RE:Akarnania
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
---|---|---|---|
| |||
westlichste Landschaft Mittelgriechenlands | |||
Band I,1 (1893) S. 1150 (IA)–1157 (IA) | |||
Akarnanien in der Wikipedia | |||
GND: 4079672-3 | |||
Akarnanien in Wikidata | |||
Akarnanien bei Pleiades | |||
Bildergalerie im Original | |||
Register I,1 | Alle Register | ||
|
Akarnania, die westlichste Landschaft Mittelgriechenlands (ca. 1585 qkm.), wird im Norden vom ambrakischen Meerbusen, im Westen vom ionischen Meere, im Süden vom äusseren korinthischen Meerbusen begrenzt; im nordwestlichen Vorgebirge Aktion tritt es Epirus ganz nahe; nur gegen Osten hängt es mit dem übrigen Festlande zusammen, indem es hier in seiner ganzen Länge an Aetolien angrenzt, von welchem es in seinem nördlicheren Teile durch den Thyamos (Thuk. III 106, jetzt Petalás) getrennt ist; weiter gegen Süden bilden dann beide Landschaften ein von Natur zusammengehöriges Ganzes, eine weite zum Teil von Landseen eingenommene Ebene, die ringsum von Bergen umschlossen ist, welche nur im Norden und im Süden einen Spalt in Gestalt eines engen Thales zeigen, durch welches der Acheloos (s. d.) in die Ebene ein- und aus ihr ausströmt, und südlich davon einen ziemlich breiten Streifen angeschwemmten, zum grösseren Teile von Lagunen bedeckten Landes, welches seine Existenz der landbildenden Thätigkeit des Acheloos, der jetzt durch dasselbe dem Meere zufliesst, verdankt. Ein Fluss ist immer eine ungünstige Naturgrenze; und auch hier führte dies in den Zeiten der Selbständigkeit der griechischen Staaten sehr häufig zu Grenzstreitigkeiten, indem bald die Akarnanen nach Osten, häufiger und erfolgreicher die Aetolier nach Westen ihr Gebiet jenseits des Acheloos auszudehnen suchten; erst seit der römischen Herrschaft wurde der Fluss definitiv als Grenze zwischen beiden Landschaften anerkannt. Auch im Norden war [1151] die Grenze Akarnaniens nicht immer dieselbe, indem das Gebiet der Amphilocher, dessen Küstenlinie den ambrakischen Meerbusen im Osten umschliesst, zeitweise unter der Oberhoheit des akarnanischen Bundes stand und daher von einigen Geographen zu Akarnanien selbst gerechnet wird. (Skylax 34. Plin. n. h. IV 5). Den natürlichen Mittelpunkt der Landschaft bildet der akarnanische Anteil der eben erwähnten grossen Acheloosebene, τὸ Ἀκαρνανικὸν πεδίον (Thuk. II 102), der ganz oder doch zum grössten Teile der an seinem Nordrand gelegenen Stadt Stratos (s. d.) zugehörig war; der Boden ist sowohl für Ackerbau als zur Viehweide vortrefflich geeignet und nur eine kleine Strecke an der tiefsten Stelle im Westen von einem Landsee (jetzt Ozero) eingenommen. Vgl. Xen. hell. IV 6, 5ff. Diese Ebene wird im Norden vom Thyamosgebirge, im Westen durch eine Reihe bergiger, aber anbaufähiger Hochflächen begrenzt, die vom westlichen Meere durch hohe Randerhebungen (1400–1600 