Dreißig Jahre Dresdner Kunstausstellungen (1801 bis 1830)
← Landesfürstliche Geburts-, Vermählungs- und Todesanzeigen im 15. Jahrhundert | Dreißig Jahre Dresdner Kunstausstellungen (1801 bis 1830) (1906) von Ernst Sigismund Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908) |
Aufzeichnungen des Burggrafen Christoph zu Dohna über die Sehenswürdigkeiten Dresdens 1616 und 1618 → |
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Ausstellungen können verschiedenartige Zwecke verfolgen. Sie sind entweder rückblickend oder vorwärtsweisend.
Bieten sie nur das, was unter festen, schon gegebenen Voraussetzungen in heißem Schweiße erarbeitet wurde, dann sind sie nichts als bloße Rechenschaftsberichte, gleichsam die Summa, die reinliche Abrechnung, die unter eine Reihe von Posten gesetzt wird, und bei der es lediglich darauf ankommt, daß alles stimmt.
Weit höher einzuschätzen sind natürlich die vorwärtsweisenden Ausstellungen. Hier hat sich eine Anzahl selbständiger Geister vereinigt, die, losgelöst – zwar nicht von den gegebenen Verhältnissen, aber von dem Drucke engender Regeln, Neues schaffen, Bleibendes, das andre nicht nur erfreut, sondern auch anregt und fördert. Solche Förderung kommt aber nicht allein den Gleichstrebenden zu gute; auch der Geschmack der größeren Menge wird wesentlich dadurch beeinflußt.
Die Dresdner Kunstausstellungen der Jahre 1801 bis 1830 zeigen uns beide Stadien der Entwicklung. Schon dieser Umstand läßt sie größerer Beachtung wert erscheinen. Aber noch andere Tatsachen rücken gerade diese drei Dezennien in den Mittelpunkt des Interesses. Das Jahr 1801 empfiehlt sich als Ausgangspunkt, weil aus diesem Jahre das erste bekannt gewordene gedruckte Verzeichnis der aufgestellten Werke vorliegt, das einen Gesamtüberblick über die Bestrebungen und Leistungen der Ausstellung zuläßt. Und die Jahre bis 1830 bilden deshalb eine für weitere Betrachtung geeignete Zeitspanne, weil in diesen Jahren unsere größten neueren heimischen Meister ihren Entwicklungsgang durchmachten und in ihnen sich jener Übergang aus dem alten in den neuen Zeitgeist vollzog, der gerade in Dresden charakteristische Vertreter fand. Beides soll die folgende Untersuchung beweisen.
Ehe auf die Schilderung der Ausstellungen selbst eingegangen wird, sei ein kurzer geschichtlicher Überblick, der in das 18. Jahrhundert zurückführt, vorausgeschickt.[1]
Durch Reskript des kursächsischen Administrators Xaver vom 6. Februar 1764 ward die Dresdner Akademie, deren Plan schon der frühverstorbene Kurfürst Friedrich Christian genau erwogen hatte, ins Leben gerufen, und gleichzeitig wurden die Zeichenschulen zu Leipzig und Meißen von ihr abgezweigt. Der verdienstvolle Kunstkenner und -forscher Christian Ludwig von Hagedorn war nicht nur der offizielle, sondern auch der geistige Leiter des Unternehmens. Auf seine Vorschläge geht die gesamte Einrichtung der Akademie zurück. Die Professoren waren darnach u. a. verpflichtet, jährlich wenigstens einen Schüler aus Kursachsen zu unterweisen, sowie beim Amtsantritt und dann alljährlich ein Werk für die kurfürstlichen Kabinets unentgeltlich zu liefern. Die „also gefertigten Werke der Kunst“ – so heißt es [94] in dem erwähnten fürstlichen Reskript – sollten „von Zeit zu Zeit öffentlich aufgestellt“ werden. Damit waren die Grundlagen für die Dresdner Kunstausstellungen gegeben: sie waren also zunächst Zeugnisse für die Tätigkeit der Schüler und Lehrer an den neugegründeten Kunstanstalten.
Als Ziel der Ausstellungen schwebte von Anfang an das vor Augen, der jungen Schöpfung durch solche Veranstaltungen einerseits „die ihr gebührende Bedeutung nach außen auch beim Publikum der Hauptstadt zu verschaffen“ – also der point d’honneur –, anderseits durch diese regelmäßige Einrichtung einen „gewichtigen Sporn für den Eifer der Schüler wie der Lehrer zu gewinnen“. Der letztere Zweck ist der geschichtlich bedeutendere: er mußte mit der Zeit die Ausstellungen von rückblickenden zu vorwärtsweisenden umgestalten. Daß man ihn streng im Auge behielt, zeigt die Bestimmung, daß Lehrer wie Schüler sich „nicht nur reichlich“, sondern auch „mit größeren, umfänglichen Arbeiten“ beteiligen sollten. Um die Selbständigkeit zu erziehen, wurden die Professoren und Mitglieder der Akademie noch besonders erinnert (1768), daß sie nicht Kopien, sondern Originale einzuliefern hätten.
Nach einem wenig geglückten Versuche im August 1764 ward am 5. März des Jahres 1765, an dem Namenstage des Kurfürsten Friedrich August, die erste Dresdner Kunstausstellung eröffnet. Sie dauerte vierzehn Tage. Am 16. März beehrte die ganze kurfürstliche Familie sie mit ihrem Besuche.
Seitdem fanden diese Veranstaltungen alljährlich statt, bis 1812 vom 5. März an, seit 1816 von Anfang August an.[2] Unterbrechungen, wie 1788 und 1809, waren durch die Zeitverhältnisse bedingt. Die Besuche des Landesfürsten, der sich 1765 zum Protektor der Akademie erklärt hatte, gaben dieser als Veranstalterin der Ausstellungen Gelegenheit, dem hohen Herrn ihre Huldigung darzubringen. Daher richtete sich nach dem Termin dieses feierlichen Aktes bisweilen die Dauer der Kunstausstellungen. In der Regel währten sie zwei bis vier Wochen, selten länger – so 1807 vom 5. März bis zum 15. April. Sie waren allgemein zugänglich, seit 1802 allerdings nur gegen ein geringes Eintrittsgeld (2 Gr.), dessen Gesamtsumme – ebenso wie der Erlös für die gedruckten Kataloge – zum Besten der Armen verwendet wurde. Doch büßte schon dadurch die „allzu große Mannigfaltigkeit der Besucher – viel an ihrer Buntheit ein“.
Da die Kunstausstellungen, wie schon hervorgehoben wurde, von der Akademie veranstaltet wurden, fanden sie auch in deren Räumen statt.
Bei ihrer Gründung war der Kunstakademie durch Kurfürst Friedrich Christian das sogenannte „Fürstenbergsche Haus“, spätere Finanzgebäude am Schloßplatz (1899 abgebrochen), eingeräumt worden. Die Lehrzimmer im zweiten Stockwerke daselbst dienten zugleich als Ausstellungszimmer, die von Anfang an – es waren insgesamt fünf – nach einem bestimmten Prinzip verwendet wurden.
In dieser hergebrachten Anordnung präsentierten sich die Ausstellungen bis zum Jahre 1787. Damals mußte die Akademie infolge eines kurfürstlichen Befehls vom 7. April 1786 ihre Räume im Fürstenbergschen Hause, die dem geheimen Finanzkollegium überlassen wurden, aufgeben und sich nach einem neuen Heim umsehen. Zu letzterem wurde auf Vorschlag des Grafen Marcolini als Generaldirektors die ehemalige Gräflich-Brühlische Bibliothek auf der Terrasse eingeräumt. Die Übersiedlung dahin erfolgte 1791. Die Akademie erhielt indessen nur den ersten Stock des nicht einmal sehr umfänglichen Gebäudes, während das Erdgeschoß zu Expeditionsräumen bestimmt war; erst 1814 ward auch dieses der Lehranstalt zur Verfügung gestellt.[3]
Das der Akademie zugewiesene Lokal bot nur beschränkten Platz. Soweit es sich aus den Plänen noch erkennen läßt, enthielt es einen einzigen größeren, saalähnlichen Raum. Dieser empfing nach der Elbe zu durch je drei Fenster zu beiden Seiten des Eingangs sein Licht, während die Hinterwand nur ein Fenster aufwies; zudem verhinderten die dort gegenüberstehenden Häuser den freien Zugang des Lichtes. An den Saal schlossen sich – von der Terrasse aus betrachtet – nach links ein zweifenstriges, ein dreifenstriges und wiederum ein zweifenstriges Zimmer, von denen nur die beiden erstgenannten je ein Fenster in der Rückwand hatten. Nach rechts zu schloß ein sehr schmaler Raum mit je einem Fenster in Vorder- und Rückwand ab. Es ist klar, daß derartig beschränkte und ungenügend belichtete Räumlichkeiten weder für Unterrichtszwecke noch für die Aufstellung von Kunstwerken sonderlich geeignet waren.
[95] In diesen Zimmern fanden die Ausstellungen noch zu Beginn des der Betrachtung vorliegenden Zeitraumes (1801 und 1802) statt.
Die wiederholten Klagen über die Unzulänglichkeit der Ausstellungsräume bewirkten endlich, daß man im Jahre 1803 ein anderes Gebäude lediglich diesem Zwecke bestimmte. Es war der sogenannte „Canaletto-Saal“, d. h. das nach der Terrasse zu gelegene Hinterhaus des Brühlischen Palais, das durch eine über die Terrassengasse gewölbte Treppe mit dem Brühlischen Garten verbunden war.
Der Zugang zu diesem neuen Ausstellungslokale war allerdings nicht gerade bequem zu nennen. Nach einem zeitgenössischen Berichte mußte man, um dahin zu gelangen, seinen Weg von der Augustusstraße aus durch das Vordergebäude des Palais nehmen und zwei Höfe, die durch den sogenannten Ballsaal getrennt waren, durchschreiten, ehe man das Ausstellungsgebäude erreichte. Hier stieg man bis zum zweiten Stock empor, wo man einen Ausgang nach dem Garten fand. Von dort aus führte die gewölbte, unten gegabelte Treppe nach dem Ausstellungssaale. Man empfand es als besondere Annehmlichkeit, daß der Eingang auf dem Brühlischen Garten sich befinde, einem Garten, der „in dieser Jahreszeit“ (d. h. im Frühling) „wegen seiner Nähe und Trockenheit am meisten besucht werde“. Im Jahre 1814 ward auch hierzu noch eine angenehme Erleichterung geschaffen. Das russische Gouvernement, das damals in Dresden seinen Sitz hatte und nicht ohne Verdienste um die Verschönerung der Stadt ist, ließ 1814 nach Plänen des Hofbaumeisters Thormeyer die große Freitreppe der Terrasse herstellen[WS 1], die den so lieblich gelegenen, aber etwas verwahrlosten Garten der größeren Öffentlichkeit erst eigentlich zugänglich machte und zugleich einen kurzen, bequemen und schönen Weg zur Kunstausstellung bot.
Den Besucher der letzteren führte die oben erwähnte Treppe sogleich in einen geräumigen Saal. Dieser war durch zwei Wände – wahrscheinlich aus Holz – in drei „Abteilungen“ zerlegt. Daher unterscheidet das gedruckte Verzeichnis von 1803 die „erste Abteilung“ zur Rechten des Eingangs, die „zweite Abteilung“ oder den mittelsten Teil des Saales und die „dritte Abteilung“ zur Linken des Eingangs. 1805 nahm man noch ein „Hinterzimmer“ an der mittelsten Abteilung des Saales hinzu. Nach dem Plane (bei Gurlitt, Bau- und Kunstdenkmäler Tafel 27) muß dies das Zimmer sein, das den zweiten Stock des linken Seitenflügels am hinteren, kleinen Hofe gerade ausfüllte. 1817 fand wiederum eine Vermehrung der Ausstellungsräume statt, indem außer den drei Abteilungen des Saales noch zwei Seitenzimmer benutzt wurden. Das eine derselben, zur Linken vom Eingange aus, war das vorhin erwähnte „Hinterzimmer“, das andere das etwas größere, im rechten Seitenflügel am kleinen Hofe befindliche. Beide Zimmer, die einerseits an den Ausstellungssaal, anderseits an den „Ballsaal“ stießen, erhielten durch je drei, nach dem kleinen Hofe gerichtete Fenster ihr Licht. Hervorragend war also ihre Beleuchtung keineswegs, und so dienten sie auch als Ablagerungsort für unbedeutendere Arbeiten. Man zählte von nun an in den Katalogen als das „erste Zimmer“ die Abteilung zur Linken des Eingangs; an dieses schloß sich das erste Seitenzimmer nach dem Hofe zu; durch das „mittlere Zimmer“ schritt man dann zum zweiten Seitenzimmer und schloß mit der Besichtigung des „dritten Zimmers“, die zum Eingange zurückführte. In dieser Anordnung verblieb die Ausstellung – nachweislich wenigstens bis zum Jahre 1829; seit 1830 ist die Verteilung der Arbeiten auf die einzelnen Zimmer nicht mehr angegeben.
Später mußte die Kunstausstellung auch diese Räume wieder verlassen. Sie fand ihr Heim in der ehemaligen Gräflich-Brühlischen Gemäldegalerie, bis ihr in neuester Zeit (1894) jenes prächtige Gebäude auf der Terrasse geweiht wurde, das nicht nur größere und lichtere Säle bietet, sondern auch einer nach ganz anderen Zielen gerichteten Kunst seine Pforten öffnet.
Bei den früheren Ausstellungen wurde (wie schon oben angedeutet ist) aus Rücksicht auf die räumlichen Verhältnisse von Anfang an ein bestimmter Plan für die Aufstellung der eingelieferten Kunstwerke eingehalten.
