RE:Achaia 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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jeder von Achaiern bewohnte Landstrich, bei Homer ganz Griechenland | |||
Band I,1 (1893) S. 156 (IA)–190 (IA) | |||
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Achaia. 1) Im allgemeinen jeder von dem Volksstamme der Ἀχαιοί bewohnte Landstrich, in den homerischen Gedichten als Bezeichnung des gesamten Griechenlands gebraucht (Il. I 254. VII 124. Od. XI 166. 481. XIII 249. ΧΧΙII 68). Dieser Sprachgebrauch wurde von den Römern nach der Unterwerfung Griechenlands wieder aufgenommen, indem sie das ganze Hellas mit Ausnahme von Thessalien, Akarnanien und Aetolien, welche zu Makedonien gerechnet wurden, als provincia Achaia bezeichneten (Strab. XVII 840; vgl. über die Modificationen des Namens A. Curtius Peloponnes I 111). Im streng geographischen Sinne bezeichnete Ἀχαία teils den südöstlichsten Teil Thessaliens (Herod. VII 43); vermutlich die älteste Heimat der Ἀχαιοί, gewöhnlich zur Unterscheidung vom peloponnesischen Achaia Ἀχαία Φθιῶτις genannt (vgl. über dieses den Art. Thessalien) teils und insbesondere die nördliche Küstenlandschaft des Peloponnes, ihrer Lage nach auch Αἰγιαλός oder Αἰγιάλεια genannt (Strab. VIII 383. Paus. II 5, 6 u. ö.), welche einst von Pelasgern und Ioniern bewohnt, in den Zeiten der dorischen Wanderung von den mehr und mehr aus den übrigen Teilen des Peloponnes verdrängten Achaeern in Besitz genommen worden war. Vgl. O. Hoffmann Die Griechischen Dialekte in ihrem histor. Zusammenhange (Göttingen 1891) 4ff.
Die Landschaft Achaia ist nur gegen Norden, wo sie in ihrer ganzen Ausdehnung vom Meere bespült wird, und gegen Süden, wo der höchste Rücken der mächtigen nordarkadischen Gebirge, [157] des Erymanthos, der Aroania, Krathis, Chelydorea und Kyllene, die Wasserscheide und mit wenigen Ausnahmen auch die politische Grenze bildet, von der Natur selbst abgegrenzt: im Westen hängt sie durch eine breite Alluvialebene, welche sich von den westlichen Abhängen der achaeisch-eleischen Gebirge bis zu dem felsigen Vorgebirge Araxos erstreckt, mit der Landschaft Elis zusammen; als Grenzscheide zwischen beiden galt der kleine Fluss Larisos, an welchem die Achaeer einen Tempel der Athene Larisaia errichtet hatten (Paus. VII 17, 5). Gegen Osten war die Grenze schwankend, indem in der altionischen Zeit und später während des achaeischen Bundes das Gebiet der Stadt Sikyon als zu Aigialeia oder Achaia gehörig betrachtet wurde: sonst galt der kleine Fluss Sythas als Grenze zwischen dem Gebiete von Pellene, der östlichsten achaeischen Stadt, und der Sikyonia (Paus. VII 27, 12). Die so abgegrenzte Landschaft besitzt nur eine grössere Ebene, unmittelbar südöstlich vom Vorgebirge Araxos, welche das Gebiet der Stadt Dyme bildete: sonst ist sie durchaus von Gebirgen eingenommen, teils von den nördlichen Abhängen und Vorbergen der oben genannten arkadischen Grenzgebirge, teils von einem weit nach Norden vortretenden selbständigen breiten Massengebirge, dem Panachaikon (Polyb. V 30). An den nördlichen Fuss dieser Berge hat sich an vielen Stellen ein schmaler flacher Küstensaum angesetzt, der seine Existenz durchgängig den zahlreichen Giessbächen verdankt, welche von den Bergen herab dem Meere zuströmen; um die Mündungen derselben haben sich meist kleine Strandebenen in Form eines mit der Spitze nach Norden gekehrten Dreiecks gebildet, welche der Küste ein eigentümlich ausgezacktes Ansehen geben. Die wichtigeren unter jenen Giessbächen sind der Pieros und Selinos, welche am Erymanthos, der Buraikos, der am Aroaniagebirge, der Krathis, der an dem Berge gleichen Namens, der Krios, der an der Chelidorea, und der schon erwähnte Sythas, der an der Kyllene entspringt; von den vom Panachaikon herabkommenden Flüssen nennt Pausanias (in der Reihenfolge von Westen nach Osten) den Glaukos, Charadros, Selemnos, Bolinaios, Phoinix und Meiganitas. Die zahlreichen Berge, welche die Landschaft bedecken, thun übrigens der Fruchtbarkeit derselben wenig Eintrag, denn sie sind wenigstens in ihren untern Abhängen ebenso wie die Strandebenen für Wein- und Getreidebau trefflich geeignet, die beide auch von den jetzigen Bewohnern mit Erfolg betrieben werden; die höheren Partieen waren im Altertume mit dichten, jetzt leider sehr gelichteten Waldungen bedeckt, welche zahlreiches Wild enthielten, weswegen neben Zeus (Ζεὺς Ἀμάριος in Aigion Paus. VII 24, 2) und Poseidon, dem Stammgotte der altionischen Bevölkerung (Ποσειδῶν Ἑλικώνιος in Helike; vgl. E. Rohde Rhein. Mus. XXXVI 407), besonders Dionysos, Demeter (in Aigion unter dem Beinamen Παναχαία, Paus. VII 24, 3; vgl. die Demeter Ἀχαία in Boeotien) und Artemis (Λαφρία in Patrai, welcher Wildschweine, Hirsche und Rehe geopfert wurden, Paus. VII 18, 8ff.) bei den Achaeern verehrt wurden.
[158] Schon die altionische Bevölkerung, die nach Strabon VIII 386 nicht in befestigten Städten, sondern in offenen Komen wohnte, bildete einen Bund von zwölf Gemeinden, welcher seinen religiösen Mittelpunkt im Tempel des Poseidon Ἑλικώνιος in Helike hatte (Herod. I 145. Strab. VIII 383. Paus. VII 24, 5). Die Achaeer behielten, wie uns überliefert wird, nachdem sie die Landschaft erobert und die alten Bewohner teils vertrieben, teils unterworfen hatten, jene alte Gauverfassung bei, nur dass sie die früheren offenen Komen in befestigte Städte verwandelten, deren jede mit ihrem Gebiete in sieben bis acht Demen geteilt war (Strab. VIII 386). Diese alten zwölf Städte waren Dyme, Olenos, Pharai, Tritaia, Patrai, Rhypes, Aigion, Helike, Bura, Aigai, Aigeira und Pellene; drei derselben, Olenos, Rhypes und Aigai, wurden schon frühzeitig von ihren Bewohnern verlassen, und statt ihrer zwei kleinere Ortschaften, Leontion und Keryneia, als selbständige Bundesmitglieder aufgenommen. Helike wurde im J. 373 v. Chr. infolge eines furchtbaren Erdbebens vom Meere verschlungen (Polyb. II 41). Die Verfassung dieses Bundes scheint im allgemeinen eine ziemlich lose gewesen zu sein; die Einrichtungen der einzelnen Staaten aber galten in ganz Griechenland als Muster glücklicher Vereinigung strenger Gesetzlichkeit und echter Freiheit (Polyb. II 38. Strab. VIII 384). Vgl. über die achaeische Landschaft: Merleker Achaicorum libri. Darmst. 1837. E. Curtius Peloponnesos I 404–495. C. Bursian Geogr. v. Griechenl. II 309ff. C. Neumann u. J. Partsch Physikalische Geogr. von Griechenland (Breslau 1885) 141. 184f. 258f. 353. Lolling Hellen. Landeskunde 166ff. und in Bädekers Griechenland (Leipzig 1888) 29ff. 245ff. 332. F. v. Duhn Athen. Mitth. III 60ff. A. Philippson Der Peloponnes. Versuch einer Landeskunde auf geologischer Grundlage (Berlin 1891) 114ff.
Geschichte. Am Ausgang wie bei dem Beginne der griechischen Geschichte tritt der Name der Achaeer mit besonderer Schärfe hervor. An diesen Stammesnamen knüpfen sich die Mythen und sagenhaften Traditionen der Hellenenwelt von den ruhmreichen Thaten der altgriechischen Helden vor der grossen thessalisch-dorischen Völkerwanderung, welche die alten Zustände von Grund aus zertrümmerte und dadurch der Ausgangspunkt ward für die geographisch-politische Verteilung der griechischen Stämme, der wir in der helleren historischen Zeit begegnen; und ebenso sind es Achaeer, welche den letzten Kampf freier Hellenen gegen die weltbeherrschenden Italiker zu bestehen versuchen und nach denen das unterworfene Griechenland den Namen erhält, welchen es als römische Provinz bis zum Untergang des Römerreichs geführt hat. Ehe wir das politische Auftreten der Achaeer in den letzten Zeiten Griechenlands betrachten, müssen wir in Kürze einen Abriss geben von der historischen Entwicklung des Volksfragments, welches nach der Zersplitterung und Vernichtung des grossen (vordorischen) Achaeerstammes jenen Teil des europäischen Griechenlands behauptete, der später das Kernland des achaeischen Bundesgebiets geworden ist.
[159] In neuerer Zeit pflegt der Achaeername in sehr verschiedenem Sinne angewandt zu werden, wodurch eine Einigung über seinen historischen Gehalt, über die Frage, was die Griechen zu den verschiedenen Zeiten unter ihm verstanden haben, sehr erschwert wird. Vgl. hierüber die Bemerkungen von Wilamowitz Eurip. Herakles I 274. Der mächtige, für uns fast nur in seinen Folgen erkennbare Stoss der dorischen Einwanderung hat die altachaeischen Staaten im Peloponnes, wenn auch nicht so schnell wie die Sage will, über den Haufen geworfen, so doch in ihren Grundfesten erschüttert. Nach langen wechselvollen Kämpfen haben die dorischen Eroberer die Achaeermacht allmählich im Süden und Osten der Halbinsel fast vollständig beseitigt. Das Schicksal der vordorischen Bevölkerung des Peloponnes war sehr verschieden. Ein Teil derselben ist nach Kleinasien gegangen, z. Β. die Neleiden von Pylos (die den Ioniern von Helike sehr nahe verwandt gewesen sein müssen), ein anderer Teil dagegen – es sind dieses die Trümmer des achaeischen Stammes, mit denen wir uns hier zu beschäftigen haben – gewann im Peloponnes selbst neue Sitze. Achaeer von Argos, welche der Tapferkeit der dorischen Einwanderer weichen mussten, dazu wohl stammverwandte Flüchtlinge aus dem Eurotasthale, wandten sich durch das innere Land nach der Nordküste der Halbinsel (dem Αἰγιαλός oder der Αἰγιάλεια) und warfen sich auf die hier seit Alters angesessenen Ionier. Die Tradition lässt den Orestiden Tisamenos diese Achaeer führen und die Ionier in einer Schlacht besiegen (vgl. Apollod. II 8, 2ff. Paus. II 18, 5. 38, 1. VII 6, 2. O. Müller Dorier I 63). Die Ionier wichen anfangs zurück nach Bura und Helike; in letzterer Stadt belagert, sollen sie endlich das Land verlassen haben, um nach Attika überzusiedeln (Herod. I 145. VIII 73. Ephoros bei Müller FHG I 237. Polyb. II 41. Paus. VII 1, 2). Eine historische Analyse dieser Traditionen ist nicht möglich. Es soll hier nur auf dieselben hingewiesen werden. Jedenfalls drangen infolge der Völkerbewegungen im Süden und Osten des Peloponnes zu jener Zeit Züge auswandernder Achaeer in die Aigialeia ein und gewannen von Osten gegen Westen vordringend zunächst wahrscheinlich das Küstenland, d. h. die Uferlandschaft am korinthischen Golfe, von der Westgrenze des sikyonischen Gebiets bis zu dem Gebirge Panachaikon. Die patraeische Ebene ist dagegen anscheinend erst später erobert worden. In dem neu gewonnenen Lande besetzten die Achaeer die von den ionischen Geschlechtern geräumten festen Hauptplätze der einzelnen Cantone, die erst seit dieser Zeit zu wirklichen Städten erwachsen sein sollen (Strab. VIII 386). Als Namen der zwölf achaeischen Städte giebt Herodot (I 145) an: Pellene, Aigeira, Aigai, Bura, Helike, Aigion, Rhypes, Patrai, Pharai, Olenos, Dyme und Tritaia. Es sind dieses die Hauptplätze des Landes; neben ihnen bestanden kleinere Ortschaften, die sich zu den Vororten, wie Demen zur Hauptstadt verhielten (vgl. Strab. VIII 386).
Die Geschichte dieser Achaeer, mit denen die im Lande zurückgebliebenen Ionier wohl allmählich verschmolzen sind, ist, soweit die älteren [160] Jahrhunderte und die glänzenden Zeiten Griechenlands in Betracht kommen, einerseits nur unvollkommen bekannt, andererseits arm an Ereignissen von höherer Bedeutung. In den ersten Zeiten nach der dorischen Occupation des Peloponnes bestand auch in Achaia noch geraume Zeit die monarchische Regierungsform. Die Tradition lässt dem Tisamenos seine Nachkommen in ununterbrochener Reihe bis auf Ogyges folgen (Polyb. II 41, 5). Es scheint, dass unter diesen pelopidischen Fürsten, welche die einzelnen Städte beherrschten, einer, wahrscheinlich zu Helike, der alten Landeshauptstadt, als Oberkönig geschaltet hat (Paus. VII 6, 1. 7, 1). Wann das Königtum bei den Achaeern aufgehört hat, wissen wir natürlich nicht. Als Name des letzten Königs wird Ogyges genannt (Polyb. II 41, 5). Wie alle Königslisten der älteren Zeit, so sind auch diese erst nachträglich zurechtgemacht und genealogisch angeordnet worden.
Dem Untergang des Königtums folgte nicht, wie sonst fast überall in Griechenland, eine aristokratische Herrschaft, sondern eine Demokratie (Pol. II 41, 5. Strab. VIII 384), die allerdings von der absoluten Demokratie späterer Zeiten weit entfernt war. Die zwölf achaeischen Cantone erscheinen schon in alter Zeit zu einem Staatenbund vereinigt, der seinen Mittelpunkt in Helike hatte. Die inneren Verhältnisse dieser Bundesgemeinschaft, soweit dieselbe über die gemeinsamen Festversammlungen bei dem Heiligtum des Poseidon Helikonios hinausging, sind nicht näher bekannt. Überhaupt trat dieser alte achaeische Bund viele Jahrhunderte lang mit der allgemeinen Geschichte Griechenlands kaum in Berührung; die angestammte Abneigung gegen die Dorier veranlasste die Achaeer sich bis in die Zeiten des peloponnesischen Krieges hinein dem Einfluss der mächtig emporstrebenden Spartaner zu entziehen. Und wie sie aus derselben Stimmung sich lange Zeit von den olympischen Spielen fern hielten, so sind sie auch während des grossen Nationalkriegs gegen die Perser neutral und teilnahmlos geblieben. Ihre Bedeutung während der älteren Jahrhunderte der griechischen Geschichte beruht hauptsächlich darin, dass ihre Städte die Ausgangspunkte für eine ausgedehnte Colonisation Unteritaliens waren. Als die Städte Grossgriechenlands nachmals von heftigen inneren Unruhen zerrüttet wurden, suchten dieselben bei den peloponnesischen Achaeern Schutz und Abhilfe wider die anarchischen Bewegungen und führten bei sich die Verfassung des Mutterlandes ein (Pol. II 39, 1ff. Strab. VIII 434).
