Die Zeichnung schickte Rietschel zur Kunstausstellung 1829 ein; der verdienstvolle Kunstgelehrte und -sammler von Quandt kaufte sie ihm für 100 Taler ab. Es ist nach des Künstlers eigenem Zeugnis die „erste Kompositon, die er mit klarem Verständnis gemacht und durchgeführt hat“ – also ein Merkstein in seiner künstlerischen Laufbahn. Seit 1832 wirkte Rietschel bekanntlich als Professor an seiner Bildungsstätte. Wenn er später über seinen Lehrer Pettrich auch sehr herbe urteilte, so hat er doch seiner Dresdner Studienzeit grundlegende Anregungen zu verdanken, von denen die Ausstellungen Zeugnis geben, und die der Meister selbst willig anerkannte.[1]
Aus noch drückenderen Verhältnissen, als sie der berühmte Bildhauer durchgemacht hatte, war dessen Freund, der Kupferstecher Julius Cäsar Thäter, hervorgegangen, ein Mann von klarem Verstande, unerschütterlichem Gottvertrauen und energischem Mute, über den Rietschel urteilt: „Er gehört zu den edelsten und vortrefflichsten Menschen, die ich kenne.“ Thäter[2] ward in den ersten Tagen des Jahres 1804 in Dresden geboren. Nach einer sehr trüben Jugendzeit voller Entbehrungen und Erniedrigungen, einer Zeit, die er meist unter fremden, lieblosen Menschen verleben mußte, trat der innerlich frühgereifte Jüngling 1819 in die Kunstschule der Akademie ein, war dann 1821 bis 1823 Schüler des Kupferstechers Professor Seiffert und hat sich seit 1830 in München weitergebildet, wo er auch, mit Unterbrechungen, bis zu seinem Tode (1870) blieb. Als Zögling der Kunstschule lieferte er, ganz ähnlich wie sein Freund Rietschel, 1819 bis 1821 Kopien nach Gemälden oder nach Gips mit Kreide auf farbiges Papier und dann Akt- und Gewandstudien. Schon 1822 aber brachte er einen ersten Versuch mit dem Grabstichel nach dem berühmten niederländischen Kupferstecher Hendrik Goltzius und in den nächsten Jahren Stiche nach Gemälden, Zeichnungen und älteren Kupfern. So stellte er bereits 1825, also als Einundzwanzigjähriger, einen seiner berühmten Stiche nach Peter Cornelius’ Szenen aus Goethes „Faust“, den „Spaziergang am ersten Osterfeiertage“, zur Ansicht. 1828 durch Vermittlung Rietschels nach Berlin zu Rauch berufen, stach er die Basreliefs an dessen Blücherdenkmal nach und zeigte sie 1830 (und 1831) dem Dresdner Publikum.
Unter die frühgereiften Talente, die sich in dem behandelten Zeitraume zu schöner Blüte entwickelten, ist auch der Architekt Carl Moritz Haenel (1809 bis 1880) zu zählen, ein Mann, den reiche Kenntnisse ebenso auszeichneten, wie ein biederer, selbstverleugnender Charakter. Als zwölfjähriger Knabe (1821) ward er Zögling der Industrieschule, der er bis 1826 angehörte; 1822 bis 1828 besuchte er auch die Bauschule. An letzterer war der in Krubsacius’ Schule gebildete Professor C. A. B. Siegel sein Lehrer; nur in seinen letzten Studienjahren konnte er noch den Unterricht des als außerordentlicher Professor nach Dresden berufenen Münchner Architekten Joseph Thürmer genießen, durch den er mit Karl von Fischers Renaissancebaukunst bekannt wurde. Während er in der Industrieschule jahrelang mit dem Zeichnen von Arabesken nach Steindruckvorlagen oder nach Albertollis Mustern geplagt wurde, entfaltete sich sein Talent in der Bauschule so günstig, daß er bereits 1824 zwei größere selbständige Arbeiten zur Ausstellung geben konnte: Fassaden und Grundrisse zu einer öffentlichen Schenkwirtschaft und zu einem Gartengebäude, ersteres nach eigener Erfindung, letzteres nach einer Aufgabe des Professors Siegel. In den folgenden Jahren lieferte er dann immer ausgeführtere Entwürfe zu allerhand städtischen oder ländlichen Nutz- und Lustbauten, die er meist selbständig erfunden und ausgearbeitet hatte. 1830 trat er als Baueleve in den Dienst des sächsischen Staates, dem er in unermüdlichem Eifer fast volle fünfzig Jahre seine Tätigkeit widmete, seit 1861 in der höchsten Stellung des fiskalischen Hochbauwesens: als Oberlandbaumeister. In diesem Amte hat er, obgleich nicht eigentlich selbstschöpferisch tätig, den weitestgehenden Einfluß ausgeübt; alle größeren öffentlichen Bauten in Stadt und Land entstanden unter seiner Aufsicht, wie er auch mit Umbauten und Wiederherstellungsarbeiten an Privatbesitztümern (Schlössern, Rittergütern u. a.) fortgesetzt beschäftigt war.[WS 1] Am 3. Januar 1880 riß der Tod den Siebzigjährigen nach längerem Leiden aus einer gesegneten Tätigkeit.
Hier sieht man reiche Künstlerleben in dem Zeitraume von 1801 bis 1830 sich entfalten. Die toten Namen und Zahlen der Verzeichnisse gewinnen so für den Forscher Leben, und vor dem geistigen Auge erstehen Künstlerpersönlichkeiten, eigenartig und schön in ihrem Wesen und Werden.
Es sollte diesen jedoch auch an Aufmunterung nicht fehlen. Im Jahre 1819 bestimmte König Friedrich August eine bedeutende Summe zu Geldgeschenken an die Zöglinge der Kunst-, Industrie- und Bauschule sowie für die Meißner und Leipziger Scholaren, die sich bei der Ausstellung durch Fleiß und Talent ausgezeichnet hatten. Am 3. März 1819 fand die erste Feierlichkeit dieser Art statt, der sich noch am 23. Dezember desselben Jahres, an des Königs Geburtstage, eine gleiche anschloß. In Gegenwart sämtlicher Professoren und Mitglieder der Akademie hielt der Generaldirektor Hofmarschall Graf Vitzthum von Eckstädt eine
Ansprache an die Zöglinge und verteilte sodann die
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Satzzeichen ergänzt.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/103&oldid=- (Version vom 9.1.2025)