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Gottlob Friedrich Thormeyer

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Dresdner Familienleben im Anfange des 19. Jahrhunderts Gottlob Friedrich Thormeyer (1896) von Paul Ehmig
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Die Entstehung der Antonstadt
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Gottlob Friedrich Thormeyer.
Biographische Studie von Paul Ehmig[1].


Jahr aus, Jahr ein steigen Tausende die Treppe der Brühl’schen Terrasse zu Dresden empor und lassen bewundernd deren glückliche Lage wie imposante Verhältnisse auf sich einwirken. Tausende tragen das Lob der Terrasse hinaus in die Welt, den Erbauer der weitbekannten Freitreppe weiß fast Keiner zu nennen. Keiner kennt heute den Mann, der ihnen allen den alten Festungswall zugänglich machte, wenige wissen seinen Namen, einzelne nur haben vielleicht eine Ahnung, daß das Leben eines längst verstorbenen Künstlers der „Zopfzeit“, wie der Hofbaumeister Thormeyer einer gewesen ist, nicht ganz interesselos sein könne. Der Lokalgeschichte Dresdens wenigstens sollte der Name des Erbauers der Terrassentreppe nicht verloren gehen.

Daß ein Mann wie Thormeyer so gänzlich der Vergessenheit anheim fallen konnte, liegt nicht ausschließlich in der üblen Gepflogenheit unserer Zeit, vergangene Leistungen, soweit sie nicht ersten Ranges, für nichts zu achten, vielmehr trug auch der Charakter des Künstlers, die Zersplitterung und das Unstäte seines Schaffens einen guten Theil der Schuld. Wäre sein Arbeiten konzentrirt gewesen, hätte er sich nur Einem Zweige der bildenden Künste hingegeben, lebte er heute sicherlich noch in vieler Munde, und hätte er einer anderen Zeit angehört, würde seine Bedeutung gewiß eine große geworden sein. Der Architekt – und ein solcher war Thormeyer doch der Hauptsache nach – hängt wie kein anderer Künstler vom Auftraggeber ab. Die Baulust der Zeit, deren wirthschaftliche Verhältnisse und deren Sinn für das Monumentale vermögen einem Architekten allein die Gelegenheit zu geben, sein Talent zu bethätigen. Die Zeit unmittelbar vor Thormeyer war eine solche Glanzperiode gewesen, ja man hatte sich überbaut. Die Folge hiervon mußte eine natürliche Reaktion sein, eine todte Zeit für den Architekten. Und unser Künstler hatte das Unglück, während seines ganzen Wirkens fast keine bedeutenden Aufträge zu erhalten.

Freilich war aber diese der Architektur so ungünstige Periode im Ganzen eine höchst merkwürdige, mächtig bewegte und wechselvolle, die Zeit vom letzten Drittel vorigen Jahrhunderts bis etwa zur Mitte des jetzigen. Welche ereignißschweren Momente verzeichnet die Geschichte jener Tage, welche Fülle von Kontrasten in politischer und sozialer Beziehung. Noch wirkten die Folgen des siebenjährigen Krieges nach, als die mächtigen Wogen der französischen Revolution und die Stürme der Kriegsjahre, das wilde Jahrzehnt des ersten Napoleonischen Kaiserreichs über Deutschland und in ganz besonderer Weise über unseres Künstlers engeres Vaterland Sachsen hinbrausten.

In einer Zeit der allmählichen, nur kümmerlichen Wiedererhebung, wie die Jahrzehnte nach dem Hubertusburger Frieden, in einer speziell für Dresden nicht eben erquicklichen Periode, in einer Zeit des Darniederliegens vieler Verhältnisse wurde dem Kaufmann Gottlob Thormeyer von seiner Frau Christiane Regine geb. Starcke am 23. Oktober 1775 ein Söhnchen geboren, [234] das am 26. Oktober[2] in der Taufe die Namen Gottlob Friedrich erhielt.

Dresden, der Geburtsort unseres Künstlers, zählte in jener Zeit etwa 45 000 Einwohner, und die Feuerordnung von 1775, die Untersagung des Gebrauchs von Schindel- und Strohdächern, die Verordnung, daß jeder, der Nachts nicht mit Laterne versehen war, aufgegriffen und verhaftet werden sollte, und vieles andere lassen nicht gerade auf glänzende Zustände des damaligen Elbflorenz schließen. Zudem kamen 1784 und 1799 große Ueberschwemmungen, 1804 stellte sich wieder eine Theuerung ein, die langen Friedensjahre wurden 1778 durch den Durchzug der Armee des Prinzen Heinrich unterbrochen und der bayrische Erbfolgekrieg brachte mit seinen Beunruhigungen eine kaum erwünschte Abwechselung.

Trotz alledem muß man zugestehen, daß gerade in jenen Tagen, wo unser Künstler noch ein zartes Kind war, ein letztes Aufflackern des Kunst- und Bauwesens stattfand. So ward die Sophienkirche erneuert, 1775 vollendete Krubsacius das Landhaus, der Brühlsche Wallgarten wurde wieder hergestellt und das Bibliotheksgebäude der Sitz der Kunstakademie. Auch das Japanische Palais ward verschönert, die Waisenhauskirche gebaut, das Schauspielhaus erweitert und unter großem Aufwand die Kreuzkirche vollendet.

Unser Thormeyer, von dessen Schulbildung wir nichts wissen, muß gegen Ende jener regen Bauperiode die Kunstakademie besucht haben.

