RE:Dacia
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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röm. Provinz | |||
Band IV,2 (1901) S. 1948–1976 | |||
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Dacia (Einwohner Daci, griechisch οἱ Δακοί). Strabοn sagt VII 304, die Dacer hätten vor alters Δᾶοι geheissen. Der Eigenname Δᾶος begegnet auf phrygischen Inschriften (Papers of Am. School at Athens II nr. 38. 81. Bull. hell. II 265. III 479), auf einer Inschrift von Delos, wo in einer Liste unter den μέτοικοι ein Δᾶος Βαλά(κρου) erscheint, Bull. hell. VII 111, und auf Thasos, Journ. Hell. Stud. VIII 411 nr. 7, ebenso kommt er in [1949] der attischen Komoedie bei Menander in dessen neugefundenem Γεωργός (v. 11 in der Ausgabe von Nicole, v. 32 in der Weilschen Edition in der Revue des Études grecq. XI 127), woher der Sclavenname Davos zu den römischen Komikern überging, und bei Herondas V 68 vor. Nach Galen, de natural. facult. I 17 ὁμοίως τοῖς ὑπὸ τοῦ βελτίστου Μενάνδρου κατὰ τὰς κωμῳδίας εἰσαγομένοις οἰκέταις Δάοις τέ τισι καὶ Γέταις hat Menander zuerst Δᾶος als Personennamen in die Litteratur eingeführt, aber natürlich konnte er es nicht, wenn nicht schon damals gerade wie die Γέται so auch die Δᾶοι als Volksname, wonach die diesen Namen tragenden Personen benannt sind, bekannt waren. Denn die Athener pflegten ihre Sclaven – und das waren die in der attischen Komoedie auftretenden Δᾶοι – mit den ihrem Volksstamme entlehnten Namen zu nennen, wie Λυδός oder Σύρος (Strab. a. a. O.). Sowohl die enge Beziehung und nahe Verbindung, worin Menander nach Strabon und Galen die Namen Δᾶοι und Γέται gebracht hatte, wozu man Terenz vergleichen kann, welcher seinen Davos sagen lässt: amicus summus meus et popularis Geta heri ad me venit (Phormio 35), als auch die Thatsache, dass Athen in den regsten und vielfältigsten Handelsbeziehungen zu Thracien und der thracischen Pontosküste stand, lassen darüber keinen Zweifel, dass die Daer in dieselbe Gegend gehören wie die Geten, dass sie also dem thracischen Norden angehören. Im 4. Jhdt. v. Chr. war der Name der Daer bekannt; später ist er ganz verschollen und nur als Personenname auf Inschriften (s. o.) nachweisbar. Man könnte daran denken, in dem Ortsnamen Δαούσδαυα (Ptolem. III 10, 12), der in die Gegend der Donaumündung gehört, den Stamm der Daer erkennen zu wollen, denn gerade das erste Element der mit -dava componierten Ortsnamen enthält vielfach Stammesnamen, z. B. Sacidava, Buridava, vgl. weiter unten. Ist diese Vermutung richtig, dann wäre in der Nähe der Geten ein Volksstamm mit dem Namen ,Daer‘ wirklich nachgewiesen. Freilich finde ich in den anderen dacischen Ortsnamen kein Analogon für das σ vor dava. Hiess der Ort Δαόδαυα?
Statt des ganz verschwindenden Namens Δᾶος kommt später Dacus, Δακός in Gebrauch. Wann das geschah, ist nicht mehr genau festzustellen. Nach den weiter unten folgenden Erörterungen sind schon im Anfang des 2. Jhdts. v. Chr. Dacer nachzuweisen. Damit ist die gangbare Auffassung, als ob das Aufkommen des Namens Dacus mit der nationalen Erhebung des Volkes unter Buruista zusammenhinge, nicht zu vereinen. Kretschmer Einleitung in die Geschichte der griech. Sprache 314 meint, dass Δᾶοι sich zu Daci verhielte wie Graeci zu Γραῖοι. Diese Gleichung ist sprachlich gewiss richtig, bewährt sich aber auch sachlich, insofern gewiss Δᾶοι und Γραῖοι der engere, Daci und Graeci dagegen der allgemeinere Begriff sind. Sobald die Dacer häufiger in der Geschichte genannt werden und wir in ihre inneren Verhältnisse einen Blick zu werfen vermögen, wird es klar, dass ihr Name ein Collectivname ist, welcher für eng verwandte, in derselben Gegend wohnende Stämme verwandt ist. Freilich, weder wann er aufkam, noch was er bedeutet, wissen wir.
Die Dacer sind, wie gesagt, ähnlich wie die [1950] Thracer oder Illyrier, ein in viele Stämme zerfallendes Volk. Eine Liste dieser Stämme giebt Ptolemaios (III 8, 5), freilich so, dass die von ihm gegebenen Namen meist von Ortsnamen abgeleitet erscheinen. Von dem Orte Buridava ist Βουριδαυήνσιοι abgeleitet, und dieser letztere Name gilt dem Ptolemaios als Name eines dacischen Stammes. Ebenso sind Potulatenses, Albocenses, Saldenses, Ratacenses, Sienses, Cotenses, Caucoënses zu beurteilen. Von wirklichen Stämmen finden sich bei ihm: Ἄναρτοι, Τευρίσκοι, Βίηφοι, Κειάγεισοι, Πιέφειγοι und Κιστοβῶκοι. Κοιστοβῶκοι kommen bei Ptolem. III 5, 21 auch nördlich der Karpathen vor. Anarten nennt Caesar als Grenznachbarn der Sueven mit Dacern zusammen; von dort wurden sie später weiter östlich geschoben. Ein Meilenstein, CIL III Suppl. 8060, nennt den vicus Anar[torum] beim heutigen Sebesváralja. Die übrigen Namen sind ganz unbekannt. Dazu kommen noch einige andere, bei anderen Schriftstellern erwähnte dacische Stämme, wie die Saci bei Aurel. Vict. Caes. 13, deren Hauptort Sacidava war, die Apuli mit dem in römischer Zeit zu grosser Blüte gelangten Ort Apulum in der consol. ad Liv. 387, und die Buri. Bekannt ist Dios Erzählung (LXVIII 8), dass im ersten dacischen Krieg Traians bei des Kaisers Vormarsch auf Tapae die Buren und andere Bundesgenossen einen mit lateinischen Buchstaben beschriebenen Pilz geschickt und dem Kaiser geraten hätten, ὀπίσω ἀπιέναι καὶ εἰρηνῆσαι. Gewöhnlich werden die Buren mit dem germanischen Stamme gleichen Namens, welcher an die Weichselquelle gehört, identifiziert. Aber sicher gab es im Altthal nach der Tab. Peut. einen Ort Buridava, worauf schon das ptolemaeische Βουριδαυήνσιοι führt. Bei Dios Erzählung liegt es näher, an einen dem Kriegsschauplatz benachbarten, als an einen demselben so entfernten Stamm, wie die germanischen Buren es waren, zu denken. Dios Βοῦροι sind offenbar derselbe Stamm, welcher dem Orte Buridava seinen Namen gab, wie die Saci dem Orte Sacidava. Dazu stimmt, dass nach Dio ausser den Buren auch ἄλλοι τε τῶν συμμάχων die Botschaft dem Traian geschickt hätten. Dass aber gerade unter den Dacern die Römer σύμμαχοι gehabt haben folgt aus Iord. Get. 13, 76 foedus quod dudum cum aliis principibus – nämlich römischen Kaisern – pepigerant Gothi – Gothen sind in diesem Falle die Dacer –, und aus der berühmten Inschrift des Plautius Silvanus CIL XIV 3608: regibus Bastarnarum et Rhoxolanorum filios, Dacorum fratrum captos aut hostibus ereptos remisit, wo nach Vollmers im Rh. Mus. LIII 636 gegebener trefflicher Erklärung fratres im Sinne von socii oder symmachi steht (vgl. weiter unten).
Die Dacer waren ein thracischer Stamm, das wusste man im Altertum schon, wie die neuere Sprachforschung (vgl. Kretschmer Einleitung in die griechische Sprache 213. 314. Tomaschek Die alten Thraker. S.-Ber. Akad. Wien CXXVIII) durch Untersuchung der Sprachreste es bestätigt findet. Unter den thracischen Stämmen waren die Geten ihnen nächstverwandt, Strab. VII 305 ὁμόγλωττοι δ’ εἰσὶν οἱ Δακοὶ τοῖς Γέταις und Iustin. XXXII 3, 16: Daci quoque suboles Getarum. Ihrer thracischen Abstammung sowohl als auch [1951] ihrer nahen Verwandtschaft mit den Geten gedenkt auch Cass. Dio LI 22: οἱ δὲ ἐπέκεινα (nämlich jenseits der Donau) Δακοὶ κέκληνται εἴτε δὴ Γέται τινὲς εἴτε καὶ Θρᾷκες τοῦ Δακικοῦ γένους τοῦ τὴν Ῥοδόπην ποτὲ ἐποικήσαντος ὄντες. Aber ein Δακικὸν γένος an der Rhodope kennt sonst niemand. Tomaschek a. a. O. 101 meint, Dio habe an den thracischen Stamm der Δῖοι erinnern wollen und das Διακὸν γένος des Thukyd. VII 27 ohne weiteres in Δακικόν geändert. Jedenfalls liegt doch wohl dem Dio oder seiner Quelle ein Versuch zu Grunde, die Origines der Dacer aufzuklären und zwar so, dass aus der Verwandtschaft der Dacer mit den Thracern auf die Herkunft der ersteren aus dem eigentlichen Thracien geschlossen wurde; mögen nun dem Dio oder seinem Gewährsmann die Δῖοι dabei vorgeschwebt haben oder mögen der Theorie, dass eben die Dacer vom Süden der Donau her eingewandert seien, zu Liebe einfach Δακοί einst an der Rhodope wohnend angenommen worden sein, für uns darf als feststehend betrachtet werden, dass die Dacer dem Lande nördlich der Donau angehörten und abgesehen von einzelnen Ansiedlungen, welche ihnen z. B. von Augustus angewiesen wurden – Strab. VII 303, worauf offenbar Dio LI 22: ἀλλ’ οἱ μὲν ἐπὶ τάδε αὐτοῦ (nämlich der Donau) καὶ πρὸς τῇ Τριβαλλικῇ οἰκοῦντες ἔς τε τὸν τῆς Μυσίας νομὸν τελοῦσι καὶ Μυσοὶ πλὴν παρὰ τοῖς πάνυ ἐπιχωρίοις ὀνομάζονται anspielt –, niemals südlich derselben gelebt haben. Einer Wanderung der Dacer aus der Rhodope nach Norden widerspricht auch die oft gemachte Beobachtung, dass die thracischen Stämme aus dem Norden gegen Süden, nicht umgekehrt, meist sich vorgeschoben haben. Aber die nahe Verwandtschaft der Dacer mit den Geten, die den Alten auffiel und welche sich in der Sprache sowohl als in den Sitten und Vorstellungen kundgab, war auch offenbar die Veranlassung, dass die Griechen meist die Dacer ,Geten‘ nannten. Die Römer hingegen nannten sie so, wie sie sich nannten, ‚Dacer‘ (Cass. Dio LXVII 6). Strabon (VII 304) unterscheidet zwar die Dacer von den Geten, doch im allgemeinen nennt er die Dacer nach allgemein griechischem Sprachgebrauch Geten, wie Appian (prooem. 4) sagt: Γετῶν τῶν ὑπὲρ Ἴστρον, οὓς Δακοῦς καλοῦσιν. Wir werden die Geten hier ganz beiseite lassen und nur die Dacer behandeln.