m.) getrennt sind. Jene Hochflächen trugen, wie noch jetzt zahlreiche Ruinen zeigen, nicht wenige Städte. An der Nord- und besonders an der Westküste ist in mehreren Buchten mit anstossenden Strandebenen Gelegenheit zur Ansiedelung gegeben und zum Teil schon früh auch von aussen, von Korinth her benützt worden (s. u. Alyzia, Astakos, Sollion, Palairos, Anaktorion, Thyrrheion). Diese Gründungen, ursprünglich wohl in friedlicher Übereinkunft mit den Akarnanen angelegt, wurden von diesen in späterer Zeit grossenteils mit Gewalt den Korinthern entrissen und ihrem Bunde einverleibt. Nördlich von der akarnanischen Ebene zieht ein langes und schmales Thal, mit einem zum Teil versumpften Landsee durch den Bergrand nach Norden (s. Limnaia). Südlich endlich vom Ἀκαρνανικὸν πεδίον zieht sich ein Engpass zwischen meist steil aufsteigenden Bergen und dem Acheloos hin, welcher im Altertume durch zwei Castelle (wahrscheinlich Erysiche und Ithoria genannt) verteidigt war; durch denselben gelangt man in die Παραχελωῖτις, die flache Mündungsebene des Acheloos, deren westlicher zu Akarnanien gehöriger Teil, das Gebiet der Stadt Oiniadai (s. d.), nur etwa zur Hälfte anbaufähiges Land enthält, während die andere Hälfte von einem ausgedehnten, jetzt fast ganz versumpften See Μελίτη (Sümpfe von Lezini) eingenommen wird. Vgl. L. Heuzey le mont Olympe et l’Acarnanie, Paris 1860. E. Oberhummer Akarnanien, Ambrakia, Amphilochia, Leukas im Altertume, München 1887. Lolling Hellenische Landeskunde 143. Bundesmünzen Head HN 278. 282.
Die ältesten Bewohner der akarnanischen Landschaft scheinen ihrem Hauptbestandteil nach den illyrischen Stämmen verwandt gewesen zu sein. Schon die Alten hatten von ihrem Volkscharakter keine deutliche Vorstellung. Nach Aristoteles bei Strabon VII 321f. bewohnten das westliche A. Leleger, später Teleboer, das übrige Gebiet die auch im südlichen Aetolien ansässigen Kureten (s. d.). Sonst werden Taphier und Kephallenen als Ureinwohner genannt (Strab. X 461, vgl. Hom. Il. II 631ff.; Od. XIV 100. XXIV 377ff. Steph. Byz. s. Ἀκαρνανία, Τηλεβοΐς. Oberhummer [1152] a. a. O. 47ff.). Inwieweit hier verschiedene Bevölkerungsschichten einander abgelöst haben und mit den verschiedenen Namen bezeichnet werden, lässt sich nicht feststellen. Die Taphier hat man für Phoiniker gehalten (Etym. magn. s. Τάφιοι, vgl. Oberhummer Phönizier in Akarnanien, München 1882; Akarnanien 53), aber ein zwingender Beweis ist nicht möglich. Dass ausser phoinikischen auch karisch-lelegische Einflüsse auf die Bevölkerung A.s gewirkt haben, darauf scheint die eigenartige Jahresrechnung nach einem kleinen Sonnenjahr (bezw. Halbjahr) mit zunehmenden und einem Jahr mit abnehmenden Tagen, die zusammen ein „grosses Jahr“ von 365 Tagen bilden, hinzuführen: sie ist uns sonst nur noch bei den Karern bezeugt (Censorin. 19, 7; vgl. Oberhummer Akarnan. 55, 1).
