Wie immer und überall, so waren auch damals die Meinungen über den Wert der Ausstellungen geteilt. Die von 1801 wird eine der interessantesten genannt. 1802 tadelte man „diese und jene elende Schmiererey“ in dem verwahrlosten Nebenzimmer, 1807 erschien der Überblick „wegen der Menge der aufeinandergehäuften und ohne innere Notwendigkeit zusammengestellten Gegenstände etwas schwer.“ 1804 heißt es: „Obgleich der Stücke weit über 300 sind, so sind doch nur wenige einiger Auszeichnung wert.“ Dagegen wird 1805 bezeugt, daß die Dresdner Ausstellung „nach der Wiener unstreitig die vorzüglichste in Deutschland sei“, ja, 1806 wird sie mit der Pariser verglichen, der sie nur wenig nachstehe, und es wird hervorgehoben, welche Vorzüge sie vor mehreren anderen Anstalten dieser Art im Auslande habe. Und wie in diesem ersten Jahrzehnt, so gehen auch später die Urteile auseinander. Bedeutsam ist, daß man schon 1820 von der „berühmten Kunstausstellung in Dresden“ spricht, die „in jeder Hinsicht reich“ sei.
Im Hinblick auf die große Mannigfaltigkeit der Anschauungen kann es kaum wundernehmen, daß es bisweilen zu einem kleinen Kritikerkriege kam. Ein solcher hatte schon früher einmal stattgefunden (1784); in Hasches „Magazin der Sächsischen Geschichte“ waren damals die Meinungen aufeinandergeplatzt, und manches Persönliche war dabei mit untergelaufen. In dem behandelten Zeitraume wiederholte sich dieses Schauspiel zweimal. 1807 waren zwei Darstellungen der „Drei Marien beim Grabe Christi“, von Hartmann und Rösler, das Kampfobjekt; 1809 eine als Altarbild gedachte Landschaft C. D. Friedrichs, die viel Ähnlichkeit mit dem oben beschriebenen Gemälde „Das Kreuz im Gebirge“ hatte. Kügelgen und Hartmann nahmen damals ihren Kollegen Friedrich gegen einen auf breiter wissenschaftlicher Basis aufgebauten Angriff des Kammerherrn von Ramdohr in Schutz.[1] Diese an sich unerfreulichen Streitigkeiten haben doch das Erfreuliche an sich, daß sie das lebhafte Interesse der Zeitgenossen an künstlerischen Fragen bezeugen.
Gewaltig waren die Veränderungen, denen die Kunstausstellungen in den nächsten Jahrzehnten unterworfen wurden.
Das zeigt sich schon äußerlich. Ihr Anfang wurde immer früher zurückgelegt – Ende der fünfziger Jahre schon auf die ersten Tage des Juli –, ihre Dauer ward auf mehrere Monate verlängert. Günstigere Räume standen ihnen zur Verfügung, und man band sich nicht mehr an das veraltete Schema der Platzverteilung. Dafür wurden die Kataloge übersichtlicher: sie erhielten ein Register der Aussteller oder ordneten die ausgestellten Arbeiten überhaupt nach den Namen der Künstler an; Nachträge unter bestimmtem Datum verzeichneten die bis dahin nachgelieferten Beiträge. Mit der Zeit wendete auch die Presse ihre Aufmerksamkeit mehr den Veranstaltungen zu; sie machte nicht nur mit ihnen bekannt, sondern gab auch dem Laienpublikum Direktiven zum Verständnis der aufgestellten Kunstwerke.
In diesen ist während des vierten und fünften Dezenniums ein bedeutungsvoller Umschwung der Verhältnisse zu bemerken. Die Zahl der Kopien wird immer kleiner, an ihre Stelle treten mehr und mehr schöne, reife Originalarbeiten. Ein neuer Geist gibt sich in diesen kund: von der Romantik – die in der Düsseldorfer Schule (Jul. Hübner, Bendemann u. a.) noch einen starken Rückhalt fand – ging es durch die Neurenaissance und das Neurokoko allmählich hinüber zum Realismus, der fast die ganze zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts beherrschte. Eine neue Generation heimischer Künstler wuchs heran, und doch – sie wurzelte in dem alten Boden; sie baute aus, was die Väter vorbereitet hatten, sie korrigierte, was der Korrektur bedurfte.
So wirkte auch das Streben, von dem die Ausstellungen der Jahre 1801 bis 1830 Zeugnis ablegten, fortdauernd nach und befruchtete die Dresdner Kunst, und für den aufmerksamen Beobachter spinnen sich noch heute leise Fäden in jene längst entschwundene Zeit hinüber. Wenn man heute sich die Mühe nehmen wollte, die Ausstellungen der hier behandelten Periode genauer zu studieren, so würde man noch manchen Namen von gutem Klang, noch manches Kunstwerk von großer Bedeutung „entdecken“, das genauere Kenntnis wohl verdiente. Die Jahrhundert-Ausstellung hat dazu wenigstens einen äußeren Anstoß gegeben: mancher ist vielleicht durch sie auf Umwegen belehrt worden, wie Treffliches unsere Dresdener Künstler schon in jenen Jahrzehnten geleistet haben, und wie tiefe Anregungen sie auch den auswärtigen Künstlern gegeben haben. Möge diese Erkenntnis dazu beitragen, daß man eine oft zu Unrecht
gescholtene Zeit wieder richtig einschätzen lerne!
- ↑ Vgl. über diesen Streit die „Zeitung für die elegante Welt“ von 1809 an vielen Stellen.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/115&oldid=- (Version vom 21.1.2025)