Grenzen und Ausdehnung. Der erste Versuch, die Grenzen und Ausdehnung Daciens festzulegen, geht, soviel wir sehen, auf Agrippa zurück, aus dessen geographischem Werke die Bearbeiter der uns erhaltenen Dimensuratio provinciarum (c. 8) und der Divisio orbis terrarum (c. 14) sowohl als Plinius in seiner Naturalis historia (IV 81) geschöpft haben. Nach ihnen ist D. im Norden von dem Ocean, im Osten von den Deserta Sarmatiae, im Westen von der Weichsel und im Süden von dem Hister begrenzt (vgl. Partsch Die Darstellung Europas in dem geographischen Werke Agrippas 73). Das ist offenbar ein erster Versuch, das weite, zwischen Sarmatien und Germanien einer- und den südlich der Donau wohnenden thracisch-illyrischen Völkern andererseits gelegene Gebiet zusammenzufassen und geographisch einzuordnen, wobei der ganze auf diese Weise zusammengefasste Strich nach dem bekanntesten [1952] Volke, das nördlich der unteren Donau wohnte, benannt wurde. Dass aber dies Volk je von der Donau bis zum Ocean gesessen hätte, ist wohl nie die Meinung Agrippas gewesen, welchem es nur darauf ankam, für die von ihm zu einer Einheit zusammengefassten Länder und für die von ihm für dieselben ermittelten Entfernungen nun auch einen einheitlichen Namen zu haben; jedenfalls ist von keinem der anderen Geographen die Ausdehnung der Dacer nach Norden bis zum Ocean festgehalten worden. Je mehr wir uns darüber klar werden, dass D. bei Agrippa nicht im ethnographischen Sinne aufzufassen, sondern lediglich der Ausdruck für eine von ihm selbst herrührende und geschaffene geographische Einheit ist, desto weniger werden wir auch geneigt sein, an der Weichsel als Westgrenze D.s festzuhalten. Diese letztere können wir nach anderen Quellen genauer bestimmen. Im Westen stösst ἡ τῶν Γετῶν γῆ – das ist aber nach griechischem Sprachgebrauch dasselbe, was nach römischem Sprachgebrauch D. heisst – an das von dem germanischen Stamme der Sueben bewohnte Land, während es im Süden von der Donau, im Norden von den Karpathen – ὁ Ἑρκύνιος δρυμός – begrenzt ist, nur im Nordosten greift es über das Gebirge hinüber in die Ebene des Dniestr, εἶτα πλατύνεται πρὸς τὰς ἄρκτους μέχοι Τυρεγετῶν. So Strab. VII 295, der aber gesteht keine genauen Grenzen angeben zu können. Durch Caesar erfahren wir mindestens über die Westgrenze etwas Genaueres; er lässt den hercynischen Wald parallel zur Donau streichen bis zu den Grenzen der Dacer und Anarter, dann linksum in einer dem Flusse entgegengesetzten Richtung verlaufen – hinc se flectit sinistrorsus diversis ab flumine regionibus Caes. b. G. VI 24. Also da, wo die Donau bei Waitzen aus der westöstlichen Richtung in die nordsüdliche übergeht, war die Grenze der Dacer gegen Westen. Dasselbe bestätigt Plin. n. h. IV 80, der freilich hier schon Iazygen kennt, welche nach Caesar und Strabon in die Ebene zwischen Donau und Theiss einwanderten, aber doch weiss, dass die Dacer einst weiter nach Westen bis an die March sassen und hier an die Sueben grenzten. Er sagt: in dem Gebiet zwischen Donau und hercynischem Wald – d. h. den Karpathen, wie aus Strabon und Caesar hervorgeht – bis zu dem pannonischen Standlager zu Carnuntum und der dortigen Grenze der Germanen haben die Iazygen die Ebene inne, montes vero et saltus pulsi ab his Daci ad Pathissum amnem a Maro, sive Duria est a Suebis regnoque Vanniano dirimens eos. Also als Plinius schrieb, waren die Dacer über die Theiss zurückgedrängt – pulsi ad Pathissum –, und es grenzten Iazygen und Sueben aneinander; aber es gab eine Zeit, wo Dacer und Sueben aneinander grenzten. In diesem Punkte stimmen Strabon und Plinius ausdrücklich überein. Wenn aber nach Plinius die Dacer von Westen her bis zur Theiss zurückgedrängt wurden, mussten sie früher westlich derselben sitzen, und wenn an der Donau, da wo sie nach Süden umbiegt, ihre Grenze gegen germanische Stämme lag, so war dieser Fluss auch in seinem ganzen nordsüdlichen Laufe ihre Grenze. Also die Westgrenze Daciens bildete die Donau, ebensogut wie dessen Südgrenze. Leider kennen wir nicht die Zeit des Einbruchs der Iazygen [1953] in die Donaugegend; zuerst werden sie im J. 50 n. Chr. hier erwähnt (Tac. ann. XII 29). Caesar und Strabon aber kennen die Donau als Westgrenze; also etwa zwischen 20 und 50 n. Chr. wurden die Dacer von hier weiter gegen Osten geschoben. Auch Appian. Illyr. 22 bezeugt die Donau als Westgrenze Daciens.
Aus der Landschaft zwischen Donau und Theiss wurden die Dacer von den Iazygen vertrieben; so bildete fortan die Theiss ihre West-, die Donau wie früher immer ihre Süd- und die Karpathen ihre Nordgrenze. In diesem Umfange kennt Ptolemaios das Land (III 8, 1), welches also im grossen und ganzen dem heutigen Siebenbürgen und Rumänien entspricht. Die Ostgrenze ist noch genauer zu bestimmen. Strabon, wie gesagt, lässt im Norden, richtiger jedoch im Nordosten, seine Γετῶν γῆ reichen μέχρι Τυρεγετῶν, welche, wie schon ihr Name sagt, am Tyras (heute Dniestr) sassen. Im Osten kennt Strabon (vgl. VII 305f.), abgesehen von versprengten Resten anderer Völker, wie der Peukiner an der Donaumündung auf der nach ihnen benannten Insel Peuke und den bis zur Donauebene nomadisierenden Sarmaten (τούτους φασὶ καὶ παρὰ τὸν Ἴστρον οἰκεῖν, ἐφ’ ἑκάτερα πολλάκις), bis zum Schwarzen Meere nur Geten; bei ihm heisst der Strich nördlich der Donaumündung bis zum Tyras längs des Schwarzen Meeres ἡ τῶν Γετῶν ἐρημία. Nach Ptolemaios (III 8, 5) bildet Daciens Ostgrenze der Fluss Hierasus (heute Sereth) und eine Linie, welche diesen mit dem Tyras verbindet und den letzteren trifft, wo er die Wendung gegen Süden macht. Zwischen Hierasus und dem Schwarzen Meer wohnen nach Ptolem. III 10, Ἄρπιοι, die zweifelsohne dieselben sind wie die an anderer Stelle (III 5, 24) genannten Καρπιανοί, welche dieselben Wohnsitze wie die Arpier innehatten. Dass die Karpen, welche später so oft noch genannt werden sollten, zum dacischen Stamme gehörten, bezweifelt soviel ich weiss niemand. Darnach also stimmen Strabon und Ptolemaios darin überein, dass bis zum Schwarzen Meere hin die Dacer oder, um mit Strabon zu reden, die Geten sich ausgebreitet hatten, ohne freilich die unmittelbar am Pontus gelegenen Striche, welche einst den Skythen, dann den oben erwähnten Sarmaten, später den verschiedenen germanischen Völkern eine bequeme Durchgangsstrasse aus Südrussland zur Donau hin boten, dauernd zu halten. Jedenfalls waren hier die Grenzen, wie es auch die Natur der Gegend mit sich brachte, schwankend und abhängig von der jeweiligen politischen Machtstellung Daciens. Dass aber Ptolemaios Grenze (der Sereth) zu weit westlich liegt, beweisen nicht blos der östlich von diesem Fluss wohnende dacische Stamm der Karpen, sondern auch der Umstand, dass in den Flussthälern des Sereth und des östlich davon fliessenden Pruth die echt dacischen Ortsnamen auf -dava sehr häufig sind. Dass Ptolemaios die Grenzen der römischen Provinz D. bezeichnet haben sollte, wie Goos Studien zur Geschichte 24 meint, ist meines Erachtens verkehrt, da, wie wir sehen werden, das von Ptolemaios umschriebene Gebiet nicht mit dem römischen D. sich deckte; Ptolemaios hat nach älteren Quellen den Umfang des vorrömischen, also unabhängigen Daciens angegeben. [1954]
Cultur und Sitten. Die Dacer waren ein ansässiges Volk, welches Ackerbau und Viehzucht trieb. Rinder, Schafe und Ziegen finden sich auf Bild 76 der Traianssäule, welches den Abzug der dacischen Bevölkerung aus dem von den Römern nach dem Feldzug im J. 102 n. Chr. occupierten Terrain darstellt. Dagegen war die Pferdezucht wohl nicht sehr ausgebildet; die Dacer kämpften zu Fuss, nicht zu Ross. Pferde erscheinen auf der Traianssäule nur als Zugtiere. Sie wohnten in Ansiedelungen, welche aus Holzhäusern bestanden und mit Pallisaden umgeben waren. Charakteristisch bei ihnen sind die auf Pfählen errichteten Häuser (vgl. Traianssäule Bild 57), wie sie schon Herodot (V 16) bei einem der südthracischen Stämme gefunden hatte. Doch gab es auch – jedenfalls in späterer Zeit – bei ihnen feste Orte, welche durch eine zinnenbewehrte Quadermauer geschützt waren. Diese Art, ihre Siedlungen zu befestigen, lernten die Dacer von den Römern, ebenso wie Thalengen durch starke Mauern und aus Steinen errichtete Türme mit kegelförmigem Dach zu sperren. Wissen wir doch, dass ihr letzter König Decebalus römische Architekten in seiner Umgebung hatte; vgl. C. Cichorius Traianssäule Text II 332. Das übliche Wort für Siedlung und Ortschaft war dava, daher die vielen im ganzen weiten Gebiet des alten Daciens sich findenden Ortsnamen wie Sacidava, Arcidava, Buridava u. a. m.
Neben dem Ackerbau und der Viehzucht war den Dacern der Bergbau nicht fremd. Nennt doch schon Herodot (IV 104) die Agathyrsen, welche er im heutigen Siebenbürgen, dem Land der späteren Dacer ansetzt, χρυσοφόροι, nach dem Gold, welches sowohl in den Flüssen, als in den Bergen des Landes sich fand und noch findet. Berühmt, wie es heute ist, war auch schon im Altertum das siebenbürgische Erzgebirge mit seinen Goldminen. Dass schon die Dacer hier Bergbau trieben und Gold förderten, zeigt Teglas Beiträge zum Goldbergbau des vorrömischen Dacien, in der Ungarischen Revue 1889, 332. Auch eigene Münzen, ohne Aufschrift und sehr roh, schlugen die Dacer. Mommsen Röm. Münzwesen 697. Bielz Siebenbürg. Archiv XI 454.
Wie alles dies, zeigt auch ihre Bekleidung, wie wir sie namentlich aus den Bildern der Traianssäule kennen, eine höhere Stufe der Cultur. Nicht mehr in Felle kleideten sie sich, sondern in Zeuge, woraus sie ihre Hosen, Kittel und Mäntel herstellten. Dass diese Zeuge bei ihnen selbst fabriciert wurden, darf man wohl annehmen. Von der hochentwickelten Leinenweberei bei den Thracern, südlich der Donau, erzählt Herodot.
Mit den Geten, ihren nächsten Stammverwandten, teilten die Dacer den Glauben an die Unsterblichkeit; οὐ γὰρ ἀποθνήσκειν ἀλλὰ μετοικίζεσθαι νομίζοντες waren sie todesmutig, wie der Kaiser Iulian sagt (Conv. 327 D), welcher hier unter τὸ Γετῶν ἔθνος dem griechischen Sprachgebrauch entsprechend die Dacer meint, wie das der Zusammenhang verlangt. Eine hervorragende Stellung nahmen bei ihnen die Priester ein; Dekaineos half dem König Burvista seine Reformen durchführen, und wenn auch das einzelne übertrieben und verkehrt sein mag, was Iordan. c. 11 von ihm berichtet, im ganzen ist daraus doch die hervorragende Stellung und das hohe Ansehen, [1955] in welchem er bei seinen Landsleuten stand, zu erkennen. Wie bei anderen thracischen Völkerschaften, war auch bei den Dacern das Sectenwesen nicht unbekannt; gegenüber den allgemein thracischen Lastern des Trunks und der Unkeuschheit, von denen die Dacer nach Strab. VII 304 mindestens dem ersteren ergeben waren, bildeten sich Secten, denen wir Liebe zum Ackerbau, Ehelosigkeit, Verwerfung der Sclaverei und Gütergemeinschaft als Ziele, welche sie erstrebten, zuschreiben dürfen. Josephus (ant. Iud. XVIII 22) vergleicht mit ihnen die Essener bei den Juden, aber leider ist der Name dieser dacischen Secte verderbt. Im übrigen ist es sehr schwer, die religiösen und sittlichen Anschauungen der Dacer in unserer Überlieferung von denen der Geten und anderer thracischen Stämme zu scheiden.
Was die sociale Gliederung anlangt, so ist, wie bei den Thracern im allgemeinen, so auch bei den Dacern die Einteilung der Bevölkerung in Edle und Unedle, in Vornehme und Gemeine nachweisbar. Nach Dio Chrysostomos (bei Iordan. 5, 40) hiessen die Edlen und Vornehmen tarabostesei, ein Ausdruck, der mit dem lateinischen pilleati wiedergegeben wird, offenbar weil sie mit dem Filzhut (pileus) das Haupt zu bedecken das Vorrecht hatten. Ihnen gegenüber heisst das gemeine Volk, welches sein Haupt unbedeckt hatte capillati (Iordan. 1.1, 71) oder κωμηταί bei Petrus Patricius frg. 4 und Cass. Dio LXVIII 8. Die griechische Übersetzung der tarabostesei ist πιλοφόροι. Auf der Traianssäule kann man vielfach die dacischen πιλοφόροι neben den κωμηταί beobachten. Aus der Classe der Edlen gingen sowohl Könige als Priester hervor, wie Dio Chrysost. a. a. O. bezeugt.