Die Dresdner Akademie, deren Gründung schon unter Christian und dessen Gemahlin Maria Antonia ins Auge gefaßt und durch den Administrator Prinz Xaver nach den Vorschlägen des Legationsrathes Christian Ludwig von Hagedorn 1764 vollzogen wurde, war ein Kind ihrer Zeit. Wenn Hermann Hettner in seiner Litteraturgeschichte den ästhetischen Standpunkt von Hagedorns in der Festbannung des Begriffs eines völlig beziehungs- und inhaltlosen Formenideals, in dem Nichtahnen dessen findet, daß das Kunstwerk ein Kind des Gemüthslebens, ein Ausdruck des Zeitbewußtseins sein müsse, wenn er weiter feststellt, daß Hagedorn die Aufgabe der Kunst in der technischen Vollendung, in den Arbeiten der Kabinetsmalerei für die wenigen Kenner und Liebhaber erblickt, so charakterisirt er nicht nur den Standpunkt Hagedorns, sondern den einer ganzen Zeit, der Zeit der Hutin, Silvestre, Mengs, später Zingg und vieler anderer! Sich über die hergebrachten Begriffe seiner Tage zu erheben vermochte Hagedorn nie, darum sein Hauptzweck, durch die Kunst recht viel Geld ins Land zu ziehen, darum die große Anzahl nicht lehrender „aggregirter“ Mitglieder der Akademie, die zum Glanze der Anstalt beitragen sollten.

Thormeyer, der unter dem Direktorat Casanovas, eines Schülers Silvestres und Dittrichs, die Akademie betrat, kam mit den Größen jener Zeit nicht in Berührung. Ob ihn die Werke des italienischen Meisters, seine Cleopatra, sein Theseus und ähnliche Bilder begeistert haben, wissen wir nicht, jedenfalls ist anzunehmen, daß er, wie alle seine Zeitgenossen, ehrfurchtsvoll zu dem Schöpfer des berühmten Porträts Clemens’ XIII. emporblickte. Darum hielt er sich zunächst an Vorbilder Casanovas; freilich genoß er nicht die unmittelbare Belehrung dieses Meisters. Seine Lehrer waren vielmehr die Professoren Mietzsch und Fechhelm. Beide blieben bis an ihr Ende Unterlehrer an der Akademie. Mietzsch, 1742 zu Dresden geboren, war bekannt durch die vollkommene Aehnlichkeit seiner Oel- und Pastellbilder. Auch machte er sich durch seine in schwarzer und rother Kreide ausgeführten Zeichnungen einen Namen. Fechhelms Ruf war über Dresden hinausgedrungen. Malte er doch im Auftrag Maria Theresias während des siebenjährigen Krieges eine Reihe Bildnisse von Generalen für die Wiener Militärschule. Er war ein Schüler Mengs’, Maniockys und Hutins und ein guter Porträt- und Historienmaler. Fechhelm mußte in seiner Behausung in der Pirnaischen Vorstadt unterrichten, weil, wie es heißt, die Entfernung für die in jenem Stadttheil wohnenden Schüler zur Akademie zu groß sei![3] Darum ist wohl auch der Unterricht Thormeyers bei Fechhelm auf einen Wohnungswechsel zurückzuführen.

Trotz der Fähigkeiten seiner Lehrer scheint unserem Thormeyer der Unterricht nicht behagt zu haben, ja seine Abneigung ging soweit, daß er sich entschloß, der Malerei Valet zu sagen und zu einem anderen Zweige der Kunst überzugehen, zur Architektur. Zu diesem Zwecke besuchte er nun die Abtheilung für Baukunst, die unter der Leitung des Oberlandbaumeisters Professor Krubsacius stand. Sein Lehrer ward der Hofbaumeister Höltzer, der über Arithmetik bis zum Anfang der Algebra, über praktische Geometrie und die Anfänge der Hydraulik las. Handzeichnen lehrte Friedrich, ebenso Perspektive und Unterricht in der Säulenordnung, in den einzelnen Teilen der Gebäude, sowie Erfindung von Rissen. Auch die Fähigkeit im Tuschen verdankt Thormeyer Friedrich.

Die Dresdner Architekturschule erfreute sich schon seit 1777 eines guten Rufes, so daß (nach Wießner) ein Baumeister Ritter in Bern sich um Verleihung der Ehrenmitgliedschaft bewarb. Die Schule scheint sehr nöthig gewesen zu sein, schrieb doch Hagedorn am 31. Januar 1764, daß es in der Lausitz Niemand gebe, [235] der nur eine Zeichnung zu machen verstehe; beim geringsten Bedürfniß lasse man Sachverständige aus Berlin kommen.

Nach Vollendung seiner Studien betrat Thormeyer die übliche Laufbahn des Architekten, doch ließ ihm sein Beruf Muße genug, kleinere Reisen zu unternehmen und dem Pinsel, Stift und Griffel manche Stunde zu widmen. Einige Aquarelle führte er nach Studien im Wörlitzer Parke aus, unter anderem den Venustempel, das Wasserpalais und den Tempel der Flora. Vom Jahre 1799 datirt ein Bild des Königbaums im Garten zu Dieskau und eine Reihe Weimaraner Parkbilder. Alle diese Aquarelle befinden sich im Königlichen Kupferstichkabinet zu Dresden. Eine Reihe hübscher Leipziger Ansichten, unter anderen das Peters- und Grimmaische Thor hat er wohl auf seiner Reise nach Wörlitz aufgenommen. Daß Thormeyer unter Umständen ein sehr graciöser Figurenzeichner war, beweist ein kleines landschaftliches Idyll vom Jahre 1799 in der Kupferstichsammlung König Friedrich Augusts II. Das erfindungsarme Titelblatt und die schöne Zeichnung des Meißner Domes von 1795 zu Schlenkers malerischen Skizzen sind sehr charakteristisch für Thormeyers Künstlerstellung. Doch davon später.

