde schon oft vernichtet und vertrieben worden wären. Die meisten Truppen waren nach Hemmingstedt gezogen. Als sie die Feinde kommen sahen, verließen sie augenblicklich ihre Posten und begaben sich auf die Flucht. Die Soldaten fielen scharenweise in die Burg ein und schleiften die Wälle. Der Oberfeldherr ritt immer voran und gab seine Befehle. Bei der Verfolgung der geflüchteten Feinde stieß man in einem nahen Dorfe auf einige Nachzügler, die von den Soldaten sofort niedergemacht wurden. Von den Holsteinern fielen nur wenige. Inzwischen hatte Blankenburg mit seiner Schar das Hauptheer eingeholt. Er hatte in Erfahrung gebracht, daß in der Nähe der Ort Heide liegen solle. Dort, so mutmaßte Johann Rantzau, könnten möglicherweise bei einem durch Sümpfe begrenztem Flusse die Feinde sich gesammelt haben. Es fehlte den Augenblick ein Wegweiser. Da erinnerte sich des Feldherrn Sohn Heinrich, daß sich ihm auf dem Marsche jemand als Wegweiser angeboten habe. Unter Führung dieses Mannes brach er mit ungefähr 50 Reitern nach dem Flusse auf, fand ihn aber unbesetzt. Er überschritt den Fluß und benachrichtigte Blankenburg von seiner Stellung. Auch den König und die Herzöge ließ er in Kenntnis setzen. Die ganze Reiterei hatte den Uebergang bereits gemacht. Der größte Teil des Fußvolks befand sich dagegen noch im Rücken, als man anfing, die Nachtquartiere, die in Heide genommen werden sollten, auszulosen. Dabei entstand [072] wiederum ein Streit zwischen den Offizieren des Fußvolks und der Reiterei, da der eine Teil dem andern nicht gönnte, den Ort allein in Besitz zu nehmen. Johann Rantzau schlichtete den Streit dahin, daß Reiterei und Fußvolk zugleich die Stadt eingeräumt werden sollte. Neben den Fürsten sollten ein Teil der Reiter und ein Teil des Fußvolks dort Quartiere nehmen. Heide ist der bedeutendste Ort des Landes. Er bildet den Mittelpunkt des Verkehrs und zeichnet sich aus durch geschmackvolle Bauart der Häuser. An einem bestimmten Tage der Woche findet ein Markt statt, zu dem die Einwohner aus allen Landstrichen zusammenkommen. Auch versammelten sich hier an jedem Sonnabend die 43 Landesregenten. Jakob Blankenburg und Askanius von Halle, Anführer der freiwilligen Reiter, gingen gegen die Stadt vor, um über Lage und Besatzung Kenntnis zu erhalten. Auf dem Zuge ergriffen sie einige Weiber, von denen sie erfuhren, daß sich Truppen in der Stadt befänden. In der Ferne erblickte man vier Fähnlein von Bauern, die im schnellen Lauf zu ihrer Verfolgung heranrückten. Die Feinde verbargen sich hinter einem Hügel, so daß man nichts von ihnen gewahrte. Als die vier Fähnlein mit dem wenigen Geschütz, daß sie mit sich führten, unser ansichtig wurde, fingen sie gleich an, sich zurückzuziehen. Die Reiter hatten sich in einzelnen Abteilungen getrennt aufgestellt, so daß sie einen nachdrücklichen Sturm gegen die Feinde unternehmen konnten. Als die Dithmarscher sich zum Rückzug wandten, fielen die Feinde ihnen in den Rücken und richteten eine gänzliche Niederlage an. Der König, in glänzender Waffenrüstung, stürmte an der Spitze seiner Reiterei gegen die Stadt, wo das Geschütz der Feinde aufgestellt war. Joachim Blankenburg machte eine Schwenkung um die Schar Adolfs herum gegen die Stadt und stellte sich so auf, daß den Feinden die Rückkehr abgeschnitten war. So kamen fast alle um bis auf 80 oder 90, die sich durch die Flucht in den Sumpf retteten, der links von der königlichen Abteilung lag. Allein, die Truppen des Königs litten auch ganz bedeutend, namentlich durch Verwundung vieler Pferde. Im Kampfe wurden mehrere tapfere Männer von der Leibwache des Königs schwer verwundet und [073] getötet. Der dänische Reiterobrist Johann Trucius wurde gleich beim ersten Angriff von einer Lanze in der Brust getroffen und fiel sofort tot vom Pferde. Nikolaus Trucius wurde von einer Kugel getroffen, die aber nicht tödlich war. Erich Podebusk, ein Däne von edler Herkunft, wurde von einer Kugel an der Seite des Königs hinweggeschossen. Dasselbe Schicksal hatte der Friese Andreas. Während man die Toten und Verwundeten aus dem Wege schaffte, stürmte eine neue Schar von Feinden heran. Um sie näher herankommen zu lassen, verbargen sich die Reiterschwadronen hinter den drei oder vier in der Nähe belegenen Hügeln. Die Infanterie, soweit sie in der Nähe war, ordnete sich alsbald zum Gefecht. Der Feldherr ließ sie aber noch eine Weile anhalten, damit die Feinde sich weiter über die Ebene ausbreiten könnten. Sie näherten sich verwegen bis auf 30 oder 40 Schritt dem feindlichen Geschütz. Die Reiterei brach mit großer Schnelligkeit in die Reihen der Feinde ein und bewies von neuem ihre ganze Kraft und Tüchtigkeit. Die Schar des Königs schwenkte, um nicht von der Infanterie durchbrochen zu werden, nach links über. Die übrigen Schwadronen der Leibwache und Blankenburgs Flügel kehrten sich nach rechts gegen die Stadt, so daß ein Teil der Feinde zwischen Reiterei und Fußvolk eingeschlossen wurde. Die Dithmarscher gelangten aber auf die Wiese zurück, die mit Wällen und Dämmen stark befestigt war. Dort verteidigten sie sich auf das Tapferste und bis zum letzten Blutstropfen. Einem Fähnrich entrissen sie seine Fahne, die er zum Sprunge über einen Graben benutzte. Mit Speeren bewaffnet, die sie durch lange Uebung gut zu handhaben