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Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche

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Textdaten
Autor: Alfred Barth
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Titel: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche
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Erscheinungsdatum: 1907
Verlag: C. C. Meinhold & Söhne
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Erscheinungsort: Dresden
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[Titelblatt]
Von der Königlich Sächsischen Technischen Hochschule zu Dresden zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs genehmigte Dissertation.
Referent: Geheimrat Professor Dr. Corn. Gurlitt. Korreferent: Professor Dr. L. Sponsel.




Dr. Ing. Alfred Barth.




Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche.




Studien über den Protestantischen Kirchenbau und Dresdens Kunstbestrebungen im 18. Jahrhundert.



Mit 120 Abbildungen.

Verlag: C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907.

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[Widmung]
Herrn Geheimrat Professor
Dr. Cornelius Gurlitt.

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[Inhaltsübersicht]
Inhaltsübersicht.


Seite 
I. Beginn des Kreuzkirchenbaues. Schmidt und seine Pläne.
1. Baugeschichte bis 1765
 Während des siebenjährigen Krieges.
 Nach dem Friedensschluß.
2. Der Baumeister der Kirche 13 
 Schmidts Leben und Tätigkeit.
 Schmidts Bauten und ihre Formen.
3. Schmidts Pläne zur Kreuzkirche 25 
 Planübersicht.
 Die Raumanordnung.
 Die Massenentwicklung.
 Die statischen Verhältnisse.
4. Schmidt und der protestantische Kirchenbau 42 
 Bährs Kirchenbaustil.
 Schmidt als Schüler Bährs.
 Die Dresdner Schule in Sachsen.
 Bährs Einfluß in Hamburg.
II. Kämpfe um die Plangestaltung der Kreuz­kirche. Geschichtliche Darstellung.
1. Die Vertreter des Staates 66 
 Die Baupolizei und Exner.
 Krubsacius und die Akademie.
2. Der Gegensatz Schmidt und Krubsacius 73 
 Geschmacksstreit.
 Turmkonkurrenz.
 Einwände gegen Schmidts Pläne.
3. Der Gegensatz Exner und der Rat beziehentlich Schmidt 83 
 Exner als Baudirektor.
 Der Ratsprotest.
Seite 
 Die Entschließungen Prinz Xavers.
 Entscheidung durch Kurfürst Friedrich August III.
4. Die Bauverhandlungen nach Schmidts Tod 99 
 Neue Leute: Eigenwillig, Hölzer.
 Die endgültige Plangestaltung.
5. Die Geldfrage und ihr Einfluß 106 
 Die Baugeldbeschaffung.
 Bauausführung und Baukosten.
III. Die Umgestaltung der Schmidtschen Pläne. Beschreibung der einzelnen Ent­würfe.
1. Vorbilder der Klassizisten 112 
 Chiaveris Katholische Hofkirche.
 Lockes Kreuzkirchenprojekt.
2. Krubsacius und sein Kondukteur 119 
 Konkurrenzpläne von Krubsacius.
 Hölzers Akademie-Preisentwurf.
3. Exners approbierte Pläne 124 
 Fassaden und Turm.
 Saalarchitektur und Querschnitt.
 Exners Mansarde und ihre Um­bildung.
4. Hölzers Ausführungspläne 135 
 Turm und Außengestaltung.
 Der Innenraum und seine Dekoration.
5. Die Umgestaltungen im 19. Jahr­hundert 140 
 Gutachten von Lipsius und Wallot.
 Die Gräbnersche Neugestaltung.
 
 
 



[Danksagung]

Die Beschaffung der Abbildungen. Über 80 Originalzeichnungen waren ganz oder teilweise zu kopieren, um die Wiedergabe in Strichätzung zu ermöglichen. 10 größere Abbildungen sind in Autotypie neu hergestellt. Zur Vervollständigung des Illustrationsmaterials wurden mir 30 Druckstöcke unentgeltlich zur Verfügung gestellt, und zwar vom Königlich Sächsischen Ministerium des Innern aus dem Inventarisationswerk (vergl. Abbildungen S. 13, 17, 20, 23, 61, 104, 105 und 137), vom Kirchenvorstand der Kreuzkirche (vergl. Abbildungen S. 6, 147 und 148), von der Vereinigung Berliner Architekten aus dem Werke: „Der Kirchenbau des Protestantismus“ (vergl. Abbildungen S. 49, 58, 64, 138, sowie S. 52 und 53 Großenhain betreffend) und vom Verlag der Deutschen Bauzeitung (vergl. S. 4, 11, 32, 143, 144 und 145). Außerdem wurde vom Kirchenvorstand der Kreuzkirche unter dem Vorsitz des Herrn Superintendent Oberkonsistorialrat D. Dr. Dibelius und vom Dresdner Geschichtsverein unter dem Vorsitz des Herrn Professor Dr. Richter zur Illustrierung und Drucklegung der Arbeit ein Beitrag gewährt. Allen Genannten sei für ihre Unterstützung auch hier der ergebenste Dank aus­gesprochen.

[1]

Blick auf Dresden-Altstadt im 19. Jahrhundert mit Frauenkirche, Kreuzkirche und Katholischer Hofkirche.

In der Geschichte des protestantischen Kirchenbaues nahm Dresden im 18. Jahrhundert eine hervorragende, ja die hervorragendste Stelle ein. Der Übertritt des Hofes zum Katholizismus und seine Folgen, die Sorge um ungehinderte Religionsübung, um ungeschmälerten Besitzstand der protestantischen Kirche führten dazu, daß sich die rein evangelische Bevölkerung der Stadt zu gemeinsamer Abwehr enger zusammenschloß und sich der Eigenart ihrer Konfession stärker bewußt wurde.

Äußere Umstände bildeten den Anlaß, daß in einem Jahrhundert alle vier großen Kirchen und eine ganze Reihe kleinere neu zu errichten waren. Das gesteigerte protestantische Bewußtsein der Gemeinde verlangte volle Anpassung der Neubauten an den protestantischen Gottesdienst, Verzicht auf alle Erinnerungen an katholischen Meßdienst und an die bis dahin benutzten Bauten. Auch das Äußere der Kirchen sollte bedeutsam sein, sollte zeigen, daß sie auf Jahrhunderte berechnet waren.

In Bähr, dann in dessen Pflegesohn und Erben Schmidt gewann sich der Rat als Patron und Bauherr mit klugem Blick die geeigneten Baumeister der Zeit, zugleich gottesfürchtige und bekenntnistreue Glieder der Gemeinde. Große Bildkraft befähigte sie, zweckvolle Räume zu planen, sie künstlerisch zu gestalten und so der protestantischen Baugesinnung ihrer Mitbürger wertvollen Ausdruck zu verleihen.

Frauen- und Kreuzkirche vor allen, die beiden großen Stadtkirchen, sollten zugleich steinerne Denkmäler des Festhaltens am evangelischen Glauben der Väter werden. Sie zeigen denn auch die Künstlerkraft der Entwerfenden auf ihrer höchsten Höhe, ja sie stellen die bedeutendsten Planungen des protestantischen Kirchenbaues überhaupt dar. Heftige Kämpfe haben den Bau beider begleitet, doch haben diese mit dem protestantischen Zweck zunächst nichts zu tun.

Bei der Frauenkirche wirkte die persönliche Feindschaft des ehrgeizigen und mißgünstigen Knöffel zeitweise lähmend auf das Fortschreiten des Baues, aber die endliche Verwirklichung der Bauabsichten vermochte sie nicht zu verhindern.

Die Pläne der Kreuzkirche sind nur verstümmelt zur Ausführung gekommen. Auch hier standen persönliche Gegensätze gleicher Art hindernd im Wege. Daß die volle Durchführung der Pläne scheiterte, [2] ist vor allem den veränderten Kunstanschauungen der Zeit zuzuschreiben. Der Klassizismus herrschte übermächtig. Schmidt und der Rat standen noch zum Barock. Gegen die Barockformen, gegen das stilistisch Wandelbare entbrannte der Kampf. Schmidts Eigenart in der Raumbildung und Massengestaltung und sein Innensystem ließen sich nicht in klassizistische Formen umpressen. Für sie fehlte der klassische Beleg in der alten Kunst, so mußten sie fallen.

Das Barock ermöglichte schöpferische Weiterbildung, wie sie der wenig entwickelte protestantische Kirchenbau brauchte. Dem Klassizismus mangelte das Verständnis für dessen Eigenart. Er kannte nicht den gesunden Grundsatz jeder lebensfrischen Epoche, daß die wichtigste Grundlage der Schönheit eines Gebäudes die Erfüllung des mit ihm verbundenen Zweckes sein muß.

Dresden verdankt der protestantische Kirchenbau neben einer Anzahl wertvoller Bautypen sein wichtigstes Werk, ein Werk, das zu den besten der deutschen Baukunst überhaupt gehört. In Dresden muß er auch zuerst die Macht des Feindes empfinden, der dann das ganze 19. Jahrhundert hindurch seine Weiterentwicklung hemmte, des Feindes, der den Stil über den Zweck stellt, das Kennertum über das Künstlertum, die Autorität über die Individualität.

Die Geschichte des Frauenkirchenbaues, die schließlich doch eine erfreuliche ist, hat ihre ausführ­liche Darstellung gefunden. Eine solche vom Kreuzkirchenbau, die bisher fehlte, soll im folgenden versucht werden. Sie ist leider recht unerfreulich. Unerfreulich ist das Endergebnis, unerfreulich die Kampfesart des Hauptgegners, am unerfreulichsten die Erkenntnis, daß die Kunstanschauung einer Zeit bei aller Ehrlichkeit doch, wenn sie auf ungesunder Grundlage ruht, großen Schaden stiften kann.


Quellen.

In der Literatur sind die baugeschichtlichen Angaben über die Kreuzkirche fast durchgängig falsch oder schief, zumal die Denkschrift im Turmknopf von 1788 (abschriftlich im Ratsarchiv) viele Irrtümer enthält. Nur der wenig bekannte und benutzte Aufsatz „Die Geschichte des Baues der Kreuzkirche“ von Schumann (Dresdner Anzeiger 1882, Nr. 101 und 105) ist in den Hauptpunkten richtig. Vor­liegende Darstellung mußte sich außer auf eingehendes Studium der noch vorhandenen Pläne auch auf Verarbeitung der erhaltenen Akten gründen.

Das Aktenmaterial über den Kirchenbau ist sehr umfangreich. In der Bauzeit 1760–92 war bereits eine behördliche Verwaltungsorganisation mit geregelten Instanzenzügen in Sachsen durch­gebildet, die der heutigen ähnlich, nur weit umständlicher war und sehr langsam funktionierte. In Kirchensachen gingen die Eingaben des Rates ans Oberkonsistorium, von hier mit Bericht ans Geh. Konsil (auch Geh. Räte genannt) zur Vorlage in der Ministerkonferenz, an der der Kurfürst selbst teilnahm. Nach Abschaffung der Konferenzen durch Prinz Xaver 1766 trug der Geh. Kabinettssekretär die Eingänge nebst einem zusammenfassenden eigenen dritten Bericht dem Regenten vor und entwarf dessen Entscheid. In reinen Bausachen hatte die Eingabe des Rates auch an den Gouverneur der Festung zu gehen, der die ihm untergeordnete Oberbaukommission hörte und deren Gutachten nebst eigenem Bericht sowie die Baupläne selbst zur Approbierung durch den Regenten an die Geh. Kabinetts­kanzlei einreichte.

Die wichtigsten Akten der Bauverhandlungen sind die des Geh. Kabinetts, in dem die Eingaben und Berichte zusammenliefen. Vergl. Hauptstaatsarchiv, loc. 2257, Akten, den Kreuzkirchenbau zu Dresden betreffend, volI, 1763–75, loc. 2258, volIIIV, aus den Jahren 1776–98 und loc. 2445, volV, 1801 flg.

Die Akten des Oberkonsistoriums sind jetzt im Archiv des Evangelischen Landeskonsistoriums (die Kreuzkirche betreffend, volIVIII). Wo sich die Akten des Geh. Konsils, des Gouvernements und der Oberbaukommission befinden, konnte ich nicht feststellen. Wesentliches Neues dürften sie kaum bieten, da die Berichte dieser Zwischenbehörden beim Geh. Kabinett blieben.

Über die eigentliche Bauausführung und die Vorgeschichte geben die Ratsakten Auskunft. Vergl. Ratsarchiv BIII. 37, 38, 39, 40, 43 und eine große Reihe kleinerer Faszikel (vergl. den über­sichtlichen Archivkatalog). Das Pfarrarchiv ist 1897 mit der Kirche verbrannt, Bauakten hatte es [3] vermutlich nicht, da der Superintendent mit dem Bau fast nichts zu tun hatte. Von umfangreicher Aktenwiedergabe wurde abgesehen, da diese chronologisch geordnet und leicht zugänglich sind.

Die Risse zur Baugeschichte der Kirche sind nicht alle erhalten und sehr zerstreut. Es befinden sich solche im Hauptstaatsarchiv (Rißschrank III Nr. 85 mit 24 Blatt und XXII Nr. 96 mit 17 Blatt), im Ratsarchiv (Nr. 40 ein Blatt), im Pfarrarchiv (6 Blatt Ausführungspläne) und in der Sammlung für Baukunst an der Technischen Hochschule (siehe Katalog). Die letzteren stammen aus dem Hofbau­amt und kamen dorthin aus der Expedition des zur Oberbaukommission gehörigen Oberlandbaumeisters Exner. In der Kupferstichsammlung weiland König Friedrich August II. ist eine Grundrißkopie erhalten, ebenso im Zittauer Ratsarchiv. Ohne Ergebnis blieb das Forschen nach Plänen in der Königl. öffentlichen Bibliothek, im Kriegsarchiv, im Kultusministerium, im Evangelischen Landeskonsistorium, in der Bibliothek des Dresdner Pionierbataillons und im Hofbauamt, ebenso nach Plänen im Privatbesitz.

Außer den Akten und Rissen über die Kreuzkirche wurde von mir in den Dresdner Sammlungen noch eine große Reihe von Bauplänen und Akten über andere Bauten der Zeit eingesehen und mit­verarbeitet. Sie werden im Text angeführt.

An Literatur wurden folgende Werke eingehend benutzt:

Merkwürdigkeiten der alten und neuen Kreuzkirche zu Dresden. 1792.
Hohlfeld, Die Erbauung der jetzigen Kreuzkirche, in Sammler I, S. 537 flg. 1837.
Dibelius, Die Kreuzkirche zu Dresden. 1892.
Dibelius, Die Kreuzkirche zu Dresden. 1900.

Gurlitt, Die Kunstdenkmäler Dresdens. 1903.
Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen.
Gurlitt, Geschichte des Barockstils. 3 Bände. Stuttgart 1887–89.
Sponsel, Die Frauenkirche zu Dresden. 1893.
Schumann, Barock und Rokoko. Leipzig 1885.
Der Kirchenbau des Protestantismus (K. E. O. Fritsch). Berlin 1893.
Gurlitt, Protestantischer Kirchenbau. Programm der Technischen Hochschule Dresden. 1893.
Sommer, Der Dom zu Berlin. Westermanns Monatshefte 1890. Sonderausgabe.

Dresdner Geschichtsblätter. Herausgegeben von Prof. O. Richter.
Dietrich, Beiträge zur Entwicklung des bürgerlichen Wohnhauses in Sachsen. 1904.
Blanckmeister, Sächsische Kirchengeschichte. Dresden 1895.
Sächsische Kirchengalerie.
Hasche, Beschreibung Dresdens. 1781.
Hasche, Magazin der sächsischen Geschichte. 1784–92.
Hasche, Diplomatische Geschichte Dresdens. Band 1–5. 1816–26.
Heinrich Keller, Nachrichten von allen in Dresden lebenden Künstlern. Leipzig 1788.
J. G. A. Kläbe, Neuestes gelehrtes Dresden. Leipzig 1796.



[4]

Ansicht der alten Kreuzkirche vom Altmarkte aus vor 1760. Nach Canaletto.

I. Beginn des Kreuzkirchenbaues. Schmidt und seine Pläne.
1. Baugeschichte bis 1765.
Während des Krieges.

Die Kreuzkirche, wie sie bis zum Brande 1897 bestand, wie sie sich außen noch heute dem Blick des Beschauers darbietet, stammt im wesentlichen aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, aus der Zeit nach dem Siebenjährigen Kriege, dem die großenteils mittelalterliche alte Kreuzkirche zum Opfer gefallen war.

Bereits 1758 und 1759 waren preußische Truppen nach Dresden gezogen, hatten die Vorstädte gebrandschatzt und zeitweise die Stadt besetzt. Im Juli 1760 rückten sie erneut unter Friedrichs des Großen eigener Führung heran. Am 14. Juli begann die Beschießung der von österreichischen Hilfstruppen besetzten Festungswerke. Am 19. Juli wurde sie besonders heftig und auf die Stadt selbst mit ausgedehnt. Auch gegen den Kreuzturm, der der Besatzung als Ausguck diente, richtete sich das feind­liche Feuer. Gegen 1 Uhr begann er zu brennen, gegen 4 Uhr stürzte das brennende Dachwerk auf das Kirchgebäude und verwandelte dieses in einen Schutt- und Aschehaufen. Nur der Chor, das gesamte Turmmauerwerk und die ausgebrannten Schiffsmauern blieben stehen. Am 23. Juli endete die Be­schießung. Der Feind wendete sich weg von Dresden, um nicht wiederzukehren. Drei weitere protestantische Kirchen der Altstadt, die Annen-, Waisenhaus- und Johanniskirche hatte er mit ver­nichtet. Nur von der Frauenkirche waren seine Bomben wirkungslos abgeprallt. In diese, ein „Filial“ der Kreuzgemeinde, wurde nun der Gottesdienst der Kreuzkirche interimistisch mit verlegt, auf reichlich 32 Jahre. Erst am 22. November 1792 konnte die Einweihung des neuen Kirchgebäudes erfolgen.

[5] Ein baldiger Wiederaufbau ihrer Hauptkirche lag der Bürgerschaft am Herzen. Doch waren keinerlei Mittel hierfür vorhanden. Der Ärar,[1] aus dessen Revenuen Gottesdienst, Kirchendiener und Gebäude erhalten wurden, bestand im „geistlichen Brückenamt“, als der ursprünglichen „Dote“ der Kreuzkirche. Außer ihr diente die Kasse der Frauenkirche, die ursprünglich die Pfarrkirche der Stadt war, seit 1539 aber bis 1878 der Kreuzparochie gehörte. In diese Kasse flossen alle fundierten wie zufälligen Einkünfte der Brücke wie der beiden Kirchen, aus ihr wurden sämtliche Ausgaben bestritten. Die Brücke, die noch bis ins 19. Jahrhundert ein selbständiges Rechtsgebiet außerhalb des Weichbildes der Stadt bildete, war also damals gewissermaßen Eigentum der Kreuzkirche, ein Erbstück aus katholischer Zeit. Die Verwaltung des Brückenamtes führte der Rat, für ihn der Inspektor der Kreuzkirche.

In Zeiten wirtschaftlicher Blüte, wie während des Frauenkirchenbaues, konnten dem Brückenamt ohne Gefahr größere Summen entnommen werden. Durch den Krieg aber war der Zollertrag zurück­gegangen, umfangreiche Ausbesserungen der Brückenbahn nötig, der Zinsfuß gesunken, viele Hypotheken verloren oder uneinbringbar. So reichten die Einkünfte knapp für die Brücke selbst aus, für den Kirchenneubau kamen sie nicht in Betracht.

Zur Tragung der Baukosten war damals wie noch heute die Kirchgemeinde verpflichtet. Die einschlägige Bestimmung Nr. XXXIII der Generalartikel des Kurfürsten August vom Jahre 1557 lautet, es solle zum Bau der Pfarrkirche, wenn er aus dem Kircheneinkommen nicht geschehen könne, von den Eingepfarrten eine gemeine Anlage zu solchem Bau gemacht werden.

An die Erhebung solcher Kirchenbauabgaben war zunächst gar nicht zu denken. Denn in welchem Zustand befand sich die im wesentlichen mit der Altstädter Stadtgemeinde identische Kreuzkirchen­gemeinde! Durch wiederholte Kontributionen, durch die Vernichtung eines Drittels aller Häuser und einen Schaden der Bürger von mindestens 1 1/2 Million Taler war sie „in die allerärmsten Umstände“ versetzt. Bitter klagt der Rat[2] der „gänzlich verarmten Kommun über den elendesten Zustand, äußerstes Bedürfnis und große Schuldenlast“. Eine solche Gemeinde war zunächst nicht in der Lage, ihre Kirchenbaupflicht zu erfüllen.

Die Sorge um die Wiederaufhelfung der Stadt selbst verschlang alle Kräfte. Die eingesetzte Kommission zur Wiederherstellung Dresdens forderte von der Regierung vor allem 100 000 Taler zur Beschaffung von Baumaterialien für die Bürger. Diese begnügten sich zunächst damit, das Erd­geschoß ihrer Häuser bewohnbar zu machen und zu bedachen. Nur 13 Häuser wurden im Jahre der Beschießung wieder völlig aufgebaut. Im nächsten Jahre wurde dann über die Hälfte der zerschossenen Gebäude neu hergerichtet. Das Wirtschafts- und Verkehrsleben der Stadt begann sich etwas zu erholen. Geordnete Zustände griffen allmählich wieder Platz. Gleichzeitig tritt uns die erste Fürsorge für den Wiederaufbau der Hauptkirche entgegen. Am 20. Juli 1761, Jahr und Tag nach der Be­schießung, besichtigen auf Ersuchen des Rates zwei Baumeister, der Generalaccisbaudirektor Samuel Locke und der Landbau- und Zimmermeister Johann Georg Schmidt, eingehend die Trümmer der alten Kreuzkirche und erstatten darüber Bericht in folgendem Sinne:

Die (inneren) Pfeiler sind gänzlich weg und ruiniert, die Außenmauern noch gut und, wenn sie bleiben sollen, imstande, ein Dach zu tragen. Eine Verwendung der Reste ist angängig, aber mit viel Mühe und Beschwerlichkeit verknüpft. Dasselbe gilt auch für das stehengebliebene Turmmauerwerk, doch ist über dessen Stabilität noch kein abschließendes Urteil möglich.

Der Rat ging auf den Plan, die Mauerreste wieder auszubauen, zunächst ein. Sowohl Locke wie Schmidt fertigten hierfür Risse, die jedoch nicht zur Approbierung weiter gegeben wurden, wie der schon 1785 festgestellte Mangel an Nachrichten in den Akten sämtlicher Instanzen beweist. Für die Abhaltung des Gottesdienstes war gesorgt. Auch zur bloßen Erneuerung der Kirchenruine fehlte das Geld. Man beseitigte nur einige gelockerte Mauerteile „mit äußerster Lebensgefahr“ und brachte ein Interimsgeläute an (Februar 1762).

[6]
Nach dem Friedensschluß 1763–65.

Bereits zwei Tage nach dem offiziellen Landesfriedensfest im März 1763 erging eine Oberkonsistorialverordnung an den Rat, „auf Wiederaufbauung der geistlichen Gebäude das Augenmerk zu richten, besonders voritzo über den zu vollführenden Kreuzkirchenbau Risse und Anschläge durch geschickte Gewerken des fördersamsten fertigen zu lassen und mit Bericht einzuschicken, auch alles recht zu beschleunigen“.

Ansicht der alten Kreuzkirche vor dem Jahre 1760.

Nach zwei Monaten reichte der Rat das erste Neubauprojekt ein, mit dem er den Baumeister Johann Georg Schmidt beauftragt hatte. Der Rat fügte hinzu, daß er durch teilweise Verwendung der Ruine eine Ersparung an Kosten erhofft habe, der Plan sei aber (ihm) „nicht annehmlich“ gewesen. Im Oktober 1763 approbierte Kurfürst Friedrich Christian die Eingabepläne und ordnete an, daß mit dem Bau „in solchem Maße der Anfang gemacht werde“.

Die Kosten des Neubaues waren in der Eingabe auf 258 800 Taler ohne die „Einbehörungen“ veranschlagt. Doch erklärte der Rat gleichzeitig: „Wir finden uns keineswegs imstande, ein so kost­bares (d. i. teures) Werk nur anzufangen, weniger auszuführen, wo uns nicht durch höchst landesherrliche und andere auswärtige große subsidia unter die Arme gegriffen werden sollte.“ Denn „die Kirche [7] hat kein Vermögen“. Die Beschaffung der Baugelder bildete eine schwere Sorge für den Rat. Die Hoffnung auf Zuschüsse des Landesherren, die beim Bau der alten Kreuzkirche und des Turmes mehrfach und reichlich geflossen waren, und auf ertragreiche Kollekten in einer Zeit, da man oft und allenthalben in protestantischen Landen für bedrängte Glaubensgenossen eine offene Hand hatte, diese Hoffnung ermutigte den Rat, die Kreuzkirche als völligen Neubau zu planen, der sich würdig der Frauenkirche anschließen und hinter den Bauten der kunstsinnigen katholischen Fürsten nicht zurückstehen sollte.

Das Jahr 1763 verging über Verhandlungen mit dem Oberkonsistorium in der Frage der Geldbeschaffung, ohne daß freilich eine ergiebige Quelle hierzu entdeckt werden konnte. Im August wurden mit Genehmigung dieser Behörde 30 000 Taler aus dem Sophienärar zinslos vorgeschossen. Die Sophienkirche hatte ihre eigene Vermögensverwaltung, obwohl sie ähnlich wie die Frauenkirche der Kreuzparochie gehörte. Im Dezember wurden 5500 Taler von der Landeskollekte am Friedensfest

Nach einer Zeichnung in der Kupferstichsammlung F. A. II. Nr. 99030. Ergänzt.

zum Bau überwiesen. Nachdem der Rat die ersten Baugelder erhalten hatte, wurde sofort das Rüstholz angeschafft, die Plätze in- und außerhalb der Kirche von dem „häufigen“ Brandschutte geräumt, das Altarhaus niedergelegt und alles zur Auf­stellung des Gerüstes für den weiteren Abbruch vorbereitet. Am 4. Februar 1764 beschloß der Rat den Beginn des Kirchenbaues. Baumeister Schmidt, „der die Risse dazu gefertigt hat, und da­her, wie solche auszuführen, am besten wissen muß“, wurde vors Kollegium gefordert und ihm die Di­rektion des Baues cum admonitione aufgetragen. Von dieser Verpflichtung an datiert sein Titel als Ratsbaumeister, mit dem er in der Folge genannt wird, den er aber wenige Tage vorher in seiner Unterschrift noch nicht gebraucht. Mit hohem Ernst tritt Schmidt an seine Aufgabe heran. „Meine Obliegenheit erfordert,“ schreibt er in einer Ein­gabe an den Rat, „mich dieses großen Vertrauens würdig zu machen, weil es ein hochwichtiges Werk ist, welches durch göttliche Weisheit unterstützt, mit allem menschlichen Verstande, Fleiße und Vor­sicht freudig angefangen, fortgesetzt und vollendet werden muß.“

In der Wahl der Baugewerken wird ihm freie Hand gelassen. Für die Tüchtigkeit der Arbeit soll er selbst verantwortlich sein. Ein Bauaufseher für 1 Taler wöchentlich zur „Ergötzlichkeit“ wird angestellt und verpflichtet, über die „anzulegende“ Mannschaft und die angeschafften Baumaterialien acht zu haben. Ferner hält Schmidt die Anstellung zweier Baukondukteure für erforderlich, wie „bei der Frauenkirche und anderen neuerlichen Gebäuden“ geschehen sei. Mit Beginn des Baues höre sein Zeichnen auf und er müsse sich die meiste Zeit beim Bau selbst aufhalten. Dafür müssen die Hilfskräfte inzwischen zu Hause zeichnen und modellieren und nach seinem Entwurf und seinen Angaben alles Nötige herzustellen wissen, insbesondere alle Teile ins Große zeichnen, Schablonen anfertigen und den Handwerkern die Arbeit aufs genaueste anweisen.

Ob solche Kondukteure angestellt wurden, erfahren wir nicht. Vermutlich war Ch. H. Eigen­willig als solcher tätig. Er wird später als Ratskondukteur bezeichnet und war vom Rat nach dem Kriege von auswärts „verschrieben“ worden. Im Juni 1765 wird neben den Baugewerken des Rates ein Kondukteur Ambrosius Enke, den wir auch im Staatsdienst finden, genannt. Ob er aber damals für den Kreuzkirchenbau tätig war, ließ sich nicht feststellen.

[8] Neben der Baudirektion Schmidts stand die Kircheninspektion, ausgeübt durch den Bürger­meister Christoph Bormann als Verwalter des geistlichen Brückenamtes und Vertreter des bauenden Rates. Dieser gab ihm sehr bald das Lob, er habe sich sothaner Funktion mit aller Applikation und Treue unterzogen. Bereits seit 1735 gehörte Bormann dem Stadtrat an und hatte als solcher die letzte Periode des Frauenkirchenbaues noch mit durchlebt. Nach einer Notiz Hasches (D. G. Dr. IV S. 220) zu schließen, war er der letzte, der in Dresden noch die große Allongeperücke der Barockzeit trug. Bei Beginn des Baues war er schon ein hoher Sechziger. Doch hat er volle 21 Jahre die große Arbeitslast der Bauverwaltung getragen. Nicht nur die Beschaffung und Durchführung der Baupläne, die Verhandlungen mit Baumeistern, Gewerken und den Behörden, die Bestellung der Materialien und die Auszahlung der Arbeitslöhne fiel ihm zu, sondern auch die gesamte Rechnungs­legung hat er erledigt. Ein Bauschreiber (bis 1770 Palitzsch) und ein Hilfsschreiber arbeiteten in seiner Expedition zu Hause, wo sich auch die Kasse befand.

Auf seinen Wunsch nach Unterstützung durch ein weiteres Ratsmitglied bekam der Senator Samuel Gottlieb Büttner am 5. Juli 1764 die Mitaufsicht unter Direktion Bormanns. Eine nennens­werte Beihilfe scheint indes Büttner nicht geleistet zu haben. Sein Name tritt uns in den Bauakten nie wieder entgegen. Auch hören wir nach seinem Tode 1769 nichts von Ernennung eines Nachfolgers. Ursprünglich war er Advokat, dann Accisaktuar gewesen, bis ihn der Rat 1740 auf kurfürstlichen Befehl als Mitglied aufnehmen mußte.

Die Baudirektion und die Kircheninspektion sind die beiden Verwaltungskörper, mit deren Hilfe der Rat den Kirchenbau durchführte.

Das Verhältnis des bauenden Rates zum Superintendenten der Kirche und zum Ober­konsistorium ist hier noch kurz zu streifen. Dem Rat fiel der Bau nicht eo ipso zu, auch nicht als dem Patron, sondern als dem Verwalter des Kirchvermögens. Nach der Einrichtung selbständiger Kirchenvorstände im Jahre 1868 ging mit der Verwaltung der Kirchenkasse auch die Bauverwaltung vom Rat an den Kirchenvorstand und Superintendenten über. Beim Baubeginn bis 1777 war Am Ende[3] Superintendent, ein friedliebender und sanfter Mann von großer Frömmigkeit und Rechtschaffenheit. Kraft seines Amtes hatte er keinerlei Einfluß auf den Kirchenbau. Der Rat scheint ihn in keiner Weise zur Beteiligung an den Baufragen herangezogen zu haben. Sorge, an Selbst­bestimmungsrecht einzubüßen, war wohl der Grund, und diese Sorge war nicht ungerechtfertigt im 18. Jahrhundert, in der Zeit der Entwicklung und Ausbildung der staatlichen Verwaltungsorganisation. Jede Behörde hatte das naturgemäße Streben, ihren Machtbereich zu erweitern, mindestens aber den Verlust, den sie durch Einfügung oberer Instanzen in ihrem Wirkungskreise erlitt, nach unten zu wieder zu ersetzen.

Gleich im Anfang, im Sommer 1763, stellte das Oberkonsistorium den Rat darüber zur Rede, daß er Brandschutt beim Räumen des Bauplatzes in die ausgefahrenen Straßen der Stadt geschafft habe, ohne dafür Einnahmen zu verbuchen. Die Entgegnung des Rates, daß der Schutt unbrauchbar war und beseitigt werden mußte, genügte ihm nicht. Es schrieb: „Der Rat ist um so weniger ent­schuldigt, [9] da keinem Patrono oder Kollatori eigne Jurisdiktion oder Disposition über ein geistliches Gebäude zusteht.“ Der Rat solle mit dem Superintendenten jedesmal Kommunikation in ecclesiasticis pflegen und ohne dessen ausdrückliche Einwilligung nichts unternehmen, voritzo aber... den brauch­baren Schutt in Einnahme bringen. Der Rat, der auf das Wohlwollen der Behörde bei Beschaffung der Gelder angewiesen war, schwieg zunächst zu diesem Versuch, seine bisherige Selbständigkeit zu beschränken.

Das Schreiben des Oberkonsistoriums verrät, daß die tiefere Ursache seiner Mißstimmung in der Übergehung des Superintendenten, der zugleich Mitglied dieser Behörde war, zu suchen ist.

Im Oktober 1763 forderte das Oberkonsistorium aufs neue, daß nichts ohne Vorwissen des Superintendenten als Kommissarii veranstaltet, auch fleißig cum actis Bericht erstattet werde. Die Wiederholung der Forderung zeigt, daß der Rat sich nicht an sie kehrte.

Zeitlich etwas vorgreifend ist hier der Versuch des Oberkonsistoriums zu erwähnen, seinerseits eine besondere Baukommission[4] ins Leben zu rufen. Es schrieb im August 1764 an den Rat: „Wir finden für gut, zu mehrerer Beförderung dieses Hauptbaues eine Kommission niederzusetzen.“ Der Superintendent, der Bürgermeister Bormann als Inspektor der Kirche sollen ihr „unter Anderen“ angehören, der Rat soll „Vorschläge“ für ein weiteres Ratsmitglied machen und der ferneren Ent­schließung gewärtig sein. Hatte vor Jahresfrist der Rat geschwiegen, jetzt trat er mit großer Bestimmtheit einer Einschränkung seiner Rechte entgegen. Nur für den Fall, daß die Kommission nicht über ihn hinweg handle, daß das Kommissionale an ihn, als ein Kollegium, dem iure proprio als Patron die Veranstaltung des Kirchenbaues zustehe, gerichtet werde, entsendet er ein Mitglied und zwar den Stadt­schreiber zur Führung des Protokolls. Auch dies ein Zeichen, daß der Rat sich den Einfluß in der Kommission möglichst sichern wollte. Der Superintendent wurde zur Mitunterzeichnung des Berichts herangezogen. Das Oberkonsistorium forderte als Antwort vom Rat einen schleunigen Bericht, woher er das noch nötige Geld nehmen wolle, da ihm als Patron die Aufbringung der Kosten zustehe. Über die Kommission folge später Resolution. Sie ist nie erfolgt. An einer Kommission, die von ihm nicht abhängig war, hatte das Oberkonsistorium kein Interesse.

Im Frühjahr 1764 war der Stand des Kirchenbaues sehr hoffnungsvoll. Die Pläne waren anstandslos genehmigt, der Bau selbst vergeben, seine Leitung organisiert und Geld für die ersten Baujahre vorhanden.

Schmidt begann damit, den nördlichen Teil der alten Kirchenmauern niederzulegen. Gleichzeitig ließ er die durch das Feuer geschwächten Schäfte des alten Turmes neu aufführen und seine Breitseiten durch starke Anker befestigen. Die Grüfte innerhalb der alten Kirche wurden abgebrochen und den Särgen unter dem Altarplatz neue Gewölbe erbaut.[5] Bis zum 16. Juli 1764 war alles zur Grund­steinlegung für den Neubau fertig. Die Gemeinde konnte ihr „vergnüglich“ entgegensehen.

In diese Vorbereitungszeit von Februar bis Juli 1764 fällt auch eine wesentliche Erweiterung der Schmidtschen Baupläne. Bereits bei Übernahme der Direktion im Februar erklärte Schmidt, daß hohen Ortes (nähere Bezeichnung fehlt) an den oberen Teilen der Kirche, also an der Fassadengestaltung, in den Rissen etwas geändert worden sei. „In Konformität dieser Korrektion“ seien sämtliche Risse wieder neuerlich anzufertigen.

Im April 1764 forderte der Präsident des Oberkonsistoriums von Globig Schmidt zu sich, um sich über den Bau Nachricht geben zu lassen und äußerte dabei „besondere Sorgfalt, ob der Turm wohl stehen bliebe und nicht bei dem neuen Baue gar einfallen möchte“. Schmidt suchte nun durch [10] Verbreiterung der Kirche den Turm noch inniger mit dem neuen Mauerwerk zu verbinden. Am 28. April 1764 wurde diese Grundrißänderung in der Ministerkonferenz ohne Anstand genehmigt.

Im Juni hatte Schmidt das dieser Änderung entsprechende zweite Neubauprojekt fertig. Bei der Abgabe berichtete er, daß er vor einiger Zeit von Prinz Albert[6] zu Hofe berufen worden sei. Der Prinz habe ihn bedeutet, die Risse seien ganz gut eingerichtet, nur im Äußeren ließe sich noch bessern und zwar sollten die Fenster in der Dachung höher gerückt und die Pilaster an den Portalen durch Säulen ersetzt werden. Die Audienz bei Prinz Albert wird mit der im Februar erwähnten identisch sein, da erst jetzt geänderte Fassadenpläne abgegeben wurden. Der Rat reichte die neuen Pläne zur nochmaligen Approbation ein. Umgehend erfolgte diese in der Ministerkonferenz vom 23. Juni 1764.

War aber die Bestätigung bisher glatt erfolgt, jetzt lautete der Beschluß dahin, daß „die anderweit gefertigten Risse zwar im Hauptwerk approbiert, daneben aber für gut befunden werde, deren Kommunikation an den Hofbaumeister Krubsacium wegen der Befestigung sowohl als der Verzierung besonders der in den Kolonnaden (Säulenordnungen), Türen und Fenstern wohl zu beachtenden Proportionen anzuordnen“. Der Rat erholte sich noch vorschriftsgemäß die Unterschrift des Gouverneurs der Residenz und Kommandanten der Festungswerke (12. Juli). Am 16. Juli 1764 erfolgte dann mit großer Feierlichkeit die Grundsteinlegung durch den Prinzen Xaver selbst. Für die Baugeschichte ist die Anteilnahme des Hofes an der Grundsteinlegung[7] nicht ohne Einfluß. Das bei den Wettinern so selbstverständliche Interesse an jedem größeren Bau in ihrer Residenz wurde auch bei Prinz Xaver geweckt und gestärkt. Er wollte hinfort nicht zugeben, daß „in Ansehung eines solchen auf langwierige Dauer bestimmten öffentlichen Gebäudes etwas versehen werde“.

Leider ist dieses Interesse des Administrators, dem der Untergrund eigenen künstlerischen Empfindens und Verständnisses abging, für die Baugeschichte nicht fördernd, sondern hemmend und schädigend gewesen.

Nach der Grundsteinlegung wurde mit aller Macht der eigentliche Neubau gefördert und noch im Juli die Aufmauerung des Grundes für die nördliche Seite der Kirche um 4000 Taler verdungen. Schmidt reiste zur Beschleunigung der Materiallieferung selbst in die Steinbrüche.[8] Im [11] Januar 1765 war bereits die Zocke an der Nordseite 5 Ellen hoch aufgemauert. Auch die bisher noch stehende südliche Hälfte der Kirchenmauern wurde niedergebrochen, neuer Grund gegraben und mit der Aufmauerung begonnen.

Ansicht des Turmeinsturzes nach Canaletto mit Angabe der Künzelmannschen Leiter und der
nördlichen Sockelmauer des Schmidtschen Neubaues.

Grundriß des alten Turmes mit den anschließenden Mauern des
Schmidtschen Planes. Maßstab 1 : 666.
Nach Zeichnungen in der Kupferstichsammlung F. A. II. und im
Zittauer Ratsarchiv. Teil.


[12] Da trat ein ungeahntes Ereignis ein. Am 22. Juni 1765 stürzte plötzlich die Hälfte des alten Turmes und zwar die Ostwand desselben „mit entsetzlichem Krachen“ zusammen.[9]

Der Einsturz der östlichen Turmhälfte gehört mit zu den schwersten Schlägen, welche die Kreuzkirche in den 600 Jahren seit ihrer Gründung so oft betroffen haben. Schlimm war, daß die Ostwand niedergegangen, schlimmer fast, daß die Westwand gefahrdrohend in ihrer vollen alten Höhe von über 60 m noch stand. Eine Ausbauchung derselben von 6 bis 7 Zoll infolge des Schutt­druckes ließ anfangs ihren Nachsturz, gegen das Schiff zu, befürchten. Außerdem drohten überhängende Teile herabzufallen. Einige Beruhigung gewährte, daß die Ausbauchung trotz der Druckvermehrung durch anhaltende Regengüsse konstant blieb. Schmidt schlug vor, schleunigst ein Gerüst zum Abbruch der Wand zu bauen, und zwar in 8 Ellen (4,5 m) Abstand von der Westwand, um alle Gefahr für die Bauleute und fürs Gerüst durch abbröckelnde Quader und Mauerteile zu vermeiden.

Der Gedanke, wie die noch drohenden Gefahren zu beseitigen seien, beschäftigte alle Kreise der Stadt und führte zu einer Reihe nicht ausführbarer Vorschläge. Schließlich meldete sich ein alter Maurergesell Künzelmann, dessen Vorschlag Schmidt für den besten hielt. Ausgehend davon, daß an der Innenseite des Turmes von 8 zu 8 Ellen in der Höhe noch Stufen der Treppen erhalten waren, ließ er sich von den Zimmerleuten einbäumige Leitern, „Stangen mit durchgesteckten Nageln“ (Quer­sprossen), verfertigen, und befestigte sie mittels horizontal eingespannter Hölzer zwischen je zwei stehengebliebenen Treppenläufen. Bereits am zweiten Tage gelangte er zu der auf Konsolen vorgekragten Turmgalerie. Von hier aus begann durch eine größere Anzahl Maurer der Abbruch und das Absteifen der überhängenden Teile. Am 6. Juli, eine Woche nach dem ersten Aufstieg Künzelmanns, war die Arbeit beendet. Die Situation dieser Tage hat uns Belotto Canaletto in einer Radierung und einem Ölgemälde (Dresdner Galerie Nr. 638) getreulich überliefert. Die auf Anordnung des Rates von Schmidt angefertigte genaue Zeichnung der Turmruine mit Angabe der Künzelmannschen Fahrt ist nicht erhalten.

In der Literatur treffen wir mehrfach die Anschauung, Schmidt sei an dem Turmeinsturz schuld, oder mindestens sei das Vertrauen zu ihm durch das unvorhergesehene Ereignis erschüttert worden. Aus den Protokollen und Akten des Kirchenbaues ersehen wir indes, daß diese Ansicht durchaus falsch ist. Ja es findet sich in den gleichzeitigen Schriften und Quellen auch nicht eine Angabe, in der der leiseste Vorwurf oder Verdacht gegen Schmidt gefunden werden könnte. Fünf Winter hindurch hatte der alte Turm ohne die stützenden Mauern des Kirchgebäudes Wind und Wetter getrotzt und fest gestanden. Bereits 1761 hatten Schmidt und Locke den alten Turm eingehend geprüft, eine Haupt­reparatur gefordert und Vorschläge gemacht. Dementsprechend ließ Schmidt noch vor Beginn des Kirchenbaues die Schäden des durch einfache Notdächer geschützten Turmes ausbessern. Die geplante Fassadenumgestaltung des Turmes war noch nicht in Angriff genommen.

Die Gründe für den Einsturz sind vielmehr in dem ungleichmäßigen Gefüge des immer und immer wieder erhöhten und verstärkten Turmkörpers und in dem unzureichenden Bankett zu suchen. Während an der Nordseite der Anschluß des Neubaues ohne Zwischenfall verlaufen war, konnte die übermäßig stark beanspruchte Lehmsohle beim Anschluß der Südseite ausweichen, da die benachbarten Fundamentgräben durch Wolkenbrüche erweicht waren.

Woher kamen nun die späteren Verdächtigungen Schmidts? Sie hingen mit der weiteren baugeschichtlichen Entwicklung zusammen, die zu seiner Verdrängung durch den Oberlandbaumeister Exner führte. Dieser hatte sofort nach dem Einsturz in staatlichem Auftrag die Unglücksstätte besichtigt und Bericht erstattet. Daß er weder damals noch später offen einen Vorwurf gegen Schmidt erhob, gegen den er sonst nach Kräften arbeitete, ist vielleicht der beste Beweis, daß er nicht den geringsten Anlaß dazu finden konnte. Das hinderte ihn indessen nicht, in seinem von persönlicher Gehässigkeit strotzenden Gutachten gegen Schmidts Pläne 1767 und 1768 gelegentlich Sätze einfließen zu lassen, die in dem unbefangenen Leser den Eindruck einer Schuld Schmidts erwecken konnten. Beim Forschen [13] nach den angeblichen Fehlern, die zu Schmidts Verdrängung geführt haben konnten, kam man darauf[10], ihm Schuld am Turmeinsturz zuzuschieben.

Die Aufstellung des Gerüstes an der Westseite des Turmes beanspruchte sieben Wochen, der Abbruch selbst gerade ein Jahr. Im August 1766 war er beendigt, der Grund zum neuen Turm ausgegraben und abgesteift, auch die Aufmauerung der südlichen Kirchenhälfte bis zur Zocke fort­geschritten. Da mußte Anfang September der Rat den Weiterbau auf Anordnung des Ober­landbaumeisters Exner einstellen.

Die Jahre 1765 bis 1769 wurden aus­gefüllt durch Verhandlungen um Genehmigung der Schmidtschen Baupläne.


2. Der Baumeister der Kirche.
Schmidts Leben und Tätigkeit.

Was wissen wir heute über Johann Georg Schmidt, seinen Lebens- und Bildungsgang? 1774 am Nachmittag des 28. Juli[11] wurde er „eines hochedlen Rats Bau- und Zimmermeister für 4 Taler 13 Groschen, wovon 1 Taler 4 Groschen pro concio (für die Leichenrede) nach St. Johannis begraben“. Verstorben ist er „am verzehrenden Fieber in seinem eigenen Haus auf der Seegasse als Ehemann, 67 Jahre alt“. Der ehemalige Johannisfriedhof, in der Gegend der Johann-Georgen-Allee, ist 1861 säkularisiert, die Gebeine Georg Bährs sind damals in die Grüfte der Frauenkirche überführt worden. Seinen Schüler kannte man nicht mehr.[12] Auch heute sind wir wenig über sein Leben unterrichtet. Das meiste erzählt er uns selbst in einer Ver­teidigungsschrift gegen Exner[13] (Juli 1767).

Im Jahre 1707 geboren, vermutlich in Dresden, fand er früh in dem Hause seines Vetters Georg Bähr Aufnahme und die erste Anregung für seinen Beruf. „Von Jugend auf habe ich bei dem berühmten Baumeister Bähr in den besten Zeichnungen fremder ansehnlicher Kirchen und Hauptgebäude mich zu üben Ge­legenheit gehabt.“ Bis zum Tode des Meisters war er immer an dessen Seite und in dessen Hause. Unter ihm hat er auch das Zimmerhand­werk zunftmäßig erlernt.

Haus Ecke Seestraße und An der Mauer, 1711 von Bähr
errichtet. Wohnhaus von Bähr und Schmidt.
Im Obergeschoß die Zeichenstube.

[14] Gewandert ist er kaum. Er hätte dies angemerkt, als er sich mit seinem Bildungsgang ver­teidigte. Zur Erwerbung des Meisterrechtes waren zwar Wanderjahre vorgeschrieben, doch konnte Dispensation vor allem an Meistersöhne erteilt werden. Die Zimmerordnung von 1752 sucht Dispensationen möglichst einzuschränken, ein Zeichen, daß solche häufig waren.