Das neue Jahrhundert mit seinen Truppendurchzügen und seinem Kriegsgetöse bot wenig Aussicht auf eine geeignete Beschäftigung unseres Baukünstlers. Zwar wurde er Hofbaukondukteur und 1812 Hofbaumeister, aber seine Fachthätigkeit mußte er im Entwerfen und Errichten von Ehrenbögen und Straßendekorationen verzetteln. In dieser dürftigen Zeit waren die einst verschmähten Pinsel und Stifte recht liebe Gesellschafter – sei es, daß er zerfallene Gemäuer aufzeichnete, sei es, daß er die Architekturen des Pillnitzer Schlosses auf das Papier brachte, sei es, daß er die Ufer der Elbe auf- und abwärts wanderte, um hier eine minderwerthige Stromlandschaft und dort ein vorzügliches Architekturbild zu verfertigen. Nächtlicher Weile durchschweift er Dresden, eine der vielen Festbeleuchtungen in sich aufzunehmen, die damals in kurzen Abschnitten meist erzwungen aufeinander folgten.

Und dann kommt die Zeit, wo die Kontinentalsperre Handel und Industrie zermalmt und so auch jede Gelegenheit zu wahrer künstlerischer Bethätigung erstickt. Denn was können die vergänglichen Ehrenbauten und Straßendekorationen bei Anwesenheit Napoleons und Franz II. mit ihren Gemahlinnen am 16. Mai 1812 zur Befriedigung eines regen Künstlersinnes beitragen! Seine in Aquatinta behandelten Radirungen der Illumination vom 18. Mai müssen als bloße Nothbehelfe eines vergeblich suchenden Künstlergeistes bezeichnet werden. Erst als am 14. Dezember 1812 jener einfache Schlitten früh 3 Uhr vor dem Hotel des französischen Gesandten zu Dresden hielt, erst als jene welthistorische Tragödie der Ehrsucht ihrem Ende zuging, erst dann begann langsam der ungeheure Druck zu weichen, der viele Jahre auf dem politischen und künstlerischen Leben gelastet hatte. Und als Anfang 1813 russische Kriegsvölker herannahten, als die Kostbarkeiten des Hofes nach Königstein geschafft wurden und der König selbst am 25. Februar die Residenz verließ, duldete es unseren Thormeyer nicht mehr: er entfloh dem eisernem Ringe, der sich langsam um Dresden zog, und ging nach dem Süden. Ohne solche äußerliche Gründe wäre Thormeyer schwerlich nach Rom gekommen, denn der innere Trieb, die heiße Sehnsucht nach dem klassischen Boden fehlte ihm. Seine Reiseroute war auf eine Abwesenheit von mindestens einem Jahre zugeschnitten und ging durch das Thüringer Land über Gotha, Kassel, Marburg, Limburg, Frankfurt, Darmstadt, Heidelberg, Baden-Baden, Freiburg im Breisgau, Basel, Bern, Freiburg i. d. Schweiz, Lausanne, Genf, Venedig nach Rom. Sie verräth den guten Geschmack des Reisenden. Von den genannten Städten finden sich Skizzen, schöne Architekturen, Städtebilder, Dome, Thore und Perspektiven in der Sammlung König Friedrich Augusts. Hier können wir uns auch ein Bild machen von Thormeyers langem römischen Aufenthalt, von seinen Ausflügen in die Abruzzen, in das Albanergebirge nach Tivoli, Terni, Capua, den Pontinischen Sümpfen, Neapel mit dem Vesuv, dessen Krater er an Ort und Stelle aufnimmt. Besonders hervorheben wollen wir eine sehr fein durchgearbeitete Burgruine, die jedenfalls aus der Rheingegend entnommen ist, ein sehr hübsches Neapler Straßenbild, eine gutgezeichnete Brücke in Venedig, ein Aquarell des Thales der Aquädukte bei Tivoli, schöne Architekturzeichnungen der Thermen des Diocletian und des tempio di Pallade vom 14. Juli 1813. Mit viel landschaftlichem Verständniß, wie es sich bei Thormeyer selten findet, ist der Cypressenhain von Tivoli gezeichnet. Auch eine Reihe Partieen aus der Villa Borghese, besonders den Tempel der Faustina, wollen wir erwähnen. Daß Rom mit seinen antiken Bauwerken stark vertreten war, ist selbstverständlich. Ein Beleg dafür, daß Thormeyer auch als Maler nicht einseitig war, ist eine gar nicht üble Porträtstudie und eine sehr originelle Bleistiftzeichnung eines Büffelhirten in Paestum. Ehe wir mit Thormeyer nach Dresden zurückkehren, wollen wir erwähnen, daß Vogel von Vogelstein, dessen „eccellenza, bravura in quest’ arte divina“ in ganz Italien berühmt war, sein Porträt zeichnete. 1820 wurde Vogel an Stelle des unglücklichen Kügelgen nach Dresden berufen, und da dürfte Thormeyer seinen Verkehr mit dem Meister wieder aufgenommen haben.

[236] Die große Völkerschlacht bei Leipzig war geschlagen, der corsische Eroberer überwunden. Unser Thormeyer konnte unbeschadet seiner Ruhe den heimathlichen Gefilden wieder zuwandern. Aber auch unserem Künstler wurde ins Gedächtniß gerufen, daß mancher wackere Mann dem blutigen Kampfe erlegen war. Trat doch an ihn die Aufgabe heran, zwei Tapferen, die im Kriege verblutet, bleibende Denkmale zu setzen. Theodor Körner bei Wöbbelin und General Moreau bei Dresden. Das Denkmal Theodor Körners ward mit dem Emblem von Leyer und Schwert von Thormeyer entworfen, um in Berlin in Eisen gegossen zu werden. Den Auftrag hierzu erhielt er von Dr. Chr. G. Körner, zu dem er in freundschaftlicher Beziehung stand und der als Hauptberather des russischen Gouvernements für Thormeyer sich bald darauf sehr erfolgreich verwendete. Ueber dem Kranze, der das Denkmal ziert, hat Thormeyer noch einen sinnigen Schmuck angebracht, einen Schmetterling, wie ihn der Freiheitssänger lange auf einem Ringe getragen. Die Originalzeichnung des Denkmals, sowie ein vortrefflicher Stich Darnstedts darnach befinden sich im Körnermuseum. Schon am 27. August 1814 konnte Dr. Körner aus Berlin an Elise von der Recke schreiben: „Das Denkmal ist fertig und vom König mit Aufmerksamkeit nebst anderen fertiggewordenen Denkmalen besehen worden. Nachher werden diese Denkmale 8 Tage lang dem Publikum gegen ein Eintrittsgeld für die Verwundeten gezeigt. Wenn also gleich meine Absicht nicht erreicht wurde, daß es an seinem Todestage schon bei Wöbbelin stand, so sah es doch schon an diesem Tage manche gute Seele mit Theilnehmung. Nächsten Montag, denke ich, wird es von Berlin zu Wasser abgehen.“

