Zum Inhalt springen

RE:Asia 1

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Erdteil
Band II,2 (1896) S. 15331537
Asien in der Wikipedia
GND: 4003217-6
Asien in Wikidata
Asien bei Pleiades
Bildergalerie im Original
Register II,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|II,2|1533|1537|Asia 1|[[REAutor]]|RE:Asia 1}}        

Asia. 1) Ἀσία, poet. Nebenform Ἀσίς, ersteres stets mit kurzem Α, letzteres nur mit langem Α, s. Blomfield Not. crit zu Aisch. Pers. 275. Wann zuerst dieser Name auf eine der drei Hauptabteilungen der Erde angewandt worden sei, lässt sich nicht genau bestimmen (Herod. IV 45). Unter [1534] den noch vorhandenen Schriftstellern kennen ihn, wie es scheint, Aischylos (Prom. 412. 734; Pers. passim) und Pindar (Ol. VII 33) zuerst. Wie die Zeit des Ursprungs unbekannt ist, so wissen wir auch noch nicht sicher, wie der Name abzuleiten ist. Die Alten leiteten ihn entweder von Asie, der Frau oder der Mutter (Schol. Apoll. Rhod. I 444) des Prometheus ab, oder von Asies, dem Sohne des Kotys (Her. IV 45), oder von den Ἀσιονεῖς (oder Ἠσιονῆες) in Maionien (Strab. XIII 627), mit denen dann Il. II 461 Ἀσίῳ (oder Ἀσίω) ἐν λειμῶνι Καϋστρίου ἀμφὶ ῥέεθρα zusammengebracht wurde. Daneben gab es auch etymologische Erklärungen, z. B. Ἀσία διὰ τὴν ὑγρασίαν. ἄσις γὰρ λέγεται ἡ ὑγρασία (Schol. Dion. per. 10 [Geogr. gr. min. II 431]), Pape übersetzt daher im Namenlexikon Ἀσία mit Moorland; τὸ Ἀσία ἀπὸ τοῦ ἆσσον εἶναι τοῖς ἀπ’ Εὐρώπης ἀπιοῦσι (Agath. 4 [Geogr. gr. min. II 472]). Neuerdings hat man den Namen aus dem Hebräischen erklären wollen als ,Mittelland‘ oder ,Grenzland‘ (Forbiger Handb. d. alt. Geogr. II² 38. 77), oder von dem assyrischen açû = Aufgang, dem irib (ereb) = dunkel entgegengesetzt wäre (Kiepert Handb. d. alten Geogr. 26). Baunack (Studia Nicolaitana 22) bringt es in Verbindung mit dem Stamme ἀσσα = Wasser und den Adjectiven ἄσσιος und ἄσιος, also A. = der vom Wasser umgebene im Meer liegende Continent. Die Grenzen A.s wurden ganz verschieden angegeben, die einen verwarfen den Begriff der Erdteile überhaupt, wie z. B. Herodot, die andern nahmen entweder zwei Erdteile an, wobei sie Libyen entweder zu A. oder zu Europa rechneten, oder drei: A., Europa, Libyen oder Africa. Und wie über die Zahl, so stritt man auch über die Grenzen. In der ältesten Zeit wurden als Grenzen gegen Europa der Phasis und Araxes angenommen, oder im allgemeinen die Landenge zwischen schwarzem und kaspischem Meer, was zur Voraussetzung hatte, dass das letztere mit dem Ocean in Verbindung stand; später der Tanais. Von Africa wurde A. nach den einen durch den Nil getrennt; da aber auf diese Weise der eine Teil Ägyptens zu Africa, der andere zu A. gehörte, nahm man die Landenge von Suez an oder rechnete ganz Ägypten zu Asien. Meistens aber galten Tanais und Nil als Grenzflüsse (Forbiger a. a. O. II² 37f. (Berger Frg. d. Eratosth. 164ff.; Gesch. d. wissenschaftlichen Erdkunde d. Griech., besonders I 51ff.).