Beim Bau der Frauenkirche (1726–40) hat er „vom Anfang bis zum Ende die aller­meisten Zeichnungen und Modelle gefertigt und ausführen helfen“. Auf den sauber gezeichneten und wirkungsvoll abschattierten Blättern der Kupferstichpublikation über die Frauenkirche vom Jahre 1736 ist ausdrücklich neben dem Stecher, J. G. Schmidt als der Zeichner vermerkt. Er ist jedenfalls einer der beiden Kondukteure, die der Meister nach Schmidts eigener Angabe reichlich hat bezahlen müssen (Sponsel, Frk.).

In Schmidt, dem Gehilfen Bährs, fand auch Landbaumeister Schatz bei seiner statischen Unter­suchung der Frauenkuppel im August 1738 den berufenen Führer, der ihm die Intentionen Bährs am besten vermitteln konnte. Schatz hebt ausdrücklich hervor, daß Schmidt alle Risse mundieret, d. h. aufs Reine gezeichnet habe (Sponsel, Frk). Unter Bähr war er u. a. auch an der Neustädter Dreikönigs­kirche (1732–39) mit tätig.

Nach Bährs Tode 1738 führte er für dessen zweite Frau und ihre sechs unmündigen Kinder die Klage gegen den Rat um das Architektenhonorar des Verstorbenen. Bald darauf heiratete er, ein angehender Dreißiger, die noch junge Witwe seines Meisters. Damit fiel ihm Bährs Haus in der Seestraße, Ecke an der Mauer, zu, dessen Nachlaß an Studienmaterial, sowie die Privatkundschaft. Gleichzeitig wird er sein Meisterrecht erworben haben. Die Verheiratung mit einer Meisterswitwe erleichterte dies.

Über Schmidts selbständige Tätigkeit kurz nach Bährs Tode sind wir wenig unterrichtet. Jedenfalls wird er als Nachfolger Bährs den Bau der Neustädter und der Frauenkirche bis zum Ende geleitet haben. Nach Steche[14] hat er auf Befehl des Königs 1740 die steinerne Laterne der Frauen­kirche mit dem hölzernen Dache nach eigener Zeichnung ausgeführt. Das würde mit den Angaben der verschiedenen, freilich sehr unzuverlässigen Künstlerlexika übereinstimmen, die Schmidt den Frauenturm zuschreiben. Nach Sponsel (Frk.) bestimmte der König zunächst einen Entwurf von Fehre, der ganz in Stein gedacht war, zur Ausführung, für die auch Knöffel einen Riß vorgelegt hatte. Der Rat schrieb dann, daß er die Laterne mit hölzernem Dachhelm unter Kommunikation mit dem Ober­landbaumeister Knöffel auszuführen gesonnen sei. Wer diesen Riß gefertigt, wird nicht gesagt. Die Tradition macht es wahrscheinlich, daß ein Plan Schmidts inzwischen die Billigung des Rates gefunden hat. Obwohl Schmidt damals nicht Ratsbaumeister war, dürfte er doch die Bauleitung gehabt haben.

Der große Stadtbrand von Großenhain am 8. Juni 1744 gab unserm Baumeister erstmalig Gelegenheit zu eigener Kirchenplanung. Die mitzerstörte gotische Pfarrkirche war kurz vorher in den dreißiger Jahren im Innern vollständig erneuert worden, vermutlich nach Plänen Bährs. Die Be­auftragung Schmidts legt das nahe und beweist, daß sich dieser eines ziemlichen Ansehens erfreute. Schmidt hat den Bau der Kirche „nicht nur gezeichnet, sondern auch ausgeführt“. „Ein gleiches (Planung und Ausführung) ist bei hiesiger Annenkirche und bei vielen anderen privaten Gebäuden bis anhero (1767) geschehen, so daß es mir weder an Theorie noch Praxis fehlt.“ Nur bei drei Privathäusern ist uns seine Urheberschaft überliefert. Fünf weitere von den noch erhaltenen bedeutenderen Wohngebäuden der Zeit können wir ihm auf Grund stilistischer Übereinstimmung sicher zuschreiben. Da Schmidt nach eigener Angabe eine ausgedehnte Bautätigkeit entfaltet hat, sind uns viele seiner Bauten nicht bekannt.

Als Zimmermeister finden wir ihn an der katholischen Hofkirche, der bedeutendsten Bau­ausführung seiner Zeit. Im Jahre 1762 war er an zwei Bauten Lockes als solcher tätig.[15] Daß es ihm als entwerfenden Architekten oder als Gewerken an Arbeit gefehlt habe, ist nicht anzunehmen. Bis 1760 wuchs die Dresdner Bevölkerung und die Häuserzahl stetig und nach dem Kriege gab es erst [15] recht zu tun beim Wiederaufbau der Stadt. Vielleicht hat er auch in der Umgegend von Dresden eine größere Tätigkeit ausgeübt. 1761 unterzeichnet er als „Landbau“- und Zimmermeister. Möglich wäre, daß er das ländliche Bauwesen als ein Spezialgebiet bezeichnen wollte. Wahrscheinlicher ge­brauchte er das Wort Landbau wie vielfach bis ins 19. Jahrhundert nicht im Gegensatz zu Stadtbau, sondern in der Bedeutung von Bau schlechthin.

Schmidt war als tüchtiger Meister angesehen und bekannt. „Es werden sich viele geschickte Männer finden, die mich mehr als dem bloßen Namen nach kennen.“ Seine Berufung durch den Rat zur Begutachtung und dann zum Anfertigen von Rissen für die Kreuzkirche bestätigen die Wertschätzung seines Könnens. Mit Übernahme der Direktion des Kirchenbaues wurde er im Februar 1764 Rats­baumeister. Kurz danach erhielt er die Neuerrichtung der Annenkirche[16] übertragen. Im Mai 1764 wurde der Bau abgesteckt, im Oktober 1769 erfolgte die Einweihung. Da ein Zimmermeister Junkgen als Gewerke genannt wird, scheint Schmidt lediglich als Bauleiter tätig gewesen zu sein.

Fassadenteil, sowie Erd- und Obergeschoßgrundriß
Vom „Roten Hirsch“.
Maßstab 1 : 500.
Originale im Hauptstaatsarchiv.

Für die Stadt hat er weiterhin das Gewandhaus entworfen. Die Regierung schickte das Ratsprojekt Anfang 1768 zurück, nachdem der Anschlag „gebührend moderiert, nicht minder zu den drei Fassaden abgeänderte Risse mit einem gebrochenen Dach statt des projektierten Mezzaningeschosses entworfen und Alles vom Administrator approbiert“ war. Der Bau sollte noch 1768 unter Dach kommen. 1770 war er in Benutzung.

Ein weiterer städtischer Bau Schmidts ist das vor kurzem abgebrochene Waisenhaus am Georg­platz. Die Kirche desselben, für die er 1768 und 1771 Pläne geliefert hat, ist erst nach seinem Tode von Eigenwillig (1777–80) nach dessen Entwurf ausgeführt worden.

Im Jahre 1769 wurde der Rat durch die Regierung gezwungen, Schmidt die Baudirektion der Kreuzkirche zu entziehen. Ratsbaumeister blieb er. Aber die aufreibenden Kämpfe um die Durch­setzung seiner Pläne und die schwere unverdiente Kränkung hatten ihn gesundheitlich schwer erschüttert. Wie einst Bähr[17], so erlag auch er der heimtückischen Schwindsucht. Eine Stütze für seine letzten [16] Jahre fand er in dem späteren Festungsbaumeister Lohse[18], der 1770 im Alter von 30 Jahren, nachdem er bis dahin die Akademie besucht hatte, bei ihm eintrat, um sich im praktischen Teil der Baukunst auszubilden.

Schmidts Bauten und ihre Formen.

Schmidts künstlerische Eigenart ist nur wenig bekannt. Schumann war der erste, der ihn der unverdienten Vergessenheit entriß. Gurlitt (B. u. R. Deutschl. S. 404) hat ihn in die Geschichte der Baukunst aufgenommen und als protestantischen Kirchenbaumeister gewürdigt. Seine vorbildliche Tätigkeit auf diesem Gebiet ist später zu besprechen. Eine Analyse der stilistischen Eigenart Schmidts ist nötig, da Stilfragen in den Kämpfen um die Kreuzkirchenpläne eine Hauptrolle spielen.

Seine künstlerische Ausbildung hat Schmidt unter seinem 40 Jahre älteren Vetter Bähr durchgemacht. Bähr war der Vertreter eines Barock, das süddeutschen Formen nahe steht. Bürgerliche Bauten von ihm sind nur wenige beglaubigt. Sein Name tritt zurück gegen den seines ihm künstlerisch verwandten Altersgenossen Pöppelmann. Die Wohngebäude im „Pöppelmannschen Geschmack“ dürfte nicht der vielbeschäftigte hohe Baubeamte des Fürsten, sondern der auf Privattätigkeit angewiesene bürgerliche Architekt entworfen haben.

Schmidt hat in seinen barocken Formen zweifellos die stärksten Eindrücke nicht von Pöppelmann, sondern von Bähr erhalten. Ebenso wird in der letzten Zeit Bährs die Risseanfertigung für Privat­bauten ihm zugefallen sein. Eine Reihe von Gebäuden, die von ihm später verwendete Formen zeigen,

Unterschrift Schmidts vom Jahre 1740 auf der Rückseite der Pläne zum Hirsch.

werden wir daher ohne Gefahr den Bährschen[19] zuzählen können. Wie weit Schmidts eigene Individualität dabei mitgesprochen, muß eine offene Frage bleiben.

Als Schmidts Aufnahmefähigkeit für Formen begann, Ende der zwanziger Jahre des 18. Jahr­hunderts, hatte die überschäumende Barockkunst in Dresden bereits ihren Höhepunkt überschritten. In Bährs eigenem Schaffen trat eine Formenmäßigung ein. Die architektonischen Linien sind an der Frauenkirche bereits einfacher und ernster als an seinen Palaisbauten (1711) und seinem eigenen Haus Ecke Seestraße.

Die ersten Anfänge einer strengeren Stilauffassung machten sich in Dresden geltend. Der Überschwang und die Überfülle der Formen fiel weg. Die Verdachungen wurden noch immer kühn geschwungen, wurden aber nicht mehr unterbrochen und aufgerollt. Das Hinauswuchern des Ornaments über seinen Rahmen verlor an Kraft und beschränkte sich auf ein agraffenartiges Umfassen der Gliederungen. Mit der Ein- und Unterordnung des Ornaments unter die architektonischen Linien ging eine Verfeinerung der Formen Hand in Hand. Die Pilaster wurden selbst im Palaisbau ver­drängt durch Lisenen. Schlichte Füllungen und Blenden traten auf. Vor allem aber begann eine Konzentration des Schmuckes um besonders betonte Punkte der Fassaden. Die einzelnen Teile, [17] Fensterachsen usw. eines Gebäudes wurden verschieden bewertet und demgemäß verschieden reich aus­gebildet. Longuelune und de Bodt, zwei in Paris gebildete Architekten, wurden auf das architektonische Schaffen in Dresden von Einfluß. Beim Bau des Japanischen Palais begann das Erliegen des Pöppelmannschen Geschmacks. Im Blockhaus, im Wackerbarthschen und im Kurländer Palais ent­standen staatliche Bauten der modernen Longueluneschen Richtung. Ihrer Wirkung konnten sich die heranwachsenden Architekten der Folgezeit nicht entziehen. Diese neuen Baubestrebungen fanden ihren Ausdruck im de Bodtschen Erlaß von 1733 (Schumann, B. u. R.), der sich gegen die handwerklichen Nachbeter der überwundenen Stilepoche und gegen den immer rückständigen Geschmack der privaten Bauauftraggeber wandte. Die ange­brachten Zierate sollten die Architektur nicht mehr „verdunkeln“, der Überfluß an Ornamenten sollte eingeschränkt werden und die anständige (bienséante) Vergesellschaftung von Architektur und Bildhauerarbeit die Gebäude „noble“ machen. „Einfache Vornehmheit“ wurde das Ziel der Zeit von 1730–60.

Schmidts Selbständigkeit begann mit dem Tode Bährs 1738. In seiner Entwurfstätigkeit war er anfangs auf den Wohnhausbau angewiesen.

Von seinen bürgerlichen Bauten ist zunächst der Rote Hirsch, jetzt Musenhaus Pirnaische Straße 29, zu erwähnen. Die Pläne[20] wurden 1740 approbiert.

Die Fassade dieses Vorstadtgast­hofes wirkt bei aller Schlichtheit durch ihre fein abgewogenen Verhältnisse und die Art und Verteilung des Schmuckes. Das wenige Ornament quillt nicht mehr über seinen Rahmen hinaus, doch ist der Rahmen, dem es sich einpaßt, nicht streng architektonisch gegliedert. Unge­wohnt ist die Anlage eines Schaftes über der Tormitte. Ein Schlußstein ist nicht vorgesehen. Kaum würde ein Maurer so planen. Der Zimmermann bindet sich nicht streng an die Regel: Schaft auf Schaft. Das schönste Beispiel ist Bährs Haus in der Seestraße. Auch die gesamte Anordnung verdient Beachtung. Abweichend von den alten Umfassungen wird eine mächtige, etwa 8 m breite, sonst nicht übliche Abschrägung der Ecke geplant. Von großem Geschick und dem Studium französischer Pläne zeugt die Grundrißanordnung selbst. Die Lage der Haupttreppe, der Küche, die Ausnutzung der Ecke, die lauschigen kleinen Trinkerker usw.

Ansicht vom „Poststall“, Pirnaische Straße 10. Erbaut 1739.

Ein Gebäude aus dem Jahre 1739, das von Schmidt stammen könnte, ist der alte Poststall, Pirnaische Straße 10, ein Elffensterhaus. Der dreiachsige Mittelrisalit ist kräftig herausgehoben und mit einem Giebel verziert. Seine Fenster haben profilierte Gewände mit Ohren und Sohlbank, [18] die unteren kräftig geschwungene Verdachungen mit Kartuschenornament. Die seitlichen Fenstergewände sind glatt. Die Architektur, die inzwischen teilweise verändert ist, zeigt große Ähnlichkeit mit dem Hirsch. Nur fehlen die Blenden und Füllungen. Beim Hirsch sind sie zwar in der Zeichnung, deren Innehaltung aufs strengste vorgeschrieben wird, angegeben, aber am Bau heute nicht vorhanden. Sie waren der Fassade nur aufgemalt. Außer Hasche bezeugen die Canalettobilder, daß Bemalung allgemein üblich war, vor allem in den Vorstädten.

Schmidts Entwurf für die Hauptkirche
in Großenhain. Maßstab 1 : 500.
Original in der Königl. öffentl. Bibliothek.

Schmidts Entwurf für die Annenkirche
in Dresden. Maßstab 1 : 500.
Original im Pfarrarchiv.

Die Fassade macht einen überaus stattlichen Eindruck. Daß dieser große Zug, den wir am Hirsch vermissen, Schmidts Wesen nicht fremd war, werden wir an späteren Wohngebäuden finden. Mit Recht bezeichnet Dietrich den Bau als das schönste Beispiel des vereinfachten nachpöppelmannschen Geschmackes.

Verwandte Züge hat der Schwarze Bär (Terrassenufer 9)[21], der schon einer späteren Zeit (nach 1760) angehört. Zehn Fensterachsen sind durch Blenden gegliedert, nur die mittleren vier dekoriert. Die Sohlbänke zieren Rokokogehänge. Auf das stichbogige Einfahrtstor trifft ein Schaft. Das Gebäude dürfte zweifellos auf Schmidt zurückgehen. Wohl unter dem Einfluß der katholischen Hofkirche sind die reizvollen Kartuschen kräftiger modelliert als beim Hirsch, die lebhafter bewegten [19] mittleren Verdachungen finden wir in gleicher Form an Kreuz- und Annenkirche und über dem Gewandhausportal wieder. Vom Hirsch zum Bär dürfte sich eine Brücke von gleichartigen Bauten Schmidts spannen, die inzwischen verändert oder übermalt sind. In diesen Bauten verknüpfte Schmidt gemäßigte Barockformen mit der Blendenarchitektur und schloß sich in der Verteilung des Schmuckes an der Fassade den damals in Dresden herrschenden Anschauungen an. Sein Schaffen war von Bähr und Longuelune etwa gleichstark beeinflußt.

Eine weitere Gruppe von Bauten bilden die großen Kirchen Schmidts. In Großenhain[22] (1745–48) waren die gotischen Umfassungen mit ihren Strebepfeilern mit zu benutzen. Am alten Chor sind die Strebepfeiler erhöht, mit Kapitälen „Pöppelmannschen Geschmacks“ und mit Vasen geziert. Aus dem konkav geschweiften, gegliederten Kupferdach des Chores entwickelt sich der neue achteckige Turm[23]. Seine Umrißlinie wird mit Beginn des Holzwerks stark bewegt. Über einem zwiebelartigen Dache mit kecken Gaupen sitzt eine zierliche Laterne für die Uhrschellen. Je höher, um so mehr tritt der barocke Grundzug Schmidts hervor. Als Werk aus einem Gusse wächst der Turm aus dem Kirchgebäude heraus, von einer reichen Künstlerphantasie plastisch empfunden, ohne alles Trockne, Verstandesmäßige. Die natürliche perspektivische Wirkung würde die Schönheit des luftig durchbrochenen Aufbaues voll zur Geltung bringen, das Zwiebeldach noch elastischer machen und die Schwere und Stärke von Kegel und Kugel vermindern.

Bald nach der Beschießung Dresdens begann Schmidts Tätigkeit für die Kreuz- und Annenkirche[24]. Die Architektur der letzteren schließt sich den ersten Plänen zur Kreuzkirche an, nur ist sie einfacher. Die ganze Fassadenhöhe wird von einer Pilasterordnung beherrscht. Der Architrav ist rundbogig über die schlanken Kirchenfenster gezogen und schmäler als sonst. Die Rundbogentüren liegen auf Mauerstreifen, die mit seitlicher Anschweifung einfache Stichbogenverdachungen über Reliefs tragen. Die Fenster darüber haben Sohlbänke mit Konsolen und kräftig modellierten Fruchtgehängen.

Überaus reizvoll ist der Turm. Die Motive sind wieder der Kreuzkirche entnommen. Die prächtige Spitze ist eine Kombination von Kegel und Zwiebel der Großenhainer Kirche. Ihre Umriß­linie ist klarer und dominierender wie beim Kreuzturm, und dabei verwandt mit der Silhouette der Eckaufbauten an der Frauenkirche. Die Gesamthöhe wird von dem ausgeführten nur um Knopf und Kreuz übertroffen und beträgt genau das Dreifache der Hauptsimshöhe. Mit dem Großenhainer Turm kann sich der Plan zur Annenkirche an jugendlicher Frische und Lebendigkeit nicht messen. Dagegen eignet ihm eine Abklärung der Formen, eine größere Sicherheit in der Verteilung und Gliederung der Massen und eine glückliche Abwägung der Verhältnisse.

Das Barock der drei großen Kirchenbauten Schmidts schließt sich bei aller Selbständigkeit im einzelnen der späteren Kunst Bährs an. Es ist zwar maßvoller in der Art der Verwendung architektonischer Glieder, aber doch im ganzen reicher an Formen. Die Fenster erhalten mehr Schmuck. Ohne Sockelgeschoß beherrschen die Ordnungen mit vollem Gebälk die ganze Fassadenhöhe. Zweifellos [20] hat der Bau der katholischen Hofkirche (1734–52) auf das Aufbausystem und auf die Kraft des Ornaments, weniger auf die Wahl der Motive Einfluß geübt. Daneben finden die Forderungen der „bienséance“ über die Differenzierung der Fassadendekoration Beachtung. Während die Hofkirche wie die Bährschen Bauten gleiche Ausbildung der Fensterachsen zeigen, ist sie bei der Annen- und vor allem bei der Kreuzkirche mehrfach abgestuft. Also auch hier wie bei den Bürgerhäusern ein starker Einfluß Longuelunes und seiner Schule.

Eine besondere Stellung in Schmidts Schaffen nehmen die kurz nach der Beschießung errichteten Wohngebäude ein. Das Haus Altmarkt 13 ist inzwischen stark verändert. Von den sechs Achsen der Front sind vier noch heute durch einen Dreieckgiebel mit Vasen zusammengefaßt. Auf die Mitte des Stichbogentores traf ein Schaft. Die durch­gängig stichbogigen Fenster hatten glatte unprofilierte Gewände. Die der Vorlage zeigten über dem Sturz kräftigen Rokokoschmuck[25]. Auch das Giebelfeld wies solchen auf. Hasche rühmt das Gebäude 1782 (Beschr. Dresd. I S. 207) als „eine wahre Zierde des Markts mit breitem steinernen Austritt. Es hat etwas Beson­deres an sich gegen alle übrigen, die Stichbogenform der Fenster.“ Das Haus gehörte zu den vornehmen Wohnhäusern. Das alte Gebäude wurde beim Bom­bardement beschädigt.[26] Schmidts Neubau wird also Anfang der sechziger Jahre anzunehmen sein. „Die sehr stattliche Fassade zeichnet sich durch besonders schöne Verhältnisse aus.“ (Gurlitt, Kunstd. Dresd. S. 723.)

Das Haus Töpfergasse 15[27] ist gleichfalls sechs Fenster breit, die mittleren zwei Achsen sind als Vorlage vorgezogen, die sich in den Untergliedern des Hauptsimses verkröpft. Die Gewände sind unprofiliert, die Dachfenster streifenartig zusammengezogen. Außer der Rokokoschnitzerei der Tür, über der wieder ein Schaft sitzt, ist kein Schmuck vorhanden. Wir haben uns das Bild durch Bemalung ergänzt zu denken.

Landhausstraße 4 vom Jahre 1763.

Ganz im Charakter der beiden Gebäude und jedenfalls auch von Schmidt ist Landhausstraße 3[28] ein Dreifensterhaus, die oberen mit Stichbogen, die der Mittelachse mit Profilen, die Stürze sämtlich mit kräftig modelliertem Rokokoschmuck. Wie bei Altmarkt 13 bil­det die Gebäudemitte die Symmetrielinie für die De­koration der seitlichen Fenster. Eine aufgemalte Blendenteilung ist noch erhalten.

Zu den besprochenen Bauten gehört noch das inzwischen abgebrochene Waisenhaus. Zu seiner Wiedererbauung und Erweiterung erhielt Schmidt als Ratsbaumeister Auftrag. Das Gebäude nahm drei Seiten eines Hofes ein. An diesem lagen die Korridore. Die beiden Ecken waren nicht ausgebaut. Die entstehenden Räume würden schlecht zugänglich und benutzbar sein. Zugleich hob sich dadurch der mittlere Bau wirkungsvoll von den Seiten ab. Hasche (Beschr. Dresd. I S. 690) schreibt, [21] daß man „dieses Werk in Betrachtung der Gebäude (womit er wohl die Gesamtanordnung und Raum­verteilung meint) für vollkommen erkennen kann“. Der Hof war bei aller Einfachheit durch Bäume und Brunnen stimmungsvoll. (Vergl. das Aquarell im R. A., dort sind auch Aufnahmepläne.) Seinen Abschluß sollte die Kirche bilden.

Nach Schmidts Zeichnung zur Kirche erhielten die Rückseiten des Waisenhauses schlichte Blendenteilung mit Rechteckfüllungen. Über die Hauptfassade schreibt Hasche (Beschr. Dresd. I S. 690): „Die Teile, die sonst erhaben und vertieft in Kalkputz gearbeitet werden, sind hier bloß in Malerei angegeben.“ Also nicht nur Blenden, sondern Rokokoornamente waren aufgemalt. Das Erdgeschoß war wie bei

Entwurf Schmidts für die Waisenhauskirche von 1771 mit Ansicht der Waisenhausflügel.

Maßstab rd. 1 : 333. Original im Ratsarchiv.

sämtlichen Dresdner Bauten der Zeit und wie bei den früher genannten Schmidtschen mit starker Horizontalfugung als Sockel ausgebildet.

Schmidt beschränkte sich bei diesen Bauten darauf, durch die Form der Fenster und durch das dekorative Ornament über dem Sturz an Stelle der sonst üblichen Verdachung zu wirken. Die Gliederung der Wand war nur aufgemalt. Im Gegensatz zu Schmidt betrachtete der unter Krubsacius seit 1764 zur Herrschaft gelangte Akademiegeschmack das sinnfällige Ornament als überflüssig und legte den Hauptwert auf die Blendengliederung der Wand und die guten Verhältnisse, also auf Abstrakteres.

Wir haben schließlich noch einige Pläne und Bauten Schmidts zu besprechen, die in die Zeit nach der Gründung der Akademie fallen, zunächst die Waisenhauskirche. Schmidts Pläne hierzu (im R. A.) stammen aus den Jahren 1768 und 1771. Über einem Sockel mit kräftigen Horizontal­fugen ist eine dorische Pilasterordnung mit Triglyphenfries angebracht, in der die Hauptfenster als Rundbogenarkaden sitzen. Ein Türmchen belebt das mächtige Mansarddach.

[22]




Schmidts Pläne zum Gewandhaus 1767. Nach den Originalen im Ratsarchiv.
Fassade im Maßstab 1 : 400, Grundrisse 1 : 500.

[23] Die Pläne fürs Gewand­haus[29] sind Ende 1767 ent­worfen. Das Untergeschoß weist wieder starke Horizontalfugen auf bei einfachster Gestaltung der Fenster. Der Oberbau zeigt die zwei Geschosse umfassende römisch-dorische Ordnung mit Triglyphenfries und Mittelgiebel, darüber ein Mezzaningeschoß. An Stelle der Schmidtschen Fassaden wurde eine Architektur vom Landbau­meister Knöbel, der der Longueluneschen Schule entstammte, zur Ausführung vorgeschrieben. Nur in der Portalanlage mit dem kräftig modellierten Orna­ment[30] und dem zu geschweifter Verdachung sich aufbäumenden Gurt kam die Eigenart Schmidts zur Geltung. Die innere An­ordnung des Gebäudes ist in­zwischen verändert. Um einen offenen Lichthof waren in mehre­ren Geschossen Kaufhallen über­aus geschickt gruppiert.

Große Brüdergasse 25 (unvollständig).

Ganz im Charakter dieser strengen Architekturen Schmidts war das herrschaftliche Wohnhaus Große Brüdergasse 25,[31] sechs Fenster breit. Das nach Hasche stark gefugte Erdgeschoß bildete den Sockel einer die beiden Obergeschosse zusammenfassenden römisch-dorischen Ordnung mit vollständigem Triglyphengebälk, über ihm im Mittel ein Dacherker mit Gesims und Dreieckgiebel, ge­kuppelten Fenstern in einer Vor­lage mit Gesimsverkröpfung und seitlichen Anläufen. Die Fenster des Hauptgeschosses hatten Verdachungen und ziemlich erhaben gearbeitete Fruchtgehänge. Den Mittelpilaster trug ein geglieder­ter Schlußstein des Stichbogen­tores. Die Tor- und Dacherkeranlage, [24] die Fruchtgehänge (Hirsch, Annen-, Kreuzkirche usw.) erinnern noch an die frühere Zeit Schmidts, auch die Anordnung eines Schaftes im Mittel ist charakteristisch für ihn. Nach dem Akademiegeschmack war dies verpönt, nicht aus statischen Gründen, sondern nach der französischen Anschauung über Sym­metrie mit bestimmtem Mittelpunkt (vergl. Schumann, B. u. R. S. 61). Vor allem beweist die Überein­stimmung der Fassade mit den zuletzt erwähnten Rissen Schmidts Urheberschaft. Der überaus stattliche und vornehme Eindruck entspricht dem Charakter als Absteigequartier beamteter Adliger.[32] Hierzu stimmt das Innere, „mit stattlicher Raumanordnung um einen schmalen Hof“ (Gurlitt, Kunstd. Dresd.). Der Bau ist jetzt gänzlich verändert. Daß die Fassade den Beifall der damaligen Akademiker gefunden habe, ist nicht anzunehmen. Die „Wohlanständigkeit“ gestattete ihnen nicht, an einem einfacheren Wohngebäude eine Pilasterordnung anzubringen. Mit ihnen lobt es einmal Hasche ausdrücklich, daß die Baumeister „nicht die große und für öffentliche Gebäude und Paläste anwendbare Bauart der Paläste nachahmten“.

Der gemeinsame Grundzug dieser Werke erinnert an die italienische Renaissance. Durch die Gründung der Akademie war dem Kampfe gegen das Barock in Dresden eine Basis gegeben. Die Begeisterung für die Antike bemächtigte sich aller Kreise. Publikationen ihrer Werke erschienen. Der klassizistischen Richtung der Zeit konnte Schmidt sich nicht entziehen. Nicht etwa äußerem Druck wich der Sechzigjährige, das wird sein Verhalten bei der Kreuzkirche zeigen. Künstlerisch noch jung genug wandte auch er sich der Antike zu, aber nicht ihrem „Geiste“, ihren „Regeln“, sondern ihren strengeren Formen. Er schloß sich nicht einfach der Akademie an, sondern bewahrte sich seine künstlerische Selbständigkeit. Der barocke Grundzug seiner Kunst tritt uns auch an diesen Bauten noch entgegen, in einzelnen Details, wie in der Wahl der dorischen Ordnung mit ihrem dekorativen Triglyphenfries. Das beste Erbteil aus der vergangenen Periode, was ihn über die Akademiker hinaushob, war sein gesunder Blick für das, was wirkt, verbunden mit einer glücklichen Konzeptions­gabe. Welcher Unterschied zwischen den Pilastern am Landhaus des Krubsacius und denen Brüdergasse 25!

Zu den klassizistisch beeinflußten Bauten Schmidts gehört noch das Eckmiethaus An der Frauenkirche 5[33] mit acht Achsen in der Front. Über dem gefugten Sockel sind die Fenster der beiden Hauptgeschosse und die des Mezzanins in Blenden gestellt. Die Fenster der Mittelvorlage sind korbbogig und höher geschlossen. Das Motiv ist dem Palastbau entnommen. Neben Rechteckfüllungen treten in den Vorlagen vertiefte Felder, über dem Sockelgurt eine durchbrochene Brüstung auf. Ihre Linienführung ist die gleiche wie am Kreuzturm und am Bährschen Haus in der Seestraße. Die mittleren Blenden sind nicht wagerecht geschlossen, sondern in der Ecke durch Viertelkreisstücke verbreitert. Die mittleren Dachfenster zeigen eine bei Schmidt beliebte Linienführung. Wieder trifft ein Schaft auf das korbbogige Tor mit gegliedertem Schlußstein. Die dekorativ umgebildeten Blenden, die Art der Füllungen (die mittleren erinnern an den „Bär“) und die Gesamtkomposition zeigen ein barockes Empfinden, das den Akademikern fremd war. Das Gebäude hebt sich von der Menge der gänzlich nüchternen Fassaden im Akademiegeschmack durch etwas reizvollere Gliederung und die stattlichen, wirkungsvollen Vorlagen erfreulich ab.

Der Überblick über die Werke Schmidts hat gezeigt, daß er durchaus nicht nur der „Zimmer­meister“ war, wie ihn seine Gegner gern geringschätzend bezeichneten, sondern daß er über eine bedeutende künstlerische Kraft verfügte. Seine Formenwelt gehörte dem Barock an, wenn sie auch in immer größerer Mäßigung zum Vortrag kam und schließlich nur noch in den Details als solche erkennbar blieb. Vermöge seines Phantasiereichtums und der Elastizität seiner Bildkraft nahm er das [25] Streben und Sehnen der Zeit nach Vereinfachung, soweit es künstlerisch und also rein formal war, in sich auf und brachte es selbständig verarbeitet in seinem Schaffen zum Ausdruck.


3. Schmidts Pläne zur Kreuzkirche.
Planübersicht.

Das Renovationsprojekt entstand nach Abgabe des Gutachtens (im Juli 1761) vermutlich 1762.[34] Der alte Turm und die alten Hauptumfassungen waren mit zu benutzen. Nach dem Gut­achten[35] sollte der gotische Chor „verrückt“, d. h. beseitigt und die inneren Pfeiler anders eingeteilt werden. Risse sind nicht erhalten. Die Größe der Kirche war bei 26 und 42 m lichter Weite zwischen den Umfassungen die gleiche wie bei der Dreikönigskirche, ebenso die Zahl der inneren Pfeiler. Die übrige Anordnung vermutlich so wie bei der Annenkirche.

Das erste Neubauprojekt entstand in der Zeit vom 23. März bis 14. Mai 1763 und wurde am 14. Oktober 1763 von Kurfürst Friedrich Christian approbiert. Die vier Zeichnungen enthielten:

  1. Parterregrund und Seitenfassade,
  2. erste Etage, Emporkirchen und Längsschnitt,
  3. zwei Durchschnitte nach Altar und Chor,
  4. Grundriß, Durchschnitt und Aufzug vom Turm.

Der Maßstab war nicht groß. Die Risse sind nicht erhalten, nur der Erläuterungsbericht.[36]

Außer dem alten Turm waren nur die Fundamente der alten Umfassungen mit verwendet gedacht. „Die innerlichen Bögen sind weiter gefaßt und nur drei Pfeiler auf jeder Seite dermaßen gestellt, daß zwischen denselben die Einsicht nach der Kanzel und Altar (Kanzel an erster Stelle!) sattsam erlangt, auch die Stimme des Predigers weit besser gehöret und verstanden werde. Diese Einsicht ist auf dem Grundriß durch gemachte Schatten angedeutet zu befinden.“ An beiden Längsseiten war bereits eine Vorlage angebracht, um ein „mehreres Ansehen, Haltung und Nutzen“ (durch Ausbildung zu Vorhallen und Betstübchen) zu erlangen. Da das Licht der Hauptfenster „durch Emporen und Betstübchen meistenteils verbaut“ wurde, war der Mittelraum höher geführt zur Erlangung von neun Fenstern „dergestalt, daß die Kirche nicht allein von innen ein gut Ansehen erhalten, sondern auch von außen durch suppression des (sonst nötigen) großen Daches (über die ganze Kirchenbreite) bessere Figur gewinnen werde“. Ein Holzgewölbe sollte den Mittelraum abdecken.

Das zweite Neubauprojekt wurde am 13. Juni 1764 an den Rat abgegeben und am 22. Juni von Prinz Xaver im Hauptwerk approbiert, aber „wegen der Befestigung sowohl als der Verzierung“ die Kommunikation der Risse an den Hofbaumeister Krubsacius angeordnet. Anlaß zu diesem Entwurf bot die Verbreiterung der Kirche. Die Mehrkosten dem ersten Projekt gegenüber wurden von Schmidt auf 30 000 Taler, die Gesamtkosten also auf 288 000 Taler veranschlagt. Die Ver­größerung des Grundrisses wurde am 28. April 1764 approbiert. Das Projekt umfaßte sechs Zeich­nungen, und zwar:

  1. Zeichnung des alten und neuen Grundes zusammen,
  2. Hauptplan der Häuser und Gassen um die Kirche herum,
  3. Grundriß zum Parterre nebst Durchschnitt (nach dem Altar),
  4. zwei Grundrisse zu den Betstübchen, erste Etage, Emporkirchen und (Orgel-) Chor,
  5. Fassade der Kirche gegen die Schule nebst dem Turm,
  6. Der Turm auf der breiten Seite.

Diese Risse sind nicht erhalten, nur der Erläuterungsbericht[37]. Jedoch besitzen die Kupferstich­sammlung F. A. II und das Zittauer Ratsarchiv je eine Kopie des Erdgeschoßgrundrisses, die [26] Sammlung für Baukunst eine lückenhafte Konzeptskizze desselben. Die zur Grundsteinlegung gefertigten Stiche und die Medaille (im Dresdner Stadtmuseum) geben ein Bild der Fassade. Der alte Turm war wieder mit benutzt, aber die Fassadenarchitektur auch an ihm herumgeführt. Auf Prinz Alberts Anregung sollte auch der Mittelraum der Kirche massiv überwölbt werden.

Das dritte und letzte Neubauprojekt wurde am 21. April 1766 an den Rat abgegeben, erlangte jedoch die Approbierung nicht. Es bietet vor allem den neuen Turm und seine Einordnung ins Gebäude, sowie eine Umbildung der Fassade unter Berücksichtigung der Gutachten von Krubsacius. Die Gesamtanordnung ist die gleiche wie im zweiten Projekt, nur die Höhen sind etwas vergrößert.

Das Projekt bestand aus dem Erläuterungsbericht und 5 Blatt, und zwar:

  Aa. der Hauptplan, worauf der Kirchengrund mit Distanz der umliegenden Häuser und Gassen zu finden,
  Bb. der Grundriß vom Parterre und der ersten Etage der Kirche,
  Cc. die vordere Fassade vom Turm gegen das Rödersche Haus,
  Dd. die lange Fassade der Kirche und des Turmes von der Seite,
  Ee. der Durchschnitt inwendig nach der Orgel und dem Turme zu.

Kreuzkirche. Erdgeschoßgrundriß vom II. Neubauprojekt Schmidts. Maßstab 1 : 500.
Nach der Zeichnung im Zittauer Ratsarchiv.

Um den Wünschen der Oberbaukommission vom 29. Juli 1766 nachzukommen, veränderte Schmidt die Pläne durch Aufkleben auf Bb, Cc und Dd, und fertigte zwei neue Zeichnungen:

  F. Grundriß des Turmes und
  G. Profil des Turmes.

Erhalten[38] sind die beiden Fassaden Cc, Dd und die Turmzeichnungen F und G. Grundriß und Querschnitt sind uns bekannt durch eine spätere Zeichnung[39] Schmidts.

Die Raumanordnung.

Der Grundriß in den späteren Entwürfen, jedenfalls auch schon im ersten, zeigt einen oblongen Mittelraum in Form eines Rechtecks mit Halbkreisabschlüssen. Zehn Pfeilerarkaden trennen ihn von den für Emporen bestimmten Abseiten der Kirche. Außer zur Längsachse herrscht auch Symmetrie zur Querachse.

Von den Arkaden haben der Altar- und der Orgelbogen eine größere, die an sie anschließenden schräggestellten Bögen eine geringere Breite als die zur Längsachse parallel geführten. Die Längsachse wird stärker betont. Orgel und Altar erhalten mehr Raum. An der Altarseite wird die Arkade durch eine flache Altarnische abgeschlossen. Hinter dieser sind symmetrisch zur Längsachse zwei Emporentreppen angeordnet. Der Altar liegt großenteils innerhalb des Saalraumes. Die Nische dient nur als

[27]

Frauenkirche. Grundriß mit Angabe des Kuppelaufstandes. Maßstab 1 : 500.
Nach Schmidts Zeichnung vom 31. Juli 1767, Ratsarchiv B. III. 39.

Kreuzkirche. Erd- und Obergeschoßgrundriß vom III. Neubauprojekt Schmidts. Maßstab 1 : 500.
Nach Schmidts Zeichnung vom 31. Juli 1767, Ratsarchiv B. III. 39.

[28] wirkungsvoller Hintergrund. Links und rechts vom Altar liegen eine Sakristei und eine Beichtstube. Der gesamte Halbkreisabschluß des Mittelsaals dient als Altarplatz. An seinem vorderen Rande stehen zwei Kanzeln, eine als Lesepult. Die Empore für Orgel und Sänger liegt gegenüber. Neben ihr befinden sich zwei weitere Emporentreppen. Die Stiegen im alten Turm bleiben überdies. Die querschiffartige Erweiterung des Innenraumes durch die Vorhallen tritt nur wenig hervor. In ihrer lichten Tiefe entspricht sie der Orgelempore.

Dem ersten Projekt gegenüber ist in dem späteren der Mittelsaal etwa halb so breit als lang, während die Emporentiefe einschließlich der Pfeiler ein Drittel der Saalbreite beträgt. Nach dem Erläuterungsbericht zum zweiten Projekt hatte eine Untersuchung der alten Umfassungsfundamente ergeben, daß diese sehr ungleich tief (5 bis 3, teilweise nur 2 Ellen) und meist aus Pläner und Horzeln hergestellt waren. Die Verbreiterung der Kirche war wohl vor allem durch Schmidts Streben nach mehr zentraler Anordnung angeregt. Die Notwendigkeit neuer Gründungen ließ sie gerechtfertigt erscheinen. Den äußeren Anlaß bot die Besorgnis von Globigs, der alte Turm möchte einstürzen. Die Abstützung seiner durchs Feuer geschwächten Ostseite wurde durch die Verbreiterung der Kirche in vorzüglicher Weise erreicht. Die starken mauerartigen Stirnseiten der Emporen sowie Spannbögen in Fortsetzung der Längsarkaden gestatteten eine wirksamere Abstützung der beiden besonders gefährdeten Turmecken.


Einige Hauptmaße.
Endgültiges Kreuzkirchenprojekt Schmidts.
Größte äußere Länge 62,30 m
Größte äußere Breite 45,60 -
Äußere Höhe bis Oberkante Brüstungsgeschoß 24,40 -
„Attique“ 39,10 m (34 m)
Dach 50,70 m
Höhe des Turmes 107,40 -
Größte Länge des Mittelsaals 40,00 -
Größte Breite des Mittelsaals 21,00 -
Lichte Höhe des Mittelsaals 36,80 m (31 m)
Grundfläche des Mittelsaals 732,00 qm
Grundfläche des gesamten Inneren rund 1420,00 -
Achsenbreite der Längsarkaden 10,20 m
Lichte Höhe der Arkaden 22,10 -
Größter Altarabstand 43,00 -
Größter Kanzelabstand 34,50 -
(Die Klammerwerte gelten für das II. Projekt.)
 
Alte Kreuzkirche.
Länge des Hallenraumes 41,90 m
Breite des Hallenraumes 26,10 -
Lichte Höhe des Hallenraumes 19,20 -
Grundfläche des Hallenraumes 1094,00 qm
Höhe des Turmes 91,80 m
 
Frauenkirche.
Durchmesser des Mittelsaals 23,00 m
Grundfläche des Mittelsaals 415,00 qm
 
Neuer Dom in Berlin.
Durchmesser des Kuppelraumes 33,00 m
Grundfläche des Kuppelraumes 720,00 qm
Vergl. Deutsche Bauzeitung 1905 S. 145.
 
Katholische Hofkirche.
Größte Länge des Mittelsaals 52,36 m
Größte Breite des Mittelsaals 17,56 -
Lichte Höhe des Mittelsaals 32,20 -
Grundfläche des Mittelsaals 853,00 qm
Vergl. H. Stöckhardt, die kath. Hofkirche zu Dresden, Dresden o. I.
Bauwert und Sitzpreis.
Versuch einer Schätzung.
Schmidts Kreuzkirchenprojekt III.
Inhalt bis Oberkante „Attique“ rd. 79 400 cbm zu 25
Inhalt der Turmspitze rund 1 600 - zu 50 -
Baukosten nach heutigem Geldwert 2 070 000 -
Gesamtsitzzahl 4220
Preis für einen Sitz 490
 
Ausgeführte Kreuzkirche vor dem Brand.
Inhalt bis Oberkante Brüstung rund 60 000 cbm zu 25
Inhalt der Turmspitze rund 4 000 - zu 50 -
Baukosten nach heutigem Geldwert 1 600 000
Gesamtsitzzahl nach Merkw. der Kreuzkirche 2810
Preis für einen Sitz 569
Ausbezahlte Brandversicherung 1 250 000 -
(Turm und Umfassungen waren erhalten.)
 
Frauenkirche.
Inhalt einschl. Kuppel rund 73 000 cbm zu 30
Baukosten nach heutigem Geldwert 2 200 000 -
Gesamtsitzzahl nach Bähr (R. A., B. II. 14) 3590
Preis für einen Sitz 613
 
(Kostenberechnung nach Prof. Otzen, Deutsche Bau­zeitung 1904 S. 291. Eine Trennung in Gebäude und Kuppel würde bei Einheitspreisen von 25 und 50  / cbm als Preis für einen Sitz 576  ergeben.)
 

 
Nach „Deutscher Baukalender“ 1906 S.137 rechnet man heute für protestantische Stadtkirchen von 600 bis 1 500 Sitzen bei guter Ausstattung in knappen Formen mit Überwölbung: 17,5 bis 22,5  / cbm und 250 bis 400  für einen Sitzplatz. Beim Neuen Dom in Berlin kostete einschließlich 114 m hoher Kuppel, Seitentürmen und reicher Ausstattung 1 cbm rund 40 .

[29]

 
Übersicht über Sitzzahl[40] und Sitzverteilung. Kom­muni­kanten. Weiber­sitze. Betstubensitze. Manns­sitze. Anhängebänkchen. Gesamtsumme. 0/00-Anteil der Emporensitze.
Schmidts I. Entwurf:
     Parterre
40
0850
050
146
1086
     Betstubenempore
110
0110
     I. Bankempore
020
0584
146
0750
     II. Bankempore
020
0584
146
0750
     Fassungsraum
2696
59,4
Schmidts II. Entwurf:
     Parterre
94
1031
070
186
1381
     Betstubenempore
185
0185
     I. Bankempore
020
1156
146
1322
     II. Bankempore
030
1156
146
1332
     Fassungsraum
4220
67,3
Alte Kreuzkirche:
     Parterre
1073
095
265
226
1659
     Steinerne Empore
205
092
0297
     Emporen von 1643 und 1661
0140
010
0150
     Betstuben
095
0095
     Fassungsraum
2201
24,7
Schmidts Annenkirche:
     Parterre
0724
140
0864
     Betstubenempore
110
0110
     I. Bankempore
010
0474
0484
     II. Bankempore
010
0474
0484
     Galerie
0200
0200
     Fassungsraum
2142
59,7
Bährs Frauenkirche:
     Fassungsraum
1324
240
1674
350
3588
rund 60


Im Querschnitt macht Schmidt den Mittelraum um die Hälfte höher als breit, das geringste Maß, wie er sagt, für eine gute Raumwirkung. Nach dem Fall des alten Turmes vermehrt er diese Höhe noch so weit, daß das Querprofil des Innenraums das gleiche wird wie in Bährs Frauenkirche. Die Emporenräume erhalten etwa die Höhe der Arkadenbögen, die der Breite des Mittelsaals entspricht und die Gesamthöhe der alten gotischen Halle um 2,30 m übertrifft.

Der Beleuchtung dienen zwei Reihen Fenster in der Umfassung und ovale Lukarnen in der Brüstung über dem Hauptsims. Der Mittelraum sowie Orgel, Altar und die oberste Empore erhalten ihr Licht durch neun Fenster in der oberen Wand über dem Arkadenring. Der Obergadem dieser rein basilikalen Anordnung wird in den Akten „Attique“ genannt. Diese Bezeichnung ist nicht zu ver­wechseln[41] mit Attika, worunter wir heute ein niedriges Brüstungsgeschoß über dem Hauptgesims verstehen. Eine Attika besitzt Schmidts Entwurf auch. Der Name Attique kommt nach Krubsacius [30] von der kleinen „attischen“ Ordnung, die an der ähnlichen Anlage der katholischen Hofkirche außen angebracht ist.

Die Hauptmaße der Schmidtschen Anlage sind in der beifolgenden Tabelle angegeben. Ein Vergleich mit der alten gotischen Kirche und mit anderen Bauten zeigt, wie gewaltig die Schmidtschen Abmessungen sind.

Der Fassungsraum ist bei einer protestantischen Kirche fast noch wichtiger als absolute Maße. Da die Mittel in der Regel beschränkt sind, muß eine möglichst gute Ausnutzung für Sitz­plätze erstrebt werden. Schmidts letztes Projekt hat für über 4200 Kirchenbesucher Platz. Nur noch 1/3 aller Sitze ist im Parterre.