Dresden verdankt dem russischen Gouvernement unter Fürst Repnin vieles Gute und dauernd Bleibende. Wenn wir auch absehen von den mancherlei nützlichen administrativen Anordnungen, müssen wir doch den Wiederaufbau der Elbbrücke, die Umwandlung des Großen Gartens in einen Lustort, die Erweiterung der Kunstakademie und anderes erwähnen, insbesondere aber zweier Aufträge gedenken, deren Ausführender Thormeyer werden sollte. Am 4. November 1814 wurden die Gebeine Moreaus unter dem von Thormeyer entworfenen Denkmal beigesetzt. Es befindet sich auf den Räcknitzer Höhen, wo Moreau fiel, besteht aus einem Syenitwürfel mit Helm, Schwert und Lorbeerkranz und ist in seiner Schlichtheit der Weihe des Ortes angepasst.

Der weit wichtigere Auftrag war der Bau einer steinernen Freitreppe zum Brühl’schen Wallgarten. Die Anregung hierzu ging vom Fürsten Repnin selbst aus, wie ein Bericht des Sektionschefs Oberst von Miltitz, der sich im Hauptstaatsarchiv vorfindet[4], ausdrücklich bestätigt. Am 26. Februar 1814[5] überreicht Thormeyer dem General-Gouvernement unter Berufung auf erhaltene mündliche Aufträge zwei Zeichnungen und Anschläge zu der großen Freitreppe, die dahin kommen soll, „wo gegenwärtig das Königliche Spritzenhaus mit der Aufseherwohnung angebaut ist.“ Am 18. März schon ergeht an das Königlich Sächsische Geheime Finanzkollegium der Befehl, den Auftrag unter Hofbaumeister Thormeyers Leitung, der sich nach mündlichen Anordnungen zu richten hat, schleunigst zu vollführen. Am 21. März wird die Auszahlung von 3907 Thlrn. 1 Gr. vom Finanzkollegium angeordnet, welch’ letzteres zugleich den Oberlandbaumeister Franke benachrichtigt, „daß durch Fürst Repnin Hofbaumeister Thormeyer zum Bau besagter Treppe beauftragt sei“. Die Kosten betrugen inclusive der Löwen, des eisernen Geländers, Abputzung der Terrassenmauern, Legung der steinernen Platten und Pflasterung des Platzes vor der Treppe, was alles nicht im ersten Anschlag begriffen war und mündlich hohen Ortes anbefohlen wurde, 5756 Thlr. 14 Gr. gegen 4802 Thlr. 8 Gr. 1 Pf. im Anschlage. Am 28. Oktober 1814 wird, vom Gouverneur verordnet, daß an Thormeyer 10 Thlr. für Zeichnungen zu den Stichen der neuen Treppe und des Belvedere ausgezahlt werden sollen, an die Kupferstecher Hammer und Frenzel je 25 Thlr. Am 8. November verließen die Russen die Stadt. Daß das russische Gouvernement im Verein mit Thormeyer durch diese seither so berühmt gewordene Freitreppe eine wesentliche Verschönerung der Stadt herbeigeführt hatte, ist unbestritten. Und die alten Stiche mit den Löwen und üppigem Baumwuchs geben ein imposantes Bild, dessen Wirkung freilich heutzutage durch die berühmten Schilling’schen Figuren um vieles gesteigert wird.

Ueber Thormeyers weitere, recht rege Bauthätigkeit giebt uns zumeist das Dresdner Rathsarchiv Aufschluß. Zuerst ist es die Herstellung und Umfriedigung des neuen Begräbnißplatzes an der Sandgrube, des Trinitatisfriedhofes[6], die er kontraktlich am 7. Juni 1815 übernimmt. Zugleich verpflichtet er sich, den Bau für 12 095 Thlr. 11 Gr. 9 Pf. bis Johannis 1816 zu vollenden. Und schon am 8. Januar 1816 bittet er, [237] den vollendeten Bau kontraktmäßig von sachkundigen Personen untersuchen zu lassen.

Am 26. Juli desselben Jahres beginnen Verhandlungen zwischen Superintendent und Stadtrath, die am 9. November dahin führen, Thormeyer mit einem Kostenanschlag zu einem Thurme der Annenkirche zu beauftragen[7]. Am 21. April 1817 reicht unser Hofbaumeister die Risse und Zeichnungen ein.

Der Auftrag war trotz seiner Größe keineswegs verlockend. Denn erstens stand nur ein beschränktes Kapital zur Verfügung, das der verstorbene Superintendent Tittmann zu diesem Zwecke hinterlassen hatte, und zweitens war die künstlerische Freiheit insofern beschränkt, als das Schiff der Kirche schon vorhanden war.

