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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/112

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im aufgeklärten Morgendüster verschmelzen, sind deutlich zu bemerken und dem über sie hingleitenden Auge als ein mächtiges Steingerippe sichtbar. Im Vorgrunde türmt sich eine einzige Masse, ein vielgezackter Pfeiler von Kalkfelsen empor, auf dessen Spitze ein Kruzifix, von keiner Nebelhülle verdeckt, herrschend, fast klar ausgesprochen, dasteht. Die symbolische Andeutung – so fährt der Referent fort – ist auch dem stumpfsinnigsten Beschauer leicht zu erfassen. Aber der denkende Künstler weiß sehr gut, daß diese Kunstsymbolik nur dann einen bleibenden Wert hat, wenn auch ohne sie das Gemälde alle Kunstforderungen erfüllt. Die fleißigste Ausführung und die verständigste Behandlung und Aufsparung aller Mitteltöne in den Schatten- und Lichtmassen geben diesem gelungenen Bilde auch einen hohen artistischen Wert.“ Soweit der Berichterstatter. Er bestätigt nur das Urteil, das auch andere Zeitgenossen, wie der geistvolle Philipp Otto Runge in seinen Briefen, Wilhelm von Kügelgen in seinen vielgelesenen „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“, Ludwig Tieck in seiner Novelle „Eine Sommerreise“, Goethe u. a. über diesen bedeutenden Dresdner Akademielehrer abgegeben haben, den man nie hätte vergessen sollen. Seit 1818 trat der Norweger Johann Christian Clausen Dahl dem einsamen Denker Friedrich als gleichgestimmter Freund zur Seite. Während Friedrichs Bilder zum größten Teile deutsche Gegenden darstellten, entnahm Dahl die Vorlagen zu seinen Schöpfungen mit Vorliebe seiner nordischen Heimat. Sein Gebiet sind großartige Naturszenen, bei denen Sturm und brausende Wasserfälle eine große Rolle spielen. Darstellungen dieser Art, die man auf den Ausstellungen der Jahre 1819 bis 1830 sah, sind noch ziemlich zahlreich erhalten: so das Rezeptionsbild für die Dresdner Akademie von 1819 in der Dresdner Galerie, Bilder von 1822 in der Schweriner Sammlung, von 1823 in der Berliner Nationalgalerie und der Münchner Neuen Pinakothek. Dahl war einer der fleißigsten Künstler jener Zeit. In den genannten zwölf Jahren brachte der Schnellarbeitende nicht weniger als 68 Ölgemälde zur Ausstellung. – An Produktivität suchte es seinen Freunden Friedrich und Dahl gleich zu tun der königliche Leibarzt Carl Gustav Carus, der dabei theoretische Anschauungen geschickt in die Praxis umzusetzen verstand. Freilich ist es ein weiter Schritt von den schwärmerisch angehauchten Nebelbildern Friedrichs und den stürmisch bewegten Naturszenen Dahls zu den Versuchen Carus’; sie sind eben nur Nachempfindungen eines Mannes, bei dem der Geist das Gefühl zügelt. Oftmals spielt auch ein Ton von Romantik mit hinein: Kirchhöfe, Pilger, Ruinen, Mondenschein – das sind die vielgebrauchten Requisiten für seine Landschaftsbilder. Bezeichnend für Carus’ damalige Wertschätzung ist, daß selbst C. D. Friedrich es nicht verschmähte, eine Zeichnung dieses Halbkünstlers, „Eine Gebirgsgegend“, in Öl zu kopieren (1824 ausgestellt). Seit 1816 war Carus fast alljährlich mit mehreren neuen Werken vertreten: Phantasien nach Dante (1816, 1825, 1830) und Goethe wechseln in bunter Folge mit Tierstücken, Historien (1817) und Landschaften aus Sachsen, der französischen Schweiz, Italien, ja sogar aus dem nördlichen Eismeer. Man sieht, an Vielseitigkeit und Fleiß ließ es der gelehrte Maler nicht fehlen.

Während so die Landschaftsdarstellung auf den Ausstellungen des behandelten Zeitraumes bedeutende Vertreter fand, sah es um die Bildnismalerei weniger ideal aus. Die eingelieferten Arbeiten waren fast alle bestellte Ware, die der Eitelkeit ihrer Besteller dienen sollte, und der nur Männer wie Graff, Grassi und Kügelgen tieferes Leben einzuhauchen verstanden. Es ist im Hinblick auf die Bildnisse der vielen unbekannten Leute ein wahres Wort, das damals ausgesprochen ward: man mache die Ausstellung zu einer Familiensammlung. Auch hier fehlte es indessen nicht an vorzüglichen Leistungen. Die Bildnisse von der Hand Anton Graffs, den man oft kurz den „ehrwürdigen Veteranen“ nannte, standen jedesmal im Mittelpunkte des Interesses. So bewunderte man 1808 das Porträt des Leipziger Kupferstechers Bause (jetzt in Göttingen im Besitz des Prof. Ehlers), 1810 das des reformierten Predigers J. J. Mesmer (Dresdener Galerie) u. a. Neben Graff waren Grassi, Kügelgen, Matthäi, Retzsch fast immer mit vortrefflichen Leistungen vertreten. Von Kügelgen z. B. sah man 1810 die berühmten Porträte Goethes, Schillers, Herders und Wielands, 1820 mit Betrübnis seine letzte Arbeit, den „Verlorenen Sohn“, jetzt in der Dresdener Galerie. – Christian Leberecht Vogel erfreute durch liebliche Kinderbilder. – Sein Sohn Carl zeigte 1818 das große, schöne Porträt des Papstes Pius VII. im Kostüm der Audienzerteilung an ein gekröntes Haupt. Das Bild, ganze Figur in Lebensgröße, 1817 in Rom nach der Natur gemalt, bildet jetzt eine Zierde der Dresdener Galerie, der es von dem Eigentümer, dem Könige von Sachsen, zur Aufbewahrung überlassen worden ist.

Betrübend sah es mit der Historienmalerei aus. Die Zeitverhältnisse waren nicht dazu angetan, künstlerisch verherrlicht zu werden. So griff man zurück in Geschichte und Sage und zu biblischen Vorgängen. Typische Beispiele dafür bietet der damals einflußreichste Historienmaler, Friedrich Matthäi. 1807 sandte er von Rom aus jenes große historische Gemälde zur Ausstellung ein, das ihm die Ehrenprofessur an der Florentiner Akademie eintrug: Die „Ermordung des Ägisthus durch Orestes“ nach Sophokles. Dieses

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/112&oldid=- (Version vom 20.1.2025)