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RE:Flavius 206

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Vespasianus, T. römischer Kaiser 69-79 n. Chr.
Band VI,2 (1909) S. 26232695
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206) T. Flavius Vespasianus = Imperator Caesar Vespasianus Augustus, römischer Kaiser vom 1. Juli 69 bis 24. Juni 79 n. Chr.

I. Quellen.

a) Vespasianus schrieb selbst ὑπομνήματα über den Jüdischen Krieg (Joseph. vit. 342. 358; c. Apion. I 10, vgl. E. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I⁴ 57), und zwar in den letzten Jahren seines Lebens, denn Josephus liegen sie bei der Abfassung seiner nicht vor 75 (vgl. u. S. 2624) geschriebenen Kriegsgeschichte offenbar nicht vor (bell. I 1. 2, vgl. c. Apion I 9f.); er hätte sie gewiß von dem abfälligen Urteil über die Geschichtschreiber des Krieges ausgenommen. Zwei Epistulae Vespasians sind als Gesetzesurkunden inschriftlich erhalten, eine an die Saborenser in Baetica (CIL II 1423), eine an die Vanaciner auf Corsica (CIL X 8038). Worte aus einer Rede Vespasians im Senat bei Ehrung des T. Plautius Silvanus CIL XIV 3608; dem Vespasian werden Reden in den Mund gelegt bei Tac. hist. II 74f. Joseph. bell. Iud. III 208f. IV 368ff. Philostrat. vit. Apoll. V 29f.

b) Die Geschichte des Vespasian liegt uns in folgenden Berichten vor: 1. Von Tacitus’ Darstellung in den Historien besitzen wir nur noch die Bücher I-IV ganz und vom V. Buch, nach dem Umfang der erhaltenen Bücher gemessen, weniger als ein Drittel; geschildert werden die Ereignisse von Anfang 69 bis Herbst 70 (V 23 flexu autumni et crebris per aequinoctium imbribus); für sie ist Tacitus Hauptquelle; er allein stellt die Motive der Erhebung Vespasians ausreichend dar. Tacitus ist zur Zeit der von ihm geschilderten Ereignisse erst 15 Jahre alt, hat sich also auf mündliche und literarische Quellen gestützt (vgl. u. S. 2625).

2. Für die erste Zeit kommt noch besonders in Betracht Flavius Josephus in der Geschichte des Jüdischen Krieges III–VI (für die folgenden Regierungsjahre ist noch einiges aus dem VII. Buche [2624] wichtig; zitiert als ,bell.’ nach der Ausgabe von J. A. Destinon und B. Niese, Berlin 1894). Das Werk ist von größter Wichtigkeit, wenn auch die von Josephus selbst nicht verhüllte Unzuverlässigkeit seines Charakters (s. besonders hell. III 350JF.) Bedenken gegen seine Aufrichtigkeit erregt. Bei ihm ist auch stets zu bedenken, daß er bei der Thronbesteigung Vespasians nach klugen Prophezeiungen Freiheit und Bürgerrecht bekam (bell. III 351. 405-408. VII 448-450; vit. 422-430) und im Gefolge des Vespasian in Alexandrien und des Titus vor Jerusalem war. Er ist sichtlich bestrebt, seinen hohen Wohltätern Angenehmes zu sagen. Auch insofern ist er tendenziös, daß er eine den Juden feindlichen Schriften entgegengesetzte Darstellung geben will (bell. I 2). Josephus, bei der Thronbesteigung Vespasians etwa 32 Jahre alt (vgl. Dessau Prosopogr. II 68 nr. 189), ist immerhin Augenzeuge von dem Berichteten und besaß eigene Aufzeichnungen (c. Apion 19, vgl. Vita 361). Sein Buch übergab er (nach 75, da der damals geweihte Tempel der Pax VII 158–161 erwähnt ist) dem Kaiser persönlich (vit. 361; c. Apion I 50), also zwischen 75 und 79 (vgl. Wachsmuth Einleitung in das Studium d. alt. Geschichte 438. 446ff. E. Schürer Gesch. des jüd. Volkes 14 74ff. B. Niese Hist. Ztschr. LXXVI 193–237. H. Graetz Gesch. d. Juden III5 483ff.).

Die wichtigen Datierungen des Josephus bereiten besondere Schwierigkeiten, was hier nur angedeutet werden kann. Daß sich die von ihm angewandten makedonischen Monatsnamen auf das vom julianischen nur in der Monatsbenennung verschiedene syromakedonische Sonnenjahr beziehen, ist die Ansicht von Scaliger, Baron, Usher, wiederaufgenommen von O. A. Hoffmann (De imperatoris Titi temporibus recte definiendis, Diss. Marburg 1883, 4ff.), nach dem die Diskrepanzen in Josephus Angaben durch die Verschiedenheit seiner Quellen bedingt sind (modifiziert angenommen von Schürer I⁴ 757, wo 756ff. über die ganze Frage berichtet wird; vgl. Unger Zeitrechnung d. Griech. u. Röm. in J. v. Müllers Handbuch I², München 1892, 770). Einen verbesserten syromakedonischen, den tyrischen Kalender, glaubt B. Niese (Herm. XXVIII [1893] 194ff.; Hist. Ztschr. LXXVI 210, durchgeführt in seiner Ausgabe) angewandt; ihm folgt E. Schwartz Abh. d. Ges. d. Wissensch. z. Göttingen N. F. VIII 6, 1905, 142ff. Diese Ansicht geht davon aus, daß der Todestag des Vitellius, bei Joseph. bell. Iud. IV 654 = 3. Apellaios, gerade im tyrischen Sonnenjahrkalender auf den aus Tac. hist. III 79–85 herausgelesenen 20. Dezember fällt. Doch bezeichnet Josephus an vielen Stellen ganz zweifellos jüdische Monate mit den makedonischen Namen (Schürer 756. 759. Chambalu Philol. XLIV 1885. 508; Philol. Anz. XVI 552ff.). Die Schwierigkeit ist am besten gelöst von G. F. Unger (S.-Ber. Akad. München 1893 II 443ff.), der aus Tacitus den 21. Dezember als Todestag des Vitellius nachweist, womit das Datum des Josephus durch annehmbare Textänderung in Einklang gebracht werden kann (s. u. J. 69 β). Danach scheint es richtig, den tyrischen Kalender auszuschalten und die Data durchgängig als jüdische Kalenderdata mit makedonischen Monatsnamen anzusehen. Das Werk des Hegesippus über den Jüdischen [2625] Krieg ist nur eine Übersetzung des Josephus (Hegesippus = Josippus oder Josephus; vgl. Niese-Destinon Praef. p. XIXff. LVIff. Schürer I 73f.).

3. Die ganze Regierungszeit gibt in wohlwollender Darstellung Cassius Dio im LXVI. Buch seiner römischen Geschichte, im Auszug des Xiphilinos vorliegend (im folgenden als ,Dio’ ohne Buchangabe zitiert); einiges auch bei Zonaras.

4. Die Vita des Sueton berücksichtigt auch die Jugendgeschichte des Vespasian, und versucht, ein lebendiges Gesamtbild zu geben; er bietet auch hier eine Reihe interessanter Einzelheiten, die uns die Persönlichkeit näher rücken.

5. Verloren ist die vom älteren Plinius verfaßte Geschichte Vespasians (n. h. praef. 19 [an Titus]: vos quidem omnes, patrem te fratremque, diximus opere iusto, temporum nostrorum historiam orsi a fine Aufidi Bassi; nach Plin. ep. III 5, 6 in 31 Büchern). Die strittige Frage, ob Tacitus, Dio und Sueton dieses Werk oder einen anderen der Tac. hist. II 101 erwähnten scriptores temporum, qui potiente rerum Flavia domo monimenta belli huiusce composuerunt benutzt haben, kann hier unerörtert bleiben, zumal da man damit über Namen nicht hinauskommt (vgl. Mommsen Herm. IV 295ff. Nissen Rh. Mus. XXVI 479, zusammenfassend Ph. Fabia Les sources de Tacite, Paris 1893; vgl. oben Bd. III S. 1714ff.).

6) Einzelnes bei Späteren ist meist ohne besondere Bedeutung, z. B. bei Philostratus vit. Apoll. V 27–41 (ed. C. L. Kaiser, Turici 1844 p. 95–104); Eutrop (viele Übereinstimmungen mit Sueton; vgl. die Ausgabe der Mon. Germ. Hist. rec. H. Droysen, Berlin 1878). Wertvoll ist Sex. Aurelius Victor (de Caesaribus über ed. F. Pichlmayr, Progr. München Ludwigs Gymn. 1892).

c) Die Inschriften sind von H. C. Newton The epigraphical evidence for the reigns of Vespasian and Titus (= Cornell studies in classical philology XVI, Ithaka N. Y. 1901) zusammengestellt und mit einigen Erläuterungen versehen (vgl. allerdings v. Domaszewski Wochenschr. f. klass. Philol. 1902, 971); die wichtigsten auch bei Dessau Inscr. lat. sel. nr. 244–255. Besonders erwähnenswert sind außer den beiden oben (S. 2623) genannten Briefen (Newton 84. 85)

1. der Schluß der sog. lex de imperio Vespasiani CIL VI 930 = Dessau 244 = Newton 2 (Literatur s. u. J. 69 γ); auf einer Bronzetafel, die Cola di Rienzi in die Wand der Kirche von St. Giovanni in Laterano einfügen und Gregor XIII. 1576 aufs Capitol bringen ließ; jetzt im capitolinischen Museum;

2. auf das Pomerium bezügliche Inschriften CIL VI 1232 = Newton 3 = Dessau 248 und VI 31538 = Newton 4;

3. die Acta fratrum Arvalium CIL 2052–2057 = Henzen XCVII–CIV = Newton 151 –158;

4. insbesondere die stadtrömischen Inschriften CIL VI 930–939 und die Konstitutionen CIL III p. 849-853. 1959; eine weitere: Altertümer unserer heidnischen Vorzeit V Taf. 33 und S. 181ff. (v. Domaszewski), vgl. Korr.-Bl. d. Westd. Ztschr. 1906, 20ff. (Ritterling). [2626]

d) Die Papyri ergeben für Vespasian nur wenig (vgl. S. 2635).

e) Die Münzen Vespasians bei Eckhel VI 319–344. H. Cohen Description historique des monnaies frappeés sous l’empire Romain, Paris I² 1880, 368–425 (im folgenden nur nach den Nummern zitiert); vgl. B. Pick Ztschr. f. Numism. XIV 353ff. A. Chambalu Philol. XLV 100ff. Für die alexandrinischen Münzen müssen neben Mionnet VI 79–84 nr. 297–349; Suppl. IX 34–36 nr. 55-70 verglichen werden von Sallet Die Daten der alexandrinischen Kaisermünzen, Berlin 1870, 22. 23. B. Pick a. a. O. 294ff. und die Münzkataloge der großen Museen, besonders E. St. Poole Catalogue of the Greek coins in the British Museum, Alexandria, London 1892 und G. Macdonald Cat. of Greek coins in the Hunterian-Collection, vol. III, Glasgow 1905.

f) Neuere Darstellungen: T(illemont) Histoire des empereurs, Paris 1690 I 584–658. II 1–46. Ch. Merivale History of the Romans under the empire VII, London 1865, 112–291. L. v. Ranke Weltgeschichte (Leipzig 1883) III 1, 209–256. H. Schiller Geschichte der römischen Kaiserzeit I (Gotha 1883) 390–400. 499 –518. v. Duruy Gesch. d. röm. Kaiserzeit, übers. von G. Hertzberg II, Leipzig 18S6, 55-128. B. Niese Grundriss d. röm. Geschichte nebst Quellenkunde³, München 1906, 291ff. E. Herzog Geschichte und System der römischen Staatsverfassung II 1 (Leipzig 1887), 285-298. J. Asbach Kaisertum u. Verfassung, Köln 1896, 52–80. G. Goyau Chronologie de l’empire romain, Paris 1891, 134-158. H. Dessau Prosop. imp. rom. II 77 nr. 263. Insbesondere haben Vespasian (und seine Söhne) zum Gegenstand die Schriften von A. Chambalu De magistratibus Flaviorum, Diss. Bonn 1882; Flaviana I–V im Philol. XLIV 106ff. 502ff. XLV 100ff. XLVIII 569ff. 765ff. LI 720ff. J. Asbach Die Consularfasten der Jahre 68–96, Bonn. Jahrb. LXXIX 105ff. B. Pick Zur Titulatur der Flavier, Ztschr. f. Numism. XIII 1ff. 356ff. XIV 294ff. E. Maynial Les salutations imperiales de Vespasien, Mélanges d’Archéologie et d’Histoire, Paris 1902, 317–359.

II. Leben vor der Thronbesteigung.

a) Abstammung

(s. die Stammtafel o. S. 2537). Vespasian stammte aus einer unberühmten Familie (gens Flavia obscura illa quidem, ac sine ullis maiorum imaginibus Suet. 1). Sein Großvater T. Flavius Petro war ein Bürger des Municipium Reate im Sabinischen und diente gegen Caesar als Centurio auf Seiten des Pompeius, kehrte nach der Teilnahme an der Schlacht bei Pharsalus (48 v. Chr.) in die Heimat zurück, erhielt Begnadigung und Abschied und trieb dann gewerbsmäßig die Gelder von Versteigerungen ein. Seine Frau Tertulla (Suet. 2) beschäftigte sich später auf ihren Gütern zu Cosa in Etrurien mit der Erziehung Vespasians. Von Flavius Sabinus, dem Vater des Kaisers, hören wir als sicher nur, daß er in Kleinasien Zollbeamter der Quadragesima (vgl. Marquardt R. St.-V. II² 274. Hirschfeld Kaiserl. Verwaltungsb.² 80) war und von den Gemeinden wegen seiner trefflichen Amtsführung geehrt wurde; später zog er nach der Schweiz, wo er Geld auf Zinsen auslieh: dort starb er auch. Seine Gemahlin [2627] Vespasia Polla war aus einer besseren Familie als ihr Mann, denn ihr Vater, Vespasius Pollio, ein Bürger aus Nursia im Sabinischen, war dreimal Kriegstribun und Lagerpraefect, und sein Bruder Senator in der Rangklasse der Praetoren. Das Ansehen und das Alter der Gens bezeugte nach Sueton der Name Vespasia für einen Ort zwischen Nursia und Spoletium und die Nennung der Vespasii auf mehreren Monumenten an diesem Orte. Von Vespasians Geschwistern starb seine erstgeborene Schwester, ehe sie ein Jahr alt war (Suet. 5); sein älterer Bruder Flavius Sabinus (über ihn siehe Dessau Prosopogr. II 73 nr. 231 und o. Nr. 166) fiel in den Kämpfen bei der Erhebung seines Bruders.

b) Name.

T. Flavius Vespasianus: Auf der vor der Thronbesteigung gesetzten Inschrift CIL VI 1268 = Newton 1 wird er so ohne Nennung des Vaters oder der Tribus, doch mit Praenomen genannt. Dieses findet sich noch auf wahrscheinlich Vespasian nennenden alexandrinischen Münzen aus den ersten beiden Monaten von Vespasians Imperium, Juli und August 69 (Coins in the Brit. Mus. nr. 221 pl. XXXII: ΑΥΤ ΤΙΤ ΦΛΑΥIO ΥΕΣΠΙΑ[N ΚΑΙΣ], IA; ähnlich 229–231 [pl. VII], 234. 235. 240 [pl. XXIII]. 242. 246. 261 [pl. XVI]. 269; vgl. p. XIIIff. und Hunterian-Collection 421 nr. 149–152. Eckhel IV 414. VI 341ff.). Das Gentilicium warf er, wie es meist geschah (Mommsen St.-R. II² 740), 30 als Princeps ab (nur ausnahmsweise genannt in einem Brief des Vologaesus Dio 11, auf einer griechischen Inschrift zu Patara in Lykien [Le Bas 1265 = Newton 104] und auf den eben erwähnten alexandrinischen Münzen). Das Cognomen führt er vom Gentilicium seiner Mutter Vespasia her; dagegen behält sein älterer Bruder den Beinamen des Vaters, Sabinus (vgl. o. Bd. IV S. 228. Cagnat Cours d’épigraphie lat.² 67). Er gehörte zur Tribus Quirina (vgl. beim J. 74 δ).

c) Leben bis zum Kommando im Jüdischen Krieg.

Vespasian wurde geboren am Abend des 17. November 9 n. Chr. (Suet. 2. Dio 17. Philocalus CIL I² 255; vgl. CIL VI 200 = Newton 175) zu Falacrine, einem Flecken bei Reate im Sabinerland (Suet. 2. Vict. Caes. 8, 4. Sil. Ital. III 594ff. Mommsen CIL IX p. 434). Mit seiner Erziehung beschäftigte sich Tertulla, seine Großmutter väterlicherseits, in ihrem Landhaus zu Cosa in Etrurien (Suet. 2). Sein Bruder hatte schon die Senatorentoga angelegt, als Vespasian sich noch lange sträubte, in den öffentlichen Dienst zu treten, bis ihn seine Mutter, mehr durch Vorwürfe als durch Bitten, zur Bewerbung um die für den Senat qualifizierenden Ämter drängte. Vermutlich war ihr senatorischer Bruder (s. oben a) bei der Erlangung des senatorischen Standesrechts behilflich. Als Quaestor erloste Vespasianus Kreta und Kyrene. Seine Bewerbung um die Aedilität mißlang fast, indem er nicht gleich bei der ersten Bewerbung gewählt wurde und auch später nur an sechster, d. h. wohl letzter Stelle; er bekleidete das Amt unter Caligula, anscheinend im J. 38 (Suet. 2; vgl. u. S. 2628). In diesem Amt soll er einmal den Zorn dieses Kaisers erregt haben, weil er für die Straßenreinigung nicht hinreichend gesorgt hatte, und die Soldaten sollen auf kaiserlichen Befehl in den Bausch seiner Toga Straßenkot [2628] geworfen haben (Suet. 5. Dio LIX 12). Die Praetur, um die er sich, alsbald bewarb, erhielt er gleich bei der ersten Bewerbung, und zwar unter den ersten. Bei dem damals herrschenden Gegensatz zwischen Senat und Caligula stellte er sich auf die Seite des Princeps und suchte ihn sich auf jede Weise zu verbinden: er verlangte außerordentliche Spiele für einen germanischen Sieg; die Strafe für die Teilnahme an der am 27. Oktober 39 entdeckten Verschwörung (Suet. Claud. 9; Galb. 6. Dio LIX 22. Henzen Act. Arv. XLIX. 77) wollte er verschärft wissen durch Versagung des Begräbnisses; vor versammeltem Senat sprach er dem Kaiser seinen Dank dafür aus, daß er ihn mit einer Einladung zur Tafel beehrt hatte. Vermutlich hat seine Mutter Vespasia Polla ihren Dank gegen den Kaiser für die erwiesene Gunst ausgedrückt, indem sie sein Bildnis mit Inschrift in ihrem Hause anbrachte (CIL XI 4778 und Arch.-epigr. Mitt. Öst. XV 1892, 33ff.; vgl. Suet. 1). Wenn man die Aedilität ins J. 38 und die Praetur in das J. 39 setzt, so stimmt dazu, daß er inter haec (Suet. 2; doch kann der Ausdruck auch allgemeiner aufgefaßt werden) die Flavia Domitilla (über diese s. Dessau Prosopogr. II 81 nr. 277 und u. Nr. 225) heiratete; am 30. Dezember 39 gebar sie ihm seinen ältesten Sohn Titus prope septizonium sordidis aedibus cubiculo vero perparvo et obscuro (Suet. Tit. 2). Unter Claudius wurde Vespasian auf Verwenden des Narcissus im J. 41/42 nach Germanien geschickt als Legatus der Legio II Augusta, die damals in Argentoratum (Straßburg) lag (Bonn. Jahrb. LXVI 71ff.), wobei er, wie es scheint, gegen die Germanen kämpfte (Joseph. bell. III 4). Zur Expedition nach Britannien im J. 43 (vgl. Bd. III S. 2796f.) ging er mit dieser Legion hinüber (Suet. 4. Tac. hist. III 44; Agr. 13. Joseph. bell. III 4. Dio LX 20. Val. Flacc. Argon. I 7. Sil. Ital. III 597). Dreißigmal kämpfte er mit dem Feinde; unter der Führung des consularischen Legatus Aug. pro pr. A. Plautius (vgl. Dessau Prosop. III 44 nr. 344) und des Kaisers Claudius selbst unterwarf er zwei starke Völkerschaften, über zwanzig Städte und namentlich die Insel Vectis (Wight). So half er zum Triumphe im J. 44 (Joseph. bell. III 5); deshalb erhielt er die ornamenta triumphalia und in kurzer Zwischenzeit eine doppelte Priesterwürde (Pontificat und Augurat nach der Vermutung Eckhels VI 331; vgl. Cohen 41–45). Unbekannt ist, was Vespasian dem Vater des Princeps Vitellius zu verdanken hat, als dessen cliens er bezeichnet wird, während dieser (47 als Consul oder 47 und 48 als Censor) Amtsgenosse des Claudius war (Tac. hist. III 66; vgl. Dessau Prosop. III 451 nr. 500). Im J. 51 am 24. Oktober, als Vespasian bereits Consul designatus war, wurde ihm sein zweiter Sohn Domitianus geboren; Vespasian wohnte damals in der 6. Region der Stadt ad malum Punicum, wo Domitian später den Tempel der Gens Flavia errichtete (Suet. Dom. 1. CIL X 444). Consul suffectus war er im November und Dezember 51 (Suet. Vesp. 4; Dom. 1. 17; vgl Tac. hist. II 78). Die Zeit bis zu seinem Proconaulat verbrachte er in Muße und Zurückgezogenheit; sein Gönner Narcissus starb Ende 54 (vgl. Dessau Prosopogr. II 397 nr. 18); Agrippina, die anfangs [2629] einflußreiche Mutter des Nero, fürchtete er, da sie die Freunde des Narcissus auch noch nach seinem Tode haßte (Suet. 4). Demnach war Agrippina schon gestürzt (Suet. Nero 34. Tac. ann. XIII 12. 18. Dio LXI 7; ermordet im J. 59), als er Proconsul von Afrika wurde (vor 62 nach Borghesi Oeuvr. IV 536; vgl. Pallu de Lessert Fastes des provinces Africaines I 140f.). Seine Führung des Proconsulats war nach einer Nachricht (Tac. hist. II 97) berüchtigt und verhaßt, während Sueton (4) zwar eine Beschimpfung bei einem Aufstand zu Hadrumet erwähnt, aber sagt, sein Amt habe er untadelig und in Ehren verwaltet. Doch erwähnt auch Sueton, daß man ihm vorgeworfen habe, 200 000 Sesterzen einem Jüngling für Verschaffung des latus clavus abgenommen zu haben. Für andere Amtsführung spricht dagegen, daß er in so zerrütteter Finanzlage zurückkam, daß er bei seinem Bruder eine Hypothek auf seine sämtlichen Güter aufnehmen: mußte (vgl. Suet a. a. O. Tac. hist. III 65), ja er soll, um sich mit Anstand halten zu können, den Sklavenhandel zu seiner Erwerbsquelle gemacht haben; das trug ihm den Schimpfnamen ,der Maultiertreiber' (mulio) ein (Suet. a. a. O.). Unbestimmt wann führte er als Schiedsrichter eine Grenzregulierung aus, deren Örtlichkeit und Art, ob privat oder behördlich, nicht feststeht; aufgefordert war er von L. Calpurnius Piso Frugi Licinianus und Licinius Crassus Scribonianus den Söhnen des Consuls des J. 27 M. Licinius Crassus (CIL VI 1268 = Newton 1; vgl. Dessau Prosop. II 277 nr. 131. 132). Ebenso ist die Zeit seines freundschaftlichen Verkehrs mit den Stoikern Thrasea, Soranus und Sentius (Tac. hist. IV 7), ferner mit Cerealis (Hist. V 26) nicht zu bestimmen. Seine Gattin und seine einzige Tochter, Domitilla (Nr. 226), starben vor seiner Thronbesteigung (Suet. 3).

Im J. 66 reiste Vespasian im Gefolge Neros nach Achaia (Dio LXIII 8), zog sich aber den Zorn Neros zu, da er, während jener sang, öfters fortging oder gar einschlief; so wurde er nicht nur vom Hoflager verwiesen, sondern es wurde ihm auch die Teilnahme am Empfang versagt (Suet. 4; ähnliches erzählt Tac. ann. XVI 5, aber mit Rom als Schauplatz; da Vespasian schwerlich zweimal denselben Fehler gemacht hat, liegt wohl dasselbe Vorkommnis zugrunde; daß er in Achaia in Ungnade fiel, sagt Sueton ausdrücklich; auch Joseph. bell. III 7 deutet auf eine vorhergehende Spannung hin; über Neros Empfindlichkeit vgl. Philostrat. vit. Apoll. V 7 p. 88 Kayser). Er begab sich in parvam atque deviam civitatem und beobachtete Zurückhaltung (Suet. a. a. O.).

d) Vespasian im Jüdischen Krieg.

Seitdem Judäa von den Römern erobert war, herrschten dort Unruhen, hervorgerufen durch Unverträglichkeit der Juden mit den Syrern und durch Aufstände, die einerseits durch messianische Erwartungen (bell. VI 312ff. Suet 4. Tac. V 13. Euseb. hist. eccl. III 8 andrerseits durch die Wirtschaft der römischen Procuratoren veranlaßt waren. Noch schlimmer wurde die Lage unter und durch Gessius Florus (vgl. Dessau Prosop. II 117 nr. 103), der im J. 64 Procurator wurde (Joseph. Ant. XX 111; bell. II 277f.; vgl hierzu und zum [2630] Folgenden Schürer Gesch. d. jüd. Volks I² 489ff.). Reibereien zwischen Juden und Syrern in Caesarea wurden von Nero zugunsten dieser entschieden (bell. II 284). Die Erbitterung darüber äußerte sich 66 in einem Aufruhr (bell. II 285–292) und pflanzte sich nach Jerusalem fort, wo Florus die Juden noch mehr reizte durch einen Eingriff in den Tempelschatz (bell. II 239) und Plünderungen (bell. II 305ff.), wobei etwa 3600 Juden den Tod fanden (bell. II 315; 29. und 30. Mai 66, Unger S. 482). Er versuchte sogar die Burg zu besetzen, um den heiligen Schatz in die Hände zu bekommen (bell. II 331). Masada wurde von aufrührerischen Juden genommen, die Römer dort umgebracht; in Jerusalem wurde des Kaisers Opfer verboten, die Burg Antonia von Aufständischen erstürmt, die Besatzung umgebracht, die geflüchteten Römer trotz beschworenen freien Abzugs niedergemacht (bell. II 408-456). Jetzt brachen überall Unruhen aus. Cestius Gallus, der Statthalter von Syrien (Klebs Prosop. I 340 nr. 572; s. o. Bd. III S. 2005 Nr. 9) zog zwar gegen Jerusalem, nahm am 30. Hyperberetaios = 7. (8.) November 66 (bell. II 528. Unger 476) die Neustadt ein und ließ fünf Tage lang die Mauern um den Tempel bestürmen, trat aber am 5. Dios = 12. November (Unger a. a. O. 486) unerwartet den Rückzug an, der durch den Druck der verfolgenden Juden nach ein paar Tagen zur Flucht wurde (bell. II 499–555). Ein ernster Krieg war jetzt nicht zu vermeiden. Wie sich die Juden zu ihm rüsteten (bell. II 562–584), so sah sich Nero nach einem Feldherrn um, der der Aufgabe gewachsen war, die Juden zu bestrafen und Aufstände der umwohnenden Völkerschaften zu verhindern (bell. III 3). Er zog den Vespasian wieder an sich heran, indem er seine Ungnade gegen den Mann, den er jetzt nötig hatte, durch gesteigerte Huld wieder gut zu machen suchte (bell. III 7). Zu diesem Entschluß wird viel beigetragen haben, daß Nero von der Ergebenheit des Mannes von niedriger Herkunft überzeugt war (Suet. 4. Joseph. bell. III 6). Seine Stellung war höchst wahrscheinlich die eines legatus pro praetore (vgl. Tac. hist. II 4f.; ungenau Joseph. bell. III 7 ληψόμενον τὴν ἡγεμονίαν τῶν ἐπὶ Συρίας στρατευμάτων; anders Pick Ztschr. f. Num. XIII 8ff.). Licinius Mucianus (vgl. Dessau Prosop. II 280 nr. 147) dagegen, ein fähiger, aber durch seinen Ehrgeiz auch gefährlicher Mann, wurde Statthalter von Syrien (Tac. hist. I 10).

Während Vespasian seinen Sohn Titus noch im Winter anfangs 67 (vgl. Joseph. bell. III 64) nach Alexandria (in Ägypten; anders Mommsen R. G. V 533, 1) sandte, um dort (als Legat, Suet. 4) die Legio XV Apollinaris (bell. III 8, vgl. 65. Tac. hist. V 1. Schürer 511, 31) mobil zu machen, ging er vom Hoflager des Nero zu Achaia aus über den Hellespont zu Land nach Syrien und sammelte dort die Streitkräfte der Römer, deren Kern die Legionen V Macedonica und X Fretensis bildeten, und zog Hüfstruppen von den benachbarten Königen heran (bell. III 8. 65. Tac. hist. I 10; vgl. II 4. Suet. 4). Von Antiochia marschierte er nach Ptolemais (bell. III 29); ein Detachement von 7000 Mann unter dem Tribunen Placidus legte er auf Bitten der Einwohner nach Sepphoris (bell. III 59). Titus [2631] traf mit der XV. Legion in Ptolemais ein, so daß Vespasian jetzt 3 Legionen, 23 Cohorten 6 Schwadronen und noch so viele asiatische Hilfstruppen zur Verfügung standen, daß seine Streitkräfte 60 000 Mann betrugen (bell. III 64–69).

Im Frühjahr 67 zog Vespasian zur Unterwerfung Galiläas aus, zögernd, wie um den Juden noch die Möglichkeit friedlicher Unterwerfung zu gewähren, aber zugleich sich auf einen Belagerungskrieg vorbereitend (bell. III 127). Einnahme und Bestrafung traf zunächst die Stadt Gabara (III 132-134; τῇ πόλει τῶν Γαδάρων codd., doch s. O. A. Hofmann De Titi temporibus recte definiendis, Dissert. Marburg 1883, 29, 2). Dann rückte er, da die Juden sich in das Bergland zurückgezogen hatten, gegen ihren Stützpunkt Jotapata vor (am 23. Artemisios = etwa 26. Mai; bell. III 142-145; vgl. Unger 488), wo inzwischen Josephus, der Befehlshaber der jüdischen Streitkräfte in Galiläa, eingetroffen war (bell. III 145ff.), und umzingelte sie. Am anderen Tag ließ Vespasian stürmen, doch die Römer wurden zurückgeschlagen. Dies wiederholte sich bis zum fünften Tage (bell. III 157). Jetzt wurde ein Damm aufgeworfen und mit 100 Wurfmaschinen besetzt. Doch die Juden richteten durch Ausfälle an den Belagerungswerkzeugen Schaden an, und als Vespasian die Maschinen aneinander rücken ließ und der Damm wuchs, ließ Josephus die Stadtmauer erhöhen (bell. III 161–175). Jetzt beschloß Vespasian, die Stadt durch Aushungern zu bezwingen (bell. III 176–189). Dann griff er aber wieder zu den Waffen, zog die zur Abwehr der Ausfälle nicht geeigneten Schwerbewaffneten aus dem Kampfe zurück und ließ den Sturmbock in Tätigkeit treten; doch erfinderisch wußten sich die Juden mit immer neuen Mitteln zu wehren (bell. III 203–228). Dabei wurde Vespasian durch ein feindliches Geschoß am Fuße verwundet, jedoch nicht schwer (bell. III 236ff.). Die Erbitterung, die sich deshalb des Heeres und des Titus bemächtigte, konnte sich entladen in einem großen Sturm auf die Stadt am 20. Daisios, etwa 21. Juni 67, doch gegen Abend mußte Vespasian die Truppen nach großen Verlusten zurückrufen (bell. III 253-282). Nun ließ Vespasian auf den erhöhten Dämmen drei eisenbeschlagene Türme zur Beschießung der Stadt errichten (bell. III 283-288). Nachdem inzwischen durch Truppendetachements die rebellierende Stadt Japha am 25, Daisios, etwa 26. Juni, genommen war (bell. III 289–306) und zwei Tage später die Samariter am Berge Garizim besiegt worden waren (bell. III 307–315), drangen endlich in der Frühe des 1. Panemos, etwa 2. Juli, am 37. Tage der Belagerung (Josephus sagt 47, doch hat er sich wahrscheinlich um 10 geirrt, s. Chambalu Philol. Anz. XVI 557. Unger 487) die Römer ohne Mühe in die von den Ermüdeten schlecht bewachte Stadt ein (bell. III 323ff.), wobei auch Josephus in Vespasians Hände fiel. Josephus erinnerte sich rechtzeitig der Träume, die ihm die Zukunft der römischen Imperatoren enthüllt hatten, und erreichte damit eine freundliche Behandlung (bell. III 351–354. 392-408).

Am 4. Panemos = 5. Juli brach Vespasian wieder nach Ptolemais auf und kam von dort [2632] nach Caesarea am Meer, wo er die V. und X. Legion ins Winterquartier legte, während die XV. nach Skytopolis ging (bell. III 409–413). Eine Abteilung Truppen schickte er zur Eroberung von Joppe aus, das der Stützpunkt jüdischer Seeräuber geworden war (bell. III 414–431). Vespasian selbst begab sich nach Caesarea Philippi zu Herodes Agrippa (über ihn vgl. Dessau Prosop. II 163 nr. 89. Schürer I 490–502), der ihn mit Truppen unterstützt hatte, blieb dort zwanzig Tage und zog von dort gegen die vom König abgefallenen Städte Tarichea und Tiberias am See Genezareth (bell. III 443–445). Titus brachte das Heer von Caesarea und traf den Vater zu Skytopolis (bell. III 446). Die römerfreundliche Partei lieferte Tiberias dem Vespasian aus. Einen Teil der Mauer ließ er einreißen, angeblich weil die Soldaten nur mit Gedränge durch die engen Tore kamen (bell. III 447–461). Nach Tarichea kam Vespasian, nachdem der vorausgeschickte Titus die Stadt erobert hatte; dann ließ er Flöße bauen und die Kahnflotte der geflüchteten Juden verfolgen und vernichten (bell. III 462–451). Um auf diesen Sieg die Münzen mit der Aufschrift Victoria navalis (vgl. Eckhel VI 330. Cohen V 632-639; Titus 386-390; Dom. 636-638) und die Aufführung von Schiffen im Triumphzug bell. VII 146 zu beziehen, scheint er etwas zu geringfügig, doch ist es noch bedenklicher, ihn (mit Dumersan und Madden, s. Schiller I 391, 3) auf die Vernichtung der Seeräuberei vor Joppe zu beziehen, wo überhaupt kein Seesieg vorliegt (bell. III 414–427). Über Aufrührer, soweit sie nicht Taricheer waren, hielt er ein strenges Gericht. Er ließ sie mit der Hoffnung auf Begnadigung nach Tiberias in die Rennbahn führen; 1200 Greise und Schwache ließ er da niederhauen, 6000 junge Leute schickte er Nero,, die übrigen wurden verkauft (8. Gorpiaios = etwa 6. September 67; bell. III 532–542). Weiter zog er nach Gamala: den Römern gelang es einzudringen, sie wurden aber wieder hinausgedrängt. Vespasian hatte sich zu weit vorgewagt und geriet mit seinen Begleitern in Lebensgefahr; doch gelang es ihm, kämpfend die Stadt zu verlassen. Die Belagerung wurde fortgesetzt, und am 23. Hyperberetaios (etwa 20. Oktober) wurde die Stadt erobert (bell. IV 1–83). Nachdem auch Gischala Titus die Tore geöffnet hatte (bell. IV 2), war ganz Galilaea unterworfen (bell. IV 84–120).