Je lebhafter sich das politische Leben in ganz Griechenland seit den Perserkriegen gestaltete, je schroffer der Gegensatz zwischen der athenischen und der spartanischen Machtsphäre sich entwickelte, um so schwieriger ward es für die Achaeer, die frühere Abgeschlossenheit von den grossen Bewegungen der hellenischen Politik auf die Dauer zu behaupten. Wir sehen, wie seit der Mitte des 5. Jhdts. v. Chr. die hellenischen Grossstaaten rücksichtslos, sobald es in ihrem Interesse liegt, in das achaeische Stilleben zerstörend eingreifen. Man wird den Grund hierfür in strategischen Gesichtspunkten suchen dürfen. So hatte schon Perikles die [161] Achaeer einmal genötigt (454 v. Chr.) vorübergehend in die kühn aufstrebende athenische Symmachie einzutreten (Thuk. I 111 vgl. 115. Busolt Griech. Gesch. II 505). Und in dem peloponnesischen Kriege, der auch die stille Achaeerküste nicht unberührt liess, folgte die östliche Bundesstadt, Pellene, dem Beispiel ihrer dorischen Nachbarn und ergriff die Partei der Spartaner (Thuk. II 9). Dagegen liess sich Patrai, die bedeutendste Stadt des Westens, im J. 418 durch Alkibiades, der auch sonst den korinthischen Golf vollkommen zu einem athenischen Gewässer zu machen strebte, eine Zeit lang in die Verbindung mit Athen hineinziehen (Thuk. V 52. Curtius Peloponnes I 437; Griech. Gesch. II 596. A. Holm Griech. Gesch. II 459. Vgl. auch CIA IV 1 S. 165 n. 53b Belobigungsdecret für den Achaeer Lykon. A. Wilhelm Herm. XXIV 113). Indessen konnten sich die Achaeer auf die Dauer dem immer stärker werdenden Zuge der Verhältnisse und der steigenden Macht der Spartaner nicht entziehen: auch sie erscheinen seit dem Ausgang des 5. Jhdts. v. Chr. vollständig unter dem Einfluss der lakedaemonischen Politik stehend. Nach der Schlacht bei Mantineia (418 v. Chr.), welche die Macht der Spartaner im Peloponnes wieder bedeutend hob, erhielten die achaeischen Stadtverfassungen eine mehr oligarchische Gestalt (Thuk. V 82), und später sehen wir die Achaeer wiederholt auf Seiten der Spartaner tapfer kämpfen. Ihre lange Neutralität hatte sie keineswegs unkriegerisch gemacht; vielmehr hatten sie, wie die benachbarten Arkadier, ihre Kraft wiederholt als Söldner erprobt. Ein grosser Teil der Hellenen des Kyros und Xenophon, deren Heldenthaten die Anabasis beschreibt, bestand aus achaeischen Hopliten. Ihre Tapferkeit glänzte nicht minder in dem boeotisch-korinthischen Kriege. Nachdem sie schon in der letzten Zeit des peloponnesischen Kriegs sämtlich für Sparta gekämpft (Thuk. II 9. Xen. Hellen. III 5, 12), stritten sie in der blutigen Schlacht bei Nemea (394 v. Chr.) eifrig gegen die antispartanische Coalition (Xen. Hellen. IV 2, 18ff. Curtius Griech. Gesch. III 172. Holm Griech. Gesch. III 44). So lag es denn auch ganz im Interesse der Spartaner, im J. 391 die Achaeer, die damals auch auf der gegenüberliegenden Küste festen Fuss gefasst und Kalydon an sich gezogen hatten, gegen die Angriffe der Akarnanen kräftig zu unterstützen (Xen. Hellen. IV 6, 1. Holm Gr. G. III 60. R. Weil Zeitschr. f. Num. IX 1882, 200. Über die Besitzergreifung von Naupaktos: Diod. XV 76).
Inzwischen nahten allmählich die stürmischen Zeiten, welche dem alten Achaeerbund ein Ende bereiten sollten. Als dauerndes Werkzeug der spartanischen Politik hatten die Achaeer in dem poeotischen Kriege die Spartaner eifrig unterstützt (vgl. Xen. Hellen. VI 2, 3. Diod. XV 31); noch unmittelbar nach der Schlacht bei Leuktra (371 v. Chr.) stiess ihr Aufgebot zu dem Heere, welches Archidamos zur Rettung der geschlagenen Spartaner nach Boeotien führen sollte (Xen. Hellen. VI 4, 17ff. E. v. Stern Geschichte der spartan. und theban. Hegemonie vom Königsfrieden bis zur Schlacht bei Mantinea. Dorpat [162] 1884, 139. Holm Griech. Gesch. III 114). Als infolge dieser Schlacht das stolze Gebäude der spartanischen Macht zusammenzusinken begann, sollen die Achaeer, noch ehe die Folgen jenes blutigen Tages überall klar wurden, von den Lakedaemoniern und Thebanern zur Beilegung ihres Streites berufen worden sein (Polyb. II 39, 8ff. Dazu E. v. Stern a. a. O. 153ff.).
Der Zusammensturz der spartanischen Herrschaft machte die Achaeer nicht selbständig. An Macht und Zusammenhang noch neuerdings stark geschwächt durch den Untergang von Alt-Bura (vgl. Curtius Pelopon. I 470) und ihrer Hauptstadt Helike, die (373 v. Chr.) bei einem furchtbaren Erdbeben vom Meere verschlungen wurde (Curtius a. a. O. 466f. 489f. C. Neumann u. J. Partsch Physikalische Geogr. von Griechenland 324f.), verloren sie im J. 367 auch ihre Besitzungen auf der aetolischen Küste an die durch Epameinondas unterstützten Aetoler (Diod. XV 75. v. Stern a. a. O. 206). Es stand das im Zusammenhang mit der damals von Epameinondas gegen Achaia befolgten Politik; die Achaeer hatten nämlich seit dem leuktrischen Kampfe sich wieder, wie in früheren Zeiten, neutral zu halten versucht; nun unternahm der grosse Thebaner seinen dritten Zug nach dem Peloponnes (367) und nötigte die Achaeer jene Plätze aufzugeben, sich selbst aber der thebanischen Hegemonie unterzuordnen (Stern a. a. O. 205). Das hatte jedoch keinen Bestand. Epameinondas hatte klüglich die damals bestehenden oligarchischen (aristokratischen) Verfassungen der Städte geschont; die Arkader aber, damit höchst unzufrieden, veranlassten die schroff demokratische Partei zu Theben dieses Verfahren zu missbilligen. Nun erschienen thebanische Harmosten in Achaia, richteten hier Demokratien ein und vertrieben die bisherigen Machthaber aus den Städten. Diese, an Zahl sehr bedeutend, vereinigten sich bald darauf, nahmen ihre Städte wieder ein, setzten sich in Besitz ihrer alten Gewalt und unterstützten seitdem die Spartaner mit grossem Eifer im Kriege (Xen. VII 1, 41–44. 2, 18. 4, 17. 5, 1–3. 18. Diod. XV 75. Vgl. Stern a. a. O. 206ff. Holm Griech. Gesch. III 135). Die aristokratische Regierungsform der Achaeer wird uns durch den Wortlaut des Bündnisvertrages urkundlich beglaubigt, der kurz vor der Schlacht bei Mantineia (unter dem Archontat des Molon, 362/1 v. Chr.) zwischen Athen einerseits und den Achaeern, Arkadern, Eleern und Phliasiern andererseits auf Anregung der peloponnesischen Staaten abgeschlossen wurde: CIA II 57 b. 112. Dittenberger Syll. 83. U. Köhler Athen. Mitth. I 197ff. R. Weil Zeitschr. f. Num. IX 201. E. v. Stern Gesch. der spartan. und theban. Hegemonie 238, 2. Pöhlmann Handb. der Altertumswiss. III (1889) 426. A. Holm Griech. Gesch. III 143.
Die systematische Zurückhaltung der Achaeer von der allgemeinen griechischen Politik hatte mit dem peloponnesischen Kriege ihr Ende gefunden; aber die Schicksale, welche sie seitdem erfahren, hatten nur dazu beitragen können den schwachen Staatenbund immer mehr zum Werkzeug fremder Interessen zu machen und seine [163] Zerbröckelung vorzubereiten. Und die Zeit dieser allmählichen Auflösung des alten Bundes war nahe. Noch haben die Achaeer an den letzten Kämpfen der Hellenen gegen die kraftvolle, aber alles verschlingende makedonische Suprematie teil genommen: der demosthenische Bund gegen Philipp umfasste auch sie (Plut. Dem. 17); sie kämpften mit in der Schlacht bei Chaironeia (338 v. Chr.) und erlitten einen empfindlichen Verlust (Paus. VII 6, 3, vgl. VI 4, 4). Und nachher haben sie auch, Pellene ausgenommen, an der unglücklichen Erhebung des spartanischen Königs Agis gegen den Reichsverweser von Makedonien, Antipater, teil genommen, im J. 330 v. Chr. (Grote history of Greece (Meissner) VI 665. Droysen Gesch. des Hellen. I 1, 395. R. Weil Zeitschr. f. Num. IX 201). Aber die schwere Leidenszeit, welche die Kämpfe der Diadochen und Epigonen, die gerade Griechenland so entsetzlich zerrütteten, über den Peloponnes heraufführten, die wiederholten Eroberungen durch die verschiedenen makedonischen Machthaber, die Parteiwut, mit welcher Oligarchie und Demokratie abwechselnd einander zerfleischten, führte die gänzliche Auflösung des alten Bundes herbei. Die einzelnen Städte litten, gleich vielen andern Griechenlands, unter dem harten Drucke fremder Besatzungen oder, unter der Gewaltherrschaft der aus Söldnerführern zu Tyrannen erwachsenen Befehlshaber, die zu jenen Zeiten in zahlreichen hellenischen Städten sich der höchsten Gewalt bemächtigt hatten und, ihrerseits durch die makedonischen Machthaber gestützt, an solchen Plätzen, wo es keine makedonischen Garnisonen gab, die Organe makedonischer Interessen waren. In dem blutigen Wirrwarr dieser Fehden hat zuletzt Demetrios Poliorketes in Achaia festen Fuss gefasst und seine Besitzungen daselbst dauernd behauptet. (Droysen Gesch. des Hellen. II 2, 186ff.).
Der kühne Abenteurer endete sein ruhmreiches, wechselvolles Leben im fernen Osten (282 v. Chr.). Sein Sohn Antigonos Gonatas, damals nur auf geringe Macht in Griechenland beschränkt, war aufgebrochen, um mit aetolischer Hilfe dem Ptolemaios Keraunos Makedonien abzuringen, und während er hier (280) ohne Erfolg fehdete, begannen die Spartaner in seinem Rücken einen Feldzug wider seine aetolischen Verbündeten (vgl. Droysen Gesch. d. Hellen. II 2, 334). In dieser Zeit erwachte bei einem Teile der Achaeer, deren alte Tüchtigkeit, Biederkeit und Liebe zu geordneten und massvollen Zuständen auch unter dem Jammer und den Greueln des letzten Menschenalters nicht erloschen war, die Erinnerung an die besseren Tage der Vergangenheit. Achaia war in den letzten Zeiten von den Kriegsnöten minder berührt worden; eine verwüstende Pest hatte die abgelegene Küste in höherem Grade als andere griechische Gebiete verschont (Paus. VII 7, 1). So schüttelten damals (280 v. Chr.) vier Städte im Westen des Landes, Dyme, Patrai, Pharai und Tritaia, das fremde Joch ab (Polyb. II 41, 12. Strab. VIII 384) und legten den Grund zu einem neuen Bunde, der später zu ungeahnter Bedeutung erwachsen sollte (Droysen Gesch. des Hellen. II 2, 334. v. Wilamowitz Antigonos [164] von Karystos 260). Der furchtbare Einfall der Kelten, die seit 280 Makedonien, 279 auch Griechenland heimsuchten (damals geschah es, dass die Bürger von Patrai den Aetolern zu Hilfe zogen, Paus. VII 18, 6. R. Weil Zeitschr. f. Numism. IX 202) und auch nachher noch geraume Zeit den Norden der illyrischen Halbinsel beunruhigten, lenkte die Aufmerksamkeit der Welt vom Peloponnes ab; und so konnten die Achaeer, auch als schon Antigonos Gonatas in Makedonien die Herrschaft gewonnen, ihren Bund ungehindert weiter ausdehnen. Im J. 275 vertrieb Aigion, zur Zeit die bedeutendste Stadt von Mittelachaia, die makedonische Besatzung und schloss sich dem Bunde an (Polyb. II 41). In demselben Jahre erschlugen die Bürger von Bura ihren Tyrannen, während der Tyrann Iseas von Keryneia es für angemessen fand, seine Gewalt selbst niederzulegen (Polyb. II 41. Droysen Gesch. des Hellen. III 1, 201ff.). Losung der neu verbündeten Städte war jetzt: Vertreibung der fremden Truppen und der Tyrannen aus ihrem Lande und gegenseitiger Schutz. So geschah es, dass bald auch die noch übrigen Städte dem neuen Bunde zufielen. Freilich waren in dem Bestand der alten Zwölfstädte manche Veränderungen eingetreten: Helike war von der Erde verschwunden, Rhypes und Aigai gänzlich heruntergekommen, Olenos, das übrigens dem Bunde sich versagte, ebenfalls ganz verkommen (Paus. VII 18, 1. 23, 4. 25, 7. Strab. VIII 384). Dagegen hatten Leontion und Keryneia sich im Laufe der Zeit zu städtischer Kraft erhoben. So bestand denn der neue Bund jetzt aus zehn achaeischen Städten: Patrai, Dyme, Pharai, Tritaia, Leontion, Aigeira, Pellene, Aigion, Bura und Keryneia (Polyb. II 41, 8).
Die harten Kämpfe, welche Antigonos Gonatas zunächst mit dem Epirotenkönig Pyrrhos, dann mit Athen zu bestehen hatte, lenkten seinen Blick ab von der abgelegenen Achaeerküste. In der Urkunde des Bündnisvertrages (CIA II 332), den die Athener zu Anfang des Chremonideischen Krieges (unter dem Archontat des Peithidemos 270–265; vgl. Stschukareff Untersuchungen über die athenischen Archonten des 3. Jhdts. (russisch) St. Petersburg 1889 S. 168) mit den Peloponnesiern gegen Antigonos abschlossen, werden unter den Bundesgenossen auch die Achaeer aufgezählt. Droysen Gesch. des Hellen. III 1, 233. v. Wilamowitz Antigonos von Karystos (Berlin 1881) 225. 253. Dittenberger Hermes II 304; Syll. 163. Wachsmuth Stadt Athen I 627. Pöhlmann in Müllers Handbuch d. Altert. III 448. Der Bündnisvertrag stellt an die Beteiligten nicht die Forderung bestimmter Leistungen, sondern will nur die Freundschaft der einzelnen Staaten im Hinblick auf die Gefahren, die der griechischen Freiheit drohen, urkundlich gewährleisten. Nach aussen hin gänzlich bedeutungslos, zufrieden damit in seinen Städten in alter Weise ruhige Gesetzlichkeit und massvolle Demokratie zu pflegen, neuerdings noch dadurch gekräftigt, dass er an seine Spitze statt der zwei jährlich wechselnden Strategen nur Einen stellte (Polyb. II 43, 2), gewann der Bund eine Stellung von höherer politischer Bedeutung zuerst, als im J. 249 der [165] junge Aratos seine von der Tyrannis befreite mächtige und glänzende Vaterstadt Sikyon den Achaeern zuwandte. Vgl. W. Vischer Über die Bildung von Staaten und Bünden in Griechenland (Kl. Schriften I 376). R. Weil Zeitschr. S. Numism. IX 211. Droysen Gesch. des Hellen. III 1, 340ff. v. Wilamowitz a. a. O. 260.