Die Kenntnis von A. war im frühesten Altertum sehr beschränkt. Homer kennt blos die westlichen Küsten von Kleinasien genauer, das schwarze Meer und die südlicheren Küsten am Mittelmeer sind ihm nur durch Schiffernachrichten bekannt geworden. Infolge der Besiedelung der Küsten des schwarzen Meeres im 8. und 7. Jhdt. durch die Ionier kam Kunde von den Ländern des fernen Ostens und Nordostens zu den Griechen; denn von den Colonien führten Handelsstrassen weit ins Innere. Aristeas von Prokonnesos machte im 7. Jhdt. weite Reisen, die er in seinen Ἀριμάσπεια ἔπη besang; er kam bis zu den Issedonen im westlichen Tarymbecken; von den Völkern, die noch weiter nach Osten zu wohnten, erhielt er dunkle Kunde; Tomaschek (S.-Ber. Akad. Wien CXVI 715ff.) will in seinen Arimaspen (s. o. S. 826f.) die Hunnen, in den Hyperboreern die Chinesen wiedererkennen, [1535] während allerdings Richthofen (China I 430ff.) leugnet, dass vor dem Ende des 3. Jhdts. v. Chr. irgend welche Nachricht über das chinesische Reich nach dem Westen gedrungen sei. Herodot (IV 16f.) beschreibt einen Karawanenweg, der vom Borysthenes (Dnjepr) durch Südrussland nach Innerasien führte, bis zu den Argipaeern, nach Tomaschek (a. a. O. Bd. CXVII 54ff.) einem türkischen Stamm am Südfuss des Altai, nach K. E. v. Baer (Reden III 92ff.) einem mongolischen Stamm am Westfuss des Pamir. Herodot I 203 weiss, dass das kaspische Meer ein Binnenmeer ist. Das persische Reich kannte er zum grossen Teil aus eigener Anschauung; er hatte auch von Arabien gehört und wusste von Indien; aber damit hörte die ihm bekannte Welt auf (IV 40), es folgte ödes unbekanntes Land. Er hat uns die Einteilung des persischen Reiches überliefert, ich lasse sie hier, wenigstens den Hauptangaben nach, folgen; er nennt folgende Völkerschaften und Länder, die dem Perserkönig Abgaben zahlten: 1) Ionier, asiatische Magnesier, Aiolier, Karer, Lykier, Milyer, Pamphylier; 2) Mysier, Lyder, Lasonier, Kabalier, Hytenneer; 3) Hellespontier, Phryger, asiatische Thraker, Paphlagonier, Mariandyner, Syrier; 4) Kilikier; 5) Phoinikier, Syrier, Kyprier; [6) Ägypten, Kyrene]; 7) Sattagyden, Gandarier, Dadiken, Aparyten; 8) Susiana und das Land der Kissier; 9) Babylon und das übrige Assyrien; 10) Ekbatana und das übrige Medien; 11) Kaspien, Pantimather, Pausiker, Dareiter; 12) Baktrien; 13) Armenier; 14) Sagartier, Saranger, Thamainer, Utier, Mykier und die Bewohner der Inseln des persischen Meerbusens; 15) Saken und Kaspier; 16) Parther, Chorasmier, Sogder, Arier; 17) Parikanier, asiatische Aithiopen; 18) Matiener, Saspiren, Alarodier; 19) Moscher, Tibarener, Makronen, Mossynoiken, Marser; 20) Indier. Dazu Persis, das keine Abgaben zahlte (IV 97). Wie viel die Feldzüge Alexanders d. Gr. zur Erweiterung der Kunde von A. beigetragen haben, darüber s. Bd. I S. 1417ff. Aber nicht nur die Züge des Eroberers selbst waren für die geographische Kunde von A. von Wichtigkeit, auf seinen Befehl wurden auch einige Expeditionen zur See unternommen, deren Zweck die Erforschung noch unbekannter Küsten war. Mehr Ausbeute als die Versuche der Umschiffung Arabiens unter Archias, Androsthenes und Hieron von Soloi (Arr. anab. VII 20, 7f. Strab. XVI 766) lieferte die Fahrt des Nearchos von der Mündung des Indus zur Mündung des Euphrat, deren Beschreibung uns Arrian in seinen Indika aufbewahrt hat. Noch näher wurden die Griechen mit Indien durch die Feldzüge des Seleukos Nikator (Diod. XIX 90–92. Plin. n. h. VI 48) und durch die Gesandtschaftsreisen des Megasthenes 2, Deimachos und Dionysios nach Palibothra bekannt. Durch Onesikritos und Megasthenes erhielt man zuerst genauere Nachrichten über Taprobane. Vorzüglich gelobt werden auch die Schriften des Patrokles, der unter Seleukos Nikator und seinem Sohne Antiochos den indischen Ocean befuhr, auch über das kaspische Meer manche Aufklärungen gab, welche in Verbindung mit denen des Demodamas oder Demonax, eines gleichzeitigen Heerführers (Plin. n. h. VI 49), die durch Alexanders Geschichtschreiber über jenes Meer verbreiteten [1536] Fabeln zwar berichtigten, dafür aber eine falsche Ansicht bei den Griechen in Aufnahme brachten, nämlich die, dass das kaspische Meer mit dem äusseren Ocean in Verbindung stände. Das im 4. und 3. Jhdt. neugewonnene Material verarbeitete Eratosthenes in der 2. Hälfte des 3. Jhdts. zu einem grossen geographischen Werke. Aus den erhaltenen Fragmenten (Berger a. a. O.) erkennen wir, dass seine Kenntnis mit der Südspitze Indiens, dem Cap der Koliaken aufhörte, das ungefähr Taprobane gegenüber lag. Hinter diesem Vorgebirge begann für ihn die Küste des äusseren Meeres, die er durch eine hypothetische Linie im grossen Bogen mit der Küste Nordeuropas verband. Von Westen nach Osten ging der Taurus quer durch A. und teilte es in eine nördliche und eine südliche Hälfte. In der nördlichen lag das kaspische Meer, das natürlich als Busen des Oceans aufgefasst war. Die grösste Länge A.s betrug ungefähr 50000 Stadien.