Die Massenentwicklung.

Die äußere Gliederung des Gebäudes entspricht dem inneren Organismus. Die Hauptumfassungen haben gleiche Abstände vom Mittelsaal. An der Turmseite sind sie den Treppen entsprechend senkrecht zur Hauptachse geführt. Die Halbkreisform an der Altarseite wird durch Fort­setzung der Längsseiten um eine Fensterachse etwas abgeschwächt und an die entstehenden Ecken angeschweift. Diese Ecken erfüllen gleichzeitig einen statischen Zweck, wie noch auszuführen ist. Sie ermöglichen eine selbständige symmetrische Fassadenbildung der fünfachsigen Längsfronten. Durch die Vorhallen wird die Fassadenmitte als Querachse des Gebäudes betont. Sie entspricht nicht der Mittellinie des Innenraumes, doch halbiert sie den von Kirchgängern besetzten Teil im Erdgeschoß und auf den Emporen. Daß Schmidt diese Achsendifferenz aus künstlerischen Gründen erstrebt habe, um die Altarhälfte des Innenraums und dadurch diesen selbst für den seitlich Eintretenden größer erscheinen zu lassen, ist kaum anzunehmen. Bei seinen übrigen Kirchenplänen tritt diese Differenz nicht auf.

Alle vier Fassaden weisen bei nur geringem Längenunterschied gleiche Achsenzahl auf. Nur der Turm hindert den Eindruck der Zentralanlage. Eine mächtige römische Pilasterordnung beherrscht die ganze Höhe der Umfassungen. Das ausgesprochene Sockelgeschoß der Bährschen Bauten fehlt. Da­gegen tritt das Brüstungsgeschoß über dem Hauptsims stärker hervor. Bei der Frauenkirche ist es unter Knöffels Einfluß zur niedrigen Balustrade zusammengeschrumpft.

Die Attique schließt am Turm rechtwinklig an, auf der Altarseite zeigt sie die innere Halbkreis­form. Als Überführung von den Hauptumfassungen zu ihr ist eine Anschweifung in Stein mit einwärtsgeschwungenen Profillinien angeordnet. Sie hat vor allem statische Bedeutung und dient zur Abstützung des Mittelgewölbes. Beim ersten Projekt ist das Profil der Anschweifung ein nur wenig überhöhter Viertelkreis. Die Fenster schneiden „schießschartenartig“ mit breiten Backen ein. Nach dem Fall des alten Turmes wird die Überhöhung so groß, daß die Fenster im oberen fast senkrechten Teil sitzen können.

Die Pilaster der Umfassungen werden ähnlich wie bei der Hofkirche seitlich durch halbe Pilaster, in den Feldern neben den Vorhallen durch Lisenen verstärkt. Durch Verkröpfung des Gebälkes und der Brüstung und durch fialenartig aufgesetzte Vasen entstehen kräftige Pfeilerbündel, die den inneren Strebemauern entsprechen. Im dritten Projekt ist die Verkröpfung eingeschränkt und der Architrav horizontal durchgezogen, während er sich im zweiten Projekt, wie bei der Annenkirche, bogenförmig um die Hauptfenster legt. Als Höhe für diese hält Schmidt mindestens das Dreifache der Breite für erforderlich.

Die geschweifte Attique wird den Hauptpilastern entsprechend durch Gurte gegliedert, die kapitälartig an ein zweites Hauptgesims anschließen. Ein Satteldach mit konzentrischem Walm über­deckt den Aufbau. Der Mittelteil des Daches wird noch einmal etwas höher herausgehoben. Für die Eindeckung wird von Schmidt Ziegel oder Schiefer vorgeschlagen.

Die Neugestaltung des alten Turmes beschränkte sich im ersten Projekt auf den Ausbau der Spitze. Nach der Verbreiterung des Gebäudes wurde seine Pilasterarchitektur der „égalité“ wegen und „unter Zustimmung verschiedener Baukunstverständiger“ auch am Turm an­gebracht. Fremden Rat zu hören, schien geboten. War es doch nicht unbedenklich, in das alte Mauer­werk [31] neue Teile einzuflicken. Den Gurten der Attique entsprach am Turm eine zweite Pilasterordnung. Eine dritte reichte bis zum renovierten „steinernen Gang“. Die Türmerwohnung und den Geschütz­boden darüber umgab eine vierte mit doppelter Fensterreihe. Der höher geführte mittlere Teil erhielt seitliche Anläufe und trug einen dreigeschossigen Aufbau mit Ecksäulen. In einem glockenförmigen Dach mit hoher reich umrissener Spitze klang der Turm aus. Die malerische dreiteilige Gliederung von ehedem wurde den beiden ursprünglich selbständigen Seitenteilen noch einigermaßen gerecht. Schmidt betonte nur die Mitte in kräftigem Aufwärtsstreben bei größerer Gesamthöhe (vorher 92 m nach Gurlitt, K. Dr.).

Die Art der Massengliederung und die Handhabung der absoluten Maßverhältnisse ist bei Schmidt eine ganz andere. Das neue Hauptportal ist über die Hälfte höher (13 statt 8 Ellen) als


Kreuzkirche. II. Neubauprojekt Schmidts.
Maßstab rd. 1 : 1000. Nach einem Gedenkblatt zur
Grundsteinlegung im Ratsarchiv.

Kreuzkirche. III. Neubauprojekt Schmidts.
Maßstab 1 : 1000. Nach der Originalzeichnung Dd.
im Hauptstaatsarchiv.


das alte Renaissancetor von 1579 und dieses wieder höher als das gotische. Die Einordnung von mehreren Geschossen und großen Wandflächen in ein Pilastermotiv macht sie fürs Auge leichter über­sehbar und faßbar, dadurch aber auch scheinbar kleiner.

Durch die Übertragung der Architektur auf den Turm und durch die Anpassung von Grund- und Aufriß an ihn entstand ein ziemlich einheitliches Werk. Zu einem Neubau in voller Harmonie und aus einem Guß wurde die Kirchenanlage erst nach dem Einsturz des alten Turmes im dritten Projekt.

Der neue Schmidtsche Turm tritt nur wenig vor das Kirchgebäude vor. Seine Mittel­achse, die Spindel, steht im Schnittpunkt der Hauptachse mit der Querachse durch das erste Fenster der Langseiten. Da die Orgelarkade bei 17 1/2 Ellen (9,91 m) Spannweite Turmlast nicht mit erhalten darf, ist die größte Tiefe des ersten selbständigen Turmgeschosses, des dritten von unten an gerechnet, beschränkt. Zur Aufnahme der Orgel öffnet sich der Turm mit einem 11 Ellen (6,23 m) weiten Bogen im Mittelraum. Den Schub des Bogens nehmen lange Strebemauern, Wände der Treppenhäuser auf.

[32]

Ansicht des alten Kreuzturmes nach Canaletto. Maßstab der Turmansicht rd. 1 : 666.

Die Gliederung der Turmfassade paßt sich wieder dem Kirchgebäude an. Die Mitte wird konzentrisch zum Innern vorgezogen und durch Säulenpaare flankiert. Die Einzel- und Gesamtabstände der unteren römischen Ordnung sind die gleichen wie bei den seitlichen Vorhallen. Die korinthischen Säulen im Attiquegeschoß setzen sich radial gegen die unteren zurück. Mit dem dritten Geschoß für die Glocken beginnt die allseitig ausgebildete Turmspitze. Für sie hat Schmidt zwei

[33]

Kreuzkirche. Schnitt zu Schmidts
Turmvariante. Maßstab 1 : 1000.
Nach der Originalzeichnung G
im Hauptstaatsarchiv.

 

Kreuzkirche. III. Neubauprojekt Schmidts, Variante.
Maßstab 1 : 500.
Nach der Originalzeichnung CC mit Tektur im Hauptstaatsarchiv.

 
   

[34] Entwürfe geliefert, die Eingabepläne des dritten Projektes und eine Variante in Tekturen auf diese Pläne.

In der Variante zum Turm ist die konzentrische Anschweifung der Stirnwand im dritten Geschoß allseitig angeordnet. Den unteren Säulenpaaren entsprechen radial zurückgesetzte Lisenen. Die beiden äußeren der Schmalseiten sind als Anläufe mit durchbrochener Brüstung und Vasenaufsatz ausgebildet. Zwischen ihnen bleibt das untere Geschoß mit treppenartiger, der Dachlinie folgender Überdeckung liegen. Da die Tiefe nur etwa ein Fünftel geringer ist als die Breite, ist das Glockengeschoß fast quadratisch und sehr massig. Überdies verjüngen sich die Öffnungen nach innen, so daß die Eckschäfte stärker erscheinen als sie sind. Den Übergang zum regelmäßigen Achteck der oberen Turmspitze bildet ein reichgegliederter Halbstock für die Uhr, der nur in der Diagonale merkbar ein­gezogen wird. Das nächste volle Geschoß, das vierte, zur Aufnahme eines Glockenspieles bestimmt, sitzt hinter der vasengeschmückten Balustrade eines Umgangs zurück. Es ist überaus luftig in sieben innere Säulen und acht äußere mit Engelshermen geschmückte Pfeiler aufgelöst. In einer Grundrißvariante sind die Säulen außen gedacht. Der folgende Halbstock für den Türmer mit dem Wächter­gang ist durch torartige Steingebilde mit der umlaufenden Balustrade in Verbindung. Darüber sitzt auf profilierter Sockeleinschnürung eine hohe Laterne für die beiden Uhrschellen. Die als Voluten ausgebildeten zierlichen Eckstützen setzten sich über dem mit Vasen verzierten Gebälk in maßwerkartig verbundenen dünnen Steinstreifen fort, die in einem Blattknauf zusammenlaufen. Eine reich profilierte kupferne Vase mit hohem Kreuz schließt den Turm ab.

Im ersten Plan zum neuen Turm ist das dritte Geschoß rechteckig im Grundriß. Nur die Stirnseite ist geschweift und durch gekuppelte Säulen gegliedert, die übrigen Seiten dagegen durch Pilaster mit konsolartiger Fortsetzung im Fries. Auf den volutenartigen unteren Endstücken der seitlichen Anläufe sitzen malerische Frauengestalten (Glaube, Liebe, Hoffnung, Geduld). Der folgende Halbstock ist allseitig stark verjüngt und leitet zu einem abgestumpften Quadrat als Grundform der oberen Spitze über. Die Ecken des vierten Geschosses sind als Säulen gedacht. Eine achtteilige Haube mit vier kleinen zierlichen Gaupen und großen Vasen darüber bildet den Abschluß. Innen ist der Turmkern mit zwei Reihen Schallfenstern weitergeführt. Über der Haube sitzt auf geschweiftem Sockel eine schlanke Laterne mit Lisenenpaaren übereck und bogenförmiger Gesimsaufbiegung über den vier Öffnungen. Eine starke Einschnürung führt zu einem bauchigen, für eine Uhrschelle bestimmten Obelisken über, der eine Vase mit dem Kreuz trägt. Haube, Laterne und Obelisk sind aus Holz mit Kupferverkleidung gedacht.

Die Einfügung des neuen Turmes in das Aufbausystem der Kirche ist vollkommen gelungen. Er ist durchaus organisch aus ihm heraus entwickelt. Die angeschweifte Vorlage an der Stirnseite ist künstlerisch fein empfunden. Sie gibt ihm mehr „Stand“. Turm und Kirche wachsen in monumentaler Geschlossenheit zu einem wuchtigen, geschlossenen und gedrungenen Ganzen von einheitlicher Gesamtwirkung zusammen. Im Innern wird durch die nachträgliche Änderung die hallenartige Raum­wirkung an der Orgelseite verkümmert. An die Pfeiler der Orgelarkade, die vorher frei im Raume standen, legt sich jetzt die innere Turmmauer. Die geräumige Sängerempore schrumpft zu einem schmalen Balkon zusammen.

Schmidts neuer Turm ist reich an Phantasie, eigenartig und selbständig, das Werk eines echten Künstlers. Vor allem in der Variante, dem zweiten Entwurf, ist die künstlerische Zusammenarbeitung und harmonische Abstimmung der an sich sehr verschiedenartigen Teile vollendet gelungen. „Schmidts Turm, ein Produkt barocker Phantasie und doch voll kecker Grazie und Anmut, kühn durchbrochen, mit schwebender Leichtigkeit sich emporschwingend“,[42] ist ein architektonisches Meisterstück. Anklingend an die wirkungsvollen durchbrochenen Turmhelme der Gotik ist er in überaus reichgegliederten Umriß­linien rein plastisch empfunden, dabei von unten bis oben in Stein gedacht. Die Turmvariante ist zugleich die letzte Entwurfszeichnung Schmidts zur Kreuzkirche. Der Widerspruch der staatlichen Bau­beamten gegen seine Pläne läßt ihn seine ganze Künstlerkraft zusammenraffen, um sein Bestes zu geben.

[35]
Die statischen Verhältnisse.

Von großer Bedeutung in Schmidts Plänen ist die konstruktive Durchbildung und Abstützung der massiven Überdeckung. Bei der ähnlichen Anlage der Dreikönigskirche mit rund 470 qm Saalfläche war Bähr die Überwölbung nicht gelungen, obwohl es der Kurfürst dringend wünschte. Schmidts Mittelsaal mit 732 qm Grundfläche ist durch eine Tonne mit Halbkuppeln, die Emporenräume durch korbbogige Gewölbe geschlossen.

Den Schub des Hauptgewölbes nimmt die Anschweifung an die Attique, eine nach außen konkav abgeschlossene halbe Tonne auf und überträgt ihn teilweise durch Vermittelung der Emporengewölbe auf die nach innen gezogenen Strebepfeiler der Umfassungen. Die Attique selbst, die Aufmauerung auf die Arkaden, erhöht die Standfestigkeit der Widerlager. Da Fensterkappen das Haupt­gewölbe durchbrechen, findet nur in den Zwickeln eine Beanspruchung der Emporengewölbe statt. Die letzteren liegen annähernd konzentrisch zu den Arkaden und tragen zu deren Versteifung bei. Auf die Strebemauern üben sie infolge der symmetrischen Anordnung keinerlei Seitenschub aus, sondern nur solchen nach außen. Dessen Größe richtet sich nach dem Winkel, unter dem diese Gewölbe zusammentreffen.

Die Schubwirkung der Arkadenbögen ist ähnlich. Sie sind nicht pendentif, sondern gerade gewölbt gedacht. Ihre Projektion bildet ein Polygon und folgt nicht der Bogenform des Saales. Zwickel über den Pfeilern leiten zu dieser über. Da die Arkaden ungleiche Spannweiten und verschieden große Belastungen haben, je nachdem sie Kuppel oder Tonne tragen, ist vorzusorgen, daß die radial gestellten Strebemauern nicht seitlich geschoben werden. Die Pfeiler Nr. 3, vom Altar aus gezählt, und deren Strebemauern erhalten durch die Arkaden und die Emporengewölbe überhaupt keinerlei Schub nach außen zu. Dafür ist hier die Beanspruchung durch die Tonne des Hauptschiffes am größten. „Zu mehrerem Halt“ dient die angebaute Vorhalle, die auch den weniger bedürftigen Strebemauern Nr. 4 zugute kommt. Den Seitenschub auf die letzteren durch die stärker belastete Arkade 3 bis 4 nehmen zum Turm führende Spannbögen auf. Dem gleichen Zweck dienen von den entsprechenden Pfeilern Nr. 2, sowie von den Altarpfeilern nach den massigen Ostecken gespannte Bögen. Letztere ermöglichen überdies die Einwölbung der hier keilförmigen, weitgespannten Emporenräume. Die für die Fassadengliederung wichtigen Ostecken haben auch ihre statischen Funktionen.

An der Altarseite, wo außer der Kuppel auch die Arkaden und Emporengewölbe infolge der Schrägstellung nach außen schieben, entsprechen den drei inneren Arkaden sieben Fensterachsen mit den zugehörigen Schäften. An den Orgelpfeilern Nr. 5 tritt die gleiche Kräftewirkung wie bei Nr. 1 auf. Die Abstützung ist aber eine andere und ähnelt dem Verstrebungsprinzip der Frauenkirche. Die Schubresultante wird in zwei Komponenten zerlegt, die durch die inneren Treppenhausumfassungen und das Turmmauerwerk aufgenommen werden.

Die Haltbarkeit der Gewölbekonstruktion wurde von Schmidts Gegnern angezweifelt und die Ausführung auch aus diesem Grunde verhindert. Gegen Kuppel und Hauptgewölbe der Frauenkirche und der katholischen Hofkirche wurden die gleichen Einwände erhoben. Sie werden durch den sicheren Bestand beider Gebäude widerlegt. Waren bei den Schmidtschen Plänen vielleicht doch Zweifel berechtigt?

Die Prüfung einer Wölbkonstruktion hat festzustellen, ob in den am stärksten beanspruchten Querschnitten die Materialbeanspruchung innerhalb der zulässigen Grenzen bleibt. Als solche gelten einmal, daß Zugwirkungen überhaupt nicht auftreten und zweitens, daß die größten Druckspannungen nur 1/10 bis 1/20 der Bruchspannungen betragen, daß also 10 bis 20 fache Sicherheit gegen Zerdrücken des Steines vorhanden ist. Ohne Rücksicht auf die Festigkeit des Materials ist zunächst zu prüfen, ob in den gewählten Querschnitten Zug auftritt, beziehentlich ob eine mit den gegebenen Belastungen konstruierte Stützlinie innerhalb des Zentralkerns bleibt. Ist dies der Fall, so ist das Gewölbe stabil. Im Zustand höchster Stabilität fällt die Stützlinie mit den Mittelpunkten der Fugen zusammen. Die Spannung ist in allen Teilen der Fugenfläche gleich groß. Berührt die Stützlinie die Kerngrenze, so treten in den zugehörigen Fugen Kantenpressungen in doppelter Größe der Normalspannung auf.

[36] Zur überschläglichen Prüfung der Stabilität in Schmidts System wurde ein besonders un­günstiger Querschnitt gewählt und zwar der durch die mittleren Pfeiler der Langseiten. Diese Pfeiler haben die größte Last, nur Tonnengewölbe, und den kleinsten Querschnitt, den rechteckigen, nicht den keilförmigen der übrigen Pfeiler. Die Verstärkung durch die Vorlage blieb ebenso wie die abstützende Wirkung der Anschweifung unberücksichtigt. Nur das Gewicht der letzteren wurde eingesetzt. Im Fall eines Einsturzes würden Bruchfugen[43] auftreten im Scheitel, in der Nähe des Widerlagers und an einer besonders ungünstigen Stelle von Pfeiler und Umfassung. Die unterste Fuge wurde in der Höhe des Pfeileraufstandes auf dem Postament angenommen, die mittlere fand sich etwas oberhalb des Widerlagers, da das Gewölbe unbelastet ist. In der üblichen Weise wurde eine Stützlinie konstruiert[44], die in der Scheitel- und Widerlagsfuge die Zentralkerngrenze berührt, dann die Auflage­drücke auf Pfeiler und Umfassung in Kämpferhöhe bestimmt und von dem Horizontalschub dem Pfeiler soviel zugewiesen, daß die Resultante in der Bruchfuge durch die Zentralkerngrenze ging. War die angenommene Lage der Drucklinie richtig, so mußte diese auch in der Bruchfuge der Umfassung durch die Kerngrenze gehen. Denn eine Stützlinie muß die Bruchfugen im gleichen Verhältnis teilen. Es ergab sich jedoch für die Umfassung überhaupt kein Horizontalschub mehr, d. h. die zu konstruierende Stützlinie liegt im gegebenen Fall günstiger, näher an der Mittellinie, oder in Schmidts Querschnitt wird selbst unter den ungünstigsten Annahmen der zulässige Grenzfall der Stabilität noch nicht erreicht.

Einer genauen Berechnung des gesamten Wölbsystems stehen verschiedene Schwierigkeiten entgegen. Sie wäre erstens sehr umfangreich. Weiter sind von Schmidts Plänen nur ein Grundriß und Querschnitt und nur im Maßstab von etwa 1 : 200 erhalten. Auch ist die Theorie solch komplizierter Gewölbe und Widerlager des Hochbaues bisher wenig bearbeitet und die Berechnung eines ähnlichen Falles noch nicht veröffentlicht.

Die überschlägliche Prüfung genügt zum Nachweis, daß Schmidts Gewölbe stabil ist. Berück­sichtigt man noch die günstige Wirkung der Anschweifung, die als halbes Gewölbe für ihren Gleich­gewichtszustand eine Horizontalkraft braucht und hierzu einen Teil des Hauptgewölbeschubs absorbiert, so ist die Annahme berechtigt, daß sich Schmidts Gewölbesystem an allen Punkten nur wenig oder gar nicht von dem Zustand der höchsten Stabilität entfernt.

 
Schmidts Kreuzkirchenplan. Druck senkrecht zur Fläche in kg. Fläche in qm. Mindestbeanspruchung in kg / qcm. Nicht erreichte Höchstbeanspruchung in kg / qcm.
Scheitelfuge des Gewölbes
0280 000
03,0
09,3
18,6
Widerlagsfuge
0550 000
06,0
09,2
18,4
Pfeilerfuge in Postamenthöhe
0974 000
05,0
22,3
44,6
Umfassungsfuge
1 305 000
25,8
05,1
10,2
Pfeilergründungssohle
1 600 000
38,8
04,1
Umfassungssohle
2 116 000
66,0
03,2
Pfeilerfuge bei Holzgewölbe
0850 000
05,0
18,8


Die Beanspruchung des Materials, also die Dimensionierung bedarf noch einer Prüfung. Zu untersuchen sind auch hier die ungünstigsten Fugen. Als zulässige Druckbeanspruchungen gelten nach dem sächsischen Baugesetz von 1900 für Elbsandstein im allgemeinen 12 bis 25 kg / qcm, dies entspricht einer etwa 20 fachen Sicherheit gegen Bruch. Für die Pfeiler verwandte Schmidt das beste [37] sächsische Material, Kirchleither Stein mit einer Druckfestigkeit von 600 bis 700 kg / qcm[45]. Eine Be­anspruchung von 30 bis 35 kg / qcm würde noch immer 20 fache Sicherheit bieten. Doch würde es zulässig erscheinen, für das Pfeilermauerwerk sich mit geringerem Sicherheitsgrad zu begnügen, da dieses mit der größten Sorgfalt ausgeführt wurde[46]. Für die untersuchten Querschnitte ergaben sich die Werte der Tabelle.

Die auftretenden Beanspruchungen bleiben alle innerhalb der heutigen Zulässigkeitsgrenzen. Ein Kantenpressung der Pfeiler von 44,6 kg / qcm wird, wie schon gesagt, keinesfalls auftreten. Aber auch sie bietet noch 15 fache Sicherheit. Die Schmidtsche Pfeilerstärke wurde von seinen Gegnern selbst für Holzgewölbe als zu schwach erachtet. Die Berechnung zeigt mit wie wenig Recht.

Die Scheitelstärke des Gewölbes nahm Schmidt zu 0,283 m (1/2 Elle) an. Dieses Maß entspricht genau den heute geltenden empirischen Formeln.[47] Als Widerlagsstärke wählt man heute das Doppelte. Vermutlich hat auch Schmidt sie so dimensioniert. Aus seinem Querschnitt ist dies nicht ersichtlich. Doch zeigt auch der Kuppelmantel der Frauenkirche ein solches Anwachsen.

Die Beanspruchung der Gründungssohle wird die berechneten Mindestwerte kaum überschreiten, die Drucklinie genau im Mittelpunkt angreifen. Zulässig sind jetzt in Sachsen für guten Baugrund bis 5 kg / qcm. Der Baugrund der Kreuzkirche bestand aus einer mächtigen Lehmschicht über derbem Kies, er war also ganz vorzüglich. Beweis dafür ist auch, daß der alte Turm trotz der überaus un­günstigen und ungleichmäßigen zwischen 2 und 6 kg / qcm schwankenden Beanspruchung des Grundes erst einstürzte nach Bloßlegung und Aufweichung seiner Sohle.

Als ein Hauptmangel an Schmidts Plan wurde von seinen Gegnern das Fehlen „einer Ver­bindung beziehentlich Verspannung der Pfeiler im Grund“ bezeichnet. Was man damit meinte, ist nicht klar zu ersehen. Hollenberg, ein osnabrückischer Landbaubeamter, der auf einer Studienreise 1779 mit Hölzer und Krubsacius gesprochen hat, schreibt in seinen Erinnerungen,[48] „man getraut sich nicht das steinerne Gewölbe auszuführen, weil der Grund der Pfeiler nicht mit dem Fundament der äußeren Umfassungen zusammen verbunden ist“. Bankettfortsetzung, wie sie ein späterer Plan von Krubsacius aufweist, führt nicht zur Ausgleichung verschieden starker Beanspruchung des Grundes, schließt Risse nicht aus, erfordert sehr viel Material und Kosten. Daß man an Kontregewölbe[49] dachte, dafür findet sich kein Anhalt. Die Baukunde des Architekten (Berlin I. Bd. 1. Teil S. 92) bezeichnet solche als angebracht, um das unregelmäßige Setzen der Pfeilerfundamente zu verhindern bei „nicht besonders festem Boden“, vor allem „bei geringer Gründungstiefe“. Keins von beiden trifft für die Kreuzkirche zu.

Für Schmidts Plan wäre ein gefährliches Setzen der Pfeiler nach der Einwölbung nicht zu befürchten, da laut Tabelle die Differenz zwischen der Sohlenspannung von Pfeiler und Umfassung selbst im untersuchten Querschnitt sehr gering ist. Die alte Kreuzkirche wies ebenso wie andere gotische Kirchen weder Verspannung noch Verbindung der Pfeiler auf. Auch bei der katholischen Hofkirche ist eine solche nicht erfolgt. Ihre Gruftgewölbe kommen nicht in Frage. Wie weit bei der Frauenkirche die Gewölbe und Gurte der Grüfte auf eine Vergleichmäßigung der Drucke günstig einwirken, wäre erst zu untersuchen, vermutlich nur wenig. Da sie unbelastet sind und nur wenig Masse im Vergleich zu den Hauptfundamenten besitzen, erfüllen sie keinesfalls die Aufgabe von Kontregewölben. Die Gründungssohle der Kreuzkirche liegt genau so tief wie bei der Frauenkirche. Auch der Böschungs­winkel der Fundamente ist der gleiche.

[38]

Kreuzkirche. Widerlager der Schmidtschen Wölbung in der Querachse
mit Vorlage, desgleichen ohne Vorlage und am Altar. Der mittlere,
ungünstigste und nur angenommene Querschnitt wurde statisch untersucht.
Maßstab 1 : 1000. Nach Schmidts Zeichnungen von 1757
aufgetragen.

Schloßkapelle in Versailles
von Mansart. Maßstab 1 : 500.
Nach dem Kupferstich Le Pautre’s.

Kreuzkirche. Querschnitt nach Schmidts Zeichnung von 1767. Maßstab 1 : 500.
Original im Ratsarchiv B. III. 39.

[39]

Kath. Hofkirche in Dresden.
Widerlager in der Querachse.
Maßstab 1 : 1000.
Nach Stöckhardts Aufnahmezeichnung
gefertigt.

Frauenkirche. Querschnitt nach Schmidts Zeichnung von 1767. Maßstab 1 : 500.
Original im Ratsarchiv B. III. 39.

Kreuzkirche. Widerlager von
Krubsacius in der Querachse
ohne Vorhalle.
Maßstab 1 : 1000.
Nach dem Originalquerschnitt
im Hauptstaatsarchiv gefertigt.

   
   

[40] Das Gesamtergebnis der statischen Untersuchung ist: Schmidt hat in seinem Plan die Mauer­massen geschickt und den Anforderungen der auftretenden Kräfte entsprechend verteilt. Die Querschnitte sind der Materialfestigkeit angepaßt. Der Sicherheitsgrad ist ein hoher. Auch die strengen bau­polizeilichen Vorschriften der Gegenwart sind erfüllt.

Schmidt schuf bewußt auf Grund von Kenntnissen. Er hielt auch trotz der ängstlichen Bedenken seiner Gegner daran fest, unnötigen Aufwand, der dem Laien gegenüber leicht zu begründen ist, zu vermeiden und die volle Verantwortung für das als richtig Erkannte zu tragen. Er glich darin den großen Meistern der Gotik wie der modernen Ingenieurkunst.

Die Schulung unter Bähr trug im Schaffen Schmidts ihre Früchte. Bei der Frauenkirche hatte er die statischen Probleme des Baues und ihre Lösung voll und ganz nachgedacht. Er war der berufene Führer bei der Kuppeluntersuchung durch David Schatz 1738 und das sachkundigste Mitglied der Kommission, die 1765 die Haltbarkeit der Kuppel zu prüfen hatte. Unter den Dresdner Architekten seiner Zeit besaß wohl Schmidt die meisten Kenntnisse in statischen Fragen, sicher hatte er die größten Erfahrungen sammeln können. Welchen Wert er darauf legte, sehen wir in einer von ihm verfaßten Eingabe der Bähr’schen Erben (Sponsel, Frk. Einl.). In ihr charakterisiert er den Baumeister dem bloßen Zimmermeister gegenüber als einen „Mann, der die Gründe des Druckes und Gegendruckes, der Bewegung, der Symmetrie und aller in höhere Baukunst einschlagenden mathematischen Wissen­schaften (die Beschaffenheit aller zum Bauen nötigen Materialien und tausend andere Dinge) in seiner Gewalt hat und gehörig anzuwenden weiß“. Über den Inhalt dieser „Gesetze“ erfahren wir leider aus der Verteidigung Schmidts nur wenig. Sie gründeten sich auf allgemeinen und physikalischen Erwägungen, die deshalb bei ihm richtiger waren wie bei seinen Zeitgenossen (wie auch z. B. die de Bodtschen, vergl. Sponsel, Frk.), weil sie sich nicht bloß auf rein abstraktem Denken und nicht bloß auf einem einzigen ausgeführten Beispiel aufbauten (wie bei Exner auf die katholische Hofkirche), sondern auf dem reichen eigenen und Bähr’schen Studien- und Erfahrungsmaterial. Unbekannt blieb, welcher Sicherheitsgrad gegen Einsturz in den einzelnen Plänen vorhanden war und wie weit sich die Materialbeanspruchung der Bruchgrenze näherte. Bei der katholischen Hofkirche z. B. ist die Sicherheit gegen Einsturz sehr gering, die Größe der Querschnitte aber und damit die Sicherheit gegen Zerdrücken im allgemeinen außerordentlich groß. Bei der Frauenkirche liegen die Verhältnisse gerade umgekehrt. Daß Schmidt und die Baumeister des 18. Jahrhunderts überhaupt den Sicherheitsgrad der Konstruktion nicht klar fassen konnten, nahm ihrer Verteidigung die Durchschlagskraft und hinderte sie, Zweifel und Angriffe überzeugend zurückzuweisen.

Die Sicherheit gegen Bruch ist im Kreuzkirchenplan wesentlich höher als bei der ausgeführten Frauenkirche. Bei dieser beträgt die Mindestbeanspruchung der Pfeiler[50] ohne Berücksichtigung von Schub und Kantenpressung etwa 40 kg / qcm, beinahe das Doppelte wie bei Schmidt. Selbst bei Ausführung der Außenkuppel in Holz[51] ergibt sich eine Pfeilerbelastung von 30 kg / qcm, wenn für Dachholz und Deckung 640 kg / qcm angenommen wird.

Vorbild für Schmidts Wölbkonstruktion war nach seiner Angabe[52] die Schloßkapelle in Versailles von Hardouin Mansart (1699–1710). Sie besteht aus einem 8,9 m breiten Mittelsaal von rechteckigem Grundriß mit Halbkreisabschluß an der Altarseite. Diesen Raum umgeben im Erd­geschoß Arkaden, darüber ein Säulengang. Dessen umlaufendes Gebälk trägt eine durch Fensterkappen kreuzgewölbeartig durchbrochene Tonne mit Halbkuppelabschluß. Außen tritt die Saalhochführung als senkrechtes Attiquegeschoß auf. Den Schub des Hauptgewölbes nehmen in den Knotenpunkten Strebe­bögen auf, die sich an das Abschlußgesims anschweifen. Die Risse zu diesem Bau waren von Pierre [41] le Pautre im Kupferstich[53] veröffentlicht. Bei der Kreuzkirche betrug die Achsenweite der Längs­arkaden 10,19 m, die Mitteltonne ließ sich nicht mehr in Kreuzgewölbe zerlegen. Die Strebebögen wurden zu der über die Seitenschiffe sich hinziehenden Anschweifung.

Von der katholischen Hofkirche „etwas für seine Intention genommen zu haben“, wies Schmidt mit Nachdruck zurück, und nicht ohne Berechtigung. Sein Querschnitt steht dem Mansartschen wesentlich näher. Beide Dresdner Meister, der Italiener und der protestantische Deutsche, haben für ihre Auf­gaben von Versailles gelernt. Chiaveri übernahm die von Mansart neu gefundenen Grundgedanken für eine katholische Schloßkirche und für seine Attique. Jedoch verzichtete er gänzlich auf die äußerlich sichtbare Strebekonstruktion. Der Schub des Mittelgewölbes wirkt nur in den Knotenpunkten. Ihn haben die starken durch Gewölbe versteiften Pfeiler des Umganges aufzunehmen. Die zu einer halben Tonne ergänzte äußere Hälfte dieser Gewölbe war ursprünglich, wie die Kupferstichpublikation zeigt, auch im Äußeren stärker sichtbar gedacht, als ein der Überschneidung halber angelegter Sockel der Attique, nicht als ein statisch begründetes Bauglied. Seine Lage unter dem inneren Gewölbeansatz läßt die Sorge der Dresdner, ob die Widerlager ausreichen, verständlich erscheinen.

Schmidt macht gerade die von Chiaveri verschmähte Strebekonstruktion, die wir auch sonst bei den französischen Architekten sichtbar finden, zum Ausgangspunkt und bildet sie selbständig weiter zu einem statisch und architektonisch wirksamen neuen Bauteil, zu der Anschweifung.

Die Anschweifung ist zugleich Konstruktionsteil und Schmuckmotiv. Wir fanden sie bereits im gleichen Sinn an der Frauenkirche als „Hals“ der Kuppel verwendet. Das Abstützungssystem ist hier ein anderes. Schmidt hat also nicht etwa bloß kopiert.


Das ganze Bauproblem der Kreuzkirche verlangte zunächst Raumgestaltung aus dem praktischen Zweck heraus, volle Anpassung an das protestantische Bauprogramm. Die Erfüllung dieser Forderung ist noch zu besprechen. Weiter war eine technische Aufgabe zu lösen: die volle massive Ausführung der Raumüberdeckung. Sie ist Schmidt durchaus gelungen. Und schließlich galt es, die Innenplanung im Äußern zu bedeutsamem Ausdruck zu bringen, um so die Kreuzkirche auf die volle Höhe monumentaler Baukunst zu führen. Die Lichtbeschaffung für den Mittelsaal, der basilikale Querschnitt, gab hierfür die Handhabe. Die Schloßkapelle in Versailles wie die katholische Hofkirche konnten vorbildlich sein. Nicht minder aber die älteren Frauenkirchenpläne, in denen die Fenster im Hals und das Kuppelauge die Hauptlichtquelle fürs Innere bildeten. Bei der katholischen Hofkirche und z. B. auch bei St. Peter in Rom hat die künstlerische Gestaltung der Massen auf die statischen Kräfte keine Rücksicht genommen, sondern ihre Bedeutung fast absichtlich unterschätzt, ihre Wirkung in unnötig großen Mauermassen versteckt. Geringe Kenntnis der statischen Gesetze, Unsicherheit in der Berechnung werden daran mit schuld sein. Schmidts Kreuzkirche wie Bährs Frauenkirche, deren Steingewand auch aus der Konstruktion heraus Formung und Eigenleben erhielten, stehen daher in dieser Hinsicht künstlerisch höher. Sie verkörpern dasselbe Ziel, das sich die moderne Baukunst nach der Abwirtschaftung mit dem Formalen der historischen Stile neu gesteckt hat, zu dem sie das Studium der deutschen mittelalterlichen Kunst angeregt und die Ergebnisse der technischen Wissenschaften befähigt haben. Für beide Bauten gilt der beachtliche Ausspruch eines gleichzeitigen englischen Reisenden Fergusson[54], „daß, wenn man auf diesem ganz neuen, von Bähr angegebenen Wege fortgegangen wäre, die neuere Architektur vielleicht nach wenigen Übergangsstufen einen originellen modernen Baustil gewonnen haben würde“. Nur dürfen wir bei Stil nicht an die übliche Bedeutung denken, nicht nur an Schmuckformen, die in ihrer Entwicklung dem Gesetz des Wechsels, der Mode unterworfen sind, sondern an die Lösung von Raumaufgaben. Ähnlich lautet ein Urteil Steches[55]: „Die richtige Lösung einer gewaltigen statischen Aufgabe zeigt sich (bei der Frauenkirche) zugleich als der richtige Weg zur Schönheit.“

[42] Schmidts Kreuzkirche wie Bährs Frauenkirche bringen die Konstruktion zum künstlerischen Ausdruck. Damit ist noch nicht gesagt, daß Konstruieren und Konzipieren zeitlich zusammenfiel, oder gar daß die Konstruktion als das Primäre voranging. Für die Frauenkirche[56] gilt gerade das Gegenteil. Bereits die ersten Pläne mit hölzerner Außenkuppel weisen die Halsbildung auf. Daß Bähr bereits an Steinausführung dabei dachte, ist noch nicht bewiesen und unwahrscheinlich. Die rein künstlerische Freude am Spiel der Linien, der befriedigende Zusammenschluß von Kuppel und Umfassung führte zur Planung des angeschweiften Halses wie der Ecktürmchen. Das Gesamtbild war bereits festgelegt, als die Idee massiver Ausführung, vorerst des Halses, in Bähr lebendig wurde. Daß die Form, zunächst lediglich ein schmückendes Motiv, leicht in Stein zu übersetzen war, gab wohl die Anregung und gestattete weiterhin auch die Außenkuppel massiv zu wölben. Schmidts erstes Kreuzkirchenprojekt wies ein hölzernes Mittelgewölbe auf; die Pläne waren bisher noch nicht aufzufinden. Nach dem Erläuterungsbericht besaß der Saal neun obere Fenster, „dergestalt, daß die Kirche nicht allein von innen ein gut Ansehen erhalte, sondern auch von außen durch Suppression des großen Daches bessere Figur gewinnen werde“. Dieser Wortlaut scheint ein Mansarddach, wie es damals allgemein üblich war und auch bei der Annenkirche ausgeführt wurde, auszuschließen. Flache Dächer verwarf Schmidt. Also wird er wohl ein der späteren Anschweifung ähnliches Dach geplant haben, wie er es über dem Chor der Großenhainer Kirche als Überleitung zum Turm angeordnet hatte und wie es für die Zittauer Johanneskirche, die sich eng an seine Kreuzkirchenpläne anschloß, beabsichtigt war. Wir erhielten damit die gleiche Entwicklung wie bei der Frauenkirche.


4. Schmidt und der protestantische Kirchenbau in Sachsen.

„Die Kreuzkirche verrät (hinsichtlich des protestantischen Bauprogramms) ebensoviel Geschick als ernstes Streben.“ (Gurlitt, G. d. B. Deutschl., 1889, S. 405.)

„Die Anordnung des Grundrisses ist trefflich und klar. Der...geschaffene Innenraum ent­spricht... dem evangelischen Bedürfnis in vorzüglicher Weise.“ (Schumann, B. u. R., 1885, S. 81.)

„Wir haben hier...ein Werk vor uns, in welchem der protestantische Baugedanke in wahr­haft vollendeter Weise zum Ausdruck gelangt ist und zwar...auf durchaus originellen Grundlagen. Alle Bedingungen, die der Protestantismus stellen muß, sind vollauf erfüllt, und trotz der ausschließlichen Anwendung der Ideen sowohl wie der Einzelformen des Barockstils ist der Charakter des Gottes­hauses voll und ganz gewahrt.“ (Sommer, D. z. B., 1890)

„Für die in ihrer architektonischen Schönheit und Großheit nicht genug gewürdigte Kirche aber erwarte ich von der sorglichen Durchführung der projektierten Arbeiten nicht allein, daß sie den ästhetischen Wert des Bauwerkes als solchen zur vollen, jetzt zum Teil nur verkümmert zum Ausdruck kommenden Entfaltung und allgemeinen Schätzung bringen werde, sondern auch die ideale Tendenz der Kirche als einer Stätte der Gottesverehrung im spezifisch protestantischen Sinne von kaum geahnter Hoheit und überzeugender Eigenart dokumentieren wird.“ (Lipsius, Erläuterungsbericht zu seinen Umbauplänen vom Dezember 1891.)

Diese Urteile Berufener bezeugen die hohe Bedeutung der Kreuzkirche für den protestantischen Kirchenbau. Sie beziehen sich auf das Gebäude vor der Renovation von 1894, in dem die Schmidtschen Bauabsichten nur verstümmelt zur Ausführung gekommen waren.

Das Programm für eine protestantische Kirche ist im wesentlichen dasselbe, seit Luther die Torgauer Kapelle als erste einweihte. Die Lösung des Programms wird immer wieder eine ver­schiedene sein. Die religiöse Grundstimmung einzelner Epochen, ja einzelner Gemeinden schwankt, insbesondere die Wertung von Kanzel und Altar. Da der Architekt selbst unter dieser Stimmung steht und den Wünschen der Gemeinde zu folgen hat, spiegelt sich die liturgische Eigenart auch im Kirchenbau.

Die Lösung des Programms hängt weiterhin ab von der Bildkraft und Schaffensart des ent­werfenden Architekten. Vor allem fragt es sich, ob dieser rein vom Zweck ausgehend zu organischer [43] Entwicklung der Raumanlage strebt und sie mit seinen architektonischen Ausdrucksmitteln zur Dar­stellung bringt, oder ob er historische, besonders katholisch-mittelalterliche Formen und Räume den protestantischen Zwecken anzupassen sucht. Solche archäologische Bestrebungen, die etwa von der alt­christlichen Basilika oder der gotischen Langhausanlage ausgingen, haben im Kirchenbau des 19. Jahr­hunderts vorgeherrscht. Von den Schloßkapellen abgesehen, stehen auch die Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts unter dem Banne überlieferter Raumformen, oder erheben sich nur wenig über die notdürftigste Zweckerfüllung. Die Bauten des 18. Jahrhunderts dagegen können (vergl. auch Fritsch, Der Kirchenbau des Protestantismus) als Erzeugnisse eines einheitlichen architektonischen Strebens nach organischer künstlerischer Entwicklung der zunächst noch Rücksichten der Zweckmäßigkeit angepaßten Anlagen angesehen werden.

Diese Entwicklung vollzog sich, wenn wir von einigen früheren Bauten in Berlin, einigen späteren in Hamburg absehen, ganz besonders in dem kunstsinnigen Dresden (Sommer). Hier führte Georg Bähr den protestantischen Kirchenbau zur höchsten Stufe der Vollendung (Gurlitt, B. u. R. Deutschl., S. 83).

Als die Erneuerung der Kreuzkirchenruine in Frage stand, erklärten Schmidt und Locke, daß es wohl möglich sei, unter verschiedenen Änderungen „eine ganz schöne protestantische Kirche moderner Bauart daraus zu machen“. Das Programm einer solchen stand in zweckmäßiger Anordnung und künstlerischer Ausbildung in Bährs Werken verkörpert vor aller Augen. Seine Schöpfungen wirkten zwingend auf die Mit- und Nachwelt, schul- und stilbildend. Schmidt ist in Bährs Hause aufgewachsen, sein Schüler und Gehilfe gewesen. Eine Würdigung Schmidts als protestantischen Kirchenbaumeisters wird vor allem seine Stellung zu Bähr und dessen Einfluß auf sein Wirken zu beleuchten und festzustellen haben.

Bährs Kirchenbaustil.

Bährs Eigenart im Kirchenbau kam an kleinen Aufgaben, an Dorfkirchen, zur Entwicklung. Bähr, der erste in Sachsen, der sich die dem Französischen entnommene Bezeichnung „Architekt“ beilegte, hatte neben seiner baukünstlerischen Ausbildung auch eine bauhandwerkliche und zwar als Zimmerer, nicht wie sonst üblich als Maurer. Dieser Umstand war nicht belanglos. Der von Bähr weiter gebildete Kirchentypus zeigt in einem rechteckigen Innenraum auf drei Seiten hölzerne Emporen eingestellt, an der vierten Seite den Altar. Die Empore erfüllt recht und schlecht ihren Zweck. Aber sie ist nicht organisch ins Bauganze eingefügt, sondern sie erscheint als nachträglicher Einbau. Solche Kirchen gibt es allerorten. Die bedeutendsten sind die protestantische Kirche in Worms (1705–25) und die Katharinenkirche in Frankfurt a. M. (1678–80), erstere mit 20 m, letztere mit 17 m l. Weite.

Bährs Streben ging zunächst auf eine zentrale Raumanordnung durch Zusammenkomponieren der Altarseite mit den Emporen. Durch deren Aufstellung über polygonalem Grundriß schuf er geschlossene Saalanlagen. Die Stützen endeten mit der obersten Emporenbrüstung. Eine horizontale voutenartig zur Außenwand überleitende Decke schloß den Raum nach oben ab. Durch Aufstellung der Umfassungen in eine gedrungene Kreuzform wurde die künstlerische Wirkung auch innen bereichert.

Ein weiterer Schritt vorwärts war die Höherführung der schlanken Emporenstützen, ihre Zu­sammenfassung zu schlanken Arkaden durch Bögen unter der horizontalen Decke der Emporen und die Ausbildung einer selbständigen höheren Voutendecke über dem Mittelsaal, den die Emporen bogenartig umgaben. So entstand eine einheitliche hallenartige Raumgruppe von hohem künstlerischen Wert und von weihevoller Stimmung.

Die Kirche in Loschwitz (1705–08) war seine erste. Wie weit Bährs Tätigkeit beim Bau ging, ist aus den Akten nicht zu ersehen.[57] Er rangiert stets hinter dem Ratsmaurermeister Johann Fehre. Doch wird er bereits von Anfang des Baues an genannt. Zweifellos ist die Planung sein Werk. Die Grundform ist polygonal. Noch sind die Emporen hufeisenförmig am Altarplatz abge­schlossen. Aber ihre Horizontalen werden vom Kanzelaltar wieder aufgenommen. Seine Stellung und [44]

Loschwitz 1705.

Schmiedeberg 1713.
Vorentwurf.

Schmiedeberg 1713.
Ausführung.

Bährsche Kirchenbauten.
Grundrisse im Maßstab 1 : 500.

Forchheim 1719.

Hohnstein (Sächs. Schweiz) 1724.

Dreikönigskirche in Dresden 1733.

[45] Größe entspricht der gegenüberliegenden Polygonseite. Die Raumwirkung ist die der zentralen Saal­anlage mit horizontaler Decke.


Loschwitz 1705.

Rekonstruiert.

Ältere Waisenhauskirche. 1710 erbaut, 1725 umgebaut.
Nach den Plänen im Ratsarchiv B.
     
Bährsche Kirchenbauten.
Querschnitte in 1 : 500.

Forchheim 1719–21.
Eigene Aufnahme.

Dreikönigskirche 1732–39.
Nach dem Plan in der Sammlung für Baukunst.
Dach 1859 verändert. Zweite Empore 1891 beseitigt.

Großenhain, um 1735 (?).
Nach dem Plan in der Sammlung für Baukunst.
Umbau des gotischen Langhauses vor dem Brand von 174..