verstanden, setzten sie über Gräben und Wälle und trieben die nächsten der unsrigen in die Flucht. Herzog Adolf, der zu Pferde auf einem nahen Hügel hielt und die Wendung des Kampfes beobachtete, eilte mit seinem Gefolge herbei, riß dem Fahnenträger die Fahne aus der Hand und trieb die Soldaten zu erneutem Vorgehen, indem er sagte: „Schämt Euch, Soldaten, die Ihr in den Waffen geübt und im Kriege erfahren seid. Wollt Ihr Feinden den Rücken kehren, die von Kriegsführung nichts verstehen und schon beinahe besiegt sind? Wollt Ihr durch neue [074] Schmach die Schuld, die Ihr beim Marsch auf Euch geladen habt, vergrößern? Seid eingedenk Eurer Ehre und Würde. Steht und wendet Euch gegen die die halb vernichteten Feinde, wenn Ihr das Andenken Eurer früheren Feigheit durch Tapferkeit zu verwischen wünscht. Vorwärts, ich verspreche Euch, zu vergessen, was Ihr in der vorigen Nacht verbrochen habt!“ Er konnte sie aber dennoch kaum bewegen, dem Feinde standzuhalten. Er selbst spornte sein Pferd von neuem, durchbrach die feindlichen Reihen und verwundete mit einem Wurfgeschosse einen der Verwegensten unter den Bauern. Der Dithmarscher, die Wunde nicht achtend, wandte sich gegen den Herzog und brachte ihm mit der sogenannten „Alaparde“ eine schwere Wunde an der Schulter bei. Der Herzog hatte seine Rüstung abgelegt, da der Tag heiß war und der Marsch, um dem fliehenden Feinde zuvorzukommen, die ganze Nacht gedauert hatte. Die Nacht vorher hatte er mit dem König gespielt und war von der durchwachten Nacht und von der Hitze und Anstrengung sehr ermüdet. Der Fürst hatte den Schlag, den der Dithmarscher gegen ihn führte, vorhergesehen und beugte seinen Kopf hinter den Hals seines Streitrosses. Hätte er sich nicht auf diese Weise zu schützen gesucht, würde er unfehlbar tödlich getroffen worden sein. Als er die Wunde fühlte, bat er die Seinigen, ihn so unauffällig wie möglich aus dem Schlachtgetümmel zu führen, damit seine Soldaten keinen Grund zur Furcht und Bestürzung hätten. Auf einem leichten Dreigespann wurde der Herzog aus der Schlacht geführt und die Wunde in einem Dorfe jenseits des Flusses von einem Chirurgen verbunden. Der Vorfall entmutigte die Soldaten nicht, sondern spornte sie vielmehr zur Entschlossenheit an, obwohl sie durch den beständigen Marsch und die starke Hitze des Tages sehr ermüdet waren. Ein allgemeiner Sturm begann und die Feinde wichen mehr und mehr zurück. Ungefähr 300, von den andrängenden Truppen immer mehr in die Enge getrieben, wagten es noch, Widerstand zu leisten. Nach mehreren vergeblichen Angriffen bahnte ein entschlossener Soldat auf einem zweirädrigen, mit Ochsen bespannten Wagen, sich einen Weg durch die Haufen, indem er mit seinem [075] langen und breiten Schwerte (einer in unseren Tagen sehr gewöhnlichen Waffe, die jedoch nur mit beiden Händen zu handhaben ist), die Feinde vor sich niedermähte. Von seinen Kameraden gefolgt, hatten sie bald die kleine todesmutige Schar aufgerieben. Die Reiterschwadronen waren inzwischen bis Heide vorgedrungen, mußten sich aber, da es an Unterstützung von seiten der Infanterie gebrach, wieder zurückziehen. Die Einwohner unterhielten von den Häusern aus ein lebhaftes und geordnetes Geschützfeuer, das die Reiter beim Vorrücken empfing. Unter den bei der Bestürmung Verwundeten befand sich Marquart Rantzau, der einzige Sohn seines Vaters und letzte Sproß seiner Familie. Er erhielt eine Wunde am unteren Teile des Rückens, der er bald darauf in Itzehoe erlag. Sein Leichnam ward in der Gruft seiner Väter beigesetzt. Inzwischen war Moritz Rantzau, als er in der Ferne die aufsteigenden Flammen gesehen und das Getöse der Geschütze vernommen hatte, mit 60 Reitern von Hemmingstedt herangeeilt. Er warf sich so gegen die Stadt, daß den Feinden kein anderer Weg zur Flucht blieb, als der, mittels eines Angriffs und Durchbruchs der Reiterei. Kaum hatten die Dithmarscher diese Wendung bemerkt, als sie sich in allgemeiner Flucht nach der sumpfigen Küste zurückzogen. Beim Anblick der Reiterei waren sie zuerst ungewiß, ob sie Feinde oder Landsleute auf erbeuteten Pferden vor sich hatten. Nahe an 300 von den Fliehenden rieb Moritz Rantzau mit seiner Reiterei auf. Sie deckten das Feld mit ihren Leichen. Trotz der vollständigen Niederlage und ihrer Flucht scharten sich die Dithmarscher aufs neue am Eingang der Marsch, entschlossen, die ganze Gewalt des feindlichen Angriffes auszuhalten. Obwohl es schon Abend war, bekamen die Reiter den Befehl, sich sofort dem Feinde entgegenzuwerfen, damit er nicht bei der Einnahme der schon an mehreren Stellen brennenden Stadt das Heer im Rücken angreifen könnte. Der größte Teil des Heeres war dem Plane, einen Sturm auf die Stadt zu unternehmen, abhold, allein Johann Rantzau ließ sich durch keine Gegenvorstellungen von seiner einmal gefaßten Meinung abbringen. Er meinte, daß ohne Einnahme der Stadt und völlige Vernichtung [076] der Feinde an Ruhe für die Soldaten nicht zu denken sei. Der Donner der Geschütze begann aufs neue, und die Feuersbrunst, die durch Hineinwerfen von Lunten entstanden war, griff immer mehr um sich. Die unsrigen rückten ein und es entspann sich ein verzweifelter Kampf mit dem Reste der bewaffneten Einwohner, die in der letzten Entscheidung den letzten Blutstropfen für ihre Freiheit einsetzten.