Damit wurde der achaeische Bund zuerst ein hochbedeutsames Glied in dem bunten Systeme der damaligen griechischen wie der hellenistischen Politik. Nunmehr wurde die Befreiung der Halbinsel von dem Joche makedonischer Garnisonen und Tyrannen das Lebensprincip der achaeischen Politik; der Gegensatz zu Makedonien machte aber die Achaeer zugleich zu Bundesgenossen der Ptolemaeer. Aratos war und blieb seitdem der leitende Geist des Bundes; seine unermüdliche Erweiterungssucht und seine über jede moralische Erwägung erhabene Politik haben dem Bunde einen glänzenden Aufschwung bereitet. Im J. 242 befreite er das hochwichtige Korinth von der makedonischen Garnison und führte die Stadt dem Bunde zu (Polyb. II 43, 4. Plut. Arat. 20–24. Droysen a. a. O. III 1, 416). In die Zeit nach der Befreiung fällt der kürzlich durch eine Inschrift bekannt gewordene Grenzstreit der Korinther mit den Epidauriern, dessen Regelung vom achaeischen Bunde den Megarensern übertragen wurde (Ἐφ. Ἀρχ. 1887 S. 9 ff.). Korinth folgten bald Megara, Troizen und Epidauros (Pol. II 43, 5. Paus. II 8. VII 7. v. Wilamowitz Antigonos von Karystos 302). Das Verhältnis der Achaeer zu Ägypten wird dadurch charakterisiert, dass Ptolemaios III. von ihnen zum σύμμαχος ἡγεμονίαν ἔχων κατὰ γῆν καὶ θάλασσαν erwählt wurde (Plut. Arat. 24. v. Wilamowitz a. a. O. 303). Vergeblich verbanden sich die Aetoler mit Antigonos Gonatas, um die Ausbreitung des Bundes zu hindern (Pol. II 43, 9). Nach dem Tode des Antigonos (239) veranlassten die Feindseligkeiten zwischen seinem Nachfolger Demetrios II. und den Aetolern die letzteren, mit den Achaeern in freundschaftliche Verhältnisse zu treten (Pol. II 44, 1). Noch günstiger waren für den Bund die Umstände nach Demetrios II. Tode (229). Der Vormund des Kindes des Demetrios, Antigonos Doson, entzog den kleinen Tyrannen im Peloponnes die Unterstützung seines Vorgängers. Daher fanden es diese für ratsamer der Überredung des Aratos nachzugeben und durch freiwilligen Beitritt zum Bunde Leben, Vermögen und Einfluss zu retten (Pol. II 44). Lydiadas, der Tyrann von Megalopolis, ging mit seinem Beispiele voran (234 oder Anfang 233). Vgl. Schömann Praef. ad Plut. Ag. et Cleomen. p. XXXVI. Dittenberger Hermes XVI 180; vgl. Syll. p. 277 A. Später legten auch Aristomachos von Argos, Xenon von Hermione und Kleonymos von Phlius ihre Gewalt nieder (228), um mit ihrem Gebiete Glieder des Bundes zu werden (Pol. II 44; vgl. Plut. Arat. 34 f. Paus. II 8. Droysen Gesch. des Hellen. III 2, 54). Den Athenern verschaffte Aratos (229) Mittel, durch Bestechung des makedonischen Befehlshabers Diogenes sich der Besatzungen auf Salamis, Sunion, dem Peiraieus und Munichia zu entledigen (Plut. Arat. 34. Paus. II 8, 5; vgl. U. Köhler Hermes VII 3). [166] Jetzt hatte der Bund seinen höchsten Glanz erreicht. Athen war befreundet; Megara, Aigina, der ganze nördliche und mittlere Peloponnes (ausser Sparta fehlten nur noch Elis, Tegea, Orchomenos und Mantineia) hatte sich ihm angeschlossen. Griechenland erschien neu belebt und in verjüngter Kraft; aber leider zeigte es sich bald, dass es nur von Neuem erstarkt war, um seine frischen Kräfte gegen sich selbst zu verbrauchen.
Ehe wir die weiteren Schicksale des Bundes verfolgen, mögen hier die wesentlichsten Punkte der Bundesverfassung in möglichster Kürze erörtert werden. Polybios II 38 behauptet, ausser der Staatsverfassung der Achaeer gebe es wohl keine andere, in welcher sich eine solche Gleichheit der Stände, so viele Freiheit, kurz eine so wahre Demokratie und von allen Nebenabsichten so reine Institutionen fänden. In der That war die Gestalt des neuen achaeischen Bundes eine gänzlich neue Erscheinung unter der bunten Fülle griechischer Politieen. Man bildete keinen losen amphiktionischen Staatenbund wieder und vermied andererseits die Form der Hegemonie mit ihren politischen und sittlichen Gefahren. Man bildete einen Bundesstaat mit möglichster Schonung der städtischen Individualitäten und ihres inneren Lebens, aber unter Hingabe gewisser Souveränitätsrechte an das Ganze; es gab nur Einen Achaeerstaat nach aussen, nach innen gemeinsame Freiheit und gleiche Berechtigung. Dieses neue Princip, verknüpft mit dem frischen Aufschwung zur Befreiung der unter makedonischem oder Tyrannenjoch schmachtenden Hellenen, hatte die kleine Achaeerlandschaft zum Ausgangspunkt einer hoffnungsreichen politischen Bildung werden lassen; freilich haben aber auch hier die gefährlichen Fehler und Schäden nicht gemangelt, denen die Geschichte bei Bundesgemeinschaften zu allen Zeiten so häufig begegnet.
Die Verfassung gilt für die einzelnen Städte wie für die Gesamtheit als eine demokratische; sie war indessen allem Anschein nach stark timokratisch gefärbt. Dafür spricht der sehr bedeutende Einfluss, den die Hippeis, d. h. die zu Ross dienenden Wohlhabenden, ausübten (Plut. Philop. 7. 18. Polyb. X 25, 8. V 93, 6; vgl. Droysen Gesch. des Hellen. III 2, 68) und der Umstand, dass bei den grossen Bundesversammlungen die Bürger nicht durch Deputierte vertreten wurden, sondern persönlich erschienen, was eine stärkere Beteiligung der Massen ausschloss. Vgl. im allgemeinen: Freemann History of Federal government I (History of the Greek Federations) London 1863. Vischer kleine Schriften (Lpz. 1877) I 565ff. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 116, 1. R. Pöhlmann Handb. d. Altert. III 453. Ob alle Bundesmitglieder, alte wie neu aufgenommene, die gleichen Rechte hatten, ist sehr fraglich. Vgl. M. Klatt Chronologische Beiträge zur Gesch. d. achaeischen Bundes (Berlin 1883) S. 6. Auch waren in dem zu einem bedeutenden Staate erweiterten Bunde keineswegs alle im eidgenössischen Gebiete liegenden Ortschaften unmittelbare Bundesmitglieder (Droysen Gesch. d. Hellen. III 2, 61). In den Bundesversammlungen wurde nach Städten, nicht nach [167] Köpfen oder nach anderen Verhältnissen, abgestimmt (Liv. XXXII 22. 23. XXXVIII 32), ein bedenklicher Umstand, da dem Rechte nach Orte wie Bura oder Tritaia gleiches Gewicht hatten wie die grösseren Bundesorte. Doch sind umfangreichere Stadtgebiete, wie z. Β. Megalopolis, in mehrere stimmberechtigte Cantons geteilt worden. Vgl. R. Weil Zeitschr. für Num. IX (1882) 224. Auf diesen Bundesversammlungen wurden alle gemeinsamen Angelegenheiten beraten. Ordentlicher Weise wurden dieselben jährlich zweimal, im Frühling und Herbste (Pol. IV 37, 2. V 1, 1. 30, 7. II 54, 13. Liv. XXXVIII 32) in dem sogenannten Amarion, in dem Haine des Ζεὺς Ἀμάριος bei Aigion in der Nähe eines Heiligtums der Δημήτηρ Παναχαία abgehalten (Strab. VIII 385. 387). Polybios nennt das Heiligtum Ὁμάριον (II 39), den Gott Ὁμάριος, während Pausanias (VII 24, 2) dem Gott den Beinamen Ὁμαγύριος giebt. Aus der Inschrift bei Dittenberger Syll. 178 ersehen wir, dass der Beiname des Zeus Ἀμάριος, der seines Heiligtums Ἀμάριον lautete. Auch Athena führte bei den Achaeern diesen Kultnamen (vgl. die Schwurformel bei Dittenberger a. a. Ο. Ὀμνύω Δία Ἀμάριον, Ἀθηνᾶν Ἀμαρίαν, Ἀφροδίταν καὶ τοὺς θεοὺς πάντας). Die Nachrichten über die ordentlichen und ausserordentlichen Bundesversammlungen sind so unbestimmt, dass eine sichere Zeitbestimmung der ordentlichen noch nicht gelungen ist. Vgl. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 114ff. Unger Philol. XLVI 766ff. Klatt Chronologische Beiträge zur Gesch. d. achaeischen Bundes (Berlin 1883) 25. M. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne (Paris 1885) 117ff. A. Bauer Jahresb. LX 1889, 166ff. In dringenden Fällen wurden zur Beratung eines besonderen Gegenstandes (Liv. XXXI 25) auch ausserordentliche Versammlungen, und, seit der bedeutenden Ausdehnung des Bundes über Achaia hinaus, bald in diese, bald in eine andere Bundesstadt zusammenberufen (Pol. XXV 1, 5. XXIX 8. XXXIII 15. Plut. Arat. 41; Cleom. 15. 17. Liv. XXXI 25. XXXII 19 u. a.). Zutritt hatte jeder Bürger, der 30 Jahre alt war, ohne Unterschied des Standes und Vermögens (Pol. IV 14, 1. V 1, 7. XXIX 9, 6), ebenso das Recht vorzuschlagen und zu reden, wozu ein Herold die Anwesenden aufforderte (Liv. XXII 20). Es durfte jedoch über nichts anderes geredet werden als über die vorher auf die Tagesordnung gesetzten Gegenstände, selbst von den Bundesbeamten nicht (Pol. XXIX 9, 10. Liv. XXXII 20. XXXI 25; vgl. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 118). Vor diese Versammlung gehörte (vgl. Paus. VII 8, 3. 9, 3. 12, 1. 2. 13, 3) hauptsächlich: Entscheidung über Krieg und Frieden (Pol. IV 15. 16 u. ö.), Aufnahme ins Bündnis (Pol. XXV 1), feierliche Audienz fremder Gesandten und Unterhandlungen mit dem Bunde (Pol. IV 7. XXIII 7–10. XXVIII 7. XXXIII 15. Liv. XXXII 19 u. ö.). Auch der Verkehr mit einer fremden Macht musste von ihm ausgehen, da es den einzelnen Staaten verboten war, in eigenen Angelegenheiten Gesandte abzuschicken (Paus. VII 9) oder Geschenke von fremden Staaten anzunehmen (Pol. XXIII 8); ferner die Erteilung [168] von Ehren (Polyb. VIII 14. XL 8), z. Β. die Verleihung der Proxenie (Dittenberger Syll. 182), die Wahlen der Bundesbeamten (Pol. IV 37. 82. Plut. Arat. 41), Bestrafung der Vergehen von Bundesbeamten, wozu bisweilen besondere Richter ernannt wurden (Pol. IV 14. XL 5; vgl. auch Paus. VII 9, 2. Dittenberger Syll. 178). Vorberatung und Einleitung der Bundestagsangelegenheiten und wohl auch zuweilen Stellvertretungen für die allgemeine Versammlung lagen wahrscheinlich einem ständigen Ausschuss ob (Pol. II 46, 4. 6. IV 26, 8. XXIII 9, 6. XXVIII 3, 10. XXIX 9, 6. Plut. Arat. 53). Über die Bedeutung der verschiedenen bei Schriftstellern und auf den Steinen gebräuchlichen Ausdrücke (βουλή, γερουσία, σύνοδος u. a.) gehen die Ansichten der Gelehrten stark auseinander. Ich verweise in dieser Hinsicht auf die Specialarbeiten.
An der Spitze des Bundes stand der Strategos (Strab. VIII 385. Pol. II, 43, 1. 2), der mit einem Hipparchos (Polyb. V 95. X 22. XXVIII 6. Plut. Philop. 7. Lebas-Foucart Meg. et Pelop. II 353. Dittenberger Syll. 178; Hermes XVI 617ff.) und einem Nauarchos (Polyb. V 94. 95. Dittenberger Syll. 178) das von dem Bunde aufgestellte Heer befehligte und die gesamte Leitung des Krieges hatte, ein Staatsschreiber, γραμματεύς (Strab. VIII 385. Pol. II 43, 1. Lebas-Foucart II 12. 17. Martha Bull. hell. II 95 Z. 4. R. Weil Zeitschrift f. Numism. IX 205) und zehn Damiurgen (Liv. XXXII 22. XXXVIII 30. Plut. Arat. 43. Polyb. XXIV 5. Dittenberger Syll. 182: Beschluss des κοινὸν τῶν Ἀχαιῶν, abgefasst ἐπὶ δαμιορ[γῶν.......]ήγα Βουρίου, Νικανδρίδα..... Weinert die achaeische Bundesverfassung, Demmin 1881, 23ff. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 114, 1. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 166ff.). Der στρατηγός war als oberster Bundesbeamte der officielle Leiter der Bundespolitik, berief in Gemeinschaft mit den δαμιουργοί die Bundesversammlungen, deren Beschlüsse er ausführte, verhandelte als Vertreter des Bundes mit fremden Gesandten (Polyb. XXIV 12. XXXII 15), erneuerte und beschwor die Bundesverträge mit auswärtigen Staaten oder Städten (Polyb. XXIII 9. Dittenberger Syll. 178) und führte im Kriege den Oberbefehl über das Gesamtheer des Bundes. Näheres über seine Competenzen und Amtspflichten bei Weinert die achaeische Bundesverfassung 20ff. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 110ff. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 150ff. Die Damiurgen, neben dem Strategen dem oberste Regierungsrat (ursprünglich wohl als Vertreter der alten zehn Achaeerstädte anzusehen, während man nachher zwar die Zahl beibehielt, aber natürlich sich bei deren Wahl nicht mehr auf die alten Orte beschränkte), scheinen die Bundesversammlung in Gemeinschaft mit dem Strategen berufen zu haben, den sie bei der Leitung derselben unterstützten. Die Wahl der Beamten wurde jährlich in der beim Aufgang der Plejaden (im Mai) gehaltenen Frühlingsversammlung vorgenommen (nachweislich in den Jahren 219/8 und 218/7: Polyb. IV 37. V 30; vgl. G. Gilbert a. a. O. 111). Der Amtsantritt des Strategen [169] erfolgte durch Übernahme der δημοσία σφραγίς (Pol. IV 7. Vgl. Plut. Arat. 88. G. Gilbert a. a. O. 112 A. 2). Über die Zeit derselben sind unsere Nachrichten sehr unbestimmt und von den Neuern zu den verschiedensten Deutungen und Schlüssen verwandt worden. Vgl. Unger Abh. Akad. Münch. 1879, 117ff.; Philol. XLVI (1888) 766ff. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 111. M. Klatt Chronol. Beiträge zur Geschichte d. ach. Bundes (Berlin 1883) 17ff. 32ff.; Rhein. Mus. XLV (1890) 337. A. Bauer Jahresb. LX (1889) 167. B. Baier Studien zur achaeischen Bundesverfassung. Progr. der Kgl. Studienanstalt Würzburg 1886. Starb ein Stratege während der Amtsperiode, so trat bis zum nächsten Wahltermine sein Vorgänger für ihn ein (Pol. XL 2, 1). Die Continuierung des Amtes war gesetzlich verboten, eine abermalige Bekleidung desselben erst nach Ablauf eines Jahres gestattet (Plut. Arat. 24. 30; Cleom. 15. Ausnahme bei Philopoimen: Liv. XXXVIII 33; vgl. Klatt Forschungen zur Gesch. des achaeischen Bundes, Berlin 1877, 122. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 152). Was die Heereszusammensetzung des Bundes betrifft, so bestanden die Bundestruppen teils aus achaeischen Bürgern, teils aus Söldnern. Die Aushebung des Bundescontingents lag dem Strategos ob, dem eine Anzahl von ὑποστράτηγοι unterstellt war (Dubois a. a. O. 152ff. 165f. Gilbert a. a. O. 120). Der enge Zusammenhang der einzelnen Staaten, den die Bundesordnung bezweckte, sollte noch unterstützt werden durch einerlei Mass, Gewicht und gleichen Münzfuss. Denn wohl nur dieses will Pol. II 37 mit τοῖς αὐτοῖς νομίσμασι sagen, da sich zahlreiche Münzen von den Prägstätten der einzelnen Staaten finden; wir kennen über 40 Prägstätten achaeischer Bundesmünzen. Vgl. R. Weil Zeitschr. für Num. IX 199ff. 242ff. Ebenso sind unter ἄρχουσι, βουλευταῖς, δικασταῖς τοῖς αὐτοῖς a. a. O. nur Bundesbeamte und Bundesrichter in Bundesangelegenheiten zu verstehen, da die Selbständigkeit der einzelnen Staaten in ihrer innern Verwaltung, eigene Volksversammlungen, eigener Rat, Richter u. s. w. nicht aufgehoben waren. Vgl. Plut. Arat. 44. 53; Philop. 13. Liv. XXXII 25. Pol. IV 18. V 93. G. Gilbert Griech. Staatsalt. II 122. Dittenberger Syll. 242. 316. Vischer Kleine Schriften I 568ff.