So war es schon im Fürstenbergschen Hause. Jede Gruppe von Ausstellern erhielt ihren bestimmten Platz. In dem sogenannten „Erkerzimmer“ (an der Ecke nach der Augustusstraße zu), das sonst den Kupferstechern als Unterrichtslokal diente, sah man die Arbeiten der „Pensionaire“ der Akademie und anderer „vorzüglicher“ Personen – wahrscheinlich in erster Linie Dresdner oder wenigstens Sachsen, – besonders aber die der akademischen „Unterlehrer“, daher der Raum auch kurz den Namen „Soumaitre-Zimmer“ führte. Ein zweites Zimmer barg die Leistungen der Dresdner Akademieschüler, unter denen jedoch auch die Werke fremder Künstler nach erbetener Erlaubnis Aufnahme fanden. In einem dritten Zimmer kamen die Entwürfe der angehenden Architekten und die Zeichnungen und Malereien der Meißner Zeichenschule sowie der Porzellanmanufaktur zur Aufstellung. Ein viertes Zimmer enthielt die von der Leipziger Akademie eingelieferten Gegenstände. Mit besonderer Ehrfurcht betrat der Beschauer endlich den letzten Raum, der – das Kleinod der ganzen Ausstellung – die neuesten Schöpfungen der Professoren und Mitglieder der Akademie zeigte und daher kurz „Professorenzimmer“ genannt wurde.
[96] Diese Art der Aufstellung hatte den unleugbaren Vorzug, daß der Besucher der Ausstellung sofort wußte, wohin er sich zu wenden habe, um bestimmte Arbeiten zu betrachten. Sie brachte indessen auch einen Nachteil mit sich, daß nämlich manche Stücke der Sammlung unbeachtet blieben, die dieses Los vielleicht nicht verdienten. –
Die eben geschilderte Verteilung der Räume wurde trotz der veränderten Lokalität auch nach 1791 in ihren Grundzügen festgehalten. So noch zu Beginn des der Betrachtung vorliegenden Zeitraumes. 1801 und 1802 finden wir im zweiten Zimmer vorzugsweise die Arbeiten von Schülern der Dresdner Akademie und der Meißner Zeichenschule, im dritten die der Architekten und der Leipziger Scholaren, im fünften die der Professoren. Die übrigen Räume waren größtenteils mit Werken selbständiger (meist Dresdner) Künstler ausgestattet.
In den folgenden Jahrzehnten erlitt die eingebürgerte Anordnung nur insofern eine Veränderung, als Neueinrichtungen innerhalb der Akademie selbst Veranlassung dazu gaben. Es ist hier notwendig, einen Blick auf die Organisation der Kunstanstalt zu tun, wie sie seit 1816 vorliegt.
Die Akademie war in drei Klassen gegliedert. Die erste, unterste Klasse enthielt zunächst die sogenannte „Industrieschule“, die 1816 von der Freimaurerloge Asträa als Sonntagsschule für Handwerkslehrlinge gestiftet und mit der Akademie verbunden wurde. Sie diente der Unterweisung junger Leute, die sich nicht zu Künstlern ausbilden wollten. 1828 wurde die Schule unter dem Namen „Technische Bildungsanstalt“ in drei selbständige Klassen ausgebaut und, von der Akademie losgelöst, unter einen eigenen Direktor gestellt, während der bisherige Zeichenmeister, der Lehrer bei der Akademie Johann August Linke, an ihr tätig blieb.[4] Zum Unterschiede von der Industrieschule nannte man die unterste Klasse der Akademie, die jeder angehende Künstler durchmachen mußte, um entweder das Figurenzeichnen oder die Landschaftszeichnung zu erlernen, die „Kunstschule“. Diesen Namen behielt die Klasse auch nach 1828. – In der zweiten, mittelsten Klasse übten sich die fortgeschritteneren Kunstjünger im Zeichnen nach Gipsabgüssen und Antiken und hörten Vorlesungen bei dem gelehrten Kenner des Altertums, Hofrat Karl August Böttiger, über Archäologie der Kunst. – In der dritten, obersten Klasse studierten sie sodann im Modellsaale nach der Natur und in der Gemäldegalerie nach den dortigen Meisterwerken. – Auf diese Weise fanden Maler, Bildhauer und Kupferstecher ihre Ausbildung. Der Unterricht in der Architektur ging zunächst nur nebenher – bis 1814 war der Hofbaumeister und Professor Hölzer der einzige Lehrer für dieses Fach –, bis Anfang 1819 mit der vom Könige Friedrich August (durch Reskript vom 26. Dezember 1818) vollzogenen Begründung der Bauschule auch diesem Zweige der Kunst seine selbständige Stellung gesichert und der Ausbau der Akademie vollendet wurde. Durch die seit dem neuen Etat vom 4. Dezember 1816 flüssig gewordenen Geldmittel ward es auch talentvollen jungen Künstlern ermöglicht, ihre Ausbildung durch eine Studienreise nach Italien zu vertiefen und zu vervollständigen. Nur erwartete man von ihnen, daß sie durch Einsendung von Proben ihrer Tätigkeit den in der Fremde angewandten Fleiß bewiesen.
Es wurde jetzt immer schwieriger, bei den Ausstellungen die hergebrachten Grundsätze für die Anordnung zu befolgen. Dennoch wurden sie beibehalten. Die Aufstellung gestaltete sich – abgesehen von geringen Abweichungen – in den Jahren 1803 bis 1829 ungefähr folgendermaßen: Die erste Abteilung des Ausstellungssaales wurde zum weitaus größten Teile durch die von Meißen und Leipzig eingesandten Gegenstände ausgefüllt. 1806 bis 1812 fand man auch die Risse der Schüler Hölzers hier, und von 1826 an wurden die von Stipendiaten aus Rom überschickten Studien hier eingereiht. Das an die erste Abteilung sich anschließende Hinterzimmer zeigte die Versuche von Zöglingen der Dresdner Erziehungsanstalten, unter denen die katholischen Schulen, das Freimaurerinstitut zu Friedrichstadt und die Neustädter Polizei-Armenschule regelmäßig vertreten waren. Dazu kam seit 1816 die Industrieschule, seit 1821 die Bauschule. Im zweiten Seitenzimmer war der Kunstschule ihr Platz angewiesen. Die Arbeiten der selbständigen Dresdner und auswärtigen Künstler sowie der Dresdner Akademieschüler wurden größtenteils in der zweiten Abteilung untergebracht oder hingen zerstreut in den bisher genannten Räumen. Die dritte Abteilung des Saales endlich blieb nach wie vor für die Werke der Akademielehrer reserviert, zu denen sich bei der allmählich wachsenden Beteiligung von auswärts auch die eingelieferten Schöpfungen hervorragender nichtsächsischer Meister gesellten.
Seit 1830 erkannte man die Unbrauchbarkeit des alten Schemas, das bei der Fülle der Eingänge doch immer durchbrochen werden mußte, und legte daher auf die Äußerlichkeit der Anordnung hinfort keinen Wert mehr.
In der obigen Ausführung sind schon die Korporationen und Personen genannt worden, die an den [97] Dresdner Kunstausstellungen der Jahre 1801 bis 1830 vorzugsweise beteiligt waren.
Da die Veranstaltungen – wie bereits bemerkt ist – von der Dresdner Akademie ausgingen und von ihr vor allem mit Beiträgen versorgt wurden, sei diese Kunstanstalt an erster Stelle genannt.
Den breitesten Raum auf den Ausstellungen nehmen jederzeit die Arbeiten der Schüler aus den verschiedenen Kunstgebieten ein, und in dieser Beziehung können wir die Ausstellungen als Rechenschaftsberichte im eingangs angedeuteten Sinne bezeichnen.
Unter den Schülern finden sich gerade in dem genannten Zeitraume viele, die später als Lehrer ihrer Bildungsstätte zu hoher Zierde gereichten. Maler wie Moritz Retzsch, Heinrich Naecke, Traugott Faber, Carl Vogel von Vogelstein, Carl Peschel, Heinrich Arnold u. a., ebenso bekannte Bildhauer, Kupferstecher (Ludwig Gruner) und Architekten (Gustav Heine) widmeten ihre Kräfte später der Anstalt, der sie ihre Ausbildung verdankten. Es ist nun von höchstem Interesse für den Kunstforscher, den Entwicklungsgang solcher Meister zu verfolgen. Wenn irgendwo, so gilt hier der Grundsatz: ex ungue leonem! Dies soll im Folgenden durch einige Beispiele belegt werden.
1814 erscheint der elfjährige „Louis Richter“ zum ersten Male im Ausstellungskataloge. Er bietet eine Kopie nach dem holländischen Genremaler Gerard Dou, „Eine alte Frau“, in Sepia gezeichnet. Seit 1816 jedoch lieferte er als Zögling der Kunstschule, unter Leitung seines Vaters Carl August Richter und dann des Professors Schubert, schon vorzugsweise landschaftliche Zeichnungen in Sepia oder Kreide. Bilder von Berchem, Dietrich, Claude Lorrain, später auch von Ruisdael dienen ihm neben solchen seines Vaters als Vorlagen, bis er 1826 von Rom aus eines seiner ersten selbständigen Ölgemälde einsendet, eine „Gegend bei Amalfi“, das Gemälde, das sich jetzt im Städtischen Museum zu Leipzig befindet.[5] Es bedeutet einen „Wendepunkt in Richters künstlerischer Entwicklung“ und erregte in Dresden berechtigtes Aufsehen. Die Ausstellungen der folgenden Jahre bis 1830 brachten dann Landschaften von Richter aus der Schweiz, aus Tirol, aus dem Hochgebirge, besonders aber aus Italien, Landschaften, die er seit 1828 in kleinstädtischer Enge, aber aus einem von Erinnerungen überquellenden Herzen als Zeichenlehrer an der Meißner Zeichenschule schuf, und die jetzt teils in der Dresdner Galerie, teils in Leipzig, Berlin und Frankfurt aufbewahrt werden. Genre und Landschaft, – die beiden Gebiete, die Ludwig Richter so groß gemacht haben, – sie pflegte er, wie man sieht, fast seit den Kinderjahren an der Akademie, und die Ausstellungen des behandelten Zeitraumes legen beredtes Zeugnis darüber ab. So werden sie für den Tieferblickenden auch kunstgeschichtlich bedeutungsvoll.
Ganz andersartig, als der eben geschilderte Entwicklungsgang Ludwig Richters, stellt sich der des Bildhauers Ernst Rietschel dar. Dieser später hochberühmte Meister hat bekanntlich in treuherziger Weise sein Leben bis 1830 beschrieben in einem Buche, das so recht jedem Kinde in die Hand gegeben werden möchte, da es zeigt, wie Gottvertrauen und Demut auch über die schwersten Stunden des Lebens hinweghelfen. Schon 16 Jahre alt, kam der arme Pulsnitzer Junge Michaelis 1820 nach Dresden, um dem Ziele seiner heißen Sehnsucht zuzustreben: ein Künstler zu werden. Bereits im August 1821 sah man auf den Ausstellungen Arbeiten seiner Hand: Zeichnungen nach Gemälden, mit Kreide auf farbiges oder[WS 2] weißes Papier gefertigt. Er erzählt selbst, welches Hochgefühl ihn beseelte, als er in dem Kataloge zum ersten Male seinen Namen gedruckt sah. Schnell machte er die Kunstschule durch. In den folgenden Jahren wurde dann fleißig nach Gips gezeichnet und wurden Akt- und Gewandstudien entworfen, bei denen die Professoren Seiffert, Matthäi und Schubert die Anleitung gaben. Aber schon 1823 übte sich der jugendliche Phidias in seinem eigentlichen Berufe unter Aufsicht und Leitung des Professors Pettrich, indem er Akte und Kopien nach Vorlagen in Ton modellierte oder in Gips abformte, die er dann auch auf die Ausstellung gab. 1826 bis 1828, wo Rietschel in Berlin bei Rauch studierte, beschickte er die Dresdner Ausstellungen nicht. In der Heimat ward unterdessen manches anders. Am 21. Dezember 1828 erlag sein treusorgender Vater einem Schlaganfall. Die Nachricht davon, die Rietschel in Berlin traf, erschütterte ihn tief. Ein künstlerisches Zeugnis dafür ist der Entwurf zu einem Basrelief „Joseph empfängt seinen Vater in Ägypten“, in dem er der Sehnsucht nach dem geliebten Toten Ausdruck verlieh. Noch ist die fünfteilige Zeichnung dazu, die vom 23. Januar bis zum 7. Februar 1829 vollendet wurde, erhalten – sie befindet sich im Albertinum zu Dresden –; zur Ausführung kam nur die Hauptgruppe, die man jetzt am gleichen Orte sieht. [98] Die Zeichnung schickte Rietschel zur Kunstausstellung 1829 ein; der verdienstvolle Kunstgelehrte und -sammler von Quandt kaufte sie ihm für 100 Taler ab. Es ist nach des Künstlers eigenem Zeugnis die „erste Kompositon, die er mit klarem Verständnis gemacht und durchgeführt hat“ – also ein Merkstein in seiner künstlerischen Laufbahn. Seit 1832 wirkte Rietschel bekanntlich als Professor an seiner Bildungsstätte. Wenn er später über seinen Lehrer Pettrich auch sehr herbe urteilte, so hat er doch seiner Dresdner Studienzeit grundlegende Anregungen zu verdanken, von denen die Ausstellungen Zeugnis geben, und die der Meister selbst willig anerkannte.[6]
Aus noch drückenderen Verhältnissen, als sie der berühmte Bildhauer durchgemacht hatte, war dessen Freund, der Kupferstecher Julius Cäsar Thäter, hervorgegangen, ein Mann von klarem Verstande, unerschütterlichem Gottvertrauen und energischem Mute, über den Rietschel urteilt: „Er gehört zu den edelsten und vortrefflichsten Menschen, die ich kenne.“ Thäter[7] ward in den ersten Tagen des Jahres 1804 in Dresden geboren. Nach einer sehr trüben Jugendzeit voller Entbehrungen und Erniedrigungen, einer Zeit, die er meist unter fremden, lieblosen Menschen verleben mußte, trat der innerlich frühgereifte Jüngling 1819 in die Kunstschule der Akademie ein, war dann 1821 bis 1823 Schüler des Kupferstechers Professor Seiffert und hat sich seit 1830 in München weitergebildet, wo er auch, mit Unterbrechungen, bis zu seinem Tode (1870) blieb. Als Zögling der Kunstschule lieferte er, ganz ähnlich wie sein Freund Rietschel, 1819 bis 1821 Kopien nach Gemälden oder nach Gips mit Kreide auf farbiges Papier und dann Akt- und Gewandstudien. Schon 1822 aber brachte er einen ersten Versuch mit dem Grabstichel nach dem berühmten niederländischen Kupferstecher Hendrik Goltzius und in den nächsten Jahren Stiche nach Gemälden, Zeichnungen und älteren Kupfern. So stellte er bereits 1825, also als Einundzwanzigjähriger, einen seiner berühmten Stiche nach Peter Cornelius’ Szenen aus Goethes „Faust“, den „Spaziergang am ersten Osterfeiertage“, zur Ansicht. 1828 durch Vermittlung Rietschels nach Berlin zu Rauch berufen, stach er die Basreliefs an dessen Blücherdenkmal nach und zeigte sie 1830 (und 1831) dem Dresdner Publikum.