In der Kirche in Schmiedeberg (1713–16) ist dieser Typus konsequent durchgeführt. In einem Vorprojekt hat der Innenraum noch ein Rechteck, aber mit tonnenförmig gebogenen Langseiten als Grundriß, auch einen Turm am Eingang. Der ausgeführte Plan leidet an der Beengung des Altarplatzes, die am Ende des 19. Jahrhunderts durch die „würdevollere“ Trennung des Altartisches [46] von seinem Kanzel- und Orgelüberbau unter Leitung von Prof. Arnold, Dresden, noch vermehrt wurde. Die Originalzeichnungen Bährs[58] sind jetzt im Pfarrarchiv nicht mehr vorhanden.

Die Kirche in Forchheim (1719–21) zeigt die gleiche Anordnung bei größeren Abmessungen, nur ist der Altarplatz durch eine Erweiterung des Mittelsaales geräumiger.

Die 1724 geplante, 1725–26 ausgeführte Kirche in Hohnstein (Sächsische Schweiz) mit drei Emporen weicht in der inneren Raumwirkung nur wenig von den genannten Kirchen ab trotz veränderter Grundrißform. Der Altarplatz, an dem sich Emporen hinziehen, ist im Verhältnis noch mehr ver­größert durch Verwendung vorhandener Turmmauern. Die Orgel liegt, wie in den beiden vorher genannten Anlagen, über dem Kanzelaltar und gegenüber sind Herrschaftsbetstuben eingerichtet.

Die 1710–13 errichtete, 1760 zerstörte Waisenhauskirche in Dresden dürfte auf Bähr zurück­gehen. Pläne oder Akten sind nicht erhalten. Aber eine Erklärung Bährs,[59] der 1725 mit ihrer Erweiterung betraut wurde, gibt einigen Aufschluß. „Noch 100 etliche 60 Sitze könnten angebracht werden, wenn beliebt würde, daß über die fertige Emporkirche noch einmal, wie die so gebaut sein, herumgefahren würde.“ Die Höhe gestattet es, „wenn etliche Bögen, welche über den Emporkirchen sein, höher gemacht und geändert werden“. Aus Bährs Umbauzeichnung, die ein Zimmermeister Greyßner ausführte, da „Bähr die Arbeit nicht hat dingen wollen“, ist die ältere Gestalt der Kirche abzulesen. In ein Umfassungsrechteck von 13,60 / 21,52 m Größe war ein gleichfalls rechteckiger Mittelsaal mit einer Empore ringsum angeordnet. Die von Bähr sonst nicht verwendete Grundrißform könnte durch vorhandene Umfassungen bedingt sein. Zum erstenmal tritt hier die Ausbildung der Emporenstützen zu Arkaden und die hallenartige Anlage auf. Bei den gewonnenen Abmessungen war wohl die Wirkung etwas beengend, zumal dem Saal direktes Licht fehlte. Bähr griff erst später bei größeren Bauten auf dieses Motiv zurück.

Bährs neue, an ländlichen Kirchen entwickelte Baugedanken erfüllen alle Forderungen des protestantischen Bauprogramms. Die Gemeinde ist eng um ihren Geistlichen zusammengeschlossen. Da die Holzstützen nur schwach sind, kann dieser von allen Kirchgängern gesehen und gehört werden. Altar und Kanzel liegen zusammen in der Mittellinie. Diese Anordnung war nicht neu, sie ergab sich aber hier auch aus künstlerischen Gründen, sie entsprach der zentralen Raumbildung.

Die beiden großen Dresdner Stadtkirchen Bährs zeigen die Übersetzung des entwickelten Typus in größere Verhältnisse und seiner Holzkonstruktion in eine steinerne. Zum Bau der Dreikönigs­kirche[60] (1732–39) wurde er erst zugezogen, als die Umfassungen bereits festlagen. Der ältere Plan vom kurfürstlichen Oberlandbaumeister Pöppelmann sah eine dreischiffige gotische Halle mit Kreuzgewölben vor. Bähr rückte die Zwischenpfeiler der Längsseiten mit ihren Gurtbögen nach außen an die Emporenbrüstung heran und bildete so wieder einen achteckigen Saal mit selbständiger Muldendecke. Die steinerne Überwölbung dieses 17 m i. L. weiten Mittelraumes bot Schwierigkeiten. Obgleich der Kurfürst (und wohl auch Bähr selbst) massive Überdeckung dringend wünschte, kam nur eine geschalte Saaldecke zur Ausführung.

Die Frauenkirche (1722–40) ist ganz Bährs Werk. Sie zeigt denn auch die vollendete Durch­bildung seiner Baugedanken in monumentaler Form. Sein erster Entwurf von 1722 verrät deutlich die Verwandtschaft mit den Dorfkirchen. Über der quadratischen Vierung der ins griechische Kreuz gestellten Umfassung entwickelte sich aus übereck gespannten Zwickeln der achteckige Mittelsaal, der durch das konstruktive Rippensystem der Innenkuppel seinen Abschluß fand. Da der Gouverneur der Stadt als Vertreter der Baupolizei Einspruch erhob gegen das Zusammenfallen der in den Kreuzarmen liegenden Treppenausgänge mit den Haupttüren, entwarf Bähr einen veränderten Plan, in dem die Umfassungen in ein Quadrat gestellt und die Treppen an die verbrochenen Ecken desselben gelegt waren. Die nun diagonal stehenden Treppenmauern machten eine radiale Anordnung der Arkadenpfeiler nötig. Der Innenraum wurde kreisförmig. Ringartig legten sich die Emporengeschosse um ihn. Die Gesamtraumform [47] war vereinfacht. Dieser veränderte Plan Bährs entsprach seinem im Juni 1726 approbierten Riß und im wesentlichen auch der Ausführung. Der sogenannte „2. Entwurf von 1724“[61] (Sponsel, Frk., Tafel X u. XI) widerspricht in den meisten Punkten den von Bähr konsequent verfolgten Kirchenbaugedanken. Schon Sponsel setzte Zweifel in Bährs Autorschaft. Daß der Plan in Bährs Atelier von einem Schüler Knöffels gezeichnet wurde, erscheint ausgeschlossen. Aus Aktenstellen läßt sich nach­weisen, daß der Entwurf von Knöffel selbst stammt.[62] Er fällt damit aus unserer Betrachtung heraus.

Die Beleuchtung des Innensaals erheischte bei der Frauenkirche und den Stadtkirchen nach Bährschem Typus überhaupt gesteigerte Beachtung. Die volle Ausnützung der Emporenräume und das Anwachsen der Emporentiefe beeinträchtigte die Wirkung der Hauptfenster. Für ein pro­testantisches Gotteshaus ist aber reichliche Beleuchtung eine Hauptbedingung. Auch muß sich diese, um eine weihevoll erhebende Wirkung zu erreichen, nach der Mitte zu steigern.[63] Bähr suchte diese Forderungen zunächst durch Einführung direkten Lichtes in den Mittelsaal zu erreichen. Er durchbrach die Innenkuppel mit großen Fensteröffnungen und mit einem mächtigen Auge. Durch dieses sollte die lichtdurchflutete Außenkuppel mit ihrer bis zur Laterne hinauf geplanten reichen Innenarchitektur[64] für den Kirchenbesucher sichtbar werden, sollte Blick und Herz des Beschauers in weihevoller Andacht nach oben ziehen. Die massive Durchbildung der Kuppelkonstruktion zwang Bähr zur Einschränkung der Lichtzufuhr. Auch der Durchmesser des Kuppelauges, der fast halb so groß wie der Saaldurch­messer geplant war, schrumpfte auf 1/3 desselben zusammen, die Lichtfläche des Auges von 1/5 auf 1/9 der Saalfläche. Zum Ersatz des Lichtausfalles legte Bähr die drei Hauptkirchenfenster durch Unter­brechung der dritten Empore frei. Im 19. Jahrhundert erhielt das Auge gegen Wärmeverluste einen Glasabschluß. Der Blick nach oben blieb ein Blick ins Licht. Dies der letzte Rest der großartig gedachten Raumerweiterung.

Neben der zentralen Beleuchtung von oben erhielt der Mittelsaal schon im ersten Plan ein reichliches Licht von einem besonderen Altarhaus her, das sich in Arkadenbreite und Emporenraumhöhe an den Saal anschloß. Das Zurückschieben des Altars von der Saalwand machte die angrenzenden Emporenteile wertlos. Bähr ließ daher die Emporenringe hier hufeisenförmig gegen die Umfassung auslaufen und die beiden Pfeiler der Altararkade von unten auf frei emporsteigen. In den Aus­führungsplänen wurde das Betstubengeschoß bis an diese Pfeiler herangezogen und mit der Architektur des Altarraums in Verbindung gesetzt. Die Idee des zentralen Saalraumes ist nicht mehr konsequent durchgebildet, dafür aber eine hallenartige außerordentlich malerische Raumerweiterung erzielt an der wichtigsten Stelle, auf die sich alles gottesdienstliche Interesse lenkt. Reiches eigenes Licht macht das Altarhaus zugleich zu einer Hauptlichtquelle des Gemeindesaales.

Die Kirche in Hohnstein (Sächs. Schweiz) läßt den Einfluß der Frauenkirche deutlich erkennen. Die Emporen liegen hufeisenförmig in den achteckigen Umfassungen des Gemeinderaumes. Ihre Fortsetzung am Altarplatz bis zum Anschluß an die Orgelempore verhindert aber ein Dominieren der Choranlage und läßt den Innenraum doch wieder saalartig wirken. Die Raumhöhen sind gleich, ein trennender Triumphbogen ist nicht ausgeführt. Die Turmlast wird nicht über der Saaldecke durch Spitzbögen abgefangen. Der halbkreisförmige Chor, der die Längsachse schließt, kommt innen nicht zur Geltung. Die Abmessungen sind sehr bescheiden.

Die äußere Durchbildung der Bährschen Kirchen zeigt im Gegensatz zu den Langhaus­anlagen eine geschlossene, kompakte Baumasse mit steilen Walmdächern und zentralem Dachreiter. Die Kreuzform und die chorähnliche Erweiterung der Sakristei hinterm Altar beleben die Silhouette. Der Aufwand an Architekturformen und die Gliederung ist sehr bescheiden. Die Ausführung erfolgt durch einheimische Gewerken, denen höchstens ein Polier Bährs zur Seite stand. Die Feinheiten [48] Bährscher Linienführung, ja die Silhouette der Türmchen wurde vergröbert. Charaktervoll und be­herrschend stehen diese Bauten in der Landschaft.[65] Durch Betonung des Daches vor allem ordnen sie


Frauenkirche. Maßaufnahme. Schnitt in der Hauptachse.
Maßstab 1 : 500.


sich harmonisch ins Dorfbild ein und erscheinen als Ausdruck einer bodenständigen, dem Volksempfinden verwandten Kunst. Bei der Frauenkirche kommt durch die Kuppel der Saal auch im Äußern charakteristisch [49]

I. Entwurf. 1722.
Von Wackerbarth verworfen.

Bährs Frauenkirche

Sogenannter II. Entwurf.
Plan Knöffels. Von Wackerbarth
verworfen.

1726 approbierter Entwurf.
Maßstab 1 : 1000.

Ausgeführter Entwurf.
Maßstab 1 : 1000.

[50] zum Ausdruck, neben ihm das Altarhaus durch einen besonderen Glockenturm, der in der Ausführung dem Ecktürmchen zuliebe zu einem bescheidenen Dach zusammensank. In Hohnstein bekrönt ein massiger niedriger Turm das Ganze über dem Altarplatz, an der Verbindung zwischen Gemeinde­raum und Altar, der Idee nach eine Kombination der Kuppel und des Glockenturms der ersten Frauenkirchenpläne. Auch bei der Dreikönigskirche liegen Turm und Altar räumlich beieinander.

Der Einfluß der Bährschen Baugedanken auf den Kirchenbau der Zeit ist noch wenig untersucht. Auch hat man bisher bei Veröffentlichungen mehr Wert auf die Grundrißbildung, weniger auf den Querschnitt gelegt. Die Analyse der Bährschen Eigenart wird es möglich machen, seinen Anteil z. B. an der Klingenthaler Kirche zu präzisieren. Von seinem Umbau der Kirche in Königstein sind Pläne und Nachrichten nicht erhalten. Der jetzige Ausbau stammt aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts[66] und ähnelt dem der Loschwitzer Kirche. Pläne für die Großenhainer Kirche in der Sammlung für Baukunst könnten sich auf den um 1735 erfolgten inneren Umbau beziehen und würden dann sicher von Bähr sein. Der Querschnitt schließt sich eng an den der Dreikönigskirche an. Die Orgel liegt hier wie dort dem Altar, der im gotischen Chor steht, gegenüber. Der Saal ist dem vorhandenen Lang­haus angepaßt. Die Pläne könnten auch ein Vorprojekt Schmidts für die Renovation der Kirche nach dem Brande von 1744 sein. Von einer Mitwirkung Bährs bei anderen Kirchbauten ist mir nichts bekannt geworden.

Wenn auch Bähr seinen neuen Kirchentyp selbständig fand und aus einer großen Genialität heraus stetig entwickelte, so war doch auch er in Abhängigkeit von der vorangegangenen Zeit. Vom Rechteck ausgehende Saalanlagen mit Arkadenumgängen waren mehrfach ausgeführt, so der vielgerühmte reformierte Tempel in Charonton und eine Reihe protestantischer Schloßkirchen. Die 1569 erbaute Augustusburger weist sogar massive Deckenbildung auf, aber die Längsachse herrscht durch die Mitteltonne einseitig vor. Die Emporen bestehen aus logenartigen Räumen mit Glas­abschluß, Vorläufern der später so beliebten Betstübchen, „Glasstühle“ oder „Chöre“. Die organische Einbeziehung der hölzernen Emporenstützen war bereits in den schlesischen Friedenskirchen erreicht, ohne daß indessen eine höhere künstlerische Raumbildung erzielt wurde.

Das Motiv der schlanken Rundbogenarkade, das für protestantische Emporenkirchen besonders geeignet erscheint und für den Bährschen Stil charakteristisch ist, tritt auch vereinzelt schon vorher auf, so in der 1690 erbauten Kirche in Sondershausen, einer ausgesprochenen dreischiffigen Langhaus­anlage mit weitgespannter Holztonne.

Die einzige jüngere Kirche, die Bähr in Dresden vorfand, war die 1686–88 erbaute, 1733 abgebrochene Dreikönigskirche. Der nur 17,6 / 28,3 m i. L. große Innenraum war als dreischiffige Halle ausgebildet. Durch Einbau von Emporen an der Orgel und den Langseiten gewann das Mittel­schiff, dessen Breite das 1 1/2 fache der Emporentiefe betrug, saalartigen Charakter, doch fehlte hierzu die selbständige Decke, durch welche die Pfeiler mit ihren Gurtbögen sofort zu Arkaden würden. Die Beibehaltung des doppelt so tiefen als breiten Chores vermehrte den schiffartigen Eindruck des Mittelraums. Grundriß und Querschnitt hatten manche Ähnlichkeit mit der Kirche in Kürbitz i. V. (1624–26), mehr noch mit der bedeutend größeren, 1649–51 erbauten, 1750 abgebrannten Großen Michaeliskirche in Hamburg. Auf Bähr war von der älteren Dreikönigskirche wohl vor allem von Einfluß, daß hier zum erstenmal mehrere Emporen streifenartig als Holzkonstruktion mit den massiven Pfeilern des Saalraums verknüpft waren. Frühere Versuche, Kirchen mit Emporen zu schaffen, in Augustusburg, Frankenhausen und anderwärts, waren gescheitert an dem Streben nach massiven Einbauten und an den hierdurch bedingten, aber störenden stärkeren Pfeilermassen.

Auch die Bestrebungen, zentrale Raumanlagen, polygonale Säle zu schaffen, waren schon auf­getaucht, so am Beginn des 18. Jahrhunderts in Berlin. Die Garnisonkirche in Wolfenbüttel von Korb (1705) hat sogar einige Ähnlichkeit mit Bährs Dreikönigskirche, ohne daß deshalb von einem direkten Einfluß auf Bähr die Rede sein kann. Das Streben, zu einem charakteristischen protestantischen Kirchenraum zu kommen, äußerte sich vor allem in den Sturmschen Schriften. Auf Bährs Raum­bildung [51] haben sie keinen Einfluß gehabt. Dagegen könnte er englische Anregungen aufgenommen haben. In London hatte Wren Ende des 17. Jahrhunderts dutzendweise Predigtkirchen zu schaffen und ging dabei von einem höheren Mittelraum mit Arkaden und umgebenden Emporen aus. Den Achteck­saal legte er mehreren zugrunde, auch dem Kuppelraume der Paulskirche in London.

Unter Zusammenfassung zerstreuter Einzelgedanken fand Bähr in durchaus selbständiger, stetiger und konsequenter Entwicklung seinen neuen Kirchentyp, der bei künstlerischer Raumbildung dem protestantischen Zweck voll gerecht wurde. In der Frauenkirche erhob er ihn in technisch musterhafter Ausbildung auf die volle Höhe monumentaler Baukunst.

Direkte Schüler Bährs waren nur zwei Männer, der Dresdner Ratsbaumeister Johann Georg Schmidt und, in geringerem Maße, der Hamburger Kirchenbaumeister Joh. Leonhard Prey[67]. Beide hatten in ihrer Ausbildungszeit in täglichem Umgang mit dem Meister dessen Ideen kennen gelernt, sie bei der zeichnerischen Durchbildung im Atelier, bei der Kontrolle der Ausführung auf dem Bauplatz voll und ganz in sich aufgenommen. Für die weitere Entwicklung des protestantischen Kirchenbaues in Sachsen kommt nur J. G. Schmidt in Betracht. Er hat die stärksten Eindrücke von Bährs Schaffen aufgenommen.

Schmidt als Schüler Bährs.

In Schmidts Kirchenbauten einschließlich der Kreuzkirche stimmen die Elemente der Raumbildung mit geringen Abweichungen überein. Durch schlanke Rundbogenarkaden sind oblonge Säle mit Halbkreisabschlüssen im Grundriß und voller Längs- und Quersymmetrie, also mit zentraler Tendenz geschaffen, um welche sich Emporenräume innerhalb einer geschlossenen, meist recht­eckigen Umfassungslinie gruppieren. Da dem Saal, von den Stirnflächen der Emporen abgesehen, die Wände fehlen, gewinnt die gesamte Raumgruppe hallenartigen Charakter, doch dominiert der Mittelraum und erhält über seinem Gurt, der mit der Emporendecke und der äußeren Hauptsimshöhe zusammenfällt, einen selbständigen Abschluß, nach Art eines Muldengewölbes. Fenster in diesem höher geführten Teil des Saales liefern diesem das Licht. In den Elementen der Raumbildung stimmt Schmidt vollständig mit Bähr überein. Wir können daher mit Recht von einem Dresdner Kirchenbaustil des 18. Jahrhunderts sprechen. Im einzelnen zeigen Schmidts Bauten neben vielem Über­einstimmenden doch auch charakteristische Unterschiede.

Als Grundrißform des Mittelsaals bevorzugte Bähr eine dem Kreis sich nähernde, Schmidt dagegen eine mehr längliche. Die Kreuzkirche weist die doppelte Breite als Länge auf. Bei der Annenkirche und dem ersten Projekt zur Waisenhauskirche ist das Verhältnis 4 : 7. Vielleicht schwebte ihm der goldne Schnitt 4,2 : 7 als beste Proportion vor. In Großenhain gab die Bei­behaltung der Umfassung Anregung zur Kleeblattform. Beim ersten Kreuzkirchenprojekt war er zu schlankeren Verhältnissen genötigt. Der längliche Mittelraum ist bei gleicher Grundfläche ökonomischer. Ein Saal von 20 : 40 m Größe, z. B. wie der der Kreuzkirche, hat 102 m Umfang, ein gleich­großer kreisrunder nur 89 m. Ein konzentrischer Emporenring von 7 m Breite bietet im ersteren Fall 870 qm, beim kreisrunden Saal nur 776 qm Fläche. Während die Ausnützung im Ver­hältnis zur Breite abnimmt, wachsen die Schwierigkeiten und Kosten der Überdeckung mit ihr. Weiter ist auch die Ausnützung der Hörbarkeit des Geistlichen günstiger, wenn die Saalbreite geringer ist als die Länge. Die Punkte gleicher Deutlichkeit bestimmen annähernd eine Ellipse, in deren einem Pol der Sprechende steht und die durch Anbringung eines Schalldeckels schlanker wird. Durch Bestimmung dieser Ellipse müßte sich bei gegebener Kanzellage das günstigste Verhältnis des gesamten Innenraumes und des Saales feststellen lassen. Im Jahre 1708 hat das englische Parlament Vorschriften über den Kirchenbau erlassen. Als Entfernungen, auf die ein Prediger gut verständlich ist, werden angegeben rund 15 m nach vorn, 9 m nach den Seiten, 6 m nach rückwärts. Größer als 18 : 27 m soll eine Kirche in der Regel nicht sein. Diesen Sätzen liegen vermutlich die Erfahrungen Wrens zugrunde. Die angegebenen Maße beziehen sich auf die schwerer verständliche englische Sprache. Für deutsche Verhältnisse würde man das Richtige treffen, wenn man die doppelten [52] Maße als äußerste zulässige Grenze bezeichnet. Die Abmessungen der Kreuzkirche, bei der die Kanzel im Saal selbst gedacht war, liegen gerade an dieser Grenze. Die vier Eckzwickel liegen sogar außerhalb derselben. Bei der Frauenkirche paßt sich der Grundriß fast genau dieser Ellipse an. Nur sind hier,


Großenhain 1745–48.
Maßstab 1 : 1000.

Annenkirche 1764.
Nach dem Original im Pfarrarchiv.
Maßstab 1 : 500.

Schmidtsche Kirchenbauten.
Grundrisse.
 
 

Entwurf von 1771.

Entwurf von 1768.

Waisenhauskirche. Nach den Originalen im Ratsarchiv.
Maßstab 1 : 500.


wo die Kanzel an der Saalumfassung steht, fast keine Sitze hinter dem Geistlichen. Volle Ausnützung der Hörbarkeit desselben wird also einen länglichen Saal mit in ihm stehender Kanzel fordern.

Der Querschnitt bei Schmidt und bei den großen Kirchen Bährs zeigt genaue Einhaltung fester Konstruktionsregeln. So ist die Emporentiefe stets 1/3 der Saalbreite. Balkonvorsprünge werden hierbei nur zur Hälfte gerechnet. Der Gurt über den Arkaden liegt in gleicher Höhe wie der [53] äußere Hauptsims, die Deckenhöhe wie der Mansardsims. Als mindeste Saalhöhe bezeichnet Schmidt das 1 1/2 fache der Breite, so daß sich diese zur Höhe und Länge wie 2 : 3 : 4 oder, wenn man die Emporentiefe gleich 1 setzt, wie 3 : 4 1/2 : 6 verhält.

Die Abhängigkeit der Emporentiefe von der Saalbreite war einmal günstig für die Ausnützung des Innenraums und für die Aufgabe, Massenkirchen zu schaffen. Dagegen beeinflußte sie ungünstig die Beleuchtungsverhältnisse, da die Intensität des Lichtes im Saale von der absoluten Weglänge abhängig ist. Bei der Annen- und Waisenhauskirche kommt dazu, daß die Zahl der Emporengeschosse im Verhältnis zur Höhe zu groß und der lichtzuführende Saalteil über dem Arkadengurt zu klein


Annenkirche 1764.
Nach dem Original im Pfarrarchiv.
Maßstab 1 : 500.

Schmidtsche Kirchenbauten.
Querschnitte

Waisenhauskirche 1771.
Nach dem Original
im Ratsarchiv.
Maßstab 1 : 500.

Großenhain 1745–48.
Maßstab 1 : 650.


ist, und daß dieser Teil senkrechte Galeriewände erhält. Vor allem aber wird das Licht der Mansardenfenster nicht über dem Gurt, sondern durch Lichtschächte größtenteils unter den Arkaden in den Saal geleitet. Die Folge ist, daß diese selbst und der ganze Raumteil darüber dunkel erscheint. Bei der Annenkirche soll gegenwärtig durch einen Umbau dieser Mißstand beseitigt werden. Nicht die eingeführte Lichtmenge war zu klein, sondern die durch die übertriebene Ausnützung der Emporenräume bedingte Lichtverteilung war ungünstig. Bei der Kreuzkirche Schmidts war durch die basilikale Aus­bildung des Querschnitts das Beleuchtungsproblem glücklich gelöst. Die spätere Verstümmelung des Planes durch Verzicht auf die Saalhochführung hatte dieselben Mängel zur Folge, wie bei der Annenkirche. Während Bähr bei der Frauenkirche das Altarhaus zur Beleuchtung des Saales heranzog und dadurch die Innenwirkung steigerte, ist Schmidt bei der Kreuzkirche konsequenter. Die Be­leuchtung verteilt sich gleichmäßig von oben über das Innere, über Altarplatz und ansteigende Emporen [54] und entspricht der einheitlichen Durchbildung der Saalanlage. Die reine Zweckmäßigkeit tritt auch bei der Lichtverteilung stärker in den Vordergrund. Der Stimmungsgehalt des Schmidtschen Kreuzkirchenplanes wird damit ein anderer, als der der Frauenkirche. Er harmoniert mit dem veränderten Zeitgeist, mit dem der Aufklärung.

In der äußeren Gruppierung tritt bei Schmidt die Längsachse nur durch den Turm mehr hervor. Für die Waisenhauskirche war ein Dachreiter vorgesehen. Die Fassaden sind alle fast gleich­wertig behandelt, die der Kreuzkirche sogar von gleicher Achsenzahl. Der Grundriß der Umfassungen ist rechteckig, geschlossen. Daß ein äußeres Rechteck bei gleichem Abstand von einem inneren gedrungener ist, als dieses, unterstützt die allgemeine Tendenz, die Baumassen zentral zusammen zu halten. Die Betonung der Eingänge im Mittel aller Fronten, die seitlichen Vorlagen der Kreuzkirche, die Mittenverstärkung der Annenkirche erinnern noch an die Kreuzform Bährs. Schwere Mansarddächer über­decken die Bauten, in Großenhain noch nach Bährs Vorbild ein ungebrochenes Walmdach. Nur bei der Kreuzkirche mit ihrer angeschweiften Attique wird das Äußere dem Innensaal gerecht.

Den Altar, das wichtigste Stück der Innenausstattung, stellt Schmidt stets im Saal selbst auf, gut beleuchtet, vor einer Arkade, die durch eine flache ungegliederte, dunkle Nische abgeschlossen wird und einen Umgang beim Abendmahl gestattet. Im charakteristischen Gegensatz zu Schmidt plante Bähr schon 1713 in Schmiedeberg einen halbkreisförmigen Choranbau. Erst in der Ausführung rückt hier der Altar in den Saal. Die übrigen Kirchen Bährs haben einen besonderen Altarraum. In Forchheim liegt der Altar nur wenig zurück, in der Dreikönigskirche dagegen ziemlich 8 m. Beiderseits des Altarplatzes kehrt das Arkadenmotiv wieder mit den Emporen, die sich bis an die Nischenrückwand ziehen und Einblick in den Altarraum gewähren. Vor allem tritt bei der Frauenkirche die Anfügung eines Chores innerlich und äußerlich hervor, bereits im ersten Projekt 1722. Seine Größe beträgt rund 10 : 12,5 m. In ihm findet auch der Taufstein, über dem Altar die Orgel, am Abschluß gegen den Saal die Kanzel axiale Aufstellung. Alles Interesse der Kirchgänger wird auf diesen Raumteil gesammelt. Gebet und Predigt, Musik und Gesang, aller Gottesdienst geht von ihm aus. Bei Trauung, Taufe und Abendmahl bleibt er nach Ausschaltung des Saales eine selbständige Kirche für sich. Sogar die zum Gottesdienst rufenden Glocken finden über ihm ihren Platz. Der Plan von 1722 weist zwei dem Kuppelauge ähnliche Öffnungen in den Gewölben des Altarhauses auf. Bähr wollte die Glocken mit dem Innern in Verbindung bringen, und so oft während des Gottesdienstes geläutet wird, wie heute an Bußtagen, in Leipzig bei Trauungen, mit Glockenklang vom Altarraum aus das Kircheninnere erfüllen.

Doch diese Choranlage führte zu einem Konflikt mit der Zweckmäßigkeit des Hauptraumes. Der Blick auf den Altar ging von vielen Plätzen aus verloren durch die große Tiefe des Chores und durch die beiden Pfeiler der Altararkade.

Während in Bährs Schaffen der Chor immer mehr an Bedeutung gewann, zeigte Schmidt eine starke Abneigung gegen ihn. In Großenhain trennte er den gotischen polygonalen Schiffs­abschluß durch eine Mauer völlig ab und benutzte ihn nur als Basis für den Turm. „Klarer konnte nicht die veränderte Anforderung, die Verschiebung des geistigen Mittelpunktes im Bau aus­gesprochen werden als durch die Verleugnung des Chores und die Zentralisation im Schiff.“ (Gurlitt, B. Deutschl., S. 405.)

Als bei der Kreuzkirche zunächst ein Wiederausbau der Ruine in Frage war, verlangte er an erster Stelle den Abbruch der gotischen Chorhaube. Daß sie nicht genau in der Mittelachse lag, daß anstößige Figuren an der Außenseite angebracht, war schwerlich der Grund. Auch bei der Annenkirche verzichtete er darauf, die im Plan noch eingezeichneten alten Chorumfassungen beim Aufbau mitzubenutzen.

Bähr mochte zunächst aus künstlerischen Gründen die Erweiterung des konsequent durchgeführten Saales durch die Anfügung des Chores, also eine reichere Raumgruppierung, wünschen. Bei der Frauenkirche ist die Lösung am vollendetsten. Das Altarhaus, auf das alles Interesse sich richtet, hat reiches eigenes Licht und wird dadurch zur Hauptlichtquelle für den nur indirekt beleuchteten Saal. Die liturgische Bedeutung und die raumkünstlerische Betonung des Altarhauses begründeten auch eine [55] Steigerung der Dekoration. Der überschäumende Linien- und Formenreichtum Bährscher Phantasie ist hier in seinem Recht und kommt voll zur Geltung.

In Bährs Schaffen, das auch einem religiös innigen Gemüt entsprang, spiegelte sich das pietistische Empfinden seiner Zeit. Spener, von dem die Rückkehr zu einem positiv biblischen Christen­tum angeregt wurde, hat selbst längere Zeit in Dresden als Oberhofprediger gewirkt (1686–91). Die religiöse Vertiefung in die göttliche Heilswahrheit und ihre Offenbarung führte zu einem Gottes­dienst von größerem inneren Gehalt. Der Altar als Ort des Gebets und der Gnadenmittel, als Ort der Gegenwart Gottes beim Abendmahl, gewann auch äußerlich an Bedeutung und Nimbus.

Schmidt schuf dagegen bereits in der beginnenden rationalistischen Epoche der Aufklärung[68]. Im Gottesdienst trat die Erbauung zurück, die Belehrung[69] überwog, der Altar verlor an Bedeutung, liturgisch und damit auch künstlerisch.

Schmidt faßt den Altar noch als ein besonderes Stück der Ausstattung auf mit selbständiger schmucklicher Ausbildung und schließt sich hierin der Anschauung der Barockzeit und der Renaissance an. „Wenn ein Altar schön sein soll, so erfordert er Statuen und Malerei.“ (Verteidigung gegen Krubsacius v. 2. März 1765; RA.) Die Säulenhöhe tritt nicht in Konkurrenz mit der des Hauptraumes. Sehr bald hört diese Sonderstellung in der Innenarchitektur auf.

Weiter ist die Lage der Kanzel eine der Hauptfragen beim protestantischen Kirchenbau. Der Theoretiker Sturm war in seinen Schriften für die Anordnung der Kanzel über dem Altar eingetreten. Bähr hat in seinen früheren Kirchen diese bereits bei den Schloßkapellen, dann 1684 in Karlsfeld i. E. ausgeführte Anlage gewählt. In der Dreikönigskirche wurde die Kanzel vielleicht aus akustischen Gründen wieder an eine Langseite verlegt. Die unschöne und unorganische Queranordnung der Bänke zwischen Kanzel und Altar, der Sitzwechsel bei Beginn der Predigt und die Entwertung der hinter der Kanzel liegenden Emporenplätze läßt diese Lage nur als Notbehelf erscheinen.

Bei der Frauenkirche plante Bähr die Kanzel in der Hauptachse, am Abschluß des hochgelegenen Altarplatzes gegen das Schiff. Ihren Platz nimmt heute das Lesepult ein. Sie selbst steht an dem linken Altarpfeiler. Die Anordnung über dem Altar kam bei der großen Tiefe des Chorraums nicht in Frage. In der Kreuzkirche plante sie Schmidt gleichfalls am Rande des Altarplatzes, frei im Raum, aber im Gegensatz zu Bähr seitlich zur Längsachse. Zur Erhaltung der Symmetrie war ähnlich den Ambonen der Basiliken eine zweite Kanzel, als Lesepult benutzbar, geplant. Die Höhe über dem Schiff betrug dreizehn Stufen, 2,5 m. Rückwand und Schalldeckel fehlten. Nur vier Pfeiler hinderten den Ausblick nach der Kanzel und diese waren so schwach, als es die Festigkeit irgend zuließ. Die Emporen waren der Blicklinie entsprechend ansteigend geplant. Die größtmögliche Sichtbarkeit bei gegebenem Raum dürfte annähernd erreicht sein, aber auch die akustisch beste Lage. Den Beweis dafür hat die Benutzung der Kirche gebracht. Bei der Fertigstellung 1792 hatte man die Kanzel an den mittleren Pfeiler der Südseite gelegt, wie in der Dreikönigskirche. Noch vor der Einweihung kamen Beschwerden, daß der Prediger nicht zu verstehen sein würde. In den 40 er Jahren des 19. Jahrhunderts fanden wieder Verhandlungen über eine Veränderung statt. Schließlich bei der [56] Erneuerung der Kirche unter Scherz 1895 hat man nach vielen Versuchen die Kanzel an den vorderen Rand des Altarplatzes gesetzt ohne Rückwand und Schalldeckel, genau wie bei Schmidt, auch in gleicher Höhe, nur etwas näher nach dem Pfeiler zu. Die geplante Verdoppelung steigert die Bedeutung der Schriftvorlesung in einer uns ungewohnten Weise. Abgesehen von der altchristlichen Zeit ist wohl keine solche Doppelanlage[70] ausgeführt worden. Doch könnte rein sachlich das Lesepult einen Platz mit gleich guter Hörbarkeit und Sichtbarkeit beanspruchen. Das 18. Jahrhundert band sich weniger an die Überlieferung und würde sich mit der Schmidtschen Anordnung befriedigt abgefunden haben.

In den Zeichnungen zur Annenkirche liegt die Kanzel gleichfalls am Rande des Altarplatzes, von der Sakristei aus zugängig, doch näher an der Saalwand. Als Gegenstück dient der Taufstein. Über ihm ist, dem Schalldeckel entsprechend, ein Baldachin angebracht. Die lichte Länge des Saales von 21 m gestattete dann den Kanzelaltar, der in den übrigen Kirchen Schmidts die Regel[71] ist. Im Kreuzkirchenplan ist die gegenüberliegende Emporenbrüstung rund 40 m vom Altar, 30 m von den Stufen zum Altarplatz entfernt, der hinterste Platz sogar 36 m. Kanzel und Lesepult sind weit vor ins Schiff geschoben. Die absoluten Raummaße liegen bereits hart an der Grenze des Zulässigen. Der Geistliche muß eine genügend klare, deutliche und kräftige Stimme haben, um überall verstanden zu werden.

Die Orgel ist in den ausgeführten Dresdner Kirchen Schmidts dem Altar gegenüber angebracht. In seinen anderen Plänen bildet sie wie in der Frauenkirche Bährs ein Hauptmotiv zur künstlerischen Gliederung der hohen Altarrückwand. Diese dekorative Verwendung fällt zusammen mit dem ästhetischen Bedürfnis, die Quelle von Musik und Gesang vor Augen zu haben, den Schall der Stellung des menschlichen Ohres entsprechend von vorn aufzunehmen. Diese Punkte sind nicht genügend durchschlagend und allgemein anerkannt, um eine Aufstellung der Orgel an der Altarseite zur Norm zu machen. Künstlerische Gründe können auch die andere Lösung erheischen. Schmidt spricht sich in der Erklärung seiner Annenkirchenrisse[72] für diese andere Stellung der Orgel aus. Er sagt da, daß Altar und (Sänger-) Chor einander gegenüber „sich viel ausnehmender präsentieren, wenn diese zur Vortrefflichkeit der Kirche und Verherrlichung des Gottesdienstes gereichenden zwei Stücke gleich beim Entree durch die (seitlichen) Haupttüren wohlangebracht in die Augen fallen“. Bei den oblongen Anlagen wird durch die Anhäufung der dekorativen Elemente an der einen Schmalseite der Raum gewissermaßen einseitig belastet. Das andere Ende der Längsachse fordert einige Betonung und dazu steht dem Künstler die Orgel zur Verfügung.

Eine Grundbedingung der ästhetischen Raumwirkung ist, daß die Raumform unbewußt klar zur Anschauung kommt. Ohne Betonung der Längsachse wird der länglichrunde Saal flau und unbestimmt. Anders schon der Rechtecksaal. Seine Form ist leicht faßbar. Selbst für die Wirkung der zentralen Formen Bährs ist es nicht ohne Bedeutung, daß er die Umfassungen kreuzförmig plant und dadurch die Hauptachsen erkennbar werden läßt. Verstärkend wirkt bei der Frauenkirche die verschiedene Weite der Arkadenbögen und das Weglassen der oberen Emporen vor den Hauptfenstern in den Kreuzarmen.

Die Lage der Orgel über dem Altar finden wir zuerst bei den Schloßkapellen des 16. Jahr­hunderts. Die besten Plätze der Herrschaft vorzubehalten, mag den Anlaß zu dieser Verlegung gegeben haben. Bei den großen Dresdner Kirchen mit oblonger Entwicklung liegen die bevorzugten Logen und Betstübchen am Altarplatz. Die Orgel nimmt den vom Altar am weitesten entfernten und deshalb für die Kirchgänger schlechtesten Platz ein. Bei der Frauenkirche plante Bähr die Orgel schon im ersten Entwurf über dem Altar. Der Raum ist sehr beschränkt, die Sänger werden auf einer Empore zu beiden Seiten der Orgel aufgestellt. Im approbierten Entwurf wird die Orgel zweiteilig am Über­gang zum Altarplatz in den für die Besucher ungünstigsten Emporenteilen untergebracht. Erst in der Ausführung rückt sie wieder über den Altar. Der geringe Raum für die Sänger nötigt dazu, diese [57] bei der Vesper gegenüber aufzustellen. In Großenhain führte die gleiche Ursache vor kurzem zu einem Umbau.

In Schmidts Kreuzkirche war der Sängerraum anfänglich sehr tief und geräumig geplant; daß der Kreuzschülerchor, ein Erbe aus mittelalterlicher Zeit, für seine Vorträge genügenden Platz erhielt, war der äußere Anlaß. Die Orgel selbst fand im alten Turm Unterkunft. Nach dessen Fall blieb freilich für den Sängerchor nur ein schmaler Balkon übrig, wie ihn die anderen Kirchen Schmidts und Bährs zeigen. Eine Verknüpfung mit den anstoßenden Emporenteilen bot nur schwachen Ersatz für die fehlende Tiefe. Die Bedeutung der Orgel selbst und die des kirchlichen Kunstgesanges entwickelte sich erst im 18. und 19. Jahrhundert.[73] Großenhain z. B. konnte von 1745–78 ohne Orgel aus­kommen. Joh. Sebastian Bach (1685–1730) führte die Orgelmusik und die protestantische Kirchen­musik überhaupt zu ungeahnter Höhe. Große Kirchenkonzerte aber, die heute die Lage der Orgel an der Altarseite erstrebenswert machen, fanden nur allmählich Eingang, zuerst 1804 in Frankenhausen. Daß hier in einer der Sondershausener verwandten Kirche eine sehr tiefe und geräumige Sänger­empore zur Verfügung stand, ermöglichte sie.

Ein Zeitgenosse Bachs, Joh. Gottfried Silbermann (1683–1753), baute die Königin der In­strumente zu hoher Vollkommenheit und zu mächtiger, wenigstens in protestantischer Zeit nicht erreichter Größe aus. Bähr hatte schon vor 1711 Zeichnungen[74] für die Silbermannsche Werkstatt, „stattliche Orgelwerke so nach Florenz gekommen“ geliefert. Während in Sturms Zeichnungen die geringe Be­deutung der Orgel in früherer Zeit durch bescheidene Ausbildung ihrer Fassade, durch ihre Lage dicht unter der Decke und durch die Abmessungen der Ansichtsfläche (27 qm) zum Ausdruck kam, wurde in Bährs und dann auch in Schmidts Plänen die Orgel zu einem wesentlichen Ausstattungs- und Schmuckstück der Kirche, das vom untersten Emporenfußboden aufsteigend ein Arkadenmotiv bis zur Decke einnahm. In der Dreikönigskirche erreichte ihre Ansichtsfläche über 100 qm. Noch bedeutender war sie für die Kreuzkirche[75] geplant. Am wirkungsvollsten ist die Anlage bei der Frauenkirche. Hier ist der Orgelprospekt mit der reichen Architektur des Altarraums zusammen komponiert. Die bildsame stukkierte Schnitzerei des Orgelgehäuses bot in Verbindung mit den metallischen glänzenden Pfeifen ein dankbares Material für das barocke Formenempfinden und ließ im 18. Jahrhundert köstliche Kabinettstücke von außerordentlich dekorativer Wirkung entstehen. Selbst in der klassizistischen Zeit, so bei der damals ausgeführten Kreuzkirche, wurde der Orgel ein größerer Aufwand von allerlei kleinen Schmuckformen eingeräumt.

Einen nicht unwesentlichen Teil der Kircheneinrichtuug stellt schließlich das Gestühl dar. Die Eigenart des protestantischen Gottesdienstes, gleichzeitig die ganze Gemeinde sitzend zu vereinigen, hatte zur Ausnützung der Höhe durch Emporen geführt, die Emporen zu einem charakteristischen pro­testantischen Bauteil gestempelt. Nirgends ist die Ausbildung der Empore in solch starkem Umfang erfolgt, wie in den vier großen Dresdner Kirchen des 18. Jahrhunderts.

Seit der Regierung August des Starken war die Bevölkerung immer mehr gewachsen. In der alten Frauenkirche hatten viele Kirchgänger nur auf dem Dachboden am Gottesdienst teilnehmen können. Bei Neubauten galt es daher möglichst fassungsreiche Kirchen zu bauen und den Kirchenraum möglichst auszunützen. Hieraus erklären sich die vielen Emporengeschosse der Frauenkirche, die Anlage von Sitzplätzen über dem Arkadengurt (wie auch in der Annen- und Waisenhauskirche), ja sogar über dem Auge der Kuppel.[76] Neubauten sollten möglichst lange hintangehalten werden und wurden es auch. Erst 1878 begann die Abtrennung von Parochien, der Bau neuer Kirchen in Dresden.

Charakteristisch vor allem für die späteren Schmidtschen Kirchen ist die Zusammenlegung der Betstuben für Familien zu einem besonderen Geschoß. Zum ersten Male geschah dies bei der Frauenkirche, [58] jedenfalls auch aus künstlerischen Gründen, um unter den streifenartigen Brüstungen der übrigen Emporen eine reicher gegliederte Wandfläche zur Teilung der Saalarkaden zu erhalten. Vor der Renovation der Kreuzkirche im 19. Jahrhundert sprachen sich sowohl Wallot wie Lipsius für die Bei­behaltung der Betstubenwände aus. Letzterer schrieb: „Der Bestand eines Zwischengeschosses... in den Hauptverhältnissen unberührt...erscheint mir für die glückliche Gesamtwirkung der Kirche als ein unentbehrlicher Faktor“ (Erläuterungsschrift vom Dezember 1891). Außerdem legte Schmidt noch im Erdgeschoß längs der Umfassungen einen Ring von Betstuben an, die auch Glasstühle genannt werden, da ihre Stirnwände das Licht für die vor ihnen liegenden Parterresitze durchzulassen hatten. Die Verbauung der als Schallfänger wirkenden tiefen Räume unter der Betstubenempore war für die Akustik der Kirche wie für die Raumwirkung günstig und gleichfalls schon an der Frauenkirche aus­geführt. Der Einbau von Betstübchen in so großer Zahl selbst bei den Kirchen der Annen- und

Annenkirche. Inneres bis 1906.

Waisenhausgemeinde geschah weniger, um bei der Versteigerung der Sitze einen höheren Erlös zu er­halten, denn die entsprechende Zahl Emporensitze war nicht viel billiger als die erblichen Betstuben. Den Anlaß boten die eigenartigen gesellschaftlichen Verhält­nisse der sächsischen Residenz in der Zopfzeit, da die Rangordnung zur höchsten Blüte sich entwickelte und eine ungeschriebene Fortsetzung nach unten fand. Die berühmte Galanterie und Höflichkeit der Kursachsen wurde immer mehr zu einer Art eitler Eigenliebe, in der man dem andern Ehre erwies, um selbst geehrt zu werden, und zum steifen, hohlen, lächerlichen Zeremo­niell. Mit der Gesundung des gesellschaftlichen Lebens verschwand auch das Motiv der Betstuben.

Über ihnen wurden in der Regel zwei Emporen angelegt, die zusammen 2/3 aller Sitze aufnahmen. Schmidt bezeichnet sie noch als „Mannssitze“. Indes die anderwärts noch heute verbreitete Sitte, nach der die Frauen nur ins Schiff gehen, mußte in Dresden aufgegeben werden.

Die Wertschätzung der Emporen hat sich in­zwischen wesentlich vermindert. Schmidt bezeichnete noch die alte gotische Kirche nur als „halbe Kirche“, der wenigen Emporensitze (1/4 von der Gesamtzahl) wegen. Dagegen hat 1856 eine Synode hier in Dresden resolviert, daß Emporen „nicht sehr erwünscht“ seien. Gegenwärtig gilt als Regel, daß etwa 1/3 aller Sitze auf die Emporen zu legen ist.[77]

Die verschiedene Wertung der Emporen ist nicht etwa nur eine Geldfrage. (Die Herstellungs­kosten für einen Kirchensitz verringern sich mit der relativen Zunahme der Emporensitze.) Sie ist viel­mehr auch abhängig von der jeweiligen Auffassung des protestantischen Gottesdienstes. Auf dem Kongreß 1894 erklärte ein hochgestellter schwäbischer Geistlicher,[78] „daß nach seiner persönlichen Er­fahrung eine konzentrische Anordnung des Gestühls, bei welcher man von jedem Platze die ganze Gemeinde vor sich ausgebreitet sieht, die Andacht stört und daher dem wesentlichsten Erfordernisse einer evangelischen Kirche, die nicht bloß ein Hörsaal, sondern vor allem eine Stätte der Andacht sein soll, zuwiderläuft“.