Obgleich Aratos sich die erdenklichste Mühe gab für den so gestalteten Bund den ganzen Peloponnes zu gewinnen, so scheiterte doch sein Streben an der hartnäckigen Opposition einiger Staaten, namentlich der Eleer und Lakedaemonier; und gerade diese letztern waren es, von denen in Verbindung mit den Aetolern für den Bund eine Gefahr ausging, die abzuwehren Aratos weder Takt noch Feldherrntalent genug besass (vgl. Plut. Philop. 8). Es kam dazu, dass auch die militärischen Verhältnisse des Achaeerbundes damals nicht in der Verfassung waren, um die grossen Gefahren, welche die politische Aufgabe des Bundes wie die Gegnerschaft seiner mächtigen Nachbarn nach sich zog, mit besonderer Zuversicht bestehen zu können. Der vielunternehmende König der Spartaner, Kleomenes III., bemüht, durch [170] kriegerische Thaten sich den Boden für die von ihm projektierten Reformen in Sparta zu gewinnen, hatte im J. 228 unter Conivenz der Aetoler die diesen zugewandten Städte annectiert (vgl. M. Klatt Rhein. Mus. XLV 347ff.). Noch waren die Achaeer entschlossen den Krieg zu vermeiden (Pol. II 46); aber die Besetzung des megalopolitanischen Grenzpostens Belbina durch Kleomenes, welche die Achaeer durch Wegnahme von Kaphyai bei Orchomenos beantworteten, worauf dann wieder Kleomenes Methydrion besetzte, brachte den Krieg zu offenem Ausbruch, 228 bezw. 227 v. Chr. (Pol. II 46. Plut. Cleom. 4; Arat. 35). Dieser Krieg wurde auf Seiten der Achaeer, vornehmlich wegen Aratos’ Zaghaftigkeit und seiner mehr als geringen militärischen Geschicklichkeit, höchst unglücklich geführt. Aratos wurde im J. 226 von Kleomenes am Lykaion völlig geschlagen (Plut. Arat. 36; Cleom. 5. Pol. II 51, 3); in demselben Jahre verlor, nicht ohne Aratos’ Schuld, der tapfere Lydiadas bei Leuktra Schlacht und Leben (Plut. Cleom. 6); und im J. 225 wurde das von Aratos vorübergehend gewonnene Mantineia von Kleomenes wieder erobert (Plut. Cleom. 14. Pol. II 57. 58), im folgenden Jahre 224 aber das achaeische Heer beim Hekatombaion unweit von Dyme total zersprengt (Plut. Cleom. 14; Arat. 39. Pol. II 51, 3. Droysen Gesch. d. Hell. III 2, 102ff.). Nach diesen glänzenden Siegen und der Eroberung vieler Bundesstädte machte Kleomenes den Achaeern Friedensanträge, in denen er die Hegemonie verlangte (Plut. Cleom. 15; Arat. 38). Aratos und seine Partei widerstrebten dem mit allen Mitteln; zäher Hass und tiefgewurzelter eifersüchtiger Grimm gegen den Spartaner, der das ehrgeizige Werk seiner patriotischen Streberei zertrümmert hatte, bestimmte den Aratos zunächst; indessen bei ihm und bei den Angesehenen und Reichen unter den Achaeern trat dazu wohl noch die Besorgnis, durch eine derartige Verbindung mit dem so eben gewaltsam reformierten Sparta nicht allein den Schwerpunkt der Machtverhältnisse im Peloponnes vollständig verschoben, sondern auch die inneren Verhältnisse der einzelnen Städte zu Gunsten der armen, nach durchgreifenden Besitzveränderungen und Schuldentilgung begierigen Massen völlig umgewandelt zu sehen (Schömann Prolegom. ad. Plutarch. Ag. et Cleomen. p. XXVIff. Droysen Gesch. d. Hellen. III 2, 205ff. Pöhlmann in Müllers Handb. d. Altertumsw. III 455). Daher suchte Aratos, als Kleomenes nach Abbruch der Verhandlungen eine Stadt nach der andern gewann und im J. 223 selbst Argos einnahm (Plut. Cleom. 17; Arat. 39. Pol. II 52, 1), den Rest des Bundes dahin zu bringen, dass er sich dem makedonischen Könige Antigonos Doson, mit welchem Aratos schon seit dem J. 225 unterhandelt hatte (Pol. II 47ff.), in die Arme werfe (Pol. II 50. Plut. Cleom. 16. 19; Arat. 38. 40. 41). Sein Rat drang durch: Antigonos ward um Hilfe angegangen. Vgl. E. Oberhummer Akarnanien, Ambrakia, Amphilochien, Leukas im Altertum (München 1887) 160.
Der Makedonenkönig knüpfte seinen Beistand an die Bedingung, ihm Stadt und Burg Korinth zu überlassen (Pol. II 51). Die Achaeer trugen deswegen [171] Bedenken; als aber die Stadt Korinth sich an Kleomenes, der inzwischen noch manche andere Stadt gewonnen hatte, freiwillig ergab, glaubten sie sich ihrer Verpflichtungen gegen die Korinther enthoben und waren bereit dem Antigonos Akrokorinth zu übergeben (Plut. Arat. 42). Antigonos erschien 223 v. Chr. mit 20,000 Mann und 1400 Reitern (Plut. Arat. 43) am Isthmos (Droysen a. a. O. 113). Kleomenes versuchte vergeblich ihm das Eindringen in den Peloponnes unmöglich zu machen; alle Städte, die vom achaeischen Bunde abgefallen waren, traten teils freiwillig teils gezwungen wieder bei (Pol. II 52ff. Plut. Cleom. 19ff.; Arat. 43ff). Nach längerem blutigen Ringen – im J. 222 wurden unter anderem Mantineia von den Makedoniern (Plut. Arat. 45. Paus. VIII 8, 6. Pol. II 54. 57. 62, 11) und Megalopolis von den Spartanern (Pol. II 55. 61. Paus. VIII 27, 10. 49, 3. Plut. Cleom. 23–25; Philop. 5) furchtbar verheert – wurde endlich Kleomenes in der Hauptschlacht bei Sellasia gänzlich geschlagen, im J. 222 bezw. 221 v. Chr. (Pol. II 68. 69. Plut. Cleom. 28; Arat. 48. Mommsen R. G. I 551. B. Niese Histor. Zeitschr. XLV 1881, 489ff. Droysen Gesch. d. Hellen. III 2, 152, 1. M. Klatt Rhein. Mus. XLV 336). Kleomenes entfloh nach Ägypten (Pol. II 69. Plut. Cleom. 31; Arat. 46), wo er bald darauf einen tragischen Tod fand, 220 bezw. 219 v. Chr. Sparta musste seine frühere, durch Kleomenes umgestürzte Verfassung wieder annehmen (Pol. II 70). Antigonos, mässig in der Benutzung seines Sieges, wurde bei den nemeischen Spielen als Sieger und Befreier begrüsst, errichtete mit den Achaeern, Lakedaemoniern, Arkadern, Boeotern, Phokern, Thessalern und Epiroten einen neuen Bund (Pol. IV 9), dessen Hegemonie natürlich ihm zufiel, musste aber wegen eines Einfalls der Illyrier in das makedonische Gebiet zurückkehren, wo er bald darauf starb (220 v. Chr.), das Reich seinem Neffen Philipp hinterlassend; Pol. II 70. IV 5. Plut. Cleom. 27. 30; Arat. 46. Droysen Gesch. d. Hellen. III 2, 156. Mommsen Hermes XVII (1882) 477. E. Oberhummer Akarnanien 160. Der Krieg mit Kleomenes und des Aratos unselige Haltung hatte den Achaeerbund zu einer makedonischen Dependenz herabgedrückt (Plut. Arat. 45). Makedonische Garnisonen standen in Korinth und Orchomenos (Pol. IV 6, 5. Plut. Arat. 45), und hatten die Achaeer etwa gemeint sich des jungen Philipp leicht entledigen zu können, so sollte sich das alsbald als eine Täuschung erweisen. Schon die nächsten Ereignisse knüpften den Peloponnes noch enger an Makedonien.
Die Aetoler hatte bisher die Furcht vor Antigonos in Schranken gehalten; nach seinem Tode aber begannen sie, die Jugend Philipps verachtend, ihre alten Räubereien, zunächst (220) gegen Westachaia und die Messenier (Pol. IV 1–13. E. Oberhummer a. a. O. 160). Die Achaeer beschlossen sich der Messenier anzunehmen; nur der Stratege Timoxenos suchte den Ausbruch der Feindseligkeiten mit den Aetolern zu verhindern, weil seine Landsleute seit einiger Zeit die Waffenübungen vernachlässigt hätten. Überdies waren die Finanzen erschöpft (Pol. IV 60). Aratos, [172] ohne Zweifel auf Philippos von Makedonien rechnend, übernahm fünf Tage vor der gesetzlichen Zeit die Strategie, erlitt jedoch, als es zum Gefechte kam, bei Kaphyai in Arkadien eine gründliche Niederlage (Pol. IV 7. 12 Plut. Arat. 47). Auf die Nachricht von diesem Unfalle ward Aratos vor das Bundesgericht gestellt, doch wurde ihm in Betracht seiner früheren Verdienste auf seine Bitten hin verziehen (Pol. IV 14). Bei einem neuen Einfalle der Aetoler in den Peloponnes (der namentlich die Städte Kynaitha und Lusoi traf) hatte Aratos nicht den Mut sich ihnen entgegen zu stellen. Als aber Philipp, das Haupt der grossen Symmachie, auf dem Bundestage zu Korinth erschien (222 v. Chr.), wurde Messenien förmlich in den Bund aufgenommen (Pol. IV 9. 15. 25) und der allgemeine Krieg gegen die Aetoler beschlossen. Vgl. Oberhummer Akarnanien 161. Dem Gesetze gemäss musste der Beschluss von den einzelnen Bundesstaaten noch besonders bestätigt werden. Allein die deshalb abgeordneten Gesandten fanden nicht überall regen Eifer. Die Achaeer waren die ersten, die den Beschluss ratificierten; ihnen folgten die Akarnanen; die Epiroten wollten warten, bis Philipp den Krieg begonnen hätte; zu gleicher Zeit versprachen sie den Aetolern Frieden zu halten; die Messenier, obgleich sie um Beistand gefleht, wollten Phigaleia zum Lohn (Pol. IV 30ff.); Sparta antwortete durch Schweigen und schloss sich nachher mit den Eleern den Aetolern an (Pol. IV 16. 34ff.).