Geschichte. Nach den uns erhaltenen Prologen hat Trogus Pompeius in dem 32. Buch seiner Historiae Philippicae, da wo er den Tod des Philopoimen, den Krieg des Manlius in Kleinasien, die Unterhandlungen des Königs Philippos V. von Makedonien mit den Bastarnen und den Krieg des Eumenes von Pergamon gegen Pharnakes von Pontos und Prusias von Bithynien erzählte, auch die illyrischen Angelegenheiten und ... originesque Pannoniorum et incrementa Dacorum per Burobusten regem berührt. Burobusten, so liest Gutschmid in seiner Ausgabe der Prologe in Rühls Edition des Iustinus; die Hss. haben: Rubobosten oder Ruboboten. Gutschmid hält Burobustes für den Burnista des Iordanes und den Βοιρεβίστας des Strabon. Dass aber Trogus bei der Erzählung von Ereignissen, welche sämtlich in den Anfang des 2. Jhdts. fallen, des dacischen Königs Burbista, welcher um die Mitte des 1. Jhdts. nachweislich regierte (s. Bd. III S. 2903), gedacht haben sollte, ist kaum glaublich. Denn man holt wohl bei irgend einem Anlass frühere, der Zeit vorausliegende Ereignisse nach, bringt aber in einer chronologischen Erzählung schwerlich Ereignisse zur Darstellung, welche um 100 und mehr Jahre dem gerade dargestellten Zeitabschnitt voraufliegen, ohne dieselben ausdrücklich als spätere zu charakterisieren. Iustinus (XXXII 3, 16), welcher des Trogus Geschichtswerk epitomierte, erwähnt in demselben Zusammenhang wie oben der Trogusprolog die Dacer: Daci quoque suboles Getarum sunt, qui cum Orole [1956] rege adversus Bastarnas male pugnassent, ob ultionem segnitiae capturi somnum capita loco pedum ponere iussu regis cogebantur ministeriaque uxoribus quae ipsis ante fieri solebant facere. Und dies wurde nicht eher geändert, als bis sie die durch ihre Niederlage empfangene Schmach durch tapfere Thaten ausgelöscht hatten. Also ganz offenbar gedachte Trogus der Dacer aus Anlass der von den Makedonen mit den Bastarnen gepflogenen Unterhandlungen. Das Verhältnis der Bastarnen zu Philipp V. gab ihm Anlass, auch ihre Beziehungen zu anderen Völkern zu erzählen, hierhin gehören die Kämpfe derselben mit den Dacern, wie sie Iustinus erzählt und die Worte des Prologes: incrementa Dacorum per Rubobosten regem.
Müllenhoff Deutsche Altertumskunde III 144 bezieht die Notiz des Iustinus auf die Geten am Haemus; aber schon die Worte Daci suboles Getarum zeigen, dass Trogus nicht von Geten, sondern von einem zwar den Geten verwandten, aber von ihnen zu scheidenden und verschiedenen Volke sprach. Es liegt nicht der geringste Grund vor, die hier genannten Dacer nicht für die wirklichen Dacer, d. h. für Bewohner des Landes nördlich der Donau, zu halten, wo wir sie stets finden, sobald unsere Quellen häufiger sie erwähnen. Was nun den Namen des Königs anlangt, welcher die Dacer auf die erwähnte Weise erzog, um sie schliesslich zum Siege über die Bastarnen zu führen – jedenfalls zeigt der weitere Verlauf der Begebenheiten, soweit wir sie kennen, dass trotz des anfänglichen Sieges die Bastarnen nie Herren in dem Gebiet geworden sind, in welchem wir später durch Jahrhunderte hindurch Dacer finden – so halte ich den Rubobostes im Prolog des Trogus und den Oroles bei Iustinus für ein und denselben Namen, dessen richtige Form noch zu finden ist. Jedenfalls steht meines Erachtens fest, dass zu Anfang des 2. Jhdts. jenseits der Donau ein dacisches Reich bestand – allerdings mussten die Bastarnen bei ihrem Vordringen von der oberen Weichsel gegen die untere Donau auf diese Dacer stossen; es gab Kämpfe zwischen beiden Völkern, aber die Dacer wurden nicht vernichtet. Dass Trogus die Bastarnen erwähnen musste, als er die makedonische Geschichte vortrug, diesem Umstande verdanken wir die erste Erwähnung unserer Dacer.
Dann werden die Dacer zuerst wieder zum J. 109 v. Chr. erwähnt, als der Proconsul Makedoniens, M. Minucius Rufus, die langjährigen Feinde Roms und seiner Provinzen, die Skordisker oder Skordister, besiegte. Nicht allein, sondern im Verein mit anderen benachbarten Völkern hatten die Skordister durch Minucius die Niederlage erlitten, welche dem römischen Feldherrn die Ehren des Triumphes eintrugen. Jüngst in Delphi gefundene Inschriften, veröffentlicht und trefflich commentiert von Paul Perdrizet im Bull. hell. XX 484, nennen neben den Skordisten und Bessen auch τοὺς λοιποὺς Θράικας, über welche Minucius gesiegt habe; die Bessen meint offenbar Florus (I 39, 5) mit seinem toto vastavit Hebro, von den übrigen Thracern nennt Eutrop. IV 27 die Triballer und Frontin. strat. II 4, 3 die Dacer. Jedenfalls ist an der Teilnahme des transdanuvianischen thracischen Stammes der Dacer an [1957] dem Kriegszug und der darauf folgenden Niederlage ihrer Nachbarn, der Skordister, nicht zu zweifeln. Auch Strabon kennt (VII 313) freundschaftliche Beziehungen zwischen diesen beiden Völkern. Überlegt man aber, dass Florus im 39. Capitel seines I. Buchs von Skordiskern und ihren Beziehungen zu Rom sprechen will, den Kriegszug aber des M. Minucius Rufus gegen sie und ihre Verbündeten mit den Worten abthut: toto vastavit Hebro, multis quidem amissis, dum perfidum glacie flumen equitatur, welche offenbar nur auf die Bessen als Nachbarn des Hebrosthales sich beziehen, dass er offenbar aus seiner Vorlage nur das aufnimmt, was ihm gerade besonders auffallend erscheint, so wird man auch geneigt sein, den unmittelbar vorangehenden Satz bei Florus: Drusus ulterius egit et vetuit transire Danuvium (im J. 112 v. Chr.) nicht mit Perdrizet (a. a. O. 490) auf die Skordister – denn wer hätte je gehört, dass diese auf dem linken Ufer der Donau gewohnt haben? – sondern auf die Dacer zu beziehen. Auch im J. 112 v. Chr., also als M. Livius Drusus gegen die Skordister focht, waren die Dacer ihre Verbündeten; auch hier griff Florus etwas heraus, was ihm besonders markant erschien, und bezieht es in seinem Zusammenhange auf das damals bekriegte Hauptvolk, während es nur auf Verbündete desselben von der Nordseite der Donau passt. Allerdings des Drusus Verbot, die Donau zu überschreiten, wurde bald genug, wie wir eben sahen, übertreten.
Zwischen 112 und 109 v. Chr. waren die Dacer mit den Skordistern vereint, machten mit ihnen zusammen Einfälle in das römische Gebiet und wurden mit ihnen zusammen von römischen Feldherrn geschlagen. Das ist alles, was wir von ihnen aus dieser Zeit wissen.
In den Kämpfen der Römer gegen die Stämme der thracischen Gebirge und der Donaugegend, welche der ersten Hälfte des 1. Jhdts. v. Chr. angehören, begegnet der Name der Dacer in unserer allerdings sehr kärglichen Überlieferung nur einmal. Als C. Scribonius Curio ums J. 74 v. Chr. gegen die Dardaner focht und dieselben besiegte, scheinen auch Dacer als Hülfsvölker ihren süd-danuvischen Nachbarn beigestanden zu haben. Hierauf beziehe ich die Notiz des Florus (I 39, 6): Curia Dacia tenus venit, sed tenebras saltuum expavit. Da Curio zuerst von den Römern bis zur Donau vordrang – das wird besonders hervorgehoben Ruf. Fest. 7 und Eutrop. VI 2 – können die Worte Dacia tenus venit sich sehr wohl mit dem von Festus und Eutropius Berichteten decken, denn jenseits der Donau auf deren nördlichem Ufer war D. Dass er über die Donau setzte und in das letztgenannte Land selbst vordrang, besagen Florus Worte nicht. Aber seine Notiz, vor allem der von ihm angeführte Grund, warum Curio nur bis an die Grenzen Daciens kam, aber nicht über dieselben vordrang – tenebras saltuum expavit, und gerade die Wälder werden von Florus (s. weiter unten] und anderen oft als eine charakteristische Eigenschaft Daciens hervorgehoben – scheint mir darauf hinzuweisen, dass auch Dacer bei diesen Kämpfen den Dardanern beistanden und dass sie gerade deshalb wohl eine Züchtigung von römischer Seite [1958] verdient hätten, welche lediglich wegen der Unzugänglichkeit des Landes unterblieb. Nur unter dieser Annahme ergeben die kurzen Worte des Florus, welche ein sehr gekürztes Excerpt seiner Quelle darstellen, einen einigermassen verständlichen Sinn.
Aber mehr erfahren wir erst von den Dacern, seitdem ein König von grosser Thatkraft und Unternehmungslust ein Reich gründete, welches bei seiner ausgesprochenen Tendenz sich auszudehnen und durch Eroberungen sich zu vergrössern bald Roms Aufmerksamkeit auf sich zog. Dieser König hiess Burbista oder Boirebista. Als er die Regierung antrat, waren die Dacer durch häufige Kriege geschwächt und ihre Macht gering, Strab. VII 304. Gewöhnlich bringt man hiermit die oben erörterte Notiz des Iustinus von dem dacischen König Oroles in Verbindung, was wegen der Zeitdifferenz, welche zwischen Oroles und Burbista liegt, unmöglich ist. Aber wie bei Iustinus das siegreiche Vordringen der Bastarnen dem Oroles Anlass giebt, sein Volk durch Zucht und Erziehung zu heben und zum Widerstand gegen die neuen Ankömmlinge zu befähigen, so sind auch bei Burbista die kläglichen und kümmerlichen Verhältnisse des Landes die Ursache zu den von ihm begonnenen Reformen. Darin gleichen sich beide Könige. Bei Iustinus werden die Bastarnen ausdrücklich als Feinde der Dacer genannt; Strabon spricht ganz allgemein von ,häufigen Kriegen‘, wodurch die Dacer in eine üble Lage gerieten, ohne ein Volk namhaft zu machen, mit welchem sie Krieg führten. Wir können aus den allgemeinen Zeitverhältnissen, soweit sie uns bekannt sind, nur vermuten, dass um diese Zeit die Dacer sich namentlich nach Osten und Nordosten hin gegen Angriffe der Bastarnen, nach Westen hin gegen die kurz zuvor an die Donau vorgedrungenen Boier zu verteidigen hatten, und dass namentlich Kriege mit diesen Völkern es waren, welche Strabon a. a. O. meint. Die Macht der Bastarnen und ihren Einfluss in den Gebieten der Donaumündung zeigt am besten ihre Unterstützung der mit Rom verbündeten, aber von dem Statthalter Makedoniens hart bedrückten Pontosstädte und ihr Sieg bei Istropolis über C. Antonius (im J. 62 v. Chr), Cass. Dio XXXVIII 10. LI 26. Jedenfalls ist diese Action der Bastarnen nicht denkbar, wenn schon damals, also ums J. 62 v. Chr., das dacische Reich die achtunggebietende Stellung eingenommen hätte, in welcher wir dasselbe kurz nachher sehen.
Iordanes (Get. 11, 67) lässt den Burbista schon regieren ums J. 82 v. Chr., als Sulla in Rom sich der Alleinherrschaft bemächtigte. Nach v. Gutschmids Untersuchungen (Kl. Schriften V 324) entlehnt Iordanes seine chronologischen Ansätze der Chronologie Cassiodors, welcher nach Geschlechtern rechnete und das Schema der Geschlechterrechnung auch für die spätere Zeit beibehielt, wo ihm genauere Bestimmungen über die Regierungsdauer der Könige fehlten. Nach v. Gutschmid hat Cassiodor den Burbista zu hoch hinaufgerückt. Jedenfalls tritt dieser König in unserer sonstigen Überlieferung erst lange nach Sulla hervor, und an der gut beglaubigten Thatsache, dass er ein Zeitgenosse Caesars gewesen ist, darf man nicht zweifeln. Die Frage, wann und wie [1959] er zur Regierung gekommen, kann nicht beantwortet werden, ebensowenig die Frage, wie lange die Reformen gedauert haben, durch welche er die tief gesunkene Macht der Dacer hob, sie an Zucht und Gehorsam wieder gewöhnte, ihre Kräfte stählte und übte und durch Hinarbeiten auf Nüchternheit und Mässigkeit auch ihre Sitten veredelte (Strab. VII 304). Zum Genossen an seinem Reformwerk hatte er den Priester Dekaineos (Strab. Iordan. aa. OO.).