Daß sich Baumeister Schmidt mit dieser Kirche kein Ruhmesdenkmal gesetzt hatte, leuchtet jedem Beschauer ein, daß sich aber andererseits der Thurm einer Kirche der Architektur des Schiffes anschmiegen muß, wird auch Niemand leugnen. Dieser Schwierigkeit war sich Thormeyer nur zu bewußt. Verfolgt man die Akten des Rathsarchives, die sich durch Jahre hinziehen, so kann man immer wieder bemerken, welchen Werth Thormeyer auf das „harmonische Aussehen mit der Kirche selbst“ legte und wie er bei den beschränkten Mitteln bemüht ist, das Möglichste zu leisten. 1819 wird wieder ein Anschlag gefordert, und zwar unter gehöriger Berücksichtigung der gegebenen Größe der Glocken bei Zeichnung des Glockenstuhles. Die geforderte Erhöhung der Glockenetage um 3 Meter bringt natürlich eine Vergrößerung der Anschlagssumme mit sich, die von den 17 738 Thlrn. vom 5. April 1820 auf 19 664 Thlr. gestiegen ist. In einem Briefe an den Stadtrichter Dr. Tittmann verwahrt sich Thormeyer gegen die Kürzungen seines Anschlages, die seitens der begutachtenden Rathsbaugewerke vorgeschlagen worden waren, und will sich der Ausführung des Baues nur unter Bedingungen unterziehen. Als die Behörde daraufhin vorläufig ganz Abstand vom Baue nehmen will, verzichtet Thormeyer auf die völlig berechtigten Bedingungen und übernimmt am 23. November 1820 den Thurmbau für 18 400 Thlr. Auch will er „sich gefallen lassen“, daß der wohllöbliche Stadtrath die Besichtigung während des Baues vornehme. Im Laufe des Jahres 1824 verspricht er den Bau zu vollenden. Nach Regelung vieler Vorfragen konnte der Bau endlich am 4. Mai 1822 beginnen. Und schon im Oktober des darauffolgenden Jahres wurde die Aufsetzung des Knopfes feierlich begangen. Trotz dieser für jene Zeit rühmenswerthen Schnelligkeit beeilte sich die Behörde keineswegs, mit gleicher Münze zu zahlen. Bittet Thormeyer doch noch am 2. März 1825 den Senator Dr. Dittmar um endliche Zustellung seiner Ansprüche, „da ich“, wie er wörtlich schreibt, „bei dem erwähnten Baue große Vortheile nicht gehabt, sondern diejenigen, die ich hätte erreichen können, zum nicht geringen Theile der besseren Ausführung des Baues aufgeopfert habe.“

Während der Verhandlung und des Baues der Annenkirche hatte Thormeyer noch andere, meist fachwissenschaftliche Angelegenheiten zu erledigen. Er galt als Autorität in Bausachen, dies beweisen unter anderem die aufs genaueste durchgeführten Vorschläge zur Herstellung einer guten und tüchtigen Straßenpflasterung, die er auf Ersuchen des Rathes einsandte[8]. Und Dresden hatte es ganz besonders ihm zu danken, daß in den Jahren 1821–1825 eine sachgemäße Pflasterung in vielen Straßen stattfand. Nicht nur die überzeugendsten theoretischen und praktischen Rathschläge in Bezug auf das Material ertheilte er, auch für die Behandlung der Steine und die Art der Pflasterung giebt er Anleitungen. Daß man zu ihm Vertrauen hatte, beweist die Uebertragung der Oberleitung und Oberaufsicht über das gesammte Pflasterwesen, die am 26. Januar 1821 erfolgte.

Im selben Jahre übernimmt er auch eine größere Reparatur an der Elbbrücke, die er trotz großen Wassers aufs Schnellste beendet, ebenso im Jahre 1823[9]. Auch bei diesen Arbeiten war er gebeten worden, zugleich die Pflaster- und Trottoirrenovirungen zu beaufsichtigen. Und wenn er sich am 18. Juni 1824 in einem Briefe an den Stadtrichter Dr. Tittmann beklagt, daß seiten des Brückenaufsehers Heinemann seinen Anordnungen völlig entgegengearbeitet würde, so ist das nur ein Zeichen, wie ernst es ihm um die einmal übernommene Pflicht war. Nochmals legt er seine Meinung dar, „um vor öffentlichem Tadel sicher zu sein“, und bittet um strenge Anordnung, sonst könne er sich nicht weiter mit der Angelegenheit befassen.

In das Jahr 1822 fällt auch die Uebernahme des Umbaues des Schankgebäudes im Ehrlich’schen Schulgute[10]. Es war dies ein für jene Zeit komfortabel eingerichtetes Gebäude, das die alten Akten sogar als prächtig bezeichnen. Betrachtet man freilich die Zeichnungen, die schmucklose, höchst einfache Façade, so erscheint uns jenes Lob als etwas zu freigebig; jedoch ist die zweckmäßige, geschickte Anordnung der einzelnen Räume völlig anzuerkennen. Uebrigens sei noch bemerkt, daß die der Ehrlich’schen Gestiftskasse entnommenen 8871 Thlr. auch für jene Zeit nicht zu einem architektonisch hervorragenden Bauwerke ausgereicht hätten. [238] Jedenfalls hatte Thormeyer sein Möglichstes gethan und seine Bauherren, vor allem den Stifts-Administrator Friedrich, vollkommen befriedigt.

Daß Thormeyer noch manches gebaut hat, ist sicher. Vieles ward ein Opfer der Zeit, wie die Badhäuser zu Tharandt und Radeburg, anderes wieder wurde mit dem Schöpfer zusammen vergessen. So erwähnt Nagler in seiner kurzen biographischen Notiz über Thormeyer im Künstlerlexikon das schöne Welkische Haus zu Meißen, was Schreiber dieser Zeilen trotz Nachforschung an Ort und Stelle nicht auffinden konnte. In den Mappen der Friedrich August-Sammlung zu Dresden liegen eine große Anzahl von Plänen und Entwürfen zu Gebäuden aller Art, die jedoch zumeist nur Ideen und Projekte blieben. – Thormeyer, der schon von Haus aus vermögend war, hat etwa die letzten 15 Jahre seines Lebens in beschaulicher Ruhe verbracht. Nur zuweilen ließ er sich stören, und dann nur gern, wenn es galt, seinen König zu ehren oder der Kunst sein Talent zur Verfügung zu stellen.