So begann Philipp, mehr auf sich als seine Bundesgenossen vertrauend, den Krieg, den man den Bundesgenossenkrieg nennt, im J. 220/19 v. Chr. Dieser Krieg wurde von beiden Seiten überwiegend durch plündernde Einfälle in das feindliche Gebiet ohne wirklich entscheidende Schläge geführt (Pol. IV 1–37. 57–V 30. 91–105; vgl. Plut. Arat. 47. 48). Nachdem Philipp noch mit dem Illyrier Skerdilaidas, welcher bei der Teilung der von den Aetolern im Peloponnes gemachten Beute leer ausgegangen war, einen Vertrag geschlossen hatte, wodurch dieser sich verpflichtete, die Aetoler zur See zu beunruhigen (Pol. IV 29), zog er durch Thessalien nach Epirus vor das von den Aetolern besetzte Ambrakos. Er eroberte die Stadt (Pol. IV 61ff.), nachdem der aetolische Stratege Skopas sie durch eine Diversion in Thessalien und Südmakedonien vergeblich zu retten versucht hatte. Von hier zog Philipp in das Land der Akarnanen, erhielt das Bundescontingent und drang glücklich am Acheloos vor. Vgl. Oberhummer Akarnanien 162. Unterdessen hatte der Peloponnes durch den Abenteurer Dorimachos von Trichonion zu leiden, der den grössten Teil seiner Mannschaft durch Unvorsichtigkeit nach der Eroberung der Stadt Aigira verlor (Pol. IV 57f.), sowie durch Euripidas, den die Aetoler den Eleern als Feldherrn geschickt hatten (Pol. IV 59f.), und den spartanischen König Lykurgos, der, noch ehe Philipp die Feindseligkeiten begonnen hatte, einige den Argivern in Lakonien zugehörige Plätze wegnahm und später die Feste Athenaion im Gebiet von Megalopolis zerstörte (Pol. IV 33. 81). Unter diesen Umständen gingen achaeische Gesandte an Philipp ab und forderten ihn zu [173] einem Einfalle in Elis auf (Pol. IV 65). Der König gab ihnen keine entscheidende Antwort, sondern behielt sie bei sich, verheerte mehrere Orte Aetoliens und war eben damit beschäftigt Oiniadai zu befestigen, das ihm besonders zur Überfahrt nach dem Peloponnes geschickt gelegen war, als er aus Makedonien die Botschaft erhielt, die Dardanier machten Miene in Makedonien einzufallen (Pol. IV 64ff.). Auf diese Kunde hin verliess er eilends Aetolien, um sich nach Makedonien zu wenden. Das Gerücht von seiner Ankunft reichte hin die Dardanier so in Schrecken zu setzen, dass sie ihr Vorhaben wieder aufgaben und sich zurückzogen. Gleichwohl kehrte Philipp nicht nach Aetolien zurück, sondern zog nach Thessalien und blieb in Larissa. Erst als der Aetoler Dorimachos in Epirus eingedrungen war, das Land geplündert und das dodonaeische Heiligtum verwüstet hatte (Diod. XXVI 10. Pol. IV 67), schiffte er sich zur Winterszeit nach Euboea ein und erschien hierauf den Griechen ganz unerwartet in Korinth. Nachdem er von hier aus eine Abteilung Eleer, die unter Euripidas einen Einfall in das Gebiet von Sikyon zu machen beabsichtigten, bei Stymphalos überrascht und beinahe ganz vernichtet hatte, vereinigte er sich in Kaphyai mit der achaeischen Mannschaft und brach nun mit 10,000 Mann auf, um Elis anzugreifen (Pol. IV 68ff.). Er wandte sich gegen die den Eleern gehörende arkadische Festung Psophis, gewann sie nach kurzem Widerstand, verwüstete hierauf Elis und bekam nach wenigen Tagen die Landschaft Triphylien im Süden von Elis in seine Gewalt. Vgl. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 72. Den Rest des Winters 219/8 brachte er in Argos zu (Pol. IV 82). In welcher Abhängigkeit die Achaeer von Philipp standen, beweist die Wahl des Strategen Eperatos, die Philipps Drohungen erzwangen, während Timoxenos durchfiel, den der von der makedonischen Umgebung des Königs verdächtigte und verhöhnte Aratos empfohlen hatte (Plut. Arat. 48. Pol. IV 82. 84. V 15). Eperatos hatte aber so geringen Einfluss, dass Philipp, um Unterstützung an Geld und Lebensmitteln für den nächsten Feldzug gegen die Aetoler zu erhalten, den ältern und jüngern Aratos wieder mit Höflichkeit behandelte, worauf ihm Getreide, 50 Talente beim Aufbruch, ein dreimonatlicher Sold für sein Heer und künftig 17 Talente monatlich, so lange er im Peloponnes als Bundesgenosse kämpfe, bewilligt wurden (Pol. V 1). Im Anfange des Sommers 218 eröffnete Philipp den Feldzug mit einem Angriffe auf die den Aetolern verbündete Insel Kephallenia. Keine der Städte auf der Insel konnte eingenommen werden, und Philipp beschloss auf den Rat des Aratos und die Bitten der Akarnanen hin einen grossen Einfall in Aetolien zu machen (Pol. V 5ff.), bei dem der Hauptort der Aetoler, Thermon, samt den dort aufgehäuften Kunstschätzen und andern Kostbarkeiten, die nicht als Beute fortgeschleppt werden konnten, zerstört wurde (Pol. V 7–12. Bursian Geogr. von Griechenland I 136ff. Oberhummer Akarnanien 164ff.). Dorimachos, der zu derselben Zeit, als Philipp Kephallenia angriff, ein aetolisches Heer nach Thessalien geführt und wahrscheinlich [174] mehrere Städte, unter diesen das phthiotische Theben, besetzt hatte, kam zur Abwehr zu spät. Von Aetolien kehrte Philipp in den Peloponnes zurück, wo Lykurg die Stadt Messene beunruhigte. Philipp verwüstete Lakonien, ohne jedoch Sparta selbst anzugreifen, und rettete sich aus bedenklicher Lage, in die er durch die Taktik des spartanischen Königs Lykurgos geraten war, nur unter heissen Gefechten. Hierauf ging er nach Korinth (Pol. V 18ff.), wo er Gesandte von Rhodos und Chios antraf, die den Frieden vermitteln wollten. Teils die Verbindung der kriegführenden Teile mit Piraten (vgl. Pol. IV 29. 55. 68. 80), die den Seeräubereien Vorschub leistete, das Meer unsicher machte und den Verkehr hinderte, teils die Furcht vor völliger Vernichtung der griechischen Freiheit mochte die Staaten zu dieser Gesandtschaft veranlassen. Der König erklärte sich geneigt zum Frieden, ebenso die Aetoler. Es wurde ein dreissigtägiger Waffenstillstand geschlossen und eine Zusammenkunft verabredet. Aber eine im makedonischen Heere ausgebrochene Meuterei, die zwar sogleich wieder unterdrückt wurde und den Urhebern ihre Strafe brachte, vereitelte die Friedensaussichten. Die Aetoler, davon benachrichtigt, hofften Vorteile von diesen Unruhen und erschienen nicht zu der bestimmten Zeit. Philipp, dem es ebenfalls mit den Unterhandlungen kein rechter Ernst war, gebot den Bundesgenossen neue Kriegsrüstungen. Er selbst begab sich nach Makedonien. Seine Abwesenheit brachte den Achaeern durch einen Einfall der Aetoler in Achaia neue Gefahr, die um so grösser war, als die Erbärmlichkeit des Strategen Eperatos völlige Verwirrung und Anarchie herbeigeführt hatte. Daher ward Aratos wieder zum Oberhaupte gewählt; es gelang ihm die Ordnung herzustellen (Pol. V 24–30. 91–93). Nachdem die Achaeer nun zu Land und zur See noch einige Vorteile errungen hatten (Pol. V 94–95), die makedonische Nordgrenze durch Occupation des paeonischen Bylazora dauernd gegen die Dardaner gedeckt und darauf das phthiotische Theben, von wo aus die Aetoler ihre Streifereien in Thessalien machten, vernichtet war (Pol. V 97–99), beeilte sich Philipp auf einmal Frieden zu schliessen. Nicht die wiederholten Vermittlungsversuche der Rhodier und Chier, denen sich auch Ptolemaios Philopator von Aegypten und die Byzantier angeschlossen hatten (Pol. V 100), bestimmten ihn dazu, sondern die Nachricht von der Niederlage der Römer am Trasimenersee (Pol. V 101; vgl. Mommsen Hermes XVII 479). Längst schon hatte Philipp mit Aufmerksamkeit den Gang des Kriegs zwischen Hannibal und den Römern in Italien beobachtet, und nun stellte ihm der von den Römern vertriebene und von Philipp aufgenommene Demetrios aus Pharos (Pol. III 16. IV 66. V 12. Mommsen a. a. O. 480) eindringlich vor, dass es jetzt der günstigste Zeitpunkt sei den Einfluss der Römer in Illyrien zu vernichten und vielleicht noch Grösseres zu unternehmen (Pol. V 101; vgl. Iustin. XXIX 3). So kam im J. 217 v. Chr., wesentlich auch durch den weitblickenden Aetoler Agelaos gefördert, bei Naupaktos der Friede zustande. Vgl. Mommsen Hermes XVII 479. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 73. [175] Oberhummer Akarnanien 166. Pöhlmann Handbuch der Altertumsw. III 456. G. Clementi Studi di storia antica pubblicati da Beloch I (Roma 1891) 62. Nach den Bedingungen desselben sollten beide Parteien im Besitze dessen bleiben, was sie zur Zeit inne hatten (Pol. V 102–105).
Die Ruhe des Peloponnes wurde aber bald wieder durch innere Wirren in Messenien gestört. Philipp, dem es darum zu thun war, seinen Einfluss in Griechenland sich nicht nur zu sichern, sondern auch zu vergrössern, eilte herbei, reizte die Parteien noch mehr gegen einander auf und suchte dabei die wichtige Festung Ithome in seine Gewalt zu bekommen. Die Vorwürfe des jüngern Aratos und die abmahnenden Vorstellungen des ältern bestimmten Philipp freilich von diesem Beginnen abzulassen, hatten aber seine schon längst bestehende Eifersucht auf Aratos’ Ansehen und Einfluss in solchen Hass verwandelt, dass er beide, Vater und Sohn, durch langsam wirkendes Gift töten liess, 213 v. Chr. (Plut. Arat. 49–54. Pol. VIII 14. Paus. II 9, 4. Liv. XXVII 21; vgl. Neumeyer Aratos von Sikyon. Neustadt 1886. 1887).
Der Krieg, welchen Philipp als Hannibals Bundesgenosse seit 215 v. Chr. gegen die Römer eingeleitet hatte, wurde nur allzubald auch den Achaeern verderblich. Denn die Römer schlossen 211 v. Chr. durch den Praetor M. Valerius Laevinus ein Bündnis mit den Aetolern, dem ausser andern auch Elis, Sparta und die durch Philipp so schwer gereizten Messenier beitraten. Das brachte über ganz Griechenland, vor allem über den Achaeerbund, für eine Reihe von Jahren Kriegslärm und Kriegsnot und leitete zugleich jene Beziehungen zwischen Rom und Hellas ein, die mit dem Untergang der griechischen Freiheit abschlossen (Pol. IX 28ff. Oberhummer Akarnanien 166ff. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 23. Brandstäter Gesch. d. aetol. Landes, Volkes u. Bundes 391. Wachsmuth Leipz. Studien X (1887) 280. G. Clementi Studi di storia antica I 66). Glücklicherweise fanden damals die Achaeer an dem Megalopolitaner Philopoimen einen Mann, dessen sie in der Zeit ihrer Not bedurften. Vgl. Mommsen R. G. I 702. Neumeyer Philopoimen. Progr. Amberg 1879. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 73ff. Dieser kriegstüchtige Offizier, der wohl wusste, dass die Achaeer nur auf eine starke Waffenmacht gestützt eine selbständige Politik treiben konnten, hatte bereits als Hipparch die Bundesreiterei zu einem brauchbaren Corps umzuschaffen versucht. Dann zum ersten Male Stratege (207), bemühte er sich den nationalen Geist energisch zu beleben und die alte Waffenkraft der Achaeer und Arkader durch Reform des bündischen Heerwesens zur Geltung zu bringen. Philopoimen bewirkte in kurzer Zeit, dass die Achaeer im offenen Felde, wo sie sich zuvor kaum noch zeigen durften, bemerkenswerte Erfolge errangen. Im J. 207 gewann er bei Mantineia einen vollständigen Sieg über die spartanischen Heere. Vgl. Pöhlmann Handb. d. Altertumsw. III 457. G. Clementi a. a. O. 74 (setzt die Schlacht in das J. 206 v. Chr.). Der spartanische Tyrann Machanidas, der die Achaeer am meisten beunruhigt hatte, fiel durch die Hand des Philopoimen (Pol. XI [176] 9–18. Plut. Philop. 10. Paus. VIII 50). Sein Nachfolger, Nabis, setzte die Räubereien und Streifzüge in noch ausgedehnterem Masse fort und wusste sich, wiewohl ihn Philopoimen erfolgreich bekämpfte, in Sparta dauernd zu behaupten. Vgl. Pol. XVI 13. Plut. Philop. 12. Liv. XXXI 25. Mommsen R. G. I 690. Tsuntas Ἐφ. Ἀρχ. 1887, 156.
Inzwischen hatten die Aetoler, von den Römern, die mit dem zweiten punischen Kriege beschäftigt waren, nur lässig unterstützt, mit Philipp einen Separatfrieden geschlossen (205), dem nachträglich auch die Römer beitraten (Oberhummer a. a. O. 171. Pöhlmann a. a. O. 457). Der Friede kam zu Phoinike in Epirus zustande (Liv. XXIX 12). Über die Bedingungen desselben wissen wir sehr wenig (Oberhummer a. a. O. 171. G. Clementi a. a. O. 77). Philipp schloss den Vertrag mit Rom, um sich in Zukunft ungestört den Angelegenheiten des Ostens zuwenden zu können. In Aegypten war 205 v. Chr. Ptolemaios Philopator gestorben, als Nachfolger den fünfjährigen Ptolemaios Epiphanes zurücklassend. Gegen ihn vereinigten sich Philipp von Makedonien und Antiochos III. von Syrien, um sich in sein Reich zu teilen. Ägypten und Kypros sollten dem Antiochos, die kleinasiatische Küste und die Kykladen dem Philipp zufallen. Philipp errang in den Jahren 204–200 bedeutende Erfolge, durch die er die Interessen der griechischen Handelsstädte arg schädigte. Es bildete sich daher eine Coalition gegen ihn, an deren Spitze die Rhodier und König Attalos von Pergamon traten. Durch diese fanden die Römer Gelegenheit, sich in den Krieg zu mischen: ihre Gesandten forderten von Philipp, dass er die Griechen nicht angreifen und die ägyptischen Besitzungen in Frieden lassen solle. Als er sich weigerte, dem Folge zu leisten, ward ihm der Krieg erklärt und eine römische Flotte nach Apollonia entsandt (200 v. Chr.). Vgl. Rospatt Philol. XXVII 673ff. XXIX 488ff. 577ff. Homolle Bull. Hell. IV (1880) 320ff. Durrbach Bull. Hell. X (1886) 111ff.
Bei den meisten bisherigen griechischen Bundesgenossen des Philipp, besonders bei den Achaeern, zeigte sich wenig Neigung um seinetwillen neuen Gefahren entgegenzutreten (vgl. Liv. XXXI 25). Achaia blieb vorläufig neutral. Im Winter 199/98 traten die Aetoler zu den Römern über, und im folgenden Jahre 198/97 nahmen die Achaeer, bewogen von ihrem Strategen Aristainos, wenige Städte ausgenommen, ebenfalls die Bündnisanträge der Römer an (Paus. VII 8. Liv. XXXII 19ff. Pol. XVII 13; vgl. XXIII 9. 10. XXV 9). Sie wurden zu diesem Schritte vornehmlich durch die Angriffe des spartanischen Tyrannen Nabis bewogen. Vgl. Niese Handb. d. Altertumsw. III 629. Im Sommer 197 v. Chr. wurde die grosse Entscheidungsschlacht bei Kynoskephalai in Thessalien geschlagen, worauf der Friede zustande kam, in welchem die Griechen für frei und autonom erklärt wurden. Die Achaeer erhielten im Peloponnes Triphylien. Heraia und Korinth (Liv. XXXIII 34), das die Makedonier besetzt hatten (Liv. XXXII 23); jedoch wurde in die Burg von Korinth eine römische Besatzung [177] gelegt (Liv. XXXIII 31. XXXIV 50). Nabis, der in diesem Kriege vorübergehend auf Philipps Seite gestanden und unter dessen Namen Raubzüge ausgeführt, dann mit dem römischen Feldherrn Flamininus sich gegen Philipp verbunden und seit der Zeit seine Feindseligkeiten gegen die Achaeer eingestellt hatte, sollte nach dem Frieden das von ihm besetzte und schändlich misshandelte Argos frei geben; er weigerte sich dessen, und Flamininus sah sich auf Bitten der Griechen genötigt, ihn zu bekriegen (195 v. Chr.). Vgl. Lampros Bull. Hell. XV (1891) 417. Dittenberger Syll. 199. Während dieses Krieges unterstützte Eumenes von Pergamon (197–159 v. Chr.) die gegen Nabis verbündeten Griechen und Römer durch Sendung eines Hilfsheeres nach Griechenland. Vgl. Liv. XXXIV 26. 29. Auf diesen Zug bezieht sich eine in Pergamon gefundene Weihinschrift, die der König von der Beute des griechischen Feldzuges stiftete, sowie eine andere Urkunde, die sich auf dem Bathron des Standbildes befand, das die Soldaten, welche den Krieg mitgemacht hatten, nach Beendigung desselben ihrem Könige darbrachten (Fränkel Inschriften von Pergamon. Berlin 1890 S. 47 Nr. 60. S. 48 Nr. 61). Sparta wurde nach einem heissen Kampfe, den die Bundesgenossen mit den Rotten des Nabis zu bestehen hatten, eingenommen, 195 v. Chr. Flamininus liess den Lakedaemoniern ihre Selbständigkeit und zwang sie weder zur Aufnahme der Emigranten noch zum Beitritt zum achaeischen Bunde, wie man in Griechenland meinte, um Sparta im Gegengewicht zur Eidgenossenschaft zu halten. Doch musste Nabis die lakedaemonischen Küstenstädte dem Schutze der Achaeer überlassen, eine Kriegsentschädigung zahlen, Geiseln stellen und alles, was er sich zusammengeraubt hatte, ausliefern. Im folgenden Jahre (194 v. Chr.) verliess der römische Consul den griechischen Boden. Vgl. Liv. XXXII 38–40. XXXIII 44. XXXIV 22–24. 26–32. 35–41. 43. XXXV 13. Plut. Flamin. 13. Mommsen R. G. I 716ff. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 109. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 76. Oberhummer Akarnanien 177. Niese Handb. d. Altertumsw. III 630.