Das Volk der Akarnanen wird zuerst im 5. Jhdt. v. Chr. erwähnt (Herod. I 68. II 10), ohne dass wir seine Herkunft und sein Verhältnis zur Urbevölkerung näher bestimmen können. Auch die Etymologie des Namens (von ἄκουρος, „ungeschoren“ Archemachos bei Strab. X 465, von κάρα, κρανίον?) bleibt dunkel. Den Griechen des 5. Jhdts. galten sie als Hellenen (Thuk. I 5, 3, vgl. Plut. Per. 17, 2. Oberhummer 40ff. 90), und zwar knüpfte man ihre Herkunft mythisch an Alkmaion von Argos an, dessen Sohn von der Acheloostochter Kallirrhoe Akarnan gewesen sein sollte (Thuk. II 102, 5f. Ephor. b. Strab. X 462. Scymn. 462ff. Apollod. III 7, 5ff. Paus. VIII 24, 9. Schol. Pind. Ol. I 127). Wahrscheinlich ist aber diese Überlieferung erst mit der Gründung der korinthischen Colonien Leukas, Anaktorion und Ambrakia im 7. Jhdt. v. Chr. entstanden. Diese Colonisation ist auch für die ganze Kulturentwicklung des Landes entscheidend gewesen: die dorische Färbung des allerdings erst aus Inschriften des 3.–2. Jhdts. v. Chr. bekannten akarnanischen Dialekts (Collitz-Bechtel Griech. Dialektinschr. II nr. 1379–1408. Bull. hell. 1886, 165–183, vgl. Thuk. II 68, 5. Oberhummer 260ff.) stammt wohl sicher daher.
Die Geschichte A.s, soweit sie nicht die ganz gesonderte Entwicklung der korinthischen Pflanzstädte, denen die Akarnanen feindlich gegenüberstehen, mitumfasst, ist auch weiterhin nur in den Umrissen bekannt. Die Akarnanen werden bis zu dem mächtigen Hervortreten des aetolischen Bundes eigentlich nur dann genannt, wenn die Politik der griechischen Grosstaaten es für nötig erachtet, sei es durch Verbündung, sei es durch gewaltsame Unterwerfung der Akarnanen das strategisch wichtige Land im Dienste ihrer Interessen zu verwerten. Das erste Ereignis von Bedeutung, von dem wir erfahren, ist der Conflict zwischen den von Athen in Naupaktos (455) angesiedelten Messeniern mit den Akarnanen wegen Oiniadai, das für kurze Zeit von den Messeniern erobert, dann aber durch die Akarnanen zurückgewonnen wird (Paus. IV 25). Vielleicht damit im Zusammenhange steht der Plünderungszug, den Perikles im J. 455 gegen A. unternimmt (Thuk. I 111, 2. Diod. XI 85, 2. 88, 2. Plut. Per. 19, 4. Aristeid. I 387 J. 585 Dind.). Dreiundzwanzig Jahre später (432) [1153] riefen dann die Akarnanen und die mit ihnen verbündeten, in Argos angesiedelten Amphilochier (s. d., vgl. Thuk. III 105, 2. Oberhummer 93, 1) die Athener gegen Ambrakia zu Hülfe (Thuk. II 68). Im peloponnesischen Kriege stehen deshalb beide ausser den Oiniaden auf seiten Athens (Thuk. II 9, 4). Athen erobert bereits 431 einen Teil der korinthischen Festungen an der Küste; ein Gegenstoss der Korinther ist nur von geteiltem Erfolg begleitet (Thuk. II 30, 1. 33, 1. 2, vgl. V 30, 2). Neue Streitigkeiten (430) der Akarnanen und Amphilochier mit den Ambrakioten (Thuk. II 68, 1. 9) führen 429 zu einem Versuch der Lakedaemonier, A. zu unterwerfen. Auch dieser misslang (Thuk. II 80–82. Diod. XII 47, 4. 5); im Winter 429 festigten vielmehr die Athener ihre Stellung (Thuk. II 102, 1. 2). Nur Oiniadai vermochten sie (Frühjahr 428) nicht zu bezwingen (Thuk. III 7, 1–5). 