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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/109

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Lehrers, der als Jugend- und Volksschriftsteller weitbekannte Gustav Nieritz. In seiner „Selbstbiographie“ erzählt er in schlichter, offener Weise, wie er endlich seiner Lust zum Malen folgen und um sechs Taler monatlich an zwei schulfreien Nachmittagen jeder Woche bei dem schon hochbejahrten Professor Klaß, einem damals sehr geachteten Landschaftsmaler, Unterricht nehmen durfte; wie er unter dieses Meisters Leitung in der Umgebung seiner Vaterstadt Dresden nach der Natur zeichnete und malte, Bilder, aus deren Verkauf ihm mancher Spargroschen für trübe Zeiten verblieb. Nieritz war während des behandelten Zeitraumes einer der treuesten Beschicker der Ausstellungen. In den Jahren 1811 bis 1827 zeigte er bisweilen Kopien nach Gemälden der Dresdner Galerie, meist aber Landschaften nach der Natur, die er im Riesengebirge, bei Freiberg, Nossen, in Böhmen, vor allem aber in der Umgegend seiner Heimatstadt gemalt hatte. Einige davon werden, ebenso wie sein reichhaltiges Skizzenbuch, noch heute von seinen Töchtern pietätvoll aufbewahrt.

Auf dem Friedrichstädter Lehrerseminar erhielt, trotz mangelhaften Zeichenunterrichts, Nieritz’ Freund, der bekannte Landschaftsmaler Ernst Ferdinand Oehme (1797–1855), die ersten künstlerischen Anregungen. Seine eigentliche Ausbildung begann er allerdings erst, nachdem er (1814) das Seminar verlassen hatte. Es glückte ihm, von dem genialen Norweger Dahl als Schüler aufgenommen zu werden, dann in Italien an Ludwig Richter einen gleichgestimmten Freund zu finden. Von seinem Entwicklungsgange legen die Ausstellungen der Jahre 1820 bis 1830 beredtes Zeugnis ab. Sie brachten Landschaften aus Sachsen, Italien und Tirol, aber auch vielversprechende Kompositionen eigener Erfindung im Sinne seines Meisters Dahl. Eines der letzten Bilder dieses Zeitraumes, das 1830 ausgestellt war, einen „Herbstabend im Großen Ostragehege bei Dresden“, besitzt die Galerie seiner Vaterstadt Dresden.[1]

Dieser umfangreiche Hauptteil der Betrachtung hat gezeigt, daß sich die große Reihe der Aussteller aus Einsendern der verschiedensten Kreise und Orte zusammensetzte. Ihre Zahl wuchs von Jahr zu Jahr, aber mehr in die Breite als in die Tiefe.

5. Die ausgestellten Kunstwerke.

Die Frage „Was wurde ausgestellt?“ führt mitten hinein in den Wandel der Kunstrichtungen und des Kunstgeschmacks, der zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts sich vollzog und auf den Dresdner Ausstellungen sich besonders deutlich ausprägte. In Dresden, namentlich an der Akademie, waren um das Jahr 1801 so ziemlich alle Richtungen vertreten, die man in der neueren Kunstgeschichte kennt. Hier hatte Winckelmann seine „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in Malerei und Bildhauerkunst“ niedergeschrieben und damit den ersten Anstoß gegeben zu der Kunstrichtung, die Rückkehr zum klassischen Altertum predigte und daher „Klassizismus“ genannt wurde. Raphael Mengs ward der erste bedeutende Künstler dieser Richtung, die in dem behandelten Zeitraume noch vornehmlich an Friedrich Matthäi und an Christian Leberecht Vogel ihre Herolde fand. Bildhauerei und Baukunst standen, wie oben ausgeführt wurde, noch ganz in ihrem Banne. – Die gedrückten politischen Verhältnisse Deutschlands lenkten indessen bald den Blick zurück auf eine Zeit, in der es nach phantastischer Anschauung im lieben deutschen Reiche weit herrlicher zu leben war als jetzt. Schmucke Ritter sah man im Geiste hoch zu Roß durch die Lande ziehen, im Winde flatterte das Banner, an dem die Farben der Geliebten prangten. Es geht eine tiefe Sehnsucht durch diese Zeit, die auch bedeutende Geister in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche trieb. Man nennt diese Bestrebungen in der Kunst die Romantik. Sie hatte in jenem Zeitraume besonders an Veit (und Julius) Schnorr ihre Vorkämpfer. Neben diesen beiden Hauptrichtungen stand nun die Rokoko- Tändelei eines Schenau, aber ebenso der ehrliche Realismus eines Graff, jede Richtung unbehindert durch die andere ihren eigenen Weg verfolgend.

So war es zu Anfang der Periode. Aber schon brach sich ein neuer Geist Bahn, von dem die zahlreichen Kopien auf den Dresdner Kunstausstellungen deutlich Zeugnis ablegen: die Neurenaissance brach an. Ein nur flüchtiger Blick in die gedruckten Verzeichnisse lehrt das ohne weiteres. Aus den hunderten von Namen solcher Künstler, die als Vorbilder für jene Zeit erscheinen, können hier natürlich nur die allerwichtigsten herausgehoben werden.

a) Die Kopien.

Den breitesten Raum unter den Kopien, die einen bedeutenden Bruchteil aller ausgestellten Kunstwerke überhaupt ausmachen, nehmen die nach italienischen Meistern des 15. bis 18. Jahrhunderts ein. Den Übergang von der Gotik zur Renaissance stellt in der Malerei Fra Angelico da Fiesole, in der Bildhauerei Niccolo Pisano dar. Die Frührenaissance des 15. Jahrhunderts ist durch Masaccio und Botticelli aus der Florentinischen,

durch Perugino aus der Umbrischen Schule hinreichend


  1. Oehme ist nicht Schüler von C. D. Friedrich gewesen (wie der Katalog der Jahrhundert-Ausstellung sagt), sondern er trat 1819 in die Kunstschule ein und bildete sich dann unter Dahl weiter aus. Die Matrikel der Dresdener Akademie gibt fälschlich als Vornamen Ernst Friedrich und als Geburtsjahr 1796 an. Über Oehme vgl. die „Selbstbiographie“ von G. Nieritz (Leipz. 1872) S. 174 f., 196, und Ludw. Richters „Lebenserinnerungen“ a. versch. O.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/109&oldid=- (Version vom 18.1.2025)