Ein für Sachsen hochpolitischer Moment, die Rückkehr des Königs Friedrich August nach Dresden am 7. Juni 1815, die eine unglaubliche Begeisterung hervorrief, weckte auch in unserem Thormeyer den Gedanken, seiner Freude Ausdruck zu geben. Daß dies durch irgend eine Straßendekoration beim Einzug am besten geschehen konnte, liegt nahe. Und so errichtete er denn im Auftrage der Residenz vor dem Pirnaischen Thore eine Ehrenpforte mit der Inschrift: Salve pater patriae. Diese setzte die damalige Zeit in Entzücken, wie es die alten Beschreibungen jenes Festtages zur Genüge bekunden. Wir können freilich keineswegs in jenes überschwengliche Lob mit einstimmen. Ja, wenn man ehrlich sein will, muß man jenes Bauwerk als plump und geschmacklos bezeichnen. Daß Thormeyer leider den Geschmack seiner Zeit vollkommen befriedigte, beweist außer jenem Lobe der „Vorschlag zu einem Denkmale der Wiederkehr Sr. Majestät des Königs von Sachsen etc. Friedrich August nach Dresden am 7. Juni 1815“, der in einem kleinen Werke niedergelegt ist und zwei Zeichnungen Thormeyers von dem Triumphbogen bringt. Dieses Werkchen ist nicht, wie Nagler irrthümlich bemerkt, von Thormeyer selbst verfaßt, sondern von einem Vereine, der jenes unschöne Bauwerk in Stein aufführen lassen wollte. Zu Thormeyers eigenem Vortheil blieb es bei diesem Wollen, denn seine ganze künstlerische Stellung wäre in ein falsches Licht gekommen.

Ein anderes hochpolitisches Ereigniß, die Uebergabe der Verfassung seiten König Antons und des Mitregenten Prinz Friedrich August am 4. September 1831 regte wiederum die Phantasie unseres Künstlers zu einer Straßendekoration an, deren etwas gesuchte symbolische Bedeutung er auf den Entwurf geschrieben hat. Wir lassen seine Worte als Charakteristikum folgen: „Die in beiliegender Zeichnung dargestellte Dekoration soll die Idee der Vereinigung des Volkes und der Regenten in dem von beiden gemeinschaftlich angenommenen Gesetze ausdrücken, welches von dem ersteren ausgeht und die Basis der bürgerlichen Wohlfahrt bildet, durch den Fürsten aber seine Bestätigung erhält und in Ausübung gebracht wird. Die Basis bilden daher die Säulen der Dekoration, an deren Füßen zahlreiche Fahnen mit verschiedenen Insignien, die verschiedenen bürgerlichen Stände versinnbildend, angebracht sind, während über zweien jener Säulen die Namenszüge des Königs und Mitregenten in Frieden verheißenden Palmenzweigen unter Kronen glänzen und das Ganze der Dekoration beherrschen. Als Symbol des ruhmvollen, der weitesten Verkündigung würdigen Aktes der Festsetzung einer neuen Verfassung ist zwischen den Säulen in leichten goldenen Netzen jedesmal eine doppelte kreuzweis gelegte Tuba des Ruhmes, mit einem Lorbeerkranz verbunden, angebracht. Ueber die Facies heraus reichen Speere, mit Eichenkränzen geschmückt, welche, sowie die Speere am Fuße der Säulen ebenfalls mit Eichenlaub umwunden sind, die Sicherung der festgestellten Rechte durch das Gold symbolisiren. Die Eichengewinde zwischen den Eichenkränzen und die Namenszüge der Fürsten bezeichnen die innige Verbindung zwischen Fürst und Volk.“ Schon im Laufe der vorhergehenden Jahre hatte Thormeyer eine Anzahl Entwürfe zu Ehrendekorationen gezeichnet, wenige wurden ausgeführt. Dies die politische Veranlassung zu seinem Schaffen, kommen wir nun zu der rein künstlerischen.

Vor allem wollen wir Thormeyers rühmlicher Betheiligung gedenken an dem Werke: „Dresden mit seinen Prachtgebäuden und schönsten Umgebungen“, das von Heinrich Rittner herausgegeben wurde. Dieses Werk erschien in deutschem und französischem Text, die Zeichnungen rühren von Thormeyer und Hammer her, den Stich besorgten Hammer, Darnstedt, Frenzel, Schumann und Veith. Die architektonischen Zeichnungen Thormeyers, die den Haupttheil des Werkes bilden, sind ganz vorzüglich. Wir nennen unter anderen das Blatt: „Vue de l’église catholique et des (!) ses environs“, das in seiner vollendeten Feinheit eine meisterhafte Leistung ist; Hammer hat es gestochen. Ebenso vorzüglich sind die Zeichnungen: „Vue de l’église de St. Croix" und „Vue de l'église de notre Dame“. Ein wunderhübsches Bild muß auch die „Vue extérieure du Zwinger“ genannt werden. – Auch für Beckers Augusteum lieferte unser Künstler Entwürfe zum Stich. J. G. Seiffert stach nach einer Zeichnung Thormeyers das Bildniß des Kapellmeisters und Rivalen [239] Karl Maria von Webers, Francesco Morlacchi. Die Zeichnung ist fast nur in Umrissen angelegt, aber flott aufgefaßt und zeugt wieder von der Vielseitigkeit Thormeyers. Es würde zu weit gehen, all die Zeichnungen, Studien und Bilder Thormeyers aufzuführen, die er im Laufe der Jahre geschaffen. Wir wollen nur noch bemerken, daß sich eine ganze Sammlung Thorhäuser Dresdens, Originalzeichnungen vom alten kurfürstlichen Theater, ein wunderschönes Blatt der Augustusbrücke mit katholischer und Frauenkirche, dem Schloßthurm und symbolischem Vordergrund neben vielem anderen in der Friedrich August-Sammlung zu Dresden vorfinden.