Anderthalb Jahre hielt sich Nabis ruhig. Als aber die Aetoler, über die Römer wegen des letzten Friedens mit Makedonien erbittert, neue Unruhen in Griechenland zu erregen versuchten, erhob er sich aufs neue und suchte sich der Seestädte, die unter achaeischem Schutze standen, zu bemächtigen. Er begann die Feindseligkeiten mit einem Angriff auf die wichtige Küstenstadt Gytheion. Die Achaeer schickten Philopoimen, der damals zum vierten Mal die Strategie bekleidete, gegen ihn (192 v. Chr.). Allein der Versuch, die Stadt von der Seeseite her zu entsetzen, scheiterte jämmerlich (Liv. XXXV 26. Plut. Philop. 14. Paus. VIII 50. Vgl. F. Ruhl Jahrb. f. Philol. 127 (1883) 33ff.) Mittlerweile hatte in Achaia eine regelrechte Aushebung stattgefunden, worauf in einer Versammlung zu Tegea der Beschluss gefasst Wurde, die Spartaner durch einen Einfall in Lakonien von Gytheion abzuziehen. Doch fiel die Stadt, noch ehe dieser Beschluss ausgeführt werden [178] konnte, dem Nabis in die Hände. Lampros Bull. hell. XV (1891) 417. Darauf zog er den Achaeern entgegen, die unter Philopoimen in Lakonien eingefallen waren und bei Karyai ein Lager bezogen hatten (Liv. XXXV 27. Rühl a. a. O. 36). Es kam zwischen den Achaeern und Spartanern zu einer Schlacht, in der die letzteren vollkommen geschlagen wurden. Philopoimen rückte siegreich weiter und schloss den Nabis in Sparta ein, verwüstete das lakonische Gebiet und kehrte dann nach Hause zurück (Liv. XXXV 30). Die Achaeer wurden in ihrem Siegeslaufe durch das Vorgehen des Flamininus gehemmt, der einen Waffenstillstand veranlasste (Plut. Philop. 15. Paus. VIII 50, 10. Rühl a. a. O. 37ff.). Die Bedingungen dieses Waffenstillstandes sind uns nicht bekannt. Wahrscheinlich wurde Gytheion den Achaeern zurückgegeben. Während der Waffenruhe wandte sich Nabis an die Aetoler mit der Bitte um Unterstützung. Er erhielt einen unbedeutenden Beistand von etwas über 1000 Mann. Der Anführer derselben, Alexamenos, hatte den geheimen Auftrag Sparta mit dem aetolischen Bunde zu vereinigen. Um dies zu erreichen, musste vorher Nabis aus dem Wege geschafft werden. Alexamenos fand die Gelegenheit den Tyrannen zu ermorden (192 v. Chr.) und wollte nun, statt die Spartaner als Freunde zu gewinnen, die bestürzte Stadt plündern. Die Einwohner jedoch ermannten sich, erschlugen den Alexamenos und den grössten Teil seiner Truppen. In dieser Verwirrung erschien Philopoimen in Sparta (Liv. XXXV 34–36. Plut. Phil. 15) und bewirkte den Anschluss der Spartaner an den achaeischen Bund, 192 v. Chr. (Liv. XXXV 37. Paus. VIII 50. Niese Handb. der Altertumsw. III 631. Lampros Bull. hell. XV 417). Der Bund umfasste jetzt den ganzen Peloponnes, da auch die Messenier und Eleer bald darauf (191) sich mit den Achaeern vereinigten (Liv. XXXVI 31. 35. Pol. XXVII 10. Paus. VIII 30. G. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 110, 2). Auf den zweiten Krieg, welchen die Achaeer im J. 192 v. Chr. gegen Nabis führten, sind die Weihinschriften zweier Marmorbasen zu beziehen, welche in Pergamon zum Vorschein gekommen sind: Fränkel Inschriften von Pergamon S. 48 f. (Nr. 62) und S. 49 (Nr. 63). Vgl. Conze Monatsb. d. Berl. Akad. 1881, 869. Dittenberger Syll. 203. Die erste von den Soldaten des Eumenes gesetzte Inschrift (Nr. 62) bezeugt einen zweiten Feldzug des Königs nach Hellas, über den unsere sonstige Überlieferung schweigt (οἱ μετὰ βασιλέως Εὐμέ[νου π]λεύσαντες τὸ δεύτερον εἰς τὴν Ἑλλ[άδα] στρατιῶται ἐκ τοῦ πολέμου τοῦ πρὸς Νάβ[ιν]). Dittenberger Syll. p. 312 Α. 2 hat die Inschrift auf den Feldzug des J. 195 bezogen, bei dem eine Beteiligung des Pergamenerfürsten überliefert ist. Doch besitzen wir die Inschriftbasen der Weihmonumente, die nach diesem Kriegszuge gestiftet sind, während andererseits der Ausdruck δεύτερον nur von einer Erneuerung des Krieges verstanden werden kann. Diese kann nicht vor 192 v. Chr. stattgefunden haben, da Nabis von 195–192 v. Chr. mit Rom in Frieden lebte und Eumenes während dieser Zeit sicherlich keine Feindseligkeiten gegen ihn eröffnet haben wird. [179] Es lässt sich daher die pergamenische Hilfsleistung nur auf den Krieg beziehen, den Nabis im Frühling des Jahres 192 v. Chr. durch seine Angriffe auf die dem achaeischen Schutze anbefohlenen Küstenstädte ins Leben gerufen hatte. In demselben Jahre fand der Tyrann durch den Aetoler Alexamenos seinen Tod. Polybios, auf den die litterarische Überlieferung dieses Krieges zurückgeht, hat von der Beteiligung des Eumenes geschwiegen, wahrscheinlich um seinen Helden Philopoimen in möglichst hellem Lichte erscheinen zu lassen.
An dem Kriege der Römer gegen Antiochos den Grossen von Syrien (192–190 v. Chr.) nahmen die Achaeer, trotz ihrer Kriegserklärung an denselben (Liv. XXXV 48ff.), nur geringen Anteil. Wir hören, dass sie den Peiraieus und die wichtige Stadt Chalkis in Gemeinschaft mit einer pergamenischen Heeresabteilung besetzt hätten (Liv. XXXV 46–51; vgl. Plut. Flamin. 17). Als jedoch Antiochos mit grosser Macht gegen Chalkis heranrückte, begab sich die achaeisch-pergamenische Besatzung nach Boeotien in Sicherheit. Darauf fiel die Stadt dem Antiochos in die Hände. Ausgezeichnet haben sich die Achaeer in diesem Kriege bei der Belagerung der Stadt Pergamon durch Seleukos, den Sohn Antiochos des Grossen (192 v. Chr.). Die Stadt wurde von Attalos, dem Bruder des Eumenes, mit geringer Mannschaft verteidigt und wäre wohl gefallen, wenn nicht rechtzeitig ein achaeisches Hilfsheer unter Diophanes herbeigekommen wäre, das von Attalos des Nachts in die Stadt eingelassen wurde. Den vereinigten Pergamenern und Achaeern gelang es nun, durch glückliche Ausfälle den Seleukos zur Aufhebung der Belagerung, sowie zum Verlassen des pergamenischen Gebietes zu zwingen (Liv. XXXVII 18ff. Pol. XXI 9ff. Appian Syr. 26). Auch an der grossen Entscheidungsschlacht bei Magnesia am Sipylos (190 v. Chr.) haben sich die achaeischen Truppen beteiligt: sie fochten mit ihrem Bundesgenossen Eumenes auf dem rechten Flügel der Römer (Liv. XXXVII 37ff. Appian Syr. 31ff.). Auf diese Vorgänge bezieht sich eine im Athenaheiligtum von Pergamon gefundene Weihinschrift, welche die Achaeer dem nachmaligen Könige Attalos II. (159–138 v. Chr.) zu Ehren gestiftet haben (Dittenberger Syll. 208. Fränkel Inschriften von Pergamon S. 51 Nr. 63). Nach Besiegung des Antiochos und der Aetoler durch die Römer erhielten die Achaeer die Städte Pleuron und Herakleia am Oita als Zuwachs zu ihrer Eidgenossenschaft, 189 v. Chr. (Paus. VII 11, 3. 14, 1). In dasselbe Jahr fällt die für die innere Politik des Bundes wichtige Anordnung des Philopoimen, dass die Bundesversammlungen nicht mehr, wie früher, nur in Aigion, sondern in allen Bundesstädten abwechselnd abgehalten werden sollten (Gilbert Griech. Staatsaltert. II 110).
Mehr als durch den syrischen Krieg wurde das achaeische Gemeinwesen durch die Unruhen im Peloponnes in Anspruch genommen. Die Spartaner, durch den Drang der Umstände zum Beitritt genötigt, benutzten den ersten Anlass, die Verbindung mit dem achaeischen Bunde aufzuheben (schon 189 v. Chr.). In dem dadurch [180] entstandenen Streite sollten die Römer entscheiden, der Senat gab aber eine so geschraubte und zweideutige Antwort, dass Philopoimen mit Frühlingsanbruch des J. 188 v. Chr. vor Sparta rückte. Er bestrafte zuerst die, welche den Abfall veranlasst hatten, liess dann die Befestigungen der Stadt niederreissen, schickte alle fremden Hilfsvölker aus Lakonien weg, verbannte alle, welche von Machanidas oder Nabis das Bürgerrecht erhalten hatten, und verkaufte die sich Weigernden als Sklaven. Ein grosser Teil des Gebiets fiel an Megalopolis, die alte Verfassung wurde abgeschafft, die früher Verbannten in ihre Rechte wieder eingesetzt und die Stadt dem Bunde zugewiesen (Liv. XXXVIII 30ff. Plut. Phil. 16. Paus. VII 8, 3). Über diese leidenschaftliche Härte und Ungerechtigkeit klagten die Spartaner bei den Römern und erreichten es, dass der Senat dem Vorgehen der Achaeer eine sehr entschiedene Missbilligung erteilte (Pol. XXIII 1, 1–3). Es wurde immer deutlicher, dass das römische Protectorat über Hellas der wahre Sinn der vielgefeierten Freiheitserklärung des J. 196 war. Doch geht man sicherlich zu weit, wenn man in der Haltung des Senates gegenüber Griechenland, wenigstens bis auf die Schlacht von Pydna, nur Tücke und hinterlistige Berechnung finden will. Der Achaeerbund befand sich in einer Verfassung, die keiner Achtung und Schonung wert war. Vgl. Mommsen R. G. I 745ff. v. Wilamowitz Antigonos von Karystos 303. Neben dem alternden Philopoimen leitete damals des Polybios gesinnungstüchtiger Vater, Lykortas aus Megalopolis, die bündische Politik (Liv. XXXIX 35ff.). Infolge des Todesurteils, das die Achaeer über einige spartanische Emigranten verhängt hatten, ergaben sich neue Verwicklungen zwischen der Eidgenossenschaft und Sparta, deren Entscheidung abermals den Römern übertragen wurde (Pol. XXIII 5. Liv. XXXIX 33ff. Paus. VII 9, 2ff.). Die Lakedaemonier erhielten durch die Römer nicht ganz die gehoffte Genugthuung: es musste zwar die von den Achaeern ausgesprochene Verurteilung zurückgenommen werden, die Lakedaemonier wurden aber von dem römischen Senate angewiesen, in dem achaeischen Bunde zu verbleiben (Liv. XXXIX 48; vgl Polyb. XXIV 4). Ausserdem wurde dem Bunde die Criminalgerichtsbarkeit über das spartanische Gebiet entzogen und den Spartanern gestattet, zu der alten lykurgischen Verfassung zurückzukehren, sowie die Mauern ihrer Stadt wieder aufzubauen (184 v. Chr.). Freilich führte das nur dazu, immer neue Reibungen und neue Einmischung von seiten der Römer zu veranlassen, wie es vornehmlich das den Lakedaemoniern eingeräumte Vorrecht mit sich brachte, in Criminalfällen (Staatsverbrechen, Verbrechen gegen den Bund und einzelne Glieder desselben) nicht vor das Bundes-, sondern das römische Tribunal geladen zu werden (Paus. VII 9). Ihre völlige Gleichgültigkeit gegen die Achaeer zeigten die Römer bald nachher auch durch ihr Vorgehen, als die Messenier unter ihrem Häuptling Deinokrates abtrünnig geworden waren und die Achaeer deswegen Abhilfe bei den Römern suchten. Die Römer, antwortete der Senat, würden sich gar nicht darum [181] bekümmern, wenn ausser den Messeniern auch noch die Argiver, Lakedaemonier und Korinther abfallen sollten (Pol. XXIX 10). Die Geduld des Senates war zu Ende. Die lächerliche Vergrösserungsucht und Krähwinkelpolitik der Achaeer verdiente diese Antwort in vollem Masse. Philopoimen ermutigte sich zwar und suchte die Messenier zu demütigen, wurde aber von ihnen gefangen und getötet, 183 v. Chr. (Liv. XXXIX 49. Plut. Phil. 18–21. Paus. IV 29, 5. Mommsen Röm. Forsch. II 486. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 78. Pöhlmann in Müllers Handb. d. Altertumsw. III 460). Lykortas, bisher der treue und wohlmeinende Gehilfe des Philopoimen, trat an seine Stelle, rächte seinen Tod und unterwarf Messenien (Pol. XXIX 12. XXV 1. Paus. VII 9, 3). Gleichwohl war er nicht imstande, den sichtbar heranrückenden Verfall des Bundes aufzuhalten. Neue Unruhen und neue Klagen seitens der Lakedaemonier gaben den Römern immer mehr Veranlassung zu Einmischungen in die peloponnesischen Verhältnisse, die um so gefährlicher wurden, je mehr nach und nach eine römischgesinnte Partei unter den Achaeern selbst überwiegenden Einfluss gewann (Pol. XXV 1. XXVI 1ff. Paus. VII 10; vgl. Liv. XLV 31). An der Spitze dieser Partei stand Kallikrates von Leontion, ein gesinnungsloser käuflicher Politiker, der sich mit Hilfe der Römer im Peloponnes zu behaupten suchte. Vgl. Dittenberger Syll. 213. Als der Krieg zwischen Rom und Perseus von Makedonien (171–168 v. Chr.) ausbrach, wiederriet Kallikrates den Achaeern das Bündnis von Makedonien. Während der kampfgerüstete Makedonenkönig mit dem Beginn des Krieges zögerte, agitierte der römische Gesandte Marcius in Griechenland und bewirkte hier unter anderem, dass die Achaeer mit 1000 Mann Chalkis besetzten (Polyb. XXVII 2. 8. 11. Liv. XLII 44. Dubois a. a. O. 83. Vgl. die Weihinschrift einer Basis, welche die Achaeer dem Q. Marcius Philippus nach Olympia stifteten, bei Dittenberger Syll. 227). Nach der Besiegung des Königs Perseus in der Schlacht bei Pydna (168 v. Chr.) gab Kallikrates den Römern die Namen einer grossen Anzahl von Hellenen an, die im letzten Kriege heimlich mit Perseus in Briefwechsel gestanden hätten, obgleich davon keine Spur in den königlichen Archiven gefunden ward (Dubois a. a. O. 85). Dieselbe Verdächtigung wurde durch römisch Gesinnte auch in andern griechischen Staaten vorgebracht, vgl. Mommsen R. G. I 774. Hier wurden die Beschuldigten, deren Schuld in den weitaus meisten Fällen in der blossen Sympathie für Perseus’ Sache bestand, aus dem Lande gewiesen oder in Verhaft genommen; an die Versammlung der Achaeer wurden nach Korinth zwei römische Commissäre gesendet, C. Claudius und Cn. Domitius, welche den Auftrag hatten, hier einen frechen politischen Gewaltstreich ins Werk zu setzen. Es wurde behauptet, die höchstgestellten Achaeer hätten den König Perseus während des Krieges mit Geld und Mitteln unterstützt. Über diese Leute solle das Todesurteil gefällt werden. Als man sich achaeischerseits zu rechtfertigen suchte, stellten die römischen Gesandten die [182] Forderung, dass tausend der vornehmsten Achaeer (unter ihnen auch der Geschichtschreiber Polybios) nach Rom gehen sollten, dort ihre Unschuld darzuthun. Ohne Argwohn verliessen die Männer (167 v. Chr.) die Heimat; in Italien angekommen, wurden sie jedoch getrennt und streng bewacht als Geiseln zurückgehalten. Fluchtversuche wurden mit dem Tode bestraft; vgl. Wachsmuth Leipz. Stud. X (1887) 289. Die wiederholten Bitten der Achaeer um Beschleunigung der richterlichen Entscheidung über die Fortgeführten blieben erfolglos. Erst nach 17jähriger Gefangenschaft kehrten auf M. Porcius Catos Fürsprache von den 1000 kaum 300 zurück, 150 v. Chr. Ihre Rückkehr war keine Wohlthat für die Achaeer, denn die Heimkehrenden brachten begreiflicherweise den glühendsten Hass gegen Rom mit, der sie bald nachher zum eigenen Unheil gegen alle Erwägungen der Politik verblendete (Liv. XLV 31. Pol. XXX 6. 10. XXXI 8. XXXV 10. Paus. VII 10. Plut. Cato mai. 9. Hertzberg Gesch. Griechenlands unter der Herrschaft der Römer (Halle 1886) 217ff. Dubois Les ligues Étolienne et Achéenne 85. Pöhlmann Handbuch III 461. Hill der achaeische Bund seit 168 v. Chr. (Elberfeld 1883) 9ff. C. Wachsmuth Leipz. Stud. X 288f.).