Nach dieser reformatorischen Thätigkeit ging der König daran, seinem Volke unter den Nachbarn eine angesehene Stellung zu schaffen und indem er selbst erobernd vordrang, den Überfällen und Angriffen der umwohnenden Stämme ein Ende zu machen. Aber leider wissen wir zu wenig, um die praktischen Absichten des Königs erraten zu können.
Nun zunächst von seinem Verhältnis zu den Bastarnen erfahren wir nichts. Wenn aber Dio Chrysostomos (II p. 75 R.) erzählt, dass die Geten (in diesem Falle die Dacer) etwa ums J. 55 v. Chr. die am Hypanis gelegene und blühende griechische Stadt Olbia erobert und zerstört haben und in gleicher Weise mit allen griechischen Städten an der Westküste des Pontos Euxeinos bis herunter nach Apollonia verfahren sind, so leuchtet wohl ein, dass das mächtige Erstarken des dacischen Reiches unter Burbista dem noch wenige Jahre zuvor mächtigen Einfluss der Bastarnen in diesen Gegenden ein Ende gemacht hat.
Wir haben vorhin vermutet, dass die Dacer auch im Westen durch die Boier zu leiden gehabt hatten. Denn wenn Strabon (VII 313) berichtet, es sei zum Kriege wegen eines an der Theiss gelegenen Stückes Landes zwischen den Dacern und Boiern gekommen – φάσκοντες (nämlich die Dacer) εἶναι τὴν χώραν σφετέραν καίπερ ποταμοῦ διείργοντος τοῦ Παθίσου (so ist zu lesen, nicht Παρίσου) – so ist es klar, dass das strittige Land auf dem boischen, d. h. in diesem Fall auf dem rechten Ufer der Theiss lag, wenn dieser Fluss als Grenze zwischen beiden Völkern galt. Aber die Boier waren noch nicht lange zuvor in diese Gegend eingewandert und hatten das Land bis zur Theiss erobert und zwar, wie es der Anspruch der Dacer auf rechtsseitiges Gebiet dieses Flusses beweist, von den Dacern. Auf alle Fälle musste den Dacern die Besitzergreifung der Theissebene durch die Boier gefährlich gewesen sein und sie in viele Kriege und Händel verwickelt haben. Burbista begann Krieg mit ihnen, in dessen Verlauf er sie völlig vernichtete: die Reste der Boier wanderten aus, ihr Land auf dem rechten Ufer der Donau in Pannonien hiess noch später Βοίων ἐρημία, Strab. VII 304. 314. Burbista herrschte jetzt bis zur Donau, die Theissebene also war ganz in seiner Hand. Wann die Vernichtung der Boier durch Burbista stattfand, ist unsicher; neuerdings hat Niese Ztschr. f. d. deutsche Altertum XLII 154, wie mir scheint mit gutem Grund, dies Ereignis ums J. 60 v. Chr. gesetzt, womit Goos Siebenbürg. Archiv XIII 447 Anm. übereinstimmt. Goos hält auch die Taurisker, welche nach Strabon den Boiern beistanden und mit ihnen zusammen von Burbista bis zur Vernichtung geschlagen wurden, für Bewohner keltischen Stammes der nordungarischen [1960] Gebirgsgegend, also nicht für Bewohner der Alpen im späteren Noricum, wie man sonst allgemein annimmt. Es ist zu beachten, dass, wie wir gesehen haben, noch Ptolemaios im Nordwesten Daciens Teurisker anführt. Wie die Anarter, können auch die Teurisker durch den Einbruch der Iazygen weiter nach Osten geschoben sein.
Also Burbista scheint erst nach Westen gegen die Boier gefochten zu haben, bevor er den oben erwähnten Beutezug gegen die griechischen Colonien unternahm. Zwar hatten diese letzteren im J. 62 gegen Rom die Waffen ergriffen und den römischen Proconsul C. Antonius, der sie bedrückte, in einer Feldschlacht geschlagen, jetzt mussten sie aber doch gegen die Macht der Dacer Schutz suchen, welchen sie nirgendwo sonst finden konnten als bei Rom, mit welchem sie schon früher in einem Symmachieverhältnis gestanden hatten, wofür ich auf Dio XXXVIII 10 verweise. Dazu kam, dass die Dacer ihre Beutezüge bis Thracien, ja bis zur römischen Provinz Makedonien ausdehnten, Strab. VII 304. Suet. Caes. 44. Ohne allen Zweifel waren diese Verhältnisse für Caesar bestimmend, dass er kurz vor seinem Tode einen Krieg gegen die Dacer plante, wozu er schon Truppen nach Illyrien gesandt hatte; als er darauf selbst ermordet wurde, unterblieb der geplante Krieg, Strab. VII 298. Suet. Aug. 8. Appian. Illyr. 13; bell. civ. II 110.
Aber auch Burbista wurde ermordet, kurz vor oder nach Caesar, und was er geschaffen hatte, zerfiel mit ihm (Strab. VII 298). Er hatte den Namen der Dacer zu einem gefürchteten gemacht, genügte doch die Furcht vor ihnen und vor ihrem Einfall in Makedonien, dass man in Rom nach Caesars Tod die Provinz Makedonien dem Antonius übertrug, trotzdem eine dorthin entsandte Senatscommission bestätigen musste, zur Zeit keine Dacer in Makedonien gesehen zu haben, Appian. bell. civ. III 25.
Nach Burbistas Tod zerfiel sein Reich. An die Stelle des einen und geeinten dacischen Reiches traten anfangs 4, später 5 Teilherrschaften (Strab. VII 304). Zwar müssen wir darauf verzichten, Umfang und Lage derselben feststellen zu wollen, aber es begegnen uns doch in unserer Überlieferung, in der Zeit unmittelbar nach Burbistas Fall, mehrere Namen dacischer Könige, welche wir, da sie gleichzeitig auftreten, als Teilkönige, als Fürsten von Teilherrschaften, anzusprechen berechtigt sind. Es sind dies:
Cotiso. Nach Suet. Aug. 63 soll Antonius in seinen Memoiren berichtet haben, dass Octavian seine damals etwa fünfjährige Tochter Iulia dem Cotiso verlobt und des dacischen Königs Tochter zur Frau begehrt habe. Mag an dieser Geschichte etwas Wahres sein oder nicht, dass Cotiso ein dacischer Fürst gewesen ist, erfahren wir aus Horaz Ode II 8. 18 (occidit Daci Cotisonis agmen), welche zum 1. März des J. 29 v. Chr. gedichtet ist. Auch Florus (II 28) weiss von einem Cotiso zu berichten, obwohl die Verbindung, worin er denselben mit dem sicher später stattfindenden Feldzug des Lentulus bringt, offenbar falsch ist. Denn Horaz Worte lassen vermuten, dass auch Cotiso selbst mit zu Grunde ging und zwar, wie aus der Abfassungszeit der Ode hervorgeht, im J. 29 schon tot war. Des [1961] Florus Worte: Daci montibus inhaerent. inde Cotisonis regis imperio, quotiens concretus gelu Danuvius iunxerat ripas, decurrere solebant et vicina populari legen die Vermutung nahe, dass des Cotiso Fürstentum in Siebenbürgen, nicht in der Theissebene oder in der Walachei gelegen hat.
Dann Dikomes. Unmittelbar vor der Schlacht bei Actium riet Canidius dem Antonius die Seeschlacht aufzugeben und nach Thracien oder Makedonien abzumarschieren, um dort eine Landschlacht zu liefern: καὶ γὰρ Δικόμης ὁ Γετῶν βασιλεὺς ὑπισχνεῖτο πολλῇ στρατιᾷ βοηθήσειν (Plut. Ant. 63). Zwar heisst hier Dikomes König der Geten; aber auch Cotiso wird bald als Dacer (Hor. od. II 8, 18. Flor. II 28), bald als Gete bezeichnet (Suet. Aug. 63), wie überhaupt so oft diese beiden Volksnamen als Synonyma gebraucht werden. Dass Dikomes aber in der That Dacer im engeren Sinne war, also dem transdanuvianischen Volksstamme angehörte, erhellt, scheint mir, aus Cass. Dio LI 22: οὗτοι οὖν οἱ Δακοὶ (das sind nach Dios ausdrücklicher Erklärung die Bewohner des linken Donauufers) ἐπρεσβεύσαντο μὲν πρὸ τοῦ χρόνου τούτου πρὸς τὸν Καίσαρα, ὡς δ’ οὐδενὸς ὧν ἐδέοντο ἔτυχον ἀπέκλιναν πρὸς τὸν Ἀντώνιον, welchem sie aber auch keine nennenswerte Hülfe leisteten, weil sie unter sich in Hader und Zwietracht lebten (στασιάσαντες ἐν ἀλλήλοις). Das war vor der actischen Schlacht; zwar macht es nach Dio den Eindruck, als ob die Gesamtheit des dacischen Volkes (οὗτοι οὖν οἱ Δακοί) zuerst dem Octavian, dann dem Antonius ihre Hülfe angeboten habe. Aber der von Dio angegebene Grund für die mangelhafte Ausführung dieser Hülfesendung, nämlich die στάσις ἐν ἀλλήλοις, zusammengehalten mit den oben angeführten Worten des Strabon, zeigt doch, dass nicht mehr ein Mann von starkem Willen und klarer Einsicht die Dacer regierte, dass vielmehr statt des einheitlichen und straffen Regiments die Ansichten und Sonderbestrebungen mehrerer Männer Geltung gewonnen hatten. Dios Worte στασιάσαντες ἐν ἀλλήλοις werden sicher mit Recht auf die seit Burbistas Tod, also seit mehr als einem Decennium vor der actischen Schlacht, eingetretene Teilung des dacischen Reiches in mehrere Fürstentümer bezogen. Zwei dieser Teilfürsten, den Cotiso und den Dikomes, haben wir kennen gelernt; einen dritten namens Scorylo Dacorum dux nennt Frontin. I 10, 4. Dieser Scorylo – Bentley zu Hor. od. II 8, 18 wollte Cotiso schreiben, das ist nicht nötig; einen Mannsnamen Scorilo ... domo Dacus bezw. Scerulo nennen die auf dacischem Sprachgebiet gefundenen Inschriften, Jahreshefte des österr. arch. Instituts II Beih. 65 und CIL III 6145, vgl. noch den Namen des dacischen Königs Coryllus bei Iordan. 12, 73, welchen v. Gutschmid Kl. Schriften V 325 mit Scorylo identificiert, was mir richtig scheint – riet seinem Volke vom Kriege gegen Rom ab, cum sciret dissociatum armis civilibus populum Romanum, weil durch einen auswärtigen Krieg die innere Zwietracht, natürlich bei den Römern, hätte beigelegt werden können. Offenbar wird mit der angegebenen Zeitbestimmung auf den Krieg des Octavian und Antonius hingewiesen, nicht, wie v. Gutschmid will, auf den Militäraufstand in Pannonien bald nach Tibers Thronbesteigung, die [1962] arma civilia gehen doch auf den Bürgerkrieg. Das Beispiel dieses Scorylo kann gut die στάσις ἐν ἀλλήλοις bei Dio illustrieren und mag zeigen, in welcher Richtung und durch welche Factoren die Actionsfähigkeit der Dacer gerade in dieser Zeit gelähmt wurde. Jedenfalls ist die gangbare Annahme, dass nach Burbista noch Cotiso König des Gesamtvolkes gewesen sei, nicht begründet.
Den Krieg gegen die Dacer, welchen Caesar geplant hatte, wollte Octavian zur Ausführung bringen. Als er in den J. 35/34 v. Chr. die Iapuden und Pannonier unterwarf und die Stadt Segeste eroberte, lag ihm an dem Besitz dieser Stadt besonders viel, weil er sie als Stützpunkt in dem von ihm beabsichtigten Kriege gegen die Dacer verwenden wollte, Appian. Illyr. 22. Strab. VII 313. Octavian wollte damals also offenbar von Westen her nach D. vordringen.
