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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/102

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Dresdner Kunstausstellungen der Jahre 1801 bis 1830 vorzugsweise beteiligt waren.

Da die Veranstaltungen – wie bereits bemerkt ist – von der Dresdner Akademie ausgingen und von ihr vor allem mit Beiträgen versorgt wurden, sei diese Kunstanstalt an erster Stelle genannt.

a) Die Schüler der Dresdner Akademie.

Den breitesten Raum auf den Ausstellungen nehmen jederzeit die Arbeiten der Schüler aus den verschiedenen Kunstgebieten ein, und in dieser Beziehung können wir die Ausstellungen als Rechenschaftsberichte im eingangs angedeuteten Sinne bezeichnen.

Unter den Schülern finden sich gerade in dem genannten Zeitraume viele, die später als Lehrer ihrer Bildungsstätte zu hoher Zierde gereichten. Maler wie Moritz Retzsch, Heinrich Naecke, Traugott Faber, Carl Vogel von Vogelstein, Carl Peschel, Heinrich Arnold u. a., ebenso bekannte Bildhauer, Kupferstecher (Ludwig Gruner) und Architekten (Gustav Heine) widmeten ihre Kräfte später der Anstalt, der sie ihre Ausbildung verdankten. Es ist nun von höchstem Interesse für den Kunstforscher, den Entwicklungsgang solcher Meister zu verfolgen. Wenn irgendwo, so gilt hier der Grundsatz: ex ungue leonem! Dies soll im Folgenden durch einige Beispiele belegt werden.

1814 erscheint der elfjährige „Louis Richter“ zum ersten Male im Ausstellungskataloge. Er bietet eine Kopie nach dem holländischen Genremaler Gerard Dou, „Eine alte Frau“, in Sepia gezeichnet. Seit 1816 jedoch lieferte er als Zögling der Kunstschule, unter Leitung seines Vaters Carl August Richter und dann des Professors Schubert, schon vorzugsweise landschaftliche Zeichnungen in Sepia oder Kreide. Bilder von Berchem, Dietrich, Claude Lorrain, später auch von Ruisdael dienen ihm neben solchen seines Vaters als Vorlagen, bis er 1826 von Rom aus eines seiner ersten selbständigen Ölgemälde einsendet, eine „Gegend bei Amalfi“, das Gemälde, das sich jetzt im Städtischen Museum zu Leipzig befindet.[1] Es bedeutet einen „Wendepunkt in Richters künstlerischer Entwicklung“ und erregte in Dresden berechtigtes Aufsehen. Die Ausstellungen der folgenden Jahre bis 1830 brachten dann Landschaften von Richter aus der Schweiz, aus Tirol, aus dem Hochgebirge, besonders aber aus Italien, Landschaften, die er seit 1828 in kleinstädtischer Enge, aber aus einem von Erinnerungen überquellenden Herzen als Zeichenlehrer an der Meißner Zeichenschule schuf, und die jetzt teils in der Dresdner Galerie, teils in Leipzig, Berlin und Frankfurt aufbewahrt werden. Genre und Landschaft, – die beiden Gebiete, die Ludwig Richter so groß gemacht haben, – sie pflegte er, wie man sieht, fast seit den Kinderjahren an der Akademie, und die Ausstellungen des behandelten Zeitraumes legen beredtes Zeugnis darüber ab. So werden sie für den Tieferblickenden auch kunstgeschichtlich bedeutungsvoll.

Ganz andersartig, als der eben geschilderte Entwicklungsgang Ludwig Richters, stellt sich der des Bildhauers Ernst Rietschel dar. Dieser später hochberühmte Meister hat bekanntlich in treuherziger Weise sein Leben bis 1830 beschrieben in einem Buche, das so recht jedem Kinde in die Hand gegeben werden möchte, da es zeigt, wie Gottvertrauen und Demut auch über die schwersten Stunden des Lebens hinweghelfen. Schon 16 Jahre alt, kam der arme Pulsnitzer Junge Michaelis 1820 nach Dresden, um dem Ziele seiner heißen Sehnsucht zuzustreben: ein Künstler zu werden. Bereits im August 1821 sah man auf den Ausstellungen Arbeiten seiner Hand: Zeichnungen nach Gemälden, mit Kreide auf farbiges oder[WS 1] weißes Papier gefertigt. Er erzählt selbst, welches Hochgefühl ihn beseelte, als er in dem Kataloge zum ersten Male seinen Namen gedruckt sah. Schnell machte er die Kunstschule durch. In den folgenden Jahren wurde dann fleißig nach Gips gezeichnet und wurden Akt- und Gewandstudien entworfen, bei denen die Professoren Seiffert, Matthäi und Schubert die Anleitung gaben. Aber schon 1823 übte sich der jugendliche Phidias in seinem eigentlichen Berufe unter Aufsicht und Leitung des Professors Pettrich, indem er Akte und Kopien nach Vorlagen in Ton modellierte oder in Gips abformte, die er dann auch auf die Ausstellung gab. 1826 bis 1828, wo Rietschel in Berlin bei Rauch studierte, beschickte er die Dresdner Ausstellungen nicht. In der Heimat ward unterdessen manches anders. Am 21. Dezember 1828 erlag sein treusorgender Vater einem Schlaganfall. Die Nachricht davon, die Rietschel in Berlin traf, erschütterte ihn tief. Ein künstlerisches Zeugnis dafür ist der Entwurf zu einem Basrelief „Joseph empfängt seinen Vater in Ägypten“, in dem er der Sehnsucht nach dem geliebten Toten Ausdruck verlieh. Noch ist die fünfteilige Zeichnung dazu, die vom 23. Januar bis zum 7. Februar 1829 vollendet wurde, erhalten – sie befindet sich im Albertinum zu Dresden –; zur Ausführung kam nur

die Hauptgruppe, die man jetzt am gleichen Orte sieht.


  1. Vgl. außer Ludw. Richters „Lebenserinnerungen eines deutschen Malers“ (8. Aufl. 2 Bde. Frankf. a. M. 1895) noch: V. P. Mohn, „Ludwig Richter“ (Bielef. u. Leipz. 1897) S. 33 f. u. Abb. 9; (Theod. Schreiber), „Verzeichnis der Kunstwerke im Städtischen Museum der bildenden Künste zu Leipzig“ (19. Aufl. Leipz. 1897) S. 190 No. 200, daselbst auch Literatur; K. Woermann, „Katalog der Ludwig Richter-Ausstellung Dresden 1903“ S. 13, 31 und Abb. 3. Das nach Mohn (a. a. O. S. 24 f.) 1824 ausgestellte Bild von Watzmann vermag ich im Katalog des gen. J. nicht nachzuweisen; wahrscheinlich wurde es nachträglich eingeliefert. Überhaupt fehlt 1823 bis 1825 Richters Name in den gedruckten Verzeichnissen gänzlich.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: odes
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/102&oldid=- (Version vom 9.1.2025)