Vespasian schaffte die X. Legion nach Skytopolis, mit der V. und XV. marschierte er wieder nach Caesarea am Meer (bell. IV 87. 88). Dadurch, daß er jetzt an der Küste von Judaea noch Jamnia und Azotus eroberte, war Ende des J. 67 die Hauptstadt der Juden auch vom Meere abgeschnitten (bell. IV 130). Im Winter 67/68 ordnete Vespasian einerseits die Verwaltung des eroberten Gebietes (bell. IV 442), anderseits übte er das Heer zum Krieg gegen die Hauptstadt (bell. IV 88–91). Dort war unterdessen der Bürgerkrieg ausgebrochen; die römischen Offiziere rieten deshalb, zu raschem Angriff, und die vor den Zeloten aus Jerusalem entflohenen Juden baten auch um Hilfe. Doch Vespasian wollte die Eroberung Jerusalems bis zuletzt aufsparen und erst, um nicht behindert zu sein, das übrige [2633] Land unterwerfen. So nahm er Gadara, die Hauptstadt von Peraea am 4. Dystros (etwa 27. Februar 68; bell. IV 413) und ließ von Placidus das übrige Peraea bis zum Toten Meer erobern (bell. IV 419-439). Dann rückte er, zur Eile angetrieben durch Nachrichten vom Aufstand des Vindex in Gallien (bell. IV 440–441), von Caesarea über Antipatris, Thamna, Lydia, Jamnia nach Ammaus, wo er die V. Legion in ein festes Lager legte (bell. IV 443–445). Er machte dann einen Vorstoß nach Idumaea, ließ dort Truppen zurück und zog Über Ammaus durch Samaria hindurch nach Jericho, wo er am 3. Daisios (etwa 24. Juni 68) anlangte; die fast leere Stadt fiel in seine Hände (bell. IV 446–452). Von dort aus besuchte Vespasian auch das Tote Meer (bell. IV 447). Er errichtete noch einige Truppenlager in Judaea, um Jerusalem von allen Seiten einzuschließen (bell. IV 486–490). So war das Ergebnis: fortuna famaque et egregiis ministris intra duas aestates cuncta camporum omnesque praeter Hierosolyma urbes victore exercitu tenebat (Tac. hist. V 10. Zonar. VI 18). Als Vespasian, nach Caesarea zurückgekehrt, gerade alle Truppen auf Jerusalem vorrücken lassen wollte, wurde ihm die Ermordung Neros gemeldet (bell. IV 491; Nero † 9. Juni 68). Daraufhin verschob Vespasian in Erwartung der Ereignisse im Reich den Zug nach Jerusalem (bell. IV 497; proximus annus civili bello intentus quantum ad Iudaeos per otium transiit Tac. hist. V 10). Als die Nachricht von der Erhebung Galbas eintraf, ließ er, Galba weder zu- noch abgeneigt (Tac. hist. I 10), das Heer ihm huldigen (a. a. O. II 6) und wartete Aufträge Galbas zur weiteren Kriegführung ab. Um sie in Empfang zu nehmen, schickte er Herodes Agrippa und Titus nach Rom (bell. IV 498. Hegesipp. IV 21. Tac. hist II 1. Suet. Tit. 5), diesen ausdrücklich ad venerationem cultumque eius (Tac. hist. I 10), aber auch zur Bewerbung um Ehrenämter, wahrscheinlich auch, damit Titus sich zur Adoption empfehle (Tac. hist. II 1). Damals schon wird wohl Mucian der weitausschauende Lenker der Ereignisse gewesen sein (s. u. S. 2634).

In der ersten Hälfte des Januar 69 erfolgte die Abreise des Titus (vgl. O. A. Hoffmann De imperatoris Titi temporibus 19). In Korinth bekam er Kunde von der Ermordung Galbas (15. Januar 69; Tac. hist. II 1. Joseph. bell. IV 499), von der Rüstung des Vitellius und von der Erhebung Othos (Tac. hist. II 1). Während Agrippa weiterfuhr, kehrte Titus nach Caesarea zu Vespasian zurück (bell. IV 501). Mucian und Vespasian hatten schon ihre Heere zu Otho schwören lassen (Tac. hist. I 76. II 6). Der Krieg ruhte indessen; nur einen Zug in die Gegend von Jerusalem unternahm Vespasian am 5. Daisios 69 (= etwa 14. Juni, bell. IV 550ff.; Niese in seiner Ausgabe setzt ihn ins J. 68; vgL auch Graetz Gesch. d. Juden III 519, 5), wohl durch die gesteigerten Unruhen in Judaea veranlaßt (bell. IV 503–544). Nach Caesarea zurückgekehrt, hörte er, daß Vitellius Imperator geworden (bell. IV 588) oder vielmehr nach dem Sieg bei Bedriacum (Tac. hist. II 40–45) und dem Tod des Otho vom Senat am 19. April (Dio LXV 1. Tac. hist. II 55. Henzen Act Arv. p. XCIV und 64) als Imperator [2634] anerkannt worden war (über den Jüdischen Krieg vgl. noch Mommsen R.G. V 532ff. Graetz a. a. O. III 426ff.; bes. 494ff. E. Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I² 502ff.).

e) Die Vorbereitungen zu Vespasians Erhebung.

Da Vespasian gegen Vitellius eine persönliche Abneigung und auch Verachtung hegte, wie Vitellius gegen ihn Mißtrauen (Tac. hist. II 73), versetzte ihn dessen Erhebung in Aufregung I (bell. IV 589. 590). Doch scheint die durch die weite Entfernung von Italien gelähmte Handlungsfähigkeit, ferner der ungewisse Ausgang und ein Zagen vor der Größe der Aufgabe bei ihm den Gedanken an eine Auflehnung zunächst zurückgedrängt zu haben (bell. IV 591; vgl. Tac. hist. II 24. 75). Aber unter den Offizieren und Soldaten seines Heeres gärte es; sie waren eifersüchtig und erbittert darüber, daß die germanischen Legionen den neuen Princeps geschaffen hatten (Tac. hist. II 6. Joseph. bell. IV 592–600): als ihnen Vespasian den Huldigungseid für Vitellius vorsprach, hörten sie ihn stillschweigend an (Tac. hist. II 74); denn sie wünschten ihren Feldherrn geradezu mit Gewalt (bell. IV 603) zum Imperator zu machen. Ob diese Erregung und dieser Wunsch ein ganz spontaner war oder ob er von Mucian beeinflußt wurde, lassen die Berichte unklar: jedenfalls hat Mucian den Vespasian zur Annahme des Imperiums bestimmt. Zuerst waren sie als benachbarte Provinzstatthalter verfeindet: beim Tode Neros aber war eine Annäherung zwischen ihnen communi utilitate zustande gekommen, wozu besonders der bei Mucian beliebte Titus mitwirkte (s. u. S. 2699; bell. IV 32. Tac. hist. II 5; vgl. II 77). Beim Ausbruch des Kampfes zwischen Otho und Vitellius hatten sie sich nur zu einer abwartenden Stellung entschlossen trotz der Unternehmungslust des Heeres (Tac. hist. II 7. Joseph. bell. IV 502). Als nun Vitellius die Oberhand gewonnen hatte, drängte Mucian bei einer Zusammenkunft am Berge Karmel den unentschlossenen Vespasian, von den höheren Offizieren und den Freunden des Vespasian unterstützt, zum festen Entschlusse (ego te Vespasiane ad Imperium vom Tac. hist. II 76. Joseph. bell. IV 605). Daß Mucian nicht selbst nach dem Principat strebte, war vielleicht begründet durch die Bedenken, die er wegen seines eigenen Vorlebens und Rufs (Tac. hist. I 10) und wegen seiner Kinderlosigkeit und der daraus erwachsenden Schwierigkeiten in der Thronfolge haben mußte (Tac. hist. II 77; vgl. hist. I 10: cui [Mucian] expeditius fuerit tradere Imperium quam obtinere). Gewiß erwartete er, bei Vespasian der allmächtige Mann zu werden (Dio LXV 8), was ihm auch zuerst gelang (s. u. beim J. 69 γ, 70 α). Auf die Entschließung Vespasians scheint auch sein Glaube an Vorzeichen und Prophezeiungen eingewirkt zu haben (Ausführliches Tac. hist. II 78. Suet. Vesp. 4. 5. Appian. bei Zonar. XI 16. Dio LXV 9. LXVI 1. Joseph. bell. III 399ff. IV 622ff.; vgl. Schürer I 514, 41. B. Niese Historische Ztschr. LXXVI 197). Schon vorher hatte sich Vespasian, der Bedeutung Ägyptens entsprechend, des Praefecten von Ägypten, Ti. Iulius Alexander (vgl. Dessau Prosopogr. II 164 nr. 92) versichert: jetzt teilte ihm Vespasian mit, daß er sich zur Übernahme des Imperiums entschlossen habe und auf seine [2635] Hilfe baue (Tac. hist. II 74. Joseph. bell. IV 616). Über die Proklamation schwebten, wie es scheint, noch Verhandlungen zwischen Vespasian und Mucian durch Vermittlung des Titus (Tac. hist. II 79. 80), da tat schon Ti. Alexander auf Vespasians Nachricht hin eilig den ersten Schritt: in Alexandria, am 1. Juli 69, proklamierte er Vespasian als imperator und nahm den ägyptischen Legionen (III Cyrenaica und XXII Deiotariana) auf Vespasian den Eid ab (Tac. hist. II 79. Suet. 6. Joseph. bell. IV 617; über die Reihenfolge der Ereignisse vgl. A. Hoffmann De Titi temporibus recte definiendis, Marburg 1883, 32ff.).

III. Regierungszeit.

a) Namen und Titel.

Das Praenomen und Gentilicium ließ Vespasian dem Herkommen gemäß ausfallen (vgl. Mommsen St.-R. II 741f.) und nahm das Praenomen imperator an, natürlich am dies imperii, 1. Juli 69 (diesmal Tac. hist. II 79 primus principatus dies; Suet. 6 principatus dies genannt); ebenso die Bezeichnung Caesar (vgl. Bd. III S. 1287), die er zwischen Imperatornamen und zuweilen vor (so Lex de imperio CIL VI 930) oder meist nach dem Cognomen führte (vgl. CIL Indices. Henzen Act. Arv. 173). Auch das letzte der Cognomina, den Augustusnamen, hat Vespasian wohl ausdrücklich vom Senat erst am 22. Dezember 69 erhalten (Tac. hist. IV 3, vgl. I 47. 62. Henzen Acta Arv. 173), doch wird er in seinen ersten Proklamationen schwerlich darauf verzichtet haben (vgl. Tac. hist. II 80 und die unten genannten Münzen). Σεβαστός findet sich schon im ersten ägyptischen Jahr des Vespasian, d. h. vom 1. Juli bis 29. August, auf alexandrinischen Münzen (Poole Brit. Mus. Alexandria V 247. Kubitschek Arch.-epigr. Mitt. XIII 91f.), auf Papyri am 16. und 20. September (BGU II 644, 1. Kenyon Greek papyri II 194) und auf einer kleinasiatischen Inschrift vor dem 22. September (Arch.-epigr. Mitt. XLII 89), Aug. ist auffälligerweise dem Namen Vespasian vorgesetzt Cohen 185. 533 v. J. 70; 201. 270. 271. 296. 333. 533 ohne Jahresbezeichnung, aber offenbar früh.

Vespasian rechnete seine tribunizischen Jahre vom dies imperii an (Borghesi Oeuvr. VI 1-36). Als der Senat ihm am 22. Dezember cuncta principibus solita zuerkannte (s. J. 69 y) war die tribunicia potestas darunter (Tac. hist. IV 3, vgl. I 47. II 55). Wenn die verdorbene Stelle Suet. 12 sagt, daß Vespasian die tribunicia potestas erst spät annahm, so kann man an eine auffällige Ausdehnung des Zwischenraums zwischen Senatsbeschluß und Comitien denken (Mommsen St.-R. II 838; von den vier uns bekannten Fällen beträgt der längste Zwischenraum 53, der kürzeste 12 Tage); doch dann ist Tacitus’ Schweigen auffallend. Es läßt sich nur konstatieren, daß das Diplom vom 7. März 70 (CIL III p. 849 = Newton 30 = Dessau 1989) die trib. pot. nennt (Chambalu mag. Flav. 8f. will auf Grund dieses Diploms, wo nur die trib. pot. und cos. II erwähnt ist, schließen, daß Vespasian die übrigen vom Senat zugedachten Befugnisse und Ehren abgelehnt habe; darauf stützt er die Berechnung der Zeit, in der das Anerbieten von Rom aus und die Ablehnung zu Alexandria vollzogen sein [2636] konnte: so läßt er die Comitien vor dem 1. Februar stattfinden. Doch ist die Berechnung etwas zu genau; zudem wird das Diplom von Vespasians-Beichsverwesung ausgestellt sein (vgl. Dio 2). Goldmünzen mit tr. p. und Bezeichnung von Titus-und Domitian als Caesares und Principes iuventutis können schon 69 geprägt worden sein Cohen 539). Die Jahresziffer der trib. pot. ist auf Münzen sehr selten zu finden (Cohen 139 Gold. 140 Silber. 284 G. 547 S. 564. 566 S. 565 G., aber nicht auf Senatsmünzen),

Der Beiname pater patriae war gewiß unter den am 22. Dezember angebotenen honores (Vespasian lehnte ihn zunächst ab, nach derselben verdorbenen Stelle bei Suet. 12; die Konstitution vom 6. März nennt ihn noch nicht, CIL III p. 849 = Newton 30 = Dessau 1989).

Auch der Oberpontificat muß Vespasian durch denselben Senatsbeschluß zuerkannt worden sein. Die Annahme des Titels pontifex maximus wie die Designation zum cos. III ist wahrscheinlich bereits in die Zeit der Frühjahrscomitien zu setzen (CIL III p. 849, Diplom vom 6. März, nennt Vespasian noch einfach trib. pot. cos. II, doch der Meilenstein CIL X 8005 = Newton 125 nennt ihn pont. max. tr[ib. po]t. cos. II i[mp ...] desig. III, p. p., gehört also, da auf Inschriften die Zahlen der trib. pot. selten fehlen, wahrscheinlich vor den 1. Juli 70, wie auch CIL XI 1171 = Newton 184 mit [pont] max. trib. pot. [cos.] II; allerdings hat unter den im J. 70 geprägten Münzen mit der Aufschrift Fortunae reduci [Cohen 81–85. 171. 185. 186; vgl. 86–94] nur eine [186] p. m. und [cos.] des. III; von Chambalu mag. Flav. 17 wird die Annahme des Titels p. m. wie die Consuldesignation deshalb in den November gelegt).

Von anderen Priestertümern ließ Vespasian: nur den Augurtitel auf Münzen setzen, die wohl zur Feier der Kooptation des Kaisers in das Collegium geschlagen sind (Cohen 41–43 wahrscheinlich aus dem J. 70, 44 vom J. 71, 45 von 72 oder 73; vgl. Mommsen St.-R. II 787, 8).

Consul und zwar Ordinarius war Vespasian, als Princeps achtmal (Suet. 8). Zum Consul II wurde Vespasian am 22. Dezember 69 zusammen mit Titus designiert (Tac. hist. IV 3. 38. Dio-1); daher wurde er Januar 70 cos. II mit Titus; dann war er im J. 71 cos. III mit M. Cocceius Nerva, 72 cos. IIII, 74 cos. V, 75 cos. VI, 76 cos. VII 77 cos. VIII, 79 cos. VIIII, von IIII bis VIIII stets mit Titus zusammen; nur dreimal finden sich private Eponyme (s. bei den Jahren). Die Comitien waren höchstens im J. 70 im Herbst (s. o.), sonst im Frühjahr, und zwar im März (Chambalu mag. Flav. 15f.; Philol. XLVII 765f. LI 720f.): auf den Diplomen vom 5. April 71 (CIL III p. 850. 1959 = Dessau 1990. 1991 = Newton 31. 32) ist Vespasian bereits cos. desig. IIII,

Censor designatus ist Vespasian mit Titus wohl schon 71, die Censur treten sie dann im Frühjahr 73 an (s. beim J. 73 β).

Die Imperatorakklamationen des Vespasian gehen nach den Inschriften und Münzen bis XX. Die Verteilung auf bestimmte Jahre ist meist möglich, die Beziehung auf bestimmte Ereignisse bei der lückenhaften Überlieferung äußerst problematisch (s. bei den einzelnen Jahren am Schluß). [2637]

Die Reihenfolge der Titel Vespasians ist im allgemeinen pont. max., trib. pot., imp., censor (nur auf dem ersten der drei diesen Titel enthaltenden Diplome, CIL III p. 852, steht er ganz am Ende), pater patriae, consul. Münzen, auf denen das Consulat an der Spitze steht (Cohen 30. 32–42. 114. 130. 289. 347. 470), sind vielleicht beim Amtsantritt geschlagene Gelegenheitsmünzen (nach Mommsen St.-R. II 758). Über die Titulatur vgl. Eckhel VI 342ff. Mommsen St.-R. II 740ff. Chambalu De magistratibus Flaviorum, Bonn 1883.

b) Regierung.

69 n. Chr.

trib. pot. cos. des. II (vom 22. Dezember an), imp.

α) Die Vorgänge im Orient. Die Nachricht von der Proklamation Vespasians zu Alexandria bewog, als sie zu den Legionen in Caesarea kam, die aufgeregten Soldaten, am 3. Juli, non parata contione, non coniuntis legionibus die salutatio imperatoria zu improvisieren, ohne den von Mucian mit der endgültigen Absprache zurückkehrenden Titus abzuwarten (V. Nonas Iulias Tac. II 79; V. Idus Iulias Suet. 6, wogegen hist. II 81 spricht; Jos. bell. IV 601–617 setzt die Proklamation in Judaea vor die in Ägypten, vielleicht um Judaea diese Ehre zu sichern; doch Tacitus und Sueton und die Bezeichnung des 1. Juli als dies imperii widerlegen ihn). So erhielt Mucian die Nachricht von der salutatio im Hauptquartier Vespasians schneller als er bei der Abreise des Titus vermutet hatte: anders als Ti. Alexander hatte er aber auf sie gewartet und ließ jetzt seine Truppen zu Vespasian schwören; die Nachricht, Vitellius beabsichtige den Garnisonwechsel zwischen den syrischen und germanischen Legionen, hatte ihn wohl ebensosehr aufgeregt und zu Vespasian gedrängt wie damals seine Soldaten (Tac. hist. II 80). Noch vor dem 15. Juli war ganz Syrien vereidigt und somit schon 9 Legionen (2 in Ägypten, 3 in Judaea, 4 in Syrien) für Vespasian; auch Soemus von Emesa, Antiochus von Kommagene. Herodes Agrippa, der, insgeheim benachrichtigt, von Rom kam, traten auf Vespasians Seite (Tac. hist. II 81). Festlich wurde Vespasian vom ganzen Osten gehuldigt; auch seinen Söhnen, die er zu Caesares und Principes iuventutis ernannte (vgl. o. S. 2636; schon vor dem 22. September 69 feiert der Demos von Apollonia am Rhyndakos [Δομιτιανὸ]ν Καίσαρα τὸν τοῦ Σεβαστοῦ υἱὸν, vgl. Kubitschek Arch.-epigr. Mitt. XIII 91). Er und Mucian begaben sich nach Berytus, um Kriegsrat zu halten (Tac. hist. II 81. Jos. bell. IV 620) für den Fall, daß Vitellius Widerstand leistete, und um für die Finanzen zu sorgen: die nervos belli civilis verschaffte Mucian in skrupelloser Weise, allerdings auch aus eigener Tasche (hist. II 84). Als erste Maßregeln wurden beschlossen: Aushebung von Truppen und Einberufung der Veteranen, Anlage von Waffenfabriken und Prägung von Gold und Silbermünzen zu Antiochia (Tac. hist. II 82). Die Bestimmung dort geprägter Münzen (Eckhel VI 320, vgl. Cohen 538–546) ist recht unsicher, da hier, abgesehen von der Bezeichnung der Söhne als Caesares und Principes iuventutis, nur aus dem Fehlen von Bezeichnungen geschlossen werden kann; die nachlässige [2638] Schreibung (Eckhel a. a. O.) ist kein triftiger Grund, sie in Antiochia geprägt sein zu lassen (an der Lesung Cohen 546 Princ[eps] iun[io-rum] nimmt Mommsen Numism. Ztschr. III Wien 1871, 460, 1 keinen Anstoß); allerdings spricht auch nicht (wie Chambalu Philol. XLV 101 will) die Anführung der tr(ibunicia) potestas) dagegen, denn Vespasian mag ihre Verleihung antizipiert haben; er rechnet sie ja auch später vom 1. Juli 69 an. Chambalu a. a. O. zieht hierhin Cohen 261 IMP. CAESAR. VEISPASIALI IMP. ℞ LIB[ERTAS] RESTITVIA; ,fabrique barbare, mais d’argent pur’. 571 sans légende. Tête radiée du Soleil de face. ℞ Vespasianus (Vespasianus debout à gauche, en habit militaire usw.) (Cohen 617 Victoria Augustiaequitas Aug. trägt weder Name noch Kopf Vespasians, vgl. Pick Ztschr. f. Numism. XIV 362). Nach Antiochia zog Vespasian selbst und griff ein (Tac. hist. II 82. bell. IV 630). Dann deckte er sich zum bevorstehenden Krieg mit Vitellius den Rücken durch Unterhandlungen mit den Parthern und Armeniern; ferner ging er mit Titus nach Alexandria (Wende 69/70; bell. IV 656. Tac. hist. II 82. Suet. Vesp. 6; Tit. 5 nicht dagegen), um Ägypten zu besetzen, von wo aus er zugleich Italien durch die Sperrung der Getreideausfuhr in der Hand und durch die Einkünfte dieser reichsten Provinz wie durch ihre Lage einen sichern Rückhalt hatte (bell. IV 605ff. Tac. hist. III 48). Botschaften fertigte er an alle Feldherren und Heere ab; die von Vitellius entlassenen Praetorianer wollte er wieder einstellen und so gewinnen. Mucian dagegen nahm die Niederwerfung des Vitellius auf sich (Tac. hist. II 82. 98. III 3. bell. IV 631). Als Mucian schon unterwegs war, benützte Anicetus, ein Freigelassener des letzten unter Nero abgesetzten pontischen Königs Polemo, die unsichere Lage des römischen Reichs, um angeblich für Vitellius die Völker zur Erhebung zu bringen. Vespasian schickte den Virdius Geminus mit Legionsvexillaren zur Unterdrückung hin, dem es gelang, auf improvisierter Flotte die Feinde zu verfolgen und den Tod des Anicetus herbeizuführen. Vespasian, schon über diesen Sieg erfreut, erhielt noch dazu in Ägypten die Nachricht von der Entscheidungsschlacht bei Cremona (Tac. III 47. 48), also gegen Ende November. Ebenso die Unruhen im Reich ausnützend, hatten die Daker nach Abzug des moesischen Heeres sich an den Ufern der Donau ausgebreitet und drohten bereits die Legionslager zu zerstören; doch Mucian, gerade nahe (s. S. 3639), stellte ihnen die VI. Legion entgegen (Anfang November; vgl. Beuchel De leg. Rom. I Italica, Diss. Leipzig 1903, 122f.). Der Proconsul Asiens, Fonteius Agrippa (Dessau Prosopogr. II 85 nr. 309), wurde nach Moesien versetzt; man gab ihm zum Grenzschutz von Vitellius übergetretene Truppen (s. S. 2639), um sie so mit auswärtigem Krieg zu beschäftigen (hist. III 46). Vespasian hielt inzwischen claustra Aegypti besetzt (hist. II 82. Suet 7), um so auch noch das auf Kornzufuhr angewiesene Rom und zwar durch Hunger zu bezwingen. Auch die afrikanische Küste sollte zur Sperrung der Getreidezufuhr gezwungen werden (hist. III 48).

β) Die Gewinnung der Donaulander, die Eroberung [2639] Italiens und Roms. Das Heer des Mucian bestand aus der Legio VI Ferrata und 13 000 Mann vexillarii (Tac. hist. II 83. bell. IV 632, vgl. V 43. 44, wonach zur Ergänzung von vier damals verminderten Legionen 5000 Mann verwandt wurden). Zur Verfügung stand ihm auch die pontische Flotte, die er nach Byzanz gerufen hatte (hist. II 83. III 47). Doch führte er wegen der Herbststürme das Heer auf dem Landweg durch Kappadokien und Phrygien (bell. IV 632).

Inzwischen hatte das illyrische Heer für Vespasian Partei ergriffen; der Abfall ging aus von der Legio III Gallica, die früher unter Mucians Oberbefehl in Syrien gestanden hatte und zur Zeit von Neros Tod nach Moesien verlegt war, und ergriff dann die dem Vitellius feindseligen Legionen VII Claudia und VIII Augusta (Tac. hist. II 74. 85. Suet. 6. bell. IV 619. Vict. Caes. 8, 2ff. Ph. Fabia Rev. des études anc. V 329 [nach Jahresb. f. Geschw. XXVI 1, 1387]), und sie unterhandelten, auch zum Zwange bereit, mit den pannonischen Legionen (VII und XIII Gemina); auch diese, gegen Vitellius erbittert, traten auf Vespasians Seite unter dem Einfluß des Legaten der VII., des Antonius Primus, eines Mannes mit dunkler Vergangenheit, aber von großer Tatkraft, die er jetzt Vespasian zuwandte (vgl. Klebs Prosopogr. I 103 nr. 688 und v. Rohden o. Bd. I S. 2635ff.). Schließlich folgte auch die dalmatische Legion, die XI Claudia (Tac. hist. III85. 86). Antonius Primus und Cornelius Fuscus, der eifrig für Vespasian eintretende Procurator Pannoniens (vgl. Klebs Prosopogr. I 447 nr. 1107), ließen überallhin Sendschreiben gehen (hist. II 86. 98). Sie wandten sich auch an die dem Vitellius feindlichen Legionen XIV Gemina Marcia Victrix, von Vitellius nach kurzem Aufenthalt in Dalmatien nach Britannien geschickt, und an die vor kurzem nach Spanien verlegte I Adiutrix (vgl. Pfitzner Kaiserlegionen 218. 257. Jünemann De leg. Rom. I Adiutrice, Dissert. Leipzig 1894), die aber eine abwartende Stellung einnahmen, wie auch die beiden andern spanischen Legionen, die VI Victrix und X Gemina; auch Hordeonius Flaceus in Germanien, Bolanus in Britannien, Valerius Festus in Africa, dessen Legion, die III Augusta gegen Vespasian war (Tac. hist. IV 48ff.), warteten den Erfolg ab (hist. II 96. 97, vgl. III 13. 15). Der Verkehr mit Rom war für die Heere im Norden und Westen durch Posten des moesischen Heeres behindert; denn dem gut verhüllten Vorgehen Vespasians gegenüber war Vitellius zu Gegenzügen unfähig, während Vespasian über Italien gut unterrichtet war (hist. II 98).

Antonius Primus sollte auf Befehl des Vespasian in Aquileia stehen bleiben, um einerseits sich mit Mucian und seinem Heer zu vereinigen, andererseits die Besetzung Ägyptens durch Vespasian abzuwarten, da dieser durch eine solche Truppenmacht und durch die Getreidesperre von Ägypten aus einen unblutigen Sieg zu erringen gedachte (hist. III 8. 48); doch drang er auf eigene Faust über Aquileia, Altinum, Padua, Vicentia in Italien ein (hist. III 6. 7). Der Führer der in Rom bereits degenerierten Truppen des Vitellius, Caecina, war durch Vespasians Bruder geschickt bearbeitet (II 99) und fiel von Vitellius ab (III 13); der Kommandeur der Flotten [2640] von Ravenna und Misenum, Lucilius Bassus, trat zu Vespasian über (II 100), ebenso die Flotte von Ravenna (III 12). Das Heer des Caecina blieb Vitellius treu (III 14), aber in der großen Nachtschlacht bei Cremona (III 15–25), am 29. Okt. (Nissen Bonn. Jahrb. CXI/XII 70; vgl. noch Mommsen Herm. V 169ff. Dio LXV 10–14. Joseph. bell. IV 641–644. Vict. Caes. 8), wurde es von Antonius Primus gänzlich geschlagen (was wahrscheinlich den Anlaß zur zweiten acclamatio imperatoria Vespasians gab). Es folgte die Erstürmung und die von Vespasian offenbar nicht gebilligte (III 53) Plünderung und Einäscherung von Cremona (III 26–33. Dio LXV 15). Der von Rom her zu langsam anrückende Valens wollte in Gallien und Germanien neuen Widerstand gegen Vespasian ins Werk setzen, doch bei Monaco fand er die Gegend schon Vespasian ergeben (III 40–43). Die drei spanischen Legionen traten nun auch auf Vespasians Seite, ebenso die Legio II in Britannien unter Unruhe der übrigen Legionen (III 44). Jetzt schloß sich auch die Flotte von Misenum der Sache Vespasians an (III 57). Antonius Primus war inzwischen auf Rom losgerückt (III 50) und gelangte über Carsulae (III 60) und Narnia nach Ocriculum, wo er das Heer festos Saturni dies (III 78), 17.–23. Dezember, feiern ließ. Dort bekam er die Nachricht von den Vorgängen in Rom: Vespasians Bruder, der Stadtpraefect Flavius Sabinus, zur Besitzergreifung der Stadt von den primores civitatis angetrieben, hatte mit Vitellius über die Abdankung vergeblich unterhandelt, da dieser zum Bleiben gezwungen wurde (III 64ff. Dio LXV 17. Joseph. bell. IV 645ff.): die Vitellianer drängten die Anhänger des Sabinus (darunter die Ersten des Senats, viele Ritter, die Stadtbesatzung), sich aufs Kapitol zurückzuziehen (concubia nocte, Tac. hist. III 69, am 18. Dezember), wohin Sabinus den Domitian bringen ließ, und von wo aus er, belagert, in der Nacht die Flavischen Heerführer zu Hilfe rief. Luce prima (Tac. hist. III 70) des 19. Dezembers wurde das Kapitol gestürmt, wobei es in Flammen aufging (vgl. Gercke Seneca-Studien 249f. Jordan Topogr. d. Stadt Rom I 2, 28. 121. 130). Sabinus wurde gefangen und getötet, während Domitian entkam. Auf die Nachricht von der Belagerung zog Antonius auf der Flaminischen Straße nach Saxa rubra (LTI 78), wo er multo iam noctis des 20./21. Dezember eintraf und die Nachricht vom Tod des Sabinus und dem Kapitolbrand erhielt. Am andern Tag (III 79), also am 21. Dezember, kam er nach Rom, eroberte es (III 82ff.), und Vitellius fand den Tod (Tac. hist. III 85. Dio LXV 21. Zonar. XI 16. Oros. VII 8, 7. Eutrop. VII 18, 4ff. Suet. Vit. 15ff. Joseph. bell. IV 654, wo wahrscheinlich statt τρίτῃ = 3. vielmehr τῃ ιη = 18. (μηνὸς Ἀτελλαίου zu lesen ist; vgl. darüber wie über die Datierungen der vorhergehenden Tage G. F. Unger a. a. O. 456–465. 491ff. Tillemont I 706. Chambalu De mag. Flav. VII 1; anders v. Rohden o. Bd. I S. 2635ff. nach B. Niese Herm. XXVIII [1893] 203).

γ) Die Ereignisse in Rom von Vitellius Tod bis zur Jahreswende. Domitian, der sich zu den siegreichen Heerführern begab, wurde als Caesar begrüßt (Tac. hist. III 86. IV 2). Antonius Primus [2641] hatte die Macht in der Hand; einer seiner Peldherren, Arrius Varus, wurde Praefectus praetorio (II 2). Am folgenden Tag, 22. Dezember (vgl. Tac. hist. III 86), senatus cuncta principibus solita (s. u.) Vespasiano decernit laetus und in der Hoffnung, das Ende des Bürgerkriegs, des Weltkriegs sei erreicht. Die zuversichtliche Stimmung wurde erhöht durch ein Schreiben des Vespasian, das verlesen wurde, in dem er ut princeps loquebatur, civilia de se, egregia de republica. Zur Huldigung designierte der Senat Vespasian und Titus zu Consuln, Domitian erhielt die Praetur und das consulare imperium (Tac. hist. IV 3. Dio 1). Ein Schreiben des schon nahen Mucian verdroß den Senat, doch erkannte man ihm zu die triumphalia de bello civium; sagte man: wegen seiner Verdienste im ,Sarmatenkrieg' (womit wohl seine Abwehr der Daker [s. o. S. 2638], multo cum honore verborum gesteigert, gemeint war); auch die andern Flavischen Heerführer erhielten Ehrungen (Tac. hist. IV 4). Eerner wurde eine Huldigungsgesandtschaft an Vespasian beschlossen (a. a. O. IV 6–8). Mit der Regelung der verfahrenen Finanzwirtschaft sollte bis zu Vespasians Rückkehr gewartet werden. In diesen Punkten trat bereits die Opposition der stoischen Partei gegen den Princeps hervor, auch in der Frage, mit welchen Mitteln das Capitol wiederhergestellt werden sollte: daß nicht der Princeps, sondern der Senat den Bau vornehmen solle, sah man als Majestätsbeleidigung an (Tac. hist. IV 4. 9; vgl. Hirschfeld Kaiserl. Verwaltungsb.² 265). Als Mucian (wohl richtig Joseph. IV 654: noch am 22.; anders Schiller I 499, 5, doch Tac. hist. IV 4 paucos post dies rechnet von der Abfassungszeit seines Briefs) in die Stadt einzog, war des Antonius Regiment bald zu Ende: jener spielte den Princeps (Tac. hist. IV 11; Agr. 7. Dio 2).