Ende des 3. Jhdts. erhielten die Römer Kunde von den Chinesen, deren Producte, besonders Seide, sie schon lange kannten. Die Machtsphäre beider Völker war sogar eine Zeit lang – Ende des 1. Jhdts. n. Chr. – fast nur durch das kaspische Meer getrennt, aber in directen Handelsverkehr sind sie niemals getreten, das verhinderten die Parther. Im J. 97 wurde eine chinesische Gesandtschaft nach Gross-Thsin, dem römischen Reich, geschickt; sie kam bis zum Mittelmeer (v. Gutschmid Gesch. Irans 139). Der Handel bewegte sich auf der von Ptolemaios nach den Angaben des makedonischen Kaufmanns Maes Titianus beschriebenen Seidenstrasse, die in Sera metropolis endigte, dem heutigen Hsi-ngan-fu. Wenngleich schon im 2. Jhdt n. Chr. die Macht der Chinesen zurückging, so hörte doch der Verkehr zwischen Rom und China nicht auf; 166 schickte der Kaiser Marc Aurel eine Gesandtschaft dorthin, wie wir aus chinesischen Annalen wissen (Richthofen China I 430ff.; Verhandl. d. Gesellsch. f. Erdk. z. Berlin 1877, 96ff. Hirth China and the Roman Orient 1885. Severzow Bullet d. l. soc. de Géogr. de Paris 1890, 417), und 226 ging ein römischer Handelsagent nach Südchina (v. Gutschmid a. a. O. 151). Vgl. H. Nissen Rhein. Jahrb. XCV 1894, 1ff. Auch mit dem südöstlichen A. kam Rom in engere Verbindung, Fürsten von Indien und von Taprobane schickten Gesandtschaften an die Kaiser Augustus, Claudius, Antoninus Pius. Indien wurde bekannter durch den directen Handel, der mit Ägypten bestand, seitdem Hippalos den Monsun für diese Fahrt zu benutzen verstanden hatte (Plin. n. h. VI 101ff. Anon. peripl. mar. Erythr. 57); zwar war schon Eudoxos von Kyzikos Ende des 2 Jhdts. v. Chr. von Ägypten nach Indien gesegelt (Strab. II 98ff.), aber daraus hatte sich offenbar kein dauernder Verkehr entwickelt. Von Alexandrien gingen die Waren nach Rom, das jährlich mehr als 9 Millionen Mark dafür ausgab (Plin. a. a. O.). Die Herrschaft der Römer in Vorderasien und die Kriegszüge derselben gegen die Parther blieben gleichfalls nicht ohne Nutzen für die Kunde der Geographie von A. In der Zeit der Antonine fasste Ptolemaios das geographische Wissen seiner Zeit in seiner γεωγραφικὴ ὑφήγησις zusammen; ich gebe hier eine Übersicht über die Länder A.s, [1537] die er in den Büchern V–VII, behandelt. V. 1) Pontus et Bithynia. 2) Asia. 3) Lycia. 4) Galatia. 5) Pamphylia. 6) Cappadocia. 7) Armenia minor. 8) Cilicia. 9) Sarmatia Asiatica. 10) Colchis. 11) Iberia. 12) Albania. 13) Armenia maior. 14) Cyprus. 15) Coelesyria. 16) Palaestina. 17) Arabia Petraea. 18) Mesopotamia. 19) Arabia deserta. 20) Babylonia. VI. 1) Assyria. 2) Media. 3) Susiana. 4) Persis. 5) Parthia. 6) Carmania deserta. 7) Arabia felix. 8) Carmania. 9) Hyrcania. 10) Margiana. 11) Bactriana. 12. Sogdiana. 13) Sacae. 14) Scythia intra Imaum. 15) Scythia extra Imaum. 16) Serica. 17) Aria. 18) Paropanisadae. 19) Drangiana. 20) Arachosia. 21) Gedrosia. VII. 1) India intra Gangem. 2) India extra Gangem. 3) Sinae. 4) Taprobane.