426 unternahm der athenische Stratege Demosthenes mit dem gesamten akarnanischen Aufgebot einen Plünderungszug gegen Leukas (Thuk. III 91, 1. 94, 1. 2. Diod. XII 60, 1), im folgenden Jahre vernichtete er die Streitmacht der Ambrakioten und ein Hülfscorps der Peloponnesier nahezu vollständig (Thuk. III 102, 5–7. 105–114. Diod. XII 60, 4–6. Polyaen. III 1, 2). Nach dem Abzug der Athener einigten sich freilich Akarnanen, Amphilochier und Ambrakioten, den Kampf gegen einander aufzugeben, keiner die anderen zu nötigen, gegen die alten Bundesgenossen (Athen und Sparta) zu kämpfen und bei dem Angriff einer auswärtigen Macht sich gegenseitig zu unterstützen (Thuk. III 114, 2. 3). Dieser Vertrag hinderte aber die Akarnanen nicht, im Bunde mit Athen zu bleiben und im J. 425 Anaktorion, im J. 424 Oiniadai mit Hülfe der Athener zum Anschluss an ihren Bund zu zwingen (Thuk. IV 49. 77); ebenso nahmen an der sicilischen Expedition Athens einzelne Akarnanen teil (Thuk. VII 57, 10). Auch als die Akarnanen nach einem Menschenalter (395) wieder in den Rahmen der allgemeinen griechischen Geschichte eintreten, halten sie zu der spartafeindlichen Partei, diesmal gemeinsam mit den korinthischen Colonien (Xen. hell. IV 6, 1, vgl. 2, 17. Diod. XIV 82, 3). Nur vorübergehend wurden sie durch Agesilaos genötigt (390), sich Sparta anzuschliessen (Xen. IV 6, 2–7, 1; Ages. 2, 20. Diod. XV 31, 2. Paus. III 10, 2), dann traten sie dem zweiten attischen Seebunde bei (CIA II 17, 10 = Dittenberger Syll. 63. CIA II 49 = Dittenberger Syll. 65, vgl. Ἀρχαιολ. δελτ. 1888, 174. Xen. hell. VI 2, 37). Wie lange (bis 361?) sie dem Bunde angehört haben, ist unsicher; mit Theben sind sie aber allem Anschein nach ein Bundesverhältnis nicht eingegangen (Oberhummer 127ff. 291. CIA II 356).
Mit dem Emporwachsen der makedonischen Monarchie bildete sich in A. eine starke makedonische Partei, die von der alten athenerfreundlichen Politik abdrängte: bei Chaironeia (338) haben auf seiten Athens nur Freiwillige und Verbannte mitgefochten (CIA II 121 = Dittenberger Syll. 109, vgl. Aesch. III 97. 98. 256. Dem. XVIII 244. Oberhummer 130f.). Dieser enge Anschluss an Makedonien bestimmt auch die Geschichte der Akarnanen in der ganzen hellenistischen [1154] Zeit; er belebt den alten Gegensatz zu den benachbarten Aetolern, die als Vorkämpfer gegen Makedonien auftreten, von neuem. Um 330 nehmen die Aetoler Oiniadai und machen sich zu Herrn des südlichen Gebiets von A. (Diod. XVIII 8, 6. Plut. Al. 49, 8. Paus. I 25, 4. X 16, 6). Dafür brachen 321 die Akarnanen in Aetolien ein und eroberten damals wahrscheinlich die Stadt Agrinion (Diod. XVIII 38, 4. 5, vgl. XIX 67, 4. 68, 1). Weiterhin unterstützten sie Kassander, der im J. 314 einen Synoikismos der östlichen Akarnanen in die drei Städte Stratos, Sauria und Agrinion veranlasste (Diod. XIX 67, 3–5. 88, 2). Agrinion ging kurz darauf wieder an die Aetoler verloren (Diod. XIX 68, 1), doch blieb A. die Operationsbasis der Makedonen gegen Aetolien und Epirus (Diod. XIX 74, 3–6. Paus. I 11, 4). Nach Kassanders Tode (297) scheint dann A. mit König Pyrrhos von Epirus im Bündnis gestanden zu haben (Dion. Hal. ant. XX 1. Oberhummer 143f. 291).