Was unter den dem Vespasian gewährten cuncta principibus solita zu verstehen ist, zeigt Tac. hist. I 47: decernitur Othoni tribunicia potestas et nomen Augusti et omnes principum honores, vgl. II 55 cuncta longis aliorum principatibus composita (Vitellio) statim decernuntur. Es war, abgesehen von der Anerkennung des Imperiums und des Namens Augustus, eine Zuerkennung der Tribunicia potestas, aber auch noch besonderer Rechte, die erst in der Entwicklung des römischen Principats den zu Tage getretenen Bedürfnissen entsprechend diesem zu teil wurden (Lex de imp. Vesp. CIL VI 930, 5 ita uti licuit Divo Aug. Ti. Iulio Caesari Aug. Ti. Claudio Caesari Augusto Germanico u. ö.) und nun zusammen möglicherweise in demselben Gesetz wie die Tribunicia potestas (Mommsen) verliehen wurden. Von diesem deutlich in einigen Punkten (Z. 2-7) an die tribunicische Grundgewalt anknüpfenden Gesetz ist der letzte Teil erhalten, die sog. lex de imperio Vespasiani (s. o. S. 2625), der Form nach Senatsbeschluß (Madvig I 546), doch s. Z. 30 utique guae ante hanc legem rogatam acta gesta decreta imperata ab imperatore Caesare Vespasiano Aug. iussu[ve] mandatuve eius a quoque sunt, ea perinde iusta rataque sint ac si populi plebisve iussu acta essent; vgl. die sanctio (Mommsen St.-R. II 841. Herzog II 617); dem Inhalt nach zusammenfassende Bestallungs-Urkunde [2642] für die im Anschluß an die Zuerkennung der Tribunicia potestas zu verleihenden Befugnisse. Auf die Behandlung und Erläuterung der einzelnen Punkte muß hier mit einem Hinweis auf die betreffende staatsrechtliche Literatur verzichtet werden; sie lassen sich nur im Zusammenhang mit der staatsrechtlichen Stellung des römischen Principats behandeln. Wenn das Gesetz auch für Vespasian gegeben ist, so enthält es, abgesehen vom letzten Punkt, doch nichts Neues auf ihn insbesondere Zugeschnittenes (das hätte Tacitus auch erwähnt), sondern es ist ein Teil der bei jedem Regierungsantritt vorgenommenen Fixierung aus dem Geiste der Tradition, die das fehlende Staatsgrundgesetz durch ein Gewohnheitsrecht ersetzt. Die einzelnen Punkte des Fragments beziehen sich auf 1) die auswärtige Politik (Recht der Bündnisschließung), 2) und 3) das Verhältnis zum Senat (Recht der Berufung auch zu außerordentlichen Sitzungen, der Einbringung von Anträgen), 4) die Empfehlung der Magistraturkandidaten (commendatio oder suffragatio), 5) die Vorschiebung des Pomeriums, 6) die Verwaltungsmaßregeln, 7) die Dispensationen und Privilegien, 8) die Ratifizierung der Regierungshandlungen Vespasians seit seiner Annahme des Imperiums am 1. Juli 69. Literatur: Mommsen St.-R. II 839f. (,Kompetenzgesetz Vespasians’, ,überträgt dem Princeps die durch Spezialklauseln normierte und erweiterte tribunicische Gewalt’). F. B. R. Hellems Lex de imperio Vespasiani, Dissert. Chicago 1902; dazu Chambalu Neue Philol. Rundschau 1903, 30f. Herzog II 617ff. 681ff. 689ff. (für diejenigen Bestandteile des Principats, welche nicht im imperium proconsulare und der tribunicia potestas enthalten sind, ein besonderer Akt von Übertragung, ein Gesetz über die allgemein politische bürgerliche Aushilfsgewalt). Hirschfeld Kaiserl. Verwaltungsbeamte², Berlin 1905, 475 (,die Summe der dem Kaiser verfassungsmäßig zustehenden Rechte’, ,durch ein Senatusconsult mit Gesetzeskraft’; ,um die Rückkehr neronischer Zeiten für immer zu verhüten’). J. N. Madvig Verfassung und Verwaltung des röm. Staates I 546ff. O. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 494ff. 625 (die Feldherrnrechte der kaiserlichen Gewalt standen zu Anfang der Lex). A. Nissen Beiträge z. röm. Staatsrecht, Straßburg 1885. 227ff. H. Schiller Röm. Staatsaltertümer², München 1893, 99. Cantarelli Bull. com. XVIII (1890) 242ff. Weitere Literatur bei Herzog a. a. O. Karlowa a. a. O. Hellems 6. 1f.

δ) Welche Ereignisse in dem J. 69 Anlaß zu einer acclamatio imperatoria boten, ist, abgesehen von der mit der Erhebung am 1. Juli verbundenen ersten Akklamation (s. o. S. 2637), schwer zu sagen, da die erste bezeugte, die fünfte, erst dem Ende des J. 70 zuzuweisen ist (s. bei S. 70 η). Am ehesten ist an den Sieg von Cremona wegen seiner Bedeutung für Vespasians Imperium zu denken, dann an die Besiegung der Vitellianer und den Tod des vorigen Princeps am 21. Dezember (als Domitian als Caesar begrüßt wurde, Tac. hist. III 86). Ferner bietet sich Mucians Kampf mit den Dakern dar (s. o. S. 2638. 2641), der als in Sarmatas expeditio vom Senat zum Vorwand gebraucht wurde, am diesem nach kriegerischen Ehren [2643] geizenden Manne (vgl. a. a. O. III 8) die Triumphalzeichen de bello civium zu geben (a. a. O. IV 4). Allenfalls läßt sich noch in Erwägung ziehen die Niederwerfung des Pontischen Aufstandes unter Anicetus (Tac. hist. III 48 laetum ea victoria Vespasianum). Diesen Annahmen steht allerdings entgegen, daß Vespasian auf dem Diplom vom 6. März 70 einfach imperator heißt (vgl. noch Maynial 352f. CIL III p. 849 = Newton 30 = Dessau 1989).

70 n. Chr.

pontifex maximus tribunicia potestate (II vom 1. Juli an) imperator II–VI pater patriae consul II designaius III.

α) Die Reichsverwesung zu Rom. In Rom beantragte der Caesar Domitian am 1. Januar, dem ersten Tag seiner Praetur, im Senat, auf den sein Auftreten einen guten Eindruck machte, die Wiederherstellung der memoria Galbae und lehnte andrerseits den Einblick des Senats in die Listen der Ankläger der letzten Jahre ab, da der Princeps das entscheiden müsse (Tac. hist. IV 40). Am nächsten Tag mahnte er zur Versöhnung; Mucian stellte sich schützend vor die Ankläger und nahm des Friedens wegen zwei unbedeutende Verbannungen vor. Die Macht in Händen hatte eigentlich nur Mucian, denn Domitian führte ein recht ungebundenes Leben als Fürstensohn (a. a. O. IV 2. Dio 2), kümmerte sich wenig um Regierungssorgen, wenn er nicht gerade etwas Besonderes durchsetzen wollte; seinen Namen trugen: die epistulae und edicta (a. a. O. IV 39). Indessen hatte Mucian, der ,Bruder' Vespasians, die Vollmacht, im Namen des Princeps zu verfügen, dessen Siegelring er auch trug; er und Domitian besetzten nach eigenem Gutdünken Ämter, so daß Vespasian seinem Sohn ironisch dankte, daß er ihn noch nicht abgesetzt habe (Dio 2). In Mucians Augen war das Imperium sein Geschenk an Vespasian (Tac. hist. IV 4. Dio 2), das er noch nicht abzuliefern brauchte, und er fühlte sich deshalb vorläufig im ganzen Auftreten selbst als Princeps, und die Bürger umwarben ihn. Er leistete Vespasian gewiß gute Dienste, besonders als tüchtiger Finanzmann, der das Geld als Nerv der Regierung ansah und eifrig und wenig bedenklich im Aufsuchen der Geldquellen war (Dio a. a. O.). Seine rücksichtslose Art zeigte er auch den Leuten gegenüber, die dem neuen Imperium gefährlich sein konnten, besonders Vitellianern; was ihm von solchen in die Hände fiel, wurde getötet (Tac. hist. IV 11). An seine Feinde im eigenen Lager, Antonius Primus und Arrius Varus, wagte er sich nur mit Freundlichkeiten heran, doch schaftte er die ihnen besonders ergebenen Legionen, die VII Galbiana und die III Gallica, nach Pannonien und Syrien und schickte einen Teil des Heeres nach Germanien, von wo aus gerade besonders ungünstige Nachrichten eingetroffen waren. So wußte Mucian, während noch offiziell am 1. Januar in dem noch vom Praetor urbanus Iulius Frontinus einberufenen Senat den Heeren und ihren Führern sowie den verbündeten asiatischen Königen gedankt wurde, die Flavischen Heerführer allmählich auf die Seite zu schieben und alles in Ordnung zu bringen (Tac. hist. IV 11f. 39ff.).

β) Die Unruhen in Germanien und Gallien. Die allgemeine Unsicherheit der Zustände im J. 69, [2644] die auch in Germanien in Erscheinung trat durch die Erhebung des Vitellius (Tac. hist. I 55–57), den Marsch und Kampf seiner Truppen in Italien, (a. a. O. 59–70. II 11–45), hatte Iulius Civilis (vgl. Dessau Prosop. II 187 nr. 179), ein Mann aus batavischem Fürstengeschlecht, der schon unter Nero und Vitellius in Lebensgefahr geraten war, unter dem Deckmantel der Parteinahme für Vespasian im Sommer 69 zu einer Empörung benützt, zu der er die Bataver, Canninefaten, Friesen und nördlichen Gallier und nach einem Waffenerfolg auch noch Germanenstämme auf dem rechten Rheinufer fortriß (Tac. hist. IV 13–18, vgl. Joseph. bell. VII 75ff.). Acht Batavercohorten verstärkten seine Streitkräfte; sie waren von Otho nach Italien berufen, von Vitellius nach der Schlacht bei Bedriacum nach Germanien zurückgesandt (Tac. hist. II 69) und dann wieder von ihm wegen der Kriegsgefahr zurückgerufen worden (a. a. O. 97); doch auf dem Marsch nach Italien kehrten sie nun um und schlugen sich zu Civilis durch (a. a. O. IV 19. 20). Dieser ließ jetzt alle Truppen zu Vespasian schwören und forderte noch die von ihm zurückgeworfenen Legionen, die V Alauda und XV Primigenia, dazu auf, doch ohne Erfolg. Die dem belagerten Vetera unter Führung des Dellius Vocula zum Entsatz nahenden, in Neuss durch die XVI. Legion verstärkten obergermanischen Truppendetachements der IV Macedonica und XXII Primigenia machten in Gelduba (Gellep) Halt (a. a. O. 22–26). Auf die Nachricht von der Schlacht bei Cremona schwuren die römischen Truppen, wenn auch widerwillig, zu Vespasian. Jetzt erklärte Civilis, für die Freiheit kämpfen zu wollen (a. a. O. 31f.). Während er seine stets wachsende Anhängerschaft unter den Germanen stammweise zu Einfällen vorschickte, mißlang ihm die Eroberung Geldubas (a. a. O. 28. 33). Vocula zog kämpfend nach Vetera, doch als sich die rückwärtige Verbindung als unsicher erwies, führte er das Heer, noch vergrößert durch Truppen aus Vetera, nach Neuss. Dort bekamen die Legionen von Vitellius geschicktes Geld auf ihr Verlangen vom Statthalter Hordeonius, und zwar im Namen Vespasians, ausgezahlt: darauf vertranken sie das Geld, schlugen Hordeonius als Verräter tot und erklärten sich aufs neue für Vitellius, von dessen Tod sie noch nichts wußten (a. a. O. 35. 36). Doch die I., IV. und XXII. Legion, voll Reue und bald wieder für Vespasian in Eid genommen, folgten dem Vocula zu dem von Chatten, Usipiern und Mattiakern bedrohten Mainz (a. a. O. 37).

Mit Beginn des J. 70 erhielt der Aufstand neue Nahrung durch die von Civilis und den Druiden geschickt ausgedeutete Nachricht vom Untergang des Capitols und dehnte sich auf die Treverer, die von Iulius Classicus und Iulius Tutor beeinflußt waren, und die Lingonen unter der Führung des Iulius Sabinus aus: ein gallisches Reich sollte begründet werden (a. a. O. IV 54f.). Den Vocula lockten Classicus und Tutor zum Entsatz von Vetera von Mainz weg, doch bei Neuss trennten sie ihre Truppen ab und brachten die römischen Soldaten dazu, Vocula zu erschlagen und auf das gallische Reich zu schwören (a. a. O. IV 56–59). Die ausgehungerte Besatzung von Vetera ergab sich dem Civilis und schwur denselben Eid, doch [2645] beim Abzug wurde sie von den Germanen niedergemacht (Tac. hist. IV 60). Jetzt wurden die römischen Lager bis auf Mainz und Vindonissa (Windisch) geschleift und verbrannt (a. a. O. IV 61). Die XVI. Legion mußte von Neuss, die I. von Bonn nach Trier ziehen (a. a. O. IV 62). Die noch nicht mit den Siegern verbündeten Stämme schloßen sich gezwungen an, bis der Sieg der römertreuen Sequaner über den Lingonen Iulius Sabinus den Fortschritt der Bewegung in Gallien hemmte (a. a. O. IV 63–67), was in friedfertiger Art durch einen von den Römern berufenen gallischen Völkertag zum Ausdruck kam (a. a. O. IV 69).

Inzwischen hatte Mucian den Gegenschlag vorbereitet: offenbar vor dem 21. Juni (denn er und Domitian fehlen bei der Grundsteinlegung des Capitols, Tac. hist. IV 53) zog er selbst mit Domitian, den er unter den Augen behalten wollte, zum Krieg aus; er kam aber, trotz oder wegen Domitians Ungeduld, mit ihm nur bis Lugudunum (a. a. O. IV 68. 85f.; panegyrisch Joseph. bell. VII 85ff.); die VIII Augusta, XI Claudia, XXI Rapax, II Adiutrix rückten von Süden auf den Kriegsschauplatz; die XIV Gemina wurde von Britannien, die VI Victrix und I Adiutrix, später auch die X Gemina (Ritterling Westd. Ztschr. XII 108ff.), wurden aus Spanien herbeigerufen; das Heer sollten befehligen Annius Gallus (o. Bd. I S. 2268 Nr. 49) und Petilius Cerealis (v. Rohden Prosopogr. III 25 nr. 191. Tac. hist. IV 68; verworren ist Joseph. bell. VII 82ff.). Schon dadurch, daß der Anmarsch der römischen Vortruppen bis Mainz ungehindert vor sich ging, zeigte sich die Planlosigkeit der gallisch-germanischen Heerführung; dazu entwichen ihr die beiden Legionen bei Trier, jetzt wieder für Vespasian, zu den Mediomatrikern. Bei Bingen wurde Tutor zurückgeworfen (Tac. hist. IV 70); Cerealis drang in dreitägigem Marsch von Mainz zur Mosel vor, schlug die Treverer bei Rigodulum (Riol; a. a. O. IV 71) und besetzte Trier (a. a. O. IV 72–74). Dort versuchte das gesamte Heer der Feinde in einer Nachtschlacht die Römer zu überfallen (a. a. O. IV 76. 77; vgl. J. Asbach Westd. Ztschr. XVI 193ff); doch Cerealis siegte und nahm das feindliche Lager, etwa Juni 70 (a. a. O. IV 78). Wenn jetzt auch Civilis zum Rückzug nach Norden gezwungen war und die Ubier wieder zu den Römern traten, so hatten diese doch am Niederrhein zunächst noch keine Erfolge (a. a. O. IV 79). Civilis zog Verstärkungen aus Germanien heran; aber als auch Cerealis Heer durch das zum Teil erst jetzt anrückende Aufgebot verstärkt war, gelang ihm bei Vetera ein zweiter großer Sieg über Civilis (a. a. O. V 14–18). Doch war in dem von Wasserläufen durchschnittenen niederrheinischen Lande so der Widerstand noch nicht gebrochen, zumal da die römische Flotte zunächst versagte: das Kriegsglück schwankte in kleineren Kämpfen noch bis zum Herbst (a. a. O. V 23) hin und her und gewährte Cerealis nur langsame Fortschritte. Schließlich machte er Friedensvorschläge; auf diese scheint Civilis, gedrängt von der Stimmung im eigenen Volk, eingegangen zu sein, indem er mit Geschick an sein Verhältnis zu Vespasian (erga Vespasianum vetus mihs observantia, et eum [2646] privatus esset, amici vocabamur) erinnerte und den Beginn des Kampfes mit der Aufforderung des Antonius Primus, für Vespasian sich zu erheben, verknüpfte (a. a. O. V 19–26). Der Frieden war für die Bataver offenbar ehrenvoll (vgl. Tac. Germ. 29); doch war die Gefahr des gallischen Reiches beseitigt, die römische Herrschaft hergestellt, und Vespasian konnte seine Aufmerksamkeit mehr der inneren Festigung des neuen Imperiums zuwenden.

Über den Krieg vgl. bes. Mommsen R. G. V 117–131. Schiller I 500–506. J. Asbach Kaisertum und Verfassung 65ff. E. Ritterling De legione X Gemina, Diss. Leipzig 1885, 37ff.; Westd. Ztschr. XII 105ff. Manches ist im Anschluß an die Ergebnisse der Ausgrabung des Neusser Lagers in helleres Licht gerückt von H. Nissen Bonn. Jahrb. CXI/XII 60–80.

γ) In der ersten Jahreshälfte hatten auch in Afrika Unruhen begonnen: der Proconsul L. Calpurnius Piso (Klebs Prosop. I 284 nr. 238; o. Bd. III S. 1385 Nr. 79) war von dem Legaten des afrikanischen Heeres Valerius Festus (Prosopogr. I 272 nr. 184), einem Verwandten des Vitellius, zu einem Aufruhr oder doch zur Teilnahme an den Kämpfen für Vitellius bearbeitet worden; doch waren die Bemühungen bei dem vorsichtigen und ängstlichen Mann vergeblich. Aber durch einen Streich des Mucian als Thronprätendent verdächtigt, wurde er auf Veranlassung des Festus per summum facinus (Plin. ep. III 7, 12) ermordet (vor 21. Juni, Tac. IV 48 vgl. 53). Dieser gab sich darauf durch willkürliche Bestrafungen und Belohnungen von Soldaten bei Vespasian das Ansehen, als habe er einen Krieg unterdrückt. Dann wandte er sich gegen die Garamanten, die von der mit Leptis in Zank geratenen Stadt Oea aufgewiegelt worden waren, und schlug sie (Tac. hist. IV 48–50. Plin. n. h. V 38). Offenbar wegen dieses Ereignisses wurde er [hastis] puris IIII vexillis IIII cor[onis IIII v]allari murali classica a[urea] ausgezeichnet und machte weiter Karriere (CIL V 531[1] = Dessau 989 = Newton 27).

δ) Die Sarmaten waren in Mösien eingedrungen (vgl. beim J. 69 α) und machten römische Truppen und den von Vespasian 69 nach Mösien geschickten Statthalter C. Fonteius Agrippa (Prosop. II 85 nr. 309) nieder. Vespasian sandte darauf den Rubrius Gallus (Dessau Prosop. III 137 nr. 94) dorthin, der den Kampf schnell entschied: er schlug die Sarmaten, drängte sie in ihre Heimat zurück und belegte die Provinz mit zahlreicheren und größeren Besatzungen (Joseph. bell. VII 89–95; vgl. beim J. 73 δ. ε; Mommsen R. G. V 200).

ε) Vespasian in Alexandria und Rom. Vespasian erhielt Anfang Januar (vgl. Chambalu mag. Flav. 9) die Nachricht von den entscheidenden Ereignissen in Rom sowohl durch private Nachrichten von Römern cuiusque ordinis (Tac. hist. IV 51. Joseph. bell. IV 656), die ihn aufsuchten, als auch natürlich durch die Gesandten des Senats (Tac. hist. IV 6). In Alexandria verweilend, trat er sein zweites Consulat an (a. a. O. IV 38). Hier fanden sich Gesandte von überallher ein (bell. IV 656), auch eine Gesandtschaft des Partherkönigs Vologeses, dessen Anerbieten, 40 000 parthische [2647] Reiter als Hilfe zu senden, mit Dank abgelehnt wurde (Tac. hist. IV 51). Die Alexandriner erwarteten Belohnungen für ihre schnelle Ergebenheit, doch Vespasian brauchte selbst Geld: das Volk mußte erhöhte, erneute und neue Steuern bezahlen; ebenso in den andern Provinzen, in Italien, und in Rom selbst. In Alexandria griff er auch in die Tempelkassen und verkaufte den größten Teil des königlichen Palastes. Die Begeisterung der Alexandriner wurde zu Verdruß und Hohn: man nannte ihn κυβιοσάκτης, Salzfischhändler (Suet. 19), und wegen einer Kopfsteuer ,Sechsobolenbettler‘ (Dio 8 verdreht hier wohl Ursache und Wirkung) und sang Spottlieder auf ihn; das alles trotz des wunderbaren Ereignisses, daß sich ein Blinder und ein Lahmer zur Heilung meldeten und Vespasian auf Drängen seiner Umgebung das Wagnis mit Erfolg unternahm (Dio 8. Zonar. XI 17. Suet. 7). Wenn Vespasian sich auch über das respektlose Benehmen der Alexandriner aufregte, so ließ er sie doch auf Bitte des Titus unbestraft (Dio 8).

Da in Rom infolge der Kornsperre während des Kriegs eine große Not dicht bevorstand, so ließ er saevo adhuc mari Schnellsegler abgehen, die zehn Tage vor dem Ausgehen der Vorräte in den Kornspeichern das ersehnte Getreide nach Rom brachten (Tac. hist. IV 52). Von Alexandria aus gab er auch den Auftrag zur Wiederaufbauung des Capitols (Tac. hist. IV 53). Ferner ließ er durch Botschaft nach Rom die Atimie der von Nero und seinen Nachfolgern wegen Majestätsbeleidigungen Verurteilten aufheben und untersagte derartige Anklagen. Dagegen verwies er die (wohl oppositionellen) Astrologen aus Rom (Dio 9).

Für die Rückfahrt nach Rom erwartete er monatelang statos aestivis flatibus dies et certa maris (IV 81), d. h. die Zeit zwischen Ende Mai und Anfang September, und zwar hatte er anfangs die Absicht, die Eroberung Jerusalems durch Titus abzuwarten und mit ihm nach Rom zurückzukehren, doch führte er die Absicht nicht aus (Zonar. XI 17; vgl. Chambalu Philol. XLIV 503ff.), wohl aus Sorge um Domitians Verhalten (vgl. Tac. hist. IV 51. 52. Suet. Dom. 1), das ihn wohl schon, bevor die erste Südwindperiode (10. Mai–10. Juli) aufhörte, nach Rom trieb (vgl. Pick Ztschr. f. Numism. XIII 378, 2; anders Chambalu a. a. O. 504f.: 19. August bis 6. September, weil Vespasian bei der außergewöhnlichen Anschwellung des Nils [Dio 8], die nicht vor 20. Juli wahrscheinlich ist [Plin. n. h. XVIII 269], noch in Ägypten war). Vespasian fuhr auf einem Kauffahrteischiff nach Rhodos, von hier auf Trieren unter häufiger Landung in den am Wege liegenden Städten, wo er sich huldigen ließ, nach Griechenland über, das er offenbar durchquerte, um von Kerkyra nach Calabrien überzusetzen (bell. VII 18f. Zonar. XI 17). Weiter begab er sich, nachdem er in Brundisium von Mucian empfangen worden und in Benevent mit Domitian zusammengetroffen war (Dio 10), zu Lande nach Rom, wo er im Spätsommer oder Herbst ankam: denn bei der Grundsteinlegung des Capitols, am 22. Juni, war er noch nicht in Rom (nach Tac. hist IV 53; Dio 10. Suet. 8 haben vielleicht eine andere Handlung im [2648] Auge; vgl. dazu Tillemont II 523); und außerdem erfuhr Titus die Ankunft am 17. November zu Berytus (bell. VII 21f. 39. 63; vgl. die genauere, aber nicht zwingende Ausrechnung Chambalus a. a. O. 506: nach ihm kam Vespasian etwa in der ersten Oktoberhälfte nach Rom; siehe dazu Beuchel De leg. Rom. I. It., Lipsiae 1903, 117ff.).

Die Ankunft Vespasians wurde in Italien und Rom glänzend und auch freudig gefeiert (Joseph. bell. VII 63–74); die Fratres Arvales opferten Fortunae Reduci (Henzen p. XCVII). Wahrscheinlich in diesem Jahre, am 13. Oktober, setzte die Tribus Sucusana corp(orum) foeder(atorum) eine Inschrift, die Fortunae reduci Domus August(ae) sacrum beginnt (CIL VI 196[2] = Newton 171 = Dessau 6051, vgl. CIL VI 198[3] = Newton 173 = Dessau 6052: Victoriae Imp. Caesaris Vespasiani Augusti sacrum. Trib(us) Suc(usana) corp(oris) Iuliani und dazu Mommsen St.-R. III 277). Fortunae reduci erscheint auch auf Münzen des Jahres (Cohen 81. 82–85. 171. 185. 186; dazu 184. 191 ohne Jahresbezeichnung; 96–100. 179. 187–190. 402 vom J. 71; 192–196 vom J. 72; 180. 197 vom J. 76; 180–183. 198. 199. 401 vom J. 78/79; vgl. Reducis Felicitas 402 vom J. 71 und Nep(tuno) Red(uci) auf 273. 274 vom J. 72/73).

Von Vespasians Tätigkeit unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Rom lassen sich, da der annalistische Geschichtsbericht des Tacitus und damit die einigermaßen genaue Kenntnis der Zusammenhänge mit Mitte 70 aufhört, nur wenige Züge feststellen. Dem selbstherrlichen Treiben des Domitian machte er ein Ende; er selbst ließ die errungene hohe Stellung niemanden fühlen (Dio 10). Er beeilte sich durchaus nicht, seinen Helfern Belohnungen auszuzahlen (Suet. 8). Wenn nicht schon im März, so wurde Vespasian an den Herbstcomitien zum cos. III designiert. Um dieselbe Zeit wurde auch Titus, auf die Nachricht, daß Jerusalem erobert und der siegreiche Titus von seinen Soldaten als imperator begrüßt worden sei (8. Loos = 10. Sept. 70, s. S. 2704), zum imperalor designiert (Philostr. v. Apoll. VI 30. Cohen 46–51. 204; vgl. Mommsen St.-R. II 2. 1100. Chambalu De mag. Flav. 10. 17). Auch Domitian ging nicht leer aus: er wurde zum Consul designiert (Chambalu a. a. O.).

Die Herstellung der zerstörten Stadt war in den ersten Regierungsjahren Vespasians Sorge, der Wiederaufbau des Iupitertempels auf dem Capitol (vgl. J. 69 γ) seine erste. Den Auftrag, das Capitol wiederaufzubauen, hatte er dem Ritter Vestinus übertragen, was übrigens ein Bruch mit der Tradition war (Hirschfeld Kaiserl. Verwaltungsb.2 266). Ein feierlicher Akt hatte schon am 21. Juni, in Vespasians Abwesenheit, stattgefunden, nämlich die Weihung des Bauplatzes durch den Praetor Helvidius Priscus und die Grundsteinlegung (Tac. IV 53). Vespasian trug später selbst etwas von dem Schutt weg zur Ermunterung fürs Volk, ein gleiches zu tun (Dio 10. Suet 8. Aur. Vict. Caes. 9, 7; ep. 9, 8. Plut. Publicola 15. Hieron. chron. zum J. 2089, vgl. Tillemont II 523. o. Bd. III S. 1532 Richter Topogr. d. Stadt Rom2 126). Der Tempel, ein korinthischer Hexastylos, wurde wahrscheinlich schon 71 vollendet, denn von da an erscheint er auf Münzen (Cohen [2649] 486–493 [und Titus 242–245] mit Abb.; bessere Wiedergabe bei E. Rodocanachi Le Capitole Romain., Paris 1904 p. XXXIV vgl. Jordan Topogr. I 2, 29, 28. 88, 86). Auch das Reichsarchiv mit den Staatsverträgen und Beschlüssen des römischen Volkes seit uralter Zeit war mit dreitausend ehernen Tafeln im J. 69 verbrannt: Vespasian ließ durch eine Senatskommission nach den Abschriften forschen und erneute die Tafeln (Tac. hist. IV 40. Suet. 8; vgl. Jordan a. a. O. 55). Auch die Ordnung der Finanzen war bis zu Vespasians Rückkehr aufgespart worden (Tac. hist. IV 9, vgl. u. S. 2685ff.). Über die Veränderungen im Heer s. beim J. 71 θ.

ζ) Von Bauten in den Provinzen wird ein Straßenbau auf Sardinien in diesem Jahre ausgeführt (CIL X 8005[4] = Newton 125). Eine Änderung in der Verwaltung erfuhr in diesem Jahr Kappadokien. An die Stelle des bisherigen Procurators wurde ein consularischer Legat hingeschickt, und ihm wurden wegen der häufigen Barbareneinfälle Legionen gegeben (Suet. 8, vgl. Tac. hist. II 81; Verlegung der XII Fulminata nach Melitene: Joseph. bell. VII 18, vgl. Marquardt St.-V. I2 367. v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 1895, 244 ff.).

η) Imp. V ist Vespasian auf der Münze Cohen 209, wo er zugleich cos. II desig. III ist; sie ist Ende 70 geprägt (vgl. Chambalu mag. Flav. 21). Anlaß zu Akklamationen mag neben der Eroberung Jerusalems (auf die sich vielleicht die fünfte Akklamation bezieht, F. J. Hoffmann Quomodo quando Titus imperator factus sit, Bonn 1883, 39), der Erfolg des Cerealis (Riol, etwa Juni 70, Trier und Vetera) geboten haben. Ferner kann man (mit Maynial 353) noch an die Siege über die Garamanten und Sarmaten, allenfalls auch an die Besiegung des Iulius Sabinus durch die Rom treu gebliebenen Sequaner (Tac. hist. IV 67) denken.

71 n. Chr.

pontifex maximus trib. pot. II [III vom 1. Juli an) imp. VI– VIII cos. III design. IIII pater patriae censor designatus.

α) Am 1. Januar trat Vespasian sein drittes Consulat zusammen mit M. Cocceius Nerva (dieser zum erstenmal) an (CIL VI 1984.[5] X 4734.[6] 5405 = Dessau 5025. 3868. 6125 = Newton 161. 242. 168; weiteres Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 111); am 1. Februar sind sie noch im Amt (nach der Gladiatorentessera Ztschr. f. Numism. XIII 382, 1 [Pick]); am 5. April ist Domitian mit Cn. Pedius Cascus Consul (Diplom vom 5. April CIL III p. 850.[7] 851. 1959 = Newton 31–33 = Dessau 1990. 1991, vgl. Asbach a. a. O.), und zwar wird Domitian seinen Vater am 1. März abgelöst haben (in CIL IV 2555[8] = Newton 312 Vespasiano III et filio cos. und Plin. n. h. II 57 impp. Vespasianis patre III et filio iterum cos. ist gewiß Titus gemeint; die Zahlen sind irrig; vgl. Garrucci, Mommsen, Henzen zu der Inschrift, ferner Pick a. a. O. 380ff. Chambalu De mag. Flav. 10f.). Zum cos. IIII wurde Vespasian in den Märzcomitien (zum erstenmal? Chambalu De mag. Flav. 17) designiert; vgl. die Diplome und CIL VI 1257.[9] XIV 4191[10] = Newton 110. 178 (vor 1. Juli). Über die Designation zur Censur s. J. 73 β. [2650]

β) Im Sommer, wahrscheinlich Mitte Juni, traf Titus in Rom ein (vgl. u. S. 2706). Nach Suet. 5 trafen Vespasian und Titus in Rom zusammen, ohne daß Vespasian auf seines Sohnes Ankunft vorbereitet war, nach Josephus (bell. VII 199) hatte Vespasian einen glänzenden Empfang vorbereitet und zog ihm entgegen. Nach einigen Tagen wurden jedem vom Senat ein besonderer Triumph und Triumphbögen (Dio 7) zuerkannt, doch beschlossen sie, gemeinsam einen Triumph zu feiern. Der Zug ist ausführlich geschildert von Joseph. VII 121ff. (vgl. Suet. 12. Marquardt-v. Domaszewski R. St.-V. II2 582ff.). Hinter der Beute aus dem Tempel zu Jerusalem ritten Vespasian und Titus. Domitian, der das Consulat bekleidete, ritt ihnen zur Seite. Während des Zuges wurde der feindliche Heerführer Simon, Sohn des Gioras, hingerichtet. Die Zeit des Triumphzuges wird zusammenfallen mit der Erhebung des Titus zum Mitregenten (particeps und tutor imperii, Suet. Tit. 6) und der Übertragung der tribunicia potestas an Titus: diese datiert aber von dem 1. Juli 71 an. Ausführliches darüber und über die Stellung Vespasians zu Titus s. u. S. 2706.

Im Triumphzug wurden Bildsäulen der Siegesgöttin getragen. Vom Sieg erzählen in diesem Jahr auch besonders viele Münzen: Cohen 142 ℞ devicta Iudaea S.C.: die Siegesgöttin setzt ihren Fuß auf einen Helm und hängt einen Schild (mit S. P. Q. R.) an eine Palme, an der die weinende Iudaea sitzt, vgl. 241–243 (ohne Jahresbezeichnung); 233 Iudaea capta S.C. mit gefesseltem Juden und weinender Jüdin; ähnlich 234–239 und 244–247; vom J. 77/78: 240; ohne Jahr: 224; vgl. vom J. 72/73: 139–141 de Iudaeis (mit Trophäe). 644. 645 (Vespasian als Sieger vor der Weinenden); ähnlich, nach Vespasians Tod geprägt, 143. 144; Iudaea 225–231 (ohne Jahr). Victoriadarstellung 463. 464. 469. 470–472. Roma victrix (mit Darstellung der gerüsteten Roma) 428. 429. 430 vom J. 72/73, vgl. Roma (mit ähnlicher Darstellung) 404–405. 407. 411. 412. 415. 417–419. Mars Victor 265–269: vgl. (ohne Jahr) Mars Conserv. 264 und Mars Ultor 270. 271 (vgl. Chambalu Philol. LI 730ff.). Victoria Augusti (vom J. 70: 627) 585. 589. 590 (mit Jude). 592 (ob civ[es] ser[vatos]). 607. 608. 620–626. 628. 629 und einigemal in den nächsten Jahren. Victoria imp. Vespasiani (ohne Jahr) 630. 631; über Victoria navalis s. o. S. 2632. Die noch nicht hinreichend erklärte Legende ob cives servatos haben auch 524. 526. 528. 529. 531; vom J. 70 523; 72/73 527; 77/78 530; ohne Jahr: 275. 525. Signis receptis (Darstellung der Victoria) 511. 512 (vgl. u. S. 2703).

γ) 71 wurde als das Jahr der Wiederherstellung des Friedens angesehen. Zur feierlichen Feststellung des Friedens wurde der Ianustempel geschlossen (Oros. VII 9). Ferner begann Vespasian nach dem Triumph und der gänzlichen Beruhigung des Reichs das Templum Pacis (Joseph. bell. VII 158ff., vgl. Preller Röm. Mythol. II 251 und beim J. 75 β). Die Münzen mit auf den Frieden hindeutenden Inschriften sind in diesem Jahre am häufigsten: Münzen mit Paci orb(is) terr(arum) Aug(usti): J. 70, Cohen 289 (zu [2651] Ephesus geprägt), J. 71: 290. 293 (beide wahrscheinlich aus Ephesus). 294; ebenso sind ohne Jahresbezeichnung 291. 292 (Ephesus). Pax p(opuli) Romani steht nur auf 338 vom J. 71; pacis event(ui) auf 295 (ohne Jahresbezeichnung). Paci Augustae vom J. 70 nur Cohen 278, vom J. 71: 275. 279. 281 (diese beiden zu Ephesus geprägt). 283; aus dem J. 72 nur 284; J. 74: 277 (Ephesus). 282; ohne Jahresbezeichnung sind 280 (Ephesus) und 285–288. Pax Aug. (oder Augusta oder Augusti) steht auf 324. 333. 334 vom J. 70. 300. 302–304. 313. 325–330. 335–336. 339 vom J. 71, aber auch noch in den J. 72/73 häufig; Münzen mit Darstellung der Pax 565. 566 vom J. 71.