Die Kenntnis des Ptolemaios reicht bis China, er hat aber keine Ahnung von der Existenz eines östlichen Oceans, daher lässt er A. im Süden umbiegen und sich mit dem weit nach Osten vorspringenden Südende Africas vereinigen, so dass der indische Ocean zu einem Binnenmeer wird. Wahrscheinlich geht diese Vorstellung auf Seleukos von Seleukeia (2. Jhdt. v. Chr.) zurück; S. Ruge Der Chaldaeer Seleukos, Dresden 1865. Der südlichste Ort, den er kennt, ist Kattigara, das ganz verschieden angesetzt wird, = Saigon, Singapore u. s. w. Von den innerasiatischen Gebirgssystemen hat er eine richtige Vorstellung, er kennt die ungefähr parallelen Ketten des Tienschan (auxasisches Gebirge), des Kwenlun (kasisches Gebirge), des Himalaya (Emodus). Die Südküste A.s bekommt eine ganz falsche Gestalt dadurch, dass Hinterindien nur wenig aus dem Festland nach Süden vorspringt. Das kaspische Meer ist wieder richtig als Binnensee dargestellt, allerdings sehr verzeichnet, da die Längenachse von West nach Ost geht. Die Länge A.s giebt er auf ca. 48000 Stadien an.

Nach Ptolemaios hat die Geographie des Altertums keine wesentliche Bereicherung mehr erfahren; zu erwähnen ist nur, dass man wieder Kunde erhielt von dem östlichen Ocean. Über die neueren Forschungen in A. im allgemeinen und über die Fortschritte unserer Kenntnis des den Alten bekannten Westens im besonderen, sind zu vergleichen die Berichte im geographischen Jahrbuch, herausgegeben von Behm und Wagner, vor allem Band II–IV. VI. IX. X. XII. XIV.

[Ruge. ]

Personificiert erscheint der Weltteil A. als Frauengestalt zuerst inschriftlich gesichert auf der Dareiosvase Neapel 3253 (Wiener Vorlegebl. VII 6 a): Göttergericht zwischen Hellas und A.; hiervon ausgehend will Sauer (Aus der Anomia 96ff. mit Abbildung) auch den Ostfries des Niketempels und die beiden Athen. Mitt. VII Taf. 2 abgebildeten Reliefs auf den gleichen Vorgang deuten. Auf ein hellenistisches Vorbild geht das pompeianische Bild Helbig 1113 (Europa thronend zwischen den stehenden Figuren der Libye und der mit den Exuvien des Elephanten geschmückten A.) zurück, vgl. Helbig Unters. z. camp. Wandm. 220; ebenso auch das schöne Bronzerelief des Brit. Mus., Arch. Ztg. XLII 1884 Taf. II 2, vgl. S. 137ff. (Robert): Europa, A. und Libye an der Brust des Okeanos gelagert.