Im achaeischen Bunde hatten inzwischen, trotz der allgemeinen Verachtung (vgl. Pol. XXX 20), Kallikrates, Menalkidas und Andronidas die Gewalt in den Händen. Dem zunehmenden Bestreben der Römer, durch Ausbeutung des stets sich wiederholenden Haders und Streites in der Eidgenossenschaft (namentlich mit Sparta), den letzten Rest von Selbständigkeit des Bundes zu vernichten, leisteten sie trefflichen Vorschub (vgl. Pol. XXXI 9. Paus. VII 11, 1). Zwar entzweite sie ihre kleinliche Streitsucht und grenzenlose Habgier selbst; doch haben sie ungeachtet dessen den Untergang der griechischen Freiheit in wirksamster Weise vorbereitet (Paus. VII 11—16; die Fragmente bei Pol. XXXVIII 1–5. XL 1–5. 7–11. Liv. Epit. LI und LII). Als im J. 164 v. Chr. Grenzstreitigkeiten zwischen Achaia und Megalopolis (wahrscheinlich wegen des Gebietes von Belmina) ausgebrochen waren, erhielten die nach Asien abgeordneten Gesandten C. Sulpicius Gallus und M. Sergius den Auftrag, den Zwist zu schlichten (Polyb. XXXI 9, 6. Paus. VII 11, 1. Wachsmuth Leipz. Stud. X 289). Sulpicius übertrug die Entscheidung der Frage dem Kallikrates. Durch die eifrige Unterstützung des Sulpicius gelang es der zum Bunde gehörigen aetolischen Stadt Pleuron um diese Zeit mit dem Senat über ihren Austritt aus der Eidgenossenschaft zu verhandeln und denselben durchzusetzen (Paus. VII 11, 1. Mommsen R. G. II 44. C. Wachsmuth Leipz. Stud. X 290). Die Erbärmlichkeit der Strategen und die grenzenlose Verrottung des Bundes zeigte sich im grellsten Lichte bei Gelegenheit des Streites zwischen den Athenern und Oropiern, in den auch die Achaeer hineingezogen wurden. Wir haben über diesen Streit neuerdings durch ein in Oropos gefundenes Decret, das Leonardos in der Ἐφ. Ἀρχ. 1885, 98 veröffentlicht hat, interessante Aufklärungen erhalten; vgl. v. Wilamowitz Hermes XXI 101ff. Die [183] Athener befanden sich trotz der freigebigen Gunst des römischen Senates, der sie nach der Schlacht bei Pydna bedeutende territoriale Erweiterungen verdankten, in grosser Finanznot und überfielen zur Verbesserung ihrer pecuniären Lage die Stadt Oropos und plünderten sie gründlich aus, 156 v. Chr. (Paus. VII 11. 4. Müller Orch. 412. Mommsen R. G. II 414. v. Wilamowitz Hermes XXI 102. F. Dürrbach De Oropo et Amphiarai sacro, Paris 1890, 63ff.). Die ausgeplünderten Oropier wandten sich an die Römer mit der Bitte um Beistand. Diese schritten nicht selbst ein, sondern betrauten die Sikyonier mit der Erledigung der Rechtsfrage. Athen wurde von den Sikyoniern zur Zahlung von 500 Talenten Strafe verurteilt. Die Stadt protestierte dagegen und entsandte eine Gesandtschaft nach Rom, an deren Spitze der Akademiker Karneades, der Stoiker Diogenes und der Peripatetiker Kritolaos gestellt wurden, 155 v. Chr. Der Zungenfertigkeit dieser Männer gelang es, vom Senat eine Herabsetzung der Strafsumme auf 100 Talente zu erwirken. Da die Athener aber nichts besassen, so zahlten sie überhaupt nichts, bewogen vielmehr die Oropier durch Vorspiegelungen und Geschenke auf einen friedlichen Vergleich einzugehen, nach dem es den Athenern gestattet sein sollte, in Oropos eine Besatzung zu halten und sich der Treue der Stadt durch Geisseln zu versichern. Für den Fall, dass die Athener sich von neuem etwas zu Schulden kommen lassen würden, sollte die athenische Besatzung zurückgezogen und die Geiseln ausgeliefert werden (Paus. VII 11, 5. C. Wachsmuth Leipz. Stud. X 291). Wenn die Überlieferung in Ordnung ist, so müssen die Oropier geistig umnachtet gewesen sein, als sie auf diese Bedingungen eingingen. Der Streit brach bald von neuem aus. Die Mannschaft der athenischen Besatzung fügte den Oropiern Unbilden zu, worauf diese an die Athener die Forderung stellten, die Besatzung aus der Stadt zu ziehen und die Geiseln auszuliefern, da der Vertrag gebrochen sei. Die Athener weigerten sich dieses zu thun, indem sie sagten, nicht das athenische Volk, sondern nur die Soldaten hätten sich vergangen; diese würden zur Rechenschaft gezogen werden (Paus. VII 11, 6. Dürrbach De Oropo et Amphiarai sacro 65). Unter diesen Umständen wandten sich die Oropier an die Achaeer und baten sie um Beistand gegen die Übergriffe der Athener. Allein die Eidgenossenschaft versagte ihre Hilfe aus Freundschaft und Hochachtung vor den Athenern. Die Oropier versprachen darauf dem achaeischen Strategen Menalkidas die Summe von 10 Talenten, wenn es ihm gelänge, die Achaeer zu einer Hilfeleistung gegen die Athener zu bewegen (Paus. VII 11, 7). Menalkidas traute sich nicht soviel Einfluss zu und versprach dem Kallikrates, der wegen seiner Freundschaft mit Rom eine sehr geachtete Stellung im Staate einnahm, die Hälfte der von den Oropiern ausgesetzten Summe für seine Mitwirkung in der Sache. Hierauf wurde die Hilfeleistung durch Kallikrates durchgesetzt. Sobald die Athener von diesem Beschluss Kunde erhielten, eilten sie nach Oropos und plünderten, was sie das erste mal noch übrig gelassen. Nach geschehener That zogen sie samt ihrer Besatzung [184] ab (Paus. VII 11, 8). Die achaeische Hilfesendung kam zu spät und begab sich unverrichteter Sache wieder heim. Trotzdem liess sich Menalkidas von den Oropiern die 10 Talente auszahlen, weigerte sich aber, dem Kallikrates die Hälfte des Geldes zu überlassen. Das entflammte die Rache des letzteren. Als Menalkidas seine Strategie niedergelegt hatte und Diaios sein Nachfolger geworden war, klagte Kallikrates den aus Lakonien gebürtigen Menalkidas an, dass er Sparta vom Bunde loszureissen gesucht und in diesem Sinne mit den Römern diplomatisch verhandelt hätte. Menalkidas konnte sich aus der ihm drohenden Lebensgefahr nicht anders retten, als dass er von dem oropischen Gelde dem Strategen Diaios drei Talente versprach, wofür dieser den Process vereitelte, 149 v. Chr. Die Angaben des Pausanias über den oropisch-achaeischen Handel werden durch das in Oropos gefundene Ehrendecret in manchen Punkten vervollständigt. Der Beschluss ist zu Ehren des Achaeers Hieron, des Sohnes des Telekles aus Aigeira, verfasst und beantragt für denselben die Errichtung einer Bronzestatue und die Verkündigung dieser Auszeichnung bei der Feier der Amphiaraeia. Diese Ehre verdankte Hieron seiner eifrigen Mitwirkung bei der Erledigung des Streites der Oropier mit den Athenern. Auf dem Convent zu Korinth, bei dem die Angelegenheit zu Sprache kam, unterstützte er aufs eifrigste die Sache der Oropier und sammelte für dieselben Geldbeiträge ein. Als darauf der Beschluss gefasst wurde, in Argos eine Versammlung über dieselbe Frage abzuhalten, gewährte Hieron den Abgesandten der Oropier in seinem Hause Gastfreundschaft und brachte dem rettenden Zeus in ihrem Interesse Opfer dar. Auch wandte er sich in einer Rede gegen die Athener und sonstigen Gegner der Oropier und mahnte seine Landsleute, es nicht zuzulassen, dass eine hellenische Stadt in Sklaverei geriete. Die Inschrift sagt, dass Hieron hierdurch die Rückkehr der oropischen Bürger in ihre Vaterstadt und die Wiederherstellung der oropischen Freiheit bewirkt habe. Diese hatten die Oropier also den Achaeern zu verdanken. Pausanias erwähnt hiervon nichts; sein Bericht widerspricht auch sonst den sich aus der Inschrift ergebenden Thatsachen. Vgl. v. Wilamowitz Hermes XXI 101ff. Dürrbach De Oropo et Amphiarai sacro 67.
Der oropische Handel gewährt einen traurigen Einblick in die verrotteten Zustände der achaeischen Eidgenossenschaft, deren massgebende Führer sich nicht durch die Erwägungen der Politik, sondern von Selbstsucht und Habgier leiten liessen. In Achaia zweifelte kein Mensch, dass der Stratege Diaios von Menalkidas bestochen worden war, um von diesem die Gefahren des über ihm schwebenden Processes abzuwenden. Um der Strafe der Bestechlichkeit zu entgehen, stürzte Diaios den Bund in neue Schwierigkeiten mit Sparta (Paus. VII 12, 4). Er leugnete frech, dass die Spartaner nach einem Ausspruche des römischen Senats in Criminalfällen sich der Bundesgerichtsbarkeit entziehen dürften. Es wäre zum Kriege gekommen, wenn die Spartaner im Gefühl ihrer Schwäche sich nicht auf Unterhandlungen eingelassen hätten, die dazu führten, dass Diaios [185] 24 vornehme Bürger von Sparta als schuldig bezeichnete und ihre Ausweisung aus der Stadt verlangte. Die Spartaner sprachen über dieselben, als sie die Stadt verlassen hatten, noch das Todesurteil aus (Paus. VII 12, 8). Die Verbannten gingen direct nach Rom, um hier Klage gegen die Achaeer zu führen. Von achaeischer Seite wurden zur Vertretung des Bundes Kallikrates und Diaios an den Senat gesandt. Kallikrates starb auf der Reise. Vor dem Senat kam es zu einem wenig rühmlichen Wortwechsel zwischen Diaios und Menalkidas, der die Spartaner vertrat (Paus. VII 12, 8. 9). Der Senat enthielt sich einer Entscheidung und versprach eine Commission nach Griechenland zu senden, welche die Sache dort entscheiden werde. Dieser Bescheid wurde von den Vertretern der Spartaner und Achaeer in ihrer Heimat in frechster Weise zu Gunsten ihrer Staaten verdreht (Paus. VII 12,9. Mommsen R. G. II 43). Hierdurch erwachte in Achaia der Kriegseifer von neuem. Derselbe hatte auch dadurch frische Nahrung gewonnen, dass die Erfolge, welche die Römer in Thessalien gegen den falschen Philippos errungen hatten, vornehmlich der Unterstützung des achaeischen Bundesheeres zu verdanken waren. So brachen die Achaeer unter ihrem Strategen Damokritos (148 v. Chr.) trotz der Abmahnungen und Warnungen des Metellus, der den makedonischen Krieg soeben siegreich beendet hatte, gegen die Spartaner auf und zwangen dieselben zu einer blutigen Schlacht, in der gegen 1000 Spartaner das Leben verloren (Paus. VII 13, 3. Mommsen R. G. II 43). Doch nützte Damokritos seinen Sieg nicht aus, verzichtete auf eine Belagerung Spartas und beschränkte sich darauf, Raub- und Plünderzüge zu unternehmen. Er wurde daher bei seiner Rückkehr zu einer Geldstrafe von 50 Talenten verurteilt, deren Zahlung er sich durch die Flucht entzog (Paus. VII 13, 5). An seine Stelle wurde Diaios zum Strategen gewählt und der Krieg gegen Sparta mit Eifer fortgesetzt, wiewohl Diaios dem Metellus versprach, die Feindseligkeiten gegen Sparta einstellen zu wollen, bis die senatorische Commission in Griechenland erschienen sein würde. Der spartanische Feldherr Menalkidas beantwortete das feindliche Vorgehen der Achaeer mit der Einnahme und Zerstörung der zum Bunde gehörigen Stadt Iasos, zog sich jedoch durch diese That die Unzufriedenheit seiner Landsleute in dem Grade zu, dass er es für geraten hielt, seinem Leben durch Gift ein Ende zu bereiten (Paus. VII 13, 8). Die römische Commission, welche unter Aurelius Orestes nunmehr in Griechenland erschien und eine Bundesversammlung nach Korinth berief, machte allem Hader ein jähes Ende. Der Senatsbeschluss, der hier verkündet wurde, kam allen unerwartet und rief unter den Achaeern die grösste Aufregung und Bestürzung hervor. Aurelius Orestes teilte der Abgeordnetenversammlung den Senatsbeschluss mit, dass der Bund fortan auf die Zugehörigkeit von Sparta, Argos, Korinth, Orchomenos und Herakleia am Oita zu verzichten habe. Noch ehe der römische Abgesandte zu Ende geredet hatte, stürzten die achaeischen Abgeordneten aus der Versammlung und teilten die Forderungen des Senats der Volksmenge [186] mit, welche in tumultuarische Aufregung geriet und ihre Wut in erster Linie gegen die in Korinth anwesenden Spartaner richtete, die in Massen ergriffen und in die Gefängnisse abgeführt wurden. Die im höchsten Grade erregten Massen vergassen sich soweit, dass sie sogar in die Häuser der römischen Gesandten drangen, um die daselbst Schutz suchenden Spartaner zu ergreifen und zu verhaften (C. Wachsmuth Leipz. Stud. X 291). Die römische Gesandtschaft verliess mit Entrüstung die Stadt und erstattete in Rom sofort Bericht über die Vorgänge in Korinth, die durch das Senatusconsult hervorgerufen worden waren. Man fasste in Rom das Vorgehen der Achaeer ungemein mild auf. Es wurde eine zweite Commission unter Sextus Iulius Caesar nach Griechenland gesandt, welche auf der Bundesversammlung zu Aigion (147 v. Chr.) die Forderungen des Senats wiederholte und Genugthuung für die Unbilden forderte, die den Gesandten in Korinth widerfahren waren (Polyb. XXXVII 1. Paus. VII 14. Mommsen R. G. II 44. Hill Der achaeische Bund seit 168 v. Chr. 14. C. Wachsmuth Leipz. Stud. X 292). Es schien, dass das schonende und milde Vorgehen des Senats gegen die Achaeer eine friedliche Lösung der Verwicklungen herbeiführen würde. Man beschloss, in Tegea zu einer Versammlung zusammenzutreten, auf der von den Vertretern der Spartaner, Achaeer und Römer das Verhältnis Spartas zur Eidgenossenschaft endgültig festgestellt werden sollte. Doch scheiterte dieser Versuch an dem hinterlistigen Starrsinn des neuen achaeischen Strategen Kritolaos (147/6 v. Chr.), der die römischen Gesandten auf das perfideste betrog, um den friedlichen Ausgleich mit Sparta zu vereiteln. Er wusste es durch seine kleinlich hinterlistigen Manöver zu erreichen, dass die Versammlung nicht zustande kam und Sextus Iulius Cäsar unverrichteter Sache nach Rom zurückkehren musste. Hierauf unternahm Kritolaos eine demagogische Rundreise durch die Städte Achaias und wiegelte die Massen allerorten gegen die Römer auf. Das niedere Volk wurde durch Schuldenerlass und Aufschub der Bundesbeiträge gewonnen. In Theben schloss sich der Boiotarch Pytheas der Politik des Kritolaos an und bewog seine Landsleute, den Römern den Krieg zu erklären. Denn auf den Thebanern lastete eine unbezahlte Geldbusse, die Metellus ihnen auferlegt hatte, weil sie in Phokis eingefallen waren und die Äcker der Euboeer und Amphissaeer verwüstet hatten (Paus. VII 14, 7). Auch die Stadt Chalkis trat der antirömischen Coalition bei.