δ) Die Herstellung von Wasserleitungen und Straßen in der Hauptstadt waren Werke des neuen Friedens. Die aquae Curtia und Caerulea, von Caligula im J. 38 begonnene, von Claudius im J. 52 vollendete Wasserleitungen (Front. aq. 13f.; vgl. Jordan Topogr. d. Stadt Rom I 1, 357f. 474. O. Richter Topogr. d. Stadt Rom2 319), die seit neun Jahren in Verfall waren, ließ Vespasian auf seine Kosten ausbessern (CIL VI 1257[9] = Newton 110, aus dem zweiten Vierteljahre). Die Straßen der Stadt waren besonders infolge der Brände unter Nero und der Stadteroberung Ende 69 in vernachläßigtem Zustande (deformis urbs veteribus incendiis et ruinis erat Suet. 8; vias urbis neglegentia superiorum temporum corruptas CIL VI 931[11] = Dessau 245 = Newton 113). Zu den ersten Friedenswerken Vespasians gehört ihre Herstellung auf seine Kosten, wofür ihm auf einer auf Senatsbeschluß gesetzten Inschrift (a. a. O.) schon in der zweiten Jahreshälfte 71 gedankt wurde.

ε) Noch in demselben Jahre war Lucilius Bassus, wohl derselbe, der noch am 5. April d. J. auf zwei Diplomen (III p. 850 und S. 1959 = Dessau 1990. 1991 = Newton 31. 32) Befehlshaber der Flotten von Ravenna und Misenum ist (Prosop. II 302 nr. 283), als Legat nach Judaea geschickt worden, hatte ein Heer von Vettulenus Cerealis (Dessau Prosop. III 415 nr. 351) übernommen und die Festung Herodium (über die Lage vgl. Schürer I2 321, 65) mit der Besatzung zur Übergabe gezwungen. Dann hatte er die ganze Streitmacht, vor allem die X. Legion, an sich gezogen und belagerte das besonders starke Machaerus, das den zum Abfall neigenden Juden immer wieder einen Rückhalt bieten konnte (Joseph. VII 6ff.; über Machaerus vgl. Schürer I 535, 131; die Bedeutung der Festung zeigt Plin. n. h. V 72: secunda quondam arx Iudaeae ab Hierosolymis). Es gelang ihm, die Festung gegen Gewährung freien Abzugs in seine Gewalt zu bringen. Ferner nahm er eine Waldschlucht Jardes, wobei die dorthin von der Belagerung Jerusalems geflüchteten 3000 Juden niedergemacht wurden. Da Vespasian auf die Ereignisse dieses von ihm begonnenen Kriegs besonderen Wert legte, so ist anzunehmen, daß eine Begrüßung als Imperator mit diesem Erfolg in Judäa zusammenhängt (Maynial 354f.).

η) Nach diesen Taten des Lucilius Bassus sah Vespasian Palaestina als unterworfen an. Ihm und dem Procurator von Judaea, L. Laberius Maximus (Prosop. II 257 nr. 3), gab er den schriftlichen [2652] Befehl, das Land ἀποδόσθαι, worunter hier nicht ,verkaufen’, sondern (mit Schürer I 537) ,verpachten‘ zu verstehen sein wird, da Vespasian sich das Land als Privateigentum, als kaiserliche Domäne, vorbehielt. Nur 800 Veteranen siedelte er, 30 Stadien von Jerusalem entfernt, bei Ammaus an (Joseph. bell. VII 217, vgl. Mommsen R. G. V 539. Schürer I 537, 138 und Benzinger o. Bd. I S. 1843). Ferner wurde den Juden auferlegt, die bisher an den Tempel bezahlte Kopfsteuer von jährlich zwei Drachmen an den capitolinischen Jupitertempel zu zahlen (Joseph. a. a. O.).

θ) Bedeutende Veränderungen im Heer fallen in die ersten Regierungsjahre Vespasians. Bei dem Mangel an Nachrichten und erst recht an genauen zeitlichen Angaben ist man auf Schlüsse angewiesen. Gewiß begann die nötige Reform des durch Krieg und Aufruhr zerrütteten Heeres schon 70: ein Beweis ist das Diplom vom 6. März (CIL III p. 849[12] = Newton 30 = Dessau 1989 Entlassung honesta missione der Veteranen der legio II Adiutrix, vgl. Tac. hist. IV 68). Die Erfahrungen und die Beendigung des Bürgerkriegs wie Ende 70 des jüdischen und namentlich des germanischen Kriegs gaben den Anlaß zu großen Umgestaltungen im Heere, die unmittelbar aufgenommen sein werden. Von den 30 Legionen, die Vespasian mit dem Imperium übernahm (zur Verteilung s. Marquardt St.-V. II2 449, 5) ließ er 3 eingehen: die I, die IV Macedonica, die XVI, wahrscheinlich auch die XV Primigenia, aber nicht die V Alauda (Marquardt 449, 6. Pfitzner Röm. Kaiserleg. 68ff., vgl. die Anmerkungen bei Dessau 2245. 2248. 2283f. 2265. 2275. E. Ritterling De leg. X Gem. 66. 81ff.; Westd. Ztschr. XII 1893, 234, 81. Filow Klio I Ergänz. Heft 6, 33; vgl. o. S. 2564): sie hatten sich in Germanien schmählich pflichtvergessen gezeigt (s. zum J. 70 β). Es wurden von Vespasian an ihrer Stelle neu errichtet: die II Adiutrix, IV Flavia, XVI Flavia Firma (Dio LV 24), davon die erstere aus den Flottensoldaten rekrutiert (s. u. S. 2688), die beiden letzten offenbar Ersatz der gleich numerierten gestrichenen Legionen (vgl. CIL VII 48.[13] 185. Ephem. epigr. VII 885. 892. 908. Marquardt II2 450, 1. E. Ritterling Westd. Ztschr. XII 1893, 106). Weiteres über das Heer s. u. 2687f.

Der ersten Zeit nach Beendigung der Kriege, aber wohl erst seit Vespasians Rückkehr, gehörte naturgemäß die Versorgung der Veteranen in Kolonien an. Von Vespasians Geburtsort ist die Ansiedlung von Veteranen in fünf Inschriften bezeugt, von zwei früheren Praetorianern (CIL IX 4682.[14] 4683 = Newton 38. 39), einem Veteranen der VIII Augusta (IX 4684 = Newton 40 = Dessau 2460) und zwei Veteranen der IX. Legion (CIL IX 4685.[15] 4689 = Newton 41. 42). Die Veteranen der misenischen und ravennatischen Flotte mit 26 oder mehr Dienstjahren erhielten in den Diplomen vom 5. April das Bürgerrecht (in dem verstümmelten Diplom vom 14./30. April, CIL III p. 851[16] [mit Anmerk. Mommsens] = Newton 38 auch die von der [ravennatischen?] Flotte, die ante emerita stipen[dia eo, quo]d se in expeditione belli fortiter industrieque gesserant, exauctorati sunt). Angesiedelt [2653] wurden in Paestum die früheren Soldaten der Flotte von Misenum (CIL III p. 1959[17] = X 867 = Dessau 1990 = Newton 31. Mommsen CIL X p. 52f.)[18] und in Pannonien die der in Ravenna stationierten Flotte (CIL III p. 850[7] = Dessau 1991 = Newton 32).

ι) Von einer Erneuerung der Kämpfe in Britannien haben wir sehr dürftige Nachrichten. Der von Vitellius im J. 69 dorthin als legatus pro pr. gesandte Vettius Bolanus (Dessau Prosop. III 411 nr. 423) verfuhr placidius quam feroci provincia dignum est (Tac. Agr. 8) und ohne Energie gegen Feinde und Soldaten, aber von diesen geliebt; er brachte Britannien (numquam satis quieta Tac. hist. II 97) nicht in Ordnung. Er blieb, solange die Bürgerkriege tobten (a. a. O. 16), d. h. wohl bis der Krieg am Rhein zu Ende war; denn ihn ersetzte der Legat des untergermanischen Heeres, Petilius Cerialis (a. a. O. 8. 17 wahrscheinlich Anfang 71; nach Joseph. VII 82 war er schon 70 von Vespasian hingeschickt und durch den germanischen Krieg am Rhein zurückgehalten worden; vgl. Urlichs De vita et honor. Agr., Würzburg 1868, 19. Hübner Rh. Mus. XII 50ff.). Petilius ging sofort nach Erneuerung des Heeres energisch vor gegen den größten Volksstamm der Provinz, die Briganten (Northumberland): multa proelia, et aliquando non incruenta, magnamque Brigantum partem aut victoria amplexus est aut bello (Tac. Agr. 17). Dieser Bericht scheint die Kämpfe von 71 bis Ende 73 zu schildern, denn im Frühjahr 74 ist Petilius consul suffectus (Diplom vom 21. Mai CIL III p. 852[19] = Newton 34 = Dessau 1992).

κ) Der afrikanische Kaiserkult ist von Vespasian in den J. 70–72 gegründet worden. Der Kaiserpriester führt den Titel sacerdos provinciae Africae (Kornemann Beitr. z. alt. Gesch. I 113. 115; Cagnat Nouvelles explorations en Tunisie 17 [nach Goyeau Chronologie] legt die Einsetzung des Kults ins J. 71).

λ) Vespasianus ist imp. VI am 5. April (CIL III p. 850.[7] 1959 = Newton 31f. = Dessau 1990f.), vielleicht schon früher (CIL VI 1257.[9] XIV 4191[10] = Newton 110. 178 zwischen den Märzcomitien und 1. Juli); imp. VII auf der interpolierten Inschrift CIL VI 939[20] = Newton 95; imp. VIII CIL VI 931[11] = Newton 113 = Dessau 245, zweite Hälfte des J. 71 (CIL XIII 5084[21] = Newton 189 = Orelli 380, die bei Chambalu mag. Flav. 21 zweimal [aus Hagen und Gruter] herangezogen wird, ist stark interpoliert). Welche Ereignisse diese Akklamationen veranlaßt haben, läßt sich nur vermuten: der Erfolg des Lucilius Bassus in Judaea (s. o. S. 2651), des Petilius Cerealis gegen die Briganten (s. o.); es ist nicht ausgeschlossen, daß auch beim Triumphzug eine Begrüßung dargebracht wurde (vgl. Maynial 354. F. J. Hoffmann Quomodo quando Titus imperator factus sit 34ff. und u. S. 2708ff).

72 n. Chr.

p. m. trib. pot. III (IIII vom 1. Juli an) imp. VIIII (X) cos. IIII p. p. censor designatus.

α) Am 1. Januar übernahm Vespasian sein viertes Consulat zusammen mit Titus, der sein zweites antrat (Acta Anr. CIL VI 2053[22] = Newton 152. CIL VI 932[23] = Newton 28 = Dessau 246. Asbach a. a. O. 111). Er führte es offenbar [2654] vier Monate, denn am 29. Mai waren Consuln C. Licinius Mucianus III und T. Flavius Sabinus II (Henzen Acta Arv. p. XCVIII). Über die Designation zum Censor s. J. 73 β.

β) Vespasian übersandte am 12. Oktober der Stadt der Vanacini im Norden von Corsica eine epistula (CIL X 8038[24] = Newton 85), durch die er eine Grenzstreitigkeit mit der benachbarten Stadt Mariana ordnete, indem er seinem Procurator die Entscheidung übertrug und einen mensor schickte; ferner bestätigte er die beneficia, die ihr von Augustus nach seinem siebenten Consulat 27 v. Chr. verliehen worden und deren sie sich bis zu Galbas Zeit erfreut hatte (als Bestätigung dieser beneficia paßt der Brief am besten in die ersten Regierungsjahre des Vespasian, wahrscheinlich 72, vgl. Klebs Prosop. I 145 nr. 934. III 72 nr. 501. Henzen Acta Arv. S. 195). Dieser Brief beweist durch Nennung dreier aufeinanderfolgender Procuratoren, daß Sardinien und Corsica, die 70 noch eine Senatsprovinz bildeten (CIL X 8005[4] = Newton 125; vgl. Paus. VII 17, 3), damals kaiserliche Provinz geworden war. Die (von Mommsen Herm. II 173 in die erste Zeit Vespasians gesetzte) Sestinische Inschrift (CIL XI 6009)[25] nennt uns den C. Caesius Aper als legatus pro pr. der Provinz; im J. 74 ist Sex. Subrius Dexter procurator et praefectus Sardiniae (CIL X 8023.[26] 8024 = Newton 126. 127; vgl. beim J. 74 ι und S. 2681).

γ) Im vierten Regierungsjahr des Vespasian (Joseph. bell. VII 219), also nicht vor Juli 72 (wenn Josephus nicht meint: im vierten Kalenderjahr, also nach 1. Januar 72), meldete Caesennius Paetus, seit Ende 70 Legatus in Syrien, den angeblich beabsichtigten Abfall des Königs von Commagene, Antiochus (IV.) (über ihn s. Klebs Prosop. I 83 nr. 579 und o. Bd. I S. 2490 Nr. 40) und dessen Bündnis mit dem Partherkönig Vologeses (Dessau Prosop. III 475 nr. 629) und riet zur Aufnahme kriegerischer Maßregeln. Obgleich Vespasian dem Antiochus wegen seiner schnellen Erklärung für ihn in den ersten vierzehn Tagen seines Imperiums (Tac. hist. II 81) zu Dank verpflichtet war, erteilte er auf die Anzeige hin dem Paetus Vollmacht. Dieser rückte mit der VI Ferrata und Hilfstruppen, die vom Könige Aristobulus von Chalkidike und Soaemus von Emesa gestellt wurden, vor (eine in diesem bellum Commagenicum erworbene Auszeichnung CIL III 14387[27] i). Als Antiochus floh, ließ Paetus Samosata besetzen und kämpfte ohne Erfolg gegen die Söhne des Antiochus, Epiphanes und Kallinikos, während Antiochus auf der Flucht zu Tarsos ergriffen und von Paetus zu Vespasian geschickt wurde. Vespasian, von dem angeblich geplanten Abfall nicht überzeugt, wies ihm Lakedaimon als Aufenthaltsort an und sorgte für angemessenen Unterhalt. Seine Söhne, nach der Flucht des Vaters von den Truppen verlassen, entwichen zu den Parthern, wurden aber ausgeliefert und erhielten, nachdem Vologeses bei Vespasian Fürsprache eingelegt hatte, von diesem Straflosigkeit zugesichert. Sie begaben sich nach Rom (vgl. die Baalbeker Inschrift des C. Velius Rufus: Epiphanen et Callinicum regis Antiochi filios ad imp. Vespasianum cum ampla manu tributariorum reduxit, Mommsen S.-Ber. Akad. Berl. 1903, 817ff.), [2655] wohin auch Antiochus kommen durfte, und erhielten das römische Bürgerrecht (Joseph. bell. VII 219ff. Mommsen Athen. Mitt. I 37). Commagene kam jetzt in römische Verwaltung (Suet. Vesp. 8), und zwar wurde es zu Syrien geschlagen (Marquardt St.-V. I2 399). Samosata wurde Flavia zubenannt, und eine neue Aera von der Entthronung des Antiochus an datiert (s. Bd. I S. 646). Daß Antiochus entthront wurde, seine Söhne nach Rom kamen und Commagene in römische Verwaltung kam, gab vielleicht den Anlaß zur neunten acclamatio imperatoria des Vespasian (Maynial a. a. O. 355. CIL VI 932[23] = Newton 28 = Dessau 246, zweite Jahreshälfte); auch die 10. fällt wahrscheinlich noch in dieses Jahr (= 4. des Titus, XII 2602 = Newton 243. 168. 285. Wilmanns 2771 i = Newton 327, s. u. S. 2713).

73 n. Chr.

pontifex maximus tribunicia potestate IIII (vom 1. Juli ab V) imperator X pater patriae cos. IIII des. V. censor.

α) Consuln Domitian und L. Valerius Catullus Messalinus (CIL V 7239.[28] X 5405.[29] Asbach a. a. O. 112), abgelöst (1. Mai?) wahrscheinlich von M. Arrecinus Clemens (und Sex. Julius Frontinus? nach Waddington Fastes nr. 103. Asbach a. a. O.). Dies war das einzige ordentliche Consulat, das Domitian von Vespasian gewährt wurde; Titus war zurückgetreten zu Gunsten seines Bruders und stimmte für ihn (Suet. Dom. 2), worauf auch Vespasian abstand (vgl. S. 2548).

β) Vespasian sah in der Censur das Mittel, das ihm die Befugnisse gab, die er zur Reorganisation des Reiches brauchte. Zusammenhängendes über Vespasians Censorentätigkeit bietet uns Suet. 8–11, dürftig genug; vgl. noch Plin. n. h. III 9. VII 162. Aur. Vict. Caes. 9, 9. Die Inschriften unterrichten über die Chronologie und lassen inhaltlich Schlüsse zu, die Sueton ergänzen.

Die Absicht, die Censur anzunehmen, bestand mindestens seit des Titus Rückkehr nach Rom: Dessau 258 = Newton 48, zweite Hälfte des J. 71, nennt Titus bereits censor designatus; so heißt Vespasian auf den Inschriften CIL XI 3605[30] = Dessau 247 = Newton 183 (imp. X cos. IIII). CIL II 5217[31] = Newton 45 (trib. pot. IIII imp. X con[sul] IIII dic. V... ann. IIII imp. eius). Aber eben Frühjahr 73, zwischen März und Ende Juni, werden Vespasian und Titus auch schon Censoren genannt (CIL V 4312[32] = Newton 43. CIG I 3418 = Newton 46. Dessau 260 = Newton 44 und die beiden Tibercippi, s. u. S. 2656). Eine Zwischenstufe zeigen die Inschriften CIL III 11194[33]–11196 = Newton 106 und CIL V 26[34] = Newton 187 (cos. IIII. desig. V, Titus cos. II desig. III), wo weder die Censur noch die Designation dazu erwähnt ist. Demnach nahm Vespasian die Censur im J. 73 nach der Designation zum cos. V (etwa Anfang März, s. Chambalu Philol. LI 721) und noch vor dem 1. Juli an: wenn die alte Regel befolgt wurde, im April (vgl. Mommsen St.-R. II 340, 3; Wiener Numism. Ztschr. III [1871] 461, 1. Chambalu De mag. Flav. 19).

γ) Ein Werk der Censoren Vespasian und Titus ist die Umgestaltung oder Neugründung der Stadt (vgl. beim J. 71 δ). Ein ausführlicher [2656] Bericht darüber liegt bei Plin. n. h. III 65–67 vor, worin die neue Stadtvermessung dargestellt ist. Mit der Vermessung war die Anlegung einer neuen Zollgrenze verbunden (vgl. Richter Topogr. d. Stadt Rom2 10f. 59f. und besonders die eindringende Darlegung von Nissen Rh. Mus. XLIX [1894] 275ff., wo vermutet wird, daß das Datum der Stadtherstellung durch Camillus dasselbe ist wie das der Herstellung durch Vespasian = 13. Februar 856 = 73 [S. 281]; vgl. ferner Hülsen Röm. Mitt. 1897, 150ff.). Zu der censorischen Tätigkeit des Vespasian gehört auch die Regulierung der Tiberufer zum Schutze der Stadt bei Hochwasser (vgl. Richter Topogr.2 55). Von diesen Herstellungsarbeiten geben Zeugnis vier cippi, davon zwei aus dem J. 73: nach CIL VI 1238[35] = 31546 = Dessau 5927 = Newton 86 (nach der Designation Vespasians zum cos. V, vor Ablauf des vierten Tribunats, also Frühjahr 73) nahm ex auctoritate imperatoris C. Calpetanus Rantius Quirinalis Valerius Festus als curator riparum et alvei Tiberis die Regulierung vor; nach CIL VI 31547[36] = Dessau 5928 = Newton 87 (ungenau) regulierte C. Dillius Aponianus in der zweiten Jahreshälfte die ripa Veientana rechts des Tiber (vgl. Richter Topogr.2 270).

δ) Vespasian hielt eine zum Teil inschriftlich überlieferte Rede zur Ehrung des verdienten Ti. Plautius Silvanus Aelianus (v. Rohden Prosop. III 47 nr. 363). Noch unter Nero hatte er als Legatus pro pr. von Moesien bedeutende kriegerische Erfolge errungen und als erster aus jener Provinz Getreide nach Rom importieren lassen. Am 21. Juni 70 wirkte er als Pontifex bei der Feier des Kapitolaufbaus (Tac. hist. IV 53); dann war er Legat in Hispania, darauf ehrte ihn Vespasian mit der Praefectura urbis: damals verschaffte er ihm auch die Ehre der ornamenta triumphalia wegen seiner Tätigkeit in Moesien (Moesiae ita praefuit, ut non debuerit in me differri honor sagt Vespasian mit Seitenhieb auf Nero). Während dieser Praefectur machte Vespasian ihn auch zum Consul iterum (CIL XIV 3608[37] = Newton 260 = Dessau 986, vgl. die Anmerkungen bei Dessau. Vollmer Rh. Mus. LIII 636. Brandis o. Bd. IV S. 1964f. Rostowzew Klio II 1892, 81f.). Da Plautius Aelianus als Consul II zusammen mit Titus am 13. Januar 74 genannt wird (Gladiatorentessera CIL I 774[38] = Newton 311 = Dessau 5161 i), so ist der Beginn der Praefectur und die Rede Vespasians ins J. 73 zu setzen (vgl. Mommsen St.-R. II2 1015).

ε) Vespasian vergrößerte die Lager von Vindobona und Carnuntum. Eine aus Fragmenten wiederhergestellte Bauinschrift ist offenbar die von der Porta decumana des Lagers von Carnuntum stammende CIL III 11194–11196[33] = Newton 106 (Vespasian und Titus sind zwar cos. IV desig. V bezw. II desig. III, aber noch nicht censores, allerdings auch nicht censores designati genannt: das macht es immerhin wahrscheinlich, daß die Inschrift nach der Consuldesignation in den Frühjahrscomitien, aber noch vor der Annahme der Censur gesetzt ist). Die in der Inschrift genannte XV Apollinaris lag schon bis 63 in Camunt, war damals zuerst gegen die Parther (Tac. ann. XV 25), dann gegen [2657] die Juden verwandt worden; sie wurde dann von Titus im J. 71 nach Pannonien zurückgeschickt (Joseph. bell. VII 117) und zunächst beschäftigt mit Umbau oder Neubau oder Erweiterung ihres früheren Lagers, das inzwischen von 63 bis Herbst 68 die X Gemina, dann bis Mitte 69 die VII Galbiana, dann anscheinend Vexilla des orientalischen Heeres, von Mucian hingeführt (s. beim J. 69 α), endlich seit Ende 69 die XXII Primigenia innegehabt hatte. Aus der Fassung dieser Inschrift läßt sich nun schließen, daß im J. 73 dieser Umbau des Carnunter Lagers beendet war (vgl. Arch.-epigr. Mitt. V 1881, 208ff., bes. 212 [O. Hirschfeld]. Röm. Limes in Österreich, Wien 1901ff., bes. I 11ff. 60. 141. II 15–84. III 31–116. IV 53–122. E. Ritterling Rh. Mus. LIX 55ff.).

Der Grund dieses Lagerbaues war die dauernde Unruhe der Völker an der Donaugrenze. Ti. Plautius Silvanus Aelianus hatte zwar unter Nero Frieden erzwungen (s. o. S. 2656); aber die Donauländer wurden durch die Bürgerkriege von Truppen entblößt: Einfälle und Kämpfe waren die Folge; der Statthalter von Moesien (Tac. hist. III 46), C. Fonteius Agrippa, fiel im Kampf gegen die Sarmaten, sein Nachfolger Rubrius Gallus konnte ihn rächen (s. beim J. 70 δ). Die Donaulinie wurde jetzt verstärkt; das neubegründete Lager von Carnuntum (und das von Vindobona mit der XIII Gemina, vgl. CIL III 4557)[39] deckte die an der Straße nach Aquileia gelegenen Städte Scarbantia und Savaria (vgl. Mommsen CIL III p. 482.[40] 510. 565. 1770; R. G. V 187. 199. Brandis o. Bd. IV S. 1948ff.); vgl. auch von Premerstein Österr. Jahresh. I 1898 Beibl. 145ff.

ζ) Nero hatte bei den isthmischen Spielen des J. 67 der Provinz Achaia die Freiheit verkündigt (Suet. Nero 24. Dio LXIII 11. Plut. Flamin. 12); doch schon Vespasian hob sie wieder auf (Achaiam ... libertate adempta ... in provinciarum formam redegit Suet. 8); er erklärte, daß die Griechen die Freiheit verlernt hätten. Zugleich hob er die von Nero gewährte Abgabenfreiheit auf (Paus. VII 12, 12). Diese Maßregel, die Vespasian besonders auf Unruhen zurückführte (στάσεις προβαλλόμενος) erbitterte die Griechen sehr (Philostr. v. Apoll. V 41 p. 108 Kayser). Die Provinz bekam der Senat: sie wurde von jetzt an von einem Propraetor mit dem Titel Proconsul, dem ein Legat und ein Quaestor zugewiesen waren, verwaltet. Die Provinz wurde wahrscheinlich durch Vespasian verkleinert, indem Thessalien zu Makedonien kam und Epirus mit Akarnanien eine eigene procuratorische Provinz wurde (s. Marquardt Staatsverw. I2 249, 1. 331f. Liebenam Verwaltungsgesch. I 1; vgl. Mommsen R. G. V 289f.). Die Umwandlung geschah nach Hieron. chron. im J. Abr. 2090 = 1. Oktober 73 bis 30. September 74; im J. 70 nach Philostr. a. a. O. (falls zu ἀφικόμενος hier: nach Griechenland, und nicht etwa: zur Herrschaft, als Nachfolger Neros hinzuzudenken ist, wodurch die Zeitangabe dehnbar würde). Eckhel VI 332 denkt an Herbst 74.

η) Ein Aufstand der Juden wurde endgültig niedergeschlagen; Flavius Silva, der Procurator von Judaea (Procορ. II 75 nr. 243), rückte vor Masada, wo sich die Sikarier zum letzten Widerstand gesammelt hatten; eingeschlossen, gaben sie sich selbst den Tod, am 15. Xanthikos (Joseph. bell. VII 252–406), [2658] Mitte April, und zwar wahrscheinlich 73, denn a. a. O. VII 219 wird schon das vierte Jahr Vespasians (also 1. Juli 72/73) genannt (vgl. Schürer I 536f.; die Belagerungsarbeiten der Römer sind noch zu erkennen; vgl. v. Domaszewski Neue Heidelb. Jahrb. IX [1899] 141ff.).

θ) Kurz nach der Eroberung Masadas stifteten nach Alexandrien entflohene Juden (Sikarier) Unruhen an, indem sie die dortigen Juden zu einer Erhebung gegen die Römer aufzureizen suchten. Die Ratsmitglieder konnten die Judenschaft dazu bringen, 600 Sikarier festzunehmen und auszuliefern; geflohene wurden später eingefangen. Aber auch durch Folterung ließen sie sich nicht zwingen, Vespasian als ihren Gebieter anzuerkennen. Auf den Bericht des Praefecten von Ägypten, Ti. Iulius Lupus (Dessau Prosop. II 199 nr. 263), suchte Vespasian, besorgt, daß dieser Aufstand sich ausbreiten und die Juden immer wieder Unruhen anstiften würden, sie durch einen neuen harten Schlag gegen eine jüdische Kultstätte zu treffen: er befahl dem Lupus, den bei Heliopolis gelegenen burgartigen Tempel, den der Hohepriester Onias (etwa 170 v. Chr.) als Stützpunkt des Kampfs gegen den Schänder des Jerusalemer Tempels, Antiochus IV. Epiphanes von Syrien (175–163 v. Chr.), gegründet hatte (s. o. Bd. I S. 2474f.), zu zerstören. Lupus schloß auf diesen Bescheid den Tempel; als er bald darauf starb, vollendete sein Nachfolger (Valerius?) Paulinus (Dessau Prosop. III 373 nr. 105) die Zerstörung des Kults (Joseph. bell. VII 407ff.; vgl. Euseb.-Hieron. z. J. Abr. 2089 = Okt. 72–Sept. 73; über den Tempel Graetz Gesch. d. Juden III 31ff.; Monatsschr. f. Gesch. u. Wissensch. d. Judent. 1851, 273ff. 1872, 150ff.).

ι) Die Sikarierbewegung griff unter der Führung eines Jonathas auch auf Kyrene über. Auf die Anzeige vornehmer Juden in Kyrene sandte Catullus, τῆς Πενταπόλεως Λιβύης ἡγεμῶν, Truppen gegen die Unruhigen. Der gefangene Jonathas stellte die vornehmen Juden als die Anstifter hin; Catullus soll (nach Josephus, der aber selbst zu leiden hatte und kaum unparteiisch berichtet) aus Eitelkeit, um als Unterdrücker eines jüdischen Kriegs zu gelten, die Sache aufgebauscht und entstellt haben: 3000 Juden auf einmal ließ er umbringen und ihr Vermögen für Vespasian einziehen; auch Juden in Alexandria und Rom, darunter Josephus, ließ er aufrührerischer Bestrebungen beschuldigen. Doch Vespasian untersuchte den Tatbestand genau und sprach die Juden auf Titus' Betreiben frei, ließ Jonathas geißeln und lebendig verbrennen und gab Catullus einen Verweis (Joseph. bell. VII 437ff.).

κ) Imperator X ist Vespasian im J. 73 (wahrscheinlich X schon 72, s. o. S. 2655) nach Ausweis der Inschriften und zwar schon zur Zeit des Antritts des Censoramts, der vermutlich im Frühjahr stattfand (vgl. o. J. 73 β). Die Inschrift CIL XI 3605[30] = Newton 183 (doch kann diese noch aus dem J. 72 stammen) und CIL II 5217[31] = Newton 45 nennen Vespasian imp. X und auch censor designatus. Ferner ist Vespasian imp. X genannt CIL V 4312[32] = Newton 43. CIL VI 1238[35] = Newton 86 = Dessau 5927. CIL VI 31547[36] = Newton 87 = Dessau [2659] 5928. CIG. I 3418 = Newton 46 alle aus der ersten Jahreshälfte. Maynial 355 denkt an den Sieg des Cerealis über die Briganten – kaum richtig, da nach Tacitus’ Worten der Erfolg statim nach dem Eintreffen des Cerealis errungen wurde (s. o. beim J. 71 ι). Noch vor dem 1. Juli 73 erfolgte die 11. Akklamation, die der 5. des Titus entspricht (CIL VI 941[41] = Newton 225; vgl. u. S. 2714).

74 n. Chr.

pontifex maximus tribunicia potestate V (vom 1. Juli an VI) imperator XI–XIII pater patriae cos. V design. VI censor.

α) Vespasian trat am 1. Januar sein 5. Consulat an, Titus wurde cos. III (CIL X 5405[29] = Newton 168 = Dessau 6125. CIL VII 1204[42] = Newton 320. Ephem. epigr. VII 112 = Newton 321. Frontin. aq. 102. Censorin. de die nat. c. 18, 14; vgl. Asbach 112). Am 13. Januar sind bereits Titus und T. Plautius Silvanus Aelianus Consuln (CIL I 774[38] = Newton 311 = Dessau 5961 i. CIL XIV 3608[37] = Newton 260 = Dessau 986; vgl. z. J. 73 δ). Am 21. Mai ist Vespasian cos. des. VI (CIL III p. 852[19] = Newton 34 = Dessau 1992).

β) Von den mit der Censur verknüpften Werken wurde die Tiberregulierung fortgesetzt (vgl. zum J. 73 γ): ex auctoritate Vespasiani führte sie C. Caecina Paetus als curator riparum et alvei Tiberis aus, und zwar nach einem Cippus an der ripa Veientana in der ersten Jahreshälfte; auf einem andern Steine, aus der zweiten Hälfte des Jahres, ist der Ufername verstümmelt (CIL VI 31548[43] a b c = Dessau 5929 [ungenau bei Newton 88]).

γ) Die Censur wurde nach Censorin. de die nat. 18, 14 in diesem Jahre beendet. Die Inschriften weisen dagegen trotz des lustrum conditum auch noch häufig in den folgenden Jahren bei Vespasian wie Titus den Censortitel als Ehrenbezeugung auf. Über den Bürgercensus ist nichts bekannt als Angaben des älteren Plinius (n. h. VII 162ff.) und des Phlegon von Tralles (FHG III 608f.) über besonders hohes Lebensalter, nach italischen Regionen zusammengestellt (vgl. Levison Bonn. Jahrb. CII 1898, 7).

δ) Die spanischen Provinzen hatten sich beim Bürgerkrieg auf Vespasians Seite gestellt (Tac. hist. III 53. 70). Deshalb, vielleicht auch zugleich, um den Anschluß der neuen Regierung an die Galbas zu bekunden (vgl. Tac. hist. IV 40 und die wahrscheinlich ins J. 70 gehörende Goldmünze Cohen 291: Imp. Caesar Aug. Vespasianus, ℞ Hispania, die eine Restitution Galbas ist [Cohen Galba 79ff.; Mitteilung Chambalus, vgl. Philol. XLVII 569]), wurde bei Gelegenheit der Reichsschätzung ganz Spanien das ius Latii verliehen (Plin. n. h. III 30; vgl. Joseph. c. Ap. II 4), und zwar das Latium minus (Hirschfeld Gött. geh Anz. 1870, 1092). Für die nicht städtisch organisierten Gemeinden wurde die Verfassung vielleicht modifiziert (Mommsen R. G. V 66, 1). Mit der Einführung der latinischen Gemeindeordnung ist aber nicht etwa eine besondere Ausdehnung der Verleihung des Bürgerrechts erfolgt (Mommsen a. a. O. 62). Die Verleihung erfolgte bei der Schätzung, also noch 74. Eine aus dem J. 74 (März bis Juni) stammende [2660] Ehreninschrift für den Censor Vespasian und seine Söhne, gesetzt von den pagani pagi Carbulensis in Baetica, scheint schon darauf hinzudeuten (CIL II 2322[44] = Newton 56). Im J. 75 nennen sich die municipes Igabrenses (Igabrum in Baetica) beneficio Imp. Caesaris Aug. Vespasiani c(ivitatem) R(omanam) c(onsecuti) cum suis [per honore]m (CIL II 1610,[45] vgl. p. 703 = Newton 49 = Dessau 1981; vgl. CIL II 1631[46] = Newton 50 ebendorther); aus demselben Jahr die Inschrift eines Valerius L. f. Quir(ina, die Tribus Vespasians) Rufus, der das Bürgerrecht erhalten hat (CIL II 2096[47] = Newton 55, Cisimbrium in Baetica). Auf die Verleihung bezieht sich wohl auch die zu Ehren des Titus gesetzte Inschrift aus der ersten Hälfte des J. 76 (CIL II 3250[48] = Newton 54) aus Baesucci, einem municipium Flavium (CIL II 3251f.),[49] ferner aus dem ersten Halbjahr des J. 77 die Vespasian gewidmete Inschrift eines Duumvir zu Anticaria (CIL 2041 = Newton 51), endlich je eine dem Vespasian und dem Titus, von deren Titeln nur censor genannt wird, nach ihrem Tode gewidmete Inschrift des Flavischen Municipium Munigua in Baetica (CIL II 1049.[50] 1050 = Newton 52. 53 = Dessau 256). Im allgemeinen deutet die Nennung der Tribus Quirina bei spanischen Municipien darauf hin, daß sie an der Rechtsverleihung Vespasians teil hatten (vgl. das Verzeichnis bei J. W. Kubitschek Imp. Rom. tributim discriptum, Wien 1889, 169f.).