Unter die frühgereiften Talente, die sich in dem behandelten Zeitraume zu schöner Blüte entwickelten, ist auch der Architekt Carl Moritz Haenel (1809 bis 1880) zu zählen, ein Mann, den reiche Kenntnisse ebenso auszeichneten, wie ein biederer, selbstverleugnender Charakter. Als zwölfjähriger Knabe (1821) ward er Zögling der Industrieschule, der er bis 1826 angehörte; 1822 bis 1828 besuchte er auch die Bauschule. An letzterer war der in Krubsacius’ Schule gebildete Professor C. A. B. Siegel sein Lehrer; nur in seinen letzten Studienjahren konnte er noch den Unterricht des als außerordentlicher Professor nach Dresden berufenen Münchner Architekten Joseph Thürmer genießen, durch den er mit Karl von Fischers Renaissancebaukunst bekannt wurde. Während er in der Industrieschule jahrelang mit dem Zeichnen von Arabesken nach Steindruckvorlagen oder nach Albertollis Mustern geplagt wurde, entfaltete sich sein Talent in der Bauschule so günstig, daß er bereits 1824 zwei größere selbständige Arbeiten zur Ausstellung geben konnte: Fassaden und Grundrisse zu einer öffentlichen Schenkwirtschaft und zu einem Gartengebäude, ersteres nach eigener Erfindung, letzteres nach einer Aufgabe des Professors Siegel. In den folgenden Jahren lieferte er dann immer ausgeführtere Entwürfe zu allerhand städtischen oder ländlichen Nutz- und Lustbauten, die er meist selbständig erfunden und ausgearbeitet hatte. 1830 trat er als Baueleve in den Dienst des sächsischen Staates, dem er in unermüdlichem Eifer fast volle fünfzig Jahre seine Tätigkeit widmete, seit 1861 in der höchsten Stellung des fiskalischen Hochbauwesens: als Oberlandbaumeister. In diesem Amte hat er, obgleich nicht eigentlich selbstschöpferisch tätig, den weitestgehenden Einfluß ausgeübt; alle größeren öffentlichen Bauten in Stadt und Land entstanden unter seiner Aufsicht, wie er auch mit Umbauten und Wiederherstellungsarbeiten an Privatbesitztümern (Schlössern, Rittergütern u. a.) fortgesetzt beschäftigt war.[WS 3] Am 3. Januar 1880 riß der Tod den Siebzigjährigen nach längerem Leiden aus einer gesegneten Tätigkeit.
Hier sieht man reiche Künstlerleben in dem Zeitraume von 1801 bis 1830 sich entfalten. Die toten Namen und Zahlen der Verzeichnisse gewinnen so für den Forscher Leben, und vor dem geistigen Auge erstehen Künstlerpersönlichkeiten, eigenartig und schön in ihrem Wesen und Werden.
Es sollte diesen jedoch auch an Aufmunterung nicht fehlen. Im Jahre 1819 bestimmte König Friedrich August eine bedeutende Summe zu Geldgeschenken an die Zöglinge der Kunst-, Industrie- und Bauschule sowie für die Meißner und Leipziger Scholaren, die sich bei der Ausstellung durch Fleiß und Talent ausgezeichnet hatten. Am 3. März 1819 fand die erste Feierlichkeit dieser Art statt, der sich noch am 23. Dezember desselben Jahres, an des Königs Geburtstage, eine gleiche anschloß. In Gegenwart sämtlicher Professoren und Mitglieder der Akademie hielt der Generaldirektor Hofmarschall Graf Vitzthum von Eckstädt eine Ansprache an die Zöglinge und verteilte sodann die [99] Geschenke sowie die über dieselben und über ehrenvolle Namenerwähnung andrer Schüler ausgestellten Urkunden. Alljährlich am gleichen Tage ward die sehnlich erwartete Feier wiederholt, und die Akten des Hauptstaatsarchivs nennen uns die glücklichen Empfänger. Unter ihnen erscheinen natürlich auch die obengenannten Meister, zum Teil sogar mehrmals.
Die treffliche Organisation der Dresdner Akademie und der bedeutende Ruf vieler ihrer Lehrer erwarben der Kunstanstalt gerade in dem behandelten Zeitraume weit über Sachsens Grenzen hinaus großes Ansehen. Dies geht deutlich aus dem stetigen Zuwachs an auswärtigen Schülern hervor, von dem wiederum die Ausstellungen Zeugnis ablegen. Besonders stark war der Zuzug aus dem Norden Deutschlands. Auf diese Weise ist – um nur ein Beispiel anzuführen – die jetzt von Alfred Lichtwark so erhobene Hamburger Malerschule damals in Dresden begründet worden. Denn ihre Hauptvertreter: Philipp Otto Runge, Johann Faber, Heinrich Stuhlmann, Julius Louis Ascher, Julius Oldach, Friedrich Wasmann, Robert Schneider aus Dresden, Carl Koopmann, Franz Heesch(e), Adolph Löser u. v. a. – sie alle haben in Dresden ihre Ausbildung teils genossen, teils vertieft, und manches treffliche Werk ihrer Hand sah man damals schon auf den Dresdner Ausstellungen.[8]
Man darf indessen die Bedeutung dieser Schülerarbeiten nicht überschätzen. Neben manchem Wertvollen ging – wie überall, so auch bei den Ausstellungen jener drei Jahrzehnte – viel Mittelgut, ja Minderwertiges einher, und schon die Zeitgenossen verschwiegen das nicht. 1803 z. B. bezeichnete man eben deshalb das kleinere Hinterzimmer als das „Siberien für verbrecherische Kunstwerke“, in dem allerdings auch einige unschuldig Verbannte schmachten mußten.
Während man diesen Zimmern wenig oder gar keine Beachtung schenkte, wandte man seine Aufmerksamkeit um so eifriger den Arbeiten der akademischen Lehrer zu. Deren Werke wurden auch in den Berichten fast allein genauer gewürdigt und glichen bisweilen Orten der Wallfahrt. Um das Interesse frisch zu erhalten, gebrauchten einige der Professoren – denn nur solchen stand dies offenbar frei – eine Art List, indem sie die ausgestellten Kunstwerke nach einiger Zeit durch neue ersetzten. Wiederholt ist in den Berichten von Gegenständen die Rede, die erst später zur Ausstellung kamen, also in den offiziellen Katalogen nicht mehr verzeichnet sind. Nicht alle Professoren beschickten jedes Jahr die Ausstellung. Schon 1805 gab dies Anlaß zur Beschwerde, und es wurden damals als Gegenmaßregeln die Einziehung der Pensionen und die pekuniäre und ideelle Unterstützung jüngerer Kräfte vorgeschlagen.
Denn an tüchtigem Nachwuchs hat es nicht gefehlt. Die Dresdner Kunst hat damals nie stagniert.
So sehen wir, wie auf den verschiedenen Gebieten der Malerei sich überall neues Leben regt. Die Historienmalerei hatte zu Beginn der Periode ihre Hauptvertreter in J. D. Schubert, einem Schüler des Landschaftsmalers Klaß, († 1822), und in Joseph Grassi, der zugleich vielbewunderte Porträte schuf. Beide Gebiete pflegte hier seit 1803 der kurz vorher mit dem Weimarer Goethepreis ausgezeichnete Ferdinand Hartmann. 1805 kam der weitgereiste Gerhard von Kügelgen zu bleibendem Aufenthalte nach Dresden, wo er 1820 seinen Tod durch Mörderhand fand. Drei Jahre nach Kügelgens Ankunft kehrte Friedrich Matthäi aus Italien an seine Bildungsstätte zurück. Er wurde in der Folgezeit einer der einflußreichsten und beliebtesten Lehrer, dessen vielkopierte Zeichnungen, die sogenannten ,Matthäischen Halbakte‘, noch im Zeichensaale der Akademie aufbewahrt werden. Gerade dieser Meister, der auch als Direktor der Gemäldegalerie später außerordentliche Bedeutung erlangt hat (Neuerwerbungen, Kataloge, Palmaroli!), verdiente es, eingehend nach seinem künstlerischen Wirken gewürdigt zu werden. (Auf der Berliner Jahrhundert- Ausstellung suchte man vergeblich ein Werk von ihm). In späteren Jahren übernahmen ehemalige Schüler der Akademie, wie Moritz Retzsch, Heinrich Arnold und Heinrich Näcke, das Lehramt für Historienmalerei an ihrer alma mater. In Leipzig vertraten Joh. Friedr. Aug. Tischbein († 1812) und nach dessen Tode Veit Hans Schnorr von Carolsfeld diesen Kunstzweig. Alle die genannten Geschichtsmaler haben zugleich im Fache des Porträts gearbeitet, das damals noch an Anton Graff († 1813) seinen berühmtesten Meister hatte. Künstler wie Traug. Leber. Pochmann († 1830), [100] ein Schüler Graffs, ferner Carl Rösler und der vielbeschäftigte Carl Vogel von Vogelstein übernahmen erfolgreich dessen Erbe, wie auch der Vater des Letztgenannten, Christ. Leber. Vogel († 1816), durch reizende Kinderbildnisse sich eines wohlverdienten Ruhmes erfreute. Als Schöpfer von Pastellporträten sei der Hofmaler und Akademielehrer Joh. Heinr. Schmidt († 1829), als solcher von Miniaturbildnissen der schon erwähnte Moritz Retzsch mit Auszeichnung genannt. – Historie und Genre zugleich pflegte zu Anfang des Jahrhunderts Johann Eleazar Zeißig-Schenau († 1806), von dem u. a. das Krumpholz-Museum in Großschönau – wo sich jetzt auch des Künstlers Grabstein befindet – beachtenswerte Arbeiten birgt. – Die Landschaftsmalerei, in der damals ein jetzt vergessener Meister, Friedrich Christian Klaß († 1827), besonders aber Johann Christian Klengel († 1824) und dessen Schüler C. G. Traug. Faber glänzten, erhielt in dieser Periode bedeutsame Anregungen. Sie gingen vom Norden aus: von dem jetzt fast übermäßig gefeierten Caspar David Friedrich und seit 1818 auch von dessen Freunde, dem Norweger Johann Christian Claußen Dahl. – Auf dem beschränkten Gebiete der Frucht-, Blumen- und Stillebenmalerei war besonders Caroline Friederike Friedrich, Ehrenmitglied der Dresdner Kunstakademie, tätig († 1815), die in Ther. Richter eine ausgezeichnete Schülerin hatte, auch mehrere Schüler ausbildete. – In der Technik der Zeichnung – vorzüglich der in Sepia – nahm der Professor Jakob Seydelmann eine der ersten Stellen ein.
Wie schon aus dieser kurzen Übersicht hervorgeht, war in der Zeit von 1801 bis 1830 die Malerei die an der Akademie hervorragendst gepflegte Kunst. Mit ihr kann sich nur annähernd die Kupferstecherkunst messen, zwar nicht der Zahl, wohl aber der Bedeutung ihrer Vertreter nach. Zu Anfang des Jahrhunderts wirkten noch zwei Italiener als Lehrer dieser Kunst an der Akademie: Gius. Canale († 1802 als Hofkupferstecher) und Gius. Camerata († 1803), jener in Rom (unter Cav. Benefiale), dieser in Venedig und Wien gebildet. Canale stellte noch als Achtzigjähriger (1801) aus. Er unterwies u. a. den späteren Hofkupferstecher Chr. Friedr. Stölzel († 1815), der wiederum des Meisters Art auf seinen Sohn Chr. Ernst Stölzel und auf den nachherigen Akademieprofessor J. Gotth Seiffert († 1824) übertrug. Camerata hatte in den Professoren Chr. Gottl. Schultze († 1819) und Ephr. Gottl. Krüger seine bedeutendsten Schüler. In italienischer Schule, unter Lor. Zucchi, war auch der Hofkupferstecher Carl Gottl. Raspe († 1807) gebildet, der sich im Fache des Porträtstiches auszeichnete, aber keinen hervorragenden Schüler zog. Alle bisher genannten Meister pflegten fast ausschließlich den Stich von Historien und Bildnissen und waren durch derartige Leistungen auf den Ausstellungen vertreten. – Neben dieser italienischen Schule eroberte aber bald die französische ihre Stellung, und zwar vorzugsweise auf dem Gebiete des Landschaftsstiches. Schon der obengenannte Schultze hatte seine Ausbildung bei dem berühmten J. G. Wille in Paris vollendet, dessen Arbeiten durch „unübertroffene Reinheit und treffliche Wiedergabe des Helldunkels“ glänzten. Bei Wille lernte auch der Hauptmeister des Landschaftsstiches, Adrian Zingg († 1816), ein in zeichnerischer Hinsicht durch Ludwig Richters ungünstiges Urteil lange schlechtrenommierter Künstler, den man aber in der Gegenwart wieder richtig einschätzen lernt. Zingg hat zahlreiche, tüchtige Schüler gebildet, von denen Chr. Aug. Günther († 1824), J. Ph. Veith, Joh. A. Darnstedt und Carl Aug. Richter, der Vater Ludwigs, selbst wieder als Lehrer an der Akademie tätig waren und ihres Meisters Lehren auf ihre Zöglinge fortpflanzten: so Darnstedt auf J. G. A. Frenzel, den späteren Direktor des Kupferstichkabinets; Veith auf den trefflichen Landschafter Chr. Gottl. Hammer. Zinggs Einfluß beherrschte in dem ganzen behandelten Zeitraume den Landschaftstich und ebenso die Landschaftszeichnung; denn der Künstler selbst wie seine Schüler haben einen reichen Schatz zarter Sepiazeichnungen (meist Darstellungen aus Dresdens Umgebung und den übrigen Teilen Sachsens) hinterlassen, die noch heute von feinsinnigen Kennern gesucht werden.