Man wird dem entgegnen können, daß in der protestantischen Kirche die gemeinsame Andacht das Wesentliche ist, wie das gemeinsame Gebet, der allgemeine Gesang, das gemeinsame [59] Bekennen des Glaubens, die gemeinsame Erbauung an der Predigt, nicht das bloße Anhören derselben. Den Gottesdienst übt die ganze Gemeinde aus, der Geistliche ist nach der Lehre vom allgemeinen Priestertum nur als Glied der Gemeinde wirksam, er steht nicht über, sondern in ihr. Einen pro­testantischen Gottesdienst ohne Anwesenheit der Gemeinde gibt es nicht. Nur in der katholischen Kirche kann der einzelne zu jeder Zeit für sich allein beten und Andacht ausüben, kann der Priester jederzeit auch ohne Gemeinde Gottesdienst abhalten. Es kann nicht unprotestantisch sein, wenn die Gemeinde dem einzelnen sichtbar ist. Man kann das eher als charakteristisch für die protestantische Kirche be­zeichnen, und die Baumeister des 18. Jahrhunderts schufen in diesem Sinne. Die Preise, die bei Verlösung der Sitze in der Frauenkirche zu zahlen waren, betrugen für die vorderste Reihe der drei Emporen 25, 20 und 16 Taler; die hintersten Reihen kosteten 12 Taler, genau so viel wie jeder Sitz im Schiff.

Bähr stellte selbst bei kleinen Dorfkirchen konzentrisches Gestühl im Schiff auf. Die Dresdner zentralen Saalanlagen sind ohne konzentrische Emporen nicht denkbar. Schmidt spricht es auch einmal direkt als Forderung aus, „daß die meisten Zuhörer Kanzel, Altar und Parterre übersehen können“. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer durch das gleiche Bekenntnis geeinten Gemeinde kann nicht besser erweckt und gestärkt werden, als wenn der einzelne bei jedem Blick die gleichgestimmte Gemeinde um sich sieht, sich als ihr Mitglied fühlt. Und dies Gefühl wurde zu einem Bedürfnis in Dresden. Der schmerzliche Übertritt des Fürsten zum Katholizismus mahnte die Bürgerschaft immer wieder zum Festhalten am Glauben der Väter und zum Zusammenstehen gegen die ihm drohende Gefahr. Mehrere Ereignisse hielten die Sorge um ungeschmälerten Bestand des protestantischen Bekenntnisses wach.[79] In einem Briefe an den Papst hatte August der Starke geschrieben, daß er den katholischen Kultus mit Aufopferung seines Lebens verbreiten wolle. „Hierauf allein, heiligster Vater, sind alle meine Ge­danken und Unternehmungen gerichtet.“ Der Landesherr hielt treu seine den Landständen gegebenen Religionsversicherungen. Er konfiszierte zwar später (1732) die für die Salzburger gesammelten Gelder (jedenfalls aus volkswirtschaftlichen und politischen Gründen, da die Emigranten bereits in Preußen aufgenommen waren), überwies sie aber dann zum Frauenkirchenbau. Schmerzlicher für die sächsischen Protestanten war der Übertritt des Kurprinzen 1717, gerade als man sich zur Refor­mationsfestfeier rüstete. Die ständige Angst und Sorge vor katholischen Übergriffen führte 1726, als ein Kreuzkirchendiakon von einem Katholiken ermordet wurde, beinahe zu offener Revolution. 1737 wurde die evangelische Schloßkapelle in Privatgemächer umgewandelt und gleichzeitig eine mächtige und prächtige katholische Hofkirche[80] erbaut.

An der geeinten evangelischen Bürgerschaft prallten alle Katholisierungsbestrebungen ab. Kein Zufall, daß die Vertiefung des religiös protestantischen Lebens, wie es der Pietismus erstrebte, gerade in Dresden fruchtbaren Boden fand. Kein Zufall aber auch, daß gerade hier die Ausbildung der protestantischen Gemeindekirchen ihre besondere Eigenart aufweist. Pfarrer Sulze, der in seinen Schriften für den innigsten Zusammenschluß der Gemeindemitglieder unter sich und mit ihren Geistlichen eintritt, ist der erste Theologe gewesen, der den Dresdner Kirchen des 18. Jahrhunderts wieder Liebe und Verständnis entgegenbrachte.[81] Daß er selbst über ein Menschenalter in der Bährschen Drei­königskirche gewirkt, mag anderseits auf ihn nicht ohne Einfluß gewesen sein.

[60] Erst die moderne Zeit, in der sich der einzelne von den Lehren der Kirche mehr oder weniger emanzipiert, die Gemeinschaft mit Gott und den Glaubensgenossen im Abendmahl seltener oder gar­ nicht sucht, da die Gemeindemitglieder sich nicht mehr gegenseitig kennen, in der Großstadt wenigstens, und die Gemeinde nicht mehr mit einer politischen Einheit zusammenfällt, diese Zeit hat naturgemäß nicht mehr das Bedürfnis, die Glaubenseinheit der ganzen Gemeinde zu empfinden und im Kirchenbau zum Ausdruck gebracht zu sehen.

Neben der eigentlichen Inneneinrichtung findet bei den Massenkirchen Bährs und Schmidts die gesicherte Regelung des Verkehrs in ihr, also die Treppen und Gänge ausgiebige Beachtung. Schon in den programmartigen Erläuterungen zur Frauenkirche 1722 wird von Bähr besonders betont, daß die Kirche so angelegt sei, „damit darin...bequemlich hin und wieder gestiegen und gegangen, das Volk auch bei sich ereignenden jählingen Fällen bald auseinander kommen könne“, (RA., BII. 14.) Die Änderung der ersten Pläne bezieht sich hauptsächlich auf Verbesserung der Verkehrsverhältnisse. In der ausgeführten Kirche sind drei Haupttüren für die Schiffsbesucher und vier Treppen mit besonderen Ausgängen an den Enden der Emporen vorhanden. Die Gesamt­breite der Öffnungen von rund 15 m ist sehr reichlich und würde nach den „Vorschriften für die preußischen Staatsgebäude von 1892“ für 4000 Personen genügen.

Bei der Kreuzkirche hat Schmidt höchst geschickt den zu Emporen nicht nutzbaren Teil hinter dem Altar für zwei symmetrisch gelegene Treppen verwendet. Die zu der Orgel und den Glocken führende Treppe der Frauenkirche bot die Anregung. Die Gesamtbreite der sechs Türen ist die gleiche wie bei der Frauenkirche. Der Austritt von mehreren tausend Personen kann völlig sicher und gleich­mäßig erfolgen. Daß die geringere Anzahl der Schiffsbesucher ebensoviel Türen zur Verfügung hat wie die Besucher der Emporen, ist berechtigt, da die Entleerung der letzteren infolge der weiteren Wege und der Treppen langsamer erfolgt. Der Hauptstrom der Besucher wird dem Bedürfnis ent­sprechend nach dem Altmarkt zu abgegeben. Die Verbindung ist auch innerhalb des Gebäudes überall reichlich vorgesehen. Der Besucher kann, ohne die Kirche wieder verlassen zu müssen, bequem zu allen Plätzen gelangen. Bei Schmidt finden wir eine ausgesprochene Orientierung und kräftigere archi­tektonische Betonung der Eingänge. Vor der Frauenkirche weiß man nicht recht, welche Türe zu wählen ist, um eine bestimmte Stelle im Innern auf direktem Wege zu erreichen. Bei der Annen- und Großenhainer Kirche liegen die Emporentreppen innerhalb des eigentlichen Kirchenraumes. Auch bei der Frauenkirche wurden sie erst während der Ausführung durch verglaste Wände abgetrennt. Bei der Kreuzkirche, wie bei der Dreikönigskirche stellen selbständige massive Treppenhäuser, nur mit den notwendigsten Emporenzugängen, den ungehinderten Verkehr auch bei Feuersgefahr sicher.

Nach ihrer Ausführungsart sind die Werke der Dresdner Kirchenbauschule Zimmermanns­bauten, die Kreuzkirche und Frauenkirche ausgenommen. Nur die Umfassungen sind von Stein, der Ein- und Ausbau von Holz. Das gefügigere Material erleichterte das Planen und führte zur Auffindung neuer Typen durch das Abgehen vom Rechteckgrundriß. Zur Übersetzung der gefundenen Raumgedanken in den Steinbau kam beiden Architekten die zimmermännische Ausbildung zugute. Denn der Zimmerer muß viel mehr als der Maurer mit den statischen Kräftewirkungen vertraut sein, da bei den Holzverbindungen sehr rasch die zulässige Grenze der Beanspruchung erreicht wird. Die Steinpfeiler der massiven Bauten, die so schlank sind, als es die Druckverhältnisse irgend gestatten, erinnern dadurch noch an ihren Ursprung.

Alle Kirchen von Bähr und Schmidt weisen eine überaus geschickte, höchst zweckmäßige und ausgereifte Grundrißbildung auf und bringen die protestantischen Kirchenbauideen in künstlerischer Raumdurchbildung zu vollendetem Ausdruck. Auf die volle Höhe monumentaler Raumkunst erheben sich nur die beiden Massivbauten der Dresdner Schule. Gemeinsam ist beiden, daß ihre Architekten nach ihrer Eigenart das Beleuchtungsproblem lösen, um ihre Innenräume zu gesteigerter Wirkung zu bringen, daß sie ferner die statische Aufgabe der Raumüberdeckung nicht nur technisch überaus geschickt

[61] bezwingen, sondern auch künstlerisch verwerten, um das Äußere zum lebendigen organischen Ausdruck des Innern werden zu lassen.

Wohl haben wir Georg Bähr, den Schöpfer der Frauenkirche, den Finder eines neuen Kirchenbautypus, schon um dieser Tat willen als Künstlerpersönlichkeit höher einzuschätzen als den Architekten der Kreuzkirche, die ohne jenes Werk nicht denkbar ist. Aber was bei Schmidt fehlte an der seltenen Ursprünglichkeit des Genies und an reicher Gestaltungskraft, das ersetzte ihm die Schulung unter Bähr, die anerzogene Fähigkeit zu künstlerischer selbständiger Verwertung bereits ge­fundener architektonischer Werte. Das Lernen und Arbeiten unter seinem Vetter und Pflegevater hatte ihn mit Bährs Denken und Streben aufs innigste vertraut gemacht, dessen schrittweise erworbenen Erfahrungen und Kenntnisse ihm als Früchte zu­gebracht. Aber er blieb hierbei nicht stehen. Seine Schule hatte ihn nicht bloß zum Kopieren erzogen, sondern erst recht zu eigenem Denken und selb­ständigem Schaffen befähigt. Das zeigt vor allem sein Hauptwerk.

Der Kreuzkirchenplan gibt an künstlerischer Bedeutung dem Kuppel­bau Bährs kaum viel nach. Beide stellen die Höhepunkte in der pro­testantischen Kirchenbauentwicklung des 18. Jahrhunderts dar, die einzigen. Das eine Werk der vollendete Aus­druck des gemütstiefen kunstinnigen Pietismus, jenes andere, in den Plänen stecken gebliebene, die Ver­körperung des verstandesklaren Ra­tionalismus.

Frauenkirche. Maßaufnahme mit der Schmidtschen Laterne.
Maßstab 1 : 600.

Der Einfluß der Dresdner Schule in Sachsen.

Eine intensive Verwertung der von Bähr und Schmidt gefundenen Gedanken zeigt der Neubauplan der Zittauer Johanniskirche. Der alte gotische Bau war 1757 bei der Belagerung durch die Verbündeten in Brand geschossen worden. Obwohl auch hier keine Mittel vorhanden waren, beschloß man, die Ringmauern wegen ihrer Un­regelmäßigkeit nicht mit zu verwenden, sondern die Kirche „im neuen Geschmack“ zu bauen.[82] [62] Auftrag hierzu erhielt 1764 der städtische Oberbauschreiber Andreas Hünichen. Er trat mit Schmidt persönlich in Verbindung und verschaffte sich von ihm die Grundrisse der vier großen Dresdner Kirchen. (Sie liegen mit einem solchen der deutschen Kirche zu Kopenhagen im Zittauer Ratsarchiv.) Am 11. November 1765 wurde sein Plan in Dresden approbiert, 1766 der Bau begonnen. Geldmangel, Einsturz eines Turmes und Fehler in der Dachkonstruktion hatten eine Verzögerung der Fertigstellung und Änderung der Pläne durch Schinkel 1833 zur Folge.

Hünichen[83] lehnte sich eng an das erste Umbauprojekt Schmidts zur Kreuzkirche an. Im Grundriß war hier wie dort die alte Turmseite mit zu benutzen. Hierdurch war auch die Lage der Orgel gegeben. Die größere Breite der Turmstümpfe (10 m gegen 8,50 m bei der Kreuzkirche)


Johanniskirche in Zittau nach dem Entwurf
Hünichens von 1765. Maßstab 1 : 500.
Grundriß nach den Zeichnungen in der Königlichen
Bibliothek. Querschnitt nach einem Riß
im Zittauer Ratsarchiv.


gestattet die Anlage von Emporentreppen in ihrem Innern. Zwei weitere werden ähnlich wie bei der Annenkirche, aber in Stein, in den Kirchenecken seitlich vom Altar untergebracht. Dieser selbst steht in seiner Arkade unmittelbar vor der Außenwand. Der Mittelsaal erscheint exzentrisch gegen die Altarseite verschoben. Seine Abmessungen sind sehr bedeutend. An Grundfläche wird er nur von der Kreuzkirche übertroffen. Die Länge ist die gleiche, das Verhältnis ist schlanker. Die Kanzel liegt am Rande des Altarplatzes, an einem Pfeiler.

Im Querschnitt sind die Höhenverhältnisse der Dreikönigskirche zugrunde gelegt. Der Mittel­saal würde etwas gedrückt wirken. Statt des schweren gebrochenen Satteldaches ist über den Emporen nach Schmidts Vorbild eine Anschweifung in Holz mit eingetieften Fenstern für den Mittelsaal an­geordnet. Außer Betstuben im Erdgeschoß sind zwei Emporen vorgesehen.

Die äußere Gruppierung weicht von den Dresdner Kirchen durch die Ausbildung eines Turm­paares [63] ab, die hier schon deshalb geboten war, weil der vorhandene Nordturm mit benutzt werden sollte. Die Stirnfront konnte außerordentlich wirkungsvoll werden, da die auch hier geplante Dachanschweifung ein freies Aufsteigen der Türme gestattete. Später verwandelte man das Kirchendach in eine steile, hohe Mansarde, wohl um die Anschweifung zu vermeiden und den Mittelsaal zu erhöhen; die Folge war die Einschiebung eines Zwischenstückes an der Turmfront, das ohne einem inneren Zweck zu dienen die Massenwirkung erheblich verschlechterte.

Die Ausführungsart ist die gleiche wie bei Schmidts erstem Entwurf, Pfeiler und Emporen­gewölbe massiv, die Mittelsaalüberdeckung von Holz.

Im ganzen ist der Plan eine außerordentlich tüchtige Leistung Hünichens. Unter Zugrunde­legung des Dresdner Stils ist die ganze Raumanlage klar und übersichtlich geplant, sehr geschickt in allen Teilen ausgenützt und das protestantische Bauprogramm trefflich erfüllt.


Johanniskirche in Zittau.
Maßstab 1 : 1000.
Plan im Zittauer Ratsarchiv.


In geringerem Maße zeigt sich der Einfluß der Dresdner Schule bei den Kirchen in Hohenstein (bei Glauchau) 1757 und Lichtenstein 1781–85. Diese sind unter sich verwandt und weisen schlanke Mittelsäle mit polygonalem Abschluß von rund 8 : 24 bez. 8 : 26 m auf. Der Altar steht vor seiner Arkade an der Schmalseite, ihm gegen­über die Orgel.

Außer den bereits besprochenen weist Sachsen aus dem 18. Jahr­hundert nur wenige Neubauten auf. Die Folgen der Brühlschen Miß­wirtschaft und des Siebenjährigen Krieges mögen daran schuld sein. Diese wenigen aber zeigen kein Fortschreiten, sondern eine Rückentwicklung. Bei der nach Schmidts Tode von Eigenwillig erbauten Waisen­hauskirche z. B. sind zwar die deckentragenden Emporenstützen vor­handen, aber die Decke selbst ist wieder flach und ohne Oberlicht. Die Saalwirkung ist durch Weglassen der Arkaden an der Altarseite zerstört. Jedes Verständnis für Bährs künstlerische Raumgedanken fehlt. Die Kirche ist inzwischen abgebrochen.

Den stärksten Eindruck auf die Architekten des 18. Jahrhunderts hat unter den Dresdner Kirchen die Frauenkirche gemacht. Aber es fehlte an Gelegenheit zur Durchführung ähnlicher Gedanken. Sehr eng an ihre Raumbildung hält sich ein Entwurf, der von dem späteren Aka­demieprofessor Hölzer stammt und der wegen seiner Beziehungen zur Kreuzkirche noch zu besprechen ist. An die Raumanlage der Kreuzkirche lehnt sich ein im Hauptstaatsarchiv befindlicher Plan in neugotischen Formen von einem sonst nicht bekannten Architekten Friedrich Wilhelm Fischer. Die letzten noch einigermaßen würdigen Ausläufer des Dresdner Stils sind die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbauten, nach ihrem Baumeister genannten Uhligkirchen[84], die bedeutendste in Mildenau bei Annaberg mit rechteckförmigem Saal­grundriß und Kanzelaltar an der Schmalseite.

Dresdner Einfluß in Hamburg.

Durch Joh. Leonhard Prey, dem erwähnten zweiten Schüler Bährs, wurde dessen Kirchenbaustil nach Hamburg übertragen. Preys bedeutendstes Werk ist die jetzt zerstörte Große [64] St. Michaeliskirche (1751–62). Ihre ganze Anlage verrät deutlich die Abhängigkeit von der Dresdner Schule. Der Planung lag ein länglichrunder von Arkaden umstellter Mittelraum zu­grunde, ähnlich wie bei der Kreuzkirche. In dem höher geführten muldenförmigen Holzgewölbe mit perspektivisch in die Fläche gelegten Fenstern kam er klar zum Ausdruck. Im Grundriß aber trat die griechische Kreuzform ausgesprochen hervor. Die Seitenarme öffneten sich gegen den Mittelraum in einem mächtigen Arkadenbogen, der zwei Arkadenmotiven der Dresdner Kirchen entsprach. Die Saal­wirkung, die an der Decke noch erhalten war, wich im unteren Raum einer querschiffartigen Erweiterung.


Große St. Michaeliskirche in Hamburg. Inneres bis 1906.


Der Altar stand wie bei Schmidt an der Wand des Innensaals; aber unter dem Einfluß mitzubenutzender älterer Fundamente erschien das Saalende mit dem Altarplatz chorartig zusammengedrückt. Seitliche Sakristei- und Betstübcheneinbauten vermehrten diese Wirkung. Nur der übrige dreiarmige Teil nahm Kirchenbesucher auf. Ihn umzog nur eine, in Kleeblattform weit vor die Arkadenpfeiler vorgezogene, durch schlanke Eisensäulen gestützte Empore. Eine eigenartige, weiträumige, schwach an die Großenhainer Kirche erinnernde, von mildem Licht erfüllte Raumbildung war so gewonnen. Die dekorative Ausschmückung von großer formaler Schönheit erhöhte noch die weihevolle Wirkung des Innenraums. Die Gesamtstimmung entsprach dem freieren Geist und geweiteten Blick der seefahrenden Hamburger, die sich eines sicheren, ungefährdeten Bestandes ihres Glaubens und großer Wohlhaben­heit erfreuten.

Die konstruktive Durchbildung stand nicht auf der Höhe des Entwurfs. Sie war die gleiche wie bei der Dresdner Dreikönigskirche, das Licht für den Hauptsaal lieferten die Dachfenster einer [65] Mansarde. Die gesamte Raumüberdeckung, sogar die Vierungs- und Arkadenbögen bestanden nur aus überputzter Bretterschalung, der Turm aus einem Holzgerüst mit äußerer Kupferhaut. Als Baumeister der Kirche wird neben Prey, der während der Ausführung starb, noch Sonnin genannt. Der Haupt­entwurf und die Deckenbildung stammen zweifellos von Prey und setzen starke, persönliche Eindrücke der Bährschen Bauten voraus. Der kreuzförmige Grundriß mit seiner ausgesprochenen Vierung ließ zunächst eine andere Lösung der Überdeckung erwarten; die dann ausgeführte wurde erst während des Baues angenommen, nach mannigfachen anderen Versuchen. Die Abmessungen sind bedeutend, Bau­fläche und Höhen ähnlich wie bei der ausgeführten Kreuzkirche. Das Parterre hat ohne Altarplatz eine stützenfreie Grundfläche von rund 1000 qm, Vierung und Querschiffe allein schon rund 800 qm. Dafür ist die Emporenausnützung geringer. Während Schmidt die Kreuzform Bährscher Umfassungen aufgab, brachte sie Prey zu stärkerer Entwicklung, so schon an der St. Georgskirche in Hamburg. Das Raumideal Preys wich von dem Schmidts und Bährs bereits ab. Einfluß auf ihn hat, wie es scheint, die ausgesprochen kreuzförmige Hallenanlage der Erlöserkirche und der Garnisonkirche in Kopen­hagen gehabt. Das Gleiche gilt für seinen Zeitgenossen Dose, einen Schleswiger Baumeister, der dann in Kopenhagen selbst tätig war.

Um die weitere Entwicklung der sächsischen Kirchenbaugedanken in Hamburg und den um­liegenden Orten Schleswig-Holsteins zu beurteilen, sind erst Spezialuntersuchungen nötig. Auch schwanken die Angaben über die entwerfenden Architekten. Die Altonaer Hauptkirche mit Betstübchengeschoß nach sächsischer Art zeigt im Grundriß eine auffallende Übereinstimmung mit der Hamburger Georgskirche. Diese wird Prey, jene Dose zugeschrieben. Erwähnenswert ist vor allem noch die große und wirkungsvolle Kirche in Rellingen bei Hamburg (1754–57), die anfangs Sonnin, dann Dose zugeschrieben wurde. Zweigeschossige Emporen umgeben einen regelmäßigen Achtecksaal mit höherem Mittelgewölbe, in das durch Dachfenster und durch eine weite Laterne reiches Oberlicht einströmt. Altar, Kanzel und Orgel nehmen ganz wie bei Schmidts Großenhainer Kirche eine Arkadenseite ein und stehen an der Saalwand. Der Aufbau der ganzen Gruppe erinnert selbst bis in die Details an Bähr und Schmidt, die Querschnittentwicklung mit der Laterne an die ersten Pläne zur Frauenkirche. Der persönliche Einfluß der Dresdner Schule ist fast noch stärker fühlbar wie bei der Michaeliskirche. Entweder stammt auch hier der Plan von Bährs Schüler Prey, oder Dose, falls er der Hauptentwerfende war, hat gleichfalls unter Bähr seine Ausbildung durchgemacht.

Parallel mit der Weiterbildung des sächsischen Stils unter Schmidt ging an der Mündung der Elbe eine ausgiebige Verwertung der in Dresden gefundenen Kirchenbaugedanken.[85] Aber hier wie dort war es den Schülern Bährs gerade an ihrer größten Aufgabe versagt, das zu leisten, was Bähr bei der Frauenkirche erreicht hatte, die Wiederspiegelung der künstlerischen Raumlösung im Äußeren und die Durchführung der Bauabsichten in massivem Baumaterial, kurz wahre Monumentalität.

Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts war überall in Deutschland die Erinnerung an die Errungenschaften des 18. Jahrhunderts im protestantischen Kirchenbau erloschen. Wohl zeigte sich viel ernstes Streben, dem evangelischen Gotteshaus ein eigenartiges Gepräge zu verleihen. Die Versuche zu einer neuen selbständigen Entwicklung wurden allenthalben erschwert durch das Vorherrschen der „Stil“ frage bei den Laien wie bei den Architekten. Bei diesen trat an die Stelle einer unbewußten Weiterbildung gefestigter Stiltraditionen früherer Zeit das mehr sprungweise Einarbeiten in verschiedene historische „christliche“ Stilvariationen. Die Durchbildung der Gedanken, die künstlerische Zweckerfüllung wurde verdunkelt durch das Suchen nach dem sprachlichen Ausdruck, dem formalen Stil. Die Leistungen des Barock galten als Geschmacksentartungen. Man verachtete seine Schmuckformen und sah nicht die in ihnen niedergelegte Summe von künstlerischer Erfahrung über zweckgemäße Raumgestaltung.

[66]
II. Kämpfe um die Plangestaltung der Kreuzkirche.
1. Die Vertreter des Staates.

Anlaß für den Staat, sich um den Kreuzkirchenbau zu kümmern, war damals, wie noch heute, das Recht und die Aufgabe, die bei jeder Bauausführung in Frage stehenden öffentlichen Interessen zu wahren. Soweit sich diese auf die gesamten Bauabsichten des Rates, die Erfüllung des baulichen Bedürfnisses, die pekuniäre Belastung der Gemeinde und Ähnliches bezogen, also allgemeiner Natur waren, konnten sie im normalen Verwaltungsweg erledigt werden. So ist noch heute bei jedem Kirchenbau das Landeskonsistorium zu hören. Ob die Baupläne den im Erläuterungsberichte dar­gelegten Bauabsichten entsprachen, ob besondere bautechnische und baukünstlerische Ansprüche an die Pläne zu stellen oder von ihnen erfüllt waren, erforderte spezielle Prüfung. Diese nun, Baupolizei im engeren Sinne, konnte nur durch technische Sachverständige erfolgen. Solche gab es aber damals in der Zivilverwaltung nicht. Die zunächst in Frage kommenden Baubeamten unterstanden dem Gou­verneur der Stadt und Festung. Ihm war daher die Baupolizei übertragen. Er berichtete direkt an den Regenten. Weiter war durch Gründung der Kunstakademie und Errichtung eines Lehrstuhles für Architekten eine Institution geschaffen, die technische Gutachten abgeben konnte und gleichfalls direkt unter dem Landesherrn stand.

Die Baupolizei in Dresden wurde bis ins 17. Jahrhundert vom Rat ausgeübt durch den Senator, welcher als „Baumeister“ oder „Bauherr“ dem Stadtbauamt vorstand. Das Interesse der Landesherren an der baulichen Entwicklung hatte sich vor allem in Verordnungen geäußert, die auf Beseitigung der hölzernen Gebäude drangen. 1677 übernahm der Staat die Baupolizei[86] in Dresden. Jeder Bau sollte hinfort angemeldet werden und zwar beim Oberinspektor der Fortifikations- und Zivilgebäude, Artillerieobersten von Klengel (gest. 1691). Dieser war zugleich der oberste Bau­beamte des Staates. Als ein Gouverneur an die Spitze des Festungswesens trat, wurde ihm mit der staatlichen Bauverwaltung auch die Baupolizei unterstellt. Graf Flemming erhielt als „Gouvernör der Stadt und Festung“ ausdrücklich auch die oberste Aufsicht über das Bauwesen in Dresden. Alle Risse waren ihm zur Genehmigung vorzulegen. 1708 und 1711 stellte er eine Anzahl „Baupunkte“ als Richtschnur für den Privatbau auf. Unter ihm stand Graf Wackerbarth als „Generalintendant über alle in Sachsen und Polen befindlichen Zivil-, Fortifikations- und Militärgebäude, auch alle Akademien“. Diese Stellung bekleidete Wackerbarth seit 1697 und behielt sie auch als Gouverneur bis zu seinem Abgang 1728. Unter ihm wurde 1718 ein selbständiges Oberbauamt errichtet. 1720 erließ er ein „Baureglement“, das eine „Oberbaukommission“ unter ihm als Vorstand handhaben sollte. Risse und Anschläge waren einzureichen. Die Neubauten sollten von Stein und zur Zierde der Stadt und „Kommodität“ des Bauherrn geplant werden. Die Entscheidung auf Beschwerden stand beim Landesherrn. 1750 wurden gelegentlich als zur Zuständigkeit des Gouvernements gehörig alle die Fälle bezeichnet, welche die Zierde, Wohlstand und Sicherheit der Residenz beträfen. Gegen Zuwider­handelnde hatte das Gouvernementskriegsgericht zu entscheiden. Fortifikatorische Gesichtspunkte kamen höchstens ausnahmsweise in Frage. Der Grund für Ausübung der Baupolizei durch den Gouverneur war vielmehr, daß infolge der geschichtlichen Entwicklung Zivil- und Militärbauverwaltung noch im Zusammenhang stand. Erst 1825 wurde die Dresdner Baupolizei wieder der Zivilverwaltung und zwar dem Stadtpolizeikollegium als unterster Instanz übertragen.

Außerhalb Dresdens wurde seit 1711 gleichfalls staatliche Baupolizei ausgeübt. Häufige Brände hatten Ausfall an Steuern und Abgaben zur Folge gehabt. Es wurde deshalb Major Naumann zum Baudirektor bei der Generalakzise bestellt mit dem Auftrag, für die Feuersicherheit im Lande besorgt zu sein und „die Risse dafür anzufertigen“. Eine Zeitlang war der Akzisbaudirektor [67] auch für Dresden zuständig (1713–21). Die Pläne gingen erst an ihn und dann an den Gouverneur. Von G. S. Locke, der von 1752 an Akzisbaudirektor war, schreibt Keller, daß er alle Baue in ganz Sachsen außer Dresden und Leipzig (dahin gehören alle Land- und Kommungebäude im ganzen Lande, welche zu dieser Zeit gebaut worden) zu dirigieren hatte.

Die Anforderungen waren zunächst wie noch heute, Sicherheit für den Verkehr, Sicherheit gegen Brand und Einsturz, gegen Lebens- und Gesundheitsschädigung, sie waren dann aber auch wirtschaft­licher Natur. Der Bau sollte zweckmäßig, „kommode“ sein, dem „Wohlstand“ dienen. Die Anschläge waren mit vorzulegen. Anstände mögen sich oft ergeben haben, besonders bei Eingaben vom Lande. Nach Keller hat Locke[87] bis 1784 nur fürs Erzgebirge 1235 Risse, in dem einen Jahr 1783 insgesamt 621, im Jahr 1784 insgesamt 351 Pläne geliefert. Für die Baupolizei in Dresden waren außer den praktischen auch ästhetische Anforderungen in Frage, so z. B. die Einhaltung von Fluchtlinien und bestimmten Hauptsimshöhen. Hierher gehört auch der schon erwähnte Erlaß von de Bodt[88], dem Nachfolger Wackerbarths als Generalintendant der Bauten (1728–45). Der Erlaß wandte sich gegen handwerkliche Nachahmung barocken Überschwanges an Fassaden, er stellte aber gleichzeitig den ersten Stoß gegen das ältere sächsische Barock dar, das dem Formenempfinden de Bodts und des ihm ver­wandten Oberlandbaumeister Longuelune entgegen war. Über Sicherheit und Zweckmäßigkeit eines Baues ließen sich leichter feste Normen des Urteils finden als über die „Zierde“. In diesem Punkte konnte das individuelle Empfinden der Beamten leicht zu Willkür dem Künstler gegenüber führen, der nicht der staatlichen Architekturrichtung huldigte.

Weiter konnte in ästhetischen Fragen die Zusammensetzung der Oberbaukommission leicht zu Mißständen Anlaß bieten. Während sie am Anfang des Frauenkirchenbaues aus vier Architekten, Pöppelmann, Longuelune, dem älteren Leplat, Knöffel und dem Oberbaukommissar Gärtner bestand, gehörten ihr 1738 außer Knöffel und dem Oberbaukommissar Schulze drei Ingenieuroffiziere an. Dieses Verhältnis wurde noch ungünstiger durch die 1745 nach de Bodts Tod erfolgte Gründung[89] eines selbständigen Militäroberbauamtes unter dem Chef des Ingenieurkorps. Wohl gehörte die Architektur zum Schulpensum der Kadetten und wurde von dem durch seine Kupferstichhefte bekannten Architekten Fäsch gelehrt, aber sie bestand nur in der Lehre von den Säulenproportionen, in einer Eindrillung von Profilen (wie sie die Studienhefte der Prinzen in der Königl. Bibl., Handschr. C. 39–41, zeigen) und in der Anfertigung von Konstruktionszeichnungen. (Bibl. d. Pionierbat.) Von Ausnahmen abgesehen, wird man von den militärischen Mitgliedern der Kommission ein tieferes Verständnis und ein selbständiges Urteil in strittigen Fällen, zumal bei Entwürfen für Monumental­bauten, nicht erwarten können. Ihre Mitwirkung bei solchen Fragen war verfehlt, da sie dem Ober­landbaumeister, der als einziger Architekt sein Urteil leicht zur Annahme bringen konnte, die persönliche Verantwortung abnahm und auch etwaigen unberechtigten Übergriffen oder Willkür desselben durch ihre Sanktion den Schein des Rechten gab. Solche Mißstände traten zunächst unter Knöffel hervor.

Knöffel ist bekannt[90] als „eine der frechsten und schamlosesten Kreaturen Brühls“. Frühzeitig in hohe Stellung gerückt, „schwang er sich bald zum despotischen Tyrannen in allen Bausachen empor“. Als mächtigem Günstling Brühls wurde es ihm leicht, sein Gehalt auf das Dreifache des normalen zu erhöhen. „Von unersättlicher Habgier und Eitelkeit getrieben, legt er de Bodt und Longuelune gänz­lich brach und nötigt auch Chiaveri durch schmachvollste Intriguen zur Aufgabe seiner Stellung.“ „Sein maßloser Ehrgeiz litt es nicht, daß ein anderer als er sich ein so erhabenes Monument setzte.“ In gleicher Weise suchte er beim Frauenkirchenbau sich einzumischen. Hier hatte zunächst Wackerbarth, ohne die Kommission zu hören, eine praktischere Treppenanordnung gefordert. Nach Einreichung neuer [68] Pläne hören wir, daß Knöffel damit beschäftigt ist, noch einige „Änderungen“ auf Wackerbarths Veranlassung zu zeichnen. Das Ergebnis war ein vollständig neuer Plan, das sogenannte zweite, irrtümlich Bähr selbst zugeschriebene Projekt von 1724. (Vergl. Abbildung S. 49 und Text S. 47.) Bähr fertigte ein Modell desselben, das dann von Wackerbarth selbst und der noch aus Baubeamten zu­sammengesetzten Oberbaukommission mit Recht außerordentlich abfällig kritisiert wurde. Die heftigsten Angriffe seitens des bauenden Rates gegen Wackerbarth hatten dann die Genehmigung des Bährschen Entwurfs zur Folge. Nachdem Knöffel alleiniger Oberlandbaumeister und sein Einfluß und Macht gestiegen war, begannen 1738 erneute Angriffe gegen Bährs Bau, speziell gegen die Kuppel. Die ver­änderte Zusammensetzung der Oberbaukommission gestatteten ihm, Bähr die größten Schwierigkeiten zu bereiten. Erst das unangreifbare Gutachten des Leipziger Landbaumeister Schatz und der Tod Bährs machten seinen Intriguen ein Ende. Beim Bau des Altstädter Rathauses 1741 gelang es ihm dann, mit Hilfe der Oberbaukommission ohne Hindernis eigene Pläne zur Durchführung zu bringen. Der Geist, der durch Knöffel in die Oberbaukommission gekommen war, blieb auch weiterhin herrschend. Das wird u. a. durch die erwähnten Vorgänge beim Gewandhausbau der Stadt 1768 belegt.

Beim Beginn des Kreuzkirchenbaues war Johann Georg, Chevalier de Saxe[91][WS 1], Chef der Oberbaukommission. Oberlandbaumeister war Julius Heinrich Schwarze, ein fähiger Künstler und ein ehrlicher Charakter, der nach Knöffels Tod sofort die Chiaverischen von Knöffel geänderten Pläne wieder herstellte. Aber Schwarze war augenleidend und erblindete immer mehr. Als sein Vertreter und Nachfolger übte der Landbaumeister Exner in der Oberbaukommission entscheidenden Einfluß.

Christian Friedrich Exner ist am 13. Mai 1718 in Lampertswalde bei Oschatz geboren. Nach dem frühen Tode seines Vaters[92], eines hochherrlichen von Thielauischen Bedienten, kam er als Knabe nach Dresden. Hier studierte er unter der Direktion des damaligen Oberlandbaumeister Knöffel und Longuelune dreizehn bis vierzehn Jahre lang die bürgerliche Baukunst. In diesem Zeitraum erlernte er zugleich die lateinische, französische und italienische Sprache, trieb beim Kriegsrat Glaser die Mathematik und lag anderen zur Architektur gehörigen Hilfswissenschaften ob. „Seine hervor­stechenden Talente (so schreibt Kläbe[93] zu Lebzeiten Exners) hatten die Aufmerksamkeit des Hofes auf ihn gelenkt.“ Man verwendete ihn für die Bauten auf dem Lustschloß Zabeltitz, desgleichen zur Be­sorgung von zu veranstaltenden Festivitäten bei Anwesenheit des Kurfürsten. Schon die Verwendung seines Schülers in Zabeltitz wird auf Knöffel zurückgehen, der die Oberaufsicht hatte. 1744 trat Exner als Kondukteur ins Oberbauamt ein, 1746 und 1747 hatte er die großen Illuminationsgebäude und Feuerwerksdekorationen bei Hochzeiten am Hofe unter der Direktion des Oberlandbaumeisters auszuführen, wodurch er sich „Beifall und Ehre erwarb“. Seine Zeichnung wurde von Zucchi in Kupfer gestochen und auf ihr der Kondukteur hochtrabend in „architecte du roi“ verwandelt. Wohl als Anerkennung erhielt er 1749 neunzig Ellen an den Pallisaden der Elbwiesen in Neustadt vom König geschenkt (Hasche, Dipl. Gesch. v. Dr., Beiträge S. 717) und errichtete sich hier (jetzt Wiesentorstraße 10) ein Mietgebäude, das er bis zu seinem Tode 1799 bewohnt hat. Zum Verständnis von Exners Persönlichkeit und seinem Verhalten beim Kreuzkirchenbau ist es wesentlich, daß er direkt unter Knöffel aufwuchs. Nach dessen Tode wurde er Landbaumeister in Dresden, 1764 Titularprofessor der Akademie, 1766 Oberlandbaumeister mit einem Gehalt von 1600 Talern. Als solcher hatte er die Aufsicht und Direktion über das gesamte Hof- und Landbauwesen[94] und alle neu auszuführenden[WS 2] großen Haupt­gebäude. Er hatte dahin zu sehen, daß dabei Wohlstand, Beständigkeit und Bequemlichkeit observiert werde und das herrschaftliche Interesse getreulich zu wahren.

Als Architekt hat Exner der Nachwelt nichts von Bedeutung übermittelt. Unter seinen Werken sind die „vorzüglichsten“ (Kläbe): der Ostflügel des Taschenberg-Palais, im wesentlichen eine Kopie des westlichen von Schwarze, unter dem der Plan dazu bereits gefertigt sein wird, dann die Schloßkirche [69] in Wittenberg[95], ein Einbau von schmalen doppelten Emporen auf schwerfälligen Rechteckpfeilern in die im siebenjährigen Krieg ausgebrannten Umfassungen mit wirkungsvollem, die ganze Höhe ein­nehmenden Kanzelaltar (1762–70), und schließlich das Josephinenstift in Dresden, ein Um- und Neubau nach dem Brand im siebenjährigen Krieg 1760–65, mit einer barocken Kapelle und schönen Rokokotüren, die wohl dem älteren Bau noch angehören. (Abb. in Gurlitt, K. Dr., S. 725.) Weiter werden drei Brücken[96] genannt und der Kreuzturm, „der ganz nach seinen Entwürfen ausgeführt ist“. Diese unrichtige Angabe geht aber offenbar auf Exner selbst zurück, da einige Seiten weiter der Turm (richtig) auch als von Hölzer bezeichnet wird. Die neuere Angabe, daß Exner nach dem Kriege zahl­reiche Privatgebäude in Dresden ausgeführt habe, ist nicht zu belegen und beruht wohl auf Ver­wechselung mit Locke. Exners Tätigkeit bestand in Verwaltungsarbeit. Obgleich er zeitig in selbständige Stellung rückte, hat er doch nicht einen Monumentalbau auszuführen gehabt. Der Staat war durch die Brühlsche Mißwirtschaft ruiniert, die öffentliche Bautätigkeit kam durch den Krieg fast völlig zum Erliegen. Das Landhaus erhielt Krubsacius, obwohl Exner vom Obersteuerkollegium auffallend begünstigt wurde (Schumann).

In seinen Formen zeigt sich Exner als Schüler Knöffels. Die guten Verhältnisse sollten die architektonische Wirkung bringen. Sein 1750 erbautes Wohnhaus ist absolut schmucklos. Nur eine mittlere ganz schwache Vorlage mit Dachausbau und flachem Giebel belebt die neun Fenster breite vierstöckige Fassade. Das Grundstück ist aufs äußerste ausgenutzt. Die sehr geschickte Wahl des Bauplatzes macht es noch heute zu einem der vornehmsten Miethäuser. Von dem „feinsinnigen, mit einer reichen, stets aber maßvollen Phantasie gepaarten Geistreichtum Longuelunes“ (Sch.) ist bei ihm nichts zu merken, ebensowenig von der glatten, noch immer reizvollen Art Knöffels, dessen „Bauten elegant sind, ohne vornehm zu sein“ (Gurlitt).

In die Öffentlichkeit trat Exner durch zwei Gutachten[97], einmal bei Untersuchung der Frauen­kirche nach der Beschießung, dann nach dem Einsturz des Kreuzkirchenturmes. Die Frauenkirche hielt er für „ein nichts weniger als vollkommen dauerhaftes und unwandelbares Gebäude“. Für den Kreuzturm schlug er möglichst raschen Gerüstbau vor, der selbst bei der größten Beschleunigung viele Wochen erforderte. Beide Male umging er den Kern der Frage, ob momentane Gefahr bestehe, und wich damit jeder Verantwortung aus. Bei Beginn des Kreuzkirchenbaues wurde weder Exner noch die Oberbaukommission wirksam, sondern zunächst Krubsacius und die Akademie.

Friedrich August Krubsacius, am 2. März 1718 in Dresden geboren, trat bereits mit 22 Jahren ins Oberbauamt ein. Exner war nur wenige Wochen jünger, auch frühzeitig unter Knöffel tätig, aber erst vier Jahre später als Kondukteur eingetreten. Nach dem Tode Knöffels war gegen Schwarzes Willen der Dienstälteste Krubsacius von Exner und auch dem viel jüngeren, 1724 geborenen und erst 1749 eingetretenen Knöbel[98] übersprungen worden. Durch das Avancieren des letzteren war es Exner möglich, zwischen der Stelle in Dresden und der in Warschau zu wählen. Er entschied sich „trotz der großen Vorteile und günstigen Aussichten“ nicht für Warschau, wohin er bei einem Aufrücken von Krubsacius hätte gehen müssen. Dieser ließ sich die Zurücksetzung nicht gefallen. Durch Vorstellung hoher „Konseillers und Kavaliers“ am Hofe, zu denen er durch seinen Onkel, den Obristleutnant [70] Krubsacius, Zugang hatte, erwirkte er sich aufs neue eine Rangstellung über Exner unter dem Titel eines Hofbaumeisters. Als solcher gehört er zum Oberbauamt wie bisher.

Die Rivalität des überaus ehrgeizigen Exner mochte unserem Krubsacius manchen Kummer bereitet haben. Im Frühjahr 1764, kurz bevor ihm der Lehrstuhl für Architektur an der neubegrün­deten Dresdner Kunstakademie übertragen wurde, bat er um kräftigen Schutz für seinen Rang über dem Landbaumeister bei allen Sessionen und wies auf die angesehene Stellung der Hofbaumeister anderwärts hin[99]. Den französischen architecte du roi, der über alle anderen geehrt werde, wollte er noch gar nicht anführen; aber auf den hannöverschen berief er sich, der sogar über dem Oberland­baumeister stehe, weil er die Gebäude und Gärten des Königs, dieser nur die Bauten des Landes unter sich habe. Krubsacius, ein Grübler und Tüftler, in seinen Arbeiten gründlich und peinlich, aber auch langsam und schwerfällig, konnte es naturgemäß, sobald es sich um eine Aufgabe oder Stellung handelte, die Direktionstalent, Gewandtheit im geschäftlichen Verkehr, raschen Überblick und An­passungsvermögen an neue Verhältnisse forderte, nicht mit jenem aufnehmen, der bei geringeren Kenntnissen größere Weltgewandtheit und höfische Schmiegsamkeit und das Talent, sich immer in das rechte Licht zu setzen, besaß und bei seinen Plänen durch diplomatische Schlauheit und eine Energie unterstützt wurde, die ohne Scheu in der Wahl der Mittel das Erstrebte durchzusetzen wußte. Die Regierung erkannte wohl, daß Krubsacius für eine solche Stellung und Amtstätigkeit nicht die geeignete Persönlichkeit war. Die Ernennung eines neuen Oberlandbaumeisters stand, da Schwarze immer mehr erblindete, bevor. Nur Exner kam in Betracht. Man trennte daher Krubsacius, den dienstältesten Anwärter, völlig vom Oberbauamt, nur sein Gehalt bezog er noch von da. Als Hofbaumeister wurde er fortan dem Hausmarschallamt unterstellt und zur Verpflichtung überwiesen. Von ihm war er zur Fertigung von Rissen und Projekten zu gebrauchen. Noch ehe Krubsacius an die Akademie berufen wurde, veranlaßte man Exner, den man der „Billigkeit wegen nicht umgehen konnte, sich den Titel erster Professor der Akademie gefallen zu lassen“. Gewirkt hat er als solcher nicht. Wohl aber wurde der Rangstreit im Staatskalender endgültig zu seinen Gunsten entschieden. Später (Juni 1776), nach Vollendung des Landhausbaues, wurde Krubsacius noch zum Oberlandbaumeister[100] ernannt, „wegen seiner in der architektonischen Wissenschaft besitzenden vorzüglichen theoretischen und praktischen Kennt­nisse und Erfahrungen“ also honoris causa. Bei der bisherigen Einrichtung des Oberbauamts ver­blieb es. Gleichzeitig wurde ein neuer Hofbaumeister[101] ernannt.

Seine Haupttätigkeit, seinen Ruhm und sein großes Ansehen hat Krubsacius als Akademie­lehrer gefunden. Schon als Kondukteur hatte er Schüler um sich gesammelt. Eigenwillig und K. G. Rothe werden als solche genannt. Seine kunstkritischen Abhandlungen, in denen er auch Grün­dung von Kunstschulen forderte, hatten ihn bekannt gemacht. Nicht irgend welche hervorragenden Werke, sondern seine Gelehrsamkeit, seine Theorien, sein „gebildeter Geschmack“ ließen ihn geeignet erscheinen zur künstlerischen Ausbildung der heranwachsenden Generation. Die erste Abhandlung schrieb er noch als jüngster Kondukteur 1745, die zweite, über die Verzierungen, nach seiner Pariser Reise 1759. Sie sind beide nach Schumanns Analyse[102] durchaus abhängig von den französischen Theore­tikern. Ein Blick von seinen begeisterten Ausführungen über die Antike auf seine Bauten und Pläne[103] bietet eine arge Enttäuschung. Für die antiken Formen waren die Architekten seit Brunellesco ein­getreten, nur hatten sie mehr oder weniger frei mit ihnen geschaltet. Selbst Pöppelmann glaubte den Zwinger ganz römisch zu bauen. Bei Krubsacius ist von antiken Formen herzlich wenig zu finden. Nicht die Antike schlechthin ist sein Ideal, wenn er über Palladio und Vitruv hinaus will. Er strebt nach der „Wiedererkennung des wahren Stils“ und nach „Läuterung des Geschmackes“. Die Alten schöpften aus der Natur, der Quelle alles Schönen. Die Schönheit ihrer Werke beruht auf der [71] inneren Notwendigkeit derselben. Aus der Natur schöpften sie die Erkenntnis der Proportionen. Die Proportionslehre ist die Voraussetzung aller Kunst, ist das erste Prinzip. Natur und Vernunft, be­stimmte Grundsätze stehen daher über der Antike. Soweit sie mit ihnen in Widerspruch steht, ist sie selbst verbesserungsfähig und von Blondel und Briseux in vielen Punkten verbessert worden. (Schu­mann B. u. R., S. 66.)