Dieser Krieg kam aber nicht zur Ausführung. Dagegen kämpfte im J. 29 v. Chr. Marcus Crassus an der unteren Donau. In den einleitenden Worten, womit Cassius Dio diesen Feldzug des Crassus zu beschreiben beginnt (LI 22), gebraucht er die Wendung: τοῖς τε Δακοῖς καὶ τοῖς Βασταρναῖς ἐπολέμησε, welche doch auffallend an Appians (Illyr. 22) Worte: τὸν Δακῶν καὶ Βαστερνῶν πόλεμον erinnern, womit er den von Octavian im J. 35/34 v. Chr. beabsichtigten Krieg meint. In der That hat aber Crassus die Donau nicht überschritten und nur südlich der Donau die Bastarnen zusammengehauen und getische Stämme und getische Fürsten bekriegt und unterworfen. Hiermit stimmen die Triumphalfasten (CIL I² 180) M. Licinius ... Crassus pro cos. ex Thraecia et Geteis IV. non. Iul. Man darf wohl annehmen, dass in einem officiellen Document, wie es die Triumphalfasten sind, auch die Namen der unterworfenen Völker richtig genannt sind, dass wir es also hier wirklich mit Geten und nicht mit Dacern, welche von griechischen Schriftstellern so oft Geten genannt werden, zu thun haben. Dann sind Dios Worte: τοῖς τε Δακοῖς καὶ τοῖς Βαστάρναις ἐπολέμησε entweder eine Reminiscenz an den von Augustus beabsichtigten, aber nicht ausgeführten Krieg, oder aber Dio hat denselben Fehler, welchen er selbst an den Griechen tadelt, die Geten nennen, wo es Dacer heissen muss (LXVII 6), begangen, nur umgekehrt, dass er Dacer nennt, wo es sich um wirkliche Geten handelte. Crassus Feldzug berührte das eigentliche Dacien nicht; über die Geten, welche er an der unteren Donau bekriegte, ist hier nicht zu handeln.
Um wirkliche Geten, nicht um fälschlich Geten genannte Dacer wird es sich auch handeln in dem Feldzug eines unbestimmten Jahres, welchen Cornelius Lentulus führte und welcher ihm die triumphalia de Getis einbrachte, Tac. ann. IV 44. Auch hier finden wir, wie oben in den Triumphalfasten bei Crassus, den Ausdruck de Getis, welcher doch sicher auf die officiellen Listen zurückgeht. Zwar erwähnt auch Florus (II 28) den Lentulus und zwar in Verbindung mit dem oben erwähnten Dacerfürsten Cotiso und dessen Einfällen ins römische Gebiet über die gefrorene Donau. Aber so lange nicht aus anderen Quellen bewiesen ist, dass Cotiso nach dem J. 29 v. Chr. lebte, wird man annehmen dürfen, dass er in diesem Jahre, in dem Horaz sang: occidit Daci Cotisonis agmen, [1963] tot war. Dass der Feldzug des Lentulus, welcher erst im J. 18 v. Chr. Consul war, nicht ins J. 29 v. Chr. fällt, leuchtet von selbst ein. Ich bin daher geneigt anzunehmen, dass Florus fälschlich Cotiso und den Lentulus in Verbindung gebracht hat, dass vielmehr das von ihm über die beiden Männer Berichtete chronologisch in verschiedene Zeiten gehört.
In der Zeit des Augustus werden noch mehreremale die Dacer erwähnt. Nach Strabon (VII 303) soll Aelius Catus 50 000 Leute vom jenseitigen Ufer der Donau, παρὰ τῶν Γετῶν, in Thracien angesiedelt haben. Darunter sind wohl Dacer zu verstehen, wie ja gerade Strabon meist dieselben Geten nennt. Auf denselben Vorgang scheint Cass. Dio LI 22 anzuspielen, sonst ist er in der Überlieferung ganz unbekannt. Jüngst hat Premerstein (Die Anfänge der Provinz Moesia, in der Beilage zu den Jahresheften des Öster. arch. Instituts I 157) diesen Aelius Catus in dem bei Dio LIV 20 genannten Λούκιος Γάιος, wofür er Λούκιος Κάτος liest, wiedererkennen wollen. Ist dies richtig, so fällt die Verpflanzung der rechtsdanuvischen Dacer aufs linke Donauufer ins J. 16 v. Chr.
Dann traten die Dacer wieder hervor in dem Aufstand der Pannonier. Zum J. 16 v. Chr. berichtet Dio (LIV 36) von einem Einfall der Dacer in Pannonien; sie überschritten die zugefrorene Donau und brachten aus Pannonien eine reiche Beute heim. Im Monumentum Ancyranum (5, 47) berichtet Augustus gleichfalls von einem Einfall der Dacer in das Land am rechten Donauufer; hierbei wurde das dacische Heer zurückgeschlagen und besiegt.
Aber nicht genug damit. Gleichzeitig oder wenig später liess Augustus seine Heere über die Donau setzen; die Dacer wurden zur Anerkennung der römischen Oberherrschaft gezwungen: et postea trans Danuvium ductus exercitus meus Dacorum gentes imperia populi Romani perferre coëgit, wo die Ergänzungen durch die griechische Übersetzung gesichert sind. Hierauf bezieht sich wohl Strabon (VII 304): ῥεῖ δὲ ... Μάρισος; (es ist nicht die siebenbürgische Marosch, sondern, wie der Zusammenhang lehrt, die heutige Theiss gemeint). ᾧ τὰς παρασκευὰς ἀνεκόμιζον οἱ Ῥωμαῖοι τὰς πρὸς τὸν πόλεμον und ἡνίκα ἔπεμψεν ἐπ' αὐτοὺς (nämlich die Dacer) στρατείαν ὁ Σεβαστὸς Καῖσαρ. Auch der von Sueton (Aug. 21) berichtete Vorgang, dass der Kaiser den Einfällen der Dacer mit Erfolg gewehrt habe, wobei drei ihrer Führer mit vielen Leuten ums Leben kamen, wird hierher gehören. Allerdings die Unterwerfung der Dacer, von der Augustus spricht, war keine vollständige, wenn man überhaupt von einer Unterwerfung sprechen darf. Besiegt und geschlagen werden sie sich zur Respectierung der römischen Grenzen und zum Verzicht auf ihre Einfälle verstanden haben. Aber sobald sie sich von diesem Schlage erholt hatten und eine günstige Gelegenheit, welche Erfolg versprach, sich ihnen bot, begannen sie wieder ihre Raubzüge und ihre Einfälle in römisches Gebiet. In dem furchtbaren Aufstand der Pannonier, welcher von 6–9 v. Chr. dauerte, fehlten auch die Dacer nicht. Diesmal machten sie einen Einfall nach Moesien, woraus Caecina Severus sie herausschlug (Dio LV 30). [1964] Gegen das Ende der Regierung des Augustus erwähnt noch Orosius VI 22, 2 eine Dacorum commotio. Mit dieser Notiz verbindet v. Domaszewski Neue Heidelberger Jahrb. I 190 die von Ovid. ex Ponto IV 7 und I 8 erwähnten kriegerischen Ereignisse. Wenn Josephus (bell. Iud. II 369) sagt, dass die zwei illyrischen Legionen genügt hätten, nicht nur die Illyrier in Ruhe zu halten, sondern auch die Dacer von ihren Einfällen abzuhalten, so mag sich das auf ruhige Zeiten beziehen, in unruhigen Zeitläuften war das anders. Da rührten sich sofort die Dacer, wie wir dies eben beim Aufstand der Pannonier sahen. Auch im J. 69 n. Chr., als die Provinz Moesia von Truppen entblösst war und mehrere Thronbewerber um das Diadem fochten, hatten die Dacer die Donau überschritten, die Lager der Cohorten und Alen erobert und wollten eben die Legionslager zerstören, als Mucianus mit der legio VI ferrata auf seinem Marsch vom Orient nach Italien durch Moesien kam und die Dacer wieder zurücktrieb (Tac. hist. III 46). Das sind feindliche Berührungen der Römer mit den Dacern, die gerade dieses ihres Charakters wegen in den Annalen der Geschichte aufgezeichnet wurden. Wie in ruhigen Zeiten die Verhältnisse sich gestalteten und sich heranbildeten, erfahren wir nicht. Man darf wohl behaupten, dass mit der allmählichen Romanisierung des ganzen rechten Donauufers und der Aufrichtung römischer Castelle und Lager von Viminacium bis zur Donaumündung die früher so beliebten Einfälle der Dacer aufhörten. Ja es scheint sogar, als ob teilweise wenigstens freundliche Beziehungen zwischen beiden Völkern, den Römern und den Dacern, sich herausgebildet hätten. Es steht heute fest, dass der Ort Drobetae auf dem linken Donauufer municipium Flavium hiess (CIL III Suppl. 8017); er muss also in flavischer Zeit Municipalrechte bekommen haben. Freilich weiss man nicht durch welchen Flavier. Aber man darf wohl schliessen, dass die römische Colonisation schon in flavischer Zeit auf das linke Donauufer hinübergegriffen und dass römische Handelsleute und Ackerbauer schon damals sich dort festgesetzt hatten, vgl. v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 241. Mit dieser Thatsache vereinigen sich trefflich einige Notizen, welche zufällig erhalten, bisher noch nicht in diesem Zusammenhange beachtet sind. Ich meine die Notiz des Iordanes (13, 76): foedus quod dudum cum aliis principibus pepigerant Gothi solventes (Gothi sind hier die Dacer) und die Inschrift des Plautius Aelianus (CIL XIV 3608), welcher in der letzten Zeit des Nero in Untermoesien commandierte. Von ihm heisst es – wir übergehen hier seine Beziehungen zu den übrigen transdanuvischen Völkerschaften – regibus Bastarnarum et Rhoxolanorum filios, Dacorum fratrum captos aut hostibus ereptos remisit, ab aliquis eorum opsides accepit; Vollmers Erklärung (Rh. Mus. LIII 636) des fratrum als sociorum (s. o.) eröffnet uns das volle Verständnis dieser Stelle. Darnach hat Plautius den Königen der mit den Römern verbündeten Dacer ihre früher von den Römern gefangenen oder ihre in die Hände der Feinde geratenen und bei den Kriegszügen des Plautius jenseits der Donau wieder daraus befreiten Leute zurückgeschickt und [1965] von einigen derselben – das sind doch Dacer, welche nicht mit den Römern verbündet waren – Geiseln empfangen. Der Gegensatz captos aut hostibus ereptos lässt bei captos nur an dacische Gefangene bei den Römern denken. Daraus kann man wohl schliessen, dass das durch fratrum angedeutete Bündnis ein Werk des Plautius und dass die Herausgabe der Gefangenen eben eine Folge dieses Bündnisses war. In einem anderen Zusammenhange habe ich schon oben auf die Stelle des Dio hingewiesen, wo unter Traian von Buri καὶ ἄλλοι τῶν συμμάχων die Rede ist. Sind, wie ich oben andeutete, die Buri Bewohner des Altthales, dann sind die in Verbindung mit ihnen genannten σύμμαχοι selbstverständlich auch dacische Stämme, welche den Buren benachbart waren. Das sind einige wenige Spuren, welche aber wohl zu dem Schluss berechtigen, dass mindestens seit Nero freundliche Beziehungen zwischen Römern und Dacern sich angebahnt hatten, dass die römische Politik auch hier Wege ging, die ihr auch sonst nicht fremd waren, nämlich Zwiespalt in die Masse der Feinde zu bringen, um mit dem einen Teil derselben verbündet den übrigen desto ungefährlicher zu machen. Es bedarf wohl kaum noch des Hinweises, dass eine im Schyl- und Altthal sich allmählich ausbreitende römische Colonisation und Cultur, wovon das municipium Flavium Drobetae ein Beispiel ist, eine wesentliche Stütze in dem Bündnis der Römer mit dacischen Stämmen gefunden haben muss.
Aber diese freundlichen Beziehungen nahmen ein jähes Ende. An die Spitze der Dacer oder doch wenigstens eines grossen Teiles derselben trat ein Mann von ungewöhnlicher Thatkraft und Energie. Ähnlich wie einst Burbista, wusste auch Decebalus dem dacischen Namen Achtung zu verschaffen und die dacische Nation noch einmal zu einigen. Unter Decebalus hört man nur von ihm, Decebalus ist für einige Jahrzehnte die alle anderen überragende Persönlichkeit in Dacien. Cassius Dio (LXVII 6) schildert ihn als einen kriegserfahrenen und kriegsgewandten Mann, der den für einen Angriff wie für einen Rückzug günstigen Zeitpunkt abzupassen verstand, der Überfälle zu machen so gut wie eine Schlacht zu liefern vermochte und den Sieg auszunutzen wie aus einer Niederlage sich wieder zu erheben gelernt hatte. Er war ein Organisator, der ein Heer sich zu schaffen und dasselbe auch kriegstüchtig zu machen verstand. Römische Architekten und Werkleute nahm er bei sich auf und baute mit ihrer Hülfe Kriegsmaschinen und Festungen, römische Überläufer stellte er in seine Armee ein und machte seinen Dacern die Vorteile der römischen Kriegskunst zu eigen. Über die an seinen Namen sich anschliessende Controverse s. den Artikel Decebalus, wo man auch das Nähere über seinen Regierungsantritt sehe.