Die Bildhauerkunst hatte in dieser Zeit an der Akademie einen einzigen Vertreter: den Hofbildhauer Joh. Fr. S. N. Pettrich. Dieser, in Casanovas Schule aufgewachsen, lebte noch ganz in den klassizistischen Traditionen, denen er in Gelegenheitsarbeiten, fast nie in eigenen größeren Werken, Ausdruck verlieh. Auf das herbe Urteil, das Pettrichs Schüler Rietschel über diesen fällte, ist oben schon hingewiesen.
Der Klassizismus galt auch der Baukunst noch fast ausschließlich als Leitstern. Was Krubsacius, in seiner Weise verdienstvoll, gelehrt hatte, ward durch dessen Schüler, den Hofbaumeister Hölzer – bis 1814 den einzigen Lehrer der Architektur an der Akademie – fortgepflanzt, wenn auch in teilweise gemilderter Form. So blieben die Verhältnisse auch nach der Begründung der Bauschule; denn der an Hölzers Stelle tretende Professor C. A. B. Siegel war ebenfalls von Krubsacius ausgebildet. Erst seit 1827 kam durch die Berufung Joseph Thürmers ein frischer Geist in diese erstarrten Formen: die Renaissance hielt in der Dresdner Architektur ihren Einzug. Leider war es dem Künstler, dessen farbige Zeichnungen römischer und griechischer Bauwerke jedesmal mit Auszeichnung genannt wurden, nur wenige Jahre vergönnt, an der Akademie zu wirken; schon 1833 ereilte ihn der Tod.
[101] Die Eigenart eines jeden dieser akademischen Lehrer, die im Vorstehenden Erwähnung gefunden haben, spiegelte sich in ihren Arbeiten wieder, mit denen sie mehr oder weniger stark auf den Ausstellungen vertreten waren. Neben Leistungen ersten Ranges mußten andere dabei naturgemäß zurücktreten, obgleich nicht zu leugnen ist, daß die meisten Akademielehrer in dem behandelten Zeitraume gerade ihre reifsten Werke darboten und dadurch die Ausstellungen zu wirklich vorwärtsweisenden machten.
Schüler und Lehrer der Akademie bildeten die überwiegende Mehrheit unter den Ausstellern. Eine weitere verhältnismäßig zahlreiche Gruppe machten die selbständigen Dresdner Maler aus, die, teilweise frühere Schüler der Akademie, sich in der Hauptstadt niedergelassen hatten. Sie waren zum größten Teile Landschaftsmaler oder Porträtisten. Unter ihnen finden sich ebenfalls tüchtige Meister. So ragt unter den Bildnismalern der auch vom Hofe viel beschäftigte Jude Jeremias David Alexander Fiorino[9] hervor, der noch in der Dresdner Galerie mit feinen Miniaturen vertreten ist. Aus der großen Zahl der Landschafter seien nur einige herausgehoben: so der seinerzeit gefeierte Feuermaler Oldendorp, von dem man noch Bilder im Freiberger Altertumsmuseum sieht (andere wurden leider 1861 aus dem sogenannten „Vorrat“ der Königlichen Gemäldegalerie versteigert); ferner der von Goethe hochgeschätzte Carl Kaaz, Gottlieb Samuel Stamm aus Meißen, Jakob Mechau († 1808) aus Leipzig u. a. Mit Anerkennung seien hier auch die Glieder der alten Dresdner Künstlerfamilie Friedrich erwähnt, die Blumen, Früchte und Insekten in sauberster Ausführung dem Beschauer zeigten, meist nur kleine Blätter, wie deren das Königliche Kupferstichkabinet noch einige aufweist. Andere Dresdner Maler, wie Base, Laurin, Senf, waren zugleich als Lehrer in adligen und bürgerlichen Familien tätig und stellten neben eigenen Arbeiten auch die ihrer Zöglinge zur Beurteilung.
Die Ausstellungen boten den Dresdner Künstlern oftmals die einzige Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit zu empfehlen. Daher wurde wiederholt ein Wunsch laut, dem W. A. Lindau 1820 in seinem „Neuen Gemählde von Dresden“ öffentlich Ausdruck gab: daß den Werken der lebenden Künstler Dresdens ein „eigener Saal“ geöffnet werde, in dem jeder, „was er der Beschauung wert hielte, nach Belieben fortdauernd ausstellen könnte“ – also eine permanente Ausstellung lokaler Art, wie sie jetzt etwa die Kunstsalons bieten. Man versprach sich von dieser Einrichtung großen, namentlich ideellen Gewinn, da bisher manches Werk, das man „mehr als einmal beschauen möchte, unbekannt und ungewürdigt bliebe“, höchstens in der Werkstatt des Künstlers selbst zu sehen wäre. Das Dürerjahr 1828 erfüllte endlich diese Wünsche: der Sächsische Kunstverein ward begründet, der sich die Ausstellung und den Ankauf von Werken heimischer Künstler zur besonderen Aufgabe machte. Von der segensreichen Tätigkeit dieses Vereins legen einerseits die ihn betreffenden Aktenstücke im Dresdner Ratsarchiv, anderseits die in der „Bilderchronik“ vereinigten Kupferstich- Reproduktionen der angekauften Kunstwerke ein beredtes Zeugnis ab. Im Jahre 1829 erwarb der Verein zwanzig, im Jahre 1830 achtundzwanzig solcher Kunsterzeugnisse, vorzugsweise Gemälde. Damit ward einer großen Anzahl selbständiger Dresdner Künstler geholfen.
Ehe es jedoch so weit kam, versuchten einige aus eigenen Mitteln dem Übelstande abzuhelfen, indem sie in ihren Ateliers oder in öffentlichen Lokalen Privatausstellungen ihrer Arbeiten veranstalteten. Dies tat z. B. 1810 der obengenannte Oldendorp. Ebenso zeigte Fräulein Therese aus dem Winckell Anfang März 1809 die Kopien, die sie in Paris nach berühmten Originalen gefertigt hatte, und von denen ein Teil nach dem Tode der Künstlerin (1867) an das Bautzner Stiebermuseum abgegeben wurde.
Man könnte es den Dresdner Künstlern unter den geschilderten beengenden Verhältnissen nicht verdenken, wenn sie dem Eindringen auswärtiger Kunstgenossen in die Dresdner Ausstellungen mit geteilten Empfindungen zusahen.
Die Beteiligung Fremder an den Kunstausstellungen war im Anfang der behandelten Periode sehr gering, steigerte sich aber von Jahr zu Jahr – ein Beweis für das wachsende Ansehen, das diese Veranstaltungen auch außerhalb Sachsens sich erwarben. 1811 schon wird es besonders gerühmt, daß „auch viele fremde und der hier bestehenden Malerakademie durch nichts verwandte Künstler“ der Ausstellung durch ihre Beiträge „manche Zierde verliehen“. Aus sächsischen Städten, wie Freiberg, Chemnitz, Bautzen, trafen öfters Zusendungen ein, aber ebenso aus Stuttgart, Breslau, Prag, Hannover, Frankfurt, Wien. Italien war wiederholt durch römische und neapolitanische Kunstjünger vertreten, 1823 lieferte auch ein Professor der [102] Akademie zu Venedig, Bersato, seine Beiträge. Als Vertreter Rußlands erschien seit 1811 alljährlich der Kais. Russ. Wirkl. Staatsrat und Hofarchitekt Ritter von Brenna mit feinen architektonischen Zeichnungen; 1824 trat der Kais. Russ. Hofmaler Professor Bosse an dessen Stelle. Von Kopenhagen aus sandte der einflußreiche Akademieprofessor und -direktor Chr. Wilh. Eckersberg seit 1828 Arbeiten ein.
Aus der Zahl selbständiger auswärtiger Künstler, welche die Dresdner Ausstellungen beschickten, sei nur die bekannte Freundin Goethes und andrer großer Zeitgenossen, Louise Seidler, hervorgehoben, die in treuer Anhänglichkeit während ihres italienischen Aufenthaltes und dann von Weimar aus regelmäßig ihren Tribut entrichtete.
Typisch ist das zahlreiche Auftreten von Hofmalern größerer und kleinerer Höfe: überall her aus dem „heiligen römischen Reich deutscher Nation“ erschienen sie: von Ballenstedt, Neustrelitz, Cassel, Meiningen, Dessau, Carlsruhe, Köthen, um die künstlerische estime ihrer Höfe zu vertreten.
Besonders zu betonen aber in diesem Andrang fremder Elemente sind die lebhaften Beziehungen, die seit dem Jahre 1819 von München aus mit Dresden angeknüpft wurden. Eingeleitet durch zwei Mitglieder der dortigen Akademie: den berühmten Schlachtenmaler und Sittenschilderer Peter (von) Heß und den Historienmaler Joseph Schlotthauer, wurden sie von 1821 an durch namhafte Münchner Künstler, wie den Inspektor, späteren Direktor der Bildergalerie Max Joseph Wagenbauer, den Schlachtenmaler Albrecht Adam, den Architekturmaler Domenico Quaglio, sowie die Hofmaler Cogels und Macco fortgeführt, indem diese wiederholt ihre neuesten Schöpfungen in Dresden zur Ausstellung brachten. Umgekehrt ließ man jetzt auch in der sächsischen Akademie nach Werken dieser Künstler, nach Quaglio, Adam und Wagenbauer, fleißig kopieren, namentlich aber nach Heß, dessen Kosaken- und Bauernbilder mit großer Vorliebe gezeichnet wurden. – Diese künstlerischen Beziehungen Dresdens zu Bayerns Hauptstadt waren nicht zufällige, sondern das Resultat der geschichtlichen Entwicklung. Denn wie München für den Süden Deutschlands, so hatte Dresden allmählich für den Norden die führende Stellung in Fragen der Kunst sich erobert. Gegen Ende des Zeitraumes war das Wort in Erfüllung gegangen, das ein geistvoller Berichterstatter in der „Zeitung für die elegante Welt“ schon 1807 wie prophetisch niedergeschrieben hatte: daß Dresden „jetzt mehr als jemals die Pflegemutter der Künste im nördlichen Deutschland zu seyn, äußeren und inneren Beruf habe“. Und so sieht man denn auch in dieser Beziehung die Ausstellungen von 1801 bis 1830 sich zu vorwärtsweisenden ausgestalten.
Daß zu solchem Aufschwunge der Dresdner Kunst die Bekanntschaft mit auswärtigen Meistern nicht ganz ohne Vorteil war, läßt sich nicht leugnen. Unbedingt notwendig war sie jedoch nicht. Ja, sie konnte unter ungünstigen Umständen sogar verderbliche Folgen haben. Doch dieses Thema kann hier nicht weiter ausgeführt werden, da es allein eine kleine Abhandlung für sich beanspruchen würde.
In Kürze nur seien noch zwei kleine Gruppen von Ausstellern gestreift, die, im allgemeinen unbedeutend, dennoch auch einiges Erwähnenswerte boten. Es waren dies einerseits die akademischen Filialen zu Leipzig und Meißen, anderseits die Dresdner Erziehungsanstalten.
Die Leipziger Akademie, die unter der Direktion tüchtiger Maler, erst J. F. A. Tischbeins, dann V. H. Schnorrs, stand, wies zum weitaus größten Teile minderwertiges Schülermaterial auf, das sich aus Kunstdilettanten, Studenten und jungen Handwerkern zusammensetzte. Nur wenige selbst der Künstlernamen, die der offizielle Katalog bei dieser Anstalt verzeichnet, dürften heute auch dem Kunstforscher noch bekannt sein. In der Malerei verdienten nur etwa Gustav Jäger (später Direktor dieser Akademie), August Dietze und die Brüder Heinrich und Friedrich Brauer eine Erwähnung. Die besten Leistungen boten noch die Kupferstecher, die in Joh. Friedr. Bause († 1814) allerdings einen hervorragenden Lehrer hatten. Bildhauerei und Architektur lagen in jener Zeit an der Leipziger Akademie ganz darnieder.