In seiner Architektur schloß sich Krubsacius an die des Bauamtes an, wie sie seit dem Ein­treten Longuelunes und der Zurückdrängung Pöppelmanns unter de Bodt und Knöffel die herrschende wurde. Bei Longuelune hatte Krubsacius studiert. Unter dem älteren französischen Einfluß war die noble simplicité Anfang der dreißiger Jahre staatlich sanktioniert worden. Diese Dresdner Richtung, die Säulen und Pilaster fast gar nicht kannte, bildete er in seinen Plänen weiter. An einer ausgiebi­geren Aufnahme antiker Formen, insbesondere der Ordnungen, hinderte ihn die Bienséance, die selbst für das Landhaus nur zwei Säulen gestattete. Erst auf Wunsch des Fürsten wurden es sechs. Mit seinem Aufsatz von den Verzierungen ging er über die „vornehme Einfachheit“ hinaus. Wie soll man Gebäude verzieren? Gar nicht, oder so wenig wie möglich, denn sie haben ihre Wesensschönheit in ihren architektonischen Gliedern. Alle anderen Zieraten sind außerwesentlich und nur dazu da, die Art des Gebäudes und den Stand des Besitzers anzuzeigen. Blumengehänge, Zweige und ähnliches sind allenfalls erlaubt, aber mit aller möglichen Mäßigung auszuführen. „Das Schöne in der Bau­kunst besteht vornehmlich in den Proportionen, schrieb Winkelmann 1763, und darin, daß ein Gebäude durch sie allein schön ist, auch ohne Zierate.“ Seine Anschauung deckte sich völlig mit der von Krub­sacius. Die Proportionslehre führte zu einseitiger Betonung von Maßbeziehungen. Mit Rechnen und Meßkunst begann das Studium der jungen Akademiker. Nicht nur alle Formen, auch alle Schaffens­freudigkeit mußte hierdurch gehemmt werden.

Die Wiederaufnahme antiker „Formen“ hat die Kunst immer weitergebracht. Krubsacius konnte mit dem bloßen „Geist der Antike“, mit seinen „Grundsätzen der Alten“ nicht zu dem erstrebten „wahren Stil“, nicht zu einer lebensfrischen gesunden Richtung durchdringen. So baute er mehr die negative Seite seiner Lehre aus, die Reinigung der herrschenden Kunstrichtung, die Veredelung des schlechten (barocken) Geschmackes durch Vermeiden alles Überflüssigen, durch Vereinfachen. Weniger als schaffender Künstler, vor allem als Kritiker und Architekturlehrer hat Krubsacius gewirkt, ein Zeit­genosse des Rationalismus und der Aufklärung, mit der er durch sein freundschaftliches Verhältnis zu Nikolai in direkter Fühlung stand. Mit Laugier teilte er die Ansicht: „Der Architekt muß denken und Rechenschaft über seine Werke geben können. Feste Gesetze müssen bestehen als Normen des Urteils, so daß an Stelle des Instinkts oder Geschmacks das Raffinement tritt.“ (Schumann, B. u. R.) Aber nicht ästhetische Erfahrungssätze künstlerischer Wirkung, sondern philosophisch abgeleitete Vernunftgesetze sollten die Richtschnur bilden.

Die Baukunst wurde zu einer Wissenschaft, zu der vor allem Kenntnisse, weniger Können, ge­hörte. Kenner[104] war nur der, der die „Grundsätze“ der Antike (nicht etwa die Formenwelt) studiert hatte. Er nur konnte beurteilen, was richtig und was falsch war an einem Kunstwerk. Freude an dem elegant Ausgeklügelten, Regelrichtigen trat an die Stelle des ästhetischen Genusses. Die Einsargung der Kunst in die alles Individuelle erstickenden Dogmen verwehrte auch dem Gebildeten das Recht eigenen Urteils. Das Publikum in der jährlichen Ausstellung der Akademie fand die Entwürfe alle einander ähnlich und langweilig, tröstete sich aber damit, daß sie von den Kennern gepriesen wurden. Das Lob des „guten neuen Geschmacks“ war bald in aller Munde, aber auch nur da. Jeder mochte als „Kenner“ gelten und nahm deren Urteil kritiklos an. Diese Hohlheit der Kunstanschauung in weiten Kreisen wirkte ebenso lähmend auf die künstlerische Entwicklung, wie die Unterdrückung selb­ständiger Phantasie bei den Schülern.

[72] Kunstverständige der älteren Zeit wendeten sich offen dagegen. So schrieb der ehemalige Direktor der Kunstgalerien[105], „daß diejenigen vollkommen recht haben, welche behaupten, daß diese jetzt herrschende Mode vieles beiträgt, den guten Geschmack, der ehedem in den Künsten geherrscht, völlig zu verdrängen. Gelehrsamkeit und Kenntnis der Kunst haben keine notwendige Verbindung. Ein Urteil, welches ein bloßer Gelehrter in Kunstsachen fällt, ist nicht eher anzunehmen, bis man überzeugt worden ist, daß er auch ein Kenner ist. Vertrauen zu ihm wird man haben können, wenn man bei jenem schöne auserlesene Kunstsachen findet. Wahre Kenner schätzen jeden Künstler nach seiner eigenen Manier und nach der Schule, worin er sich gebildet hat, jeden nach seinem Verdienst unter den Seinigen.“ Ein wesentliches Korrigenz engherziger Kunstanschauung war durch die Verarmung des Landes weggefallen, „die Reisen der Wohlhabenden in früheren Zeiten, da es unter die feine Lebensart ge­hörte, die glänzendsten Höfe gesehen zu haben“ (Hasche). Dagegen harmonierte die Hohlheit in der Kunstanschauung mit dem kulturgeschichtlichen Bilde des damaligen Dresdens[106], „dem Vaterland des chapeau bas, da vom geringsten Kanzelisten bis zum Minister, vom Kadett bis zum General jeder mit dem Hut unterm Arm und dem Degen auf der Straße wie in der Gesellschaft sich zeigte, der Fremde moquiert sich über den gesellschaftlichen Ton der Zeit, der steif und auf höchste Feinheit kalku­liert ist. Jedes Kompliment, jedes Wort wird auf die Goldwage gelegt. Dieses gedrechselte ekelhafte Zeremoniell hat die tötlichste Langeweile, selbst in Mittelklassen, die sonst nicht geniert sind, zur Folge.“

Die Berufung des Krubsacius geschah kurz nach dem siebenjährigen Kriege. Für Sachsen be­deutete dieser einen gewaltigen Wendepunkt in jeder Hinsicht. Der Sieg Preußens und der Verlust Polens brachte Sachsen endgültig um die norddeutsche Vormachtstellung. Dresdens Bedeutung in Deutschland sank, der politische Horizont ward enger, die Rückwirkung auf das geistige Leben konnte nicht ausbleiben. Die völlig zerrüttete Staatswirtschaft erforderte gründliche Reformen. Auch die Kunst wurde in das wirtschaftliche Programm mit eingezogen. Ein völliger Wechsel in den führenden Persönlichkeiten machte den Umschwung zu einem plötzlichen und dauernden, auch auf dem Gebiete der Kunst.

In dem Gründer und ersten Direktor der Akademie Christian Ludwig von Hagedorn, dem Bruder des Dichters, lernen wir den Mann kennen, der für Dresden und Sachsen der neuen Richtung die Bahn öffnete und ihr zur allgemeinen Herrschaft und Anerkennung verhalf. Als Sohn eines dänischen Staatsrates 1713 in Hamburg geboren, studierte auch er zunächst Jura in Halle und Jena und wendete sich der diplomatischen Laufbahn zu. Früh kam er durch seine kunstsinnige Mutter mit den bildenden Künsten in Berührung. Er versuchte sich in der Radierkunst und gehörte dem für die Antike begeisterten Bühnauschen Kreis um Winckelmann in Nöthnitz an, wie aus einem Bild in der Königl. Bibliothek hervorgeht. Später machte er sich als Kunstschriftsteller und Kritiker bekannt.

Hagedorns erstes Hervortreten in Dresden lag auf wirtschaftlichem Gebiete. Er gehörte als Mitglied der Kommission zur Wiederaufhelfung Dresdens nach dessen Beschießung an, da er schon nach den Bränden von 1757 und 1758 die Hamburger Kollekten mit sehr viel Geschick verteilt hatte. Eine längere Abhandlung von ihm über die Verteilung von dergleichen Geldern in abgebrannten Städten ist noch erhalten (Hauptstaatsarchiv loc. 2576). Sofort nach Brühls Entlassung im Oktober 1763 wurde er Galeriedirektor, nachdem der erste „Anschlag“, ihn an diese Stelle zu bringen, miß­lungen war. Vermutlich war hierbei die Kurfürstin Maria Antonia Gönnerin und treibende Kraft.[107]

Ende 1763 setzte Hagedorn die Gründung der Akademie[108] nach eigenem Plane durch, zum [73] guten Teil aus wirtschaftlichen Erwägungen, auch hier zunächst der klug berechnende Finanzmann. Selbständige Kunstpolitik Sachsens war sein Ziel. Dresden hatte seine Rolle als Kunststadt ziemlich ausgespielt, ein kräftiger Impuls zu neuem Leben tat not. Die einheimische bodenständige Kunst fehlte ihm, sächsische Künstler sollten herangebildet werden. Verbreitung von Geschmack sollte aber auch dem Kunstgewerbe zugute kommen, die Akademie sollte dazu verhelfen. In diesen Anschauungen begegnete er sich mit den Bestrebungen von Maria Antonia und Kurfürst Christian, die der Mangel deutscher Lehrkräfte an der Eröffnung einer Akademie „bisher“ gehindert hatte. Für Leipzig setzte er ebenfalls die Gründung einer Kunstschule durch. Aus wirtschaftlichen Gründen mußte die von Krubsacius ver­tretene Richtung mit ihrem Streben nach Einfachheit und Vermeidung alles unnötigen Schmuckes besonders fördernswert erscheinen. Sachsen war finanziell erschöpft. Eine billige Kunst konnte am leich­testen sich Käufer erwerben.

Vor allem bei der Baukunst war die größere oder geringere Kostspieligkeit einer Stilrichtung volkswirtschaftlich von Bedeutung. In der Folge unterschied auch die Kritik nicht mehr scharf zwischen dem Erstreben der Einfachheit aus künstlerischen und aus pekuniären Gründen. Nach dem Prinzip der Billigkeit wurden bald alle sinnlich wirkenden Schmuckelemente als „umgänglich“ bezeichnet. Dieses unkünstlerische, rein praktische Prinzip kannte keine Grenze und mußte zur vollendeten Nüchternheit führen.

In den Anfang der charakterisierten Kunstbestrebungen fiel die Eingabe der zweiten Schmidt­schen Kreuzkirchenrisse zur Approbierung. Zum ersten Male bot sich hier für die Akademie Gelegen­heit, nach Pariser Vorbild kunstrichterlich wirksam zu werden. Einfluß auf die Gestaltung dieses Hauptbaues zu gewinnen erschien um so nötiger, als Schmidt ein Vertreter des bekämpften Barockstils war. Maria Antonia, die Förderin der Hagedornschen Pläne, nahm als Mitregentin an der ent­scheidenden Ministerkonferenz teil. Nicht die etwas schwerfälligen, als „unsre alten Perrücken“ von Maria Antonia verspotteten Minister[109], nicht der in Kunstsachen neutrale, nach zeitgenössischen Schil­derungen ziemlich unselbständige Prinz Xaver, sondern Maria Antonia dürfte die Berufung von Krub­sacius erwirkt haben. Die Redigierung der Resolution weist auf einen Architekturkenner hin und scheint eine Eingabe von Hagedorn zur Grundlage zu haben.


2. Der Gegensatz Schmidt und Krubsacius.
Vorgänge:


1764,  1. März. Eröffnung der Dresdner Akademie.
20. März. Krubsacius nimmt die Professur an.
22. Mai. Krubsacius wird als Hofbaumeister vom Oberbauamt getrennt.
18. Juni. Ministerkonferenz in Gegenwart von Maria Antonia und Xaver. Die Kommunikation der Schmidtschen Pläne an Krubsacius wird anbefohlen.
19. Dezember.      Die Schmidtschen Risse werden endlich auf Hagedorns unter der Hand durch den Superinten­denten und sonst sorgfältig geschehene Anregung von Bormann an Krubsacius abgegeben.
1765, 28. Januar. Erstes Gutachten von Krubsacius.
30. Januar. Überreichung desselben mit Vortrag von Hagedorns.
2. März. Entgegnung Schmidts.
22. Juni. Einsturz des alten Kreuzturms.
22. Juli. Zweites Gutachten von Krubsacius.
1. August. Überreichung desselben mit Vortrag von Hagedorns.
19. August. Entschließung von Prinz Xaver. Schmidt hat einen verbesserten Riß einzureichen. Zum neuen Turm sind von mehreren geschickten Baumeistern Pläne zu fertigen
1766, 20. Februar. Weder Exner noch Krubsacius haben Turmrisse gefertigt.
16. April. Exner lehnt die Beteiligung ab.
21. April. Schmidt gibt sein drittes Neubauprojekt ab.
25. April. Krubsacius gibt sein Turmprojekt ab.
6. Mai. Chiaveri erstattet ein Gutachten.

[74]

1766,  8. Mai. Ratsbericht unter Einreichnng der Risse.
3. Juni. Exner wird Oberlandbaumeister. Bestallung am 28. Juli.
1. Juli. Xaver übersendet das Material an den Gouverneur.
22. Juli. Erste Sitzung der Oberbaukommission.
29. Juli. Zweite Sitzung der Oberbaukommission. Schmidt verantwortet sich persönlich, Krubsacius schriftlich. Beide sollen ihre Pläne abändern.
26. August. Bormann berichtet an den Rat, Exner habe ein „Projekt unter den Händen“.
5. September.      Schmidt erfährt bei Exner, das Oberbauamt habe den Befehl, den Kirchenbau zu inhibieren. Schmidt soll die geänderten Risse einreichen, hat aber die Konkurrenzpläne noch nicht zurück.
6. September. Der Rat inhibiert den Bau.
1767, 3. Februar. Der Rat bittet um Approbierung der Schmidtschen Pläne.
6. März. Die Oberbaukommission erstattet Bericht an den Gouverneur und bezieht sich auf einen noch fehlenden Riß Exners.
12. März. Der Gouverneur erstattet Bericht an den Prinz Xaver.
31. März. Der Gouverneur erstattet einen zweiten Bericht unter Eingabe der Exnerschen Pläne.
2. April. Der zweite Bericht des Gouverneurs wird ans Geheime Kabinett abgegeben.
4. April. Der erste Bericht des Gouverneurs wird abgegeben.
6. April. Entscheidung Xavers. Exners Turmpläne werden approbiert, er selbst zur Obsicht berufen.


Der Geschmacksstreit 1764–65.

Die Kämpfe zwischen Rat und Staat um die Plangestaltung der Kreuzkirche wurden eingeleitet durch die Berufung von Krubsacius als Gutachter. Erst ein halb Jahr später wurden die Schmidtschen Pläne (II. Neubauprojekt) ihm überschickt. In seinem ersten Gutachten stellte Krubsacius fest, was er anders machen würde. Damit glaubte er die allein richtigen Regeln der Architektur zu vertreten und hoffte um so mehr auf Berücksichtigung seiner Vorschläge, als sie vereinfachend, billiger auszuführen seien. Er gab in väterlich beratendem Tone „nur seine unmaßgeblichen Gedanken zur möglichen Ver­besserung“ an und lobte im besonderen „alle übrige Einteilung der ganzen Kirche, besonders des Turmes mit seiner Laterne“, die „von der Geschicklichkeit des Baumeisters“ zeugten.

Prinz Xaver übergab ohne Notiz das Schriftstück ans Geheime Konsil, von dem es über das Oberkonsistorium an den Rat gelangte mit der Mahnung, den Vorschlag „auf die beste tunlichste Maßen in Obacht zu nehmen und baldmöglichst Bericht zu erstatten“.

Schmidts Entgegnung ließ nicht lange auf sich warten. Durch den schulmeisterlichen Ton gereizt, hielt er mit seinen Kenntnissen in der Architektur nicht zurück, in denen er dem Exempel „der berühmten Baumeister Bähr, Chiaveri und Pöppelmann“ folgte. Damit glaubte er im Rechte zu sein, „da diese drei Baumeister vollkommen Theorie mit der Praxis verknüpfet und nicht die erstere allein verstanden haben“. Im übrigen vertrat er die vernünftige Ansicht, daß in Sachen des Ge­schmacks selten „zwei Baumeister einerlei Meinung“ seien. Mit dem Selbstbewußtsein einer starken Künstlerindividualität blieb er bei dem, was er für schöner (und dauerhafter) hielt. (Krubsacius sprach nie von „schön“. Ob „richtig“, d. h. seinen Regeln gemäß, war für ihn Kriterium). Gegen die Art des Kritikers, als Vorzug seiner Ansichten die größere Billigkeit ins Feld zu führen, wendete sich Schmidt. „Wird im übrigen nur die Ersparnis bei einem Hauptgebäude zum Grunde gelegt, lässet sich die Architektur in nicht sonderliche Ausübung bringen. Jedoch wird hier auf alle mögliche Ersparnis in Beobachtung „zier“licher Ausführung das Augenmerk hauptsächlich zu richten sein.“

Kurz nach dem Einsturz des alten Turmes erstattete Krubsacius einen zweiten Bericht. Eine Klärung der Streitfrage brachte sein Schreiben nicht. Die Ausgangspunkte waren zu konträr. Berief sich Schmidt auf Italiener der Barockzeit, so Krubsacius auf solche der Renaissance, hielt jener die Gartenfassade des Japanischen Palais als Pöppelmanns Werk für mustergültig, führte dieser die „Vorderfront von de Bodt“ als Beispiel an. Krubsacius war bissig und pikiert, seine Autorität fand nicht ohne weiteres die Anerkennung, die er von seinen Schülern gewöhnt war. „Wollte Gott,“ seufzt er, „daß diese Hauptkirche der Residenzstadt von Marmor und Erz, aber [vor allem] nach einer guten Architektur erbaut werden könnte.“ In teilweisem Mißverstehen des Schmidtschen Schlußsatzes schrieb er: „Übrigens ist es ganz natürlich, wenn man von einer Sache das Überflüssige und Unnötige [75] hinwegtut, sich die Kosten von selbst vermindern. Hier sind die Stellen, wo man sparen kann, aber nichts an der Güte und Stärke der Materialien und Ausführung, zumal bei so einem öffentlichen Gebäude, das tausend Jahre dauern soll.“

Der Akademiedirektor Hagedorn begleitete beide Gutachten mit einem besonderen schriftlichen „Vortrag“. Im ersten sagte er, daß „die Schönheit oft auch ohne Kostbarkeit, die von Unwissenden nicht selten mit der Schönheit verwechselt wird, zu erreichen stehe; sowie im Gegenteil, wie hier an neugebauten Privathäusern wahrzunehmen, die Kostbarkeit in Verzierungen gesucht und gleichwohl die Schönheit und edle Einfalt verfehlt werden“. Zweifellos wendete er sich hier gegen die Schmidtschen Gebäude mit Rokokoornamenten, vielleicht auch mit gegen Lockes Bauten. Im zweiten Vortrage sekundierte er Krubsacius noch ausführlicher und nachhaltiger. „Bei gründlichem Unterricht gewöhnt sich das Auge und der Verstand an die edle Einfalt der Alten und an derselben nur sparsam aber mit kluger Hand übers Gebäude ausgebreiteten Verzierungen. Man lernt die genauere Anwendung der Säulenordnungen und die Beobachtung des bei allen Verzierungen niemals außer acht zu lassenden Anscheins der Festigkeit versäumen. Diese Kenntnis führt endlich die Überzeugung mit sich, daß die edle Einfalt wahrhaftig schön, das Auge nicht zerstreue und insgemein dem Bauherrn die minderen Kosten ablocke, und daß um mit Geschmack prächtig zu sein mehr als bloßer Reichtum erfordert werde.“ „Die Abweichungen der Neueren werden ebenmäßig nach Grundsätzen des Altertums geprüft und Borromini, auf welchen der Baumeister Schmidt sich beruft, ist in dem Gebiet des Geschmackes nicht zuverlässiger[110] als Marino unter den italienischen Dichtern.“ Marino war damals bekannt durch schlüpfrige Schilderungen, kühne Antithesen, schwülstige Wortbilder und gesuchte Wortspielereien. Auf Borromini weist Schmidt nur gelegentlich hin, hat mit ihm aber in seiner Schaffensart gar keine Ähnlichkeit. Gegen jenen italienischen Architekturphantasten konnte Hagedorn leichter zu Felde ziehen als gegen die drei Dresdner Barockmeister, die Schmidt klipp und klar als seine maßgebenden Vor­bilder bezeichnet hatte.

Bestimmend für die Entscheidung Xavers wurde folgender Satz Hagedorns: „Wer durch die Wahl eines zu Privatgebäuden brauchbaren Baumeisters bei einem öffentlichen Prachtgebäude die Sache erschöpft zu haben glaubt, wird sich schwerlich verbunden erachten, in letzterem Falle besondere Risse den berühmten Baumeistern aufzugeben, eines gleichen derselben Urteil unter der Hand einzuholen, um nach Beschaffenheit der mehrsten Urteile sichrer zu wählen und mit Überlegung zu Werke zu gehen.“

Prinz Xaver traf, „nachdem ihm von dem Vortrag und Aufsatz vollständige Eröffnung ge­schehen“, folgende Entscheidung. „Wir mögen nicht gestatten, daß bei einem öffentlichen auf Jahr­hunderte aufzuführenden Gebäude, welches nächst dem Gebrauch zugleich zur Zierde hiesiger Residenz­stadt dienen soll, das äußerliche Ansehen vernachlässigt werde und anstatt der gehofften Zierde durch die Unerfahrenheit des Baumeisters ein schlechtes Ansehen hervorgebracht werde.“ „Der Stadt­magistrat soll den Krubsacius über die von ihm ausgestellten Punkte zu Rate ziehen, ferner soll nach desselben Ermessen auch mit Schmidt zu nehmender Abrede dieser einen anderweiten Riß entwerfen und zur Genehmigung einreichen, und inzwischen nach dem verbesserten und neu abgeredeten Plan fort­gebaut werden. Soviel den neu zu errichtenden Turm anbetrifft, soll der Magistrat zu solchem von dem Landbaumeister, dem Hofbaumeister, seinem Baumeister und anderen geschickten Baukünstlern der Stadt verschiedene Risse samt zugehörigen Anschlägen fertigen und solche mit seinem Dafürhalten uns zur Auswahl präsentieren. Diese Methode wird (auch in Ansehung des neu zu erbauenden Land­hauses) um deswillen beliebet, weil durch die Konkurrenz mehrerer Baumeister unter selbigen eine stärkere Emulation erwecket wird und die Wahl zwischen vorliegenden Rissen leichter fällt.“

Die Resolution ist im Pillnitzer Schloß unterschrieben, das nach einer bedeutenden baulichen Veränderung seit 1765 der Aufenthalt für den Hof wurde. Während über die früheren Kirchenrisse in Ministerkonferenzen unter Vorsitz des Regenten verhandelt wurde, arbeitete jetzt Prinz Xaver nur [76] mit seinem Kabinettssekretär F. W. Ferber, entschied allein auf dessen persönlichen Vortrag und signierte dessen Niederschriften für die erforderlichen Erlasse an die Geheimen Räte und Hagedorn. Als ver­antwortlicher Kabinettsminister zeichnete sie von Einsiedel, nach 1766 von Ende. Diese veränderte Regierungsform wurde weiterhin die Regel. Ferber[111], der sich durch den Sturz Brühls und die Führung der Untersuchung gegen ihn und seine Komplizen bekannt gemacht hatte, wurde zur gewichtigen Persönlichkeit im Staatsgetriebe. Von seinem mehr oder minder wohlwollenden und klugen Urteil hingen die Geschicke der Kreuzkirche bis etwa 1780 wesentlich mit ab.

Die Turmkonkurrenz 1765–66.

Als das Frühjahr 1766 vor der Tür stand, hatten weder Krubsacius noch Exner Pläne fertig. Bormann und Schmidt begaben sich in des Hofbaumeisters Wohnung auf der Schloßstraße. Dieser sagte: Die Landhauskonkurrenz habe die Ausarbeitung der Kirchenrisse verzögert. Bis Ostern wolle er fertig sein, erbitte sich aber einen Kondukteur, der gut zeichnen könne, vom Senat dazu. Erhalten hat er ihn nicht, denn als er auch noch eine gute Kopie der Originalrisse von Schmidt verlangte, be­deutete dieser ihm, daß keine Leute, am allerwenigsten aber das Geld zur Anfertigung derselben vor­handen wäre. Bei dieser „Abrede“ erklärte sich Krubsacius bereit, die „römische Ordnung“ der Fassaden Schmidts, wie auch dessen innere Einrichtung beizubehalten. Der neue Turm müsse nach seinem Dessin über die Westlinie des alten herausgerückt werden. Der Rat solle die gegenüberliegenden Brandstellen käuflich erwerben, damit dort ein freier Platz entstehe und das Alignement von der Kreuzschule (südlich von der Kirche) erreicht werde. Obwohl Bormann eine derartige Planung der Mehrkosten wegen als nicht angängig zurückwies, blieb Krubsacius bei seiner Ansicht. Mitte März bestellte er Bormann und den Stadtschreiber Langbein zu sich, um ihnen seine Risse zum neuen Turm zu zeigen. Da dieser noch 5 Ellen vor die Flucht des alten vortrat, protestierten die Ratsvertreter wieder energisch. Krub­sacius erklärte nun, daß er den Turm in die Kirche hineinrücken wolle, wenn dies auf eine „schickliche Art“ geschehen könne.

Als Schmidt und Krubsacius ihre Pläne eingereicht hatten, wandte sich der Rat an Gaetano Chiaveri, den Meister des Hofkirchenturmes, der damals, wohl nur vorübergehend, in Dresden weilte.[112] In einem kurzen italienisch und deutsch abgefaßten und gesiegelten Gutachten (im R. A., B. III. 38. Bl. 49) erklärte er: „Beide Türme haben ihre Meriten, nur daß einer dauerhafter und eine schönere Form als der andere.“ Als der bevorzugte wurde von ihm der Schmidtsche Plan mit dem Signum Æ gekennzeichnet. „Mein Rat, da solches kein klein Werk und nicht von kleinen Kosten, daß es besser wäre, alle beide Zeichnungen nach Rom an den kurfürstlichen Agenten zu schicken, damit solche in der dortigen Akademie möchten ihre Meinung darüber sprechen, weil aber dorten keiner von den beiden Architekten bekannt, damit solches alles unparteiisch geschehe.“

Der Rat ging auf diesen Vorschlag der Kosten halber nicht ein. Er unterbreitete die beiden Projekte dem Instanzenzug. Exner habe sich nicht beteiligt. „Mehrere Risse auswärts anfertigen zu lassen, hat die Kostbarkeit derselben bei dem Unvermögen der Kasse nicht gestatten wollen.“ „Nachdem Schmidt des Krubsacius erste Ausstellungen angenommen, über Beibehaltung des Gewölbes beide sich geeinigt haben, scheint der Streit auf nichts Wesentliches, sondern nur auf den verschiedenen Geschmack der Bauverständigen anzukommen.“ Schließlich machte der Rat mehrere technische Bedenken gegen den Plan von Krubsacius geltend.

Dem Oberkonsistorium erschien „des Rates Begehren nicht unerheblich, daher es ihm beizutreten auch der abzusehenden Beförderung des Baues willen, sondern alle unziemende Maßgebung kein [77] Bedenken findet“. Das Geheime Konsil hatte nichts zu erinnern. Prinz Xaver hatte nun die ge­wünschte Wahl zwischen den vorliegenden Plänen. Er entschloß sich jedoch nicht hierzu, sondern übersandte die Konkurrenzentwürfe nebst Beilagen an den Gouverneur, „um des fördersamsten selbige bei der Oberbaukommission mit Rücksicht auf die Festigkeit sowohl als die Verzierung in Erwägung ziehen zu lassen und der Kommission Gutachten samt den etwaigen abgeänderten Rissen, über welche da möglich beide Baumeister zu vereinigen, erfordern“. Das ausführlichere Ferbersche Schreiben an den Gouverneur zeigt zunächst wieder die starke Voreingenommenheit gegen Schmidt. „Nachdem wir in Erfahrung gekommen, welchergestalt bei dem hiesigen Kreuzkirchenbau nicht nur in der Haupt­anlage des Werkes verschiedene nicht zu verbessernde Fehler vorgefallen, sondern auch in dessen äußer­licher Verzierung, mehrere Mängel, welchen annoch abgeholfen werden könnte, befindlich wären, haben wir Schmidts Riß selbst eingesehen, an Krubsacius gegeben u. s. f.“ (Gegen Fehler der Hauptanlage hatte sich bisher niemand gewendet.) „Die Turmrisse haben beide ihr verschiedenes Gute, welches füglich zu kombinieren sein dürfte.“ Bezüglich der Verzierung und der Festigkeit „sucht Schmidt, soviel die Seitenfassade (Anschweifung) angeht, seine anfängliche Meinung zu behaupten und gibt die zum Teil geringen Änderungen von Krubsacius als impraktikabel an. Gleichwohl scheint dessen Gutachten begründet zu sein, den allerdings zweifelhaften Punkt des untersten Daches ausgenommen (Wetter­beständigkeit und Altane).“ Nach Befinden soll die Kommission die beiden Baumeister „vor sich fordern und sonst mit ihnen weitere Rücksprache halten dergestalt, daß, da möglich, beide sich einer Meinung vereinigen“. „Der zeither liegen gebliebene Bau soll baldmöglichst wieder in Gang gebracht werden.“ Der Gedanke des Wettbewerbs Hagedornscher Anregung war wieder aufgegeben. Veranlaßt durch Chiaveris Gutachten, nach dem beide Entwürfe ihr Gutes hatten, sollte ein Kompromißplan entstehen, sollte der Rat beziehentlich Schmidt das „Gute“ vom anderen Plan aufnehmen. Die Oberbaukommission aber hatte die Entscheidung, was das Gute sei. Über die Verhandlungen der Oberbaukommission sind zwei Sitzungsprotokollkopien (Hauptstaatsarchiv loc. 2257 Bl. 125 flg.) und das Schlußgutachten erhalten. Die Protokolle führen auf, was an den Eingabeplänen zu tadeln ist. Als anwesend werden genannt vier Ingenieuroffiziere und der Oberlandbaumeister Exner. Schmidt und Krubsacius hatten daraufhin ihre Turmrisse umgearbeitet. Der Schlußbericht vom März 1767 gibt an, aus welchen Gründen der „Wunsch“ der Oberbaukommission „noch nicht gänzlich erreicht“ ist. Anschließend an diese Einwände gegen die geänderten Risse, deren weitere Umgestaltung Arbeit und Zeit fordere, be­merkt sie: „Wie denn auch der Oberlandbaumeister Exner über sich genommen hat, einen dritten Riß zu fertigen, vermöge dessen allem Vorhergehenden abgeholfen und dem Turm eine mehrere Breite gegeben werden soll. Dessen tägliche und viele Arbeit hat ihn bisher verhindert, mit diesem Risse zustande zu kommen. Wir hingegen können nicht länger anstehen, Bericht zu erstatten.“ Nach einem beigefügten, mit X bezeichneten, von Exner gefertigten Grundriß (vergl. Abbildung S. 125) könne indessen immer das Turmfundament angelegt und bis zum Horizont geführt werden, bis entschieden sei, ob der Schmidtsche Riß oder der noch zu erwartende Exnersche ausgeführt werde. Noch ehe der Bericht des Gouverneurs mit diesem Gutachten an die Kabinettskanzlei gelangte, wurde dort ein späterer Bericht desselben vorgelegt mit den inzwischen fertig gewordenen Exnerschen Plänen, zwei Fassaden und einem Blatt Turmgrundrisse, „darinnen denen desideriis abzuhelfen gesucht, auch die Oberbau­kommission hierbei sowohl in Betracht der Solidität des ganzen Werkes als des äußerlichen Ansehens nichts zu erinnern gefunden“. Die fertigen Risse hatten der Kommission wohl überhaupt nicht vor­gelegen. Daß sie gerade in den Tagen fertig wurden, wo der Bericht nach monatelangem Warten ohne sie abging, ist auffällig.

Prinz Xaver approbierte Exners Pläne ohne weiteres. „Diese befinden wir zur Hebung des Zweifels am geschicktesten zu sein.“ „Die Oberbaukommission, für welche der Ordnung nach ohnehin die Sorgfalt für Ausführung der approbierten Risse hiesiger Gebäude gehöret, unter deren Mitgliedern in specie der Oberlandbaumeister Exner“, solle „sich der beständigen Obsicht über die Vollführung des Baues nach dem Risse unterziehen“. Weiter heißt es, „daß der Rat sich diesfalls an benannte Kommission, absonderlich aber an den Oberlandbaumeister Exner zu verwenden, seinen Baumeister in tantum an ihn zu verweisen und desselben Anleitung beim Kirchen- und Turmbau sich behörig [78] zu fügen habe“. Im Erlaß an den Gouverneur wurden Exner unerhebliche Abweichungen von seinem Plan in den Verzierungen ausdrücklich gestattet. Den äußeren Anlaß zu Exners Berufung gab die im späteren Bericht des Gouverneurs enthaltene „durch die Oberbaukommission ihm übermittelte Anmerkung Exners“, „daß nicht allein die höchste Sorgfalt, sondern auch alle an die verfertigten Risse (Exners) verwandte Mühe vergebens sein dürfte, wenn die Exekution dieses wichtigen Werkes nicht solchen Personen anvertraut würde, welche nebst dem besten Willen auch hinlängliche Wissenschaft besitzen und durch fleißige Obsicht alles hierbei Vorfallende solchergestalt auszurichten trachten, damit dieser Bau für die spätere Posteriorität dauerhaft hergestellt werde“.

Durch den Beschluß Xavers schied Krubsacius aus der Baugeschichte der Kirche. Erst zehn Jahre später trat er in sie wieder ein als Mitglied derselben Oberbaukommission, die jetzt seine Pläne verwarf. Redliches Bemühen um das Beste der Kirche, Offenheit und Ehrlichkeit im Streite war die Grundlage seines Handelns und Denkens. Keinerlei persönliches Moment trübt das Bild seines Ringens mit Schmidt um die Durchsetzung seiner Ansichten, um den Sieg in der Turmkonkurrenz. Daß gleichzeitig im Wettbewerb für den Landhausbau seine Pläne den Exnerschen vorgezogen und ihm die Ausführung übertragen wurde, mag ihn über die Niederlage beim Kreuzkirchenbau getröstet haben.

Exner, der nun in den Vordergrund trat, war mit der Oberbaukommission 1764 durch die Be­rufung des Krubsacius als Gutachter übergangen worden. 1765 wurde er zur Turmkonkurrenz mit aufgefordert. Im Frühjahr 1766 erklärte er dem Bauschreiber auf dessen persönliche Anfrage: „Er könne vor überhäufter Arbeit keinen Turmriß fertigen. Er würde auch überdies noch keinen fertigen, damit der Kirchenbau nicht länger aufgehalten würde, zumal er glaubte, daß auch ohne denselben der Bau ganz wohl fortgesetzt werden könnte.“ Wohl hatte er seit 1764 die Vertretung des erblindeten Oberlandbaumeister Schwarze, aber seit 1765 war in die Landbaumeisterstelle der aus Polen zurück­gekehrte Knöbel eingerückt. Daß es dem Oberbauamt an genügender Beschäftigung fehlte, hören wir 1764. „Es erscheint untunlich, die Zahl der „Diener“ auf die wirklich benötigten herabzusetzen. Vakanzen sollen nicht neu besetzt, sondern die Arbeiten auf die übrigen Beamten verteilt werden.“ (Hauptstaatsarchiv loc. 2215 Bl. 136.) Schwerlich ist der Arbeitsmangel so rasch durch Überbürdung abgelöst worden in einer bautenarmen Zeit. Daß Exner an einem Turmentwurf damals schon ge­arbeitet, ist trotz seiner Absage nicht ausgeschlossen. Aber er sah wohl klar voraus, daß bei der Un­selbständigkeit Xavers die Oberbaukommission als Schiedrichter berufen würde und daß diese Berufung sich betreiben ließ. Als Mitglied der Kommission und Mitrichter konnte er sicherer Einfluß auf den Bau gewinnen und, wie es dann geschah, eigene Pläne durchsetzen, als wenn er in Reih und Glied mit Krubsacius und Schmidt vor diesem Forum erschien. Kurz ehe die Konkurrenzpläne ans Kabinett gelangten, wurde Exner zum wirklichen Oberlandbaumeister ernannt und damit sein Ansehen und Ein­fluß zweifellos gesteigert. Dem Prinzen Xaver war er persönlich bekannt infolge der Bauausführungen in Pillnitz und anderen Schlössern, die dem Oberbauamt, nicht etwa, wie heute, dem Hofbaumeister unterstanden. Im Juli 1766 saß Exner dann wirklich über Schmidt und Krubsacius zu Gericht.

Während der Verhandlungen über Schmidts Turmplan war im August 1766 der Kirchenbau so weit fortgeschritten, daß der Grund zum Turm gelegt werden konnte. Bormann erkundigte[113] sich beim Vorsitzenden der Oberbaukommission, General-Lieutenant von Gersdorf. Dieser „äußerte, ein Bedenken sei entstanden insbesondere wegen Anlegung der Orgel, Exner habe ein Projekt unter den Händen zur Hebung des Bedenkens. Wenn dies fertig, soll nichts an der Beförderung der Sache ermangeln.“ Exner wurde nun von Bormann „mit inständiger Bitte angegangen, daß nicht durch ein anderweit geändertes Dessin dem Bau eine neue Verhinderung zugezogen werden möchte“. Exner entgegnete, daß es sich nicht um die Orgel handle, sondern daß der Baumeister „die innere Seite des Turmes auf einen 18 Ellen weit gespannten Bogen gesetzt hätte, so darauf in der Höhe zu stehen käme; das könne keinen Bestand haben. Deswegen erfolge Ausarbeitung eines anderweiten Vorschlags. Er hoffe ehestens damit zustande zu kommen. Inmittels wäre er nichts weniger gesonnen, als dem [79] Fortbaue einige Hindernisse zu verursachen. Es dürfe nur der Baumeister Schmidt zu ihm kommen, mit welchem er solche Abrede nehmen wolle, daß nicht aufgehört, sondern fortgefahren werden könnte.“ Hierauf wurde Schmidt „instruiert, noch heute abend hinzugehen und Exner mit aller möglichen Mäßigung dahin zu disponieren, daß der Bau nicht aufgehalten werde“. Eine Woche später erklärte Bormann in der Ratssitzung, „daß es untunlich sei, die Fundamente zu legen, um so mehr, als Exner gesagt habe, es stünde dem Oberbauamt (wohl Oberbaukommission) frei, den Bau zu inhibieren. Dies und noch mehr habe auch Globig gesagt.“ Leider erfahren wir nichts über das „noch mehr“. Globig, der Präsident des Oberkonsistoriums fand sich noch am selben Tag am Bau ein. „Dort demon­strierte Schmidt u. a., wie er auf Exners Veranlassung den Turm abgeändert. Schmidt soll auf Globigs Veranlassung zu Exner gehen und fragen, ob nicht nach diesen Abänderungen fortgefahren werden dürfe. Außerdem sei es bedenklich, mit dem Bau zu kontinuieren.“ Am nächstem Tag erfuhr Schmidt von Exner, „das Oberbauamt habe bereits Befehl den Bau zu inhibieren. Es sei gut, daß er dieserhalb bei ihm anfrage. Er solle die geänderten Risse einreichen“. Schmidt erwiderte, diese könne er nicht anfertigen, bis er seine alten zurück hätte. Weiter sagte er: „Es wird Aufsehen machen in der Bürgerschaft, wenn der Bau sistiert werde, er (Exner) wolle wenigstens vier Schichten Quader Turmfundament erlauben.“ Exner entgegnete, „sie hätten den Inhibierungsbefehl“. Nun beschloß der Rat, „den Bau zu sistieren, nachdem der Aktuar bei Exner nochmals endgültig angefragt“.

Die Vorgänge bei der Oberbaukommission in dieser Zeit sind nicht bekannt.[114] Vieles wird nur mündlich erörtert worden sein. Obwohl Exner nur von einer Abrede mit Schmidt, und Gersdorf von der Behebung des „Orgelbedenkens“ die Fortführung des Baues abhängig machte, mußte dieser, nachdem beides erfolgt war, auffälligerweise doch sistiert werden. Bei nur einigem Wohlwollen der Behörde und wenn sie auftragsgemäß auf einen Kompromißplan hinarbeitete, war die Inhibierung nicht erforderlich. Aber Exner hatte wohl bereits damals die Absicht, eigene Fassaden- und Turmpläne durchzusetzen, für die der Schmidtsche Turmgrund nicht ausreichte und für deren Durchbildung er Zeit brauchte. Das „Orgelbedenken“ war ihm nur willkommener Anlaß zur Einmischung. Nicht im Auftrag der Kommission wurde er tätig, sondern aus eigenem Antrieb. „Exner hat es über sich genommen, u. s. f.“ heißt es im Schlußbericht. Genau wie Knöffel im Beginn des Frauenkirchenbaues einen eigenen Plan unterzuschieben suchte, ging jetzt sein Schüler Exner vor.

Als dann die Bauzeit des Jahres 1767 nahte, wandte sich der Rat an das Oberkonsistorium mit der Bitte, „sich für eine Resolution zu verwenden, daß der angefangene Bau nach allgemeinem Verlangen hiesiger Einwohner seinen Fortgang habe und nicht durch allzu kostbare neue Projekte die Ausführung gar zu teuer werde“. Das Schreiben war jedoch ohne jeden Einfluß auf Xavers Ent­scheidung. Schmidt und dem Rat gegenüber bedeutete die Aufzwingung der Exnerschen Risse ein schweres Unrecht und eine große Willkür, auch nach damaligen Rechtsbegriffen. Der Eingriff in die Baufreiheit war um so härter, als Schmidt Konzessionen gemacht, Änderungen getroffen und sein neuer Plan bloß „noch nicht gänzlich“ dem Wunsche der Oberbaukommission entsprach. Prinz Xaver hoffte wohl, den Kampf um die Plangestaltung der Kirche zu beenden und den Baufortgang zu fördern, aber er erreichte das Gegenteil. Denn einmal waren die Pläne Exners, über die kein Architekt, sondern nur die vier Offiziere der Kommission ein überdies sehr oberflächliches Gutachten abgegeben hatten, sehr angreifbar und weiter war die Persönlichkeit Exners einem friedlicheren Weitergang des Baues hinderlich.

Die Einwände gegen Schmidts Pläne.

Den Gutachten von Krubsacius lag das zweite Neubauprojekt Schmidts mit dem alten Turm zugrunde. In seinem ersten Schreiben trennte er in: Befestigung, Proportion, Kolonnaden und Verzierung. Betr. Befestigung erklärte er: An dem schon mehrfach abgebrannten Turm sei die nötige Verzierung nicht ohne äußerste Gefahr anzubringen. Selbst Anmalen erfordere Gerüst und große Kosten. Er schlage bloßes Abfärben vor. Die Widerlager habe Schmidt wohlbedächtig soviel wie möglich verstärkt. Aber das Gewölbe erfordere „erstaunende“ Lehrbögen und starke hohe Gerüste. Es sei aber nicht imstande, [80] bei Feuersgefahr das einfallende Dach aufzuhalten. „So dürfte diese runde Decke flächer, leicht, ebenso schön und mit viel weniger Kosten verschalt und begipst, so wie in der Neustädter Kirche, errichtet werden.“ Bez. der Proportion: Die Türme sollen „billig etwas breiter sein, als die Fenster, welches die erste Grundregel der Baukunst bei einem jeglichen Gebäude erfordert“. Daß sie von Schmidt in eine Nische gesetzt, sei nicht hinlänglich, um sie breiter erscheinend zu machen und das Auge zu verführen. Die ganze Kirche solle etwas niedriger, das Dach flach und mit Kupfer gedeckt werden, „zur Ersparung und zur sonderbaren Schönheit“. Betr. Kolonnaden: „Wenn nirgends Säulenordnungen wegen ihrer Kostbarkeit stattfinden, so sollen sie doch allemal an Kirchen zur Zierde derselben und einer jeglichen Stadt angebracht werden. Da aber diese von dem feinsten Geschmack in der Baukunst zeugen, so wird erfordert, sie nach den strengsten Regeln der Kunst anzubringen.“ Als besser wird vorgeschlagen statt der römischen Ordnung der Umfassungen die jonische, darüber eine Attique mit römischem Kapitäl statt der „unbekannten Ordnung mit umgekehrten Schnörkeln im Kapitäl“, innen an Stelle von Schmidts römischer Ordnung die korinthische. „Da doch die noble simplicité eines Prachtgebäudes hauptsächlich darin besteht, daß nichts ohne Not und besonders wichtige Absicht im Zusammenhang unterbrochen und gestückelt sein soll“, sei es in der guten Baukunst nicht erlaubt, „ohnerachtet es heutigen Tages in Italien mode und auch in Dresden zu finden“, anderthalb Pilaster aneinander zu stoßen. Der halbe Pilaster sei ohne Not da und mache große Verwirrung in Kapitälen und Füßen. Es verstoße gegen die Definition des Architravs oder Unterbalkens und Simses, daß er um eines Pilastervorsprungs oder um der gekuppelten Säulen der seitlichen Vorlagen willen gekröpft oder über die Hauptfenster bogenweise in die Höhe gezogen werde. Weiter habe Schmidt die Hauptstirnwand gleich vom Posta­mentgesims der Balustrade ab an die Attique angeschweift und dadurch seinem oberen Pilaster wider alle Regeln eines Pfeilers eine gekrümmte Gestalt gegeben, bloß das Widerlager seines weit gekanteten Gewölbes zu stärken. Es werde scheinen, als ob die Kirche mit einem hohen Mansarddach abgedeckt sei. Wenn das kostbare schwere Gewölbe wegbleibe, könne schmales und niedriges Kupferdach ausgeführt und die gehauenen Steine der Anschweifung erspart werden. Bez. der Verzierung heißt es, die Kirchtüren sollen billig einen Sims und ein Sinnbild christlicher Religion erhalten. Die Simse der unteren Fenster seien zu sehr gewunden. Da ein Sims nichts anderes als ein Schirmdächelchen sein soll, um sie einigermaßen vor Wetter zu schützen, so soll er entweder gerade, im Bogen oder in Gestalt eines Fontons (Giebels) sein.

Schmidts Entgegnung erfolgte punktweise. Betr. der Anschweifung heißt es, Prinz Albert habe nach dero großer Einsicht in die Baukunst Änderungen in Erinnerung gebracht „und ist es an dem, daß die Anschweifung gegen die Schiffswand weit schöner und dauerhafter als das vorhergehende ausfällt“. „Die erwähnten Pfeiler der Anschweifung sind daher nichts als Gurte, ebenso wie bei der Frauenkirche und anderen Kirchen.“ „Der Sims über den Fenstern, er werde gleich gerade oder im Bogen angelegt, bleibet allemal ein Schirmdächelchen, so wie das Auge des Baumeisters zu judizieren gewohnt ist.“ Daß die anderthalb Pilaster keine Verwirrung in Kapitälen und Füßen mache, zeige die Hofkirche. Unumgänglich nötig erscheine es nicht, einen Architrav an den Vorlagen unverkröpft 11 Ellen lang, 20 Zoll ausladend ins Freie zu hängen. Die Türen wolle er eine halbe Elle breiter machen, auch den Architrav weniger verkröpfen und nicht mehr bogenförmig, sondern gerade herumführen. Das zweite Gutachten von Krubsacius bietet nichts Neues. Schmidt berücksichtigte einige seiner Wünsche bei der Ausarbeitung des dritten Neubauprojektes, ohne deshalb seine künstlerische Selbständigkeit zu opfern. „Halbe Pilaster, Fensterschnörkel und Verdachungen über den unteren Fenstern habe beibehalten, da solche bei Konsultation verständiger Baumeister nicht verworfen worden. Auch in den größten Autoribus gefunden, daß sie solche bei prächtigen Gebäuden angebracht.“ Er behielt die römische Ord­nung bei, da sie „zierlicher“ sei, ferner die innere Wölbung und die äußerliche „Ausschweifung von Stein, denn ohne dieselbe ist die erstere nicht praktikabel, auch ist diese Ausschweifung besonders durabel, indem sie keiner Fäulnis unterworfen, vor das Feuer schützt und ein schön Aussehen gibt“. (Erläuterungsbericht Schmidts von 21. IV. 06. Kab.-Akt.)