Obgleich ein König Dorpaneus oder Diurpaneus anfangs in dem grossen Krieg der Dacer gegen die Römer genannt wird (Oros. VII 10. Iord. Get. 13, 76), tritt doch in der Folge Decebalus allein hervor. Von Dorpaneus ist weiter keine Rede mehr. Die Ursache dieses Krieges ist unbekannt; über die Zeit desselben s. jetzt die sorgfältigen Untersuchungen von Gsell L’empereur Domitien 212, darnach dauerte er etwa von 85–89 n. Chr. [1966] Er begann mit einem Einfall der Dacer in Moesien, dem der dortige Statthalter Oppius Sabinus zum Opfer fiel. Mit der Führung des Krieges betraute Domitian seinen Praefectus praetorio Cornelius Fuscus. Die Dacer wurden wieder aus der Provinz Moesien hinausgetrieben. Dann überschritt Fuscus mit seinem Heere auf einer Schiffbrücke die Donau und rückte seinerseits in das Land der Dacer ein. Gleich beim ersten Zusammentreffen wurden die Römer völlig geschlagen, ihr Feldherr fiel und eine grosse Beute wurde von den Dacern gemacht, Iordan. 13, 78. Gsell a. a. O. 214 nimmt an, gestützt auf Dio LXVIII 9, dass diese grosse Schlacht im Thal der Temes und der Bistra zwischen Tapae (d. i. dem Eisernen Thorpass) und der Hauptstadt Sarmizegetusa statthatte. Das ist nicht richtig. Denn seitdem Cichorius (Traianssäule Bild 61, Text II 276) nachgewiesen hat, dass die von Dio unmittelbar vorher berichtete Gesandtschaft der pileati an Traian ins zweite Kriegsjahr fällt und dass dieselbe in der Gegend der oberen Aluta, an dem Südabhang der Karpathen vor dem Rotenturmpass, statthatte, ist es klar, dass auch Fuscus, am Lauf der Aluta vordringend, durch den Rotenturmpass D. zu erreichen suchte, denn hier fand nach Dio a. a. O. Traian τά τε ὅπλα τά τε μηχανήματα καὶ τὰ αἰχμάλωτα τό τε σημεῖον τὸ ἐπὶ τοῦ Φούσκου ἁλόν. Wäre Fuscus, wie Gsell meint, durch das Thal der Temes vorgedrungen, um den Eisernen Thorpass zu erreichen, und hätte hier die Vernichtungsschlacht stattgefunden, so begreift man nicht, warum die Dacer ihre dem Fuscus abgenommene Beute in die Gegend des Rotenturmpasses und nicht vielmehr in ihre Hauptstadt Sarmizegetusa brachten, wenn sie dieselbe überhaupt nicht da lassen wollten, wo sie sie erbeutet hatten.
Nach des Fuscus Tode kam Domitian noch einmal selbst auf den Kriegsschauplatz, aber auch diesmal übernahm er nicht den Oberbefehl. Tettius Iulianus führte den Krieg und drang ins Feindesland ein, bei Tapae schlug er den Decebalus. Iulian also hatte, wie später Traian, den Weg durch das östliche Ungarn gewählt, um durch das Westthor Siebenbürgens einfallend den Feind in seinem eigenen Lande zu bekriegen. Nach der Schlacht bei Tapae war die Hauptstadt Decebals, Sarmizegetusa, bedroht; die Lage war kritisch für den König, welcher schon vorher um Frieden gebeten, aber mit seinen Anträgen sich hatte zurückweisen lassen müssen (Dio LXVII 7). Jetzt rettete ihn Domitians Niederlage durch die Markomannen. Es kam zum Frieden. Decebalus gab die erbeuteten Waffen und einige Gefangene (also nicht alle, wie Dio ausdrücklich sagt) heraus, und Domitian setzte dem dacischen Abgesandten Diegis die Krone auf – offenbar erkannte Decebalus scheinbar die römische Oberhoheit an, in Wahrheit konnte davon keine Rede sein, da Domitian nicht nur zu einer einmaligen Geldzahlung sich verstand, sondern stets Gelder zahlen zu wollen versprach.
Dieser für Rom schmachvolle Zustand musste ein Ende nehmen, als nach dem Tode des Domitianus und der kurzen Regierung des Nerva ein starker und kriegserfahrener Mann den römischen Kaiserthron bestieg. Bald nach dem Regierungsantritt des Traian begann denn auch der Krieg [1967] gegen die Dacer und Decebalus. Der erste Krieg währte von 101–102 n. Chr. und endete mit einem Frieden, worin Decebal das in den beiden Feldzügen von den Römern besetzte Gebiet ihnen abtrat – damit kamen die Striche vom Eisernen Thorpass bis zum Altfluss und damit die wichtigsten Pässe, ausser dem genannten noch der Rotenturmpass und der Vulcanpass, in die Hände der Römer – die Waffen und die Kriegsgeräte, wie die römischen Werkleute und Überläufer herauszugehen, seine Festungen zu schleifen und auf eine selbständige Politik zu verzichten versprach. Aber ein dauernder Zustand war damit nicht geschaffen. Decebalus hatte, der Not gehorchend und besiegt, in diese Bedingungen gewilligt; sobald Traian selbst abgerückt war, begann er von neuem zu rüsten und nach Bundesgenossen sich umzusehen. Das führte zum zweiten Krieg, von 105–107 n. Chr. Abermals drang Traian an der Spitze seines Heeres in Dacien ein, nach tapferer Gegenwehr wurde Decebalus besiegt und tötete sich darauf selbst. Seinem Beispiel folgten viele seiner Genossen und Kriegsgefährten. Diesmal behielt Traian das eroberte Land und machte es zur römischen Provinz. Die Thaten Traians sind auf der Traianssäule in Rom dargestellt, die jetzt von Cichorius herausgegeben wird. Bis jetzt liegt je ein Band Text und Tafeln vor, worin der erste Krieg dargestellt ist. Vortrefflich ist es Cichorius gelungen, den Gang des Krieges aus den Bildern wieder lebendig zu machen; hierauf verweise ich für alles Detail.
Das römische Dacien. Die Einrichtung der römischen Provinz D. erfolgte sofort nach der Besiegung und dem Tode des Königs Decebalus. Die langen Kriege hatten zu einer Entvölkerung des Landes geführt, auch hatten viele entweder dem Beispiel ihres Königs folgend sich das Leben genommen oder sich ausser Landes geflüchtet, um auf diese Weise der Fremdherrschaft zu entgehen und ihre lange tapfer verteidigte Freiheit sich zu erhalten. Das war der Grund, warum Traian aus dem ganzen Reiche Colonisten nach D. verpflanzte, um, wie Eutrop (VIII 6) sich ausdrückt, die Äcker zu bestellen und die Städte zu bevölkern, er hätte hinzufügen können, auch um die reichen Schätze des siebenbürgischen Erzgebirges auszubeuten. Denn gerade unter diesen Colonisten finden wir die als Bergleute bekannten Pirusten aus Dalmatien und von ihnen bevölkert und bewohnt den Vicus Pirustarum im Gebiet der Goldbergwerke beim heutigen Verespatak. Jung Römer und Romanen 107. Daneben bezeugen viele Inschriften die Verpflanzung von Asiaten, wie Leuten aus Kommagene, Palmyra, Syrien nach D., die auch ihre heimischen Culte mitbrachten. Daher sind hier Weihungen für Mithras besonders häufig, neben ihm begegnen auch andere asiatische Gottheiten wie Balmarcodes CIL III Suppl. 7680 und Malagbel CIL III Suppl. 7954, um nur einige Beispiele anzuführen. Es verdient hier wohl hervorgehoben zu werden, dass Traian, die Wichtigkeit der neuen Provinz würdigend, auch auf andere Weise dieselbe zu heben suchte; er baute Strassen – so von Potaissa nach Napoca, CIL III 1627 –, hob durch Privilegien und Gerechtsame schon bestehende Städte – so erhielten Tsierna und die alte Königsstadt Sarmizegetusa die Gerechtsame [1968] einer römischen Colonie, Ulp. Dig. L 15, 1, 9 – und förderte den Bau und die Anlage neuer Ansiedlungen.
Gleichzeitig begann man aber auch Castelle zu bauen, um das mit grossen Opfern erworbene Land in Verteidigungszustand zu setzen und dasselbe vor den Einfällen der umwohnenden Barbaren zu schützen. Auf Traians Thätigkeit in dieser Hinsicht weisen die Castra Traiana an der Aluta hin, unter Hadrian und Pius wurden nach neugefundenen Inschriften gleichfalls an der Aluta zu Raconitza-Copačeni und Bivolarie castra gebaut, bezw. schon vorhandene vergrössert (Arch.-epigr. Mitt. XVII 225), und unter Philippus wurde die Colonie Romula (heute Réčka) mit einer Mauer umgeben (CIL III Suppl. 8031). So zog sich an der Aluta hinauf ein Ring von Castellen. Auch im Westen auf der alten Verkehrsstrasse, welche von Tsierna (Orsova) aus durch die Teregovaer Schlüssel sich nach Norden zieht, um durch den Eisernen Thorpass die alte Hauptstadt Sarmizegetusa zu erreichen, sind bis jetzt in Tsierna und in ad Mediam (CIL III Suppl. 8074, 10. III 1577 = Suppl. 8010) Militärstationen nachgewiesen. Auf diesen Verteidigungslinien im Westen und Osten beruhte die Verbindung des siebenbürgischen Hochlandes mit der Donau und den alten römischen Provinzen Ober- und Untermoesien. Auf diese Weise war auch die Rückzugslinie der im eigentlichen Siebenbürgen stationierten Truppen gesichert. In Siebenbürgen selbst zogen sich in weitem Bogen um die Legionslager Apulum und Potaissa Castelle, die vorwiegend dem Charakter des Landes entsprechend Thalsperren waren; das ist besonders im Osten der Fall, wo ,die Thalöffnungen sämtlicher von den Karpathen herabfallender Flussläufe als ebensoviele Einfallsthore der Barbaren durch Castelle gesperrt‘ waren, deren 14 Jung Fasten der Provinz Dacia 137 aufzählt. Im Norden lag am Fluss Szamos eine Reihe von Castellen, während im Nordwesten ein mit Wachttürmen versehener Limes sich hinzog, welcher von Kis Sebes an der Körös bis Tihó an der Szamos in einer Länge von 65 km. auf den Kämmen der Meszeser Gebirgskette von Torma nachgewiesen ist. Hinter diesem Limes lagen Castra, deren sieben bis jetzt bekannt sind (s. Ungarische Revue 1882, 278; der Originalaufsatz Tormas: a Limes dacicus felsö resze und die dazu gehörige, für das genauere Studium unentbehrliche Karte finden sich in Értekezések a történelmi tudományok köréböl IX 1882). Zweifel an Tormas Angaben über diesen Limes äussert v. Domaszewski zu CIL III Suppl. 7633. Über das Verteidigungssystem im ganzen vgl. noch v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 240 und E. Ritterling DLZ 1895 nr. 50.