Nach der Eroberung fingen die Soldaten an durch Met und Bier ihre, durch Hunger und Durst, Hitze und Ermüdung erschlafften Kräfte wieder aufzufrischen. Sie genossen jedoch nur bis Sonnenuntergang der Erholung. Der Feldherr, um längere Verzögerung und Untätigkeit zu verhüten, führte die Soldaten zu dem Geschütz zurück, wo der König mit geringer Bedeckung hielt. Das Geschütz der Feinde ward zusammengebracht und mit fortgeführt. Blankenburg erhielt den Befehl, über den Zug zu wachen, bis ein Lager aufgeschlagen und die Geschosse in Ordnung gebracht waren. An einem Tage war eine dreifache blutige und entscheidende Schlacht geschlagen worden. Die Reiterei hatte mit der größten Ausdauer 24 Stunden lang Hunger und Durst ertragen. Ein Reiter von der königlichen Leibwache sank vor Erschöpfung vom Pferde und gab augenblicklich seinen Geist auf. Am Abend vorher, ungefähr um die vierte Stunde brachen sie von Meldorf auf, brachten die ganze darauf folgende Nacht auf dem Marsche zu und kamen erst mit Sonnenuntergang des anderen Tages zur Ruhe. Es erschien allen unbegreiflich, daß die Pferde den langen Marsch in der drückendsten Hitze der Hundstage ausgehalten hatten. Schon auf dem Marsche nach Heide hatte der König verlangt, den Reitern und Pferden eine Rast zu gönnen. Aber Johann Rantzau riet davon ab und meinte, daß der Feind keine Gelegenheit bekommen dürfte, sich zu sammeln. „Sollen wir,“ sagte er, „die Aussicht auf Erfolg uns entgehen lassen. Sollen wir Euch, allergnädigster König und Herr, infolge dieses Verzugs als Flüchtling aus dem Lande der fast besiegten Dithmarscher heimkehren sehen? Lieber wollte ich niemals die Stellung eines Feldherrn bekleidet haben, als bei einem so günstigen Siegeslauf die [077] Schande einer Niederlage auf mich zu nehmen.“ Der König pflichtete Rantzaus Worten bei und so wurde noch an eben demselben Tage gekämpft und Heide erobert.

Bis das ganze Heer an dem Orte, wo der König zur Bewachung des Geschützes zurückgeblieben war, sich versammelt hatte, entstand ein Streit über die Wahl des Lagerplatzes. Diejenigen, welche durch Hitze und Ermüdung völlig aufgerieben waren, daß sie keinen Fuß mehr zu rühren vermochten, bestanden mit Gewalt darauf, daß an dem Orte, wo sie sich befänden, das Lager aufgeschlagen werden müsse. Dagegen aber waren der König sowohl als der Oberfeldherr, weil der Ort der Stadt zu nahe und kein Trinkwasser vorhanden war. Außerdem war der schwerverwundete Herzog Adolf im entfernten Dorfe Vilsen[11] untergebracht worden. Das Verlangen der Reiter konnte also nicht berücksichtigt werden. Man beschloß, nach Hamme zurückzugehen und dort im Lager die Nacht zuzubringen. Mit Einbruch der Dunkelheit gelang es, bei Hamme längs dem Flusse die Zelte aufzuschlagen. Sobald es geschehen war, ließ sich Herzog Adolf der Sicherheit wegen auf einem Wagen zu den Seinigen bringen. Er war schwer verwundet und nicht ohne Grund fürchteten seine Verwandten und Freunde für sein Leben. In der Schlacht fielen von den Dithmarschern ungefähr 3000, diejenigen, die man später tot auffand und an den erlittenen Wunden starben, mitgerechnet. Auf der Seite der unsrigen war der Sieg meist durch die Reiterei entschieden worden. Das Fußvolk hatte keine erheblichen Verluste erlitten. Die Zahl der gefallenen Reiter belief sich auf ungefähr 300. Der Graf von Oldenburg wurde am Kinn verwundet. Den Oberfeldherrn Johann Rantzau traf eine Stückkugel unterhalb des Knies. Iven Reventlow ward durch den Fuß geschossen. Paul Ritzerow, Borghard von Ahlefeldt und Johann Rantzau der Jüngere erhielten Wunden in Beine und Schenkel. Auch Gregor von Ahlefeldt wurde verwundet und starb neun Tage darauf zu Rendsburg, weil die Wunde zu Anfang zu nachlässig behandelt worden [078] war. An seine Stelle trat als Fahnenträger der herzoglichen Schwadronen Joachim Rantzau. Der König hatte in Gefahr geschwebt, von einer Schleuderkugel getroffen zu werden. Bertram von Ahlefeldt jedoch, der den König beständig im Auge hatte, konnte das Geschoß noch rechtzeitig ablenken. Der König konnte seinem Retter die Tat sogleich vergelten, indem er, als Bertram von Ahlefeldt von einem Speer getroffen vom Pferde sank, ihn auffangen und aus dem Getümmel bringen ließ. In der Nacht versah man das Lager sorgfältig mit Wachtposten. 