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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/110

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vertreten. Fra Bartolommeo leitet ins 16. Jahrhundert hinüber. Überreich ist die Hochrenaissance des 16. Jahrhunderts durch das glänzende Fünfgestirn, Lionardo da Vinci, Michelangelo, Raphael, Tizian und Correggio dargestellt. Unter ihnen ist Lionardo in dem behandelten Zeitraume ziemlich unbeachtet geblieben: 1808 bis 1823 ward er nur viermal kopiert. Von seinem Schüler Luini lernte man in Dresden damals Arbeiten kennen, die im Originale in Paris und Mailand zu sehen sind. Michelangelo fand fast nur an der Leipziger Akademie Nachahmer; Gruppen und Einzelfiguren besonders aus seinem „Jüngsten Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans zu Rom wurden beinahe alljährlich von Leipziger Scholaren ausgestellt. Dagegen leuchtet der göttliche Raphael allen voran. Er ist während der ganzen Periode der am stärksten kopierte Meister, und die große Vorliebe, die man für ihn hegte, übertrug man auch auf seine Freunde und Nachahmer. Ebenso sah man fast regelmäßig Bilder nach Tizian, dem Meister des „blühenden Fleisches und der leuchtenden Farbenglut“. Von Correggio endlich war namentlich „la notte“ ein oft wiederholtes Bild. Unter den Meistern des 17. Jahrhunderts spielten Carlo Dolci, Guido Reni und Pompeo Batoni die Hauptrolle. Zu den beliebtesten Kopien gehörten sonst noch die nach Cignanis „Keuschem Joseph“, während der Mailänder Procaccini vornehmlich von Schenaus Schülern studiert wurde. Die italienische Kunst des 18. Jahrhunderts endlich war durch Kopien nach Canaletto, Nogari (nach dem besonders Professor Schubert zeichnen ließ), Rotari und hauptsächlich nach G. B. Casanova vertreten, der bekanntlich selbst als Professor und Direktor an der Dresdner Akademie gewirkt hatte.

Von Spaniern begegnen auf diesen Kunstausstellungen nur drei des 17. Jahrhunderts in Nachbildungen: es sind die Hauptmeister Ribera, Velasquez und Murillo.

Die Franzosen des 17. und 18. Jahrhunderts fanden vorzugsweise an der Leipziger Akademie ihre Kopisten: so Poussin und Lebrun; Natoire wiederum war an der Meißner Zeichenschule beliebt, während Claude Lorrain unsern größten Landschaftern, unter ihnen Ludwig Richter, Vorlagen bot. In der Kunstschule zeichnete man viel nach Vater und Sohn Vernet.

Von englischen Malern treten nur Reynolds (zweimal, 1810 und 1818) und Seeman entgegen, jener in Sepiakopien, die natürlich nicht im entferntesten einen Vergleich mit den Originalen aushalten konnten.

Reichlich waren wiederum die Niederländer des 17. Jahrhunderts in Wiederholungen vertreten; von älteren Meistern nur Cornelius Cornelis, den man – ebenso wie Poelenburgh, de Heem, Verhelst und Rachel Ruysch – fast lediglich in Meißen kopierte. Wouwerman, Berchem und Ruisdael sind die am häufigsten nachgeahmten niederländischen Künstler, neben ihnen natürlich die Großmeister Rembrandt, Rubens und van Dyck.

Während man so die Meisterwerke des Auslandes eingehend studierte und an ihnen sich bildete, wurden die deutschen Meister der älteren Zeit so gut wie gar nicht beachtet. Aus dem 15. und 16. Jahrhundert ist während des ganzen Zeitraumes nur die Fränkische Schule durch Dürer viermal, die Schwäbische durch Holbein sechsmal und die Sächsische durch Cranach dreimal (1817) vertreten. Die deutschen Künstler des 17. Jahrhunderts, nach denen man kopierte, waren meist italienisch oder niederländisch beeinflußte. Was endlich die deutschen Meister des 18. Jahrhunderts anbetrifft, so arbeitete man fast ausschließlich nach denen, die in Beziehungen zur Akademie gestanden hatten oder noch standen. Dietrich, Mengs (der „pfeilschleifende Amor“!), Zingg, Schenau, Graff wurden da neben den zeitgenössischen Akademielehrern am stärksten berücksichtigt. Ebenso war es mit den Künstlern der Gegenwart. Neben denen der Dresdner Schule boten nur solche der Münchner – es ist schon oben davon gesprochen worden – und vereinzelt der Berliner und Wiener Schule Vorlagen.

An der Industrieschule arbeitete man nach italienischen Mustern: seit Beginn der Anstalt boten die Werke G. Piranesis, seit 1819 auch die Albertollis den Unterrichtsstoff. In der Bauschule kamen der Franzose Moreau und der Engländer James Stuart ebenso zu Worte, wie die Italiener Palladio und Scamozzi, von deutschen Architekten nur Weinlig, Schinkel und (seit 1828) Thürmer. Die Kupferstecher bildeten sich vornehmlich nach den italienischen und englischen Meistern dieser Kunst aus dem 18. und 19. Jahrhundert (Bartolozzi, Volpato, Morghen, Woollett, Strange). Für die Bildhauer boten namentlich Schlüter, Canova und Thorwaldsen lehrreiche Vorbilder. Außerdem hatte die Leipziger Akademie an Öser und Schnorr, die Meißner Schule an Weller und Arnhold ihre Lokalheiligen, denen in zahlreichen Nachempfindungen meist besser gemeinte als gelungene Huldigungen dargebracht wurden.

Es ist notwendig, von den Kopien etwas Ausführlicheres zu geben, weil sie einen bedeutenden Prozentsatz der ausgestellten Kunstwerke ausmachen. Ein beliebig gewähltes Beispiel möge das zeigen! 1830 waren von 781 ausgestellten Gegenständen 309 Kopien nach Gemälden, Zeichnungen, Gips und in Kupferstich – also volle drei Achtel! Es erklärt sich dies aus dem oben betonten Umstande, daß die eingelieferten Arbeiten größtenteils Schülerleistungen waren.

b) Die Originalarbeiten.

Neben dieser Fülle von Kopien gab es natürlich auch jedesmal eine Anzahl bedeutungsvoller Originalarbeiten.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/110&oldid=- (Version vom 18.1.2025)