Über die Grenzen des vorrömischen Daciens ist oben gesprochen worden. Die römische Provinz D. wurde nicht in dem Umfange, wie ihn das Reich des Burbista oder Decebalus gehabt hatte, constituiert; man beschränkte sie auf das Bergland Siebenbürgen und die kleine Walachei. Die Aluta bildete gegen Osten die Grenze der römischen Provinz; am ganzen Laufe derselben lagen Castelle, um das Land zu verteidigen, an der Aluta zog sich auch die Zolllinie hin, s. v. Domaszewski Arch.-epigr. Mitt. XIII 137. Über [1969] neuerdings an der Aluta gefundene und entdeckte Castelle und Lager zu Slaveni, Radacinesti, Copačeni, Bivolaria, vgl. Arch.-epigr. Mitt. XIX 81. XVII 82. 225. XV 12. 13. Die grosse Walachei also, östlich von der Aluta und südlich vom Gebirge, gehörte nicht zur Provinz D., wurde vielmehr zu dem niedermoesischen Militärcommando gerechnet und war der Hut der niedermoesischen zu Novae, Durostorum und Troesmis stationierten Legionen anvertraut, s. v. Domaszewski a. a. O. und Tocilescu Arch.-epigr. Mitt. XIV 15, welcher in dem Orte Gradištea, District Prahova, ein römisches Lager und darin Ziegelstempel der niedermoesischen Legionen, nämlich der leg. V Macedonica, leg. I Italica und leg. XI Claudia p. f. gefunden hat. Ganz offenbar liegt dem Iordanes eine Quelle zu Grunde, worin Aluta als Ostgrenze aufgeführt war; Iordanes nämlich giebt zweimal den Umfang Daciens an und zwar das einemal (12, 74) dessen Grenzen nach den umwohnenden Völkern, das anderemal (5, 33) nach den Flüssen bestimmend; ausdrücklich aber weist er darauf hin, dass er nicht etwa die Grenzen des zu seiner Zeit existierenden Gepidenreiches, sondern diejenigen des früheren Daciens – 12, 74 hanc Gothiam quam Daciam appellavere maiores, quae nunc ut diximus Gepidia dicitur, tunc ab Oriente Roxolani, ab occasu Iazyges, a septentrione Sarmatae et Bastarnae, a meridie amnis Danubii terminabant und Daciam dico antiquam quam nunc Gepidarum populi possidere noscuntur – meint. Dieses alten Daciens östliche Nachbarn waren also die Roxolanen, seine westlichen die Iazygen; nun fährt Iordanes fort: nam Iazyges ab Roxolanis Aluta tantum fluvio segregantur. Davon weiss aber sonst niemand etwas, dass die Iazygen je bis zum Altfluss gereicht hätten, ebensowenig aber auch davon, dass die Roxolanen je die grosse Walachei besessen und an der Aluta mit den Iazygen gegrenzt hätten. An der andern Stelle 5, 33 ist die Theiss Nord- und Westgrenze, die Donau wie immer Südgrenze, dagegen im Osten Flutausis secat qui rapidus ac verticosus in Istri fluenta furens divolvitur. Dass Flutausis aus Aluta oder wohl fl(umen) Aluta verderbt ist, hat man lange erkannt; schon die Ähnlichkeit der eben angezogenen Stelle (nam Iazyges ab Roxolanis Aluta tantum fluvio segregantur) zeigt, dass auch hier als Ostgrenze die Aluta gemeint ist, jedenfalls verbietet sie die Correctur Schuchardts (Arch.-epigr. Mitt. IX 225, 45) von Flutausis in Hierasus, welcher bekanntlich nach Ptolemaios die Ostgrenze des unabhängigen Daciens war. In beiden Stellen ist Aluta zu verstehen als östliche Grenze des römischen Daciens. Und während das nach den Flussläufen umschriebene Dacien im grossen und ganzen mit der römischen Provinz zusammenfällt, ist an der anderen Stelle durch Einschiebung der an sich guten Nachricht, dass einmal die Aluta die Ostgrenze Daciens bildete, unter die aus einer ganz anderen Quelle stammenden Nachrichten von den Grenzvölkern Daciens der Unsinn entstanden, wie Iordanes ihn in den Worten wiedergiebt: nam Iazyges ab Roxolanis Aluta tantum fluvio segregantur.
Auch im Westen reichte das römische Dacien nicht mehr ganz bis zur Theiss, welche vorher [1970] Westgrenze der Dacer gewesen war (s. o.). Die Zolllinie, deren Stationen v. Domaszewski Arch.-epigr. Mitt. XIII 142 in Tsierna (Orsova), ad Mediam (Mehadia), Pons Augusti, Sarmizegetusa, Micia (Večzel) und Ampelum (Zalatna) nachgewiesen hat, war zugleich Landesgrenze. Es ist aber wohl zu beachten, dass weder Sarmizegetusa, die Hauptstadt des Landes, noch Ampelum, der Hauptort des Golddistrictes, unmittelbar auf oder an der Grenze gelegen haben werden, dass vielmehr die von Tsierna über Mehadia und Pons Augusti geführte Linie in gerader Fortsetzung Micia (Večzel) trifft und dass weiter eine von Večzel in gerader Fortsetzung gedachte Linie an der Körös bei Kis Sebes auf den oben erwähnten Limes trifft. Also diese Linie wird im Westen die Grenze gebildet und Sarmizegetusa sowohl als Ampelum nicht in unmittelbarster Nähe derselben gelegen haben; übrigens sind beide Orte nicht wie z. B. Micia und Pons Augusti ausdrücklich als statio genannt, also wohl auch nicht Zollstationen; jedenfalls folgt dies nicht notwendig aus den dafür angeführten Inschriften (CIL III Suppl. 7429 und 7837). Im Nordwesten bildete jedenfalls der oben erwähnte Limes die Grenze. Der westliche Teil des siebenbürgischen Randgebirges und die ganze Tiefebene an der Theiss und Temes gehörten nach v. Domaszewski (a. a. O. und Rh. Mus. XLVIII 240) zu Moesia superior, ähnlich wie das Land östlich der Aluta zu Moesia inferior gehörte.
Die neue Provinz wurde von einem Statthalter, welcher praetorischen Rang hatte, verwaltet. Ihm unterstand eine Legion und zwar die legio XIII gemina, und ausserdem hatten zahlreiche Auxilien ihre Standquartiere in der Provinz. Die Provincialhauptstadt war Sarmizegetusa.
Nach Traian zuerst unter Hadrian im J. 129 n. Chr. (MD 13) finden wir D. in zwei Verwaltungsgebiete geteilt, in D. superior und D. inferior.
D. superior umfasste das eigentliche Siebenbürgen mit der Hauptstadt Sarmizegetusa (CIL III 753 = Suppl. 7429). Hier lag die Legion, hier stand an der Spitze der Verwaltung der praetorische Legat, welchem die Entlassung der Veteranen obliegt, s. das MD 67 vom J. 158 = CIL III Suppl. p. 1989: qui sunt in Dacia superiore et sunt sub Statio Prisco leg. Darnach ist MD 66 vom 13. Dec. 157 n. Chr. zu corrigieren. Unter dem Legaten stand wie sonst auch ein Procurator: etwa im J. 160 n. Chr., jedenfalls einige Jahre vor 166 war T. Desticius Severus proc. Aug. Daciae superior. CIL V 8660.
D. inferior umfasste die kleine Walachei. Das geht zweifellos aus den jüngst an der Aluta gefundenen Inschriften hervor, welche Truppenkörper, unter ihnen einen numerus burgariorum et veredariorum Daciae inferioris unter dem Commando eines Procurator Augusti nennen. Dieselben Inschriften nennen Suri sagittari sub T. Fl. Constante proc. Aug., den schon erwähnten numerus burgariorum et veredariorum sub T. Fl. Constante proc. Aug. im J. 138 und im J. 140 n. Chr., denselben numerus burg. et vered. per Aquilam Fidum proc. Aug., Arch.-epigr. Mitt. XVII 225. 226. XIV 13. Nehmen wir hiezu das MD 13 [1971] vom J. 129 n. Chr.: sunt in Dacia inferiore sub Plautio Caesiano, so ist es klar, dass die Verwaltung von D. inferior von einem Procurator Augusti geleitet wurde, welcher natürlich einen höheren Rang als sein dem Legaten unterstehender College in D. superior hatte. Der Procurator von D. inferior war ein Procurator praesidialen Charakters und hatte das ius gladii. Wie sein Verhältnis zum Legatus Augusti war, ist nicht ausdrücklich überliefert; doch war er wohl selbständig und nicht demselben untergeordnet. Anderer Ansicht ist v. Domaszewski Rh. Mus. XLVIII 240.
Eine fernere Veränderung in der Verwaltung trat in den ersten Jahren der Regierung des Marcus Aurelius ein. Es wurde eine zweite Legion – die früher in Untermoesien stationierte legio V Macedonica – nach Dacien gelegt. Ihre Garnison war in Potaissa. An der Spitze der Verwaltung stand nunmehr ein Statthalter von consularem Rang, entsprechend dem Grundsatze, dass Praetorier Provinzen mit blos einer Legion, Consulare aber Provinzen mit deren zwei oder mehreren verwalten sollten. Sein Titel ist leg. Augusti pr. pr. Daciarum trium, auch consularis trium Daciarum, CIL VIII 9363. III 1374. Diese tres Daciae – und das war eine weitere Neuerung Marc Aurels, welche mit der ersten eben besprochenen aufs engste zusammenhing - waren drei Bezirke, an deren Spitze je ein Procurator stand. Dies waren selbstredend gewöhnliche Procuratoren, keine solchen mit praesidialem Rang und dem ius gladii. Sie unterstanden dem Legaten. Dies Verhältnis kommt in dem officiellen Titel des letzteren deutlich zum Ausdruck. Diese drei Verwaltungsbezirke waren nach einer in ihnen gelegenen Stadt benannt. So gab es also 1. D. Porolissensis mit dem Hauptort Porolissum. Erwähnt werden die Procuratoren der D. Porolissensis Aelius Lycinus (CIL III Suppl. 7659) und Cocceius Genialis (ebd. 7662) und Ulpius ... (CIL III 1464). Aus den beiden ersteren Inschriften erhellt zugleich, dass Napoca zu diesem Bezirk gehörte. 2. D. Apulensis mit dem Hauptort Apulum, also im Süden von D. Porolissensis. Die Procuratoren dieses Bezirks oft genannt, ihre Liste bei Jung Fasten der Provinz D. 41ff. 3. D. Maluensis, benannt nach einem Ort Maluese, welcher Colonie war. s. MD 41 vom J. 230, welches gegeben ist einem Soldaten M. Aurelio Deciano colonia Maluese ex Dacia. Die Lage dieser Colonie ist bis jetzt unbekannt, doch hat D. Maluensis wohl den südlichen Teil der Provinz, also die heutige kleine Walachei, umfasst, wenn D. Porolissensis aus dem nördlichen und D. Apulensis aus dem mittleren Teil der Provinz bestand. Der proc(urator) prov(inciae) Dac. Malv. M. Macrinius Avitus war lange bekannt, CIL VI 1449; neuerdings hat uns eine Inschrift aus Thessalonike (Arch.-epigr. Mitt. XVII 117) den M. Aurel(ium) Cassianum v(irum) e(gregium) praisidem prov. Daciai Maluensis kennen gelehrt.
Dass diese drei provinciae nicht selbständige Provinzen im eigentlichen Sinne, sondern nur Verwaltungssprengel und Teile einer höheren Einheit waren, kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Statthalter officiell legatus Augusti pr. pr. Daciarum trium heisst und dass ebenfalls nur ein Landtag für diese drei Bezirke nachzuweisen [1972] ist, welcher concilium prov(inciarum) Daciarum trium sich nennt (CIL III 1454). In Sarmizegetusa versammelte sich der Landtag, wo auch die ara Augusti war. Wie in allen übrigen Provinzen hatte auch in Dacien der Landtag das Recht, über provinciale Angelegenheiten zu beraten, gegebenenfalls über einen Statthalter sich zu beschweren und der Regierung Bitten vorzutragen, welche wie die Beschwerden durch eine Deputation an den Kaiser gebracht zu werden pflegten, und die Steuerbeträge auf die einzelnen Communen zu repartieren, daneben aber lag ihm recht eigentlich die Pflege des Kaisercultus ob, an dessen Spitze der Provincialpriester stand. Derselbe hiess hier sacerdos arae Augusti oder Augusti nostri, auch wohl coronatus Daciarum trium. CIL III 1209. 1433. 1513. Die abgetretenen Provincialpriester hiessen sacerdotales provinciae oder Daciae, CIL III Suppl. 7962. 7688. Von den eben angeführten Inschriften stammen die beiden datierten (1454 und 1433) aus dem J. 241 bezw. aus den J. 238–244, also aus einer Zeit, wo, wie schon das concilium Daciarum trium und der coronatus Daciarum trium beweisen, die Einteilung der Provinz in drei Verwaltungssprengel erfolgt war. Es wäre sehr interessant zu wissen, ob auch früher bei der Zweiteilung der Provinz ein gemeinsamer Landtag für D. superior und inferior bestanden hat. Man darf wohl bei der stark hervortretenden Selbständigkeit von D. inferior, wie wir sie oben besprochen haben, die Frage aufwerfen, ob nicht damals auch zwei Landtage berufen wurden. Aus dem Schlusssatz der dem abtretenden Statthalter P. Furius Saturninus im J. 161 gesetzten Inschrift: n(omini) felicissimo et praecipuis virtutibus eius obstricta simul et devota provincia ist kein bindender Schluss zu ziehen, da provincia ebenso gut D. superior (darin lag Sarmizegetusa, wo die Inschrift errichtet wurde) als auch beide damaligen provinciae, nämlich D. superior und D. inferior, bedeuten kann, entsprechend dem später üblichen Sprachgebrauch, dass statt des legatus Augusti pr. pr. Daciarum trium auch einfach leg. Aug. pr. pr. Daciae begegnet (CIL III 1412 = Suppl. 7902). Den sacerdos institutus ab Helvio Pertinaci cos. möchte ich nicht für einen Provincialpriester halten, wie es gewöhnlich geschieht, sondern für einen localen Priester, wohl des Hercules und der Stadt Apulum; dafür spricht der Fundort (Apulum) sowohl als auch die Weihung Herculi Aug. Dass der Statthalter Daciens und spätere Kaiser Pertinax einen Priester bestellt, ist immerhin sehr auffallend und hatte einen uns unbekannten speciellen Grund; dass jedenfalls die Provincialpriester aus der Mitte des Landtages gewählt und bestellt wurden, dürfen wir nach der Analogie anderer Provinzen und Landtage auch für D. mit Bestimmtheit voraussetzen.