Eine entscheidende Änderung in den Verhältnissen A.s erfolgte durch die Gründung des aetolischen Bundes: um 270 wurde das Land zwischen Pyrrhos Nachfolger Alexander II. von Epirus (Nordhälfte) und den Aetolern (Südhälfte) geteilt (Polyb. II 45, 1. IX 34, 7. Iust. XXVIII 1, 1. Oberhummer 145ff. 291ff.). Der Versuch der Akarnanen, durch Roms Machtspruch die Freiheit wieder zu erlangen (um 238), war ohne praktischen Erfolg (Iust. XXVIII 1, 5–2, 14. Strab. X 462). Frei wurde zuerst wieder das nördliche A. durch die Wirren in Epirus: es ordnete sich (um 230) von neuem zu einem Städtebund mit Leukas als Vorort (Liv. XXXIII 17, 1. Imhoof-Blumer Numism. Zeitschr. X 1878, 41ff., vgl. Oberhummer 153ff.). Vergeblich suchten die Aetoler auch dort festen Fuss zu fassen (Polyb. II 2, 3). Der neue akarnanische Bund fand vielmehr zunächst eine Stütze im Königreich Illyrien (Polyb. II 6, 9, vgl. 3, 1. 4, 6. 10, 1. 2. 6. Athen. X 440a), dann wendeten sich die Akarnanen wie die Achaeer und die meisten nordgriechischen Staaten ausser den Aetolern wieder Antigonos Doson von Makedonien zu: unter ihm siegten sie mit bei Sellasia (221. Polyb. IV 9, 4. II 65, 4. 66, 6. Plut. Kleom. 28, 2; Philop. 6). Nach Antigonos Tode (220) hielten die Akarnanen auch zu dessen Sohn Philipp III. (Polyb. IV 30, 1–5. Plut. Arat. 50, 5). Sie schlugen einen erneuten Angriff der Aetoler zurück (Polyb. IV 5, 10. 6, 2. 25, 3. V 3, 7); später (219) griffen sie selbst mit Philipp vereint an. Die altakarnanischen Städte Phoitia, Metropolis und Oiniadai wurden damals zurückerobert; wahrscheinlich traten sie in den neuen Bund ein (Polyb. IV 63, 7. 8. 64, 4. 65, 5–11, vgl. Liv. XXVI 24, 6). 218 brachen die Akarnanen sogar in das aetolische Stammland ein (Polyb. V 5, 2. 6, 1. 2. 13, 1). Auch im folgenden Jahre wurde gekämpft (Polyb. V 96, 1–3). Durch ihr Bündnis mit Philipp III. kamen die Akarnanen vom J. 211 an auch in offenen Conflict mit den Römern, die die Aetoler in ihre Bundesgenossenschaft aufgenommen hatten. Sie verloren wieder Oiniadai (Polyb. IX 39, 2. Liv. XXVI 24, 15. 25, 10. Iust. XXIX 4, 7), wehrten sich aber sonst tapfer (Polyb. IX 40, 4–6; vgl. 32–39. XVI 32, 3. Liv. XXVI 25, 9–17. Oberhummer 169ff.). Erst mit dem [1155] Frieden zwischen Makedonien und Rom (205) erhielten auch sie Ruhe (Liv. XXVIII 12, 12–15). Weiterhin wurden sie durch einen Rachezug gegen das mit Rom verbündete Athen (201) der Anlass zum Wiederausbruch des (zweiten makedonischen) Krieges (Liv. XXXI 14, 7–10, vgl. 1, 10. Polyb. XVI 27, 1). Obwohl sich in der Zwischenzeit in A. eine thätige römische Partei gebildet hatte, hielt die Masse des Volkes noch zu Philipp (Liv. XXXII 40, 7. XXXIII 16). Erst nachdem die Hauptstadt Leukas nach hartnäckiger Verteidigung genommen und Philipp bei Kynoskephalai geschlagen war (197), unterwarfen sich die Akarnanen (Liv. XXXIII 17. Zonar. IX 16, vgl. Strab. X 460). Dennoch wurde ihr Bund geschont und anerkannt (Dion. Hal. ant. I 51, vgl. Oberhummer 176f.).