ε) Die Censur (vgl. J. 73 β) brachte eine recensio von Senat und Ritterschaft mit sich; dabei nahm Vespasian eine Reinigung der Stände vor, indem er die unwürdigen Mitglieder ausstieß. Aber die beiden Stände waren auch zusammengeschmolzen (exhaustos caede varia Suet. 9); der Patrizierfamilien waren kaum 200, exstinctis saevitia tyrannorum plerisque, Aur. Vict. Caes. 9, 10. Er brachte die Zahl dieser Familien auf 1000, indem er ehrenwerte Italiker und Provincialen hinzuberief (Suet. Aur. Vict. a. a. O.). Von den 73 oder 74 Ernannten (falls Vespasian nicht auch in den folgenden Jahren Ernennungen vornahm, vgl. Mommsen St.-R. II3 1101, 4) sind z. B. inter patricios gekommen: Cn. Iulius Agricola (Tac. Agr. 9) im J. 73 (vgl. Urlichs De vita et honoribus Agricolae, Würzb. 1868), M. Annius Verus, Großvater des Kaisers Marc Aurel (Hist. aug. Marc. 1, 2), Cn. Domitius Afer Titius Marcellus Curvius Lucanus (CIL XI 5210[51] = Newton 25 = Dessau 990; vgl. Prosopogr. II 17 nr. 107), Cn. Domitius Curvius Tullus, der Bruder des vorigen, vorher schon zu den praetorii berufen (CIL XI 5211[52] = Newton 26 = Dessau 991; o. Bd. V S. 1433ff.); zwei, deren Namen nicht erhalten, sind durch Inschriften bekannt: CIL VI 1548[53] = Newton 58 = Dessau 1019 aus Rom; CIL IX 2456[54] = Newton 57 = Dessau 1038 aus Saepinum in Samnium. Inter praetorios: Minicius Macrinus (Plin. ep. I 14, 5), C. Iulius Hor[...] Cornutus Tertullus (CIL XIV 2925[55] = Newton 59 = Dessau 1024), L. Baebius Avitus (CIL VI 1359[56] = Newton 60 = Dessau 1378), C. Salvius Liberalis Nonius Bassus, vorher schon adlectus inter tribunicios (CIL IX 5533[57] = Newton 61 = Dessau 1011f.), C. Fulvius Lupus Servilianus (CIL XII 3166[58] = Newton 62, Nemausus), [2661] [...] Firmus, ein praetorius a senatu auctoribus imperatoribus Vesp. et Tito adlectus (vgl. Mommsen St.-R. I³ 457, 1. 467, 1. CIL XI 1834[59] = Newton 63 = Dessau 1000), Q. Aur. [...] Pactum[eius] Clemens (CIL VIII 7057[60] = Newton 64, Cirta in Numidien, vgl. CIL VIII 7058[61] = Newton 65 = Dessau 1001. Prosopogr. III 5 nr. 24). [...] Itilius Lo[...]us (CIL III 335[62] = Newton 66, Apamea in Bithynien). Inter tribunicios: CIL II 4130[63] = Newton 67 = Dessau 1399, Tarraco.

ζ) Durch die Anordnung des Berichtes bei Dio 12f. (vor Erwähnung des J. 75) wird wahrscheinlich gemacht, daß Vespasian eine Philosophenvertreibung spätestens 74 ins Werk setzte. Die Stoiker und Kyniker machten dauernd Opposition gegen die Monarchie, und das in krasser Form. Helvidius Priscus kopierte und übertrieb das Beispiel seines Schwiegervaters Thrasea Paetus, des Gegners Neros. Er ignorierte einfach, auch als er zu Rom Praetor war, in Vespasian den Princeps, trat auch gegen ihn auf und reizte den nachsichtigen Vespasian so, daß dieser, für die Thronfolge seines Hauses fürchtend, ihn in nachher selbstempfundener Übereilung hinrichten ließ. Auf Mucians Betreiben wurden die Stoiker und Kyniker bis auf einen, Musonius, verbannt (Dio 12 f. Suet. 15; vgl. Schanz Römische Literatur II 22 24. Zeller Gesch. d. griech. Philos. III 1, 683).

η) Von einem gegen die Bewohner des Dreiecks zwischen oberem Rhein und oberer Donau gerichteten Krieg, der Ordnung dieses Gebiets und der Einrichtung der römischen Verwaltung dort berichtet kein Schriftsteller (wenn nicht Fredegar chron. II 36, im 7. Jhdt., diesen Krieg erwähnt, s. u. S. 2663); doch geben einige Inschriften eine Reihe wichtiger Erkenntnisse (von Zangemeister Westd. Ztschr. III [1884] 247ff. erschlossen). Einer verstümmelten Inschrift aus Hispellum in Umbrien läßt sich entnehmen, daß der Legatus pro pr. Cn. Pinarius Cornelius Clemens mit den ornamenta triumphalia geehrt wurde [ob res] in Germ[ania prospere gestas] (CIL XI 5271[64] = Dessau 997 = Newton 24). Dieser war im J. 74 legatus pro pr. exercitus Germanici superioris (CIL XII 113[65] = Newton 79; März bis Juni 74), dessen Kern damals aus 4 Legionen bestand, der I Adiutrix und der XIV Gemina zu Mainz, der VIII Augusta zu Straßburg, der XI Claudia zu Windisch. Das Diplom CIL III p. 852[19] = Dessau 1992 = Newton 34 berichtet, daß dort am 21. Mai 74 die ausgedienten Leute von sechs Alen und zwölf Cohorten zwar das Bürgerrecht bekamen, aber nicht entlassen wurden; sie waren also damals noch unentbehrlich, offenbar weil der Feldzug noch nicht abgeschlossen war. Zwei Brüder, Cn. Domitii, von Vespasian inter patricios, also 73 oder spätestens 74, ernannt, waren (danach also nicht vor Sommer 73) nacheinander (der eine wurde während des Kriegs zu dem in Afrika stehenden Heere abkommandiert) praefecti auxiliorum omnium adversus Germanos, eine Ausdrucksweise, die es wahrscheinlich macht, daß auch noch anderswoher Auxilien herangezogen waren (vgl. CIL III 5211[66] = Dessau 1362. Zangemeister a. a. O.). Wohin der Feldzug sich richtete, kann [2662] geschlossen werden aus einem Offenburger Meilenstein (ergänzt von Zangemeister Westd. Ztschr. III 247ff.; Neue Heidelb. Jahrb. III 1ff.): [Name des Vespasian und Titus] Caesar[e Aug. f. Domitia]no cos [..] Cn. Cor[nelio Clemen]te leg. [Aug. pro pr.] iter de[rectum ab Arge]ntorate in R[aetiam per m. p. ...] in r[ipam Danuvii] (Brambach CIRh. 1955 = Newton 129 = Dessau 5832, vgl. Fabricius Besitzn. Badens durch die Römer 41). Diese Straße führte also von Straßburg über Offenburg nach Raetien, d. h. durch den Schwarzwald das Kinzigtal hinauf nach Arae Flaviae und weiter zur Donau (über das Neckarbergland und Cannstatt nach Ritterlings Meinung, Westd. Ztschr. XII [1893] 225, 49). Die vom Legaten auf Vespasians Geheiß vorgenommene Anlage der Straße setzt voraus, daß damals, im J. 74, bereits die badische Rheinebene und das Neckargebiet in gesichertem Besitz des römischen Reichs war durch den zu Anfang des J. 74, aber wohl auch schon 73 geführten Krieg, dessen Veranlassung und Verlauf nicht genannt wird. Vespasian mag selbst bei seinem germanischen Kommando unter Claudius erkannt haben, daß die Linie Mainz–Windisch nicht genug geschützt war und das Ansehen des Reichs nicht genug gewahrt wurde, und es ist möglich, daß er ein Vorterrain aus strategischen Rücksichten schaffen wollte (Ritterling Korr.-Bl. Westd. Ztschr. XVI [1897] 16). Da die Straße noch im Kriegsjahr gebaut wurde, ist allerdings die Absicht wahrscheinlicher, eine bessere Verbindung mit den Donauprovinzen zu schaffen (Fabricius 41. Herzog Bonn. Jahrb. CII [1898] 91). Er hatte den Feldzug offenbar lange vorbereitet; denn während von 43–70 das Straßburger Legionslager geräumt war, wurde im J. 70, obwohl das oberrheinische Gebiet 69/70 ziemlich ruhig war, das obergermanische Heer durch eine vierte Legion, die VIII Augusta, verstärkt, und zwar bezog sie das Straßburger Lager. Der Krieg hat sich wahrscheinlich gegen die in dem Winkel zwischen Rhein und Donau wohnenden germanischen oder dort noch verbliebenen keltischen Stämme gerichtet. Daß im Felde gekämpft wurde, beweisen die dem Feldherrn verliehenen Triumphzeichen, die den Domitii nach den genannten Inschriften gegebenen Ehrenabzeichen und die Häufung der Imperatorakklamationen (s. u.). Nach der Besitzergreifung wird die von Tacitus erwähnte Besiedelung durch Gallier erfolgt sein. Das okkupierte Gebiet wurde darauf durch eine mit Truppen belegte Grenzlinie am Neckar gesichert. Wenn Tac. Germ. 29 berichtet: mox limite acto promotisque praesidiis sinus imperii et pars provinciae habentur, so ist es allerdings nicht sicher, ob der hier erwähnte Limes schon von Vespasian angelegt wurde (vgl. Hübner Röm. Herrsch. in Westeuropa, Berlin 1890, 90ff. Gsell Domitien 181. 190f. Zangemeister CIL XIII 2[67] p. 215). Doch wurden um 74 gewiß praesidia vorgeschoben: die neue Straße führte über Waldmössingen, das als Erdkastell um diese Zeit erbaut wurde (vgl. Der Obergerm.-Raetische Limes, Lief. 6. Fabricius 40). Ferner wurde im Anschluß an die Besetzung Arae Flaviae gegründet (oder ein keltischer Hauptort so umgenannt, Fabricius 16) und befestigt, wie die aus der frühen Flavierzeit stammenden [2663] Funde von Rottweil bezeugen (Fabricius 38). Der Name weist schon auf eine feierliche Besitzergreifung des Gebietes hin (vgl. Herzog Staatsverw. II 315). Der Ort hatte besondere Bedeutung als Knotenpunkt von Straßen (vgl. Zangemeister CIL XIII 2[67] p. 212), von denen die Straße Windisch–Rottweil ebenfalls um 74 angelegt sein muß (Fabricius 38). Vielleicht wurde dort für das neue Gebiet ein ähnlicher Mittelpunkt geschaffen wie durch die Ara Ubiorum (Mommsen R. G. V 139). Zum Krieg und zur Okkupation vgl. Zangemeister Westd. Ztschr. III [1884] 247ff. Mommsen R. G. V 138ff.; Neue Heidelb. Jahrb. III 1ff. Asbach Bonn. Jahrb. LXXXV (1888) 271ff. Herzog Bonn. Jahrb. CII (1898) 83ff. Fabricius Die Besitznahme Badens durch die Römer, Heidelberg 1905, 32ff.

θ) Daß der Krieg in der ersten Hälfte des J. 74 zu Ende ging, wird nahegelegt durch eine andere Betätigung des Legaten Cn. Pinarius: er regelte ex auctoritate Vespasiani die Grenze zwischen den Viennern und den Ceutronen, und zwar März bis 1. Juli (CIL XII 113;[65] vgl. p. 805 = Newton 79 = Dessau 5957; vgl. Zangemeister Westd. Ztschr. III 249; o. Bd. III S. 2015). Vielleicht hängt auch ein Vorgang bei den Helvetiern mit dem Germanischen Krieg zusammen: Vespasian gestaltete die helvetische Volksgemeinde um. Aventicum wird auf zwei Inschriften (CIL XIII 5089.[68] 5093; vgl. Zangemeisters Bemerkungen dazu p. 5) genannt: colonia pia Flavia constans emerita Helvetiorum (foederata noch dazu auf 5089). Von den Namen weist Flavia auf Vespasian, Titus oder Domitian (ebenso die Tribus Quirina bei solchen, die Bürgerrecht hatten, CIL XIII 5092.[69] 5100. 5102–5104), und insbesondere auf Vespasian eine Nachricht aus dem 7. Jhdt., die allerdings vielleicht erst spät aus den erwähnten Inschriften fabriziert wurde: Germanos rebellantes superat et Aventicum civitatem aedificare praecipit: a Tito filio suo postea expletur usw. (Fredegar chron. II 36). Die Besiegung der Germanen könnte sich auf den Feldzug des Cn. Pinarius beziehen. Pia und Constans kann durch die treue Haltung der Helvetier gegenüber den Vitellianern veranlaßt sein (Tac. hist. I 67ff.), Emerita auf den Zuzug von Veteranen gehen: daß dies solche waren, die am Germanischen Kriege teilgenommen hatten und für ihr längeres Aushalten belohnt werden sollten, ist eine ansprechende Vermutung (von Fabricius Die Besitznahme Badens 37). Aventicum wurde nicht eigentlich Kolonie; es war eine civitas foederata, die Bürger hatten, auch nachdem Vespasian sie zu einer Kolonie gemacht, latinisches Recht. Die Helvetier waren auch nach Vespasian eine Gemeinde formae barbarae (CIL XIII 2[67] p. 6. 18. Mommsen Herm. XVI 474ff).

ι) Denkmäler der Wiederherstellung einer Straße in Sardinien (refecit et restituit Sex. Subio Dextro, proc.. et praef. Sardiniae) sind einige in den Monaten März bis Juni 74 gesetzte Meilensteine, der eine m. p. LV, der andere [L]VI a Turre (CIL X 8023.[26] 8024 = Newton 126. 127); sie standen an der Straße von Turris nach Carales. Der älteste dort gefundene Stein ist aus der Zeit Neros (CIL X 8014).[70] [2664]

κ) Die acclamationes imperatoriae sind in diesem Jahre zahlreich. Auf der lex de civitate vom 21. Mai ist Vespasian imp. XIII (CIL III p. 850[7] = Newton 32 = Dessau 1991), ebenso auf den Meilensteinen CIL X 8023.[26] 8024 = Newton 126. 127 und dem Tibercippus CIL VI 31548 b[43] = Dessau 5929 a, alle noch aus dem ersten Halbjahr, ferner auf den kleinasiatischen Inschriften CIL III 470[71] = Newton 142. CIL III 7203[72] = Newton 143 von März bis Juni 75. Die vorhergehende zwölfte Annahme des Titels ist nicht bezeugt, die elfte dagegen noch auf der spanischen Inschrift CIL II 2322[44] = Newton 56, die Vespasian cos. V gesetzt ist, also nach 1. Januar, und da des. VI zu ergänzen ist, wahrscheinlich nicht vor März. Die Akklamationen XII und XIII müssen also schnell hintereinander in der Zeit von März bis 21. Mai erfolgt sein. Eine bezieht sich gewiß auf den Germanischen Krieg, vielleicht auch mehrere: denn ein Tibercippus aus dem zweiten Halbjahr hat bereits imp. XIV (CIL VI 31548 a[43] = Newton 88 = Dessau 59398). Neben diesem stadtrömischen Stein erscheint die Angabe der beiden kleinasiatischen Steine, die imp. XIII noch im ersten Halbjahr 75 aufweisen, irrig. Was außer dem Germanenkrieg Anlaß gab zu Akklamationen, kann nur leere Vermutung bleiben (Maynial denkt an einen Erfolg des Iulius Frontinus in Britannien, der wohl später zu setzen ist; ferner an die Vergrößerung des Reichs dadurch, daß Achaia usw. die Freiheit verloren, was doch nur eine Änderung der Verwaltung war, endlich an die Grenzregulierung bei den Ceutronen, wo wir von keinem Kampf hören).

75 n. Chr.

pontifex maximus trib. pot. VI (seit 1. Juli VII) imperator XIIII (XV?) pater patriae cons. VI design. VII (censor).

α) Vespasian trat am 1. Januar sein 6. Consulat an, zusammen mit Titus cos. IIII (Acta Arv. CIL VI 2054[73] = Newton 153 vom 3. Januar; nach der Consulatsdesignation Vespasians für 76: CIL VI 1232[74] = Newton 3 = Dessau 243. Bull. com. 1899, 272 = Newton 4, die griechische Inschrift aus Iberien CIL III zu 6052 = Newton 29; vielleicht auch ohne genauere Angabe des Jahresabschnitts CIL II 2096[47] = Newton 55. CIL VI 235[75] = Newton 74 = Dessau 3663. Wilmanns 2767. 2772 b = Newton 337. 329). Wie lange Vespasian im Amte blieb, ist unbekannt (vgl. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 113). Auf der iberischen Inschrift aus der zweiten Jahreshälfte wird Domitian ὕπατος τὸ [γ'], ἀποδεδειγμένος τὸ δ' genannt, doch führte er das Consulat wahrscheinlich in der ersten Zeit des Jahres (vgl. Chambalu mag. Flav. 11. Gsell Domitien 20, 3). Consul desig. VII ist Vespasian auf den Inschriften: CIL VI 1232[74] = Newton 3 = Dessau 243. CIL VI 933[76] = Newton 75 = Dessau 249. CIL III 470[71] = Newton 142. CIL III 7203[72] = Newton 143. CIL IX 2564[77] = Newton 182. Bull com. 1899, 272 und CIL III zu 6052 = Newton 29.

β) Das von Vespasian im J. 71 gegründete templum Pacis (später auch forum Pacis genannt: Ammian. Marc. XVI 16, 14. Chron. min. II 69. Procop. bell. Goth. IV 21; forum Vespasiani [Pseudo-]Symmach. ep. X 78) wurde 75 [2665] geweiht (Joseph. bell. VII 158. Dio 15. Suet. 9. Aur. Vict. Caes. 9. Mart. I 2, 8. Procop. bell. Goth. IV 21; Statius silv. IV 8, 17 läßt vermuten, daß noch Domitian daran gebaut hat). Vespasian benutzte das durch den Brand im. J. 64 frei gewordene Terrain in der Nähe des Forums, südöstlich vom Augustusforum, von diesem durch das Argiletum getrennt. Den Tempel umgab ein freier Platz mit Hallen. Von der Anlage sind fast keine Spuren erhalten. Für den Bau wurden große Mittel aufgewandt und ein Werk πάσης ἀνθρωπίνης κρεῖττον ἐπινοίας geschaffen (Joseph. a. a. O. Plin. XXXVI 102. Herodian. I 14, 2). Vespasian ließ die Prachtstücke aus dem Jerusalemer Tempel dorthin bringen. Daß er den Tempel auch mit älteren Werken der griechischen Malerei und Plastik ausschmückte, machte diesen besonders berühmt (Joseph. Herod. a. a. O.; von einzelnen dort aufgestellten Werken spricht Plin. n. h. XII 94. XXXIV 84. XXXV 102. 109. XXXVI 27. 58. Iuven. 9, 23. Paus. VI 9, 3. Procop. bell. Goth. IV 21. Photios 149, 32 Bekker). An den Tempel war eine Bibliothek angeschlossen (s. o. Bd. III S. 419; vgl. O. Richter Topogr. der Stadt Rom2 113. Gilbert Gesch. u. Topogr. d. Stadt Rom III 135, 3. Aust Die stadtröm. Tempelgründungen der Kaiserzeit, Progr. Frankfurt a. M. 1898 p. IX. Jordan-Hülsen Topogr. d. Stadt Rom I 1, 491. 2, 435. 3, 2ff.).

γ) In demselben Jahre wurde der Koloß des Sonnengottes an der Via sacra aufgestellt (ἱδρύθη Dio 15. Hieron. z. J. 2091); d. h. die Kolossalstatue des Nero, die in dem Vestibulum der Domus aurea stand, ein Werk des Zenodoros (Suet. Nero 31; 120 Fuß hoch nach Plin. XXXIV 45, 100 nach Suet. und Dio a. a. O.), ließ er in eine Statue des Sol (Apollo), des Schutzgeistes der Flavischen Stadt (Nissen Rh. Mus. XLIX [1896] 297) umwandeln (Colossi refectorem insigni congiario magnaque mercede donavit Suet. 18; vgl. Mart. Spect. 2, 1. I 70, 6. XII 60, 2). Hadrian ließ ihn versetzen (Basis erhalten), um den Tempel der Venus und Roma dort bauen zu können (Hist. aug. Hadr. 19; ο. Bd. I S. 504). Richter Topogr. d. Stadt Rom2 154. 166; o. Bd. IV S. 589. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 320f.

δ) Wenn der Census auch im J. 74 offiziell zu Ende war, so sind doch eine Reihe Handlungen Vespasians ganz wie vor 73 noch in dem Sinne der Censur gehalten. So nimmt die Herstellung geordneter Zustände im Besitz von öffentlichen Grundstücken, die Private okkupiert hatten, ihren Fortgang: locum viniae publicae occupatum a privatis per collegium pontificum restituit (CIL VI 933[76] = Newton 75 = Dessau 249; vgl. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 198f.; März bis Jahresmitte). Diese Herstellung des öffentlichen Besitzrechts ging auch in Italien und in den Provinzen vor sich, ohne daß die Zeit genau bekannt ist: solche okkupierte Stücke wies T. Suedius Clemens ex auctoritate Vespasiani der pompeianischen Gemeinde wieder zu causis cognitis et mensuris factis (CIL X 1018[78] = Newton 76 = Dessau 5942). Ähnliche Inschriften gab es in Kyrene (Hygin. de cond. agr. p. 122 Lachm.).

ε) Auch die Hinausschiebung des Pomeriums ist erst nach dem lustrum conditum der Censur [2666] (s. beim J. 74 γ) bezeugt. Daß sie schon von Anfang der Regierung beabsichtigt war, zeigt die Bewilligung in der lex de imp. (s. o. J. 69 γ). Im J. 75 zwischen März und Ende Juni wurde sie vorgenommen (CIL VI 1232[74] = Newton 3 = Dessau 248, vor der Porta Pinciana gefunden, ähnlich der an der Porta S. Paoli gefundene Cippus, Bull. com. 1899, 272: vgl. Jordan Topogr. I 1, 324ff. Richter Topogr.2 65. Hülsen Herm. XXII 624; CIL VI fasc.[79] 4, 2 p. 3106). Auctis p. R. finibus kann sich sehr gut auf die Besetzung des oberen Neckarlandes beziehen (Mommsen St.-R. III 735, 3 glaubt, es könne unter anderem auf die Annexion von Kommagene bezogen werden; Newton p. 5 denkt an die Herstellung der Provinz Judaea und an Britannien).

ζ) Rutilius Gallicus wurde damals etwa nach der durch Stat. silv. I 4 wahrscheinlichen Chronologie seines Lebens (vgl. Prosopogr. III 148 nr. 167) nach Afrika geschickt, um Steuern einzutreiben, die, wahrscheinlich von Otho herabgesetzt (Tac. hist. I 78), von Vespasian dort wie auch in den anderen Provinzen wiederhergestellt und vermehrt, vielleicht auch dort gar verdoppelt worden waren (Suet. 16. Dio 8). Aus irgend einem Grunde war das Eintreiben in Afrika besonders schwierig (Libyci quid mira tributi obsequia et missum media de pace triumphum laudem et opes? Stat. silv. I 4, 83; vgl. dazu Vollmer in seiner Ausgabe [Leipzig 1898] S. 211; unter Triumph sind die eingebrachten Schätze zu verstehen). Zeitlich wird damit verknüpft sein, daß ex auctoritate Vespasiani von Rutilius Gallicus als legatus consularis und Sex. Sentius Caecilianus (s. Dessau Prosopogr. III 199 nr. 291) als legatus praetorius die Grenzlinie zwischen der alten und der neuen Provinz reguliert wurde (d. h. zwischen Africa proconsularis und dem von Caligula im J. 37 abgetrennten Numidien (vgl. Marquardt St.-V. I2 467f.; die Inschrift Comptes rendus de l’Acad. des inscr. 1894, 46 und Revue arch. XXIV [1894] 415 = Newton 80). Unter Sentius Caecilianus als legatus Aug. pro pr. (und Befehlshaber der Legio III Augusta; vgl. Prosopogr. a. a. O.) wurde auch an einer Straße von Theveste nach Thamugadi gebaut (CIL VIII 10165[80] = Newton 81).

η) Auch über die Bewegungen im Osten des Reichs haben wir nur einige Andeutungen. Der Partherkönig Vologaesos, der sich Vespasian Anfang 70 zur Sendung von Truppen angeboten (s. beim J. 70 ε) und auf seine Aufforderung das Bündnis mit Rom erneuert hatte (Tac. hist. IV 51. Suet. Nero 57), erbat im J. 75 (frühestens; denn es ist bei Dio 15 nach der Weihung des Paxtempels erwähnt), als die Alanen ins Partherreich einfielen, Hilfe von Vespasian unter Führung eines der kaiserlichen Prinzen. Domitian bemühte sich um das Kommando, Vespasian verweigerte aber die Hilfe, weil er sich nicht in fremde Händel mischen wolle (Suet. Dom. 2. Dio 15; ein Alaneneinfall in Medien und Armenien Joseph. bell. VII 244 geschah in einem früheren Jahre, um 71, vgl. Hegesipp. V 51, 2. Mommsen R. G. V 394, 1). Es scheint aber, daß Vespasian doch etwas gegen die Alanen unternahm, denn wir finden in diesem Jahre römische Truppen damit beschäftigt, für den befreundeten König von Iberien [2667] (φιλοκαίσαρι καὶ φιλορωμαίῳ), Mithridates, Mauern zu bauen (Inschr. CIL III zu 6052 = Journ. asiat. 1869, 96 = Newton 29) und zwar zu Mtzchetha, der alten Hauptstadt Harmozica bei Tiflis. Dort ist aber gerade die Einfallstraße der Alanen (vgl. Joseph. bell. VII 245 und Mommsen R. G. V 394, 1). Auf ähnliche Befestigungen in Kappadokien wird CIG 4015 und add. III p. 103 bezogen (von Schiller II 512, 7). Durch Cn. Pompeius Collega, den Legaten von Galatien, wurde in Kleinarmenien eine Straße gebaut (CIL III 306;[81] vgl. add. p. 975 = Newton 147; gefunden zu Arauraca; aus dem J. 75, nach Mommsens Ergänzung). In dieses Jahr, in die Monate März bis Juni, fallen auch die Zeugnisse von der Wiederherstellung von Straßenbauten in der Provinz Asia; zwei Steine sind bei Smyrna gefunden (CIL III 7203.[72] 7204 = Newton 143. 144), einer bei Thyateira (CIL III 470[71] = Newton 142).

θ) Imperatorische Akklamationen. Imp. XIII heißt Vespasian noch auf den kleinasiatischen Inschriften (CIL III 470[71] = Newton 142 und CIL III 7203[72] = Newton 143, wohl irrig; s. beim J. 74 κ); imp. XIV nennen Vespasian die Inschriften CIL VI 1252[82] = Newton 3 = Dessau 243 und Bull. com. 1899, 272 = Newton 4. CIL VI 933[76] = Newton 75 = Dessau 249, frühestens im März, spätestens 30. Juni, ebenso die Inschrift aus Iberien aus dem zweiten Halbjahr und CIL IX 2564[77] = Newton 182 (zwischen März und Jahresende). Diese Akklamation datiert aber höchstwahrscheinlich noch aus der zweiten Hälfte des J. 74 (nach CIL VI 31548[43] a = Newton 88 = Dessau 5929 b).

ι) Über die Verleihung des ius Latii an Spanien s. J. 74 δ.

76 n. Chr.

pontifex maximus tribunicia potestate VII (VIII vom 1. Juli an) imperator (XV?) XVI–XVIII pater patriae (censor) consul VII designatus VIII.

α) Am 1. Januar trat Vespasian sein 7. Consulat an zusammen mit Titus, der zum fünftenmal Consul wurde (CIL VIII 10116[83] = Newton 140, vgl. CIL VIII 10119[84] = Newton 139. CIL VII 1205[85] = Newton 322. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 113). Die beiden ersten Inschriften nennen Domitian cos. IIII; er trat das Consulat an (nach Asbach a. a. O.) am 13. Januar, jedenfalls vor der 8. Consuldesignation Vespasians, die auf den beiden Steinen noch nicht genannt ist (Chambalu mag. Flav. 13). Das 7. Consulat und die 8. Designation findet sich ferner CIL X 1406[86] = Newton 100 = Dessau 250. CIL X 1629[87] = Newton 180. CIL X 6812[88] = Newton 114 = Dessau 5819. CIL X 6817[89] = Newton 115 aus dem ersten Halbjahr und auf der Konstitution vom 2. Dezember CIL III p. 853[90] = Newton 35 = Dessau 1993.

β) Als Hersteller der Tempel erscheint Vespasian in Herculanum: templum Matris deum terrae motu conlapsum restituit (CIL X 1406[86] = Newton 100 = Dessau 250). Die Bauinschrift ist in den Monaten März bis Juni gesetzt. Von dem Erdbeben am 9. Februar 62 berichtet Seneca (nat. quaest. VI 1, 2; vgl. Tac. ann. XV 22).

γ) In denselben Monaten wurde die Via Appia hergestellt, wovon zwei Meilensteine, die jetzt [2668] auf dem Capitol stehen, der I. und der VII., zeugen (CIL X 6812.[88] 6817 = Newton 114. 115 = Dessau 5819; vgl. Dessau Bull. d. Inst. 1882, 127. Richter Topogr. d. Stadt Rom2 45, 1. 341).

δ) Aus der ersten Hälfte des Jahres stammen zwei Bauinschriften, die von der Ausführung wichtiger Straßenanlagen in den afrikanischen Provinzen Kunde geben: eine Inschrift von der Straße Theveste–Hippo Regius (CIL VIII 10119[84] = Newton 139) und eine Inschrift, die sich auf die Erbauung einer Brücke an der Straße von Karthago nach Hippo Regius bezieht (CIL VIII 10116[83] = Newton 140). Die Arbeiten wurden von Soldaten der Legio III Augusta unter dem Legatus Aug. pro pr. Q. Egnatius Catus ausgeführt. Es sind Verbindungsstraßen des Hauptquartiers Theveste mit den größeren Küstenstädten (vgl. Mommsen R. G. V 654).

ε) Es ist wahrscheinlich, daß Vologaesos wegen der Weigerung Vespasians, ihm gegen die Alanen zu helfen, jetzt eine feindliche Stellung gegen jenen einnahm; durch einen Krieg wurde er aber zum Frieden gezwungen (so Aur. Vict. Caes. 9, 10, dagegen nach Epit. 9, 12 durch bloße Furcht; doch jenes stimmt eher zu Plin. paneg. 14, 1, wonach ferocia superbiaque Parthorum magno terrore gebändigt wurde). Dies geschah, als Traian der Vater Legat von Syrien war (76/7, s. Dessau Prosopogr. III 463 nr. 574). Auf größere Kämpfe weist auch der Umstand hin, daß Traian mit den Triumphalornamenten geehrt wurde (Plin. paneg. 9. 16. 58. Schiller II 513).

ζ) Ein anderer Kriegsschauplatz bestand fortwährend in Britannien. Sex. Iulius Frontinus wurde um 76 Legat von Britannien. Er errang in diesem Amt einen Erfolg über die Siluren: validam et pugnacem gentem armis subegit, super virtutem hostium locorum quoque difficultates eluctatus (Tac. Agr. 17; vgl. Dessau Prosopogr. II 192 nr. 216). Im J. 78 spätestens löste ihn Agricola ab. Da nun im J. 76 die Akklamationen sich häuften (s. u. θ), im J. 77 aber überhaupt keine Akklamation stattfand, so ist mit großer Wahrscheinlichkeit dieser Sieg in das J. 76 zu setzen.

η) Durch die lex vom 2. Dezember 76 (CIL III p. 853[90] = Newton 35 = Dessau 1993) erteilt Vespasian an Speculatores des Praetoriums und Soldaten der 9 Praetorianer- und der 4 städtischen Cohorten das ius conubii. Die Inschrift lehrt, daß Vespasian die von Vitellius auf 16 erhöhte Zahl des Cohortes praetoriae auf 8 herabgesetzt hatte (Tac. hist. II 93; vgl. Marquardt-Domaszewski St.-V. II2 477, 1).

θ) Auf Inschriften wird die 17. Akklamation in den Monaten März bis Ende Juni erwähnt (CIL X 1406[86] = Newton 100 = Dessau 250. CIL X 1629[87] = Newton 180. CIL X 6812[88] = Newton 114 = Dessau 5819. CIL 6817 = Newton 115; irrig ist imp. XVII auf CIL VI 934[91] = Newton 91 = Dessau 252; vgl. beim J. 78 ζ). Die 18. Begrüßung steht schon auf der lex de civitate vom 2. Dezember (CIL III p. 853[90] = Newton 35 = Dessau 1993) und sechsmal auf Inschriften vom J. 77. Da Titus in dem ersten Halbjahr imp. X ist (CIL VIII 10119[84] = Newton 139: Domitiano cos. IIII; [2669] vgl. CIL VII 10116[92] = Newton 140), so war Vespasian damals imp. XVI. Die 15. Akklamation ist nicht bezeugt; die 14. fiel in das zweite Halbjahr 74 (s. S. 2664), und noch in der zweiten Hälfte von 75 trägt eine Inschrift dieselbe Zahl; also wurde Vespasian nach Mitte 75 bis 1. Juli 76 dreimal, bis zum 2. Dezember 76 viermal als imperator begrüßt. Diese Häufung weist auf lebhafte Kriegstätigkeit hin. Eine Zahl ist sicher durch den Krieg des Traian veranlaßt, da dieser sogar die Triumphalzeichen bekam; eine andere wohl durch den Sieg des Iulius Frontinus über die Siluren (abweichend Maynial 356f.).

77 n. Chr.

pontifex maximus tribunicia potestate VIII (vom 1. Juli an VIIII) imperator XVIII pater patriae cos. VIII (censor).