900 Mann Fußvolk trugen Sorge für die Sicherheit und auch die Reiterei verhielt sich nicht untätig bei der Deckung des Lagers. Die Gegend war reich an Getreide und Mundvorrat. Zur Löschung des Durstes hatten die Soldaten eine große Menge Bieres aufgebracht, das unter die einzelnen Korps verteilt wurde. Nach Beendigung des Krieges erfuhr man von den Dithmarschern, sie würden von neuem ihr Heil versucht und die Feinde mit einem nächtlichen Angriff überrascht haben, wenn sie die Büchsenschützen, die sie zu Anfang des Krieges angeworben hatten, schnell genug aus ihrer Stellung an der Elbe hätten herbeiziehen können. Ohne Zweifel wäre ihnen ein solches Unternehmen zum Verderben ausgeschlagen, weil sich der Ort, wo unser Lager aufgeschlagen war, außerordentlich für die Entfaltung der Kavallerie eignete und auch dem Fußvolk keine Hindernisse bot. Sie würden sämtlich ein Opfer des Mars geworden sein, der sich ihnen im Laufe dieses Krieges so wenig günstig bewiesen hatte. Den folgenden Tag verharrte man wegen der ermüdeten Pferde im Lager. Es fanden Beratungen statt, welche Wege zur völligen Unterwerfung der Feinde eingeschlagen werden sollten. Dithmarschen zerfällt, wie wir im ersten Buch ausgeführt haben, in Geest- und Marschland. In die Marschgegenden hatten sich die Bauern nach der Niederlage von Heide zurückgezogen. Das Geestland war bereits ganz in Gewalt des siegreichen Feindes. Nach der wasserreichen, durch Gräben und Sümpfe trefflich befestigten Küste des Landes hatten sich schon beim Beginn des Krieges Greise, Weiber und Kinder, kurz, alle Waffenunfähigen, geborgen. Nach der letzten entscheidenden Schlacht rettete sich alles dahin, was am Leben [079] geblieben war, und es schien, als ob sie dort im ehrlichen Kampfe den letzten Zufall des Krieges erwarten wollten. Es handelte sich also um die Frage, wie auch jener Teil des Landes zu unterwerfen sei. Schon neigte sich die Sonne zum Untergange, als zwei Gesandte ins Lager kamen, beide mit einem weißen Stabe in der Hand, und demütig den Fürsten einen unversiegelten Brief überreichten.

In der Aufschrift nannten die Dithmarscher den König schon einen König ihres Landes, eine Bezeichnung, die nur die höchste Not ihnen eingeben konnte. Sie flehten in ihrem Briefe bei Gott und allen Heiligen, man möge ihren Gesandten wohlwollend Gehör und Vertrauen schenken. Sie baten um Waffenstillstand, währenddessen sie Abgesandte aus den Achtundvierzigern zum Abschluß des Friedens schicken würden. Den Gesandten möge man freies Geleit und Sicherheit während der gegenseitigen Unterhandlungen bewilligen. Bei Sicherstellung von Gut und Leben wären sie geneigt, das ganze Land unter die Botmäßigkeit der Fürsten zu stellen. Der König ließ die Gesandten zu sich führen und um ihnen seine milde Gesinnung und sein Wohlwollen zu bezeugen, empfing er sie in seinem Zelt aufs freundlichste und forderte sie auf, gemeinschaftlich mit ihm zu speisen. Die Zeit, während im Kriegsrat über die Antwort beschlossen wurde, brachten die Gesandten in dem Zelt des Königs allein zu. Johann Rantzau erteilte ihnen einen im Namen der Fürsten abgefaßten Geleitsbrief, der mit seinem Siegel versehen wurde. Die Gesandten der Dithmarscher wurden, dem Schreiben zufolge, auf die zwölfte Stunde des folgenden Tages ins Lager beschieden. Rantzau selbst gab sein Wort darauf, daß während der Zeit der Beratung Waffenstillstand sein solle. Bei der Abreise gab man ihnen einen Herold zur Begleitung. Am Tage darauf erschienen fünf aus der Zahl der Achtundvierziger mit einem Priester und einem Zeugen im Lager, geschützt von dem Herold und einer Reiterabteilung. Während sie in Paul Rantzaus Zelt ihr Frühstück einnahmen, versammelten sich die Fürsten mit ihren Räten bei Herzog Adolf, der seiner Wunde wegen noch das Bett hüten mußte. Da es entschieden war, daß die Dithmarscher über kurz [080] oder lang ihren Angriffen erliegen müssen, stellten sich zwei Fragen zur Erwägung. Sollte man die Feinde durch weitere Niederlagen vollständig unterwerfen oder sollte man sie nach der Uebergabe sofort als Untertanen annehmen. Herzog Adolf, der trotz seiner schweren Verwundung an den Beratungen