Der einzige wirklich bedeutende Schüler, den die Anstalt damals vorgebildet hat, ist des zweitgenannten Direktors Sohn, Julius Schnorr von Carolsfeld. Sogleich aber sei einschränkend bemerkt, daß er der Leipziger Akademie nur bis zu seinem siebzehnten Jahre (bis 1811) angehört hat; seine eigentliche künstlerische Ausbildung hat er in Wien und dann in Rom genossen. Der Bildungsgang dieses merkwürdigen Mannes verlohnt es, ein wenig bei ihm zu verweilen. 1806, zwölf Jahre alt, beteiligte sich der Knabe zum ersten Male an der Dresdner Ausstellung. Er sandte „Hüons Kampf mit einem Löwen“, nach dem vierten Gesange des „Oberon“ von ihm selbst erfunden und gezeichnet, ein. Im nächsten Jahre bot er zwei Kopien, Federzeichnungen nach Lafage und – man staune! – nach Michelangelo, und als eigene Komposition ein Stück aus der römischen Geschichte: „Die Römer bieten dem Cincinnatus die Diktatorwürde an“. Gibt sich nicht schon in diesen Kinderleistungen ein kühner, eigenartiger Geist zu erkennen? Bedeutungsvolle Szenen aus der griechischen Mythologie und der biblischen Historie brachten auch die nächsten Jahre. Lebhaft an des Meisters spätere [103] großzügige Entwürfe erinnert eine eigene Erfindung, die er 1816, von Wien aus, nach Dresden einsandte: eine Federzeichnung, die den „Kampf zwischen Christen und Heiden“ darstellte. Auch die romantische Richtung, der er sich anfangs ergab, kommt in den Sendungen dieses Jahres zum Ausdruck: de la Motte-Fouqués „Sigurd“ begeistert den Jüngling zu selbständigen Schöpfungen. Nur noch dreimal begegnet er seitdem auf den Ausstellungen des behandelten Zeitraumes: 1818, 1821 und 1826 – aber jedes Werk, das er einliefert, bedeutet einen kühnen Schritt vorwärts. 1826 z. B. bringt er zwei große Ölgemälde: das „Porträt der Vittoria von Albano“ nach der Natur (gemalt 1823, jetzt im Besitz des Majors a. D. C. Geisberg in Berlin) und „Bathseba im Bade“ (1825, Königl. Akademie der Künste in Berlin) – aus dem Schüler ist der Meister geworden, ein Meister, der seit 1846 der Dresdner Akademie zur höchsten Zierde gereichen sollte.
Gänzlich ohne allgemeinere Erfolge arbeitete die Meißner Zeichenschule. Die jungen Leute (meist aus Meißen selbst oder dessen Umgegend) kamen dahin, um tüchtige Porzellanmaler zu werden. Viele, wie Jacob, K. Chr. Schiebel, Hottewitzsch, Geudtner, Mietzsch, u. a. erreichten dieses Ziel mit Erfolg. Daß die Meißner Schule, die hervorragende Lehrer hatte – es sei nur an G. F. Kersting, Arnhold, Scheinert, später Ludwig Richter erinnert! – auch einige verdienstvolle Landschafter (wie Karl Christian Sparmann und Johann Gottfried Pulian) und Historienmaler (z. B. Ludwig Haach und Ernst Wilhelm Resch[10] vorgebildet hat, sei willig anerkannt. Die Ausstellungen der Anstalt aber sind, wenigstens in der behandelten Periode, ganz unbedeutend. Kopien in Kreide, Gouache, Sepia oder Öl, dann und wann ein Akt – darüber kam man kaum hinaus. Nirgends ein selbständiger Gedanke, selten ein selbständiger Entwurf! Man kann es dem Zeichenlehrer Ludwig Richter nachfühlen, wenn er – allerdings etwas übertrieben – 1829 in einem Briefe an seinen Freund Julius Schnorr seine Stellung in Meißen als „ein wahres Sibierien für jeden Künstler, der noch einen Grad Wärme für Kunst im Herzen hat", bezeichnet. Bald nachher (Dezember 1836) wurde die Zeichenschule bekanntlich aufgehoben.
Fast mehr selbständiges Leben, als an diesen akademischen Filialen, fand sich damals in den Dresdner Erziehungsanstalten.
Es ist ein Charakteristikum des behandelten Zeitraumes, daß auch die kleinen „Künstler“ auf den Ausstellungen vertreten sein mußten. Man sieht also: die modernen Bestrebungen hinsichtlich der „Kinderkunst“ – sie sind durchaus nicht neu, nur daß sie vor hundert Jahren vielleicht anders aufgefaßt wurden. Was die Zöglinge boten, waren allerdings vielfach Kleinigkeiten, aber es fehlte nicht an Selbständigkeit. Manche Zeichnungen, Stickereien, ja sogar Ölgemälde und Radierungen nach eigener Erfindung oder Beobachtung fallen dem Leser der Kataloge auf. Es ist nicht möglich, hier auf Einzelheiten einzugehen. Doch auf eines sei ausdrücklich hingewiesen: daß auch aus diesen Kreisen mehrere später vielgenannte Männer hervorgegangen sind. Dafür einige Beispiele!
Die katholischen Schulen können mit Stolz den Historienmaler Benno Friedrich Törmer (1804–1859) unter ihre Zöglinge zählen. Er begann mit Fruchtstücken (1817), wandte sich aber, nachdem er 1819 die Industrieschule besucht hatte, seit 1820 auf der Kunstschule dem Figurenzeichnen zu und bildete sich sodann unter Carl Vogel von Vogelstein zum tüchtigen Geschichtsmaler aus. Törmer brachte es später in Rom bis zum Professor und Legaten beim päpstlichen Stuhle. Sein Bild „Der Musikunterricht“ in der Dresdner Galerie ist ziemlich bekannt geworden; andere Werke seiner Hand erwarb in den Jahren 1832 bis 1836 der Sächsische Kunstverein.
Der Freimaurer-Erziehungs-Anstalt gehörte als Kind der hervorragende Porträt- und Jagdmaler Ferdinand von Rayski (1806–1890) an. In seinem dreizehnten Jahre schon (1819) tuschte er, unter Anleitung des Zeichenmeisters Faber, in echt kindlicher Weise „zwey Cavalleristen“, die er wahrscheinlich früher in seines Vaters Regiment beobachtet hatte; bereits im folgenden Jahre zeigte er sogar ein Ölgemälde, den „Kampf eines Ritters mit einem Araber“, jedenfalls den Niederschlag einer durch Lektüre erregten Phantasie. Auch die Jahre 1821 und 1825 brachten Ölgemälde verschiedenen Genres von ihm, zum Teil Kopien nach Potter und Vernet. Diese hoffnungsvollen Anfänge hat Rayskis spätere Entwicklung nicht Lügen gestraft; Bilder von seiner Hand im Museum zu Leipzig, im Königlichen Jagdschloß Wermsdorf und im Besitze zahlreicher sächsischer Adelsfamilien beweisen das zur Genüge.[11][WS 4]
Wenig bekannt dürfte es sein, daß sogar die Neustädter Polizei-Armenschule einen guten Landschafter hervorgebracht hat. Es war der Sohn des dortigen [104] Lehrers, der als Jugend- und Volksschriftsteller weitbekannte Gustav Nieritz. In seiner „Selbstbiographie“ erzählt er in schlichter, offener Weise, wie er endlich seiner Lust zum Malen folgen und um sechs Taler monatlich an zwei schulfreien Nachmittagen jeder Woche bei dem schon hochbejahrten Professor Klaß, einem damals sehr geachteten Landschaftsmaler, Unterricht nehmen durfte; wie er unter dieses Meisters Leitung in der Umgebung seiner Vaterstadt Dresden nach der Natur zeichnete und malte, Bilder, aus deren Verkauf ihm mancher Spargroschen für trübe Zeiten verblieb. Nieritz war während des behandelten Zeitraumes einer der treuesten Beschicker der Ausstellungen. In den Jahren 1811 bis 1827 zeigte er bisweilen Kopien nach Gemälden der Dresdner Galerie, meist aber Landschaften nach der Natur, die er im Riesengebirge, bei Freiberg, Nossen, in Böhmen, vor allem aber in der Umgegend seiner Heimatstadt gemalt hatte. Einige davon werden, ebenso wie sein reichhaltiges Skizzenbuch, noch heute von seinen Töchtern pietätvoll aufbewahrt.
Auf dem Friedrichstädter Lehrerseminar erhielt, trotz mangelhaften Zeichenunterrichts, Nieritz’ Freund, der bekannte Landschaftsmaler Ernst Ferdinand Oehme (1797–1855), die ersten künstlerischen Anregungen. Seine eigentliche Ausbildung begann er allerdings erst, nachdem er (1814) das Seminar verlassen hatte. Es glückte ihm, von dem genialen Norweger Dahl als Schüler aufgenommen zu werden, dann in Italien an Ludwig Richter einen gleichgestimmten Freund zu finden. Von seinem Entwicklungsgange legen die Ausstellungen der Jahre 1820 bis 1830 beredtes Zeugnis ab. Sie brachten Landschaften aus Sachsen, Italien und Tirol, aber auch vielversprechende Kompositionen eigener Erfindung im Sinne seines Meisters Dahl. Eines der letzten Bilder dieses Zeitraumes, das 1830 ausgestellt war, einen „Herbstabend im Großen Ostragehege bei Dresden“, besitzt die Galerie seiner Vaterstadt Dresden.[12] –
Dieser umfangreiche Hauptteil der Betrachtung hat gezeigt, daß sich die große Reihe der Aussteller aus Einsendern der verschiedensten Kreise und Orte zusammensetzte. Ihre Zahl wuchs von Jahr zu Jahr, aber mehr in die Breite als in die Tiefe.
Die Frage „Was wurde ausgestellt?“ führt mitten hinein in den Wandel der Kunstrichtungen und des Kunstgeschmacks, der zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts sich vollzog und auf den Dresdner Ausstellungen sich besonders deutlich ausprägte. In Dresden, namentlich an der Akademie, waren um das Jahr 1801 so ziemlich alle Richtungen vertreten, die man in der neueren Kunstgeschichte kennt. Hier hatte Winckelmann seine „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in Malerei und Bildhauerkunst“ niedergeschrieben und damit den ersten Anstoß gegeben zu der Kunstrichtung, die Rückkehr zum klassischen Altertum predigte und daher „Klassizismus“ genannt wurde. Raphael Mengs ward der erste bedeutende Künstler dieser Richtung, die in dem behandelten Zeitraume noch vornehmlich an Friedrich Matthäi und an Christian Leberecht Vogel ihre Herolde fand. Bildhauerei und Baukunst standen, wie oben ausgeführt wurde, noch ganz in ihrem Banne. – Die gedrückten politischen Verhältnisse Deutschlands lenkten indessen bald den Blick zurück auf eine Zeit, in der es nach phantastischer Anschauung im lieben deutschen Reiche weit herrlicher zu leben war als jetzt. Schmucke Ritter sah man im Geiste hoch zu Roß durch die Lande ziehen, im Winde flatterte das Banner, an dem die Farben der Geliebten prangten. Es geht eine tiefe Sehnsucht durch diese Zeit, die auch bedeutende Geister in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche trieb. Man nennt diese Bestrebungen in der Kunst die Romantik. Sie hatte in jenem Zeitraume besonders an Veit (und Julius) Schnorr ihre Vorkämpfer. Neben diesen beiden Hauptrichtungen stand nun die Rokoko- Tändelei eines Schenau, aber ebenso der ehrliche Realismus eines Graff, jede Richtung unbehindert durch die andere ihren eigenen Weg verfolgend.
So war es zu Anfang der Periode. Aber schon brach sich ein neuer Geist Bahn, von dem die zahlreichen Kopien auf den Dresdner Kunstausstellungen deutlich Zeugnis ablegen: die Neurenaissance brach an. Ein nur flüchtiger Blick in die gedruckten Verzeichnisse lehrt das ohne weiteres. Aus den hunderten von Namen solcher Künstler, die als Vorbilder für jene Zeit erscheinen, können hier natürlich nur die allerwichtigsten herausgehoben werden.
Den breitesten Raum unter den Kopien, die einen bedeutenden Bruchteil aller ausgestellten Kunstwerke überhaupt ausmachen, nehmen die nach italienischen Meistern des 15. bis 18. Jahrhunderts ein. Den Übergang von der Gotik zur Renaissance stellt in der Malerei Fra Angelico da Fiesole, in der Bildhauerei Niccolo Pisano dar. Die Frührenaissance des 15. Jahrhunderts ist durch Masaccio und Botticelli aus der Florentinischen, durch Perugino aus der Umbrischen Schule hinreichend [105] vertreten. Fra Bartolommeo leitet ins 16. Jahrhundert hinüber. Überreich ist die Hochrenaissance des 16. Jahrhunderts durch das glänzende Fünfgestirn, Lionardo da Vinci, Michelangelo, Raphael, Tizian und Correggio dargestellt. Unter ihnen ist Lionardo in dem behandelten Zeitraume ziemlich unbeachtet geblieben: 1808 bis 1823 ward er nur viermal kopiert. Von seinem Schüler Luini lernte man in Dresden damals Arbeiten kennen, die im Originale in Paris und Mailand zu sehen sind. Michelangelo fand fast nur an der Leipziger Akademie Nachahmer; Gruppen und Einzelfiguren besonders aus seinem „Jüngsten Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans zu Rom wurden beinahe alljährlich von Leipziger Scholaren ausgestellt. Dagegen leuchtet der göttliche Raphael allen voran. Er ist während der ganzen Periode der am stärksten kopierte Meister, und die große Vorliebe, die man für ihn hegte, übertrug man auch auf seine Freunde und Nachahmer. Ebenso sah man fast regelmäßig Bilder nach Tizian, dem Meister des „blühenden Fleisches und der leuchtenden Farbenglut“. Von Correggio endlich war namentlich „la notte“ ein oft wiederholtes Bild. Unter den Meistern des 17. Jahrhunderts spielten Carlo Dolci, Guido Reni und Pompeo Batoni die Hauptrolle. Zu den beliebtesten Kopien gehörten sonst noch die nach Cignanis „Keuschem Joseph“, während der Mailänder Procaccini vornehmlich von Schenaus Schülern studiert wurde. Die italienische Kunst des 18. Jahrhunderts endlich war durch Kopien nach Canaletto, Nogari (nach dem besonders Professor Schubert zeichnen ließ), Rotari und hauptsächlich nach G. B. Casanova vertreten, der bekanntlich selbst als Professor und Direktor an der Dresdner Akademie gewirkt hatte.