In der Folgezeit tritt A. kaum mehr selbständig hervor. Die Parteiungen im Lande dauerten fort, doch war jetzt die römische Partei die mächtigere (Liv. XXXVI 11. 12, vgl. XLII 38, 2–4. XLIII 17, 6–10. XLV 31, 9. Polyb. XXVIII 5. XXX 13, 4. 5. XXXII 20. App. Maced. 11, 4; Syr. 16. Oberhummer 178ff. 190ff.). Ihr wurde es wohl auch verdankt, dass die A. im J. 189 Oiniadai zurückerhielten (Polyb. XXI 32, 14. Liv. XXXVIII 11, 9. Dion. Hal. ant. I 51). Nach der Schlacht von Pydna (167) nahm man ihnen freilich ihre Hauptstadt Leukas und richtete diese als eigenen Staat ein (Liv. XLV 31, 12). Die neue Hauptstadt wurde wahrscheinlich Thyrrheion (Oberhummer 192), das später noch als civitas foederata in einem engeren Verhältnis zu Rom stand (Bull. hell. X 1886, 165ff. Oberhummer 197ff.). Der akarnanische Bund scheint bereits nach der Niederwerfung Griechenlands (146) aufgelöst und unter Augustus der damals gegründeten Provinz Achaia zugeteilt worden zu sein (Strab. XVII 840. Oberhummer 194ff. 208).
Der waldigen und bergigen Natur ihres Landes nach waren die Akarnanen ursprünglich ein Jäger- und Hirtenvolk. Vieh- und Pferdezucht war auch später noch bei ihnen sehr verbreitet (Xen. hell. IV 6, 4. 6. Strab. VIII 388). Getreide- und Weinbau ist dagegen namentlich in der südlichen Küstenebene von Oiniadai getrieben worden (Hom. Od. XIV 335. XVI 396. XIX 292. Xen. hell. IV 6, 4. 13. 7, 1. Diod. IV 35, 3. Paus. IV 25, 1. Plin. n. h. XIV 76. Avien. descr. orb. 592ff., vgl. Oberhummer 22. 242f.). Ausserdem scheinen Handel und Seeverkehr, auch Seeraub, besonders westwärts (Thuk. I 5, 3) ziemlich früh von den Küsten A.s ausgegangen zu sein, doch haben die Akarnanen selbst wohl zum kleinsten Teile daran teilgenommen (Oberhummer 65ff. 244ff.). Auch Kunst und Wissenschaft haben in dem kleinen Volke wohl nicht tiefer Wurzel geschlagen; wenigstens sind ganz geringe Spuren davon vorhanden. Nur Nutzbauten, vor allem die mächtigen Stadtmauern, legen umfassendes Zeugnis ab von einer gewissen praktischen Begabung in dieser Hinsicht (Wolters Athen. Mitt. XVI 433ff. Oberhummer 251ff. 299f.).
Die Stärke des akarnanischen Heeres ruhte in den Leichtbewaffneten: die akarnanischen Schleuderer und Speerwerfer waren berühmt und haben gelegentlich auch als Söldner gedient [1156] (Thuk. II 81, 8. VII 31, 5. 60, 4. Xen. hell. IV 6, 7–11. Paus. IV 25, 6. Poll. I 149. Max. Tyr. diss. 23, 2). Daneben werden Hopliten, in der makedonischen Zeit auch Reiter erwähnt, im Gesamtaufgebot wohl 4–5000 Mann, was auf eine Gesamtbevölkerung von mindestens 30 000 freien Einwohnern schliessen lässt (Oberhummer 220ff. 284. Beloch, Bevölkerung der griech.-röm. Welt 1886, 188f.).