Thormeyers Künstlerthum kann nur dann einer gerechten Würdigung unterworfen werden, wenn man den Zeitverhältnissen, des Künstlers Schulung und Geschmacksrichtung immer wieder Rechnung trägt. Da er in seiner ganzen Lebensanschauung der guten alten Zeit angehörte, ist es natürlich, daß er dem neuen, frischen Zuge, der seit Anfang dieses Jahrhunderts das erstarrte Künstlerthum zu beleben begann, verschlossen gegenüber stand. Die neue Richtung, die aus dem Manierismus zur Natur zurückkehrte und mit dem Geist der Poesie das Gewöhnliche in Form und Gedanken zu Bedeutendem emporheben wollte, konnte und wollte er nie verstehen. Er blieb vielmehr bei seinen konventionellen Kunstregeln; die schablonenmäßigen Formen der „gezacketen Eichenmanier“ und der „gerundeten Lindenmanier“, wie sie Zingg gebrauchte, finden wir auch in seinen besseren landschaftlichen Zeichnungen, und seine Bauwerke und architektonischen Entwürfe lassen da, wo von Architektur überhaupt die Rede sein kann, den Geschmack des vorigen Jahrhunderts nicht verkennen.

Das Hauptgewicht seiner Leistungen als Maler und Zeichner liegt naturgemäß bei ihm in den Architekturbildern. Und sieht man von einigen wenigen Ausnahmen ab, so ist es auch nur dieses einzige Feld, auf dem er wirklich etwas leistet. Geradezu meisterhaft sind jene schon erwähnten Dresdner Architekturbilder, jeder Carnice, jede Kehle der Simse, jede Verkröpfung ist schön und klar wiedergegeben. Die sehr gute Linien- und Luftperspektive macht diese Blätter ungemein wirkungsvoll. Kommt jedoch ein einziger Baum, eine kleine landschaftliche Umgebung hinzu, so verdirbt meist die oberflächliche, mißmuthige Ausführung derselben den Gesammteindruck vollkommen. Nur bei wenigen Blättern halten sich Architektur und Landschaft die Wage. Thormeyer betrachtet augenscheinlich die landschaftliche Umgebung als ein nothwendiges Uebel, dessen er sich so schnell wie möglich entledigt. Viele, ja die meisten seiner Zeichnungen sind skizzenhaft, oft nur mit wenigen Strichen angedeutet oder das nicht einmal, eine Folge der Bequemlichkeit und des lassen Schaffensdranges des Künstlers. War er aber einmal aufgelegt und trat keine Störung ein, so konnte er Bilder schaffen, die einen merkwürdigen Kontrast zu den Werken vieler unserer jetzigen Künstler bilden. Heute, wo eine charakteristische Unverfrorenheit mit wenigen Pinselstrichen oft Machwerke erzeugt, die ein künstlerisch unmündiges Publikum und leider auch mancher Gebildete, aus Furcht anzustoßen, als Offenbarungen des tiefsten Künstlergeistes anstaunt, muthen manche der duftigen Aquarelle Thormeyers eigenartig an. Und thut der Künstler auch oft zu viel, vermindert zuweilen das genaue Detail die Gesammtwirkung, so erkennt man doch, mit welcher Naivetät und mit welchem natürlichen Geschmack der Künstler trotz vieler traditionellen Irrthümer seine Motive aufgefaßt hat. Nirgends ein Haschen nach Effekten, ein Hervordrängen unnatürlicher Kontraste. Nun wird vielleicht mancher meinen, daß Thormeyer jedenfalls kein Verständniß für eine wirkungvolle Auffassung eines Motives besessen habe. Aber dem ist nicht so. Man braucht nur im Kupferstichkabinet zu Dresden sein Bild des Wasserpalais zu Wörlitz in die Hand zu nehmen. Gegen die graciöse Architektur des Gebäudes die er wunderschön wiedergiebt, gegen den Baumschlag im Mittelgrunde würde eine minutiöse Ausführung der Felsstücke im Vordergrunde erdrückend wirken, darum legt er dies nur an. Daß auf diesem meisterhaften Blatte das Wasser schlablonenmäßig behandelt ist, befremdet den, der sich eingehender mit Thormeyer beschäftigt, nicht. Er ist eben kein Wassermaler, es fehlt ihm das Verständniß für das nasse Element. Thormeyer war ein Architekturmaler, und zwar ein vorzüglicher. Von diesem Standpunkte sind seine vielen anderen Erzeugnisse auf dem Gebiete der zeichnenden Kunst nur als Beweis dafür zu betrachten, daß er auch noch anderes leisten konnte, freilich ein Porträt- oder Genremaler wäre er nie geworden, dazu fehlte ihm die Phantasie, der durchgeistigende Hauch, was beides man auch oft in seinen landschaftlichen Architekturbildern vermißt.

Treten wir jetzt dem Menschen Thormeyer etwas näher, so wollen wir zunächst berichten, daß er mit dem 18. August 1810 Wittwer wurde. Seine Frau war eine geborene Hübner. Am 6. Mai 1802 ward Thormeyer Vater einer Tochter, die am 27. April 1849 als Emilie Wagner starb. Ein zweites Töchterchen, das ihm seine Frau am 12. Juni 1804 schenkte, wurde schon am 4. Mai 1817 dahingerafft. Einen männlichen Nachkommen besaß er nicht.