Von Spaniern begegnen auf diesen Kunstausstellungen nur drei des 17. Jahrhunderts in Nachbildungen: es sind die Hauptmeister Ribera, Velasquez und Murillo.
Die Franzosen des 17. und 18. Jahrhunderts fanden vorzugsweise an der Leipziger Akademie ihre Kopisten: so Poussin und Lebrun; Natoire wiederum war an der Meißner Zeichenschule beliebt, während Claude Lorrain unsern größten Landschaftern, unter ihnen Ludwig Richter, Vorlagen bot. In der Kunstschule zeichnete man viel nach Vater und Sohn Vernet.
Von englischen Malern treten nur Reynolds (zweimal, 1810 und 1818) und Seeman entgegen, jener in Sepiakopien, die natürlich nicht im entferntesten einen Vergleich mit den Originalen aushalten konnten.
Reichlich waren wiederum die Niederländer des 17. Jahrhunderts in Wiederholungen vertreten; von älteren Meistern nur Cornelius Cornelis, den man – ebenso wie Poelenburgh, de Heem, Verhelst und Rachel Ruysch – fast lediglich in Meißen kopierte. Wouwerman, Berchem und Ruisdael sind die am häufigsten nachgeahmten niederländischen Künstler, neben ihnen natürlich die Großmeister Rembrandt, Rubens und van Dyck.
Während man so die Meisterwerke des Auslandes eingehend studierte und an ihnen sich bildete, wurden die deutschen Meister der älteren Zeit so gut wie gar nicht beachtet. Aus dem 15. und 16. Jahrhundert ist während des ganzen Zeitraumes nur die Fränkische Schule durch Dürer viermal, die Schwäbische durch Holbein sechsmal und die Sächsische durch Cranach dreimal (1817) vertreten. Die deutschen Künstler des 17. Jahrhunderts, nach denen man kopierte, waren meist italienisch oder niederländisch beeinflußte. Was endlich die deutschen Meister des 18. Jahrhunderts anbetrifft, so arbeitete man fast ausschließlich nach denen, die in Beziehungen zur Akademie gestanden hatten oder noch standen. Dietrich, Mengs (der „pfeilschleifende Amor“!), Zingg, Schenau, Graff wurden da neben den zeitgenössischen Akademielehrern am stärksten berücksichtigt. Ebenso war es mit den Künstlern der Gegenwart. Neben denen der Dresdner Schule boten nur solche der Münchner – es ist schon oben davon gesprochen worden – und vereinzelt der Berliner und Wiener Schule Vorlagen.
An der Industrieschule arbeitete man nach italienischen Mustern: seit Beginn der Anstalt boten die Werke G. Piranesis, seit 1819 auch die Albertollis den Unterrichtsstoff. In der Bauschule kamen der Franzose Moreau und der Engländer James Stuart ebenso zu Worte, wie die Italiener Palladio und Scamozzi, von deutschen Architekten nur Weinlig, Schinkel und (seit 1828) Thürmer. Die Kupferstecher bildeten sich vornehmlich nach den italienischen und englischen Meistern dieser Kunst aus dem 18. und 19. Jahrhundert (Bartolozzi, Volpato, Morghen, Woollett, Strange). Für die Bildhauer boten namentlich Schlüter, Canova und Thorwaldsen lehrreiche Vorbilder. Außerdem hatte die Leipziger Akademie an Öser und Schnorr, die Meißner Schule an Weller und Arnhold ihre Lokalheiligen, denen in zahlreichen Nachempfindungen meist besser gemeinte als gelungene Huldigungen dargebracht wurden.
Es ist notwendig, von den Kopien etwas Ausführlicheres zu geben, weil sie einen bedeutenden Prozentsatz der ausgestellten Kunstwerke ausmachen. Ein beliebig gewähltes Beispiel möge das zeigen! 1830 waren von 781 ausgestellten Gegenständen 309 Kopien nach Gemälden, Zeichnungen, Gips und in Kupferstich – also volle drei Achtel! Es erklärt sich dies aus dem oben betonten Umstande, daß die eingelieferten Arbeiten größtenteils Schülerleistungen waren.
Neben dieser Fülle von Kopien gab es natürlich auch jedesmal eine Anzahl bedeutungsvoller Originalarbeiten. [106] Sie rührten in erster Linie von den Professoren der Akademien her. Viele solcher während des behandelten Zeitraumes ausgestellter Kunstwerke schmücken noch heute die Sammlungen oder öffentliche Orte. Freilich ist es nicht immer leicht, die Identität festzustellen, da die dargestellten Objekte in den gedruckten Katalogen oft sehr unbestimmt („Landschaft“, „Porträt“) angegeben sind. Viele dieser Arbeiten mögen auch im Privatbesitze vergessen und verborgen sein. Doch es ist immerhin noch eine stattliche Zahl solcher Werke, deren Vorhandensein auf den Kunstausstellungen jener Jahrzehnte sich nachweisen läßt. Es hieße den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, sollten sie alle hier namhaft gemacht werden. Es empfiehlt sich daher die Beschränkung auf das bei weitem dominierende Gebiet der Malerei.
Hier überwiegen deutlich die Landschafts- und die Bildnisdarstellung.
Die Landschaftsmalerei erreichte damals ihre erste schöne Blüte. Hofrat Böttiger machte 1809 die richtige Bemerkung: „Die Landschaftsmalerei kann als ein ganz eigentümliches Erbteil der Dresdner Kunstschule angesehen werden. Die Natur selbst komponiert hier überall im reichsten Stile.“ In der Tat boten das damalige Dresden und seine Umgebung, insbesondere auch die erst erschlossene Sächsische Schweiz dem Maler, der offenen Auges einherschritt, eine schier unerschöpfliche Fülle lieblicher oder großartiger Motive. Es kann daher nicht wundernehmen, daß ein Meister wie Zingg in der Darstellung gerade dieser Gegenden sein Glück machte. Des Meisters Vorbilde folgten seine begabten Schüler. Das Dresdner Kupferstichkabinet bewahrt einen Schatz solcher feiner Sepiazeichnungen, die man wohl in ihrer zarten malerischen Wirkung kleine Gemälde nennen kann. In Ölgemälden wurden sächsische Gegenden durch Klengel und Traugott Faber dargestellt, die beide noch in der Dresdner Gemäldegalerie vertreten sind. Von Faber sieht man außerdem Aquarellen und Ölbildchen aus dieser Zeit ziemlich zahlreich im Dresdner Stadtmuseum: so das Pirnaische Tor (von 1820), verschiedene Ansichten der Eingänge zum Großen Garten (von 1814 und 1818), Blick auf Dresden vom Dorfe Leubnitz aus (Ölbild, 1818 ausgestellt) u. a. Das Körnermuseum bewahrt seine in Öl gemalte Ansicht des „Don Carlos-Pavillons“ in Loschwitz, die er 1823 fertigte und ausstellte, und die im Schillerjahre 1905 durch Reproduktionen weithin verbreitet worden ist. Fabers Lehrer Klengel war 1790 bis 1792 in Italien gewesen und hatte einen reichen Schatz von Entwürfen mitgebracht, die er z. T. noch in dem behandelten Zeitraume in Ölgemälden ausführte. Die „italienische Herbstlandschaft“ in der Gemäldegalerie der K. K. Akademie der bildenden Künste zu Wien (von 1803) und das bekannte Bild in der Dresdner Galerie mit Apoll als Hirten gehören dieser Zeit an; das letztere befand sich 1802 auf der Dresdner Ausstellung. Neben diese ältere Klengelsche und Zinggsche Schule trat nun zu Anfang der Periode ein ganz selbständiger Künstler: der geniale Greifswalder Caspar David Friedrich, der schon seit seinem vierundzwanzigsten Lebensjahre (1798) das an landschaftlichen Motiven so reiche Dresden zum bleibenden Wohnorte erwählt hatte. Anfangs nur wenig beachtet, errang er sich im Verlauf jener Jahrzehnte ein Ansehen, wie es wenigen Künstlern sonst beschieden war. Was oben ausgesprochen ist, daß manche der ausgestellten Kunstwerke Orten der Wallfahrt glichen, gilt vornehmlich von seinen Landschaften. Friedrich war einer der oben charakterisierten Wechselkünstler. Zwei-, ja dreimal während einer Ausstellung zeigte der Unermüdliche neue Schöpfungen seines Pinsels. Seine – vielleicht nicht ganz ungesuchte – Originalität erregte in den weitesten Kreisen berechtigtes Aufsehen, obgleich es ihm auch an Feinden nicht fehlte. Einen Teil seiner zahlreichen Werke konnte man kürzlich auf der Berliner Jahrhundert-Ausstellung bequem studieren, wo man den Künstler mit großem Lärm „wiederentdeckt“ hat. Sie zeigen in ihrer tiefen Symbolik und ihrer virtuosen Ausführung einen bedeutenden Künstler, sodaß die Bewunderung verständlich wird, welche die größten seiner Zeitgenossen ihm entgegenbrachten. Friedrich gab der Landschaftsmalerei einen neuen Inhalt, indem er dem Landschaftsbilde einen Gedanken oder eine überzeugende Stimmung zu Grunde legte. Großes Aufsehen erregte hierdurch besonders ein Gemälde, das seine ganze Richtung kennzeichnet und enthusiastisch aufgenommen ward. Wenige Tage vor dem Schluß der Ausstellung von 1811 gab der Künstler, den die Berliner Akademie eben zu ihrem Mitgliede ernannt hatte, noch eine große Landschaft in Öl ein, zu welcher – nach dem Berichte eines Zeitgenossen[13] – „bald das ganze Dresdner Publikum zu wallfahrten anfing“. Es war das jetzt „Das Kreuz im Gebirge“ benannte Bild, im Besitz des Grafen von Thun und Hohenstein auf Schloß Tetschen. Der eben zitierte Gewährsmann schreibt: „Der geist- und gemütvolle Künstler genoß die Genugtuung, die Wirkung, die er durch diese, jeden Beschauer innigst ergreifende Darstellung bezweckte, in vollem Maße hervorgebracht zu sehen. Es ist ein Blick auf eine der höchsten Felsenkuppen des Riesengebirges, in dem Augenblicke, wo die hervorbrechende Morgensonne, die aber noch nicht zu sehen ist, die zwischen den Felsenschluchten und Tälern sich senkenden Nebelströme abwärts drückt. Nur die Kämme der Felsenkette, die sich in malerischer Unordnung ineinanderschlingen und im Hintergrunde [107] im aufgeklärten Morgendüster verschmelzen, sind deutlich zu bemerken und dem über sie hingleitenden Auge als ein mächtiges Steingerippe sichtbar. Im Vorgrunde türmt sich eine einzige Masse, ein vielgezackter Pfeiler von Kalkfelsen empor, auf dessen Spitze ein Kruzifix, von keiner Nebelhülle verdeckt, herrschend, fast klar ausgesprochen, dasteht. Die symbolische Andeutung – so fährt der Referent fort – ist auch dem stumpfsinnigsten Beschauer leicht zu erfassen. Aber der denkende Künstler weiß sehr gut, daß diese Kunstsymbolik nur dann einen bleibenden Wert hat, wenn auch ohne sie das Gemälde alle Kunstforderungen erfüllt. Die fleißigste Ausführung und die verständigste Behandlung und Aufsparung aller Mitteltöne in den Schatten- und Lichtmassen geben diesem gelungenen Bilde auch einen hohen artistischen Wert.“ Soweit der Berichterstatter. Er bestätigt nur das Urteil, das auch andere Zeitgenossen, wie der geistvolle Philipp Otto Runge in seinen Briefen, Wilhelm von Kügelgen in seinen vielgelesenen „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“, Ludwig Tieck in seiner Novelle „Eine Sommerreise“, Goethe u. a. über diesen bedeutenden Dresdner Akademielehrer abgegeben haben, den man nie hätte vergessen sollen. Seit 1818 trat der Norweger Johann Christian Clausen Dahl dem einsamen Denker Friedrich als gleichgestimmter Freund zur Seite. Während Friedrichs Bilder zum größten Teile deutsche Gegenden darstellten, entnahm Dahl die Vorlagen zu seinen Schöpfungen mit Vorliebe seiner nordischen Heimat. Sein Gebiet sind großartige Naturszenen, bei denen Sturm und brausende Wasserfälle eine große Rolle spielen. Darstellungen dieser Art, die man auf den Ausstellungen der Jahre 1819 bis 1830 sah, sind noch ziemlich zahlreich erhalten: so das Rezeptionsbild für die Dresdner Akademie von 1819 in der Dresdner Galerie, Bilder von 1822 in der Schweriner Sammlung, von 1823 in der Berliner Nationalgalerie und der Münchner Neuen Pinakothek. Dahl war einer der fleißigsten Künstler jener Zeit. In den genannten zwölf Jahren brachte der Schnellarbeitende nicht weniger als 68 Ölgemälde zur Ausstellung. – An Produktivität suchte es seinen Freunden Friedrich und Dahl gleich zu tun der königliche Leibarzt Carl Gustav Carus, der dabei theoretische Anschauungen geschickt in die Praxis umzusetzen verstand. Freilich ist es ein weiter Schritt von den schwärmerisch angehauchten Nebelbildern Friedrichs und den stürmisch bewegten Naturszenen Dahls zu den Versuchen Carus’; sie sind eben nur Nachempfindungen eines Mannes, bei dem der Geist das Gefühl zügelt. Oftmals spielt auch ein Ton von Romantik mit hinein: Kirchhöfe, Pilger, Ruinen, Mondenschein – das sind die vielgebrauchten Requisiten für seine Landschaftsbilder. Bezeichnend für Carus’ damalige Wertschätzung ist, daß selbst C. D. Friedrich es nicht verschmähte, eine Zeichnung dieses Halbkünstlers, „Eine Gebirgsgegend“, in Öl zu kopieren (1824 ausgestellt). Seit 1816 war Carus fast alljährlich mit mehreren neuen Werken vertreten: Phantasien nach Dante (1816, 1825, 1830) und Goethe wechseln in bunter Folge mit Tierstücken, Historien (1817) und Landschaften aus Sachsen, der französischen Schweiz, Italien, ja sogar aus dem nördlichen Eismeer. Man sieht, an Vielseitigkeit und Fleiß ließ es der gelehrte Maler nicht fehlen.