teilnahm, stimmte für ein mildes Verfahren. Er gab offen seinen Rat dahin ab, daß den Dithmarschern günstige Friedensbedingungen gestellt würden. Seiner Ansicht, die einen Beweis seiner menschenfreundlichen Gesinnung gibt, schlossen sich die Fürsten und alle übrigen Kriegsräte an. Es leuchtete jedem ein, daß keine Vorteile aus einem Lande zu ziehen wären, dessen Einwohner sozusagen bis auf die Wurzel vernichtet würden. Man bedachte, daß bei einer Fortsetzung des Krieges Gräben, Dämme und Deiche zerfallen würden und daß nach gänzlicher Vernichtung der Einwohner die Kriegsobersten und Hauptleute das eroberte Land als Entschädigung beanspruchen würden. Mit einer solchen Bevölkerung war aber weder dem Lande, noch den Fürsten gedient. Nach langer Unterhandlung faßte man die Friedensbedingungen in folgender Weise zusammen: „Die Dithmarscher sollten sich durch den Eid der Treue verbindlich machen, alle Feldzeichen, die einst dem König Johann von Dänemark und seinem Bruder Friedrich von Holstein in der Schlacht bei Hemmingstedt genommen waren, nebst allem noch übrigen Lagergerät aus jener Zeit wieder auszuliefern. Die Kriegskosten, die sich auf ungefähr 600 000 Goldgulden beliefen, sollten sie den Siegern erstatten, da sie die Veranlassung zu dem Kriege gegeben hätten. Die Fürsten nahmen das Recht in Anspruch, drei Burgen oder Festungen nach ihrem Belieben mit Hilfe der Dithmarscher anlegen zu lassen, dagegen die von den Dithmarschern errichteten Festungen und Bollwerke von Grund aus zu zerstören und dem Erdboden gleich zu machen. Zur Unterhaltung der Burgen beschlossen die Fürsten soviel Acker, Wiesen und Wald in der nächsten Umgebung einziehen zu lassen, als nach der Meinung Sachverständiger nötig erscheint. Die Umwohnenden sollten zu Handleistungen und Frohndiensten verpflichtet sein. Die Oberherrschaft des Landes, das Recht auf Jagd, Fischerei und was dahin gehört, nehmen [081] die Sieger für sich in Anspruch. Alle Kriegsvorräte, alles Rüstzeug und alle Waffen sollten die Besiegten herausgeben, gleichviel, ob Eigentum der Einzelnen oder des ganzen Landes. Alle Diplome und Urkunden aus der Hand von Kaisern, Päpsten und anderen Fürsten sollten die Dithmarscher abliefern. Was sie etwa noch zurückbehalten würden, sollte durch Schrift und Siegel für null und nichtig erklärt werden. Das Gerichtswesen und alle Rechtsfälle sollte von der Bestimmung der Fürsten abhängig sein. Alle Strafen wären von der höchsten Behörde zu verhängen, ganz nach dem Verfahren in den anderen Landesteilen. Der Entrichtung von Steuern und Zehnten sollten die Dithmarscher wie alle Einwohner Holsteins und Stormarns unterworfen sein. Jedes Bündnis, mit welchem Staat und Volk es auch immer sei, wäre aufzulösen, und es solle den Dithmarschern nicht gestattet werden, in Zukunft eigenmächtig Bündnis zu schließen. Unter diesen Bedingungen würden die Fürsten die Dithmarscher in ihren Untertanenverband aufnehmen und ihnen ihr Eigentum und ihre Besitzungen ungeschmälert lassen und zu erhalten suchen. Endlich hätten sie in einem Fußfall im feierlichen Ritus ihre Schuld abzubitten, und bis alle Bedingungen erfüllt wären, sollten sie Geiseln stellen, acht Männer aus der Zahl der Achtundvierziger und sechszehn aus den Ersten des Volkes.“

Nach Empfang dieser Antwort entfernten sich die Gesandten, um den Ihrigen die Friedensvorschläge zu überbringen, begleitet von Franz Bülow und Heinrich Rantzau. Zur Strafe für ihre Hartnäckigkeit führte man sie an den Leichenhaufen der Ihrigen vorbei, die noch überall unbeerdigt auf den Feldern lagen. Am folgenden Tage begab sich der König, da der Akt des Friedensschlusses so gut wie bestimmt war, und der Krieg somit sein Ende erreicht hatte, nach Itzehoe, um von dort in sein Königreich zurückzukehren. Der Tag seiner Krönung war schon vor Beginn des Krieges festgesetzt worden, aber es bedurfte noch mancher notwendigen Vorbereitung zu dieser Festlichkeit. Die höchste Vollmacht in Betreff des Friedensschlusses übertrug er Johann Rantzau und seinem Sohne Heinrich, deren Klugheit und Ergebenheit er hinlänglich erkannt hatte. Er übergab ihnen ferner eine Geldsumme, [082] die sie im Notfalls zur Verstärkung des Heeres verwenden sollten.