Metellus, der noch immer an die Möglichkeit eines friedlichen Ausgleiches glaubte, schickte eine Gesandtschaft an die Achaeer mit der Mahnung, den Zorn der Römer nicht bis zum äussersten zu reizen und Ruhe zu halten. Die Gesandtschaft traf die Achaeer in Korinth, wo im Frühling des J. 146 v. Chr. eine grosse Bundesversammlung abgehalten wurde (Polyb. XXXVIII 4. M. Klatt Chronol. Beiträge zur Gesch. des achaeischen Bundes, Berlin 1883, 30ff.). Die Mahnung war vergeblich. Die Reden der Römer wurden durch den Lärm der aussergewöhnlich starken Versammlung, die sich grösstenteils aus den untersten Schichten des [187] Volkes, Handwerkern, Matrosen, Fabrikarbeitern und anderem Pöbel zusammensetzte, übertönt. Kritolaos stachelte die erregte Menge durch fanatische Reden gegen die Römer auf und sprach das grosse Wort, dass man dieselben wohl zu Freunden, nicht aber zu Herrn haben wolle. Seine Reden wurden vom Pöbel mit hellem Jubel aufgenommen und die römischen Gesandten gezwungen, die Rednerbühne zu verlassen. Ein Ausgleich war nicht mehr möglich. Man beschloss den Krieg, formell gegen Sparta, in Wahrheit gegen Rom (Polyb. XXXVIII 5). Kritolaos wurde unbeschränkte Macht übertragen und ein bedeutendes Bundesheer zusammengebracht. Man beschloss zunächst die Stadt Herakleia am Oita, die sich auf Grund des Senatsbeschlusses von der Eidgenossenschaft losgesagt hatte, für ihren Abfall zu züchtigen. Da der römische Consul Mummius, dem der Senat den Oberbefehl gegen Griechenland übertragen hatte, noch nicht eingetroffen war, musste Metellus die Führung des Krieges bis zu seiner Ankunft übernehmen. Der Zusammenstoss zwischen dem römischen und achaeeisch-thebanischen Heere war jetzt unvermeidlich, die Gelegenheit war gekommen, wo die achaeischen Vaterlandshelden ihren grimmigen Römerhass mit den Waffen in der Hand bethätigen konnten. Metellus führte die römischen Legionen über den Spercheios. Die Kunde von dieser Thatsache genügte, um das Achaeerheer zur eiligsten Flucht nach dem Peloponnes zu bewegen. Kritolaos war so sehr von dem Gedanken an Entrinnen beseelt, dass er nicht einmal die Thermopylen zu besetzen wagte und den Metellus ungehindert in Mittelgriechenland eindringen liess. Die Römer ermangelten nicht den retirierenden Griechen auf dem Fusse zu folgen und erreichten das Bundesheer bei Skarpheia in Lokris, wo es in einer blutigen Schlacht vollständig geschlagen wurde. Kritolaos war nach der Schlacht verschwunden; man vermutete, dass er ins Wasser gegangen sei, denn er war weder unter den Lebenden noch unter den Toten zu finden (Paus. VII 15, 4). Der Verlust der Griechen an Gefangenen und Toten war gross. Eine Schar Arkader, die dem Kritolaos zu Hilfe gezogen war, hatte in Elateia Aufnahme gefunden, wurde aber von den Phokern nach dem unglücklichen Ausgange der Schlacht bei Skarpheia aufgefordert, ihre Stadt zu verlassen. Die in den Peloponnes zurückeilende Schar wurde von Metellus bei Chaironeia ereilt und niedergemacht (Paus. VII 15, 5. 6). Eine andere griechische Abteilung aus Patrai wurde in Phokis von den Römern angetroffen und vollständig vernichtet (Polyb. XL 3). Nur ein kleiner Teil des grossen Bundesheeres gelangte in den Peloponnes. An die Stelle des verschwundenen Kritolaos trat Diaios, sein Vorgänger in der Strategenwürde. Derselbe war entschlossen, den Krieg gegen Rom mit allen dem Bunde zu Gebote stehenden Mitteln und Kräften fortzusetzen. Zu dem Zweck wurden eifrige Kriegsrüstungen betrieben, alle waffenfähigen Männer aufgeboten, 12000 Sklaven mit der Freiheit beschenkt und Waffen bereit gemacht; die Besitzenden wurden in rücksichtslosester Weise zu Kriegszwecken ausgesogen, die Anhänger des Friedens durch Hinrichtungen aus der Welt geschafft. In den [188] Städten Achaias herrschten die schrecklichsten Zustände. Viele wurden durch Furcht und Verzweiflung zum Selbstmord getrieben, andere suchten ihr Heil in der Flucht oder in demütiger Hingabe an die Römer (Paus. VII 15, 7. Polyb. XL 3). Um die Römer vom Vordringen in den Isthmos abzuhalten, sandte Diaios den Alkamenes mit 4000 Mann nach Megara und zog das achaeische Heer in Korinth zusammen (Paus. VII 15, 8). Metellus wandte sich, nachdem er die Arkader bei Chaironeia aufgerieben hatte, nach Theben, da die Thebaner bei Skarpheia gegen die Römer mitgekämpft hatten. Noch ehe Metellus vor Theben angelangt war, verliessen die Thebaner ihre Stadt und suchten in den umliegenden Dörfern Schutz. Metellus befleissigte sich der äussersten Milde gegen die Stadt, die Tempel und Wohnhäuser sollten unversehrt bleiben, kein Thebaner sollte verfolgt werden, ausgenommen der Boiotarch Pytheas, der den Krieg gegen die Römer angefacht hatte (Polyb. XL 3. Paus. VII 15, 9f.). Von Theben ging Metellus nach Megara, wo die achaeische Besatzung unter Alkamenes lag. Als er die Stadt erreichte, fand er die achaeische Mannschaft nicht mehr vor, da sie es vorgezogen hatte, bei der Kunde von seinem Anmarsch die Stadt zu räumen und sich nach Korinth zurückzuziehen. Metellus hegte den sehnlichen Wunsch, den achaeischen Krieg vor Eintreffen des Consuls Mummius zu beenden und war daher den Friedensvorschlägen der Achaeer sehr geneigt, als diese eine Gesandtschaft mit Andronidas an der Spitze an ihn abschickten. Die achaeischen Gesandten kehrten mit den günstigsten Bedingungen nach Korinth zurück. Doch hier angekommen, wurden sie durch den von Diaios aufgestachelten Pöbel vor Gericht gezogen und am andern Tage zum Tode verurteilt. Nur durch Bestechung des Diaios gelang es ihnen ihr Leben zu retten. Damit war jeder friedliche Ausgleich mit Rom aufgehoben und die letzte Entscheidung den Waffen überwiesen.
Diese Entscheidung herbeizuführen, war dem römischen Consul L. Mummius vorbehalten. Als Metellus eben im Begriff stand, mit seinem Heere nach dem Isthmos aufzubrechen, um die Achaeer im Peloponnes anzugreifen, erschien Mummius seinen Truppen vorauseilend im römischen Lager und übernahm sofort den Oberbefehl. Es lag ihm viel daran, die Beendigung des achaeischen Krieges nicht dem Metellus zu überlassen. Dieser musste sich nach Makedonien zurückziehen, während Mummius am Isthmos sein Heer zusammenstellte. Dasselbe bestand aus 23000 Mann Fussvolk nebst 3500 Reitern und wurde noch verstärkt durch ein pergamenisches Hilfscontingent unter der Führung des Philopoimen, sowie durch eine Abteilung kretischer Bogenschützen (Paus. VII 16, 1. Valer. Mas. VII 5, 4. Vell. I 12. Mommsen R. G. II 46. Hill a. a. O. 17). Es gelang den Griechen eine Anzahl römischer Vorposten, die in unvorsichtiger Weise zu weit vorgeschoben waren, anzugreifen und mit Verlust zurückzuschlagen (Paus. VII 16, 2. Zonaras IX 31). Dieser Erfolg stärkte ihren Mut und bewog sie, den Römern eine Schlacht anzubieten. Der Zusammenstoss der feindlichen Heere erfolgte bei Leukopetra auf [189] dem Isthmos, 146 v. Chr. Der Name des Schlachtortes ist nur bei Aurelius Victor 60 überliefert. Vgl. E. Curtius Peloponnes II 591. Polyb. XL 12 nennt die Schlacht ἡ περὶ τὸν Ἰσθμὸν μάχη (vgl. Hertzberg Gesch. Griechenlands unter der Herrschaft der Römer I 272. Bursian Geogr. v. Griechenl. II 21, 3). Über den Verlauf der Schlacht wird berichtet, dass die griechische Reiterei durch die sechsfach stärkere römische sofort in die Flucht geschlagen worden sei, während das Fussvolk der Griechen der feindlichen Übermacht hartnäckigen Widerstand geleistet habe, bis es durch einen Seitenangriff der Römer geworfen wurde. Damit war die Schlacht entschieden. Wer von den Griechen dem Gemetzel entronnen war, suchte die Rettung in eiligster Flucht. Diaios verzichtete darauf, Korinth zu verteidigen, sondern floh so schnell er konnte nach seiner Vaterstadt Megalopolis, wo er zuerst seine Gattin eigenhändig tötete, dann sein Haus anzündete und Gift nahm (Paus. VII 16, 6). Korinth wurde dem Feinde preisgegeben: die Einwohner hatten die Stadt verlassen und waren in die Umgegend geflohen. Da Mummius die Thore der Stadt offen fand, befürchtete er einen Hinterhalt der Griechen und wagte es erst am dritten Tage seinen Einzug in die verlassene Stadt zu halten. Was noch von Männern vorgefunden wurde, ward niedergemacht, die Frauen und Kinder in die Sklaverei verkauft. Dann wurde die reiche Handelsstadt geplündert und auf speziellen Befehl des Senates dem Erdboden gleich gemacht. Ein Wiederaufbau des Ortes wurde durch die üblichen Bannformeln für alle Zeiten untersagt. Man wird in diesem überaus strengen Gericht, das der Senat wohlüberlegt an der blühendsten Handelsstadt Griechenlands vollziehen liess, einen von der römischen Kaufmannswelt inspirirten Akt der Eifersucht gegen das Centrum des hellenischen Grosshandels erblicken dürfen (Mommsen R. G. II 50). Das Gebiet Korinths wurde teils römisches Gemeinland, teils den Sikyoniern zugeteilt, unter der Bedingung, dass diese von nun ab die Kosten der isthmischen Spiele zu bestreiten hätten. Die reichen Kunstschätze der Stadt gingen nach Italien, wo sie teils in Rom, teils in den Landstädten aufgestellt wurden (Paus. VII 16, 7ff. Polyb. XL 7. Mommsen R. G. II 47). Über die Zerstörung des alten Tempels am Fusse von Akrokorinth vgl. W. Dörpfeld Athen. Mitt. XI 305. Auch die anderen achaeischen Städte hatten sämtlich capituliert ohne Widerstand zu leisten. Sie wurden zum Teil ihrer Mauern beraubt und ihre Bewohner, soweit sie gegen die Römer gekämpft hatten, in die Sklaverei verkauft. Alle Sondereidgenossenschaften wurden in Griechenland aufgehoben und die Bestimmung getroffen, dass niemand in 2 Gemeinden Grundbesitz erwerben dürfe. Das demokratische Regiment in den Städten wurde beseitigt und an die Spitze der Verwaltung ein aus aristokratischen Elementen zusammengesetzter Stadtrat gestellt. Was den hellenischen Gemeinden blieb, war nur der Schatten einer formellen Freiheit, die sich auf die Selbstverwaltung und den Bodenbesitz beschränkte. Dagegen bildete sowohl in militärischen Dingen als auch in der Jurisdiction der Statthalter von Makedonien die oberste Instanz. [190] Ferner wurden den einzelnen Gemeinden bestimmte an Rom zu zahlende Geldbussen auferlegt. Die achaeischen Bundesstädte wurden zur Zahlung von 200 Talenten an die Spartaner verurteilt. Die eingegangenen Strafsummen flössen aber nicht in den römischen Staatsschatz, sondern wurden meist im Interesse der griechischen Städte verwandt. Strenger war das Strafgericht, welches über Theben und Chalkis verhängt wurde. Die Mauern dieser Städte wurden niedergerissen, die Einwohner entwaffnet, zum Teil hingerichtet. Namentlich in Chalkis sollen viele vornehme Bürger mit dem Tode bestraft worden sein (Polyb. XL 11. Mommsen R. G. II 47). Die Boeoter wurden verurteilt, an die Herakleoten und Euboeer 100 Talente Busse zu zahlen (Paus. VII 16, 10). Doch haben die Römer sowohl diese als auch andere den Griechen auferlegte Strafsummen später erlassen. Wenn man das Verfahren der Römer gegen andere unterworfene Völker mit dem gegen die Griechen vergleicht, so muss man dasselbe als mild und schonend bezeichnen. Das römische Regiment hat den Griechen zum Heil und Segen gereicht und ist zur rechten Zeit gekommen. Es wurde ihnen fortan die Möglichkeit benommen, sich durch ihre kleinlichen Freiheitsbestrebungen nach aussen hin lächerlich zu machen und durch die niedrige Selbstsucht und unersättliche Habgier ihrer nichtsnutzigen Patrioten moralisch und materiell zu Grunde zu gehen. Wiewohl Griechenland seine Autonomie einbüsste, so ist es im J. 146 v. Chr. doch noch nicht zu einer formellen Provinz des römischen Reiches gemacht worden. Vgl. Höfler Untersuchung der Frage, ob Griechenland mit der Zerstörung Korinths römische Provinz geworden sei. Sitzungsber. d. Wiener Ak. 1870, 267ff. Mommsen R. G. II 48 Anm. Die Ordnung der griechischen Verhältnisse wurde durch eine senatorische Commission von zehn Männern besorgt, die sich ihrer Aufgabe in massvoller und tüchtiger Weise entledigten (Polyb. XL 10). Das Schicksal der Unterworfenen wurde dadurch wesentlich erleichtert, dass die senatorische Commission die weitere Ausführung der gegen Griechenland beschlossenen Massregeln beim Verlassen des Landes dem Polybios übertrug, der gleich nachdem er von dem Unglück seines Vaterlandes Kunde erhalten hatte, herbeigeeilt war, um sich in den Dienst desselben zu stellen. Er erzählt uns selbst, was ihm zur Erleichterung des Schicksals seiner Landsleute zu thun möglich gewesen. Wenn mit der Zeit wieder Wohlstand und geordnete Zustände in die griechischen Städte zurückkehrten, so war das in erster Linie dem römischen Regiment zu danken.