Während so die Landschaftsdarstellung auf den Ausstellungen des behandelten Zeitraumes bedeutende Vertreter fand, sah es um die Bildnismalerei weniger ideal aus. Die eingelieferten Arbeiten waren fast alle bestellte Ware, die der Eitelkeit ihrer Besteller dienen sollte, und der nur Männer wie Graff, Grassi und Kügelgen tieferes Leben einzuhauchen verstanden. Es ist im Hinblick auf die Bildnisse der vielen unbekannten Leute ein wahres Wort, das damals ausgesprochen ward: man mache die Ausstellung zu einer Familiensammlung. Auch hier fehlte es indessen nicht an vorzüglichen Leistungen. Die Bildnisse von der Hand Anton Graffs, den man oft kurz den „ehrwürdigen Veteranen“ nannte, standen jedesmal im Mittelpunkte des Interesses. So bewunderte man 1808 das Porträt des Leipziger Kupferstechers Bause (jetzt in Göttingen im Besitz des Prof. Ehlers), 1810 das des reformierten Predigers J. J. Mesmer (Dresdener Galerie) u. a. Neben Graff waren Grassi, Kügelgen, Matthäi, Retzsch fast immer mit vortrefflichen Leistungen vertreten. Von Kügelgen z. B. sah man 1810 die berühmten Porträte Goethes, Schillers, Herders und Wielands, 1820 mit Betrübnis seine letzte Arbeit, den „Verlorenen Sohn“, jetzt in der Dresdener Galerie. – Christian Leberecht Vogel erfreute durch liebliche Kinderbilder. – Sein Sohn Carl zeigte 1818 das große, schöne Porträt des Papstes Pius VII. im Kostüm der Audienzerteilung an ein gekröntes Haupt. Das Bild, ganze Figur in Lebensgröße, 1817 in Rom nach der Natur gemalt, bildet jetzt eine Zierde der Dresdener Galerie, der es von dem Eigentümer, dem Könige von Sachsen, zur Aufbewahrung überlassen worden ist.
Betrübend sah es mit der Historienmalerei aus. Die Zeitverhältnisse waren nicht dazu angetan, künstlerisch verherrlicht zu werden. So griff man zurück in Geschichte und Sage und zu biblischen Vorgängen. Typische Beispiele dafür bietet der damals einflußreichste Historienmaler, Friedrich Matthäi. 1807 sandte er von Rom aus jenes große historische Gemälde zur Ausstellung ein, das ihm die Ehrenprofessur an der Florentiner Akademie eintrug: Die „Ermordung des Ägisthus durch Orestes“ nach Sophokles. Dieses [108] Bild bewahrt jetzt die Dresdener Galerie, für die es 1858 von den Erben des Künstlers erkauft worden ist. 1816 zeigte Matthäi eine biblische Komposition, die heute den Altar der Johanniskirche zu Plauen i. V. schmückt: Die Einsetzung des heiligen Abendmahls (nach Ev. Matth. 26, 21–25). Nur aus den zeitlichen Verhältnissen läßt es sich erklären, daß dieses nach heutigem Urteil nicht gerade hochbedeutende Bild auf der Ausstellung mit Begeisterung begrüßt und sogar poetisch verherrlicht wurde. Der Dresdner Advokat Christian Christoph Hohlfeldt widmete ihm in den „Vaterländischen Beiträgen“ ein beschreibendes Sonett; noch weiter aber ging der unter dem Pseudonym Theodor Hell bekannt gewordene dichtende Hofrat Winkler. Er läßt beim Anblick des genannten Gemäldes Lionardo da Vinci selbst seinen Zögling Matthäi zu weiterem Streben aufmuntern:
„Und so reich’ ich dir, ein alter Meister,
Brüderlich die Hand ob deines Strebens;
Denn, obschon Genoss’ des höhern Lebens,
Fühl’ ich’s doch: auf Erden nicht vergebens
Schuf ich Freude für die reinen Geister.
Darum geh auch du den Pfad nur dreister;
Was mit frommem Sinn in Kunst wir spenden,
Wird von oben Gottes Hauch vollenden.“
Solcher Überschwang der Gefühle entsprach ganz dem Geiste der Zeit, die so arm war an großen historischen Kompositionen, daß jede bedeutendere neue Erscheinung auf diesem Gebiete mit Freuden begrüßt wurde. Einen gewissen Aufschwung brachte nur das Jahr 1814. Die blutige Schlacht bei Leipzig hatte Napoleons Macht gebrochen. Am 31. März 1814 zogen die Verbündeten in Frankreichs Hauptstadt ein, mit ihnen das sächsische Banner, das am 24. Juli (wenn auch zunächst nur vorübergehend) in Dresden wieder eintraf. Sachsens Hauptstadt stand damals (November 1813 bis Juni 1815) unter russischem Gouvernement. Gewaltig war der Eindruck, den die Nachricht von der Einnahme von Paris und das Schicksal der wackeren sächsischen Kämpfer in Dresden hervorrief. Er gestaltete auch die schnell improvisierte Ausstellung des Jahres zu einer patriotischen. In Berlin hatte Professor Gubitz die Anregung dazu gegeben, eine außerordentliche Kunstausstellung mit Beiträgen von Kunstliebhabern – also aus Privatsammlungen – zu veranstalten, deren Ertrag „zum Besten der Vaterlandsverteidiger“ verwendet werden sollte. Der Erfolg war ein günstiger. Auch in Dresden gingen zu gleichem Zwecke viele Beiträge ein; die Ausstellung zählte etwa 370 Nummern. Am Tage der Thronbesteigung des russischen Kaisers Alexander I., am 24. März, ward die Ausstellung eröffnet. Sie zeigte meist schon von früheren Ausstellungen her bekannte Bilder, z. B. solche von Klengel und Matthäi („Tod des Ägisthus“). Doch einige Künstler hatten Darstellungen geliefert, die in symbolischer Weise sich auf die Zeitereignisse, insbesondere auf das Strafgericht über den stolzen Korsen, bezogen. Die Professoren F. Hartmann und Kügelgen lieferten solche patriotische Allegorien: Hartmann die großartig gedachte und konzipierte Skizze „Und siehe, ein fahl Pferd –“ (nach der Offenbarung Johannis 6,8), die er wie prophetisch schon im Mai 1813 entworfen und nur durch List vor den Augen französischer Späher verborgen hatte. Ein Altenburger Bildhauer Sprenger stellte einen etwas überladenen Siegesobelisken zum Andenken an die Völkerschlacht bei Leipzig aus, und selbst C. D. Friedrich weihte seinen Pinsel dem Tagesereignisse, indem er den „Zugang zu einer Grotte in romantischen Felsenklüften“ darstellte, vor welcher „dem befreienden Genius und den Kämpfern fürs Vaterland ein Denkstein errichtet“ war. Das weitere Schicksal aller der hier genannten Werke ist leider unbekannt.
Eine Art Verbindung der Stillebenmalerei mit der Historie bezeichnet ein Bild, das Demoiselle C. F. Friedrich 1802 zur Ausstellung lieferte. Es war eine Allegorie auf den Weltfrieden. Der Katalog beschreibt es folgendermaßen: „Zwei weiße Täubchen nisten in einem umgestürzten Helme, welcher mit vielen Blumen verschiedener Art umwunden ist, die Beziehung auf Erquickung des Lebens haben. Neben diesen ist ein Rauchfaß mit aufsteigendem Duft, als Bild der Dankbarkeit und der Anbetung. Im Vordergrunde liegt mit seinen Früchten ein großer Olivenzweig mit Kornähren umschlungen, mit einem himmelblauen Bande geknüpft, als das Bild der Beständigkeit, mit der in Gold gestickten Aufschrift: Pax universalis.“ Das sinnige, farbenschöne Bild ist noch heute im Besitze eines Verwandten der Künstlerin, des Kupferstechers Professor L. Friedrich in Dresden.
Zeichnete sich die Ausstellung von 1814 durch ihr patriotisch-begeistertes Gepräge aus, so wurde die von 1822 in anderer Weise bedeutungsvoll. Durch sie wurden zum erstenmale die Arbeiten der in Rom studierenden jungen deutschen Maler bekannt. Sie machten einen tiefen Eindruck auf die Dresdener Akademieschüler. So namentlich auf Ludwig Richter. Und in den folgenden Jahren sehen wir auch Dresdener in der heiligen Stadt: Maler, wie Ludwig Richter, Stölzel jun., Ad. Zimmermann, Lindau, B. Törmer, Ernst Öhme; Bildhauer, wie Ferdinand Pettrich und August Wolff, legten in eingesandten Kunstwerken ihrer Bildungsstätte Zeugnis von ihrem Streben und Können ab, und manches hochbedeutsame Werk dieser Künstler bekam man damals auf den Ausstellungen zu sehen. Es regte sich dadurch ein neuer, frischer Trieb in manchem abgelebten Kunstzweige.
[109] Dies kam namentlich der Bildhauerei zugute, die damals wie ein Aschenbrödel ziemlich abseits stand. Ihr einziger Lehrer an der Akademie, der Hofbildhauer Franz Pettrich, begnügte sich in den meisten Fällen mit der schematischen Wiederholung abgebrauchter Motive, die er für bestellte Grabdenkmäler verwendete. Nur bisweilen glückte ihm ein edlerer Entwurf. Als solcher ist die lebensgroße liegende Figur der „schlafenden Unschuld“ zu nennen, die er für das Grab seiner 1803 verstorbenen ersten Gattin (auf dem alten katholischen Friedhofe in Dresden) ausführte, und deren Modell in Gips er 1805 auf der Ausstellung zeigte. Hier hat wirklich das Herz mitgesprochen. – Selten trat der Fall ein, daß Werke der Plastik öffentlich einer besonderen Erwähnung gewürdigt wurden. Einmal war es im Jahre 1803, als die Bildhauer Ulrich und Inspektor J. G. Matthäi zwei Kolossal-Büsten des sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. ausstellten, die zum Vergleiche herausforderten. Man gab damals der Arbeit Ulrichs den Vorzug wegen der Porträtähnlichkeit.
Die Architektur, die jedesmal verhältnismäßig stark vertreten war, zehrte von großen Vorbildern – hier besonders sind die Kopien häufig – oder richtete ihr Augenmerk auf Nützlichkeitsbauten. Daher fanden ihre Ausstellungen künstlerisch wenig Beachtung. Hölzer lieferte selten Arbeiten ein. So sah man meist uninteressante Schülerarbeiten. Im zweiten Jahrzehnt vertrat nur ein Ausländer den wirklich künstlerischen Standpunkt: der russische Hofbaumeister Ritter von Brenna. Er sandte architektonische Darstellungen aus Italien, 1814 u. a. auch sehr genaue Risse des Palais St. Michel zu Petersburg und eine Skizze des Plafonds im großen Saale daselbst. Durch ähnliche Arbeiten erregte später Joseph Thürmer Interesse, besonders durch die farbenprächtigen Aquarellen, die er 1814 bei seiner Reise mit F. Heger und H. Hübsch von Rom nach Griechenland ausgeführt hatte. Man sah von ihm z. B. den Hof des Venetianischen Palastes in Rom, die Tempel des Jupiter Stator in Rom, des Theseus in Athen, des Neptun in Pästum, ferner eine Ansicht des Parthenon auf der Akropolis zu Athen, daneben Grundrisse zu Landhäusern und zu bürgerlichen Wohnhäusern.
Die Frage: Wie nahm man innerhalb und außerhalb Dresdens die Kunstausstellungen auf? läßt sich natürlich nur nach den vorliegenden Berichten beantworten.
Aber mit diesen Berichten ist es durchaus nicht glänzend bestellt. Für viele der in Frage kommenden Jahre fehlen sachkundige Besprechungen gänzlich; nur die Zeit bis 1811 ist in dieser Beziehung gut versorgt. An den Stellen, an denen man sie zunächst sucht, findet man sie nur in dürftigem Umfange: nämlich in den Dresdner Zeitungen, insbesondere den „Gemeinnützigen Beiträgen“ zum Dresdner Anzeiger, die als ein Blatt der „Belehrung und Unterhaltung“ dienen wollten. Sie wissen über Mexiko und die Drehkrankheit der Schafe, über Reitschulen und Panoptiken, über den Stockfischfang in Neufundland und das Baden in offener Elbe recht angenehm zu plaudern – was aber den Dresdnern am nächsten liegen mußte: ihre kulturellen Interessen, sucht man meist vergeblich. So kommt auch die Kunstausstellung nur in den Jahren 1803, 1807, 1814 zu Worte; 1811 wird sie mit einigen Gedichtchen abgetan, sonst überhaupt nicht erwähnt. Dafür treten andere Quellen ein, vor allem die „Zeitung für die elegante Welt“, für die z. T. der Hofrat Böttiger die Berichte schrieb. Für die Jahre 1805 bis 1808 bringt Meusels „Archiv für Künstler und Kunstfreunde“ ausführliche und sachliche Besprechungen. Aus dem zweiten Jahrzehnt sind Referate über die Dresdener Ausstellungen nur sehr spärlich erhalten, z. B. im „Journal der Moden“. Für das dritte Jahrzehnt kommt vornehmlich das 1820 von Ludwig Schorn in Stuttgart begründete „Kunstblatt“ in Betracht, das Berichte über die Ausstellungen von 1820, 1822, 1824 und 1827 enthält, darunter solche von dem bekannten Kunstforscher J. G. von Quandt.