α) Vespasian wurde am 1. Januar cos. VIII zusammen mit Titus, der sein 6. Consulat antrat (Acta Arv. CIL VI 2055[93] [vgl. Henzen p. C] = Newton 154. CIL X 8067,[94] 3 = Newton 336). Dann wurde an Titus Stelle Domitianus cos. V (Ann. d. Inst. 1870, 181, vgl. Chronogr. von 354. Fasti; anders Chambalu Philol. XLIV 112ff.; dagegen Pick Ztschr. f. Numism. XIII 366ff. Gsell Domitien 21), Später wurde Agricola Consul suffectus (Tac. Agr. 9, vgl. Urlichs De vita et honoribus Agr. 25ff. Asbach Westd. Ztschr. III 18). Consul designatus ist Vespasian in diesem Jahre nicht.

β) Da keine Andeutung irgend ein bei den Schriftstellern verzeichnetes Ereignis gerade in dieses Jahr verlegt und zudem das Fehlen einer neuen acclamatio imperatoria auf ein friedliches Jahr hindeutet, können nur einzelne inschriftlich überlieferte Tatsachen genannt werden.

In diesem Jahr oder spätestens im ersten Vierteljahr vom J. 78 (da Vespasian noch imp. XVIII ist) wurde von Vespasian ein Monumentalbau errichtet (CIL VI 935[95] = Newton 92). Es ist wahrscheinlich das templum sacrae urbis gemeint. Die Benennung stammt aus dem 16. Jhdt., kann aber auf alten Quellen beruhen. Das Gebäude (Katasterarchiv? Bibliothek?) lag südlich vom Templum Pacis, dicht an dessen Bezirk (nach der Inschrift); der Quaderbau des 1. Jhdts. ist noch erhalten. Er wurde von Severus zwischen 198 und 211 wiederhergestellt (CIL und Newton a. a. O.); jetzt SS. Cosma e Damiano. (Literatur bei Aust Die stadtröm. Tempelgründungen der Kaiserzeit p. X; vgl. Richter Topogr.2 3. 313. Jordan-Hülsen I 3, 5ff.). Das Fragment einer Inschrift, die nach der Überlieferung in marmore magno ac veluti parte frontispicii aedis alicuius war, enthielt die Worte: [c]ensor cos. VIII refecit und weist damit auf eine Erneuerung eines Monuments durch Vespasian im J. 77 oder 78 (oder höchstens des Titus aus dem J. 80) hin (CIL VI 936[96] mit Anm. = Newton 94); wahrscheinlich ist es identisch mit der oben erwähnten Inschrift.

γ) Als Wiederhersteller des heiligen Bezirks der Diana Tifatina zu Capua erscheint Vespasian mit der Bezeichnung cos. VIII (wonach die Bauinschrift auch ins folgende Jahr fallen kann): fines agrorum (die zweite Inschrift hat locor[um]) dicatorum Dianae Tifat[inae] a Cornelio Sulla ex forma divi Aug(usti) restituit (CIL X 3828[97] = Newton 77 = Dessau 271. Not. d. scavi [2670] 1893, 165 = Newton 78 = Dessau 3420; vgl. Roscher Lex. d. Mythol. I 1003f. Wissowa o. Bd. II S. 326ff.).

δ) Aus Latium stammen drei Meilensteine, an der Via Latina gefunden, die für eine Erneuerung dieser Straße im ersten Halbjahr 77 sprechen: der 75., aus der Nähe von Aquinum, der 96., gefunden bei ad Flexum, und ein fragmentarischer (wahrscheinlich der 70.) aus der Gegend von Fregellae (CIL X 6894.[98] 6896. 6901 = Newton 124. 122. 123). Die Arbeit an einer Straße von Bracara nach Asturica fällt ebenfalls in das zweite Halbjahr 77 oder in das erste Vierteljahr von 78 (weil am 15. April 78 Vespasian imp. XIX ist, dagegen erst XVIII auf dem Meilenstein dieser Straße CIL II 4814[99] = Newton 135; doch ist die Inschrift vielleicht interpoliert und gehört in die Zeit des Titus, s. dort J. 80 ζ). Die Vollendung einer Brücke zu Seleukia am Kalykadnos s. Μουσεῖον καὶ βιβλιοθήκη τῆς εὐαγγελικῆς σχολῆς, Smyrna 1875 S. 100 (nach Chambalu Philol. XLIV 113).

ε) Eine Wiederherstellung eines von Claudius errichteten Bauwerks durch Vespasian ist für dieses Jahr (oder höchstens bis 15. April 78, wegen imp. XVIII) durch eine Inschrift zu Viterbo in Etrurien bezeugt (CIL XI 2999[100] = Newton 117). Der Stein ist gefunden an der Via Cassia (vgl. o. Bd. III S. 1669f.) in der Nähe einer Brücke. Er bezieht sich demgemäß wahrscheinlich auf die Herstellung einer Brücke.

ζ) Am 29. Juli 77 richtete Vespasian an die IIII viri und Decurionen von Sabora in Baetica eine epistula als Antwort auf Bitten, die ihm eine Gesandtschaft von dort am 25. Juli übermittelt hatte. Er gestattete darin den Saborensern, ihre Stadt, die mit den andern spanischen Städten das ius Latii erhalten hatte, sub nomine meo d. h. als oppidum Flavium zu benennen und neu in der Ebene aufzubauen (während sie bis dahin auf einem Berge lag). Die der Stadt von Augustus zugewiesenen Steuereinkünfte ließ er ihr; wegen neuer sollten sie sich an den Proconsul wenden (CIL II 1423[101] = Bruns Fontes4 p. 193 = Newton 84 = Dessau 6092 mit Anm.; die Inschrift, die die Duoviri C. Cornelius Severus und M. Septimius Severus auf Gemeindekosten in Erz graben ließen, wurde im 16. Jhdt. aufgefunden).

η) Ein Duovir aus einer anderen Stadt in Baetica, Anticaria, hat in der ersten Jahreshälfte Vespasian eine Dedikationsinschrift auf eigene Kosten gesetzt (CIL II 2041[102] = Newton 51), vielleicht zum Andenken an die Verleihung des ius Latii an Anticaria oder des Bürgerrechts an den Stifter (so Hübner im CIL a. a. O.).

θ) Von Imperatorakklamationen wird in diesem Jahre auf den Inschriften nur die 18. erwähnt: in dem ersten Halbjahr CIL VI 935[95] = Newton 92. CIL X 6896[103] = Newton 122. CIL X 6901[104] = Newton 123. CIL II 1631[46] = Newton 51; in dem zweiten Halbjahr CIL II 1423[101] = Newton 84 = Dessau 6092 vom 29. Juli; möglicherweise auch CIL XI 2999[100] = Newton 117 und CIL II 4814[99] = Newton 135, doch können diese beiden Inschriften auch 78 bis April, dem ersten festen Datum der 19. Begrüßung, gesetzt sein (s. J. 78 ζ). [2671]

78 n. Chr.

pontifex maximus tribunicia, potestate VIIII (vom 1. Juli an X) imperator XVIII. XIX (XX?) pater patriae cos. VIII des. VIIII (censor).

α) In diesem Jahr (wie vorher nur im J. 73) übernahm Vespasian nicht das Consulat, vielmehr sind L. Ceionius Commodus und D. Novius Priscus die ordinarii des Jahres (Acta Arv. CIL VI 2056[105] = Newton 155 = Dessau 5027, vom 3. Januar) und noch Mitte April im Amt (lex de civitate vom 15. April, s. u. δ). Mitte April ist aber Vespasian cos. design. VIIII a. a. O.; ebenso auf CIL VI 934[91] = Newton 91 = Dessau 252 und CIL III 6993[106] = Newton 145 = Dessau 253, vor 1. Juli gesetzt).

β) In Rom setzten die Sodales Titii, zwischen März und Ende Juni, dem Kaiser eine Inschrift, die knapp die Verdienste Vespasians um das Sakralwesen rühmt: conservatori caerimoniarium publicarum et restitutori aedium sacrarum (CIL VI 934[91] = Newton 91 = Dessau 252).

γ) Von irgend einer Stiftung Vespasians Λακεδαιμονί[ω]ν τῇ πό[λει] erzählt die Inschrift CIG 1305 = Newton 197. Von Wegbauten wird an zwei Stellen berichtet: nach einem Stein (CIL V 7987[107] = Newton 119 = Dessau 5831) aus der zweiten Jahreshälfte baute Vespasian damals an der Via Flavia (von Tergeste nach Pola), an der 79 weitergebaut wurde (s. unter Titus J. 79 ε). Zu Prusa in Bithynien heißt es auf einer Inschrift aus dem Frühjahr, daß Vespasian, Titus, Domitianus vias a novo munierunt per L. Antonium Nasonem, procuratorem eorum (CIL III Suppl. 6993[106] = Newton 145 = Dessau 253; vgl. Prosopogr. I 102 nr. 681, o. Bd. I S. 2634, 80. Hirschfeld Die kaiserl. Verwaltungsb. 374).

δ) Daß die Gefangennahme der Velleda durch Rutilius Gallus mit einem schweren Krieg gegen ihren Stamm, die Brukterer, zusammenhing (Stat. silv. I 4, 89ff. Tac. Germ. 8), und daß dieser Krieg Anfang 78 geführt oder beendet wurde, ist jetzt in helleres Licht gerückt durch eine bei Mainz gefundene lex de civitate et conubio, am 15. April 78 von Vespasian an ausgediente Leute von sechs Alen und einer Cohorte im niederrheinischen Heere verliehen (Altertümer unserer heidnischen Vorzeit V, Mainz 1905, Taf. 33 und dazu v. Domaszewski 181ff. Ritterling Korr.-Bl. Westd. Ztschr. XXV 1906, 20ff.). Der Erfolg war so bedeutend, daß Vespasian als imperator XIX begrüßt wurde, denn diese Akklamation wird hier zuerst genannt und kann erst ganz kurze Zeit vorher von Vespasian angenommen sein (s. u. ζ). Vielleicht war das Heer des Rutilius Gallus durch die VII Gemina verstärkt worden (so v. Domaszewski; Ritterling möchte ihren Aufenthalt in Germanien auf den Krieg von 74 beziehen). Mit diesem Erfolg gegen die Brukterer wird es ursächlich und zeitlich verknüpft sein, daß Vestricius Spurinna als Legat von Untergermanien Bructerum regem vi et armis induxit in regnum ostentatoque bello ferocissimam gentem ... terrore perdomuit (Plin. ep. II 7, 2; vgl. Tac. Germ. 33. Dessau Prosop. III 409 nr. 308. v. Domaszewski a. a. O.).

ε) Agricola ging wahrscheinlich in diesem Jahre als Legat nach Britannia; denn 77 war er Cos. suffectus, was er nach der Regel der Zeit [2672] kaum vor 1. Mai wurde, und verheiratete darauf noch seine Tochter mit Tacitus; deshalb wird media iam aestate transgressus eher auf 78 zu beziehen sein (Prosop. II 161 nr. 84; nach Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 133 und Gsell Domitien 165, 2 ging er noch 77, nachdem er Cos. suffectus gewesen, hinüber). Dann suchte er quamquam transvecta aestas die Ordoviker auf, die kurz vorher eine Ala aufgerieben hatten, hieb fast den ganzen Stamm nieder und unterwarf dann die von Suetonius Paulinus aufgegebene Insel Mona wieder. Trotz der bescheidenen Berichte Agricolas wurde sein Erfolg anerkannt und er gefeiert (Tac. Agr. 18. Hübner Herm. XVI 543). Wegen des Siegs und der Eroberung kann man eine neue Akklamation vermuten: da das J. 77 keine neue aufweist, die 19. aber gewiß durch den Bruktererkrieg veranlaßt ist, so würde nur die im ersten Halbjahr 79 erwähnte 20. Begrüßung, Ende 78 oder Anfang 79, in Betracht kommen. Auch deshalb ist als erstes Kriegsjahr des Agricola in Britannien das J. 78 anzusetzen.

ζ) Auf den Inschriften dieses Jahres findet sich die 19. acclamatio imperatoria in der lex de civitate vom 15. April (s. o. δ), die 18. auf der Wegebauinschrift zu Bithynien CIL III 6993[106] = Newton 145, die wegen der 9. Consuldesignation nicht vor dem Frühjahr anzusetzen ist. Doch muß man bei der Datierung in Betracht ziehen, daß man in Bithynien von einer neuen Akklamation erst nach ein paar Wochen hören konnte. Jedenfalls scheint die 19. Akklamation nicht früher als Frühjahr 78 zu fallen. Über die 20. Begrüßung, die vielleicht noch Ende 78 stattfand, s. beim J. 79 ε. Imp. XVII hat nur die im Original nicht erhaltene Inschrift CIL VI 934[91] = Newton 91 = Dessau 252, was nicht zu der weiteren Angabe cos. VIII des. VIIII paßt, denn in der epistula vom 29. Juli 77 (s. d. ζ) nennt sich Vespasian imp. XVIII, aber noch nicht cos. design. XVIIII. Wenn in jene Inschrift imp. XVIII eingesetzt wird, so würde sie in die kurze Zeit zwischen Consuldesignation, also wahrscheinlich März, und 14. April 78 fallen müssen. Die Wahrscheinlichkeit ist immerhin größer, daß imp. XVIIII gemeint ist.

79 n. Chr. (bis 24. Juni)

pontifex maximus tribunicia potestate X imperator XX pater patriae cos. VIIII design. X.

α) Am 1. Januar trat Vespasian sein 9. Consulat an, zugleich Titus sein 7.; am 13. Januar wird Domitian für Titus eingetreten sein (CIL X 7[108] = Newton 164 vom 9. April. CIL II 2477[109] = Newton 138. Inschr. aus Chester [Deva] Korr.-Bl. Westd. Ztschr. XVIII 1899, 103. CIL III 6993[106] = Newton 145 = Dessau 253 [Domitian Frühling 78 cos. desig. VI). Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 115. Chambalu mag. Flav. 13. Gsell Domitien 22, 2). Die Designation zum 10. Consulate ist bezeugt durch eine Inschrift zu Gordium (Perrot Exploration arch. de la Galatie I 209; vgl. Chambalu mag. Flav. 13, 7. Pick Ztschr. f. Numism. XIII 360). Irrig steht Vespas. X cos. auf der Inschrift CIL XII 2602[110] = Newton 2602.

β) Einen weitgehenden Straßenbau ließ Vespasian in Baetica vornehmen: viam Aug(ustam) ab Iano ad Oceanum refecit, pontes fecit, veteres [2673] restituit (CIL II 4697[111] = Newton 130 = Dessau 5867, gefunden in der Sierra Morena). Es handelt sich um die Hauptstraße der Provinz, von Caesar gebaut, den julisch-claudischen Kaisern ausgebaut (CIL II 4701[112] = Dessau 102. CIL II 4712.[113] 4715. 4716 = Dessau 193). Ein großes Werk (wahrscheinlich eine Brücke) wurde in Gallaecia unter dem Legaten C. Calpetanus Rantius, dem Legaten D. Cornelius Maecianus und dem Procurator Augusti (von Asturia und Gallaecia) L. Arruntius Maximus ausgeführt; an der Anlage war die seit kurzem (vgl. beim J. 78 δ) in Spanien garnisonierende Legio VII Gemina Felix, deren Befehlshaber offenbar Cornelius Maecianus war, beteiligt: die Erbauer sind aber zehn Gemeinden, an der Spitze die Aquiflavienses (CIL II 2477[109] und Suppl. p. 902 = Newton 138 = Dessau 254; vgl. CIL II 2478).[114] Daß Vespasian im Jahre seines Todes Kolonien anlegen ließ, berichtet Hieron. chron. zum Jahr Abrahams 2094.

γ) Der Lingone Iulius Sabinus, der, im J. 70 von Rom abgefallen, besiegt worden war (s. J. 70 β), hatte sich neun Jahre lang verborgen gehalten, wurde aber im J. 79 entdeckt und nach Rom gebracht. Vespasian ließ ihn mit seiner getreuen Gattin Epponina trotz ihrer rührenden Bitte hinrichten (Tac. hist. IV 67. Dio 16. Plut. Erotikos p. 770; vgl. o. S. 260).

δ) Eine Verschwörung gegen Vespasian ging von zwei Männern aus, die er als Freunde angesehen und geehrt hatte: A. Caecina Alienus, der 69 von Vitellius zu Vespasian übergegangen war, hatte einen Teil der Soldaten für sich gewonnen und war dadurch bloßgestellt, daß eine schriftliche Vorbereitung dieses Anschlags in Titus’ Hände fiel. So wurde Alienus, als er vor der zur Ausführung des Verrats bestimmten Nacht, von Titus eingeladen, vom Tische aufstand, auf dessen Befehl niedergestoßen, ohne daß Vespasianus von Titus befragt worden war (Dio 16. Suet. Tit. 6. Zonar. XI 17, vgl. o. Bd. III S. 1238ff.). Der andere, T. Clodius Eprius Marcellus, verübte, vom Senat verurteilt, Selbstmord (Dio a. a. O.; vgl. Wissowa o. S. 261ff.).

ε) Auf Inschriften des J. 79 ist eine neue acclamatio imperatoria verzeichnet, die 20. (CIL II 4697[111] = Newton 130 = Dessau 5867. CIL II 2477[109] = Newton 138 = Dessau 254. CIL III 5201[115] = Newton 198). Die Inschriften mit imp. XIX stammen alle aus dem ersten Halbjahr 78 (s. d.), doch wird man auch CIL X 3829[116] = Newton 181 imp. [XVII]II ergänzen müssen. Die 20. Begrüßung kann immerhin noch aus dem J. 78 datieren (s. dort ζ).

ζ) Bei einem Aufenthalt in Campanien hatte Vespasian einen leichten Fieberanfall. Er kehrte nach Rom zurück und ging dann zum gewohnten Sommeranfenthalt nach Aquae Cutiliae (vgl. Hülsen o. Bd. II S. 300). Er badete zu oft in dem kalten Wasser und zog sich dadurch eine Darmkrankheit zu. Vespasian verlor weder seinen trockenen Humor (Suet. 23f. Dio 17) noch seine Schaffensfreudigkeit; er besorgte die Regierungsgeschäfte weiter und fertigte liegend die Gesandten ab. Alvo repente usque ad defectionem soluta (so Suet. 24, ebenso profluvio ventris Hieron. chron., wozu πυρετοῖς Dio 17 stimmt, d. h. an den Folgen eines Fiebers; dieser erwähnt auch das [2674] leere Gerede einiger, zu denen der Kaiser Hadrian gehört, daß Titus seinem Vater Gift gegeben habe; vgl. u. S. 2716) fühlte er den Tod kommen; mit den Worten: ,Ein Kaiser muß stehend sterben‘ suchte er sich aufzurichten und brach in den Armen der ihn Stützenden tot zusammen. Er starb am 24. Juni 79, im 69. Lebensjahr, nach fast zehnjähriger Regierung (Suet. 24; vgl. Dio 17. Zonar. XI 17. Eutrop. VII 20. Aur. Vict. epit. 9, 17). Daß er im Mausoleum des Augustus beigesetzt wurde, ist wahrscheinlich; später wurde er in das Templum gentis Flaviae gebracht (s. o. S. 2582).

η) Daß er konsekriert wurde, bezeugen viele Inschriften (so noch aus dem J. 79 CIL X 6812[88] = Newton 112. CIL ΙII 6732 = Newton 148; vgl. CIG 3935 = Newton 107; anders Chambalu Philol. XLVIII 571; eine Dedikationsinschrift bei Barium in Apulien [D]ivo Vespasiano [patri] Domitiani Aug. Ephem. epigr. VIII 15 nr. 73 = Newton 211; ein templum Divi Vespasiani zu Cumae im J. 289 erwähnt: CIL X 3698[117] = Newton 210) und Münzen (so Cohen 205–208 vom J. 80) mit der Bezeichnung Divus und θεός; auf Restitutionsmünzen (nach Cohen p. 419 Gallienus zuzuschreiben) findet sich Divo VespasianoConsecratio (Cohen 651f.). Eine Wiederherstellung seines Andenkens durch Traian zeigen die Münzen Cohen 647–650. Die Ehrung durch die aedes Divi Vespasiani (CIL VI 938[118] = Newton 209 = Dessau 255), des Templum gentis Flaviae und die Sodales Flaviales s. o. S. 2582 und 2591.

IV. Übersicht über die Verwaltungsmaßregeln.

a) Allgemeines.

Aufgaben der Regierung. Wenn auch die Regierung Vespasians nur sehr lückenhaft vorliegt und sich namentlich die Entwicklung der Verwaltung unter ihm kaum feststellen läßt, so sind doch die Grundlinien, vor allem durch Sueton und Aurelius Victor (Caes. 9) erkennbar, und manches literarische und monumentale Material füllt einzelne Stellen des Bildes aus. Mit dem julisch-claudischen Hause war ein altes Aristokratengeschlecht von Herrschern ins Grab gesunken. Die Zeitläufe hoben einen Mann von plebeischer Herkunft (vgl. Mommsen St.-R. II 746), ohne Traditionen, aus ländlichen Verhältnissen, auf den Thron, einen nüchternen praktischen Mann, ohne Schwärmerei, mit Klugheit und hausbackenem Verstand. Das bewahrte seine Regierung vor jeder Überspannung in Zielen und Mitteln. Er war sich auch dessen gewiß bewußt, daß gegen ihn als Emporkömmling und Soldatenkaiser in den Kreisen der aristokratischen Familien eine latente Abneigung vorhanden war. Er suchte jedoch auch diese Kräfte nutzbar zu machen; so zeigte er möglichste Milde gegen die Vitellianer und suchte sie lieber zu biegen als zu brechen (Aur. Vict. Caes. 9, 2; Epit. 9, 5. Zonar. XI 17 – anders als Mucian, vgl. Tac. hist. IV 80). So brachte seine Regierung einen Ausgleich der Spannung, die Neros Autokratie erzeugt hatte.

Ein praktischer, kluger, die Spannung lösender, pflichttreuer Mann war damals gut zu brauchen. Rom war durch die Wirren und den Brand vom J. 69 ohne Ordnung. Die Hauptstadt mußte aus Trümmern auferstehen. Das Reich war ebenfalls desorganisiert: [2675] Italien war 69 mehrfach Kriegsschauplatz gewesen, im Osten war der Krieg mit einem zähen Volke noch zu beendigen, im Norden hatte der Abfall der Germanen und Gallier sogar einen Teil der Legionen angefressen, von kleineren Unruhen anderswo zu schweigen. Die Heeresteile waren meist aus ihren alten Provinzen losgelöst und umhergeschickt worden, hatten gekämpft um die Herrschaft und mußten fast des Glaubens sein, der Krieger gelte alles. Ebenso mußten die dezimierten oder degenerierten Kreise, aus denen die hohen Beamten hervorgingen, erneuert werden. Auch die Grundlagen und die Ausübung der Verwaltung, besonders des Finanzwesens, mußten bei den wechselnden Verhältnissen erschüttert sein.

Demnach galt es überall aufzubauen. Der Staat mußte dafür aber zuerst den Unterbau einer gefestigten Finanzwirtschaft erlangen: Aufgaben genug für die neue Regierung. Im ganzen ist aus aller Überlieferung zu erkennen, daß Vespasian die Aufgaben energisch, praktisch, mit Mäßigung und Ausdauer angriff und sich ihnen gewachsen zeigte. Der äußere Friede wurde zunächst hergestellt; sodann wurde der innere Friede und die Regierungsgewalt neu gefestigt (darauf gehen auch wohl die Münzen mit der Legende Aeternitas, Cohen 21ff. 24 [Augusti, J. 77/78]. 25 P. R. [J. 70]; securitas [Augusti Cohen 506ff.; P. R. 509]), die Monarchie weiter ausgearbeitet, Senat und Ritterschaft erneut, das Heer reformiert und in Zucht genommen; Rom blühte empor, in Italien und den Provinzen wurden neue Straßen angelegt, Kolonien gegründet, Bürgerrecht wurde verliehen, kurz das Reich gefestigt und ausgebaut. Die Regierung Vespasians bedeutet eine Fortführung der des Claudius (vgl. o. Bd. III S. 2817); diesen Kaiser hatte sich Vespasian ebenso zum Vorbild genommen (vgl. Asbach Kaisertum u. Verfassung 73) wie den Augustus (vgl. Nissen Rh. Mus. XLIX 279f.). Seine Regierung wurde als tüchtig, glücklich und als Reichsfestigung anerkannt (Tac. hist. II 97. Joseph. bell. Iud. VII 157; per totum imperium nihil habuit antiquius quam prope afflictam nutantemque rempublicam stabilire primo, deinde et ornare Suet. 8; incertum et quasi vagum imperium firmavit gens Flavia ebd. 1; exsanguem diu fessumque terrarum orbem brevi refecit Aur. Vict. Caes. 9, 1).

b) Die beiden höchsten Gewalten.

α) Der Kaiser und seine Umgebung. Vespasians Imperium war der Entstehung nach ein Soldatenkaisertum. Auf verschiedene Weise suchte er ihm größere Festigkeit zu geben. Die Annahme der Namen Caesar und Augustus, mit denen er auch das Erbe ihres Patrimoniums antrat (vgl. Hirschfeld Verwaltungsbeamte2 19), und die Anknüpfung an Galba (Tac. hist. IV 40, vgl. III 7) und Claudius (Suet. 9, 1; vgl. Kornemann Klio I 115) zeigt dieses Bestreben ebenso wie der dynastische Zug seiner Regierung. Mucian hatte das Imperium mit der Begründung abgelehnt, er sei kinderlos, Vespasian habe zwei Söhne, von denen der eine bereits der Regierung gewachsen sei. Bei Vespasians Erhebung wurden die Söhne Caesares (s. S. 2544. 2636. 2707). Vespasian betraute zunächst Domitian mit der Reichsverwaltung; als jener versagte und Titus zurückgekehrt [2676] war, machte er diesen zum Mitregenten (particeps und tutor imperii), vgl. u. S. 2708) zum Kollegen in der Censur, im Tribunat und in sieben Consulaten, ferner zum Praefectus praetorio (Suet. Tit. 6) und gewährte ihm das kaiserliche Vorrecht des Tragsessels (Μommsen St.-R. II 775). Auch Domitian zog er noch einigemale heran, zu sechs Consulaten, worunter ein ordentliches war (Suet. Dom. 2), und hob auch ihn durch Verleihung des Titels princeps iuventutis (auf der Münze mit Darstellung der Spes, Cohen 393; vgl. 394f. 538ff. vom J. 69, 534f. vom J. 70, vgl. S. 2544). Ferner verlieh er beiden Söhnen das Münzrecht (vgl. S. 2547. 2714). Die dynastische Einheit von Vespasian, Titus und Domitian erscheint auf Münzen, die Bilder des Vespasian und seiner Söhne aufweisen (Cohen 533ff.), ferner auf Inschriften, wo Domitian nach Vespasian und Titus genannt wird, z. B. CIL VI 932[23] = Newton 28 = Dessau 246. CIL III 11194ff.[33] = Newton 106. CIL VIII 10116.[83] 10119 = Newton 140. 139. CIL III 6993[106] = Newton 145 = Dessau 253. CIL VI 200[119] = Newton 175 = Dessau 6049. So arbeitete Vespasian, ermutigt durch die Sterne, an die er glaubte (s. o. S. 2634), auf eine Flavische Dynastie hin, und einmal erklärte er im Senat nach einem heftigen Angriffe des Führers der Opposition, Helvidius Priscus, nur seine Söhne würden ihm in der Regierung folgen (Suet. 25. Dio 12; eine andere Auffassung s. u. S. 2677).

Wie weit der persönliche Anteil Vespasians an den Verwaltungsmaßregeln ging, wie weit sie namentlich in der ersten Zeit und noch nach Vespasians Ankunft in Rom Mucians und dann des Titus Werk sind, ist nicht sicher zu entscheiden, vgl. Suet. 13: doch kann man bei der Arbeitskraft Vespasians, der noch in der Todesschwäche Gesandtschaften abfertigte (s. J. 79 ζ), annehmen, daß die Maßregeln im ganzen von ihm veranlaßt waren. Als Stütze der Dynastie erscheint Mucian noch einmal durch seine Scharfmacherei gegen die antimonarchische Opposition (s. beim J. 74 ζ).

β) Der Kaiser und der Senat. Vespasian suchte das Imperium ferner durch gute Beziehung zum Senat zu stützen, die er sofort anbahnte (vgl. Vespasians Mahnung an Vologaeses, Tac. hist. IV 51, die Schreiben an den Senat, IV 3) und die, da Vespasian faktisch die Macht besaß, vom Senat angenommen, durch die lex de imperio sanktioniert (Tac. hist. IV 3f.; vgl. beim J. 69 γ) und durch eine Huldigungsgesandtschaft an Vespasian erwidert wurden (ebd. IV 6; Marcellus sagt bezeichnend: ulteriora [die frühere Verfassung] mirari, praesentia sequi, bonos imperatores voto expetere, qualescumque tolerare). Der Senat hatte also nicht die Kraft, den Emporkömmling, dessen Vater noch nicht die senatorische Laufbahn betreten hatte, zurückzustoßen, und vertrug sich mit ihm. Das dokumentierte sich bald: der Senat konnte zwar noch die Delatoren aus seiner Mitte ausstoßen, doch Vespasian gestattete nicht die traditionelle Rache gegen die Ankläger (Tac. hist. IV 40–44; vgl. elanguimus, patres Tac. hist. IV 43; patres coeptatam libertatem, postquam obviam itum, omisere 44; vgl. Aur. Vict. Epit. 9, 5; Caes. 9, 2f.). Immerhin wird Vespasian vom Senat als adsertor [2677] libertatis publicae gefeiert (Cohen 518f. von den J. 70–74; vgl. Schiller Herm. XV 1880, 620. Mommsen Herm. XVI 1881, 147; zum Ausdruck vgl. o. Bd. I S. 422; libertas restituta Cohen 261 [J. 69?]. 262 [J. 71]. 263 [J. 72/73]; libertas publica 252ff.; libertas Augusti 251; vgl. noch Aequitas Augusti Cohen 1ff., Concordia Senatui Cohen 76 vom J. 71), gegenüber der Tyrannis des Nero (vgl. Tac. hist. IV 3. 8. Aur. Vict. Caes. 9, 2; beachtenswert ist das Schweigen über Nero in der Lex de imperio, Vespasians versteckter Tadel gegen ihn in der Rede über Plautius Silvanus, s. beim J. 73 δ), so wenig auch sein Regiment der libertas des Freistaats entsprochen hat: nicht alle täuschten sich darüber (imperatoribus ... quamvis egregiis modum libertatis placere Tac. hist. IV 8).

Eine Partei aber zeigte Opposition: der doktrinäre Stoiker Helvidius Priscus nahm sie sofort auf (Tac. hist. IV 4. 8; vgl. J. 74 ζ; die Worte Vespasians Suet. 25: aut filios sibi successuros aut neminem enthalten nach Ranke den Glauben, daß doch noch die Republik wieder kommen könne; es wird eher eine emphatische Behauptung sein, daß nur seine Söhne ihn ablösen würden). Von den angeblich zahlreichen Verschwörungen gegen Vespasian (Suet. 25) ist nur die des Marcellus und Alienus näher bekannt (s. J. 79 δ). Doch hatte Vespasian in der Censur (s. J. 73 β, 74 ε) ein Mittel, die Reihen der ihm ergebenen Senatoren zu vermehren. Schon zu Beginn der Regierung hatte er Parteigänger, um sie zu belohnen, zu Senatoren gemacht (Tac. hist. II 82. III 52). Er steigerte als Censor das Ansehen, aber auch die Abhängigkeit des Senats, indem er ihn einerseits reinigte, andererseits ihm frische Kräfte zuführte durch adlectio verdienter Männer aus Italien und den Provinzen, ein Verfahren, das ihm durch sein eigenes Emporkommen nahe lag und von dem er mit Recht eine sittliche Regeneration erwartete (vgl. Tac. ann. III 55). Manche erhob er auch ins Patriciat (s. J. 74 ε. Suet. 9. Plin. n. h. V 12. Aur. Vict. Caes. 9, 9; vgl. Herzog II 297. Hirschfeld Verwaltungsbeamte 415, 2; eine Zurückweisung der Ehre Plin. ep. I 14, 5). Eine Stärkung des Imperiums gegenüber dem Senat bedeutete auch die häufige Annahme des eponymen Consulats, der höchsten Magistratur; dazu wurde fast immer ein Sohn als Kollege hinzugezogen, während zugleich die Bedeutung der übrigen Consulate durch die Verkürzung der Dauer auf anscheinend vier Monate herabgemindert wurde. So lag die Leitung des Senats in seiner Hand (vgl. Herzog II 288ff. 827ff. Asbach Kaisertum und Verfassung 64; Bonn. Jahrb. LXXIX 129ff.). Schroff hat sich Vespasian gegen den Senat nicht gezeigt. Er empfing Senatoren, erschien immer im Senat und zog ihn in allem zu Rate (Dio 10; vgl. S. P. Q. R. adsertori libertatis publicae Cohen 518f.). Dürftigen Senatoren gab er, was ihnen am Census fehlte (Suet. 17). Doch nicht überall setzte der Senat seine Wünsche durch: Vespasian gestattete nicht die Abrechnung des Senats mit den Delatoren aus Neros Zeit (s. o.); er vermehrte in der Verwaltung die Stellen der Ritter und Freigelassenen (s. u. S. 2679). Doch war der Gardepraefect unter Vespasian senatorisch (Tac. hist. IV 68; vgl. [2678] Hirschfeld Verwaltungsbeamte 476, 1). In der Verwaltung des Ärars wagte der Senat nicht, Maßregeln zu treffen ohne Vespasian (Tac. hist. IV 9). Dem Senatorenstand gebührte nach Vespasians Denkweise kein Vorrecht gegenüber dem Ritterstande (Suet. 9). Die ornamenta triumphalia verlieh der Senat spontan an Mucian (s. J. 69 γ, Tac. hist. IV 4), an Pinarius Clemens (J. 74 η, CIL XI 5271[64] = Newton 24 = Dessau 997), ohne daß Vespasian genannt wird, an Plautius Silvanus dagegen auctore Vespasiano (CIL XIV 3608[37] = Newton 260 = Dessau 986; vgl. J. 73 δ. Mommsen St.-R. II 799).

c) Die andern Stände.

α) Auch den Ritterstand musterte Vespasian als Censor (Suet. 9. Aur. Vict. Caes. 9, 9; Vespasian hat den ,Ritterstand nach seinen Bestandteilen übersehen und nach seiner Brauchbarkeit für die Verwaltung geprüft‘ Herzog II 295) und gab ihm frisches Blut; so wurde der Vater des Claudius Etruscus unter die Ritter aufgenommen (Stat. silv. III 3, 145; vgl. o. Bd. III S. 2671); einem Freigelassenen des Vespasian, Hormus, wurde Anfang 70 die Ritterwürde gegeben (Tac. hist. IV 39; vgl. III 12; vgl. auch C. Caesius Aper o. Bd. III 1312 Nr. 15). Auch den Rittern gestattete Vespasian den Zutritt zum Hofe, indem er ihnen das Tragen des goldenen Ringes mit Kaiserbildnis, des bis dahin üblichen Kontrollzeichens, gestattete (vgl. o. Bd. III S. 2819. Mommsen St.-R. II 781f.).