Nach drei Tagen kamen die Dithmarscher Gesandten ins Lager zurück und überreichten eine Antwort auf die Friedensbedingungen: „Bei Gott und allen Heiligen bäten sie mit Unterwürfigkeit, man möge sie, ihre Weiber, Kinder, Witwen und Waisen in Treue aufnehmen und nicht mit verderbender Hand gegen sie verfahren. Was die ersten Bedingungen beträfe, hieß es, so würden sie sie dem Wortlaute nach getreu befolgen. Es wäre ihnen aber unmöglich, die Kosten des Krieges 600 000 Taler Goldgulden zu bezahlen, da der größte Teil der Einwohner aller Güter und fahrenden Habe beraubt, alle Häuser verbrannt und alle Getreidefelder verwüstet wären. Das wenige, was ihre Weiber und Kinder auf der Flucht gerettet hätten, würde nicht einmal hinreichen, ihrer eigenen Not abzuhelfen. Ebenso dünke es ihnen zu hart, die Befestigungen und Bollwerke niederzureißen, und andere Burgen wieder aufbauen zu sollen, deren Unterhaltung ihnen auch obliegen sollte. Diese scharfen Maßregeln würden sie zugrunde richten und aus dem Vaterlande vertreiben. Was die Gerichtsverwaltung, Jagd und Fischerei beträfe, so hätten sie nichts gegen die Bestimmungen einzuwenden. Auch alle Waffen und Kriegsgeräte würden sie ohne Sträuben herausgeben, dagegen bäten sie demütig und fußfällig, daß sie hinsichtlich der jährlichen Abgaben von Acker und Weiden die gleiche Freiheit genießen möchten, wie die Friesen und Einwohner der Kremper- und Wilstermarsch. Ebenso bäten sie, nicht mit Frohnleistungen beschwert zu werden und ihre Besitzungen als freies Eigentum gebrauchen zu dürfen. Alle Diplome und Privilegien würden sie ausliefern und dasjenige, was aus irgend einem Grunde zurückbliebe, sollte verbrannt oder auf andere Weise vernichtet werden. Die Ausübung der Gerichtspflege überließen sie der Entscheidung und dem Gutdünken der Fürsten, doch möchte man ihnen die Bitte gewähren, ihren Gerichtshof in Eiderstedt zusammentreten zu lassen und bei ungehinderter Appellation an die Fürsten, Streitigkeiten nach dem geschriebenen Landrechte schlichten zu dürfen. Das Bündnis, das sie ehemals [083] mit der Stadt Lübeck geschlossen hätten, erklärten sie für aufgelöst und versprächen, sich in Zukunft nie wieder in Bündnisse einlassen zu wollen. Wenn sie, wie die Friesen und Einwohner der Kremper- und Wilstermarsch eingeschätzt und tributpflichtig würden, versprächen sie, sich ohne Murren zu fügen. Durch einen Fußfall wollten sie ihre Schuld abbitten und alle Waffen und Kriegswerkzeuge in die Hände der Sieger liefern. Obgleich sie Geiseln zu stellen nicht für nötig hielten, so würden sie doch dem Willen der Fürsten nach leben. Sie zweifelten nicht, daß der König und die Herzöge wie es frommen Fürsten gezieme, mit ihnen verfahren und des Blutvergießens ein Ende machen würden. Eine Niederlage, wie sie sie in diesem Kriege erlitten hätten, könnte nie aus dem Andenken des Volkes getilgt werden, abgesehen davon, daß mehrere tausend Witwen und Waisen hilflos und mittellos daständen und ihre Notdurft von der Barmherzigkeit anderer erwarten und empfangen müßten. Sie flehten zu Gott, daß er das Herz der Fürsten wenden möge, einen heiligen und festen Frieden zu schließen, zum Ruhme ihres Namens, zum Heile und zur Rettung ihres unglücklichen Landes.“

Durch dieses Schreiben verpflichteten sich die Dithmarscher zum Gehorsam gegen die Fürsten, ihre Erben und Nachfolger. Die Fürsten dagegen nahmen sie in ihre Schutzherrschaft auf.

Am 12. Tage des Juli kamen alle Dithmarscher ohne Unterschied des Alters, waffenfähige Mannschaft ungefähr 12 000 an der Grenze des Marschlandes unweit Heide zusammen und übergaben den Siegern alles, was sie an Rüstzeug und Kriegsgerät besaßen, ihren ganzen Vorrat an Kugeln und Wurfgeschossen. Vor den Herzögen Johann und Adolf, den Kommissarien des Königs und den Kriegsräten flehten sie knieend um Verzeihung wegen ihrer Widersetzlichkeit und ihres Uebermutes. Mit entblößtem Haupte und knieend leisteten sie den drei Fürsten den Untertaneneid. Die Ordnung dieser feierlichen Handlung war folgende: Die Fürsten und Kriegsräte befanden sich in der Mitte des Platzes. Um sie herum knieten die Dithmarscher, umgeben von der Reiterei und dem ganzen Heere. Die Dithmarscher waren noch von Furcht und Schrecken gepackt. Sie glaubten, daß die [084] Sieger blutige Rache an ihnen nehmen würden. Ein Geistlicher brach zu einem Kollegen gewendet in die Worte aus: „O, wir Unglücklichen, zu welchem Untergänge hat man uns aufbewahrt! Das geschlossene Bündnis wird nicht gehalten werden. Man wird uns ergreifen und gleich dem Vieh hinschlachten. Ein Schauder ergreift mich bei dem Gedanken an den bevorstehenden Tod, denn ich sehe voraus, daß wir das äußerste werden leiden müssen!“ Heinrich Rantzau, der Kanzler des Königs, der seine lateinische Rede verstanden hatte und ihn so verkehrt von der Treue der Fürsten denken und sprechen hörte, fuhr ihn mit folgenden Worten an: „Was sagst Du und wessen beschuldigst Du uns? Ihr wäret es allerdings wert, daß man grausam mit Euch verfahren würde, aber wir halten es unserer unwürdig, Grausamkeit mit Grausamkeit zu vergelten. Das Bündnis ist geschlossen. Wir widerrufen und brechen unser Wort nicht.“

Nachdem die Geiseln gestellt waren, wurde den Dithmarschern der größte Teil ihrer Speere und Lanzen zurückgegeben, damit sie sich gegen die Soldaten verteidigen könnten, welche etwa darauf ausgehen sollten, im Innern des Landes das vom Kriege verschont gebliebene zu verheeren und auszuplündern.