Parallel mit diesen allgemeinen Referaten gehen Urteile über einzelne ausgestellte Werke. So wurde 1808 Professor Seydelmanns Kopie der Raphaelschen Madonna, 1812 Tischbeins Allegorie „Die getäuschte Hoffnung“ unter die kritische Lupe genommen. In den Jahren 1811 und 1816 bestieg man zur Verherrlichung wohlgefälliger Kunstwerke sogar den Pegasus. Der Dresdner „Personensteuer-Rechnungs-Expeditions- Examinator“ Ehrenfried Gottlob Ebert, der Privatgelehrte Johannes Aloys Martyni-Laguna, sowie der obengenannte Advokat Hohlfeldt sprachen sich in poetischer Form, aber meist recht unpoetisch über Kunstwerke aus, die ihnen gefallen hatten. Ja, der auch schon erwähnte Theodor Hell, der 1816 das Amt eines Sekretärs bei der Königlichen Akademie der bildenden Künste übernommen hatte, glaubte sich in demselben Jahre – wahrscheinlich durch seine neue Stellung – verpflichtet, ein ganzes Heftchen solcher gereimter Anerkennungsschreiben zu verfertigen, das er unter dem Titel „Erinnerungstäfelchen an die Ausstellung der Kunstwerke in den Sälen der Königl. Sächs. Akademie der Künste zu Dresden, 1816“ in der Arnoldischen Buchhandlung verlegen ließ. Es enthielt Gedichte über ausgestellte Werke von Klengel, Rösler, Retzsch, Pochmann, Carl Vogel, C. D. Friedrich, Fr. Matthäi, Hartmann und Kügelgen.
[110] Wie immer und überall, so waren auch damals die Meinungen über den Wert der Ausstellungen geteilt. Die von 1801 wird eine der interessantesten genannt. 1802 tadelte man „diese und jene elende Schmiererey“ in dem verwahrlosten Nebenzimmer, 1807 erschien der Überblick „wegen der Menge der aufeinandergehäuften und ohne innere Notwendigkeit zusammengestellten Gegenstände etwas schwer.“ 1804 heißt es: „Obgleich der Stücke weit über 300 sind, so sind doch nur wenige einiger Auszeichnung wert.“ Dagegen wird 1805 bezeugt, daß die Dresdner Ausstellung „nach der Wiener unstreitig die vorzüglichste in Deutschland sei“, ja, 1806 wird sie mit der Pariser verglichen, der sie nur wenig nachstehe, und es wird hervorgehoben, welche Vorzüge sie vor mehreren anderen Anstalten dieser Art im Auslande habe. Und wie in diesem ersten Jahrzehnt, so gehen auch später die Urteile auseinander. Bedeutsam ist, daß man schon 1820 von der „berühmten Kunstausstellung in Dresden“ spricht, die „in jeder Hinsicht reich“ sei.
Im Hinblick auf die große Mannigfaltigkeit der Anschauungen kann es kaum wundernehmen, daß es bisweilen zu einem kleinen Kritikerkriege kam. Ein solcher hatte schon früher einmal stattgefunden (1784); in Hasches „Magazin der Sächsischen Geschichte“ waren damals die Meinungen aufeinandergeplatzt, und manches Persönliche war dabei mit untergelaufen. In dem behandelten Zeitraume wiederholte sich dieses Schauspiel zweimal. 1807 waren zwei Darstellungen der „Drei Marien beim Grabe Christi“, von Hartmann und Rösler, das Kampfobjekt; 1809 eine als Altarbild gedachte Landschaft C. D. Friedrichs, die viel Ähnlichkeit mit dem oben beschriebenen Gemälde „Das Kreuz im Gebirge“ hatte. Kügelgen und Hartmann nahmen damals ihren Kollegen Friedrich gegen einen auf breiter wissenschaftlicher Basis aufgebauten Angriff des Kammerherrn von Ramdohr in Schutz.[14] Diese an sich unerfreulichen Streitigkeiten haben doch das Erfreuliche an sich, daß sie das lebhafte Interesse der Zeitgenossen an künstlerischen Fragen bezeugen.
Gewaltig waren die Veränderungen, denen die Kunstausstellungen in den nächsten Jahrzehnten unterworfen wurden.
Das zeigt sich schon äußerlich. Ihr Anfang wurde immer früher zurückgelegt – Ende der fünfziger Jahre schon auf die ersten Tage des Juli –, ihre Dauer ward auf mehrere Monate verlängert. Günstigere Räume standen ihnen zur Verfügung, und man band sich nicht mehr an das veraltete Schema der Platzverteilung. Dafür wurden die Kataloge übersichtlicher: sie erhielten ein Register der Aussteller oder ordneten die ausgestellten Arbeiten überhaupt nach den Namen der Künstler an; Nachträge unter bestimmtem Datum verzeichneten die bis dahin nachgelieferten Beiträge. Mit der Zeit wendete auch die Presse ihre Aufmerksamkeit mehr den Veranstaltungen zu; sie machte nicht nur mit ihnen bekannt, sondern gab auch dem Laienpublikum Direktiven zum Verständnis der aufgestellten Kunstwerke.
In diesen ist während des vierten und fünften Dezenniums ein bedeutungsvoller Umschwung der Verhältnisse zu bemerken. Die Zahl der Kopien wird immer kleiner, an ihre Stelle treten mehr und mehr schöne, reife Originalarbeiten. Ein neuer Geist gibt sich in diesen kund: von der Romantik – die in der Düsseldorfer Schule (Jul. Hübner, Bendemann u. a.) noch einen starken Rückhalt fand – ging es durch die Neurenaissance und das Neurokoko allmählich hinüber zum Realismus, der fast die ganze zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts beherrschte. Eine neue Generation heimischer Künstler wuchs heran, und doch – sie wurzelte in dem alten Boden; sie baute aus, was die Väter vorbereitet hatten, sie korrigierte, was der Korrektur bedurfte.
So wirkte auch das Streben, von dem die Ausstellungen der Jahre 1801 bis 1830 Zeugnis ablegten, fortdauernd nach und befruchtete die Dresdner Kunst, und für den aufmerksamen Beobachter spinnen sich noch heute leise Fäden in jene längst entschwundene Zeit hinüber. Wenn man heute sich die Mühe nehmen wollte, die Ausstellungen der hier behandelten Periode genauer zu studieren, so würde man noch manchen Namen von gutem Klang, noch manches Kunstwerk von großer Bedeutung „entdecken“, das genauere Kenntnis wohl verdiente. Die Jahrhundert-Ausstellung hat dazu wenigstens einen äußeren Anstoß gegeben: mancher ist vielleicht durch sie auf Umwegen belehrt worden, wie Treffliches unsere Dresdener Künstler schon in jenen Jahrzehnten geleistet haben, und wie tiefe Anregungen sie auch den auswärtigen Künstlern gegeben haben. Möge diese Erkenntnis dazu beitragen, daß man eine oft zu Unrecht gescholtene Zeit wieder richtig einschätzen lerne!
- ↑ Vgl. M. Wießner, „Die Akademie der bildenden Künste zu Dresden von ihrer Gründung 1764 bis zum Tode v. Hagedorns 1780“ (Dresd. 1864) S. 36–40, 80f. Einige ungenaue Angaben Wießners sind im Nachstehenden berichtigt.
- ↑ Vgl. J. Chr. Hasche, „Diplomatische Geschichte Dresdens. 4. Teil“ (Dresd. 1819) S. 318. 1816 bis 1828 wurden die Ausstellungen am „Augustustage“ (3. August), dem Namenstage des Königs, 1829 aber am 2. und 1830 schon am 1. August eröffnet. Die Verlegung auf den August, die schon 1808 in J. G. Meusels „Archiv für Künstler und Kunstfreunde“ (II., 4 S. 135 f.) vorgeschlagen worden war, fand in Rücksicht auf die günstigere Jahreszeit und den größeren Fremdenverkehr statt.
- ↑ Vgl. M. B. Lindau, „Geschichte der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden –.“ (2. verb. Aufl. Dresd. 1885) S. 711. Die Ausstellungszimmer befanden sich im zweiten Stockwerk, s. J. Chr. Hasche, „Magazin der sächs. Geschichte“ VIII. (1791) S. 185. Über das Gebäude s. Corn. Gurlitt, „Die Kunstdenkmäler Dresdens“ (Dresd. 1903) S. 522 f. und Tafel XXVII. Ebenda S. 520 f. über den Canaletto-Saal.
- ↑ Vgl. M. B. Lindau a. a. O. S. 832 f. Die Schule erhielt 1828 den „Gartensaal“ auf der Brühlischen Terrasse, der später Rietschel als Atelier diente und dann abgebrochen wurde, s. Gurlitt a. a. O. S. 522.
- ↑ Vgl. außer Ludw. Richters „Lebenserinnerungen eines deutschen Malers“ (8. Aufl. 2 Bde. Frankf. a. M. 1895) noch: V. P. Mohn, „Ludwig Richter“ (Bielef. u. Leipz. 1897) S. 33 f. u. Abb. 9; (Theod. Schreiber), „Verzeichnis der Kunstwerke im Städtischen Museum der bildenden Künste zu Leipzig“ (19. Aufl. Leipz. 1897) S. 190 No. 200, daselbst auch Literatur; K. Woermann, „Katalog der Ludwig Richter-Ausstellung Dresden 1903“ S. 13, 31 und Abb. 3. Das nach Mohn (a. a. O. S. 24 f.) 1824 ausgestellte Bild von Watzmann vermag ich im Katalog des gen. J. nicht nachzuweisen; wahrscheinlich wurde es nachträglich eingeliefert. Überhaupt fehlt 1823 bis 1825 Richters Name in den gedruckten Verzeichnissen gänzlich.
- ↑ Vgl. Ernst Rietschels „Jugenderinnerungen“ (herausgeg. von Ad. Stern, Leipz. 1904) S. 57, 92, 65 ff.
- ↑ Über Thaeters Leben vgl. „Julius Thaeter, Lebensbild eines deutschen Kupferstechers“ (Frankf. 1887); Rietschel a. a. O. S. 55.
- ↑ Die meisten der obengenannten Maler waren kürzlich auf der Deutschen Jahrhundert-Ausstellung in Berlin vertreten. Hier noch einiges zur Ergänzung: Über Runges Dresdner Aufenthalt vgl. „Hinterlassene Schriften von Philipp Otto Runge, Mahler. Herausgeg. von dessen ältestem Bruder“ (2 Teile, Hamb. 1840 f.), namentlich II., S. 71–267. J. L. Ascher besuchte 1821, gleichzeitig mit J. Oldach, die Kunstschule und studierte 1822 und 1823 bei den Professoren Hartmann und Matthäi. Wasmann war 1825 bis 1827, Stuhlmann 1830 (und 1831) in Dresden. Robert Schneider, ein geborener Dresdner, war 1825 bis 1831 Zögling der Akademie: 1825 und 1826 gehörte er der Kunstschule, 1830 (und 1831) der dritten, obersten Klasse an. Koopmannstudierte 1820 bis 1822 in Dresden; dann ging er nach Rom, beschickte aber von dort aus noch 1825 die Ausstellung; vgl. über ihn (Wilh. v. Kügelgen), „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ (Leipz., Wöpke, 2. Aufl. 1899) S. 407 ff. Über Oldach s. Rietschel a. a. O. S. 60 f. u. 71; ebenda S. 61 f. 63, 71 über K. J. Milde. J. Faber ist erwähnt bei Runge a. a. O. II. S. 99.
- ↑ Fiorino ist am 3. Mai 1797 zu Cassel geboren. Er studierte zunächst auf der Akademie seiner Vaterstadt unter Nahl, seit 1818 in Dresden. Hier verblieb er auch als Bildnismaler bis zu seinem Tode, 22. Juni 1847. Arbeiten von ihm befinden sich in öffentlichem und privatem Besitze zu Dresden, Cassel, Frankfurt a. M. und London. Die Angaben in Woermanns Katalog der Königl. Gemäldegalerie zu Dresden sind nach Obigem zu berichtigen und zu ergänzen.
- ↑ E. Resch (Rösch) ist am 31. Dezember 1807 in Meißen als der Sohn eines Leinewebers geboren. Er bildete sich nach Absolvierung der Meißner Zeichenschule seit 1824 auf der Kunstschule und der Akademie zu Dresden aus. Dann lebte er als selbständiger Maler in Dresden und später in Breslau, wo er Professor ward und 1864 starb. Das Schlesische Museum der bildenden Künste in Breslau besitzt mehrere Arbeiten von ihm. Die Angaben im Katalog der Berliner Jahrhundert-Ausstellung und bei Woermann (zu Nr. 2350) bedürfen nach Obigem der Berichtigung. Vgl. auch W. Loose in den „Mitteilungen des Ver. für Gesch. der Stadt Meißen“ 2. Bd. 2 Heft (1888) S 279.
- ↑ Über Ferd. v. Rayski erscheint in den nächsten Wochen eine Monographie vom Verf. d. Z.
- ↑ Oehme ist nicht Schüler von C. D. Friedrich gewesen (wie der Katalog der Jahrhundert-Ausstellung sagt), sondern er trat 1819 in die Kunstschule ein und bildete sich dann unter Dahl weiter aus. Die Matrikel der Dresdener Akademie gibt fälschlich als Vornamen Ernst Friedrich und als Geburtsjahr 1796 an. Über Oehme vgl. die „Selbstbiographie“ von G. Nieritz (Leipz. 1872) S. 174 f., 196, und Ludw. Richters „Lebenserinnerungen“ a. versch. O.
- ↑ Vgl. die „Zeitung für die elegante Welt“ 1811 Sp. 662 f.
- ↑ Vgl. über diesen Streit die „Zeitung für die elegante Welt“ von 1809 an vielen Stellen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Siehe auch: Gottlob Friedrich Thormeyer.
- ↑ Vorlage: odes
- ↑ Satzzeichen ergänzt.
- ↑ Siehe auch: Ferdinand von Rayski.