Im Bericht zu seinem Turmentwurf kam Krubsacius auf seine früheren Einwände teilweise zu­rück. Einige gab er ausdrücklich auf. So behielt er „auf Verlangen des Magistrats, des Ministeriums [81] und der mehrsten Einwohner der Stadt“ das Gewölbe bei, verstärkte die inneren Pfeiler und die Stirnwände, „die auch bereits von Schmidten nach den mir kommunizierten Rissen im Grunde ver­stärkt angelegt worden sind“. Da nunmehr die Spannung enger, sei die Wölbung eher zu wagen. Die Anschweifung verwarf er noch. Sein Riß mit einer senkrechten Attique zeige die gute Wirkung der geradestehenden Attique-Pfeiler statt der gekrümmten Pilaster Schmidts. „Unter dem schmalen aber hohen Kupferdach der Abseiten der Kirche können innen noch Strebebögen gegen den Schub des großen Gewölbes versteckt angeordnet werden“. Kein Fehler, aber ein Depens sei es die römische Ordnung zu unterst anzubringen, da das Unterteil der Säulen schon ganz und das Oberteil ziemlich fertig. (Oberhalb habe er eine attische Ordnung mit kleinem römischen Kapitäl ans Schiff angesetzt.) Die halben Pilaster Schmidts aber sollen, so hoch sie bereits stehen, füglich abgehauen werden. Die unteren Fenster sollen eine Verdachung erhalten, die mit dem Bogensturz des Fensters ganz unge­zwungen parallel läuft, die Dachschnörkel Schmidts aber abgehauen werden. Die Kirchtüre, die ohne dem noch nicht stehe, solle um eine ganze Elle breiter werden, die übrigen Türen einen weitvorspringenden Sims bekommen, der auf Seitenrollen ruht, zur Beschirmung und zum Aufsatz eines Rauch­fasses, das die Andacht andeutet. „Diese und alle übrigen wenigen Dekorations der Kirche und des Turmes, sie bestehen gleich aus Bildsäulen, Gefäßen, Leuchtern oder Gehängen, können als außerwesentliche Stücke der Baukunst und aus Ersparnis der Kosten weggelassen werden, wenn der Ort oder Raum derselben ledig bleiben soll. Kenner aber werden sie vermissen.“

Die Äußerungen des Akademieprofessors illustrieren uns seine Auffassung von der Architektur, über die er als Gebieterin eine rein verstandesmäßig herausgebildete Ästhetik einsetzte. Hatten Schmidt und das Barock die Architekturgliederungen, wie Gesimse und Architrav, rein künstlerisch als Schmuck­elemente ihren Zwecken dienstbar gemacht, so wurden diesen jetzt ein Sinn und Bedeutung und daraus abgeleitete Gesetze untergeschoben, vermöge deren sie das architektonische Schaffen beschränken und be­herrschen sollten. Aber auch das Ornament selbst wurde seines rein schmückenden, das Auge durch die Form erfreuenden Charakters entkleidet, um durch den von ihnen verkörperten Sinn und Begriff den Verstand zu befriedigen. Für den Nichtkenner, dem die Befriedigung am Abstrakten fehlt, der die Form nicht zum Begriff und zum Sinn umzubilden vermag, konnte solche Ornamentierung ruhig fehlen. Im nächsten Jahr, 1767, stellte Krubsacius ein Gebäude ohne jeden Schmuck aus, um zu beweisen, daß auch ohne Beihilfe der Bildhauerei die Architektur schön und einnehmend sein könne.

Die Einwände der Oberbaukommission beziehen sich auf Schmidts drittes Neubau­projekt (vergl. Abbildung S. 31). Im Protokoll der ersten Sitzung heißt es: Der Turm könne niedriger gehalten werden, weil er 20 Ellen höher sei, als der „Katholische Kirchturm“.[115] In der dritten Etage solle er an Stelle der Pilaster Säulen erhalten, in der vierten zur Erlangung mehrerer Belastung bis an die freistehenden Säulen vollgemauert werden. Er solle auf allen vier Seiten egale Fassaden präsentieren, entweder auf allen gleich oder auf allen ausgebogen (im Grundriß), und er solle nicht von der dritten Etage an hohl stehen, welches wider die Regel der Festigkeit sei. – Weiter „werden die Pfeiler in der Kirche für zu schwach gehalten, weil sie .. eine große Last tragen sollen. Es müssen die Pfeiler im Grund rund zusammen gespannt werden, damit sie eine mehrere Haltung und Festigkeit vor das Ausweichen erlangen mögen. Sämtliche Ausschweifungen müssen mit Kupfer gedeckt und nicht wie bei der Frauenkirche der Penetration der Witterung ausgesetzt werden. Auch sind die Fenster einiger Änderung unterworfen.“

Im zweiten Protokoll heißt es: „Schmidten sind die Erinnerungen vorgelesen, einige hat er akzeptiert, bei anderen vorgestellt, warum es nicht geschehen könne.“ Dann folgen die Einwände: Der Turm solle egal werden nach allen Seiten (also im Grundriß), die Turmlast solle vermindert, er selbst erniedrigt werden. In der dritten Etage „würden Säulen zierlicher aussehen, damit die Fassaden durch alle Etagen gleiche Dekoration erlangten“. Weiter „die Pfeiler scheinen zu schmal zu sein, sie sind schon einige Ellen herausgemauert. Änderung würde auf Ratsseiten Schwierigkeiten finden. [82] Es wird dafür gehalten, daß solche zur Dauer und Festigkeit des Gebäudes viel beitragen." „Die Verzierungen der Fensterverdachungen könnten nach besserem und modernerem goût angegeben sein.“ Neu ist, daß der Anlauf (die Anschweifung) gegen die Attique in steilerem Zirkelbogen erfolgen und mit Kupfer gedeckt werden soll. „Schmidt will’s beobachten.“ Schließlich heißt es: „Weil die ganze Anlage Stehenbleiben des alten Turmes zur Voraussetzung hat, will sich Schmidts Projekt nicht wohl ändern lassen, ohne an vielen Orten entweder wider die Symmetrie oder die Bequemlichkeit oder wohl gar gegen die Festigkeit zu verstoßen. Größte Bedenklichkeit, die Festigkeit bei dem Turm zu erlangen, bestehe in dem Raum zur Plazierung der Orgel, wo ein Bogen 17 Ellen geschlossen, die innerliche Seite des Turmes und die anderen beiden Seiten gegenüber (d. h. die vier Turmschäfte des dritten Geschosses) auf Gewölbe gesetzt werden sollen. Es wird beliebet, sich deshalb behöriger Orten zu benehmen.“

Im Schlußbericht kritisiert die Kommission die inzwischen abgeänderten Risse. „An das in der Höhe des Turmes aufgeklebte Blatt, welches den Turm oben her verbessern und verbreitern soll, sind Karyatiden angebracht, welches keine Zierat für eine christliche Kirche sein kann und überhaupt in dieser Erhebung des Turmes nicht stattfindet.“ (Die gemeinten Halbfiguren sind Engel mit Flügeln in vier­facher Menschengröße.) „Die in der dritten Etage angebrachten Pilaster wollen sich gleichfalls daselbst nicht anwenden lassen, weil die guten Regeln der Architektur nicht verstatten, bei übereinander gestellten Ordnungen Pilaster zwischen Säulen zu stellen.“ „Obgleich die vordere Rundung des Schmidtschen Turmes sehr flach angebracht, dennoch würde es besser sein, auch diese vordere Linie seines Turmes wie die übrigen gerade zu ziehen, wo der Turm mit allen Seiten frei wird.“ Gegen die von Schmidt nicht geänderten Fassaden heißt es, „das aufgesetzte Dach hat kein gutes und symmetrisches Ansehen“ (ein bisher nicht erhobener Einwand). „Die Fensterverdachung soll gleichfalls eine andere Figur und Ansehen bekommen.“ Den Grundriß habe Schmidt durch Tekturen gebessert „darin, daß die Chor­säulen vorgerückt und dadurch nicht (vom Orgelbalkon) durchschnitten werden“.

Statische Bedenken wurden im Schlußbericht nicht mehr erwähnt. Die Einwände gegen die Pfeiler waren in der zweiten Sitzung zurückgezogen worden, die gegen die Festigkeit des Turmes hatte Schmidt in seiner Variante behoben. Das Prinzip der Kommission, wie es auch aus einem Ein­wand gegen Krubsacius hervorgeht, „der Turm wäre nur äußerlich abzusetzen, innerlich soviel möglich Grund auf Grund zu setzen“, würde, streng durchgeführt, Räume innerhalb eines sich zuspitzenden Turmes ganz ausschließen. Schmidts Schäfte saßen auf Gewölbezwickeln auf und als Wölblinie ver­wendete er die günstigste, die Parabel. Auch dies ein Zeichen, daß er die Schubwirkungen gut kannte und aufzunehmen wußte, während die Kommission Schubwirkungen nur möglichst auszuschließen suchte. Der beanstandete Orgelbogen von genau 17 1/2 Ellen (9,97 m) Spannweite erhielt nach Schmidts Plan einen Teil vom dritten Turmstock als Belastung. (Vergl. Abbildung S. 27 und 31.) Die Abstützung des Bogens durch die Treppenwangen (mit einer Länge gleich dem 1 1/2 fachen der Bogenweite) war vorzüglich. Der Orgelbogen des alten Turmes trug im Verhältnis eine größere Last, bei einer Länge der Widerlagsmauern gleich der Bogenweite (rund 8 m). Im Grundriß zur Turmvariante (vergl. Abb. S. 127) erhielt die Orgelarkade keine Turmlast mehr. Die Orgelpfeiler waren bei gleichem Abstand weiter ins Innere geschoben, so daß die schrägen seitlichen Arkaden enger wurden. Das Orgel­bedenken benutzte Exner, wie schon erwähnt, zur Einmischung. Aus dem Satz im zweiten Protokoll „Es wird beliebet, sich deshalb behöriger Orten zu benehmen,“ konnte er eine Berechtigung zu einem Abänderungsvorschlag kaum herleiten. Es ist nicht verständlich, warum man nicht auch in diesem Punkt Schmidts Änderungen abwarten wollte. Überdies ist Schmidts Lösung wesentlich glücklicher. Exner rückte gleichfalls die Orgelpfeiler nach innen, aber auch enger zusammen und behielt die Breite der schräggestellten Arkaden bei. Dem jetzt unbelasteten Orgelbogen gab er nur genau die Weite, die der belastete Bogen im alten Turm gehabt hatte (14 Ellen = 7,9 m). Infolge dieser Änderung wurde die Orgelempore um 2 m schmäler und der Saalabschluß im Grundriß korbbogig.

Die ästhetischen Bedenken gegen Schmidts Turm werden verständlich, wenn man damit das klassizistische Turmideal vergleicht. Der Aufbau sollte aus lauter Säulenetagen bestehen. Darin lag das „Gute“ am Krubsaciusplan und dann am Exnerschen. Und diese Etagen sollten einander kon­forme [83] und zur Längs- und Querachse symmetrische Grundrisse haben. Schmidt suchte nach einer organischen Überleitung aus dem Rechteckgrundriß in den untersten Geschossen zum Achteck der Spitze. Künstlerische Wirkung stand ihm höher als ein starres geometrisches Prinzip. Auf Säulen verzichtete er in der Variante völlig. Die ersten Einwände der Kommission hatten ihn zu gewaltiger Steigerung seiner künstlerischen Kraft angespornt. Eine nochmalige Änderung seiner Pläne auf Grund des Schluß­berichtes würde die Kommission auch nicht völlig befriedigt haben. Sein Turmideal war ein anderes, als das der Kommission beziehentlich Exners. Barock und Klassizismus standen sich gegenüber.


3. Der Gegensatz Exner und der Rat beziehentlich Schmidt.
Vorgänge unter Prinz Xaver.


1767,  14. April. Der Rat erhält die Entscheidung Xavers.
24. April. Unterredung der Ratsvertreter mit Exner.
29. April. Exner reicht sein Promemoria ein.
5. Mai. Xaver bewilligt Exners Forderungen.
7. Mai. Exner stellt seine Forderungen an Bormann.
15. Mai. Das genehmigte Promemoria Exners kommt an den Rat.
30. Mai. Ratssitzung in Gegenwart Exners.
16. Juni. Bericht Exners an den Rat über Änderung des Innern.
 
Der Rat sistiert den Bau.
19. Juni. Der Stadtschreiber wird zum Präsidenten des Geheimen Konsils berufen.
20. Juni. Eingabe des Rates, es möge bei dem Ausgeführten bleiben, und der Bau unter Exners Obsicht, aber unter des Rates Direktion erfolgen.
25. Juni. Das Kabinett gibt auf Verlangen die Schmidtschen Pläne zurück.
30. Juni. Vortrag Exners ans Geheime Kabinett eingereicht mit Abschrift seines Berichtes an den Rat.
8. Juli. Das Oberkonsistorium verlangt Rechtfertigung Schmidts. Beide sollen Anschläge fertigen.
11. Juli. Exner weigert sich, einen Anschlag zu fertigen. Seine Risse habe das Kabinett.
22. Juli. Exner erklärt wieder, seine alten Risse seien beim Kabinett, die neuen (vom Innern) habe er der Oberbaukommission noch nicht kommuniziert.
22. Juli. Die Exnerschen Risse sind nicht im Kabinett.
30. Juli. Exner überschickt seine approbierten Fassaden.
31. Juli. Verteidigung Schmidts gegen Exner.
13. August. Ratseingabe ans Oberkonsistorium.
26. August. Eingabe vom Geheimen Konsil ans Kabinett.
30. September.      Xaver übersendet das Material an den Gouverneur zur Verhandlung in der Oberbaukommission.
26. November.      Exners Randbemerkungen zur Eingabe Schmidts vom 31. Juli 1767.
1768,  14. Januar. Gutachten der Oberbaukommission.
27. Januar. Bericht des Gouverneurs an Prinz Xaver.
22. Februar. Abgabe des Berichts im Kabinett.
 
. Februar. Audienz Exners bei Xaver.
25. Februar. Entwurf Ferbers für Xavers Entschließung.
27. Februar. Vortrag Ferbers über die verschiedenen Entschlußmöglichkeiten.
1. März. Vorläufige Entschließung Xavers. Der Turmbau soll nach Exners Plan beginnen, die inneren Pfeiler zunächst noch liegen bleiben.
 
18. März. Der Rat erhält die Resolution.
7. April. Ratssitzung. Exner anwesend.
8. April. Okularinspektion des Turmgrundes.
1. Juni. Exner verlangt mehr Handlanger und teilt Bormann mit, daß er Mauerwerk hat heraus­nehmen müssen.
3. Juni. Der Rat bittet beim Geheimen Kabinett um Rückgabe der Schmidtschen Pläne.
11. Juli. Exner reicht seine Innenpläne mit Attiqua und neuen Pfeilern ans Kabinett ein.
23. Juli. Ferber schlägt diese Pläne zur Approbierung vor.
4. August. Xaver beschließt die Wegreißung der Schmidtschen Pfeiler.
[84]
Exner als Baudirektor.

Dem Rat wurde sowohl durch den Gouverneur wie durchs Oberkonsistorium die Entscheidung Xavers mitgeteilt. Die approbierten Risse wurden jedoch vom Gouverneur beziehentlich Exner zurück­behalten. Kurz darauf fand eine Unterredung von Bormann, Schmidt und Langbein mit Exner statt. Dieser erklärte: „Das Turmfundament kann angelegt werden. Schmidt soll den Grundplan in einigen Tagen erhalten.“ Bezüglich der nach Schmidts Plan angefertigten Fensterverdachungen im Werte von 3000 Talern meinte Exner, „er könne nicht vom approbierten Plane abgehen, er wolle behörigen Ortes hierunter Vorstellung machen und der Kirche Bestes zu fördern suchen“. Exner verschwieg dabei, daß er sich ausdrücklich von Xaver „unerhebliche Abweichungen vom Plan in den Verzierungen“ hatte gestatten lassen. Die Schmidtschen sind später in den Grund vermauert worden. Sie waren nicht „nach modernem gout“.

In einem besonderen Promemoria stellte nun Exner eine Reihe von Forderungen an den Rat auf, und suchte beim Kabinett deren Approbierung nach. In dieser Schrift heißt es: „Es haben Ihre Königliche Hoheit nicht nur meine Risse zu approbieren, sondern auch die ‚Direktion‘ über sothanen Bau mir aufzutragen geruht u. s. f.“ Verlangt wird, „daß 1. vor diese viele Sorge mir der Billigkeit gemäß monatlich 66 Tlr. 16 Gr.[116] accordiert werde, 2. mir freie Hand gelassen werde, die geschicktesten Werkmeister und Poliere anzunehmen und letzteren ihren Lohn nach meinem Gutachten zu bestimmen, welche jederzeit, auch wenn ich verreist, sich für das Beste der Kirche und für meine Ehre eifrig bestreben; 3. obschon Eigenwillig als Ratskondukteur gut dabei zu gebrauchen ist, noch einen Menschen zu adhibieren, der beständig um mich ist, die erforderlichen Risse und Schablonen, auch andere Vorfallenheit von Zeit zu Zeit ins Große zeichnet und Gehalt bekommt; 4. soll mir freistehen die Turmsohle tiefer zu fassen, falls nötig, ebenso die Treppenspillen wegzunehmen und dann den erforderlichen Grund herauszunehmen; 5. überhaupt reserviere ich mich wegen dessen so bereits angelegt ist und worauf ich nunmehro fortzubauen genötigt bin, insofern sich hier und dort Mängel oder Risse zeigen sollten, in keinen Anspruch zu nehmen, wie insbesondere die inneren Pfeiler mir Bedenklichkeiten machen. 6. Um tüchtige Leute zu bekommen, sondern auch erhalten, so will nötig sein, denselben so wie bisher bei Hofe geschehen täglich 7 Gr. 6 Pf. zu ihrem Lohn zu reichen, weil der Handwerksmann das mehrste um etwas teurer, als in vorigen Zeiten bezahlen muß. 7. Den Bau, so lange es die Witterung leidet, mit Ernst zu betreiben, dann Steine spitzen. 8. Die Kondukteurs (die Exners Eingabepläne gezeichnet haben) sollen dasselbe Douceur erhalten wie die des Krubsacius.“ „Bei einemso ernsten Werk sind Einsicht, Ordnung und gute Wahl der Werkmeister und Bauleute, hauptsächlich aber die guten Ge­sinnungen eines Baumeisters, dessen Vorschläge auf den Nutzen, das Beste und auf die Beförderung des publiken Gebäudes gerichtet sind, erforderlich und dieses ist der Grund zu wahrer Menage.“

Das Promemoria zeigt, in welchem Sinne Exner die ihm übertragene „Obsicht“ auffaßte, nämlich nicht als eine bloße Kontrolle, ob seine Pläne wirklich ausgeführt werden, wie es auch der Wortlaut der Xaverschen Entscheidung vom 6. April ziemlich klar aussprach, sondern als „Direktion“, als eigene Bauleitung mit eigenem Baubureau und eigenen Werkleuten. Für Schmidt blieb in dieser Organisation des Baues kein Platz mehr. Auch der Rat hatte nur noch das Geld zu schaffen. Über die Verwendung wollte Exner „nach seinem Gutachten“ (und durchaus nicht sparsam) verfügen. Auch der Oberbaukommission gegenüber suchte er sich selbständig zu machen durch direktes Verhandeln mit dem Regenten.

Prinz Xaver, der bei seiner Zustimmung nicht die Tragweite der Exnerschen Ansprüche übersah, bewilligte ohne weiteres sämtliche Forderungen, bestätigte ausdrücklich die von Exner beanspruchte Entschädigung[117] und verlangte nur Anzeige über etwaige Mängel beim schon bestehenden Mauerwerk hinsichtlich der Festigkeit und über die Abstellung derselben. Die Forderungen kamen auf dem In­stanzenweg als „Intention“ Xavers an den Rat mit der Mahnung, „daß ihr, der Rat, denselben conformieret, [85] überhaupt auch dem Oberlandbaumeister bestermaßen an die Hand gehet“. Noch ehe dies Schreiben eintraf, verlangte Exner von Bormann die Ablohnung der bisherigen Maurer und Stein­metzen. Der Rat beschloß jedoch, die Maurer beizubehalten bis zum Eintreffen des Reskripts.

Ende Mai fand dann in Gegenwart Exners eine Ratssitzung statt. „Der Stadtsyndikus gibt ihm zu erkennen, wie der Rat als Patronus mit untertänigstem Dank veneriere, daß Prinz Xaver ihm die Aufsicht und ,Direktion‘ des Baues, soweit solche, auf Tüchtigkeit und Dauer, angehe, über­tragen habe. Exner rühmt die Gnade Xavers, so selbiger auch ihm hierdurch erzeigt, erkennt den Senat als Patron und als Bauherrn an und daß nichts ohne dessen Vorbewußt und Genehmigung gebaut werde.“ Als Werkmeister wolle er den Hofmaurermeister Christian Bormann und den Generalaccisbaudirektor Locke anstellen. Auf Protest eines Senators gegen den Ausschluß der Ratsgewerken „will Exner diese beibehalten zur Aushebung und Ausmauerung des (Turm-) Grundes, jedoch mit der Bedingung, daß sie unter seiner Direktion und Anordnung stehen müßten, ingleichen Eigenwillig, in welchem der Senat einen geschickten und treuen, auch fleißigen Mann erwählet hätte, der auch geschickte Maurer habe. In der Folge aber, wenn der Grund heraus, könnten mehrere Maurermeister admittiert werden.“ Wegen des höheren Lohnes wurde Entscheidung ausgesetzt bis zur Abgabe von Exners Bericht über das Ausgeführte (speziell über die Pfeiler). Vorläufig sollten nur Steine gespitzt werden.

Die Forderung Exners, Locke und Bormann zuzuziehen, an der Exner auch weiterhin zähe festhielt, erklärt sich aus seinem Mißtrauen gegen die Ratsgewerken, als welche seit Baubeginn Spieß und Maurer tätig waren. Diese hielten natürlich treu zu Schmidt, der auch sonst, so beim Annenkirchen- und Gewandhausbau, ihr Auftraggeber war. Die Hofgewerken dagegen führten die Arbeit an den Staatsbauten aus, waren dadurch von Exner abhängig, ihm ergeben. Locke und Bormann waren im Dienste fürs Bauamt ergraut. Da der Hoflohn höher war, mochten ihre Arbeitsleute wohl tatsächlich leistungsfähiger sein. Die Gewerken standen zum Bauleiter in einem anderen Verhältnis als etwa heute, sie waren nicht selbständige Geschäftsleute, sondern eine Art Untergebene. Es wurde nur Arbeit, nicht auch das Material von ihnen geliefert, und nicht im Akkord (wie es bei der Frauenkirche zum pekuniären Nachteil Bährs geschehen war), sondern in Regie. Die gezahlten Stundenlöhne wurden dem Meister mit einem Aufschlag für ihre Werkzeuge und eigene Mühe zurückvergütet. Sie trugen dabei keinerlei Risiko. Möglicherweise waren für die Heranziehung von Locke und Bormann auch persönliche Gründe mit maßgebend. Locke war anfangs selbst mit Gutachten und Plänen für die Kreuzkirche beauftragt gewesen, doch war ihm Schmidt vorgezogen worden. Ob der Hofmaurermeister etwa mit dem Bürgermeister Bormann verwandt war, ließ sich nicht feststellen.[118]

Exners Bericht an den Rat über die Mängel am Vorhandenen mit den Vorschlägen zur Ab­stellung beginnt wieder mit einer guten Sentenz: „Wenn der Bau nach den Regeln der Baukunst, so die Tüchtigkeit, Dauer und Schönheit voraussetzen, geführt werden soll, so ists nötig, gleich anfangs das ganze Werk zu überdenken und richtige Profile (Schnitte) zu machen, woraus auch derjenige, der nur etwas Weniges von der Baukunst versteht, die Proportion und Stärke und Schwere der Last gegen ihre Stütze beurteilen kann.“ Er habe sich „aufgetragener Maßen bisher nur um das Äußere gekümmert und meine Zeichnungen fanden bei der Beurteilung höchsten Beifall“. Er habe sich „in das Werk selbst einzulassen nicht gemeint oder vermutet“, wie auch der Bericht des Rates (bei der Turmkonkurrenz) hohen Ortes selbst bezeuge, daß er sich „die Fertigung des Risses (ein für) allemahl verbeten“. Ebenso habe er „keine Zeit gehabt, ganz neue Profile zu fertigen und sich nicht über das bereits Ausgeführte hinlänglich informiert“.

[86] Im einzelnen führte er nun aus: „Die inneren Pfeiler sind zu schwach und im Grunde nicht zusammenhängend. Es kann aus dem Profil ersehen und durch Rechnung dargetan werden, wieviel die Schwere überwiegt. Die Pfeiler bei Altar und Orgel sind zu weit. All diese Schäfte sind stärker zu machen, wozu ich einen Grund und Profil gefertigt“. „Denn ob hier einige Kirchensitze und Stände mehr oder weniger ausfallen, ist kein Einwand, weil das Gebäude ohnehin schon groß genug ist. Sicherheit und Dauer geht jenem vor und sind niemals zu bezahlen, wenn sie fehlen.“ Aus der geringen Pfeilerstärke folge weiter, daß die Säulen beim Chor durchschnitten, d. h. durch die Orgelempore zum Teil verdeckt werden. „Auch bei Abhilfe bleibt es ein unverantwortlicher Fehler.“ „Da die Postamente zu nieder, sind’s auch die Emporkirchen“ (gemeint sind die Betstuben). Ein innerlich schlechter Effekt gegen die Kirchenhöhe sei die Folge. „Da die Säulen Last tragen oder dies anzeigen sollen, so findet man das abgeschmackteste Beispiel, daß sie zu schwach und niedrig, mithin zu klein sind und nicht die geringsten guten Verhältnisse in Ansehung ihrer Last haben, welches auch derjenige, der die Baukunst nicht studiert, leicht wird einsehen können. Da nun diese Kirche nach dieser Anlage allemal von dem elendesten Geschmack und sehr zu bedauern sein würde, eine so ansehnliche Summe Geldes darauf zu verwenden, so bin ich bewogen worden, selbst ein andres Profil zu fertigen, wo die Fehler vermindert und das Innere der Kirche auf eine diesem großen Gebäude anständige Art ein­gerichtet worden.“ „So unangenehm diese Desideria für den Rat, ihn auch in Ansehung des großen Aufwands und Raissonements des Publici in ziemliche Verlegenheit setzen müsse“, so wenig könne er dies verschweigen der zukünftigen Folgen willen. Er überlasse „dem Rat und dero weisen Beurteilung, was er für Maßnahmen belieben werde“. Den gefertigten Grundriß und Schnitt übergab Exner nicht mit.

Exners Bericht entsprach nicht dem Auftrag Xavers, die etwaigen Mängel am ausgeführten Mauerwerk anzugeben. Sein Verlangen, die Pfeiler durch stärkere zu ersetzen, stellt eine Kritik der Schmidtschen Planung dar, die zweifellos rechtsgültig approbiert war. Daß die Pfeiler nach heutiger Anschauung stark genug waren, wurde schon eingehend dargelegt. Krubsacius hatte in seinem Gut­achten ausdrücklich betont, daß Schmidt „die Pfeiler wohlbedächtig verstärkt“ habe. Ästhetische Einwendungen gegen Schmidts Inneres hatte er nicht erhoben. Ja er übernahm dasselbe in seine Schnittzeichnung zum Konkurrenzentwurf. Und er war doch als Professor der Akademie berufener Sachverständiger für den damaligen „guten Geschmack“. Bei der Beurteilung der Schmidtschen Pläne vor der Oberbaukommission hatte weder Exner noch ein anderes Mitglied ästhetische Bedenken geltend gemacht. Man hatte wohl Schmidt vorgehalten, „die Pfeiler scheinen zu schmal zu sein“ in anbetracht der großen Last. Aber auf seine Einrede, daß sie schon einige Ellen herausgemauert und daß eine Änderung auf Ratsseite Schwierigkeiten finde, hatte man ihm nur entgegnet: „Es wird dafür gehalten, daß solche zur Dauer und Festigkeit des Gebäudes viel beitragen.“ Im Schlußbericht war die Kommission auf den Einwand gegen die Pfeiler nicht mehr zurückgekommen. Damals wäre es Exners Sache gewesen, seine Pfeilerbedenken weiter zu verfolgen und sich über Schmidts Plan zu informieren. Neue Profile anzufertigen war weder damals noch jetzt von Rechts wegen seine Aufgabe. Aber gerade, daß er die Schmidtsche Innenanordnung durch eigene Pläne verdrängen wollte, war der äußere Anlaß wie der innere Grund für seine Gegnerschaft gegen Schmidts Pfeiler, im Bericht wie schon im Promemoria. Die ästhetischen Bedenken standen im Vordergrund. Er plante, wie auch aus seinen späteren Rissen hervorgeht, eine große Säulenordnung im Schiff, deren Gebälk wie bei der katholischen Hofkirche und wie in jedem Säulenbuch über den Pfeilerarkaden hinlaufen sollte, während Schmidt die Arkadenbögen auf die Gebälkstücke der Pfeiler und ihrer Säulen aufsetzte. Für seine größeren Säulen brauchte Exner ein entsprechend höheres Postament. Diesem zuliebe sollten die Emporenbrüstungen höher kommen. Die stärkeren Säulen erforderten naturgemäß stärkere Schäfte.

War es Exner nur um eine Vergrößerung der absoluten Pfeilerstärke aus Gründen der Festig­keit zu tun, so ließ sich hierüber mit Gründen und Gegengründen ein Urteil finden. Daß er die „Rechnung, wie viel die Schwere überwiegt“, nicht anstellte, zeigt, daß ihm das rein bautechnische Bedenken Nebensache war. Durch den Vorwurf, daß die (den Pfeilern vorgelegten) Säulen zu schwach seien, „da sie Last tragen oder dies anzeigen sollen“, betrat er ein Gebiet, wo nur das persönliche [87] Empfinden entscheidet, wo Ansicht gegen Ansicht steht, wo Gründe versagen. Daß er Schmidts An­ordnung als „vom elendesten Geschmack“ brandmarkte, daß er denjenigen, „der nur ein Weniges von der Baukunst versteht“, über Schmidt und im Grunde auch über die bisherigen Gutachter stellte, konnte die Berechtigung seiner überdies zweckwidrigen Forderung kaum glaubhafter machen.

Der Ratsprotest.

Der Rat antwortete auf den Bericht Exners durch völlige Sistierung des Baues. Große Auf­regung in der Stadt war die Folge und drang auch zu Graf Rex, dem Präsidenten des Geheimen Konsils. Dieser bestellte sich den Stadtschreiber und „erkundigte sich, warum der Rat den Bau sistiert, wie dieses bei Publikum große Apprehension und widrige Vorstellungen mache“. Langbein erklärte, der Senat sei nicht schuld, Exner hätte seine Ausstellungen eingereicht und verlange, die Pfeiler sollten abgetragen werden. Diese Vorschläge müßten einer genauen Untersuchung und Beurteilung ausgesetzt werden. Graf Rex entgegnete, „daß des Herrn Exner Intention keineswegs dahin gehen könnte, das was nach den früher approbierten Rissen gebaut, wieder eingerissen werden sollte, da doch Exners Riß nur den Turm und dessen Verbindung mit der Kirche angehe“. Der Rat solle Bericht mit Gut­achten einreichen.

Graf Rex ist derselbe, der bei der Grundsteinlegung in Vertretung der Staatsregierung ge­sprochen und als Konferenzminister an den Sitzungen teilgenommen hatte, in denen erst unter Friedrich Christian, dann unter Xaver die Approbierung der Schmidtschen Risse erfolgte. Nicht festzustellen ist, ob ihm nur das Interesse an der Förderung des Kirchenbaues Anlaß zum Eingreifen war, ob ein Gegensatz zum Geheimen Kabinett, das jetzt über ihm stand, oder ob etwa auch persönliche Abneigung gegen Exner.

Nach acht Tagen erfolgte die Eingabe des Rates ans Oberkonsistorium, in der er zwar devot, aber doch energisch im Namen der evangelischen Bürgerschaft dagegen protestiert, daß der Bau „dem Oberlandbaumeister sogar in die Hand gegeben“ werde und erklärte, daß er als Patron, „dem sonder Zweifel die Direktion zustehe“, sich Exners Anstalten „nicht fügen wolle“. Es solle bei dem Ausgeführten bleiben, und soweit es das Schiff anbetreffe, bei den approbierten Schmidtschen Rissen. Das bereits fertige Steinwerk solle verwendet werden. Der Turmbau und der übrige Aufbau solle zwar unter Exners Beirat und Obsicht, aber unter des Rates freier Direktion und mit Beibehalt der bürgerlichen Gewerken erfolgen und mit Ersparung aller zur Solidität nicht unmittelbar nötigen Kosten in Dingen, die nur auf die Satisfaktion des Geschmackes ein und des anderen Bauverständigen an­kommen.

Das Konsil verlangte zur weiteren Prüfung eine Verteidigung Schmidts gegen die Vorwürfe Exners, daß die Pfeiler zu schwach seien, ferner Kostenanschläge von beiden. Exner, hierzu vom Rat aufgefordert, lehnte die Anfertigung schroff ab. Sein Projekt differiere vom Schmidtschen nicht so sehr, nur was die Abstellung der Festigkeitsmängel erfordere. Die Risse habe das Kabinett. Von diesem erhielt der Rat jedoch nur die Schmidtschen Pläne, sein drittes Neubauprojekt, zurück, nachdem das Oberkonsistorium die Ausantwortung für gut befunden hatte. Auf die erneute Bitte an Exner, er solle diejenigen Kreuzkirchenrisse, so er gefertigt, an den Rat geben, der sie benötige, erklärte er, er hätte sämtliche Risse ans Kabinett gegeben; was aber die neuen (übers Innere) anbeträfe, hätte er sie der Oberbaukommission noch nicht kommuniziert, bäte daher das Ratskollegium, ihn damit zu ver­schonen. Im Kabinett erfuhr der Rat, daß Exnersche Risse dort nicht abgegeben seien. Acht Tage später übersandte Exner seine früher approbierten, dem Rat aber bisher noch vorenthaltenen Turm- und Fassadenpläne an Bormann. Am nächsten Tag schon gab Schmidt seine Entgegnungsschrift an den Rat ab.

Exner gewann durch Zurückhaltung seiner Pläne und durch die Lügen über den Verbleib der­selben etwa vier Wochen Vorsprung für seine eigene Eingabe an Prinz Xaver. Von seinen früheren Erinnerungen (im Promemoria) sei die hauptsächlichste gewesen, daß die Pfeiler zu schwach seien. Gleiches sei bei der Oberbaukommission gleich anfänglich (im Juli 1766) desideriert worden. Bei [88] diesfalls angestellter genauer Untersuchung habe sich ergeben, daß sie nicht zusammengehängt, wenig abgesetzt und a proportione der Weite der Bögen und der Last darauf zu schwach seien. Dies und noch einige andere Monita habe er dem Rat in einem abschriftlich beiliegenden Bericht schon mitgeteilt. Er frage an, ob Prinz Xaver ein von der Oberbaukommission dieserhalb auszustellendes Attestat gnädigst anzubefehlen geruhe. „Da ich auf hohen Befehl zur Ausführung dieses Werkes gezogen worden, so würde ich mir entweder wenig Einsicht zutrauen, oder ich würde mir bei der Welt und der Nach­kommenschaft unverantwortliche Fehler beizumessen haben, wenn ich nicht der Wahrheit gemäß solche Fehler anzeigete, die noch abzuändern.“ Darum habe er seine „endlichen Vorschläge“ aufgestellt. Beim Kabinett blieb Exners Vortrag, der etwa zu gleicher Zeit eingereicht wurde, als das Konsil die erste Ratseingabe erhielt, ein Vierteljahr ohne Entschließung liegen, bis der zweite Ratsbericht vorlag.

Die Verteidigung Schmidts, der jetzt das erste Mal schriftlich gegen Exner auftrat, war intensiv und nicht ungeschickt. Zur Erläuterung legte er einen Plan mit den Grundrissen und Schnitten der Kreuz- und Frauenkirche bei[119]. Mit Hinweis auf die Frauenkirchenpfeiler, die schwächer im Quer­schnitt, aber stärker beansprucht seien, und auf den alten Turm, der nur 2 1/2 Ellen Fundamenttiefe gehabt und doch ein halbes Jahrtausend sicher gestanden, suchte er die statischen Einwände gegen seine Pfeiler zu entkräften. „Auch ist dies ein ganz neuer Einfall des Herrn Gegners, daß bei der Ober­baukommission etwas wäre gedacht worden wider die Weite der Bögen und Schwäche der Pfeiler[120], maßen ich mich dessen nicht zu erinnern weiß, ungeachtet man mich zu drei verschiedenen Malen dahin kommen lassen.“ Exners Innenanordnung, die aus den Fassaden und dem Bericht erkennbar war, widerspreche dem Bauzweck. „Ist bei Evangelischen Kirchen wohl zu beobachten, daß die meisten Zu­hörer sowohl die Kanzel, Altar und Parterre übersehen und den Prediger hören können, deswegen auch die Pfeiler so schwach und die Bögen so weit angelegt werden müssen, als die Festigkeit des Ge­bäudes zulässet.“ Gegen den Vorwurf zu niedriger Postamente heißt es, „die Höhe des Betstubenbodens (4,10 m) ist schon mehr als zu hoch und mit gutem Bedacht, damit die Zuhörer zu oberst auf den Emporkirchen an der Hauptwand ebenfalls Prediger und Altar samt dem Parterre mit sehen können, worauf besonders bei einer Kirche das Augenmerk zu richten“. Nach Exners Plan liege das Gewölbe über den Emporen niedriger, eine zweite Empore könne gar nicht angelegt werden, und der ersten Empore sei das Licht verbaut. Wolle Exner das Gebälk über die Arkadenbögen legen, so müßten diese pendentif, d. h. auch im Grundriß bogenförmig gewölbt sein, was bei den großen Spann­weiten überhaupt nicht ausführbar wäre. „Wenn der Oberlandbaumeister mir zur Last legen will, als wäre die Kirche nach dem elendesten Geschmack, so mag aus diesen und mehreren anderen in seinen Monitis vorkommenden spöttischen und bitteren Expressionen jeder unparteiische Leser wohl wahr­nehmen, aus was vor einer bitteren Quelle dieselben hergeflossen und daß sie mehr eine üble Neigung seines Willens als wahrhafte Überzeugung der guten Meinung zugrunde haben. Inmittels tröstet mich mein Gewissen, daß ich nicht ohne Beruf und aus interessierten Absichten mich dem Werk unter­zogen, daß ich die zugehörigen Grundrisse, Fassaden und Durchschnitte mit möglichster Akkuratesse gefertigt, daß ich dabei alle Regeln der Architektur sorgfältig in acht genommen und nicht weniger auf die Dauer, als auf die Bequemlichkeit der großen Gemeinde mein Absehen gerichtet, und daß ich dabei alle mögliche Ersparnis gesucht. Wie nun dieses alles nach jedermanns billigem Ermessen ohne müh­same Arbeit und vielfältig gefertigte Profile ohne Erwägung der Last, die ein jeder Teil zu tragen hat, und ohne Überdenken des ganzen Werkes keineswegs geschehen könne, also werden sich viele ge­schickte Männer finden, die mich weiter als nach dem bloßen Namen kennen und wissen,... daß es mir weder an Theorie noch Praxis fehlt.“ Dann folgt eine Skizze seines Lebensganges und seiner Leistungen als Architekt[121]. „Aus diesem allen wird das wohlgesinnte Publikum von mir eine bessere Meinung fassen und denen gegenseitigen Vorbildungen, als hätte ich bei itziger Anlage der Kreuzkirche ganz ohne Kopf gearbeitet, um so weniger glauben, als die ersten Risse approbiert wurden.“ Zuletzt [89] trat er voll Feuer nochmals für seine Anschweifung und ihre Vorzüge ein und wendete sich gegen die Verteuerung des Baues durch die Exnerschen Pläne, deren Kosten weit über das alterum tantum seines Entwurfes steigen würden. Durch doppelte Modelle beider könne dies deutlich vorgestellt werden.

Im zugehörigen Bericht ist von einer Beibehaltung Exners, dessen Verhalten, auch seine Weige­rung, Anschläge zu liefern, scharf kritisiert wird, keine Rede mehr. Der Rat bittet um Erfüllung des „so gerechten als sehnlichen Wunsches der hiesigen Bürgerschaft und aller evangelischen Einwohner, daß es bei den approbierten Rissen bleibe und bezüglich des neuen Turmes bei den Schmidtschen Rissen bleibe und der Bau von diesem, zeithero dazu gebrauchten Schmidt fortgestellet werden“ möge. Allen entbehrlichen Aufwand müsse man vermeiden, da man fürs Unentbehrliche keinen gewissen und hinreichenden Fonds habe. Zu einem Aktenstück von 50 Seiten angewachsen, gelangte die Eingabe rasch ans Kabinett.

Der Begleitbericht des Geheimen Konsils unterschied für die Beurteilung: Festigkeit, Verzierung und innere Einrichtung. Schmidts Verteidigung zum ersten Punkt erscheine hinlänglich. Zu erwägen sei, ob die Oberbaukommission oder andere berühmte auswärtige Baumeister zu befragen seien. Für die Verzierungen fehle das Geld, Exners Projekt sei zu teuer. In der Zweckerfüllung weise Schmidts Plan keinen Mangel auf. Darum werde gebeten, diesen beizubehalten.

Prinz Xaver übersandte das ganze Aktenmaterial zur Prüfung an den Gouverneur. Er wolle zwar nicht zugeben, daß die Solidität oder auch die Schönheit, insofern sie ohne viel größeren Kosten­aufwand durch den guten Geschmack des Baumeisters bewirkt werden könne, vernachlässigt werde, gleichfalls wolle er des Ratsbaumeisters Anführen nicht ungehörter Dinge zurückweisen. Die Ober­baukommission solle nochmals ein ausführliches Gutachten über die Gründe pro et contra abgeben, über jeden Punkt des Schmidtschen Gutachtens in margine mit genüglicher auch andern als Kunst­verständigen faßlicher Deutlichkeit und Vollständigkeit urteilen, sie solle nach der in loco von den stehenden Pfeilern und Gründen zu nehmenden Kenntnis wohl erwägen, sich auf den Platz selbst ver­fügen, die stehenden Teile ausmessen, eventuell Gründe entblößen und die erforderlichen Berechnungen selbst vornehmen. Weiter solle sie feststellen, wann dem Rat der Fortbau inhibiert und was seit der Zeit von dessen Baumeister etwa gebaut oder dieser nach seinem Plan habe zubereiten lassen. Auch solle eine etwaige Verschickung der Pläne nach auswärts vorbereitet, auch mitgeteilt werden, an wen und welche Fragen zu stellen seien. Im Schlußgutachten solle die Kommission ihre standhafte pflichtgemäße Meinung geben, ob die Pfeiler stehen bleiben können oder wie sonst den Mängeln abzuhelfen sei. Auch solle sie bis zum Frühjahr 1768 unfehlbar fertig sein.

Pünktlich traf zu Beginn des Jahres mit Bericht des Gouverneurs der „Vortrag der Militär- und Ziviloberbaukommission“ beim Kabinett ein, unterzeichnet von fünf Militärs und dem unter Exner tätigen Landbaumeister Knöbel. Dem Vortrag lagen kritische Randbemerkungen Exners zugrunde, in denen er die Schmidtschen Einwürfe punktweise zurückwies. Betreffs der Schmidtschen Pfeiler erklärten die Kommissionsmitglieder, daß sie „insgesamt dieselben für zu schwach“ fänden. Bereits in den Sitzungen vom Juli 1766 sei dies geschehen. Da ihre „Anweisung nicht dahin ging“, hätten sie dies bisher „verschwiegen“. „Schmidts Vergleich mit der Frauenkirche gehört nicht hierher. Bähr ist keinem Gutachten, weder der Oberbaukommission noch de Bodts gefolgt, man weiß nicht wie.“ Bei der dreischiffigen alten Kreuzkirche „setzte man damals um der Festigkeit willen, ohne auf das Sehen und Hören der Gemeinde sonderliche Attention zu machen, Reihen Pfeiler sogar in die Mitte der Kirche..., der Baumeister Schmidt hingegen will, um die Schwäche seiner Pfeiler zu verteidigen, die Konveniens der Gemeinde so weit extendieren, daß nicht allein die mittelsten Pfeiler verworfen werden, sondern auch das Schiff der Kirche zur Seite viele starke Stützen entbehren muß. Da nun die Festigkeit eines solchen Gebäudes das Hauptwerk ausmacht“, sollen entweder bei Steingewölbe Schmidts Pfeiler ausgegraben und durch die Exnerschen ersetzt werden, oder unter Beibehaltung der Schmidtschen Pfeiler ein Holz­gewölbe mit Mansarden doch nach einem beifolgenden Plan Exners ausgeführt werden. Ein sicherer Anschlag lasse sich nicht aufstellen, da „bei einem viele Jahre lang dauernden Bau der Fleiß einer großen Menge der Arbeitsleute sehr unterschieden, also daß die Ausgabe nicht wohl zu übersehen ist“. „Niemand wird leugnen, daß der ganze Kirchenbau zu kostbar angefangen und die Oberbaukommission [90] würde hiesigem Rat niemals geraten haben ein solches Werk zu unternehmen, ohne 3 Tonnen Goldes (300 000 Taler) in Vorrat liegen zu haben.“ Der Rat habe den Bau zur rechten Zeit inhibiert, doch sei es nach eingezogenen Erkundigungen zweifelhaft, ob, wie Schmidt angab, seine Fensterverdachungen bereits alle fertig waren, als die Oberbaukommission im Juli 1766 ihm andeutete, daß sie kein gutes Aussehen hätten. „In contrarium des Exnerschen Gutachtens, soviel die Realia betrifft“ sei der Kommission nichts beigefallen. Der Rat solle das Äußerliche gänzlich nach Exners Plan bauen, bei Steindecke auch in allem übrigen nach Exner sich richten. Bei Zweifel könne der Rat bei der Kommission anfragen. Da Exner die Obsicht habe, werde er etwaige Abweichungen Schmidts merken. „Bei diesen Umständen halten wir Verschickung der Pläne nicht für nötig.“

Dies Gutachten zeigt ein völliges Versagen der Kommission. An ihren detaillierten Auftrag hatte sie sich überhaupt nicht gehalten. Die verlangte unparteiische Prüfung der Gründe pro et contra, die Okularinspektion, die statische Berechnung, alles fehlte. Dagegen hat sie sich mit Exner, der doch Partei war, völlig identifiziert. Bei Berufung auf frühere Einwände drehte sie sich im Kreise, sie stammten von Exner, auf ihnen fußte er, deren nötige Nachprüfung und Begründung unterließ sie. Daß sie mangels Anweisung früher ihre Bedenken verschwiegen habe, ist nicht glaubhaft, zumal ihr ausdrücklich auch die Prüfung der Pläne hinsichtlich der Festigkeit aufgetragen war. Bureaukratisch wie die Kommission hier scheinen wollte, zeigte sie sich sonst, auch im guten Sinne, nicht. Im Gegen­teil fehlte ihr gerade die unpersönliche Neutralität der Beamten in der öffentlichen Verwaltung.