Am folgenden Tage ward das ganze Heer nach Meldorf zurückgeführt. Nur eine Abteilung Fußvolk und die Schonvesiussche Reiterei behielten die Fürsten um sich. Die übrigen drei Korps gingen in verschiedener Richtung nach Holstein auseinander und lösten sich bald nachher auf. Mit Unwillen und Verdruß verließen die Soldaten ein Land, auf dessen fettem und reichem Boden sie ein weites Feld für ihre Raublust zu finden gehofft hatten. Es fehlte wenig daran, daß unter dem Fußvolk eine offene Empörung ausbrach, da einige unverschämter Weise auf einen rückständigen Monatssold und ein Geschenk aus dem besten Teile der Beute Anspruch erhoben. Allein die Fürsten waren ihnen nichts schuldig und das aufrührerische Geschrei mußte vor der unerbittlichen Strenge des Oberfeldherrn verstummen. Die Ruhe wurde um so schneller hergestellt, als man erfuhr, daß die Fürsten mit der Reiterei im Anzuge seien. Die Geschütze, welche im Besitz des Fußvolks waren, wurden allerdings, nicht ohne [085] Unruhe hervorzurufen, zurückgefordert, unter dem Vorwande, daß die Fürsten zur größeren Sicherung gegen die Bauern eine stärkere Bedeckung nötig hätten. Das den Feinden abgenommene Geschütz teilte man nachher in drei Teile, so daß jeder der Fürsten, wenn ich nicht irre, 36 Stück erhielt. Im ganzen fanden sich ca. 100 schwerere und leichtere Geschütze, die auf Rädern vorwärts geschafft wurden, mit Ausnahme derjenigen, deren Wagen beim Gebrauch zerbrochen waren. Die Menge der kleineren Waffen, Lanzen oder Speere, war noch bedeutender, denn mit ihnen gerade verstanden die Bauern auf dem lehmigen Boden am leichtesten zu kämpfen. Es muß zugestanden werden, daß die Dithmarscher in der Benutzung der Geschütze die größte Geschicklichkeit bewiesen hatten. Die Soldaten räumten nicht ohne Bewunderung ein, daß die Dithmarscher in der Aufstellung und Handhabung der Kanonen eine Gewandtheit gezeigt hätten, wie sie nur von dem geübtesten Heere erwartet werden könnte. Auch in der Schlacht bei Heide war die Aufstellung der Geschütze geradezu bewundernswert, obwohl der Erfolg ihrer Kriegsführung diesmal nicht günstig war. Unter den abgelieferten Geschützen befanden sich ferner drei Mauerbrecher, die, den Inschriften zufolge, die Fürsten von Holstein in früheren Kriegen verloren hatten. Die unter dem König Johann verlorene Danebrogsfahne war infolge schlechter Aufbewahrung fast vermodert und als ein kümmerlicher Ueberrest abgegeben worden. Sie wurden in dem Dom von Schleswig niedergelegt und dort zum Andenken an den glücklich errungenen Sieg aufbewahrt. Nach Auslieferung aller Diplome und Schenkungsakten, sowie deren Bestätigungsurkunden wurde der Friede abgeschlossen. Zur Bewachung des Landes blieb indessen das Schonwesiussche Korps unter Anführung Wriesbergs noch acht Tage lang in dem Dithmarsischen Dorfe Schafstedt, bis das Fußvolk auseinandergegangen war. Darauf zogen sie nach Holstein, wo der Sold für die letzten acht Tage, das sogenannte Donativ, ihnen ausgezahlt wurde. Die Obersten, Hauptleute und Fahnenträger erhielten außerdem noch ehrende Geschenke. Auch den übrigen Truppen gegenüber bewiesen die Fürsten ihre Freigiebigkeit. Jedoch erhielten nur diejenigen Soldaten Auszeichnungen, [086] die sich durch besondere Tapferkeit Verdienste erworben hatten. Zuletzt wurde die Reiterei entlassen. Jeder Soldat erhielt den monatlichen Sold verdoppelt und die Obersten und Hauptleute wurden durch besondere Geschenke geehrt.

Der Krieg hatte kaum einen Monat gedauert, wenn man den Anfang auf den 11. Juni setzt, als zuerst auf Dithmarscher Boden ein Lager aufgeschlagen wurde und am 12. Juli, als die Einwohner knieend ihrem neuen Herren huldigten, denselben für beendigt ansieht. Unsere Truppen fielen weder bei der Anwerbung noch bei der Entlassung irgend einem der benachbarten Bundesgenossen zur Last und machten sich nirgend der Plünderung und des Raubes schuldig. Nur das aufrührerische und hochmütige Volk der Bauern erhielt seine längstverdiente Strafe. Jetzt endlich sollten sie lernen, gerechten und gesetzmäßigen Herrschern zu gehorchen, heiligen und billigen Gesetzen sich zu unterwerfen. Jetzt endlich fand die Grausamkeit, mit welcher sie gegen die Väter gewütet, ihre gerechte und reichliche Vergeltung durch die Söhne, die sich so tapfer und heldenmütig des Landes bemächtigt hatten.

Im Frühling des folgenden Jahres schickten die Fürsten Gesandte an den österreichischen Kaiser Ferdinand, um von ihm die Oberherrschaft und Erbfolge in dem eroberten Gebiet zu erlangen. Ferdinand erkannte im Namen des heiligen römischen Reiches die Verträge der Dithmarscher mit ihren Besiegern an und bestätigte den Fürsten ihr Recht durch eine besondere Urkunde.