Thormeyer selbst war ein Kind des 18. Jahrhunderts. Jenes strenge Festhalten an alten Gebräuchen, der steife Ton seiner Briefe, die Empfindsamkeit und [240] leichte Verletzlichkeit deuten darauf hin, den köstlichsten Beleg aber bringt ein Aktenstück des Rathsarchives zu Dresden[11]. Mitten in den Gartenanlagen zwischen dem schwarzen und dem weißen Thore hatte ein Kaufmann Schaft eine Fournierfabrik angelegt, die er im Jahre 1823 sich entschloß mit einer Dampfmaschine zu betreiben. Aber der intelligente Mann hatte die Rechnung ohne den Zopf seiner Zeit gemacht. Probirt er da die neue Maschine, deren Konstruktion freilich nicht die beste gewesen sein wird, als Herr Thormeyer durch das ungewohnte Geräusch aus seinem Mittagsschläfchen gerissen wird. Er eilt ans Fenster und draußen, o Himmel, ein Stoßen und Schnaufen, eine schwarze Rauchwolke! Nein das geht nicht! Sogleich werden die ehrsamen Nachbarn herbeigerufen. Man verhandelt hin und her und endlich wird ein gewaltiges, viele Folioseiten langes Dokument aufgesetzt und an den Amtmann gerichtet. Mit dem Brustton tiefster Ueberzeugung sprechen die Trefflichen erst von den Dampfmaschinen im Allgemeinen. Der Ruß und Gestank werden hervorgehoben, das zudringliche, ungewohnte Geräusch und die furchtbare Gefahr des Zerspringens. Dann wird eine lange Auseinandersetzung des Schadens gegeben, wie das Besitzthum gesunken, die Miethe verringert, wie die ruhige Geselligkeit mit ihren Freunden zerstört, ja wie ihre Verantwortung bei Besuch unglaublich geworden, denn wer kann ihnen dafür stehen, daß nicht das Leben der Gäste, daß nicht ihr Hab und Gut dem gräßlich schnaufenden Ungethüm zum Opfer falle! Zu guterletzt fügen sie die Drohung hinzu, bis an den König zu gehen, wenn Herrn Schaft nicht bei 20 Thlr. Strafe der Gebrauch der Maschine untersagt werde. Ganz oben unterschreibt Thormeyer dieses köstliche Zeugniß beschränkten Philisterthums. Nach einigen erfolglosen Hin- und Herschreibereien senden sie wirklich das Gesuch an den König. Am 16. Januar 1824 schickt König Friedrich August dieses und die Gegenschrift Schafts zurück und befiehlt in gerechter und aufgeklärter Weise folgendes: „Ihr wollet Schaft in Betreibung seiner Fournierschneidemaschine, des von Thormeyer und Genossen geschehenen Einwandes ohngeachtet, nicht behindern und die Interessenten demgemäß bescheiden.“

Am 11. Februar 1842 1/2 4 Uhr starb unser Künstler an einem Nervenschlage. In einer Auktionsanzeige, die nach seinem Tode am 10. März 1842 im „Dresdner Anzeiger“ erschien, werden aus seinem Nachlasse aufgezählt diverse Kostbarkeiten und Silberwerke, ein tafelförmiges Pianoforte, Ameublement von Mahagoniholz, darunter ein beweglicher Toilettenspiegel, ein seltenes Kabinetstück mit Platte vom schönsten carrarischen Marmor, das Spiegelglas vom feinsten venetianischen Glase, Gewehre, die besten Wirthschaftsgeräthe, gute Bücher, Gemälde, Kupferstiche, worunter einige kostbare von Dittrich, gute Weine, eine halbbedeckte Droschke u. s. w. Aus dieser Auktionsanzeige erfahren wir auch Thormeyers letzte Wohnung: Große Plauensche Gasse Nr. 16, I. Etage.

Unter dem mächtigen, säulenartigen Familiengrabmal auf dem Eliasfriedhofe ruht seine Asche. Dies Monument hat er offenbar beim Tode seines zweiten Töchterchens errichtet. Vier Friedensengel, die an der wuchtigen Säule schwebend angebracht sind, lassen ebensoviel Felder zwischen sich frei. Den dritten Raum deckt Thormeyers Name, seit 1849 ist auch der vierte ausgefüllt. Traumverloren ragt der mächtige Stein aus dem üppig wuchernden Grün. Uralte Gräber ringsum, wohl keines aus der letzten Hälfte dieses Jahrhunderts, die meisten aus dem vergangenen, draußen die himmelanstrebenden Bauwerke der lebenden Generation, das Wagengerassel und Geläute der vorübersausenden elektrischen Straßenbahn, hier mitten im Gewühle des Lebens, umschlossen von hohen Mauern, zwischen den Gräbern und morschen Steinen ein weltvergessener poetischer Friedhof, ein Sammelplatz verschollener Todter, die gelebt und gestrebt, die gelitten und genossen wie wir und denen das geworden, was auch den meisten von uns mit all unserem Hoffen, Mühen und Arbeiten werden wird: das Dunkel der Vergessenheit.


  1. Arbeit aus dem Deutschen Seminar der Königlichen Technischen Hochschule zu Dresden.
  2. Kirchenbuch der Kreuzkirche vom Jahre 1775.
  3. Siehe Wießners Jubiläumsfestschrift der Akademie zu Dresden.
  4. Acta, die Königlichen Gebäude und den Brühl’schen Garten betreffend. 1814. Geheime Cabinets-Canzley Loc. 19. General-Gouvernement I. Section 773.
  5. Siehe Königliches Hauptstaatsarchiv: Acta, Bausachen betreffend. Anno 1814. Geheime Cabinets-Canzley Nr. 778. – Acta, des vormaligen Brühl’schen Palais u. s. w. betreffend. Geheime Finanz-Canzley Vol. I 1814. Loc. 35 892.
  6. Dresdner Rathsarchiv Acta B. XV. 102. Bl. 92 flg., 115 flg.
  7. Dresdner Rathsarchiv Acta B. II. 58. Bl. 140 flg., 200b, 208 flg., 220–225, 226, 229b.
  8. Rathsarchiv, Acta F. VIII. 52. Bl. 1 flg., 50 flg.
  9. Rathsarchiv, Acta J. II. 21 (1821); J. II. 22 (1823–1827)
  10. Rathsarchiv, Acta B. XI. 154. Bl. 55b, 66, 121, 141.
  11. C.XXVI. 1648.