Über die Steuerverhältnisse in D. wissen wir wenig. Nach der Eroberung des Landes und der Constituierung der Provinz fand eine Ackervermessung durch die Agrimensoren statt, um die Zahl der Steuerhufen zu ermitteln und darnach die Abgabenverhältnisse festzustellen. Der Gromatiker Balbus hat seine in Dacien gemachten Erfahrungen in seiner Geometrie für Feldmesser [1973] verwertet (Lachmanns Ausg. d. röm. Feldmesser II 96); von dem hier eingeführten Census spricht Lactantius de mortib. persecutorum 23, vgl. Jung Römer und Romanen 43. Das ist alles, was wir davon erfahren. Etwas besser sind wir über die indirecten Steuern unterrichtet, unter denen der in Höhe von 2½% von allen Waren erhobene Grenzzoll die wichtigste Stelle einnimmt. Über die beiden bis jetzt nachgewiesenen Zolllinien, deren eine von Celei an der Aluta hinauf über Romula zum Rotenturmpass, die andere von Tsierna über ad Mediam, Pons Augusti und Micia nordwärts zog, ist oben bei Gelegenheit der Grenzen des römischen Daciens gesprochen worden. Die Belege für die einzelnen Stationen dieser Zolllinien findet man bei v. Domaszewski Arch.-epigr. Mitt. XIII 135ff., wo auch das Nähere über die Art der Verwaltung dieses Zolles beigebracht ist. Während er früher verpachtet wurde, fand seit den letzten Jahren des Marcus die Erhebung desselben durch kaiserliche Beamte statt, durch Procuratoren, denen ein zahlreiches Personal zur Seite stand.
D. bildete kein Zollgebiet für sich, sondern gehörte zu dem grossen, von einem Procurator verwalteten Zollgebiet Illyricum; innerhalb des letzteren fand auch eine Combinierung verschiedener Districte unter einem Procurator statt, wie z. B. T. Claudius Xenophon procurator Illyrici per Moesiam inferiorem et Dacias tres war, CIL III Suppl. 7127. 8042. In Romula ist kürzlich die Inschrift eines vicesimarius (Arch.-epigr. Mitt. XIX 79 nr. 9) zu Tage getreten. Damit ist wohl die 5% Freilassungssteuer - vicesima libertatis - gemeint.
In diesem Zusammenhange sind auch die in D. nachweisbaren Staatsdomänen zu erwähnen, die Weideländereien (pascua), Salinen und Bergwerke. Die Weideländereien und die Salinen wurden verpachtet; nach dem uns vorliegenden dürftigen Material wurden beide an einen Unternehmer vergeben, CIL III 1209. 1363. Salz wurde in Salinae (heute Maros Ujvar) an der Maros, in Potaissa (Tarda) und Vizakna gefunden. Von den Bergwerken kommen hier besonders die Goldbergwerke in Betracht, welche im siebenbürgischen Erzgebirge, eingeschlossen von den Flussläufen der Maros und Aranyos, lagen. Auch diese scheinen anfangs verpachtet zu sein, wie man aus dem auf einer Inschrift sich findenden collegium aurariarum (CIL III 941) geschlossen hat, s. Hirschfeld Untersuchungen auf dem Gebiete der röm. Verwaltungsgesch. I 76. 77, 4. Später trat an die Stelle der Verpachtung die directe Exploitierung der Gruben und die Verwaltung derselben durch kaiserliche Beamte. So finden sich procuratores aurariarum (CIL III 1311f.) und ein subprocurator aurariarum (CIL III 1088). Unter diesen Procuratoren stand ein zahlreiches Beamtenpersonal, welches wir aus der Dedication der liberti et familia et leguli aurariarum an Lucilla, die Gattin des Lucius Verus, kennen lernen (CIL III 1307). Dass hier unter den liberti et familia nur kaiserliche Freigelassene und Sclaven, welche in verschiedenen Stellungen bei der Verwaltung der Goldbergwerke beschäftigt waren, verstanden werden können, ist wohl an sich klar; denn andere als kaiserliche Freigelassene [1974] und Sclaven hätten doch wohl in einer Weihetafel für die kaiserliche Gemahlin ihre Herren und Arbeitgeber nennen müssen. Vielleicht dürfen wir noch einen Schritt weiter gehen und aus der Fassung der in Rede stehenden Inschrift schliessen, dass nicht kaiserliche Freigelassene und Sclaven im allgemeinen, sondern solche der Lucilla selbst, der eben die Inschrift geweiht wurde, zu verstehen sind. Ist diese Annahme richtig, so möchte auch der weitere Schluss gerechtfertigt scheinen, dass das Goldbergwerk, auf dem die Betreffenden beschäftigt waren, nicht Staatsdomäne schlechthin, sondern Privatbesitz der Lucilla war. Aber bevor nicht neue Funde uns weiter helfen und unsere Kenntnis fördern, reicht das Material nicht aus, um derartige Fragen sicher zu beantworten.
Einen sehr bedeutenden Aufschwung nahm das Städtewesen. In der vorrömischen Zeit gab es viele Ansiedlungen, aber keine Städte im antiken Sinne. Mochten auch Sarmizegetusa, die alte Königsstadt, vielleicht auch Tsierna an Grösse die übrigen Siedlungen übertroffen haben, zu Städten im antiken Sinn, zu Gemeinwesen mit eigenen Magistraten und Selbstverwaltung wurden sie erst durch Traian, der beide zu römischen Colonien erhob. Sarmizegetusa hiess fortan colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica, CIL III Suppl. 7969. 7971 u. ö. Auch Maluese, wonach die provincia Dacia Maluensis benannt war, war Colonie, MD 41. Auch Ampelum und Aquae waren Colonien, CIL III 1279; Suppl. 7838f. 7892; aus beiden Städten finden sich dec(urio) col(oniae), die doch zu der Stadt gehören, wo sie gefunden sind, nicht zu anderen Städten. In letzterem Falle wäre hinter col(oniae) der Name des Ortes gesetzt, dessen Decurionen die Betreffenden waren, wofür es viele Beispiele giebt, z. B. CIL III Suppl. 7996. 7804 u. a. m. Und aus Ampelum ist der ordo Ampelensium bezeugt CIL III 1308. Andere Orte waren municipia, wie Porolissum und Tibiscum, wieder andere wurden aus Municipien im Laufe der Zeit Colonien, wie Napoca, Apulum, Potaissa, Romula und Drobetae. Die Belege findet man im CIL III und Suppl. in der Vorrede zu den einzelnen Städten. Apulum und Potaissa erwuchsen aus den Ansiedlungen, welche bei den Standlagern sich bildeten; auch die Castelle entwickelten aus sich heraus solche Siedlungen, vgl. Jung Fasten 167.
Diese städtische Entwicklung in Verbindung mit dem von Traian begonnenen, von späteren Kaisern fortgesetzten Strassenbau förderte die Romanisierung des Landes. Die dacischen Einwohner selbst, soweit sie zurückgeblieben waren, dachten an keine Erhebung; jedenfalls hören wir davon nichts.
Dementsprechend ist aus der äusseren Geschichte der Provinz nichts zu berichten; die Geschicke Roms sind zugleich ihre Geschicke. Der Markomannenkrieg unter Marc Aurel berührte natürlich auch Dacien; der Golddistrict wurde von den Barbaren überfallen, der damalige Statthalter M. Claudius Fronto fiel tapfer kämpfend in einem Gefecht gegen die Germanen und Iazygen, die Hauptstadt Sarmizegetusa weihte dem Kaiser Marc Aurel eine Inschrift ancipiti periculo virtutibus restituta (CIL III Suppl. 7969). Das sind einzelne Züge aus diesem für Rom so furchtbaren [1975] Kriege, welche auf Dacien ein Licht werfen, ohne dass wir im stande wären, von den Gesamtverhältnissen dieser Provinz in dieser Zeit uns ein genaues Bild zu machen. Sowohl im Markomannenkrieg als auch später treten wiederholt die sog. freien Dacer hervor, welche auf den Karpathen und dem galizischen Plateau wohnten, den Römern nicht unterworfen waren und von deren Einzelstämmen uns die Bessen, Saboken, Anartofrakten, Koistoboken und Daci Petoporiani (d. i. Dacer, welche damals unter einem Fürsten oder König Petoporus lebten) u. a. m. bekannt sind. Eine Schar von 12 000 Mann dieser freien Dacer – Δακῶν τῶν προσόρων – siedelte der Statthalter Sabinus auf Provincialboden an ἐν τῇ Δακίᾳ τῇ ἡμετέρᾳ, so heisst es bezeichnend genug bei Cass. Dio LXXII 3. Unter Caracalla und Macrinus gab es Kämpfe mit diesen freien Dacern (Dio LXXVIII 27).
Auch Maximinus focht gegen sie und legte sich infolgedessen den Titel Dacicus Maximus bei, s. Goos Korr.-Bl. des Vereins für siebenbürg. Landeskunde I 34. Einzelnes wissen wir von diesen Kämpfen nicht. Im ganzen gelang es aber den Römern, diese Stämme im Schach zu halten und die von ihnen der Provinz drohende Gefahr immer abzuwehren.
Das wurde anders, als etwa 238 n. Chr. die Gothen sich der Positionen von Tyras und Olbia bemächtigten und von hier aus die Donaumündungen und die südwärts gelegenen Landschaften angriffen; auch Dacien war ihren Einfällen und Raubzügen ausgesetzt. Dazu kam, dass auch – etwa um 250 n. Chr., s. Müllenhoff Deutsche Altertumskunde III 217. II 91 – die Gepiden an den Karpathen anlangten und naturgemäss unter den dortigen Völkern eine Bewegung hervorriefen, welche wiederum der Provinz D. gefährlich sein musste. Wir erfahren, dass im J. 256 n. Chr. unter Valerian und Gallien ein schwerer Krieg in diesen Gegenden geführt wurde (Hist. Aug. Aurel. 11); es ist doch gewiss kein Zufall, dass in demselben Jahr (256) die erst mit dem J. 246 n. Chr. begonnene provinciale Münzprägung aufhört. Seit Gallien ist der Besitz der Provinz D. in Frage gestellt; Aurelianus gab die Provinz entgültig auf und zog die römischen Truppen und die Einwohner daraus heraus (271 n. Chr.).
In dem ehemaligen traianischen Dacien breiteten sich die siegreichen Barbarenstämme aus, allerdings in der Weise, dass die Gothen sich den Löwenanteil nahmen und Bastarnen, Vandalen, Gepiden und andere Stämme, welche neben oder zwischen ihnen sassen, bedrängten und hinauswarfen.
Dacia ripensis. Aurelian gab zwar das traianische Dacien auf, schuf aber aus Gebieten von Moesia superior und Moesia inferior zwischen Tsierna und Oescus ein neues Dacien, wo er die aus dem alten Dacien herausgezogenen Einwohner ansiedelte. Das ist D. ripensis. Die Ostgrenze bildete der Fluss Utus (heute Vid), an dessen linkem Ufer das Castell Utus noch zu D. ripensis gehörte, während der Fluss Asemus (heute Osma) mit dem Castell gleichen Namens zu Moesia gezogen war. Tomaschek Ztschr. f. d. oest. Gymn. 1867, 720. Kanitz Donaubulgarien II 159. Die [1976] Westgrenze lief so, dass Taliata zu Moesia prima, Transdierna und Egeta aber zu D. ripensis gehörten. Grenzfluss war wohl die Porečka, an deren westlichem Ufer Taliata lag, Not. dign. or. XLII. Hauptstadt war anfangs Serdica, später Ratiaria. Die Ost- und Westgrenze blieb dieselbe, auch als neben der D. ripensis noch eine zweite Provinz des Namens D. geschaffen wurde. Das war
Dacia mediterranea, dessen Hauptstadt Serdica (heute Sofia) wurde. Andere zu D. mediterranea gehörende Orte waren Pautalia, Germane Naissos (heute Nish) und Remesiana. Der Zeitpunkt, wann diese Provinz geschaffen wurde, steht nicht fest, die Not. dign. or. I 77. III 15 kennt beide Dacien, sowohl ripensis als mediterranea. Im Laterculus des Polemius Silvius (jetzt bei Mommsen Chron. min. I) steht unter Illyricum 5, 15. 16 Dacia, Scitia, wo es statt Scitia wieder Dacia heissen muss, da Scythia zur Diöcese Thracia, beide Dacien aber zur Diöcese Illyricum gehörten, wie Polemius Silvius 6, 5 selbst angiebt und der Laterculus Veronensis 5, 6 und die Not. dign, bestätigen.
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