β) Auch auf die Bürger erstreckte sich die Censur; es wurden Listen im ganzen Reich aufgestellt, um eine Übersicht wegen der beabsichtigten Ausdehnung des Bürgerrechts zu haben (ein mit dem Bürgerrecht Beschenkter zu Isaura CIL III 6785[120] = Newton 71 = Dessau 1979; vgl. noch die Militärdiplome CIL III p. 849ff.[12] 1959 = Newton 30ff. = Dessau 1989ff.; unten IV e γ). Spanien erhielt das ius Latii (s. o. beim J. 74 δ. 77 η und S. 2681). Auch anderswo wurde vielfach die Latinität als Vorstufe des Bürgerrechts verliehen (vgl. J. 74 θ. Mommsen Herm. XVI 467ff.).

d) Die Beamten.

α) Senatorische. Etwas Außerordentliches stellt ein Consulwechsel am 13. Januar dar, im J. 74, offenbar eine besondere Ehrung des Plautius Silvanus, wobei der eine der Consules ordinarii, Vespasian, zurücktrat, der andere, Titus, weiter amtierte; die Absicht der Ehrung erhellt daraus, daß allem Anschein nach derselbe frühe Wechsel im Interesse Domitians, aber nur bei ihm, eintrat: er war Suffectus im J. 75, 76 und 79, als Vespasian dem zweiten Sohne, 77, als ihm Titus Platz machte. Zweimonatliche Consulate sind nur im J. 71 nachweisbar, wo statt Vespasian und Nerva am 5. April Domitian und Cn. Pedius Cascus amtierte; jener hatte am 25. Juni Calpetanus Rantius zum Kollegen; am 20. Juli waren beide wieder ersetzt. Ob im J. 74 die im Mai bezeugten Consuln am 1. Juli abgelöst wurden, erscheint sehr fraglich (vgl. Asbach Bonn. Jahrb. LXXIX 131f. Mommsen St.-R. II 78). Vier Monate dauerte sicher das ordentliche Consulat von 78 (vgl. die beim J. 78 δ zitierte Konstitution vom 15. April); bis zu vier Monaten können alle übrigen Consulate der Regierungszeit Vespasians dauern; aber länger waren die ordentlichen der J. 70, 72, 73, 75 nicht (vgl. Mommsen St.-R. II 78f. [2679] Herzog II 289. 827. Asbach a. a. O. bes. 129ff., o. Bd. IV S. 1128).

Die praetores aerarii hatten, wie von Augustus bis Claudius (o. Bd. III S. 2823), wenigstens zu Anfang der Regierung wieder die Verwaltung des Aerars (Tac. hist. IV 9; vgl. Herzog II 837; o. Bd. I S. 671).

β) Kaiserliche. Das kaiserliche Beamtentum der Ritter und Freigelassenen gewinnt auch unter Vespasian größere Ausdehnung (vgl. Hirschfeld Verwaltungsbeamte 475f.). Bald nach seiner Erhebung verteilte er Praefecten- und Procuratorenstellungen an seine Anhänger (Tac. hist. II 82). Die Übertragung der Erneuerung des Capitols an den Ritter L. Vestinus bedeutete eine Neuerung, da bisher Senatoren zu solchen Aufgaben herangezogen wurden (Tac. hist. IV 53; vgl. Hirschfeld a. a. O. 266). Etwas Ungewöhnliches war auch die Verleihung der Abzeichen der Praetur an den Praefectus praetorio Arrius Varus (Tac. hist. IV 4. Hirschfeld a. a. O. 450, 4). Diese Stelle gab er auch einem Senator, ja sogar Titus, (s. o. S. 2676). Vespasian ernannte nur einen Praefectus praetorio, während sonst die Kollegialität gebräuchlich war (vgl. Mommsen St.-R. II 808; o. Bd. III S. 2823). Einem Procurator scheint Vespasian die Verwaltung des zur Tarraconensis gehörigen Asturia und Gallaecia gegeben zu haben (CIL II 2477[109] = Newton 138, s. beim J. 79 β; vgl. Hirschfeld 377; v. Domaszewski Rh. Mus. XLV 1890, 10 hält ihn für einen Finanzprocurator). Vielleicht richtete Vespasian den Hellespont als procuratorische Provinz ein (vgl. Hirschfeld 372), ebenso Sardinien (s. beim J. 72 β, vgl. Hirschfeld 373).

Es wurde auch für den neuen Fiscus Iudaicus (s. u. S. 2686) ein procurator ad capitularia Ιudaeorum wahrscheinlich schon von Vespasian eingesetzt (CIL VI 8604[121] = Newton 22 = Dessau 1519. Hirschfeld 73). Bei den Zöllen übte der Fiskus sein Aufsichtsrecht und wohl auch die Abrechnung, sicher seit dem trefflichen Finanzmann Vespasian, dem Sohne eines Zollpächters, durch kaiserliche Freigelassene und Sklaven aus, die in den Zentralbureaus und auch neben den Angestellten der Pächter auf den Zollstationen tätig gewesen sind. Vgl. Hirschfeld 83, der weiter hinweist auf [T. Fl]avius [Aug.] l. Alypus [tabul(arius)] XI Gal(l)i(cae) (CIL V 7209)[122] und einen Aug. ser(vum) IIII p(ublici sc. portorii) A(fricae) aus Flavischer Zeit (CIL VIII 12656).[123]

Die Stelle eines Procurators, der bis dahin an der Spitze eines Zentralbureaus für diese Zölle stand, ging wahrscheinlich damals mit dem Bureau ein (Hirschfeld 91). Vielleicht wurden auch damals (abgesehen von Ägypten) Procuratoren zur Kontrolle der Bergwerke angestellt (Hirschfeld 175). T. Flavius Aug. lib. Delphicus, procurator fisci Alexandrini (Dessau 1518) hat (nach Ruggieros Ansicht) den von Vespasian begründeten Fiscus Alexandrinus in Ägypten vertreten (s. darüber Hirschfeld 370ff. und u. S. 2686).

Die unter Claudius allmächtigen Hofämter sind unter Vespasian zu keiner Bedeutung gelangt (ein T. Flavius Aug. lib. Euschemon, qui fuit ab epistulis, wird erwähnt CIL VI 8604[121] = Newton 22 = Dessau 1519. XIV 2840; vgl. Hirschfeld 320). Titus diktierte die Briefe [2680] und faßte die Edikte ab (Suet. Tit. 6). Bei der Besetzung der Stellen wurde auch bei Vespasian durch käufliche Empfehlung, so von seiten der Caenis, Mißbrauch getrieben (Dio 14, vgl. Suet. 23. Hirschfeld 443, 5).

e) Das Reich.

α) Rom. Die Fürsorge für die Hauptstadt, die, noch nicht erholt vom Neronischen Brande, die Dezembertage 69 über sich hatte ergehen lassen (die Stadt deformis veteribus incendiis ac ruinis Suet. 8), mußte sich zunächst in einer Art Neugründung äußern. Auch das Anwachsen der Stadt, das seit Augustus Zeit gewiß bedeutend war, erforderte eine Neuordnung. Das war einer der ersten und wichtigsten Punkte des Verwaltungsprogramms, wie auch Münzen aus den ersten Jahren mit der Aufschrift Roma resurge(n)s andeuten (Cohen 424–427: Vespasian reicht der knieenden Roma die Hand, aus den Jahren 70–73). Die Censur brachte mit der Stadtvermessung die Durchführung der neuen Gestaltung (vgl. Plin. n. h. III 65–67 und Vespasian conservator caerimoniarum publicarum et restitutor aedium sacrarum CIL VI 944[124] = Newton 10 = Dessau 264, s. beim J. 73 γ) und die Erweiterung des Pomeriums (s. J. 75 ε; vgl. besonders Nissen Rh. Mus. XLIX 1894, 275ff.; über Vespasians Bautätigkeit vgl. unten S. 2688f.). Die Sorge für Rom zeigte sich auch in der Getreideversorgung: die Kornzufuhr aus Ägypten wurde geregelt (Tac. hist. IV 52, vgl. Hirschfeld Verwaltungsbeamte 230ff.; Münzen mit Annona Aug. Cohen 27ff.; der Empfang des Getreides durch die plebs urbana vielleicht unter Vespasian bezeugt durch CIL VI 3747[125] = Newton 72 [die Schreibung plebs hindert nicht die Datierung in Vespasians Zeit, vgl. CIL VI 943[126] = Newton 73 = Dessau 6045]; ein Congiarium gab er [Chron. v. 354 = Chron. min. I 146 Mommsen]; zwei horrearii, die genio horreorum im J. 75 ein Weihgeschenk machen CIL VI 285[127] = Newton 74 = Dessau 3663; horrea Vespasiani erwähnt der Chronograph vom J. 354 a. a. O. unter Domitian).

β) Italien. Vespasian, der selbst aus einer italischen Landschaft stammte, hinterließ auch außerhalb Roms Spuren seiner Fürsorge; so die Bauinschriften von Straßen und einem durch Erdbeben zerstörten Tempel zu Herculanum (s. Bauten u. S. 2690). Der Gemeinde von Puteoli, die 69/70 treu zu ihm gehalten hatte, dankte er, indem er ihr den südlichen Teil der kampanischen Gemarkung gab (Beloch Campanien 92. Liebenam Städteverwaltung 10). Die Gemeinde von Pompei bekam auf seine Veranlassung loca publica a privatis possessa wieder zugewiesen (CIL X 1018[78] = Newton 76 = Dessau 5942). Ebenso stellte er den Besitz des Tempels der Diana Tifatina zu Capua wieder her (s. beim J. 77 γ). Verdienstvolle Männer aus Italien berief er als Censor in den Senat (s. J. 74 ε). Die Censuslisten des J. 74 waren für Italien nach Regionen und innerhalb der Regionen nach Gemeinden geordnet (Plin. n. h. VII 162–164, vgl. J. 74 γ). Senat und Volk von Aricia in Latium setzten Vespasian im J. 71 eine Ehreninschrift (CIL XIV 4191[10] = Newton 178), von Caere im J. 72 oder 73 (CIL XI 3605[30] = Newton 183 = Dessau 247). Nach seiner Geburtsstadt [2681] Reate wurden Veteranen aus Praetorianercohorten und aus den Legionen VIII Augusta und IX geschickt (s. J. 71 θ). Veteranen aus der Flotte von Misenum kamen nach Paestum (CIL III p. 1959[17] = Dessau 1990 = Newton 31). Andere Deduktionen von Kolonien zur Versorgung von Veteranen aus jener Zeit: Sinuessa heißt colonia Flavia (CIL X 4735,[128] vgl. Mommsen ebd. p. 463f.); nach Bovianum Undecimanorum fand eine zweite Deduktion statt (die erste wahrscheinlich unter dem zweiten Triumvirat; vgl. Kornemann o. Bd. IV S. 524. 538).

γ) Provinzen. Vespasian hatte viele Provinzen persönlich kennen gelernt: Germanien, Britannien, Africa, Achaia, Iudaea, Ägypten. Dies wird seine organisatorische Tätigkeit als Kaiser gestützt und gefördert haben (seine Verdienste um Bau von Städten und Straßen s. u. S. 2690).

Sardinien war im J. 67 von Nero an den Senat abgegeben worden, der dem Kaiser dafür Achaia abtrat. Als Vespasian Achaia und Makedonien dem Senat zurückgab, wurde Sardinien wieder procuratorische Provinz. Im J. 70 ist es noch proconsularisch (die Ansicht Mommsens [CIL X p. 777],[129] es sei von 67 bis Commodus dem Senat verblieben, wird berichtigt durch die Inschriften; s. beim J. 72 β, 74 ι: es wird 74 ein proc. et praef. Sardiniae erwähnt, ebenso noch bei Dessau 5350 vom J. 83; vgl. Marquardt Staatsverw. I2 249. Hirschfeld Verwaltungsbeamte 373, 4). Die Nennung der Tribus Quirina auf sardinischen Inschriften (ebenso auf den Balearen und Malta) weist auf Verleihung des Bürgerrechts durch Vespasian (Mommsen Ephem. epigr. III p. 233).

Spanien hatte sich der besonderen Fürsorge Vespasians zu erfreuen, wahrscheinlich wegen des schnellen Anschlusses bei seiner Erhebung. Im Zusammenhang mit seinem Censorenamt (vgl. Divo Caesari Aug. Vespasiano censori municipium Muniguense d. d. CIL II 1049[50] = Newton 52; Divo T. divi f. Caesari Aug. censori municipium Muniguense d. d. CIL II 1050[130] = Newton 53) gewährte er dem Lande wahrscheinlich im J. 74 das ius Latii und einzelnen das Bürgerrecht (s. beim J. 74 δ und 77 η), wobei er sie in seine Tribus, die Quirina, aufnahm. Kolonie wurde unter den Flaviern Amanum Portus = Flaviobriga (s. Kornemann o. Bd. IV S. 542 und 77 η; Verzeichnis der municipia Flavia s. CIL II Indices. Kubitschek Imp. Rom. tributim discript. 169; vgl. Mommsen Ephem. epigr. III p. 233. Schiller 514). Die Verleihung von Stadtrechten wird Vespasian begonnen haben, aber erst Domitian führte sie durch (s. o. S. 2554). Ein Teil der Tarraconensis, Asturia und Gallaecia, war anscheinend unter Vespasian procuratorisch verwaltet (s. S. 2679).

Die Gemeinde der Helvetier erhielt wahrscheinlich von Vespasian die Ehre, daß Aventicum als Vorort Titularkolonie wurde (o. Bd. IV S. 543f.; vielleicht im J. 74, s. dort θ), ebenso Forum Segusiavorum (CIL XIII 1[131] p. 221) und colonia Flavia Nemetum (CIL XIII 2[67] p. 161). Daß Vespasian dem nicht von Claudius, sondern von Vitellius zur Titularkolonie erhobenen Trier wieder die Freiheit nahm, vermutet Kornemann (Westd. Ztschr. XXII 1903, 183). Zwischen den Alpes Poeninae und dem Gebiet von Vienne wurde [2682] die Grenze von Pinarius Clemens geregelt (s. beim J. 74 θ). Das obere Neckargebiet wurde erobert (J. 74 η). Die Bataver behielten ihre Ausnahmestellung (Tac. Germ. 29, vgl. J. 70 β).

Britannien kannte Vespasian von seiner Tätigkeit im Feldzug des Claudius (s. o. S. 2628). Es hat den Anschein, daß er, durch diese Sachkenntnis veranlaßt, die Sicherung und Ausdehnung des römischen Gebiets eifrig betrieb. In Cerealis, Frontinus und Agricola sandte er tüchtige Leute hin, die Erfolge errangen, wobei die Eroberung der von Suetonius Paulinus aufgegegebenen Insel Mona wichtig war (s. beim J. 71 ι, 76 ζ, 78 ε).

In Pannonien gehen Städteanlagen, die Ausgangspunkte für die Romanisierung wurden, auf Vespasian (oder seine Söhne) zurück: in Pannonia inferior Colonia Flavia Sirmium (Mitrovic; vgl. Kornemann o. Bd. IV S. 546); in Pannonia superior wurde das von Augustus eroberte Siscia (Sziszek) Kolonie (Mommsen CIL III p. 501.[132] Kornemann o. Bd. IV S. 546 vgl. 529). Veteranen der ravennatischen Flotte wurden in Pannonien angesiedelt (CIL III p. 850[7] = Dessau 1991 = Newton 32). Zu Carnuntum wurde das Lager neu erbaut oder erweitert (s. zum J. 73 γ); die Lager an der Drau scheint Vespasian aufgehoben und nach Carnuntum und Vindobonna verlegt zu haben (Mommsen R. G. V 188. 200). Über Dacien und das Municipium Flavium Drobeta (CIL III 8017)[133] vgl. Brandis o. Bd. IV S. 1964f.

Auch in der Provinz Dalmatien führen mehrere Municipien den Beinamen Flavium, weisen also auf Vespasian oder seine Söhne hin, darunter Scardona, die Hauptstadt von Liburnien (CIL III 1802.[134] Marquardt St.-V. I2 301, 3). Die Legionen nahm Vespasian aus Dalmatien weg nach Moesien (vgl. Mommsen R. G. V 185. 200). Auf die Flavier, vielleicht auf Vespasian, geht in Moesien die Veteranenkolonie Scupi zurück (s. Kornemann o. Bd. IV S. 547); vgl. noch v. Premerstein Österr. Jahresh. I 1898 Beibl. 165ff.

Die Stelle bei Suet. 8 (Eutrop. VII 19. Hieron. Euseb. chron. p. 159. Aur. Vict. epit. 9) läßt die Provinz Thracien von Vespasian gegründet werden: doch ist die Provinz älter, die Lesart falsch (s. Marquardt St.-V. I2 313, 8; über die späte und irrige Nachricht, daß Vespasian Thracien zu Asien gezogen haben soll, ebd. 314, 1). Doch gründete Vespasian dort neue Städte: die Kolonien Develtus und Flaviopolis (Plin. n. h. IV 47) und wahrscheinlich noch Oleicitos (Marquardt St.-V. I2 315. Kornemann o. Bd. IV S. 550).

Das von Nero mit der ,Freiheit‘ beschenkte Achaia wurde unter Vespasian wieder senatorische Provinz. Vielleicht wurde bei derselben Gelegenheit Thessalien zu Makedonien geschlagen, und Epirus eine procuratorische Provinz (s. zum J. 73 ε).

Ähnlich wurde den Inselstädten Rhodos und Samos ihr Freiheitsverhältnis, das für Rhodos erst von Nero konstituiert war, genommen (Suet. 8. Eutrop. VII 19. Euseb. chron. p. 159 zum J. Abr. 2090; vgl. Marquardt St.-V. I2 348f.). Das gab Veranlassung zu der späteren Nachricht, daß die unter Diocletian bestehende insularum provincia unter Vespasian geschaffen sei (Sex. [2683] Rufus brev. 10), während diese Inseln von Vespasian wahrscheinlich zur Provinz Asia geschlagen wurden (vgl. Marquardt a. a. O.).

Der Hellespont wurde anscheinend unter den Flaviern vorübergehend als procuratorische Provinz verwaltet; vielleicht geht die Einrichtung auf Vespasian zurück (Hirschfeld Verw.2 372).

Den Osten des Reiches kannte Vespasian selbst. Hier hat er besonders viele Veränderungen in Bezug auf Verwaltungsbezirke und Garnisonen getroffen. Kappadokien bekam unter Vespasian anstatt eines Procurators einen consularischen Legaten und Legionen zur Abwehr der andauernden Einfälle der Nachbarvölker (Suet. 8; vgl. Tac. hist. II 81. Oros VII 9, 10. Eutrop. VII 19, 4. Mommsen CIL III p. 46),[135] d. h. es wurde mit Galatien unter einem consularischen Legaten vereinigt und ihm wurde ein legatus Aug. provinciae Cappadociae unterstellt, der auch die Legionen befehligte (v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 1893, 245ff. Marquardt St.-V. I2 362, 4, berichtigt durch CIL III p. 6818;[136] vgl. noch Dessau Prosop. III 65 nr. 458. II 144 nr. 129). Armenia minor erscheint im J. 75 als Teil dieses Provinzkomplexes (CIL III 306[81] add. p. 975 = Newton 147; vgl. Mommsen R. G. V 299, 1). Daß sich der römische Einfluß unter Vespasian bis nach Iberien erstreckte, zeigt der Bau einer Festung für den König Mithridates im J. 75 (s. d. η, vgl. Rostowzew Klio II 1902, 817; dort ist 87, 1 auch eine pontische Inschrift zitiert, die Vespasian κύριος τοῦ παντὸς Βοοσπόρου nennt).

Auch die Begründung der Provinz Lykien-Pamphylien geht auf Vespasian zurück (Suet. 8. Eutrop. VII 19. Euseb. chron. p. 159 Schoene zum J. Abr. 2090 = Oktober 73–September 74. Marquardt I2 376). Über Bauten Vespasians in Lykien vgl. Liebenam Städteverwaltung 172.

Cilicia trachea (so bei Suet. 8 statt Thraciam Galliciam zu lesen; Marquardt St.-V. I2 313, 8) wurde dem seit Caligula bezw. Claudius dort herrschenden Antiochos IV. von Kommagene entzogen und zur Provinz Syrien hinzugefügt (s. beim J. 72 γ); ebenso ein Gebirgsbezirk mit der Stadt Flaviopolis, die ihren Namen von Vespasian hat und ihre Aera seit 73/4 zählt (Marquardt St.-V. I2 386; o. Bd. I S. 646). Kommagene wurde im J. 72 dem König Antiochos IV. gewaltsam abgenommen und zur Provinz Syrien gezogen (s. beim J. 72 γ), bei welcher Gelegenheit die Hauptstadt Samosata Flavia zubenannt wurde und eine neue Aera begann (o. Bd. I S. 646f.). Diese Eroberung gab vielleicht den Anlaß zu einer Feindschaft gegen die Parther, an die sich Antiochos anscheinend anschließen wollte (Joseph. bell. VII 219ff.); diese Spannung entlud sich in einem für Vespasian siegreichen Krieg im J. 76 (s. d. ε). Nach der Inschrift CIL III 170[137] = Newton 275 ehrte Vespasian Berytus in Syrien durch Übernahme eines municipalen Ehrenamtes, für das er dem Brauch gemäß einen Praefecten ernannte (Liebenam Städteverwaltung 261f.). Auch Emesa wurde, wie es scheint, damals mit Syrien vereint (Marquardt I2 404).

Als Besatzung wurde die Legio XII fulminata schon im J. 70 von Syrien nach Melitene gelegt (Joseph. bell. VII 18. Marquardt St.-V. I² 369f.); von einer zweiten damals dorthin verlegten [2684] Legion ist nichts bekannt: es ist möglich, daß die von Vespasian neu gebildete XVI Flavia Firma dorthin kam (Pfitzner Kaiserlegionen 184; vgl. Mommsen CIL III p. 550).[138] Die XV Apollinaris von Pannonien kam erst unter Traian dorthin (vgl. o. Bd. III S. 1603. Marquardt St.-V. I2 370).

Judaea, das in Vespasian im J. 66 einen eigenen kaiserlichen Legaten erhalten hatte, blieb auch nach Beendigung des Krieges von Syrien getrennt, verwaltet von einem kaiserlichen Legaten, dem eine Legion, die X Fretensis, unterstellt war; ein Procurator war ihm untergeben (Marquardt I² 419. Schürer I 539f.). Das Land wurde für die Staatskasse verpachtet; die Juden mußten die zwei Drachmen betragende Tempel-Kopfsteuer von jetzt an an den capitolinischen Iuppiter zahlen (s. beim J. 71 η). In Emmaus (Nikopolis?) siedelte Vespasian 800 Veteranen an (J. 71 η); Caesarea wurde Kolonie: colonia Prima Flavia Augusta Caesarea, und bekam Befreiung vom Tributum capitis (vgl. Kornemann o. Bd. IV S. 552. 579). Der König Agrippa erhielt nach dem jüdischen Kriege eine Vermehrung seines Gebietes (Phot. bibl. cod. 33 aus Iustus von Tiberias; vgl. Prosop. II 163 nr. 89. Schürer I 498, 34).

Die Kornzufuhr von Ägypten nach Rom wurde neu geregelt (Tac. hist. IV 52; vgl. Hirschfeld Verwaltungsb.2 230ff. u. o. S. 2680). Über Alexandriens Behandlung vgl. o. J. 70 ε. Ob der Fiscus Alexandrinus von Vespasian begründet wurde und die Kopfsteuer einnahm oder für die Getreidelieferung diente, ist nicht sicher (vgl. Hirschfeld a. a. O. 369f).

Im proconsularischen Africa geht die colonia Flavia Augusta Emerita Ammaedara auf die Flavier zurück (s. Kornemann o. Bd. IV S. 554). Während die beiden Mauretanien unter Galba von einem Procurator verwaltet wurden (Tac. hist. II 58), stand ihnen unter Vespasian ein Legatus pro praetore vor (CIL IX 4194[139] = Newton 251; vgl. Dessau Prosop. III 199 nr. 291. Hirschfeld a. a. O. 391, 1).

f) Rechtswesen.

Unter Vespasian war der Proculeianer Pegasus Praefectus urbi (Dig. I 2, 2, 53. Iuv. IV 77 u. Schol.) und Consul suffectus (Inst. II 23, 5. Gai. I 31. II 254; vgl. Prosop. III 21 nr. 164); der Sabinianer Cn. Arulenus Caelius Sabinus (Klebs Prosop. I 156 nr. 982, s. o. Bd. II S. 1490) soll großen Einfluß gehabt haben (Dig. I 2, 2, 53).

In der Rechtspflege suchte Vespasian zunächst geordnete Zustände zu schaffen: so ließ er die beim Capitolbrand zerstörten öffentlichen auf Bronze aufgezeichneten Urkunden, an 3000, nach Abschriften erneuern (Tac. hist. IV 40. Suet. 8). Er sorgte für die Aufarbeitung der rückständigen Prozesse, die sich infolge der Unruhen durch den mehrfachen Stillstand der Justiz und der Vermehrung durch neue Klagen angehäuft hatten. Es waren Eigentumsklagen, die er durch eine außerordentliche Richterkommission entscheiden ließ (Suet. 10). Er ließ den Privaten widerrechtlich okkupierte Plätze abnehmen (s. S. 2688; über die Einziehung der widerrechtlich okkupierten subseciva s. S. 2686) und gab umgekehrt herrenlose Bauplätze zum Bebauen frei (Aur. Vict. Epit. 9, 8). Hierbei sei erwähnt sein [2685] Verbot negotiandi causa aedificia demoliri et marmora detrahere (Cod. Iust. VIII 10, 2): es ist die Einschärfung eines früheren SC und seine Ausdehnung auf Bauornamente (so Karlowa I 648). Er sprach selbst öfters auf dem Forum Recht (Dio 10). Die Majestätsprozesse stellte er ab (Dio 9). Seine Gesetze werden als weise und gerecht gerühmt (Aur. Vict. Caes. 9, 5; epit. 9, 6). Abgesehen von dem SC de imperio (s. o. J. 69 γ und S. 2676) und der Begründung von Kolonien, der Konstitution von Provinzen, der Verleihung von latinischem und Vollbürgerrecht an Gemeinden wie an einzelne Personen (s. o. S. 2681ff. und die Zusammenstellung bei Haenel Corpus legum), den Constitutiones de civitate et conubio an Soldaten und Veteranen (CIL III 849ff.[12] 1959ff.) und den beiden Reskripten, an die Vanaciner auf Korsika zur Schlichtung eines Grenzstreits und zur Bestätigung von Privilegien (s. zum J. 72 β) und an die Saborenser in Spanien über den Neubau ihrer Stadt und neue Gemeindesteuern (s. zum J. 77 ζ), sind folgende Gesetze aus seiner Regierungszeit bekannt, die privatrechtliche Neuerungen, meist zur Hebung der Sitten, enthalten: Das Senatusconsultum Macedonianum gegen Darlehen an filii familias: ihnen von Wucherern vorgeschossenes Geld darf nicht, auch nicht nach der Väter Tod, eingefordert werden (Dig. XIV 6, 1. Suet. 11. Bruns Fontes5 p. 183 nr. 20; vgl. P. Krüger Gesch. d. Quellen und Lit. d. Röm. Rechts 85.: Karlowa Römische Rechtsgeschichte I 997ff.). Das Senatusconsultum Pegasianum und Plancianum über Fideikommisse und Erbschaften, wodurch die Gefahr vermindert wurde, daß der fiduciarische Erbe das Erbschaftsfideikommiß ausschlug (Gai. II 258f. Paul IV 3. 4. Schiller 516); vgl. Dig. XLVIII 2, 2, 1: de patris testatamento pupillis agere Divus Vespasianus permisit; vielleicht auch noch zwei andere ebenso benannte über causae probatio (Gai. I 31. Ulp. III 4) und gegen die Unterschiebung und Vernachlässigung des neugeborenen Kindes bei der Schwangerschaft Geschiedener (Dig. XXV 3, 1, 1ff.). In Bezug auf die Ehegesetzgebung ließ Vespasian vom Senat beschließen, daß jede, die einen fremden Sklaven heirate, selbst als Sklavin anzusehen sei (Suet. 11). Über die Stellung der freigeborenen, ausgesetzten, von Bürgern aufgenommenen und als Sklaven erzogenen Kinder hat Vespasian vielleicht eine Epistula an die Lakedaimonier erlassen (Plin. ad Trai. 65, 3, vgl. 66). Spätestens seit Vespasian haben die Kaiser das ius trium liberorum unter Ausschluß des Senats in Anspruch genommen (vgl. Krüger Gesch. d. Quellen u. Lit. d. Röm. Rechts 101).

g) Finanzwesen.

Vespasian fand beim Regierungsantritt Aerar und Fiscus leer vor (Tac. hist. IV 9. Suet. 16. Aur. Vict. Caes. 9, 6; epit. 9, 7). Diese Verarmung des Staates war durch die verschwenderischen Ausgaben und unproduktiven Anlagen seitens seiner Vorgänger und durch die mit den Thronstreitigkeiten naturgemäß einreißende Unordnung herbeigeführt worden. Aber die Ansprüche an die Staatskasse wuchsen sogar, und gerade die notwendige Neuordnung der Reichsverwaltnng erforderte schleunige und durchgreifende Beseitigung des Notstandes (aerarii fiscique inopia Suet. 16). Vespasian schätzte zu Anfang [2686] der Regierung den Bedarf des Reiches auf 40 Milliarden Sesterzien, also über 8 Milliarden Mark (Suet. 16; vgl. darüber Herzog II 296, 2). Bei der Erschließung neuer Einnahmequellen konnte Vespasian das Finanztalent seiner Familie entfalten; dabei wirkte noch Mucian als eifriger und skrupelloser Meister vorbildlich (Dio 2. Tac. hist. II 84). Die außerordentliche Lage erforderte ein entsprechendes Mittel; statt zur Gesetzgebung und Verordnung griff Vespasian zur Censur. Census und Bürgerzählung sollten wahrscheinlich die Grundlage für die finanzielle Neuordnung bieten (vgl. o. J. 73 β, 74 γ. Marquardt-v. Domaszewski St.-V. II2 218).

Ohne daß im einzelnen der Verlauf seiner Operationen bekannt ist, stellt der Erfolg seine Tätigkeit in glänzendes Licht: die außerordentliche Steigerung der Staatseinnahmen wurde erreicht (Suet. Aur. Vict. a. a. O. Dio 2. 8. Zonar. XI 17). Die von Galba abgeschafften Steuern wurden wieder eingeführt und gesteigert; die Abgaben einiger Provinzen sollen sogar verdoppelt worden sein (Suet. 16, vgl. J. 70 ε). Er zog viel Geld aus dem Verkauf von Landschnitzeln (subseciva), die bei der Anlage von Kolonien von nicht Berechtigten okkupiert worden waren (Frontin. Röm. Feldmesser I p. 54. Hygin. ebd. I p. 133). Die von den Juden bisher an den Jerusalemer Tempel gezahlte Kopfsteuer von zwei Drachmen wandte er dem capitolinischen Iuppiter zu (vgl. J. 71 η und Mommsen bei Hirschfeld Verwalt.2 73. Wessely Studien zu Paläogr. u. Papyruskunde I 1901). Erweckte schon seine Steuer und das nicht näher bekannte vectigal urinae (Suet. 23. Dio 14, vgl. Marquardt-v. Domaszewski Staatsverw. II2 282) den Widerstand des Titus und den Spott der Menschen, sowie seine Spekulationen und sein Zwischenhandel Entrüstung (Suet. 16), so brachten ihm andere weniger lautere Finanzoperationen, mit denen er sich zu helfen suchte, den Ruf der Habsucht (vgl. zum folgenden S. 2693) und Schwäche für das Geld ein (infirmus, uti quidam prave putant, adversum pecuniam Aur. Vict. Caes. 9, 6). Man warf ihm vor, daß er Handel mit Stellen und freisprechenden Urteilen unter Vermittlung seiner Maitresse Caenis treibe (Dio 14; vgl. Tac. hist. II 84), daß er die Statthalter als Schwämme benütze, die er in den Provinzen sich vollsaugen lasse, um sie in Rom auszudrücken (Suet. 16). Er wählte aber lieber schmutzige als grausame Mittel: deshalb erlaubte er nicht Vermögenseinziehungen von Feinden (Zonar. XI 17). Er hat auch für Kontrolle bei der Erhebung der vectigalia gesorgt (Hirschfeld Verwaltungsb.2 83) und vielleicht den Fiscus Alexandrinus begründet (vgl. Dio 8), über den bei der Dürftigkeit der inschriftlichen Zeugnisse nichts Sicheres ausgemacht werden kann: wahrscheinlich war es eine Getreideverrechnungskammer (vgl. Hirschfeld a. a. O. 369ff.). Die Einsichtigen entschuldigten sein Gebaren, indem sie auf die Notlage der Staatsfinanzen hinwiesen (Aur. Vict. a. a. O. Suet. 16). Was er mit Aufopferung seiner persönlichen und seiner Fürstenehre aufgebracht hatte, kam dem Staate zu gute. Für sich selbst verwandte er nur das Nötige, die Hofausgaben schränkte er ein (Dio 10. Zonar. XI 17, vgl. u. S. 2691. 2693), überhaupt male partis optime usus est (Suet. 16). [2687] Er befleißigte sich im einzelnen der Sparsamkeit, so dem Heere gegenüber (Suet. 8; vgl. Tac. hist. II 82). Er mußte aber gewiß viel für die Herstellung des Heeres wie der militärischen Anlagen z. B. in Germanien, ferner für Straßenbauten ausgeben (Hirschfeld Verw.2 261, 1; vgl. S. 2689f.). Auch die Getreideverwaltung kostete viel (vgl. Hirschfeld a. a. O. 236ff.), ebenso die Spiele (Dio 10). Bei Unglücksfällen war er freigebig (Suet. 17) und unterstützte die kleineren Leute (plebeculam pascere Suet. 18f.) und ebenso Künste und Wissenschaften; so zahlte er Lehrern staatliche Gehälter (Suet. 18. Tac. dial. 9. Zonar. XI 7; vgl. Philostr. v. Ap. V 31 p. 102 Kayser. Herzog II 298); er befreite die magistri von den munera civilia, Redner, Ärzte und Philosophen von der Pflicht, Fremde zu beherbergen (Dig. L 4, 18, 30. Liebenam Städteverw. 76). Den Senatoren gab er, was ihnen an standesgemäßem Vermögen fehlte, heruntergekommene Consulare bekamen jährliche Pensionen (Suet. 17); Schauspieler und Sänger beschenkte er (Suet. 19).

h) Heerwesen.

In Vespasians Regierung nimmt das Heerwesen eine hervorragende Stellung ein; dies liegt begründet in den Umständen der Erhebung zum Princeps, die ihren Abschluß in dem militärischen Schauspiele des großen Triumphs über die Juden fand, ferner in der Notwendigkeit von Heeresreformen. Diese mußten zunächst innerer Art sein. Die Bedeutung der Soldaten, die ein paar Jahre alles gegolten, mußte aufs rechte Maß eingeschränkt, der Übermut der Sieger wie die Erbitterung der Besiegten gedämpft werden (Suet. 8). Einen Teil der Vitellianer dankte er ab, andrerseits stellte er klug die von Vitellius abgedankten und deshalb ergrimmten Praetorianer wieder ein (vgl. Tac. hist. IV 46. CIL VI 2725[140] = Dessau 2034 mit Anm.). Die Soldaten hielt Vespasian knapp: Mucian hatte ihnen in Syrien nur etwas von mäßigem Donativum angedeutet;· doch Vespasian gab 25 Denare (Dio LXV 22) im Krieg, nicht mehr als andere im Frieden, egregie firmus adversus militarem largitionem eoque exercitu melior (Tac. hist. II 82). Als die zwischen Puteoli bezw. Ostia und Rom als Kuriere verkehrenden classiarii (s. Hirschfeld Verw. 228, 3) um Gewährung eines Schuhgeldes (caldarium) einkamen, verordnete er als Antwort, sie sollten künftig barfuß laufen (Suet. 8).