Die Verfassung der Akarnanen war die eines lose zusammengefügten Bundesstaates. Die Bevölkerung gliederte sich seit alter Zeit in (10–12) Gaugenossenschaften, wie es scheint mit je einem befestigten städtischen Mittelpunkt und Zufluchtsort. Solche Städte waren sicher: Alyzia, Astakos, Koronta, Limnaia, Medion, Metropolis, Oiniadai, Palairos, Phoitia, Stratos, Thyrrheion (Oberhummer 24ff. 209ff. 268f.). Die Gaue stellten ihre Contingente zum Bundesheere unter eigenen Befehlshabern (στρατηγοί), deren einer vermutlich die Oberfeldherrnstelle bekleidete (Thuk. III 107, 2. 4. 109, 1. 2. 111, 3), waren aber sonst in ihrer Bewegung und Politik ziemlich frei; in Astakos und Koronta finden wir während des peloponnesischen Krieges sogar Städtetyrannen (Thuk. II 30, 1. 33, 1. 102, 1). Anfang des 4. Jhdts. erscheint zuerst als leitende Behörde eine Art von Bundesrat (κοινὸν τῶν Ἀκαρνάνων) mit der Befugnis, Bündnisse und Verträge abzuschliessen (Xen. hell. IV 6, 4, vgl. 7, 1); vielleicht ist diese Verfassungseinrichtung schon älter. Bundeshauptstadt ist damals Stratos. Etwas genauer kennen wir die Verfassung des jüngeren, seit 230 etwa bestehenden Bundes, dessen Vorort zuerst Leukas, dann Thyrrheion ist. Der Bund (τὸ κοινὸν τῶν Ἀκαρνάνων) besteht aus einer Anzahl der alten Gaugenossenschaften (populi bei Liv. XXXIII 16, 3. 17, 1. 15. XXXVI 12, 6). Sein oberstes Regierungsorgan ist die Volksversammlung (ebenfalls τὸ κοινὸν τῶν Ἀκαρνάνων genannt), dem als Regierungsausschuss und vorberatende Behörde eine βουλή zur Seite steht (Polyb. IX 32, 3. Le Bas-Foucart Voyage arch. Meg. et Pelop. nr. 194d, Explic. p. 144 = Dittenberger Syll. 321. Le Bas a. a. O. 1043. 1041. 1042; vgl. Oberhummer 217). Der Vorsitzende in diesen Versammlungen scheint der προμνάμων mit mehreren συμπρομνάμονες gewesen zu sein; als Protokollführer amtiert ein γραμματεὺς τᾷ βουλᾷ oder τᾶς βουλᾶς (Le Bas a. a. O. Swoboda Die Griech. Volksbeschl. 1890, 257). Der religiöse Mittelpunkt des Bundes ist das Heiligtum des Apollon Aktios (Thuk. I 29, 3. Polyb. IV 63, 4. Strab. VII 325. X 450; vgl. Oberhummer 226ff.), dessen Priester (ἱεραπόλος τῷ Ἀπόλλωνι τῷ Ἀκτίῳ) als eponymer Beamter in den Bundesbeschlüssen erscheint (Le Bas a. O.). Über den obersten politischen Bundesbeamten, den στρατηγός, wissen wir nichts Näheres: er befehligt das Bundesheer (Polyb. V 6, 1. Liv. XXXVI 11, 8ff. XXXIII 16, 3–5) und findet sich einmal in der Datierung (Le Bas 1043). Noch weniger ist von den Beamten der einzelnen Gemeinden bekannt. In Thyrrheion werden neben dem städtischen δῆμος, der Bürgerversammlung, ein πρύτανις, sechs ὑποπρυτάνιες und eine Anzahl Leute priesterlichen Charakters erwähnt (Collitz-Bechtel nr. 1389). [1157]
Litteratur (ausser den oft genannten Werken von Oberhummer): Leake Travels in Northern Greece 4 Bde., London 1835. L. Heuzey Le mont Olympe et l’Acarnanie, Paris 1860. Imhoof-Blumer Die Münzen Akarnaniens, in Numism. Zeitschrift X (1878) 1ff. Gardner Catalogue of Greek coins in the British Museum Thessaly-Aetolia, London 1883. Head HN 278ff. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 10ff. Oberhummer Akarnan. Vff.