RE:Crispus 9
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Ältester Sohn Constantins d. Gr. | |||
Band IV,2 (1901) S. 1722 (IA)–1724 (IA) | |||
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9) Ältester Sohn Constantins d. Gr., Caesar 317–326. Auf den meisten Münzen und Inschriften (CIL II 4764. III 5206. V 8001. 8015. VII 1153. IX 1116. 5434. XII 5502) wird er Flavius Iulius Crispus genannt, vereinzelt erscheint Flavius Claudius Crispus (Cohen Médailles impériales VII² 349, 92; bei Dessau 713 ist C. Iul. wohl Claudius Iulius zu lesen) in Erinnerung an den angeblichen Ahnherrn des constantinischen Hauses, den Divus Claudius (Seeck Geschichte des Untergangs der antiken Welt I² 110. 488), zweimal auch Flavius Valerius Crispus, aber wohl nur auf Inschriften, die unmittelbar nach seiner Thronbesteigung gesetzt sind (Dessau 716. CIL III 7172). Damals war man über die Namen der Caesaren eben noch nicht genau unterrichtet und glaubte annehmen zu können, dass auch sie sich das Gentilicium Diocletians beigelegt hätten, wie es vorher alle Kaiser, die ihr Thronrecht unmittelbar oder mittelbar an diesen anknüpften, gethan hatten.
Als C. im J. 320 die Franken schlug, war er noch ein Knabe (Nazar. paneg. X 36 pueriles [1723] annos), d. h. noch nicht 14 Jahre alt, aber schon Ende 322 wurde ihm sein erstes Kind geboren (Cod. Theod. IX 38, 1). Danach muss er selbst 307 geboren sein, unmittelbar vor der Hochzeit seines Vaters mit Fausta oder etwas nach derselben. Seine Mutter war Minervina, eine Concubine Constantins (Zosim. II 20, 2. Vict. epit. 41, 4. Zonar. XIII 2 p. 5 D). Am 1. März 317 wurde er in Serdica zum Caesar ernannt (Mommsen Chron. min. I 232. Hieron. chron. 2333. Anon. Vales. 5, 19. Zosim. II 20, 2. Vict. Caes. 41, 6; epit. 41, 4); dass um diese Zeit eine Sonnenfinsternis gemeldet wurde, die am 31. December 316 in Oberägypten beobachtet worden war, betrachtete man als böses Vorzeichen (Vict. Caes. 41, 7. Seeck Ztschr. f. Rechtsgesch. Rom. Abtlg. X 187). In den J. 318, 321 und 324 bekleidete er das Consulat. Noch als Knabe nach Gallien geschickt, um die Verwaltung des westlichsten Reichsteils zu übernehmen, genoss er dort den Unterricht des greisen Lactantius (Hieron. vir. ill. 80; chron. 2333). Im J. 320 schlug er die Franken (Nazar. paneg. X 17. 36. Cohen 75. Porphyr. Optat. V 32). Im Winter desselben Jahres wurde er an den Hof Constantins nach Serdica berufen, wahrscheinlich um dort sein zweites Consulat anzutreten und am 1. März 321 seine Quinquennalien zu feiern (Nazar. paneg. X 36. 37; vgl. Ztschr. für Rechtsgesch. Rom. Abtlg. X 226). Bald darauf muss er auch seine Vermählung mit einer sonst unbekannten Helena gefeiert haben, die ihm im September oder October 322 das erste Kind gebar (Cod. Theod. IX 38, 1). In dasselbe Jahr oder auch 323 wird dann sein Sieg über die Alamannen zu setzen sein (Cohen 1. 74. 138. 139. 141. 142. 145–147); eher wohl das letztere, da sein drittes Consulat im J. 324 wahrscheinlich wieder eine Belohnung für den glücklichen Kampf darstellen sollte. Im Kriege gegen Licinius (324) befehligte er die Flotte seines Vaters und kämpfte mit ihr erfolgreich im Hellespont (Anon. Vales. 5, 23. 26. 27; vgl. Euseb. hist. eccl. X 9, 4. 6. FHG IV 199. Zonar. XIII 2 p. 5 D. Iulian. or. I 9 D). Nach dem Concil von Nicaea (325) scheint ihn sein Vater nach Gallien zurückgeschickt zu haben, doch wurde er schon unterwegs in Pola (Ammian. XIV 11, 20) im J. 326 (Mommsen Chron. min. I 232. Sozom. I 5. Hieron. chron. 2341; vir. ill. 80) durch Gift getötet (Apoll. Sid. epist. V 8, 2; daraus geschöpft Greg. Tur. hist. Fr. I 36), noch ehe er am 1. März seine Decennalien hatte feiern können (Seeck Ztschr. f. Numismatik XXI 27).
Der Grund seines Todes wird verschieden erzählt und war wohl schon den Zeitgenossen nicht genau bekannt, da man Ursache hatte, ihn zu verbergen (Vict. Caes. 41, 11); doch wird er einstimmig mit der Ermordung von Constantins Gattin Fausta, die wenige Monate später erfolgte, in Zusammenhang gebracht (Eutrop. X 6, 3. Apoll. Sid. epist. V 8, 2). Nach einer Quelle war sie in C. verliebt gewesen und hatte, als ihre Anträge bei ihm kein Gehör fanden, ihn bei dem Vater verleumdet, als wenn er versucht habe, ihr Gewalt anzuthun. Dies hatte Constantin veranlasst, seinen Sohn zu töten; doch seine Mutter Helena deckte den Betrug auf und bewirkte dadurch, dass auch Fausta im überheizten Bade [1724] erstickt wurde (Vict. epit. 41, 11. 12 Zonar. XIII 2 p. 6 A. Zosim. II 29, 2. Sozom. I 5. Joh. Monach. pass. S. Artemii 45 = Mai Spicilegium Romanum IV 375). Nach einer andern hatte sie ihren Stiefsohn verleumdet und dann den gleichen Tod gefunden, weil sie mit einem Cursor im Ehebruch ertappt worden war (Philost. III 4 = Migne G. 65, 468; eine dritte Version, die offenbar sehr spät ist, bei Joh. Chrysost. in epist. ad Philipp. IV 15, 5 = Migne G. 62, 295). Dass die Tragoedie des Kaiserhauses mit einer Liebesgeschichte zusammenhing, scheint auch aus folgendem hervorzugehen. Am 14. Juni 326, also wahrscheinlich gleich nach dem Tode der Fausta, erliess Constantin ein Gesetz, durch welches das Zusammenleben mit Concubinen allen Ehemännern untersagt wurde (Cod. Iust. V 26). Da er selbst in dieser Beziehung gesündigt hatte, darf man hierin wohl eine Anwandlung von Reue sehen, dass er durch seine eigene Untreue auch sein Weib in die gleiche Sünde hineingetrieben habe. Dass aber C. nur einer Verleumdung zum Opfer fiel, wird deshalb unwahrscheinlich, weil sein Name auf Inschriften zwar sehr oft ausradiert (CIL II 4107. III 7172. V 8021. 8030. IX 6386 a. Dessau 708. 710), aber niemals über der Rasur wiederhergestellt ist. Der Vater scheint sich also nicht von seiner Unschuld überzeugt und sein Andenken wieder zu Ehren gebracht zu haben. Jacob Burckhardt Die Zeit Constantins d. Gr.² 335. Seeck Geschichte des Untergangs der antiken Welt I 66. 475–477; Ztschr. für wissensch. Theologie XXXIII 63; Theolog. Litt.-Bl. 1890, 18.