So kam durch den Dithmarscher Krieg das Land der Dithmarscher in die Botmäßigkeit derjenigen, deren Vorfahren dort mehr als einmal die empfindlichsten Niederlagen erlitten hatten. Fast 500 Jahre hindurch hatten die Dithmarscher ihre Freiheit behauptet. Allerdings hatten sie im Wechsel des Geschicks wohl hier und da die Oberherrschaft eines mächtigeren Volksstammes anerkennen müssen, aber mit unglaublichem Glück und beispielloser Hartnäckigkeit war es ihnen immer wieder gelungen, das Joch der Knechtschaft abzuschütteln. Früher waren sie, wie die Einwohner mehrerer anderer Nachbarprovinzen, den Sachsenherzogen Untertan gewesen und von Grafen oder Markgrafen regiert worden, derer sie mehrere auf grausame Weise ums Leben gebracht [087] hatten. Darauf kamen sie unter die Oberhoheit des Erzbistums Bremen, das nach Tauschrecht Anspruch auf das Land machte. Die Oberherrschaft des Erzbischofs bestand jedoch nur dem Namen nach. Die Dithmarscher benutzten sie gleichsam zum Vorwande, um andere Herrscher abweisen und ihre frevelhafte Unabhängigkeit befestigen zu können. Häufig entstanden dadurch Kämpfe und Streitigkeiten mit den Holsteinern, die ihr Recht bald durch Verträge, bald durch Waffengewalt geltend zu machen suchten. Drei blutige Schlachten wurden geliefert, in denen die Dithmarscher Sieger durch ein Spiel des trügerischen Geschickes mit unerbittlicher Grausamkeit gegen ihre Widersacher verfuhren und mit Hartnäckigkeit und Standhaftigkeit ihre Freiheit verfochten. Aufgebläht durch ihr beständiges Kriegsglück und in ihrem Uebermut durch den Reichtum und die Fruchtbarkeit ihres Landes bestärkt, luden sie den rächenden Zorn der Gottheit auf sich und empfingen die Strafe, die ihrer Frechheit und Schändlichkeit angemessen war. Denn ich bin durchaus der Ansicht, daß der Himmel, der gerechte Zorn des gestrengen Gottes ein solches Gericht über die Dithmarscher verhängt hat. Ich will schweigen von dem Uebermaß des Luxus und der Pracht, von der Unbilligkeit und der Ungerechtigkeit, von den Mordtaten und zahllos verübten Freveln, von denen man sich erzählt, damit es nicht scheine, als schenke ich bloßen Gerüchten zu viel Glauben. So groß war das übermütige und unverschämte Vertrauen der Dithmarscher, daß, nachdem sie einen langen Zeitraum hindurch ihre Freiheit behauptet und die größten Heere geschlagen und vernichtet hatten, sie sich überhaupt für unbesiegbar hielten. Trotzend auf die natürlichen Vorzüge ihres Landes verschmähten sie jede Obrigkeit und glaubten durch keine Gesetze und Verordnungen gezwungen werden zu können, wie andere Völker in einem geordneten Staatswesen zu leben. Nicht Billigkeit und Gerechtigkeit ihrer Sache flößte ihnen einen solchen Uebermut ein. Das tat ihre vermeintliche unbezwingbare Stärke. Ihren Hochmut und Eigendünkel aufzugeben, konnte weder Pflichtgefühl noch Furcht vor dem Strafgericht Gottes veranlassen. In ihrem Wahnsinn gingen die Dithmarscher sogar so weit, daß sie sich nicht scheuten, mit Bosheit die Majestät [088] der Fürsten zu verletzen, durch unwürdige, schmachvolle Beleidigungen die Ehre und den Namen derselben anzutasten und zu entweihen. In den Bedrückungen, die sie sich gegen die Untertanen des Königs und der Fürsten erlaubten, hatten sie des Frevels noch nicht genug getan. Sie mußten sich auch noch gegen die Person der Fürsten in herausforderndem Grimme kehren. Gerade dieses Betragen wurde die Ursache des göttlichen Zornes, die Ursache, daß sie neben der Schande des Unterliegens so schmachvolle Niederlagen und herbe Verluste in dem letzten Kriege erleiden mußten. Der billige und gerechte Gott, der Begründer und Schirmherr des ganzen Weltkreises hat eine Obrigkeit zu seinem Vertreter eingesetzt und verheißen, diejenigen, welche dem obrigkeitlichen Amte vorstehen, schützen und schirmen zu wollen, alle diejenigen aber, die sich gegen die Obrigkeit vergehen, aufs härteste zu strafen. Daher sollen alle Völker, die auf Erden in ruhigen und gesegneten Verhältnissen zu leben wünschen, Gottes Zorn fürchten und die rechtmäßige Obrigkeit in Ehren halten.

Anmerkungen

  1. Wir sind gewohnt, diese Tat Christians II. als Stockholmer Blutbad zu bezeichnen. Es fand statt am 8. November 1520.
  2. Es war der Ordensmeister von Fürstenberg, der 1557 das verhängnisvolle Schutz- und Trutzbündnis von Poswol schloß.
  3. Die Leibeigenschaft wurde von König Christian III. aufgehoben.
  4. Es erregt Verwunderung, daß Heinrich Rantzau noch im 16. Jahrhundert von der Leichenverbrennung als Gewohnheit spricht.
  5. Es war der sogenannte Hasenkrieg, im Jahre 1289. S. Eelbo, Dithmarscher Balladen, Seite 15.
  6. Wohl Tipperslo, nach Chalybaeus Seite 121, ein Dorf im Gute Hanerau. Die Schlacht fand 1319 statt, und Graf Nikolaus vollbrachte einen sogenannten Schwabenstreich, indem er einen Dithmarscher vom Kopf bis zu den Füßen spaltete.
  7. Es war die Zeit des Umschlags, octavum trium regum, vom 8. bis 15. Oktober, die Hauptgeschäftszeit für das Herzogtum Holstein.
  8. Paul Rantzau war der Vater von Josias Rantzau, der 1650 als maréchal de France starb.
  9. Bei den Römern waren 40 Priester, die sogenannten Fetialen, als höchstes Gericht über Krieg und Frieden eingesetzt.
  10. Der Brief ist abgedruckt in Michelsen, Urkundenbuch des Landes Dithmarschen. Kiel 1834. Seite 199.
  11. Es ist wohl Fiel gemeint.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Thielenberg