Die Reformen in der Organisation sind unter ihm zahlreich. Die Praetorianercohorten, die von Vitellius auf 16 erhöht worden waren (Tac. hist. II 93, vgl. Marquardt-v. Domaszewski Staatsverw. II2 477, 1), schränkte er wieder auf 9 ein (diese Zahl ist genannt in der Konstitution vom 2. Dezember 76, CIL III p. 853[90] = Dessau 1993 = Newton 35, vgl. Mommsen Herm. XIV 35. XVI 647; o. Bd. IV S. 700), wahrscheinlich weil ihm diese Truppenmasse in der Hauptstadt zu kostspielig (vgl. Tac. hist. IV 46) und ihr Aufenthalt dort auch politisch zu bedenklich erschien. Daß, wie unter Vitellius, so noch zu Anfang des J. 71 das Kommando der Flotten von Misenum und Ravenna in einer Hand lag (des Lucilius Bassus, Tac. hist. II 100, vgl. Dessau Prosop. II 302 nr. 283), ist eine Ausnahme (Hirschfeld Verwaltungsb. 226).

Aus der Zahl der 30 Legionen wurden, zweifellos [2688] in der ersten Regierungszeit, die I, IV Macedonica, XVI (auch XV Primigenia?) gestrichen und die II Adiutrix, IV Flavia, XVI Flavia Firma neu errichtet (s. zum J. 71 θ); die VII Galbiana bekam den Namen VII Gemina (Pfitzner Kaiserlegionen 245. Marquardt-v. Domaszewski Staatsverw. II2 449, 4). Die II Adiutrix war eigentlich von Vitellius begründet worden, doch konstituierte er sie von neuem (vgl. Mommsen CIL III p. 907).[141] Die in die beiden ,Hilfslegionen‘ aufgenommenen Flottensoldaten erhielten eine fiktive Origo (s. v. Domaszewski Rh. Mus. XLVI 1891, 612, 83. XLVIII 1893, 347). Anscheinend wurden aus dem Legionsdienste seit Vespasian die Italiker, wenn nicht ausdrücklich, so doch in der Praxis, ferngehalten (Mommsen Herm. XIX 1884, 18f.). Auch Auxilia wurden aufgelöst, andere neu errichtet (Westd. Ztschr. III 1884 Korr. 96 [Hettner]. XII 235ff. [Ritterling]; vgl. Cichorius o. Bd. I Art. Ala und Bd. IV Art. Cohors). Sie sollten seit den Erfahrungen des Bataverkriegs nicht mehr aus einer landschaftlichen Einheit rekrutiert werden und in gefährlich großer Anzahl in der Nähe ihrer Heimat bleiben, sondern verschickt werden (Mommsen a. a. O. 42. 214. Schiller 512. Nissen Bonn. Jahrb. CXI/XII 81).

An der Donau wurde die Grenzwehr, besonders gegen die Daker, gestärkt (s. zum J. 73 γ); dort wurde auch die Donauflotte, jetzt Flavia genannt, neu gebildet (CIL III 4025.[142] 4029).

Im Orient wurden die vier Legionen um drei vermehrt (Mommsen R. G. V 395: vgl. zum J. 75 δ). Die spanischen wurden dagegen von drei auf zwei vermindert (Mommsen R. G. V 60).

Wie in Carnuntum, so mußten auch anderswo Legionslager neu gebaut werden: nach der Beruhigung des Rheingebiets stellte er, wie viele Bausteine der I Adiutrix und der XIV Gemina beweisen, das Mainzer Lager wieder her oder baute ein neues; das Straßburger Legionslager, das seit Claudius nicht mehr benützt war, belegte er wieder (vor 74, wie der [ab Arge]ntorate zählende Meilenstein Westd. Ztschr. III 247f. beweist, vgl. J. 74 η); ebenso wurden am untern Rhein die zerstörten Lager von Bonn, Neuss, Nimwegen und Vetera (Tac. hist. IV 61) wahrscheinlich noch 70 wieder erbaut (vgl. Ritterling Westd. Ztschr. XII 1893, 114f. Nissen Bonn. Jahrb. CXI/CXII 82f.).

i) Bauten.

Die Flavier haben sich hervorragend als Bauherren betätigt. Für Bauten verwandte Vespasian viel Geld (Aur. Vict. Caes. 9, 6ff.; epit. 9, 6f.); daß er es verwenden konnte, war eine Folge seiner guten Finanzwirtschaft. Besonders bemühte er sich um die Erneuerung und Verschönerung Roms. Er griff zu dem Zwecke zunächst mit baupolizeilichen Anordnungen ein, so wenn er widerrechtlich okkupierte öffentliche Gemeindegrundstücke (doch wohl für Bauten) wieder einzog und die Bebauung der Plätze saumseliger Bauherren freigab und so die Baulust forderte, oder indem er die alte Verordnung auffrischte, daß Häuser nicht zu Spekulationszwecken verstümmelt werden durften (o. S. 2685). Mit der Herstellung der hauptstädtischen Straßen und der aquae Curtia und Caerulea begann er schon vor der Censur (vgl. J. 71 δ), ebenso mit der Herstellung des Kapitols und des Reichsarchivs [2689] (vgl. J. 70 ε). Die Censur, die eine neue Vermessung der Stadt brachte (vgl. J. 73 δ), wird auch die Bautätigkeit beeinflußt haben; es ist möglich, daß die eben erwähnten Bauordnungen daher datieren (Herzog II 295, 3). Der Marmorverbrauch stieg (s. Hirschfeld Verw.2 177, 1); einer Menge Menschen konnte der Princeps Verdienst verschaffen (vgl. Suet. 18): das war wohl auch der Sinn der Bauten, bei denen ein fester Plan und die Rücksicht aufs Zweckmäßige nicht überall hervortritt. Unter Vespasian wurden erbaut der Iuppitertempel auf dem Capitol (J. 70 ε), das Templum und Forum Pacis (J. 71 γ, 75 β) mit seinem Nebengebäude, dem templum sacrae urbis (J. 77 β), alles wahrscheinlich Teile eines geplanten Forums (vgl. Aur. Vict. Caes. 9. Jordan Topogr. I 2, 448); ferner der von Agrippina schon begonnene, von Nero wieder niedergerissene Tempel des Divus Claudius (Suet. 9, vgl. Claudii monumenta Aur. Vict. Caes. 9, 7. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 332). Daß auch der Vestatempel, der ein Opfer des Neronischen Brandes geworden war (Tac. ann. XV 41), wiedererbaut wurde, zeigen Münzen (Cohen 577. 582 vom J. 72/73; 578–581 ohne Jahr; vgl. Dressel Ztschr. f. Numism. 1899, 20ff.). Ebenso stellte er den Tempel des Honos und der Virtus unweit der Porta Capena wieder her und ließ ihn durch Cornelius Pinus und Attius Priscus mit Gemälden schmücken (Plin. n. h. XXXV 120; vgl. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 202f.; Münzen mit Honos und Virtus in Darstellung und Aufschrift Cohen 202f. vom J. 71). Einen Tempelbau des J. 71 scheint die stark interpolierte Inschrift CIL VI 939[20] = Newton 95 zu bezeugen.

Vespasian stellte ferner vernachlässigte Straßen (s. J. 71 δ), Tempel und öffentliche Bauten wieder her, und die in Trümmern lagen, vollendete er, ließ sie aber nicht mit seinem, sondern dem Namen der Begründer versehen (Zonar. XI 17). Als restitutor aedium sacrarum, wie ihn die Sodales Titi ehrend nennen (J. 78 β), erscheint Vespasian noch zweimal auf Inschriften (vgl. J. 77 β und Bull. com. 1881, 9 = Newton 97, nach J. 73 gesetzt). Er stellte auch die Scaena des Theatrum Marcelli wieder her (Suet. 19. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 516). Den Bau eines Altars (?) zu Ehren Iuppiters, anscheinend aus der Nähe der Titusthermen, per collegium pontificum, bezeugt eine Inschrift (CIL VI 369[143] = Newton 96 = Dessau 2995). Der Koloß des Sonnengotts wurde 75 aufgestellt (s. J. 75 γ). An der Stelle, wo Nero nach dem großen Brande einen See als Teil der Domus aurea hatte anlegen lassen (Suet. Nero 31. Martial. de spect. 2, 5), ließ Vespasian, wie es Augustus schon beabsichtigt haben sollte, das Amphitheatrum Flavium (s. S. 2516ff.) errichten (Suet. 9. Aur. Vict. Caes. 9, 7), das im Mittelalter den Namen Colosseum bekam. Der Bau wurde von Vespasian tribus gradibus aufgeführt und von Titus später erhöht (Chronogr. a. 354 p. 146 Mommsen; vgl. unten S. 2720 und H. Babucke Geschichte des Kolosseums, Progr. d. Altstädt. Gymn. Königsberg 1899. Richter Topogr.2 167ff. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 282ff). Von Nutzbauten ist außer den schon erwähnten Straßen- und Wasserleitungsbauten (über aufgefundene Wasserröhren aus Vepasians [2690] Zeit s. Hirschfeld Verwaltungsb.² 281, 1) noch die Regulierung der Tiberufer bekannt (J. 73 γ, 74 β); ferner werden horrea Vespasiani erwähnt (s. o. S. 2680).

Aber auch außerhalb Roms, qua ius Romanum est, renovatae urbes cultu egregio viaeque operibus maximis munitae, et cavati montes per Flaminiam, prono transgressu (Aur. Vict. Caes. 9, 8). Nach einer Inschrift aus dem Sabinischen aedem Victoriae vetustate dilapsam sua impensa restituit (CIL XIV 3485[144] = Newton 99 = Dessau 3813). Eine andere Tempelwiederherstellung wird aus Herculaneum berichtet (J. 76 β, vgl. auch 77 γ). In Patara in Lykien ließ Vespasian eine Badeanstalt [ἐκ]θεμελ[ί]ων σὺν τοῖς ἐν αὐτῷ προςκοσμήμασιν erbauen (Le Bas 1265 = Newton 104). Straßenbauten sind vielfach durch Inschriften bezeugt: in Sardinien (J. 70 ζ. 74 ι), Italien an der Via Appia (J. 76 γ), Via Latina (77 δ), Via Cassia in Etrurien (77 ε; Brückenbau?), Via Flavia von Tergeste nach Pola (78 γ), ferner von Obergermanien nach Raetien (74 η), in Spanien (77 δ, 79 β), Afrika (76 δ), in Asia (75 η), Bithynien (78 γ) und Kleinasien (75 η).

k) Sakralwesen und Spiele.

Daß Vespasian auch ins Sakralwesen eingegriffen hat, ist trotz der äußerst dürftigen Nachrichten sicher. Wenn nicht schon die Neubauten und Herstellungen von Tempeln es wahrscheinlich machten, würden die Ehreninschrift der Sodales Titi aus dem J. 78, Vespasian als conservatori caerimoniarum publicarum et restitutori aedium sacrarum gewidmet, es beweisen (CIL VI 934[91] = Newton 91 = Dessau 252). So stellte er das Tempelgebiet der Diana Tifatina zu Capua wieder her (s. J. 77 γ). Vespasians Verehrung gilt nach den Münzen meist Personifikationen abstrakter Begriffe (vgl. Wissowa Religion und Kultus der Römer 75), wie Pax (s. J. 71 γ), Victoria (71 β), Fortuna (70 ε), Aequitas, Aeternitas, Annona, Concordia, Fides, Felicitas, Honos et Virtus, Libertas, Providentia, Salus. Securitas, Spes, Tutela (vgl. die Münzen); selten erscheinen daneben konkretere Gestalten wie Ceres, Iovis custos, Mars Conservator Victor Ultor, Neptunus als Redux, Roma, Vesta. Vielleicht hat er Fortuna als Gottheit ins Heer eingeführt (v. Domaszewski Religion des röm. Heeres 40). Von ihm wurde auch der afrikanische Kaiserkult eingerichtet (s. J. 71 κ). Dagegen unterblieben seit Beginn seiner Regierung die Opfer der Arvalbrüder an den Geburtstagen der Mitglieder des kaiserlichen Hauses, wahrscheinlich eine Folge der Tätigkeit einer Senatskommission, die gewählt war, fastos adulatione temporum foedatos exonerare (Tac. hist. IV 40), d. h. von den vielen Festen zu Ehren der Mitglieder der früheren Kaiserfamilie (vgl. Wissowa a. a. O. 74. 287). Vespasian scheint dem Auguramt eine größere Wichtigkeit beigelegt zu haben, als es gewöhnlich war, wie einige Münzen mit der Aufschrift Augur dartun (Cohen 44 vom J. 71, 45 vom J. 72 oder 73, 41–43 ohne Jahr, alle mit Darstellung vom Augurstab usw.; 355 vom J. 71 hat nur die Darstellung). Er führte die alten Akroamata (s. o. Bd. I S. 1197) wieder ein. Künstler unterstützte er freigebig. Den szenischen Aufführungen schenkte Vespasian ebenfalls Interesse; er ließ auch die Scaena des Marcellustheaters [2691] wiederherstellen (Suet. 19). Wenn er auch selbst kein Freund von lärmvollen Schauspielen, am wenigsten von Gladiatorenkämpfen war (Dio 15), so enthielt er sie doch dem Volke nicht vor: er ließ die öffentlichen Spiele mit großem Aufwand feiern (Dio 10) und das Colosseum anlegen (s. S. 2689).

V. Äußeres und Charakter.

a) Äußeres.

Vespasian war mittlerer Gestalt (statura quadrata), hatte gedrungene und feste Glieder und ein Gesicht wie einer, der sich beim Stuhlgang anstrengt (vultu velut nitentis); einer, der auf Vespasians Aufforderung einen Witz machen sollte, antwortete: Erst dann, wenn du fertig bist (cum ventrem exonerare desieris, Suet. 20). Nach einem Witz, den er kurz vor seinem Tode machte, war er damals kahlköpfig (Dio 17). Wenn er auch in seinen alten Tagen an Podagra litt (Dio 17), so hatte er doch sonst eine dauerhafte Gesundheit (Suet. 20).

Nach den Münzen (vgl. Bernoulli Römische Ikonographie II 2 Taf. I 14–18; auch Hunterian-Collection pl. LXXXVI 3 und Cohen) ist das Charakteristische an Vespasian: runder Schädel, lange Nase mit stark zurücktretender Wurzel, fettes, etwas nach oben vortretendes Kinn, dicker, kurzer Hals, Wangen und Stirn sind tiefgefurcht, die Brauenmuskeln herabgezogen. Das Haar ist meist kurz, zuweilen auch gelockt. Der Kopf hat etwas Massives, aber auch Kluges an sich. Zu den Münzen passen eine Reihe erhaltener Denkmäler (Statuen, Büsten, Reliefs, geschnittene Steinen) vgl. Bernoulli 22–28; die wichtigsten sind: eine Büste im capitolinischen Museum (Abb. z. B. O. Jäger Weltgesch. I 481), eine Panzerbüste in der Villa Albani (Bernoulli Taf. IX), ein Kolossalkopf in Neapel (Bernoulli Taf. VII), eine Büste in den Uffizien, an der die kleinen, faltenumgebenen und eng zusammengerückten Augen auffallen (Duruy-Hertzberg Gesch. d. röm. Kaiserreichs II 57), eine Bronzebüste im Louvre, übermäßig fett, wie eine Karrikatur wirkend (Bernoulli Fig. 3) und eine Togastatue im Louvre (Duruy-Hertzberg 65). Vgl. noch Arch.-epigr. Mitt. I (1877) 16. IX (1885) 79. Helbig Führer I 356 nr. 21. II 9.

b) Lebensweise.

Seine Lebensweise war einfach (antiquo ipse cultu victuque Tac. ann. III 55, vgl. hist. II 5). Tätig war er von früh, ja vor Tagesanbruch (ante lucem ibat [Plinius d. Ä.] ad Vespasianum imperatorem, nam ille quoque noctibus utebatur Plin. ep. III 5, 9), bis spät (Dio 17. Suet. 24; so sollte auch das Volk sein, Dio 10. Suet. 8). Doch wußte er auch zu ruhen und zu genießen (Suet. 21, vgl. Aur. Vict. ep. 9, 15). Jeden Monat fastete er einen Tag (Suet. 20). Den Sommer pflegte er in seiner Heimat, zu Reate und Aquae Cutiliae, zu verbringen (Suet. 24, vgl. o. Bd. II S. 300). Er residierte lieber in den Sallustgärten als auf dem Palatium (Dio 10). Vermählt war er mit der Freigelassenen Flavia Domitilla (s. Nr. 225), die ihm drei Kinder schenkte: Titus, Domitianus und Domitilla (Nr. 226); seine Frau und Tochter starben, ehe er Kaiser war (Suet. 3). Vor wie nach seiner Ehe mit Flavia Domitilla lebte er mit Caenis (s. o. Bd. I S. 2641 Nr. 117), die er als Kaiser bis zu ihrem Tode (vor 75; Dio 14) wie seine Gemahlin [2692] behandelte; nach ihr hielt er sich mehrere Konkubinen (Suet. 21).

c) Geistige Anlagen und Charakter.

Seiner Lebensweise entsprach seine ganze geistige Art: es ist die Einfachheit und Bescheidenheit des aus ländlichen Verhältnissen gekommenen Mannes. Für seine Herkunft zeigte er schlichte Pietät: er suchte jene nicht zu verdecken, sondern sprach oft davon und machte sich lustig über Leute, die seine Ahnen in mythologische Höhe hinaufschrauben wollten (Suet. 12). Sympathisch berührt, daß er als Kaiser öfters seinen Geburtsort besuchte, aus Liebe zum Altgewohnten an dem Landhaus, wo er die Jugend verbracht hatte, nichts ändern ließ und für seine Großmutter Tertulla, die ihn erzogen hatte, eine ihn und sie ehrende Zuneigung bewahrte (Suet. 2).

Die einfache Art bewahrte er auch als Kaiser, ja er konnte mit seiner Würde humorvoll spielen und sich mit einer gewissen Absichtlichkeit ihrer gelegentlich entäußern (mediocritatem pristinam neque dissimulavit unquam ac frequenter prae se tulit Suet. 12); die einfache Art zeigt sich in seiner Freundlichkeit und Umgänglichkeit, die für feierliches Herrschertum keinen Platz läßt (in ipso nihil tumidum, adrogans aut in rebus novis novum fuit Tac. hist. II 80; ab initio principatus usque ad exitum civilis et clemens Suet. 11; Josephus nennt τὸ μειλίχιον αὐτοῦ τῆς ὄψεως bell. VII 71; τὴν ἡμερότητα τῆς ἐντεύξεως τὴν πρὸς ἑκάστους ebd. 70; τὸ φιλάνθρωπον VI 340). Deshalb schloß er sich nicht mit Etikette ab: er war jederzeit für jeden zu sprechen (Plin. n. h. XXXIII 12); in den Sallustischen Gärten, wo er meist wohnte, wie auf der Straße war er zugänglich auch für Leute aus dem Volke, die er wie seinesgleichen empfing (Dio 10); der Palast war offen, ohne Wache; die Besucher wurden nicht mehr vorher untersucht; er lud täglich Leute aus dem Senat wie aus dem Volke ein und speiste auch bei Freunden (Suet. 19. 21). Er war kein Romantiker, sondern nüchtern in seiner Anschauung und gesund in seinem Urteil, in keiner Weise von Illusionen beirrt. Deshalb war er auch gegen äußere Ehren; so setzte er seinen Namen nicht auf Gebäude, die er nur beendet hatte (Zonar. XI 17); so nannte er sich nicht Iudaicus (Dio 7); sein Triumph langweilte vielleicht allein ihn selbst, und er konnte es nachher selbst nicht begreifen, daß er sich mit solchen Dingen abgebe (Suet. 12). Er scherzte nicht nur selbst gern (s. u.), noch auf dem Totenbette (etwas pathetisch klingt dem gegenüber: der Kaiser muß stehend sterben, Dio 17. Suet. 24. Zonar. XI 17. Aur. Vict. ep. 9, 17), er ließ auch über sich scherzen; die Freunde durften freimütig sein (Suet. 13; patientissimus veri Tac. or. 8). Auf Pasquille antwortete er ohne Gereiztheit zu zeigen mit gleichem (Dio 8. 11; vgl. Suet. 13); doch beim Hohn und den Gassenliedern der Alexandriner lief ihm die Galle über (Dio 8). Sonst war er offensarum inimicitiarumque minime memor executorve (Suet. 14. Dio 11) und übte Nachsicht, so gegen Vestalinnen, wohl wegen der Härte der Strafe (Suet. Dom. 8). Die Majestätsbeleidigungsprozesse schaffte er ab (Dio 9). Im Gegenteil gewann er Menschen mit optimistischer Praxis: bonos laude, segnes [2693] exemplo incitare saepius quam coercere, vitia magis amicorum quam virtutes dissimulans (Tac. hist. II 82). Gutmütigkeit, ja Gemüt zeigt auch, daß er von seiner Ehre gern den Söhnen mitteilte (Dio 10), daß er sozial empfand, indem er für Verdienst der Menge besorgt war (Suet. 18. 19); daß er an Zirkuskämpfen zwischen Menschen keine Freude hatte (Dio 15); selbst wo es die Gerechtigkeit forderte, vergoß er nur mit innerer Bewegung Blut (Suet. 15). Deshalb wurden auch die Verschwörer, die unter seiner Regierung zahlreich waren (assiduae coniurationes Suet. 25), nicht leicht gepackt und bestraft (Aur. Vict. Caes. 9, 3). Allerdings konnte er auch strenge, ja hart sein aus Staatsraison: so ging er gegen Helvidius Priscus vor, dessen Tötung er allerdings widerrufen wollte (Dio 12. Suet. 15); die antimonarchischen Kyniker Demetrios und Hostilius verbannte er (Dio 13); den Heras ließ er hinrichten (Dio 15). Härte zeigte er gegen die Tarichäer im Jüdischen Krieg (Joseph. bell. III 539) und gegen den Gallier Sabinus und seine Gattin Epponina, die ihn mit ihren Kindern um Gnade bat (J. 79 γ).

Mit seiner Einfachheit hängt seine Sparsamkeit zusammen, die meist (im Vergleich zu Neros Art) als Geiz angesehen wurde, ohne immer dieses Prädikat zu verdienen; die einen glaubten ihn zwar natura cupidissimum, die andern aber compulsum summa aerarii fiscique inopia (Suet. 16. Aur. Vict. Caes. 9, 6). Jedenfalls war Sparsinn und der Sinn für Finanz bei ihm Anlage, wohl vom Vater καλῶς τελωνήσαντι, der später fenus exercuit (Suet. 1). Mucian rühmte Vespasians vigilantia parsimonia sapientia (Tac. hist. II 77). Charaktervoll ist seine Abneigung gegen Kriegsgeschenke (egregie firmus adversus militarem largitionem eoque exercitu meliore Tac. hist. II 82, vgl. Suet. 8). Es ist menschlich, daß Berenike sich bei ihm durch die Pracht ihrer Geschenke beliebt machen konnte (Tac. hist. II 81). Aber daß Geld herbeigeschafft werden mußte (Suet. 16), war dem Volke unangenehm (Dio 6 [Hohn der Alexandriner], vgl. 10. LXV 9). Als er während des Bürgerkriegs, von Mucian belehrt, notgedrungen durch Konfiskationen auf Grund von Angebereien sich Geld verschafft hatte, behielt er das erfolgreiche System auch später bei (Tac. hist. II 84); ja seine Maitresse Caenis verkaufte für ihn sogar Stellen und günstige responsa (Dio 14; vgl. Suet. 16), wie er selbst vor seiner Thronbesteigung einem jungen Manne für Beschaffung des latus clavus Geld erpreßt haben soll (Suet. 4). Über diese Habsucht liefen lose Witze um (Dio 14. Suet. 16. 19. 23), und Tacitus urteilt über ihn: prorsus, si avaritia abesset, antiquis ducibus par (hist. II 5). Aber jedenfalls et male partis optime usus est (Suet. 16), ja er war freigebig in hohem Grade (Suet. 17ff.).

Mit dem anscheinend gering entwickelten Ehrgeiz dieser einfachen Natur hing Schwerfälligkeit und Vorsicht in Entschlüssen zusammen, Eigenschaften, die bei ihm oft mit Klugheit und gerechtem Abwägen (τό τε ἐπιεικὲς καὶ φρόνιμον αὐτοῦ Dio LXV 8), ja mit Schlauheit verbunden erscheinen: seine Mutter drängte ihn, nach dem latus clavus zu streben (Suet. 2), das imperium wurde ihm fast aufgedrängt, er wollte sich nicht [2694] gern in so verwickelte Händel mischen (s. o. S. 2634); das Regieren fürchtete er als eine Last (Aur. Vict. Caes. 9, 3; vgl. Joseph. bell. IV 602–605); er exponierte sich nicht, sondern stellte sich in Ägypten sicher. Klug sandte er Titus zu Galba; wenig schön erscheint sein Werben um die Gunst des Caligula (s. o. S. 2628). Aber umgänglich, wie er war, stand er doch auch Einflüssen offen: dem seiner Mutter zu Beginn seiner Laufbahn, des Mucian beim Beginn seiner Regierung, seiner Umgebung (vgl. Joseph. bell. III 536); später hatte ihn Caenis in den Händen (Dio 14).

d) Militärische Seite.

Wie es mit Vespasians Feldherrntüchtigkeit stand, ist schwer zu sagen, denn im Jüdischen Krieg stand ihm kein entsprechender Gegner gegenüber. Seine Sendung nach Germanien und infolgedessen nach Britannien geschah auf Empfehlung des Narcissus (Suet. 4); die Erfolge und Belohnungen waren allerdings groß (s. o. S. 2628). Bei der Wahl zum Oberfeldherrn im Jüdischen Krieg war für Nero neben seiner industria experta seine Ungefährlichkeit maßgebend (Suet. 4). Josephus hat in seiner Selbstgefälligkeit die Vespasian entgegentretenden Schwierigkeiten gewiß nicht verkleinert. Jedenfalls erscheint Vespasians Kriegführung auch schleppend, allzu bedächtig schwerfällig (ἐγκράτεια καὶ σύνεσις als das στρατηγικὸν τῆς γνώμης Vespasians bei Joseph. bell. IV 377; vgl. Vespasians Rede a. a. O. IV 368–376). Sein großer Vorzug war die solide soldatische Tüchtigkeit, die sich in der Herstellung der Zucht (bei der Ankunft correcta statim castrorum disciplina Suet. 4, vgl. 8; das machte ihn auch zum Heeresreformator geeignet) und in jener industria äußerte, und die persönliche Tapferkeit, die ihn als Haudegen sogar selbst in den Kampf eingreifen ließ (acer militiae anteire agmen, locum castris capere, noctu diuque consilio ac, si res posceret, manu hostibus obniti, cibo fortuito, veste habituque vix a gregario milite discrepans Tac. hist. II 5; vgl. Joseph. bell. IV 31f. 39–48). Bei einer Belagerung wurde er verwundet; er fing Pfeile mit seinem Schild auf, (Suet. 4. Joseph. bell. III 236); seine ἰσχύς zog die Soldaten von Vitellius ἀσθένεια ab (Dio LXV 10).

e) Geistige Interessen.

Vespasians geistige Bildung charakterisiert Tac. hist. II 80: satis decorus etiam Graeca facundia, omniumque quae disceret atque ageret arte quadam ostentator. Aur. Vict. Caes. 9, 1 facundiae haud egens promendis, quae senserat. Die Klugheit und Schlagfertigkeit beweisen seine Witze, die zwar häufig zotig waren (Dio 11. 13. 14. 17. Suet. 22ff.), aber oft auch von feinem Verstand und Takt zeugen, so wenn er dem Vologaeses, als dieser in orientalischem Bombast einen Brief an ihn begonnen hatte: βασιλεὺς βασιλέων Ἀρσάκης Φλαουίῳ Οὐεσπασιανῷ χαίρειν, antwortete, ohne seinem Namen einen seiner kaiserlichen Titel zuzusetzen (Dio 11). Gut hat Suet. 23. bemerkt, daß Vespasian seinen Witz namentlich bei Äußerungen seiner avaritia anwandte, in deformibus lucris, um sich und andere darüber wegzuheben. Seine Witze machten nicht vor seiner Würde halt; mit Selbstironie spottet er über seinen Kahlkopf und [2695] noch auf seinem Totenbette über seine Apotheose (Dio 17. Suet. 23f.). Vespasian brachte sehr geschickt griechische Verse an (Suet. 23). Er zeigte ein tätiges Interesse für Wissenschaften und Künste und ihre Vertreter, so für die Redner Eprius Marcellus und Vibius Crispus (ab ipso principe cum quadam reverentia diliguntur Tac. or. 8. 13). Vespasians Freundschaft mit Thrasea Paetus erwähnt Tac. hist. IV 7; des Tacitus dignitas a Vespasiano inchoata hist. I 1. Vespasian führte eine jährliche Besoldung für Rhetoren der griechischen und lateinischen Sprache ein, gab Dichtern und Künstlern Geld; die Sterndeuter und Philosophen vertrieb er allerdings aus politischen Gründen (Dio 9). Bei den Einweihungsspielen des wiederhergestellten Theaters des Marcellus führte er auch die alten acroamata wieder ein (Suet. 18. 19). Über seine Schriften s. o. S. 2623, seine Bautätigkeit o. S. 2688ff. Vespasian war divinis deditus quorum vera plerisque negotiis compererat (Aur. Vict. Caes. 9, 4; vgl. Suet. 5. 7. Dio 8. LXVI 9, o. S. 2634). Vor ihrer Vertreibung zog er die Sterndeuter zu Rat (Dio 9), was nicht zu seinem sonst so nüchternen Urteil paßt. Seine innere Stellung zu den ,Heilungen‘ (Tac. IV 81. Dio 8. Suet. 7, s. J. 70 ε) erscheint dagegen skeptisch.

f) Vespasian als Herrscher.

Bei Vespasian als Herrscher treten die genannten Eigenschaften vereint auf: Einfachheit, Sparsamkeit, ruhiges, kluges Urteil, eine gesunde und kräftige Art, Gründlichkeit und Pflichtgefühl, und sie äußern sich in einer für die Neubegründung des Reiches heilsamen Wirksamkeit. So kommt Tacitus zu dem allgemeinen Urteil: praecipuus adstricti moris auctor (ann. III 55); solus omnium ante se principum in melius mutatus (hist. I 50); venerabilis senex (dial. de or. 8).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum V, 531.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 196.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 198.
  4. a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 8005.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1984.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 4734.
  7. a b c d e Corpus Inscriptionum Latinarum III, 850.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum IV, 2555.
  9. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1257.
  10. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 4191.
  11. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 931.
  12. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum III, 849.
  13. Corpus Inscriptionum Latinarum VII, 48.
  14. Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 4682.
  15. Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 4685.
  16. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 851.
  17. a b Corpus Inscriptionum Latinarum III, 1959.
  18. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 52.
  19. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum III, 852.
  20. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 939.
  21. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 5084.
  22. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2053.
  23. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 932.
  24. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 8038.
  25. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 6009.
  26. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum X, 8023.
  27. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 14387.
  28. Corpus Inscriptionum Latinarum V, 7239.
  29. a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 5405.
  30. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 3605.
  31. a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 5217.
  32. a b Corpus Inscriptionum Latinarum V, 4312.
  33. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum III, 11194.
  34. Corpus Inscriptionum Latinarum V, 26.
  35. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1238.
  36. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 31547.
  37. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 3608.
  38. a b Corpus Inscriptionum Latinarum I, 774.
  39. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 4557.
  40. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 482.
  41. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 941.
  42. Corpus Inscriptionum Latinarum VII, 1204.
  43. a b c d Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 31548.
  44. a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 2322.
  45. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1610.
  46. a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1631.
  47. a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 2096.
  48. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 3250.
  49. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 3251.
  50. a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1049.
  51. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 5210.
  52. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 5211.
  53. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1548.
  54. Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 2456.
  55. Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 2925.
  56. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1359.
  57. Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 5533.
  58. Corpus Inscriptionum Latinarum XII, 3166.
  59. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 1834.
  60. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 7057.
  61. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 7058.
  62. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 335.
  63. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4130.
  64. a b Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 5271.
  65. a b Corpus Inscriptionum Latinarum XII, 113.
  66. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 5211.
  67. a b c d Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 2.
  68. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 5089.
  69. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 5092.
  70. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 8014.
  71. a b c d Corpus Inscriptionum Latinarum III, 470.
  72. a b c d Corpus Inscriptionum Latinarum III, 7203.
  73. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2054.
  74. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1232.
  75. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 235.
  76. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 933.
  77. a b Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 2564.
  78. a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 1018.
  79. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 0.
  80. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 10165.
  81. a b Corpus Inscriptionum Latinarum III, 306.
  82. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1252.
  83. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 10116.
  84. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 10119.
  85. Corpus Inscriptionum Latinarum VII, 1205.
  86. a b c Corpus Inscriptionum Latinarum X, 1406.
  87. a b Corpus Inscriptionum Latinarum X, 1629.
  88. a b c d Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6812.
  89. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6817.
  90. a b c d Corpus Inscriptionum Latinarum III, 853.
  91. a b c d e Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 934.
  92. Corpus Inscriptionum Latinarum VII, 10116.
  93. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2055.
  94. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 8067.
  95. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 935.
  96. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 936.
  97. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 3828.
  98. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6894.
  99. a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4814.
  100. a b Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 2999.
  101. a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1423.
  102. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 2041.
  103. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6896.
  104. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6901.
  105. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2056.
  106. a b c d e Corpus Inscriptionum Latinarum III, 6993.
  107. Corpus Inscriptionum Latinarum V, 7987.
  108. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 7.
  109. a b c d Corpus Inscriptionum Latinarum II, 2477.
  110. Corpus Inscriptionum Latinarum XII, 2602.
  111. a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4697.
  112. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4701.
  113. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4712.
  114. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 2478.
  115. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 5201.
  116. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 3829.
  117. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 3698.
  118. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 938.
  119. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 200.
  120. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 6785.
  121. a b Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 8604.
  122. Corpus Inscriptionum Latinarum V, 7209.
  123. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 12656.
  124. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 944.
  125. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 3747.
  126. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 943.
  127. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 285.
  128. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 4735.
  129. Corpus Inscriptionum Latinarum X, 777.
  130. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1050.
  131. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 1.
  132. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 501.
  133. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 8017.
  134. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 1802.
  135. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 46.
  136. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 6818.
  137. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 170.
  138. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 550.
  139. Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 4194.
  140. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2725.
  141. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 907.
  142. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 4025.
  143. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 369.
  144. Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 3485.