Von Exners Randbemerkungen fiel natürlich nicht eine pro, sondern alle contra Schmidt aus. Den ersten und breitesten Raum nimmt die Pfeilerfrage ein. Die Frauenkirche lehnt er als Ver­gleichsbeispiel ab, da ihre Kuppel gut verankert werden konnte, da „die Hauptmauern und (Strebe-) pfeiler einen Teil der Last zu tragen und die Gruftgewölbe die Pfeiler verspannen“. „Sie würde haltbarer sein, wenn die Pfeiler stärker.“ Sie sei nichts weniger als ein vollkommen festes und halt­bares Gebäude. „Einem Baumeister, der nicht nur für seine Lebenszeit, sondern auch für die Nach­kommen bauen soll, ist es nicht zu vergeben, wenn er die begangenen Fehler wiederum imitieren wollte.“ Dann führt er aus, was Schmidts Pfeiler zu tragen haben. „Sollte man nicht mehr Aufmerksamkeit auf diese hohen Stützen haben?“ „Um nicht bloß mit Wissenschaft, sondern auch mit Erfahrung aufzuwarten“ zieht er als Exempel die katholische Hofkirche an. Bei geringerer Weite des Schiffes und Gewölbes (31 gegen 36 Ellen), geringerer Höhe bis unter das Gewölbe (57 gegen 66 Ellen), geringerem Pfeilerabstand (7 Ellen 3 Zoll gegen 15 Ellen) habe sie doch 18 Pfeiler von je 16 1/4 Quadratellen Querschnitt gegen 8 Pfeiler von nur je 14 7/8 Quadratellen bei der Kreuzkirche Schmidts[122]. „Was für ein Unterschied! Ich habe also nicht zu viel getan mit meiner Behauptung.“ Die Hofkirche „ist mit großer Vorsicht angelegt. Die Pfeiler sind stark genug, aber nach der Angabe nicht zu stark.“ Dann wird der Vorwurf fehlender Verspannung der Pfeiler im Grunde wiederholt. „Einem Baumeister kann es für unanständig und unweise gehalten werden, wenn er bei einem Gebäude die Menage in Gründen suchen will, da das ganze Gebäude so kostbar angelegt ist, und wo ein etwas mehrerer Aufwand im Grunde gegen die Kosten des ganzen Werkes in geringer Proportion stehet.“

Zu den aus der Fassade abgeleiteten Einwürfen gegen seine Innengestaltung erklärte Exner, die Zeichnung Schmidts, die beweisen sollte, daß Exners Fensteranordnung ohne Rücksicht auf die Emporen erfolgte, „ist nicht der geringsten Betrachtung wert“. Sein eigenes Profil hebe allen Zweifel. Gegen den Einwand zu hoher Emporenanlage heißt es: „Wie bei einem dergleichen Gebäude Alles erhaben sein muß, also muß auch der untere Teil nicht gedrückt erscheinen.“ Der Einwurf, daß Exners Pfeilerstärke dem protestantischen Bauzweck zuwider sei, „findet vernünftiger Weise nicht statt, wenn man deswegen den Pfeilern an Stärke abbrechen und den Bögen an Weite zugeben soll, damit die Zuhörer mehr sehen und hören können, wenigstens bei gegenwärtigem Gebäude nicht nötig. Dieses ist schon mehr als zu groß, daß ohngeacht eine große Menge Zuhörer ihren bequemen Platz finden. Festigkeit und Sicherheit hat daher den Vorzug.“ „Die Kanzel habe ich in die Mitte an einen Pfeiler gesetzt, allwohin sie gehöret, wenn ein Teil der Zuhörer sowie der andre den Prediger deutlich vernehmen [91] sollen.“ „Da wo sie ihn nicht sehen können, hören sie ihn doch deutlich.“ Gegen Schmidts Andeutung von Exners „interessierten Absichten“, schreibt dieser: „Aus meinen von Anfang her be­zeigten Äußerungen, mich nicht in den Kreuzkirchenbau zu mengen, ferner aus Gegenhaltung der Risse und obigen Anmerkungen mag man urteilen, ob ich aus untertänigem Gehorsam gegen den höchsten Befehl und aus Schuldigkeit gegen das Publikum und den Wohlstand mich einer solchen Arbeit unter­ziehen müssen.“

Zu Schmidts Lebenslauf bemerkt Exner: „Ich hege gegen den Baumeister Schmidt alle ge­ziemende Bescheidenheit und lasse es in seinen Wert gestellt sein, wie er die bei Bähr gehabte Gelegen­heit sich zu üben genutzet, wie fleißig und applicable er sich bei der Frauenkirche damals als ein An­fänger bezeiget und ob er zu der Zeit nach seinem geringen Alter die behörige Attention gehabt, ingleichen was er bei verschiedenen Kirchen geleistet, wo er bloß als Zimmermeister gebraucht worden, niemalen aber in voriger Zeit als Baumeister einige Direktion über die Kirche gehabt.“ „Alles dies ist noch bei weitem kein zureichender Beweis von der Unfehlbarkeit seiner Entwürfe bei einem so wichtigen Bau als die Kreuzkirche ist. Meinen Gedanken nach wäre es wohl gehandelt gewesen, wenn er sich die guten Gedanken dieses oder jenes Bauverständigen zunutze gemacht, das Werk mit mehr Vorsicht und Überlegung unternommen und nicht auf seiner eigenen Kaprize allein bestanden hätte.“ Bezüglich der Kosten heißt es: „Der Schmidtsche Grund kostet auch Geld, der Mehraufwand ist keiner besonderen Betrachtung würdig.“ Die weit höheren Kosten für Reparatur des alten Turmes seien weggeworfen, jetzt wolle man Beschwerde führen gegen den Aufwand des neuen Werkes. Der Mehraufwand seines Projektes sei lediglich wegen der Festigkeit erforderlich und nicht so hoch, als man angeben wolle. „Es läßt sich bei einem solchen Bau auf andere Art Menage machen, niemals ein zuverlässiger Anschlag.“

Bei Exners Begründung der Pfeilerstärke lag sein Irrtum auch für den damaligen Beurteiler in der Annahme, die Pfeiler der Hofkirche seien nicht zu stark, sondern a proportione. Den Beweis dafür blieb er schuldig. Ob mit oder ohne Absicht, vermied er auch späterhin eine klare Trennung zwischen den richtigen Proportionen in statischer und in ästhetischer Hinsicht. Schon die Unterschiede in den Verhältnissen zwischen Bogenweite und Schaftstärke je nach der gewählten Säulenordnung, die Unabhängigkeit dieser Verhältnisse von der Art der Belastung, der Höhe der Attiquemauer, von der Art der Raumüberdeckung mußten ihm lehren, daß die angeblich antiken Proportionen mit den Zulässigkeitswerten für statische Beanspruchung nichts zu tun haben. Der Schnitt, auf den sich Exner hier bezog, war erst nach der Kritik Schmidts angefertigt. Dessen Einwände konnten also berücksichtigt sein und waren es auch. Während Exner bei Erläuterung seiner Konzeptskizze die angeblich zu niedrige Lage der Betstuben tadelte, legte er in seinen späteren Schnitten deren Fußboden sogar noch niedriger als Schmidt. Die persönlichen Angaben über Schmidt waren nicht nur gehässig, sondern wider besseres Wissen. Im ganzen konnten die Randbemerkungen auf einen kritiklosen, Exner wohlwollenden Beurteiler leicht den Eindruck erwecken, daß der oberste Zivilbaubeamte des Staates im vollen Rechte sei gegenüber Anwürfen eines unwissenden und unbescheidenen Ratsgewerken. Exner hatte sich durch diese „Verantwortung“ das volle Vertrauen des Regenten und des Kabinettssekretärs gesichert.

Die Entschließungen Prinz Xavers.

Für Prinz Xaver war durch Anrufung der Oberbaukommission die Entscheidung nur wenig leichter, das Aktenmaterial aber bedeutend umfangreicher geworden. Um zu einem Urteil zu kommen, verhandelte er mit Exner persönlich. Im ersten Verfügungskonzept schlug Ferber vor, „um alles Wegreißens überhoben zu bleiben“, solle an Stelle der Attique mit dem Steingewölbe ein gebrochenes Dach zur Ausführung kommen, aber nicht nach dem von der Oberbaukommission eingereichten Plane Exners, sondern mit einer Veränderung der Dachfenster[123]. Der Ferbersche Vorschlag beruhte auf einem Vortrag Exners über die Möglichkeit der Ausführung einer Stuckdecke (Holzgewölbe) und Mansarddach und gründete sich auf die „dem Oberlandbaumeister zu erkennen gegebene Intention“. Doch fand [92] das Konzept nicht die Unterschrift Xavers, der (nach Exners Vortrag vom 11. Juli 1768) „vielmehr höchstes Wohlgefallen an der darauf zu setzenden Attika und Wölbung des Schiffes bezeiget“. Daraufhin erstattete Ferber einen ausführlichen schriftlichen Vortrag. Darin heißt es, die Wegreißung der Schmidtschen Pfeiler sei aus zwei Ursachen angeraten worden, weil sie zu schwach seien, Attique und Gewölbe zu tragen und weil sonst das schöne und simple Profil Exners nicht stattfinden könne. Für dessen Plan spreche die „Erhabenheit“ der Postamente und Säulen (d. h. ihre große absolute Höhe). „Einerlei Ordnung gehet in der ganzen Kirche, das Orgelchor und den Altar nicht ausgenommen, herum. Die Bögen sind zwischen den Säulen geschlossen. Das Werk ist mit einem ebenfalls fortgehenden schönen Hauptgesims kouronniert. Nirgends sind die Linien unterbrochen oder eine andere Zierat angebracht als diejenige, welche mit der Solidität verknüpft ist. Die Teile sind groß und das Ganze edel und simple.“ In Schmidts Plan dagegen „erreichen die niedrigen Säulen nicht den Anfang des Gewölbes beziehentlich der geschalten Decke. Die Bögen sind erst über den Säulen geschlossen, folglich fällt der in der ganzen Kirche herumgehende Hauptsims weg. Die abgeschnittenen Imposten (Gebälkstücke) der Säulen sollen dessen Stelle unschicklicher Weise vertreten. Zwischen Imposten und Kuppel (Muldengewölbe) entsteht eine unmäßige Höhe samt einer über derselben hinlaufenden Balustrade, deren Verzierung in Eisen vielen Aufwand erfordern und doch allemal ins Gotische (Barocke) verfallen wird. Der Altar wird ins Ganze nicht können eingezogen werden und eine ganz verschiedene Säulenproportion erhalten müssen. Hier sind also die Teile klein, die Linien überall unterbrochen, das Ganze nicht zusammenhängend und die Verzierungen fast nirgends aus dem Erfordernis des Werks genommen.“ Die steinerne Attique mit einem hölzernen Dach (soll heißen Decke) halte Exner mit Sicherheit nur für möglich, wenn die Pfeiler neu aufgeführt würden. Ob der Rat das Geld aufzubringen vermöge, bleibe dahingestellt. Außer den beiden Vorschlägen der Oberbaukommission, nämlich Festhalten an den Exnerschen Profilen unter Vergrößerung der Schmidtschen Pfeiler, „jedoch mit einer geschalten Decke“, oder Festhalten an der Schmidtschen inneren Anlage, aber mit einem gebrochenen Dach statt der Attique, schlug Ferber als dritte Möglichkeit vor, nur den Turm nach Exners Plan anfangen zu lassen, über die inneren Pfeiler aber erst zu entscheiden, nachdem „entweder Exner noch einen Versuch, wie die innere Einrichtung ohne Wegreißung zu verbessern und besonders der untere Teil (das Postament) erhöht werden könne, oder, wenn er seine Werkmeister beim Bau hat, einen dann möglichen näheren Überschlag der Kosten“ gefertigt habe.

Prinz Xaver entschied sich für diesen dritten Vorschlag. Der seit anderthalb Jahren sistierte Bau konnte wieder weitergehen. Exners Profile sollten auf jeden Fall zur Ausführung kommen. Offen blieb nur die Frage, ob hierzu die Pfeiler wegzureißen oder bloß zu verstärken seien. Xaver wollte „die Ausführung des Baues nach des Ratsbaumeisters Rissen in keiner Weise zugeben“. Im einzelnen wurde noch auf Vorschlag Ferbers und Wunsch Exners beschlossen, „die Exnersche Beant­wortung des Schmidtschen Aufsatzes zu des Rates eigener Überzeugung zwar diesem zuzufertigen, jedoch daß er solche Schmidten keineswegs hinausgebe und alle Kontestation hierunter völlig niedergeschlagen bleibe“. „Schmidt soll seines zeither unziemenden Betragens verwiesen, zu künftiger mehrerer Be­scheidenheit und gebührender Achtung gegen den auf höchsten Befehl bei der Sache konkurrierenden Oberlandbaumeister angewiesen werden.“ Von den Rissen sollen nur die approbierten Exnerschen hinausgegeben werden. Exner solle wenigstens zwei sichere Werkmeister nebst den dermaligen des Rates zuziehen dürfen, denn „er könne, sobald er sich vom Baue entferne, auf dessen behörige Ausführung nicht mehr rechnen“. Schließlich fand noch folgender Vorschlag Xavers Zustimmung: „Exner möge nicht als ein das Werk ausführender Bauverständiger, sondern als churfürstlicher zur Oberaufsicht über dessen Ausführung bestellter Kommissarius konkurrieren, und Prinz Xaver ihm die Belohnung selbst reichen lassen. Solches ist der Natur des Auftrags gemäß zur Förderung der Sache gar ratsam, wie denn besonders derselbe gegen den unruhigen Ratsbaumeister in so mehrere Autorität gesetzt werden dürfte und so wie eine der zeitherigen Exzeptionen gänzlich wegfiele.“

Um Erläuterungen und Begründungen der Zwischeninstanzen bereichert kam die Resolution ziemlich rasch an den Rat. „Da ihr, der Rat, ohnehin ein eure Kräfte weit überschreitendes Werk unternommen, soll aller entbehrlicher Aufwand vermieden werden, wie gleichwohl derjenige Aufwand, [93] welcher zur Festigkeit und Regelmäßigkeit eines Baues erfordert wird, bei keinem, am wenigsten bei einem solchen Bau für entbehrlich zu halten, der ... auf viele hundert Jahre angelegt und der, wenn dabei auf das unumgängliche Bedürfnis des Gottesdienstes und nicht zugleich auf äußerliches Ansehen das Augenmerk gerichtet worden wäre, mit weit mehr Simplizität angelegt worden sein würde.“ Prinz Xaver sei „nicht gemeint gewesen, dem Rat das Jus patronatus zu kürzen durch solche Anordnung, ebensowenig wie irgend einem Hausbesitzer in seinem Privateigentum dadurch ein Abbruch geschieht, wenn ihm nach einer gewissen, auf die gemeinsame Zierde der Stadt abzielende billige Vorschrift zu bauen auferlegt wird.“ „Außerdem bedenket, daß ihr aus solchen Fonds baut, die von landesherr­licher Vergünstigung abhängen.“ „Damit ihr erkennt, wie man hohen Ortes in Ausübung eurer Befugnisse euch so wenig, als solches das Beste der Sache nur immer gestattet, zu beschränken gemeint sei, so lasse sich Xaver in Gnaden gefallen, daß euer Ratsbaumeister beim Baue bleibe.“ Der Rat solle ohne Exners Zuziehung nichts Erhebliches anordnen und Exner den Rat in der ihm als Patron zukommenden Direktion des Baues nicht übergehen. Mit untertänigem Dank könne es der Rat anerkennen, daß ihm ohne einigen Aufwand ein der Sache genugsam gewachsener Bauverständiger, dessen Einsicht und Erfahrung er sich mit Zuversicht überlassen könne, verschafft werde. Xaver aber lebe in der Hoffnung, der Rat werde etwaige Hindernisse zu heben bestens bedacht sein und mithin nicht zugeben, daß dergleichen aus etwaigem Privateigennutz in den Weg gelegt oder durch ungleiche Äußerung der bei der Sache beschäf­tigten Personen das Publikum irre gemacht werden möge.

Der Rat beschloß einige Wochen nach Ankunft des Reskripts, mit Exner wieder in Verbindung zu treten. Stillschweigend wur­den die geforderten Werkmeister Locke und Bormann zugelassen und von Rats wegen nur Eigenwillig als Maurer beibehalten, dessen Geschicklichkeit Exner wieder sehr rühmte. Nach einer Okularinspektion wurde die Aus­grabung des Turmgrundes vergeben. Jeder Meister solle einschließlich Polier 10 Maurer beschäftigen, 16 Handlanger werde der Bauschreiber an­legen. Dazu kamen noch einige Zimmerleute von Schmidt. Mit reichlich einem halben hundert Arbeitern begann der Bau wieder. Anfang Juni trieb Exner zur Beschleunigung und verlangte Einstellung von mindestens 80 Handarbeitern. Er begann jetzt am früher Ausgeführten zu ändern. „Man hat mehrere Schichten herauszunehmen sich gezwungen gesehen, als es die Regel und Ordnung erfordert.“ Darauf­hin erbat sich der Rat umgehend vom Kabinett die zurückbehaltenen Schmidtschen Risse zwecks An­fertigung eines Modells.

Vergleichsskizze zwischen Schmidts und Exners Innensystem.

Maßstab 1 : 1000. Beilage zu Exners Plänen vom Juli 1768.

Original im Hauptstaatsarchiv.

Noch während der Vorarbeiten für eine neue Ratseingabe erlangte Exner die Approbierung seiner Innenpläne. Den Erläuterungen zum Projekt lag eine Vergleichsskizze seiner und der Schmidt­schen Pfeiler mit ihrer Attique-Aufmauerung bei, „woraus dem bloßen Augenschein nach und ohne weitläufige Berechnung anzustellen erhellet, daß solche allemahl zu schwach“ sein würden. Bloßes Anmauern werde ganz ungleiches Setzen zur Folge haben. Die Kosten der Pfeileränderung betrage an die 9000 Taler, „aber das ganze innerliche Werk erhält ein schönes Ansehen und Dauer. Die bis­herigen Fehler werden vermieden.“

Ferber führte in seinem Berichte hierzu aus, daß der Vorschlag eines gebrochenen Daches ab­gelehnt wurde, weil das ganze Gebäude dadurch ein verstümmeltes Aussehen erhalten hätte und daß dem Vorschlag, „über die untere Ordnung zwischen ihr und dem Dache eine Mezzanine anzulegen, welche wenigstens das schlechte Ansehen der Dachfenster benähme, verschiedenen Bedenklichkeiten wegen Schönheit und Festigkeit“ entgegen waren. Einem Mehraufwand von 9000 Talern bei einer Bausumme von mindestens 250 000 Talern stehe gegenüber die Gefahr eines Einsturzes und die Notwendigkeit, [94] das Innere mehrenteils gotisch (d. i. barock) einzurichten und das Äußere durch ein gebrochenes Dach zu verunstalten. Exners Profile seien mit weit minder kleinen Zieraten beschwert. „Schon 1764 hat Hagedorn erinnert, daß die Ausführung der Kreuzkirche nach Schmidts Plan zu einer Zeit, wo soviel auf die Aufnahme des guten Geschmackes in den Künsten verwendet werde, mit dieser Absicht offenbar streiten würde.“ „Damit die Sache endlich einmal in Ordnung komme“, solle dem Rat die Wegreißung der Pfeiler anbefohlen werden.

Prinz Xaver entschied dem Ferberschen Vorschlag gemäß und approbierte die Exnerschen Innenrisse mit starken Pfeilern und Attika. Lediglich das Beste des Baues ein für allemal intendierend, hoffe er auf keinen weiteren Anstand und würde es gnädigst gern sehen, „daß die nunmehr eingeleitete Sache vom Rat, ohne daß es weiterer Verordnung bedürfe, nach unserer zu ihm hegenden Zuversicht ins Werk gerichtet werde“. An der Stellung Exners zum Rate wurde nichts geändert. Dieser durfte ohne jenen keine Entscheidung treffen. Exner behielt also die Oberleitung, nicht bloß die baupolizeiliche Kontrolle des Baues, obwohl er seinen Gehalt vom Staate bezog. Während er aus der Kirchenkasse 800 Taler erhalten sollte, wurden jetzt aus Staatsfonds 300 Taler für genügend gehalten.

Die Oberbaukommission blieb diesmal bei der Vorbereitung für die Resolution ausgeschlossen. Die Exnerschen Pläne in ihrer „neuen Ausarbeitung“ hatten ihr nicht vorgelegen. Die Angabe Exners über die Kosten der Veränderung (an die 9000 Taler) waren von ihr nicht kontrolliert, auch von Exner nicht durch einen Anschlag oder Überschlag begründet worden. Ob sie sich auf sämtliche Mehrkosten des Exnerschen Planes mit seinen stärkeren Gründungspfeilern und Obermauern, Kupfer­dach u. s. f. bezogen oder nur auf Wegreißung der Schmidtschen Pfeiler, wurde nicht klar gesagt. Exner konnte nur das letztere, Ferber und Prinz Xaver das erstere annehmen. In den approbierten Innenplänen ist nicht angegeben, wie die Decke der Kirche gedacht war, ob als Gewölbe oder als Holzdecke. Xaver wünschte Gewölbe, Ferber hatte schon am 27. Februar bei dem Vorschlag bez. Genehmigung der Exnerschen Profile mit starken Pfeilern hinzugefügt: „jedoch mit einer geschalten Decke“. An­scheinend wollte Exner die Verantwortung für die Wölbung nicht übernehmen, nachdem seine Pfeiler aus ästhetischen als auch aus statischen Gründen aber, um des Gewölbes willen, approbiert waren. Die Exnersche Vergleichsskizze (Abbildung S. 93) ist für die Beurteilung völlig wertlos, einmal weil in den statischen Fragen der bloße Augenschein nicht genügt. Weiter ist irreführend, daß nur Ansichts­flächen, nicht aber Stärken angegeben sind. Die Schmidtschen Pfeiler haben in der Tiefe etwa die doppelte, die Exnerschen nur die anderthalbfache Stärke der zugehörigen Attique.

Prinz Xaver wird von den Historikern[124] als ein offener und ehrlicher Charakter geschildert. Die Geschichte des Kreuzkirchenbaues widerspricht dem nicht. Er gilt aber auch als hartnäckig, despotisch und unselbständig. Sein Verhalten hier bestätigt es. Sein Urteil oder Vorurteil über Schmidt war ebenso unerschütterlich wie sein blindes Vertrauen zu Exner. Daß er nicht, um Weiterungen auszuweichen, dem Kompromißvorschlag des gebrochenen Daches zustimmte, sondern nach der besten Lösung suchte, spricht für ihn. Aber er identifizierte sich hierbei vollständig mit Exner, der doch Partei im Streite war. Weder durchschaute er das ehrgeizige Strebertum Exners, noch die Unselbständigkeit der Oberbaukommission. Als diese ganz versagte, schaltete er sie glatt aus, ohne dafür unbefangene Sachverständige heranzuziehen oder die Organisationsmängel zu erkennen und zu beseitigen. Ohne eigene Sachkenntnis zwang er dem Rat wider dessen Willen und gegen die Ansicht der Verwaltungs­instanzen einen teureren Plan auf[125], und schränkte Exners Direktion nicht auf das gebührende Maß ein. Als Regent eines Staates mit bereits ausgebildetem Behördenwesen entschied er in einer solch strittigen Sache, die mit dem Staatsinteresse nichts zu tun hatte, selbst in unterster und oberster In­stanz. Die Entscheidung Prinz Xavers über die Schmidtschen Pfeiler war eine der letzten seiner Regentschaft überhaupt. Bereits 1766 war er mit dem Landtag in Differenzen geraten. Widerstand bei den Ministern hatte ihn veranlaßt, an Stelle der Ministerkonferenz die Kabinettsregierung einzuführen. [95] Leute, wie der Minister Graf Rex, die sich nicht so leicht vom Nimbus Exners blenden ließen, kamen nicht zur Geltung. Günstlinge, meist Ausländer, gewannen fast unbeschränkte Herrschaft. Stockungen im Handel, Unsicherheit im wirtschaftlichen Leben waren die Folge. Am 13. September 1768 legte er vorzeitig die Administration der Kur und die Vormundschaft für den noch nicht ganz 18 Jahr alten Kurfürsten Friedrich August III. nieder, der nun selbst die Regierung übernahm.

Xavers Eingreifen in die Geschicke der Kreuzkirche hat es verhindert, daß sie nach Schmidts Plan und des Rates Wunsch als zweckgemäßer und künstlerisch vollendeter Monumentalbau der prote­stantischen Kirche erstand. Durch sein Eintreten für Exner hatte sich Xaver zum Vertreter einer klassi­zistischen Architekturauffassung gemacht, für die Anständigkeit und Regelrichtigkeit an erster Stelle, Zweck­mäßigkeit an zweiter kam, die gerade darum für die Eigenart des protestantischen Kirchenbaues kein Verständnis haben konnte. Die gleichen Erwägungen, die vier Jahre vorher beim Beginn von Xavers Regierung zur Berufung von Krubsacius geführt hatten, waren auch zuletzt ausschlaggebend. Aus ästhetischen Gründen fiel Schmidts Außengestaltung der Kirche, und zwar endgültig; vorwiegend aus ästhetischen Gründen auch seine Innenanordnung. Daß die von Xaver bevorzugten Exnerschen Pläne und Pfeiler dem protestantischen Bauzweck Hohn sprachen, hat ihre Durchführung später doch noch verhindert.

Die Entscheidung unter Kurfürst Friedrich August.
Vorgänge.
1768,  27. August. Der Rat erhält die Entscheidung Xavers.
1. Oktober. Exner schickt den Polier in die Steinbrüche.
22. November.      Der Rat will die Arbeiter entlassen.
3. Dezember. Eingabe Schmidts an den Rat.
10. Dezember.      Der Rat entläßt die Arbeiter gegen Exners Willen.
1769,  16. Februar. Ratseingabe gegen Exners Projekt.
29. April. Ratseingabe: Eigenwillig soll als Maurermeister adhibiert werden.
2. Juni. Ferbers Bericht über die Vorgänge. Vorschlag, dem Rat den Bau frei zu überlassen.
3. Juni. Kurfürst Friedrich August fordert ein Gutachten Exners.
15. Juni. Exner übergibt seine Randbemerkungen zur Schmidtschen Schrift vom 3. Dezember 1768.
30. Juni. Bericht Ferbers und Vorschlag, Schmidts Inneres mit gebrochenem Dach zu approbieren. Exner und Schmidt sollen gehen.
1. Juli. Friedrich August resolviert demgemäß.
25. Juli. Schmidt wird die Verordnung vom Rat publiziert.

Der Rat war durch die endgültige Entscheidung Xavers an der Eingabe einer zweiten Be­schwerde gegen Exner, besonders dessen Abbrechen von bestehendem Mauerwerk gehindert worden. Die Wegreißung der Pfeiler unterblieb zunächst. Exner hatte seit April schon den Turmbau zu fördern gesucht, ohne die gewünschte Unterstützung beim Rat allenthalben zu finden. Im Oktober schickte er den Polier in die Steinbrüche, bis auf 3000 Quader zu bestellen. Die Bergschreiber wurden zu eiliger Lieferung angetrieben. Ende November beschloß der Rat, des kommenden Winters wegen die Maurer zu entlassen. Exner wollte sie zum Steinspitzen weiter verwenden, damit der Senat die seitherigen guten Leute behalte, vor allem wohl, um fürs kommende Jahr vorzubereiten, auch im Interesse seiner Werkmeister. Der Rat erlaubte ihm nur noch die letzte Schicht vom Turmfundament fertig zu stellen. Dann entließ er einstimmig die Bauleute. Das einmütige Auftreten gegen Exner ließ vermuten, daß der Rat vom Regierungswechsel auch eine günstige Wendung beim Kirchenbau erhoffe.

Gleichzeitig etwa reichte Schmidt eine Schrift gegen Exners Pläne und Vorgehen ein. Zunächst wandte er sich dagegen, daß Exner vier Mauern aus guten alten Steinen und von 15 Ellen Länge, 11 Ellen Grundtiefe herausgebrochen und mit eisernen Keilen von der Stirnmauer abgespellt habe (gemeint sind die Langwände der Haupttreppenhäuser). „Wieviel große Türme und Kirchen werden nicht an anderen Orten gebaut, wo dergleichen gute Steine wie die von der alten Kreuzkirche nicht zu haben sind.“ Weiter sei das Fundament für den Turm zu tief und überflüssig breit. „Der überlei in der Erde liegende Grund wird endlich von der oberen Last, soweit solche auf den Grund zu stehen kommt, abgespellt durch den Druck.“ Weiter habe Exner hierzu gespitzte Quader verwendet. Gegen [96] Exners Pfeilerstärke heißt es: „Betrachte ich andere Kirchen, so jemals gebaut, so finde dergleichen außerordentlich große Pfeiler in Proportion gar nicht.“ Zum Beweis habe er die Kirche in Versailles im gleichen Maßstab wie die Krenzkirche gezeichnet. „Diese hat der berühmte Mansart gebaut, wovon ich etwas zu meiner Intension der Kreuzkirche (und nicht, wie vorgegeben wird, von der kurfürstlichen Hofkapelle) genommen. Obgleich diese Kirche nicht so groß wie die Kreuzkirche, so kann man darin die Proportion abnehmen.“ Weiter gibt er folgende Querschnittsgrößen der Pfeiler an:

Exnersche Kreuzkirche       43 Quadratellen,            Hofkapelle       19 Quadratellen,
Schmidtsche -       16 1/2 Quad-atellen,            Neustädter Kirche       3 Quad-atellen,
Frauenkirche       14 Quad-atellen,            Alte Kreuzkirche       3 Quad-atellen.

Drei Pfeiler der Frauenkirche seien noch nicht so stark als ein Exnerscher und ein solcher sei um die Hälfte stärker als alle 10 Pfeiler der alten Kreuzkirche zusammengenommen. „Die Exnerschen Pfeiler nehmen den Zuhörern die Aussicht auf Kanzel und Altar, das Gehör des Predigers und das Licht.“ „Exners große Kirche kann kaum so viel Personen fassen, als eine um die Hälfte kleinere Kirche.“ Sie enthalte über 1000 Sitze weniger als die Schmidtsche und dabei könne man von über 1000 Sitzen aus weder sehen noch hören. Durch detaillierte Zahlenvergleiche und beigegebene Grundrisse mit Angabe der schlechten Plätze begründete Schmidt seine Vorwürfe. „Ist es möglich gewesen, in die neue Annenkirche als eine weit um die Hälfte kleinere Kirche 1683 Sitze ohne Anhängebänkchen und Betstuben anzulegen, so ist es auch möglich in diese große Kirche viel mehr Sitze und Betstuben einzubringen.“ Gegen die Zusammenrückung der Orgelpfeiler, die im Grundriß eine elliptische statt der Halbkreisform des Saalabschlusses zur Folge hat, heißt es: „Der gedrückte Zirkel gibt ein schlechtes Ansehen. Auch ist es wider die Regel der Baukunst, etwas Irreguläres ohne Not zu bauen.“ Schließ­lich sollten die Säulen der Exnerschen Attique nicht in die Wage der Umfassungsoberkante ansetzen, sondern (der Überschneidung wegen) höher, wie bei der Hofkirche.

Fast ein Vierteljahr verging, ehe Schmidts Eingabe vom Rat mit Bericht dem Instanzenzug übergeben wurde. Im April 1769 erfolgte ein weiteres Ratsschreiben, in dem die Zurückziehung der Hofgewerken dringend erbeten wurde, zumal es schon zu Tätlichkeiten zwischen einem Hofpolier und einem Bürger gekommen sei. Auch wolle der Rat seinem Baumeister Schmidt, weil er ein Zimmer­meister sei, den Ratskondukteur und Maurermeister Eigenwillig zur Hilfe und Mitwirkung bei der Direktion beigeben.

Ferber erstattete seinem jungen Fürsten eingehenden Bericht mit einer Vorgeschichte des bis­herigen Ganges der Streitfrage. Schmidt habe viel in den alten Turm verbaut, der trotz (angeblicher), wenige Tage vorher gegebener gegenteiliger Versicherung Schmidts doch eingefallen sei. Schmidts Risse seien von der Oberbaukommission mehrfach als erheblich fehlerhaft erkannt, auch seine Pfeiler als zu schwach befunden worden. Der Rat habe sein Werk schlecht überdacht, sonst hätte er nur ein kleines simples Gebäude errichtet. Da er aber die Schönheit desselben angestrebt habe, sei es wider­sinnig, Exners Projekt, das nur 9000 Taler mehr koste als zu kostbar hinzustellen. Durch das Ein­greifen der Regierung sei das Jus patronatus nicht verletzt. Daß die Risse zur Approbation eingereicht wurden, zeige, daß dieselben auch gemißbilligt werden könnten. Die kirchliche Oberaufsicht sei ohne Effekt, wenn sie nicht das Recht involviere, die Art, wie ein Kirchenbau zu führen ist, bei befundener Notdurft vorzuschreiben. Trotzdem sei ratsam, Nachsicht eintreten zu lassen und auf dem Recht nicht zu bestehen. Weitläufigkeiten würden die Folge sein. Das Publikum werde nicht dem Rat, sondern der Regierung die Schuld zuschreiben. Das Staatsinteresse sei nicht in Frage hierbei, es sei daher nicht der Mühe wert, das schlecht informierte Publikum irre werden zu lassen.[126] Der Kurfürst möge weder auf Genehmigung noch Verwerfung der Schmidtschen Risse eingehen, was weitere Untersuchung erfordere, sondern dem Rate aus Gnaden erlauben, den Bau nach seinem Gefallen zu bauen und ihm die Schmidtschen Risse ausfertigen. „Hierdurch würde Eure Kgl. Hoheit von allen weiteren Behelli­gungen in dieser aus mancherlei Rücksichten so verdrießlichen als an sich unwichtigen Sache überhoben werden können.“

[97] Kurfürst Friedrich August schloß sich diesem Ferberschen Vorschlag nicht an. Die Sache solle vielmehr verhandelt werden und zunächst Exner sich gutachtlich zu Schmidts Eingabe äußern.

Exner tat dies wieder in Form von Randbemerkungen, „die ein jeder in der Baukunst Erfahrener als Gegengründe einsehen wird“. Bezüglich des Turmfundamentes schrieb er: „Schmidt hätte sich schämen sollen, dieses zu sagen, je breiter der Fuß einer Mauer, desto sichrer steht sie“. Die weggerissenen Mauern „waren aus alten mürben Steinen und vor dem Turmeinsturz aufgeführt und durch den vom Baumeister Schmidt verursachten Einsturz desselben, weil er ihm zu nahe gegraben, zerschmettert worden“. Beim Turmgrund sei das Geld keineswegs so ohne Nutzen, wie das in den alten Turm verbaute. Man habe keine gespitzten Quader vermauert, sondern nur die Buckel ab­geschlagen.[127] Im übrigen „ist es ganz natürlich, daß der Ratsbaumeister als ein Zimmermeister nicht abzusehen vermocht, wie Gründe von steinernen Kirchen angelegt werden müssen“. Betreffs der Pfeiler heißt es: „Die Versailler Kirche ist bloß halb so weit. Kenntnis der Kraft und Last ist weit sichrer als unrecht angebrachte Beispiele, die aus Kupferstichen hergenommen sind. Daß die Kirche noch licht genug, dafür hat Schmidt keine Sorge. Er darf nur die katholische Hofkirche, der es nicht an Licht fehlt, mit Verstand betrachten.“ Oberlicht sei entscheidend. Bei Schmidts Kanzelstellung hätte man den Prediger viel weniger hören, noch sehen können. „In allen Kirchen ist die dem Pfarrer entgegenstehende Seite die einzige, wo der größere Teil ihn sehen kann. Dahingegen auf der Kanzel­seite der wenigste Teil ihn sieht. Nach Schmidts Einrichtung würden beide Teile nicht viel von ihm haben sehen können.“ „Viele Sitze in einer Kirche anzubringen ist keine Kunst, allein eine Kirche auf eine anständige Art und dauerhaft bauen, dies will etwas mehr sagen und kann von dem Baumeister Schmidt auch gar nicht verlanget werden.“ Bezüglich des elliptischen Saalabschlusses heißt es: „Die Einsichten des Baumeisters sind nicht hinreichend genug gewesen, die Ursachen zu entdecken.“ „Übrigens ist zu verwundern, daß Sachen dem Schmidt zur Verteidigung vorgelegt und zugelassen worden, die vor der Oberbaukommission bereits hinlänglich untersucht und höchsten Ortes genehmigt worden, da er doch gewiesen, daß er nicht einmal imstande gewesen, die von gedachter Oberbaukommission beschehenen Desideria in seinen Rissen abzuändern.“

Ferber verhandelte auf Befehl des Kurfürsten noch mit Exner persönlich. Exner beklagte sich, „daß die Sache Schmidt nochmal vorgelegt worden und daß dieser hierbei diejenige Bescheidenheit gar nicht gebrauchet, welche ihm um so mehr geziemte, da der Rat ausdrücklich Befehl, ihn zur gebührenden Achtung anzuweisen gegen einen ihm vorgesetzten churfürstlichen Diener“. Weiter gab er auf Befragen an, daß bis zur Entschließung über die Pfeiler wohl noch etwas, aber nicht eben viel ge­schehen könne. (Der Kurfürst könnte hiernach an die Heranziehung auswärtiger Gutachten gedacht haben.)

Vor einem unbefangenen Sachverständigen würden Exners Anmerkungen ebensowenig wie seine früheren haben standhalten können. Sie fordern ebenso zur Kritik heraus, wie seine Pläne und sein Vorgehen. Im Grunde hatte er nichts zu seiner Rechtfertigung zu sagen und unternahm auch nicht den Versuch einer sachlichen und ehrlichen Widerlegung Schmidts, der streng sachlich und gründlich seine Einwände vorgebracht hatte. Zum Wegreißen der gering belasteten Mauern war Exner nicht berechtigt, da er etwaige Mängel derselben nach Xavers Verordnung vom 15. Mai 1767 hätte anzeigen müssen. Daß die Mauern mürbe und zerschmettert waren, ist nicht glaubhaft, da eiserne Keile zur Wegsprengung benutzt wurden. Der alte Turm konnte nicht auf sie stürzen, da sie damals noch nicht standen. Exner hatte sich vor den guten Steinen vom alten Turm gefürchtet! Weiter kann ein Fundament sehr wohl zu breit sein und dann infolge der Druckdifferenzen Risse bekommen. Vor allem ist ein zu breites Fundament der völlig zwecklosen Mehrkosten wegen widersinnig. Der Exnersche Plan des Turmfundamentes (Abbildung S. 125) ist nicht mit approbiert worden. Exner hatte hierin freie Hand. Ein in der Sammlung für Baukunst erhaltener Plan zeigt bereits ein größeres Fundament, das ausgeführte ist aber noch stärker. Allein seine Abschrägung erhielt 7 Ellen Ausladung. Dabei war schon die Grundfläche im ersten Plan fünfmal so groß als der Querschnitt des entsprechenden Mauerwerks im Erdgeschoß. Ebenso war das Spitzen der bossierten Quader zwecklos, da gerade im [98] Grunde die Beanspruchung des Steinmauerwerks gering ist und bis auf 2–5 kg / qcm sinken muß. Exners Verhalten beim Grundbau zeigte eine übertriebene Ängstlichkeit, Furcht vor Verantwortung, die zur Gewissenlosigkeit wurde, da sie auf Kosten der Kirchgemeinde ging. Und Exner, der selbst noch keinen Kirchenbau ausgeführt hatte, sprach Schmidt die Kenntnis in der Anlage ihrer Gründungen ab, einem Schmidt, der von Jugend auf an den Bährschen Kirchenbauten reiche Erfahrungen gesammelt, der zwei große Kirchen selbständig ausgeführt hatte, nicht als Zimmermeister, sondern als Baumeister. Ebenso unwahr, ja lügnerisch waren die übrigen, äußerst oberflächlichen Anmerkungen Exners, die nur dazu dienen konnten, das Vorurteil über Schmidts Persönlichkeit noch weiter herabzuziehen. „Wegen dargetaner Unerfahrenheit“, heißt es in späteren Kabinettsberichten, „mußte Schmidt die Bau­leitung genommen werden.“

Rein sachlich, ohne jede persönliche Spitze war Schmidts Eingabe. Die angebliche Unbescheidenheit Schmidts konnte nur darin bestehen, daß er immer wieder den Mut fand, aus seinem besseren Wissen und Gewissen heraus die gefährdeten Interessen des Kirchenbaues, der Kirchgemeinde und des Rates mannhaft und furchtlos zu vertreten wider einen persönlichen und unfähigen Gegner, der eigennützig seine Pläne hinter dem Staatsinteresse zu verstecken suchte, der gewissenlos die Spar­pfennige und Steuergroschen einer verarmten Kirchgemeinde zweckwidrig beim Bau vergeudete, der die sachliche Entgegnung als Insubordination eines Untergebenen brandmarkte und mit Intriguen bekämpfte. Und weiter wagte es Schmidt, seine gute Sache zu verteidigen vor einer schlecht beratenen, aber allmächtigen Regierung, die das Rechte nicht zu erkennen, das Lügengewebe nicht zu durchschauen vermochte und die zu befangen war, um zu merken, daß sie sich mit einer Partei im Streite identifizierte, auf deren Seite das Recht nicht lag, die sich aber Kraft ihrer Stellung im Staatsorganismus infallibel dünkte.

Ferber ging in seinem Vortrag auf die einzelnen Streitpunkte nicht ein. „Es dürfte Exner betreffs der Solidität um so mehr Glauben beizumessen sein, da die Oberbaukommission seiner Meinung längst beigetreten und deswegen das gebrochene Dach bei etwaiger Beibehaltung der Schmidtschen Pfeiler vorgeschlagen. Der Vorwurf der geringeren Sitze bliebe übrig. Er ist an sich nicht dergestalt erheblich, daß man das ganze Gebäude um deswillen verstellen sollte, dennoch vom Rat, welcher aus dem Verkauf viel Geld schlagen will, besonders urgiert.“ Bleiben Schmidts Pfeiler, so falle das Innere weit unansehnlicher aus, und werde auch das Äußere durch das dann nötige gebrochene Dach verunstaltet, aber mehr Stühle würden gewonnen. Das Geheime Konsil sei dem Wunsch des Rates, wenigstens diese Lösung ausführen zu dürfen, beigetreten und habe vorgeschlagen, gemäß der Bitte des Rates, Exner und die Hofgewerken zurückzuziehen und die Bauleitung Schmidt unter Zuziehung Eigenwilligs zu übertragen. Zur Entschließung des Kurfürsten schlug nun Ferber vor, der Rat solle seines ungebührlichen Benehmens, besonders der Verzögerung des Berichtes wegen ernst verwiesen werden. Erlaubnis, die Schmidtsche Haupteinrichtung und Turmpfeiler, soweit solche nicht im Detail einer Verbesserung fähig, solle erteilt werden, jedoch mit der ausdrücklichen Bedingung, ein hölzernes Dach aufzusetzen und den Turm als das übrige Äußere nach Exners Rissen auszuführen. Zur Vermeidung aller, obwohl ungegründeter Klage seien der Oberlandbaumeister und die Hofgewerken zu dispensieren, dahingegen auch der Ratsbaumeister Schmidt von aller Teilnehmung am Bau, es sei als Bau- oder Zimmermeister, völlig und bei sonst vom Rat zu erwartendem ernsten Einsehen ausgeschlossen sein. Hingegen sei das Werk allein dem Kondukteur Eigenwillig mit Zuziehung eines anderen Zimmermeisters anzuvertrauen. Damit Exner sich nicht unverschuldeter Weise zurückgesetzt sehe, sollen ihm 300 Taler als außerordentliche Zulage ohne Konsequenz für seine Nachfolger gereicht werden.

Der Kurfürst resolvierte demgemäß von seinem Sommerschloß Pillnitz aus eigenhändig. Nur solle der Oberlandbaumeister von Zeit zu Zeit nachsehen, was beim Bau geschehe und ob selber vorschriftsgemäß geführt werde.

Friedrich August III. wird geschildert[128] als „gewissenhaft, streng rechtlich, sparsam, dabei eifer­süchtig auf seine fürstliche Würde, so daß er weder seiner ehrgeizigen Mutter Maria Antonia, noch [99] seinem Erzieher, dem Grafen Markolini, Einfluß verstattete“. Auch beim Kreuzkirchenbau folgte er nicht kritiklos den Ferberschen Vorschlägen. Er scheute Weitläufigkeiten und Mißgunst des Publikums ebensowenig, wie er dem Rat gegenüber durch Freigabe des Baues Rechte aufgeben wollte. In Xavers Festhalten an einem kostspieligeren aber „schönerem“ Projekt offenbarte sich etwas vom Kunst- und Ruhmsinn seines Großvaters, August des Starken. Für dessen Urenkel stand die Sparsamkeit höher, so stieß er Xavers Beschluß um, so führte er auch sein Land in eine Periode ruhigen Gedeihens. Die Entscheidung war für den Rat erträglich, wohl die günstigste, die er erwarten konnte, und dabei relativ gerecht. Exner ging. Schmidts innere Raumkomposition war gerettet. Während Exners Auftrag zur Obsicht nun endlich auf das gebührende Maß zurückgeführt wurde, mußte Schmidt, obwohl schuldlos, als Opfer vom Bau scheiden.

Ferber gab den Beschluß weiter in Verordnungen ans Geheime Konsil und an den Gouverneur. Johann Georg, Chevalier de Saxe, der als Gouverneur schon unter die älteren Pläne Schmidts seine Vidi gesetzt hatte, erfuhr jetzt, man habe Nachsicht in der Sache walten lassen und die Dispositionen Prinz Xavers geändert, damit der Bau endlich einmal zum ordentlichen Umtriebe komme und dem Rat die Mittel bei dem bereits anfänglich schlecht überdachten Bau nicht noch mehr gekürzt würden. Nach diesem letzten Schriftstück begann für das Kabinett in Sachen des Kreuzkirchenbaues eine lange ungestörte Ruhepause, die kaum unterbrochen wurde durch die pünktlich Monat um Monat ein­treffenden Rapporte Exners über die Zahl der Arbeitsleute und die vermauerten Steine am Bau. Sechs Jahrgänge solcher harmloser Berichte schließen das wichtige Aktenstück, in dem das Ringen um das Schicksal des Kreuzkirchenbaues niedergelegt ist.

Vor versammeltem Rat unter Bormann als consul regens wurde am 25. Juli 1769 dem Ratsbaumeister Johann Georg Schmidt die Verordnung publiziert und ihm bedeutet, beim Fortbau der Kreuzkirche weder als Bau- noch als Zimmermeister zu konkurrieren. Actum in consensu senatus.


4. Die Bauverhandlungen nach Schmidts Tod.
Vorgänge.
1769,  27. Juli. Eigenwillig wird vom Rat mit der Weiterführung des Baues beauftragt.
1775,    März. Der Rat kommt um Approbierung einer Attique nach Eigenwilligs Plan ein.
1776,  April. Der Rat reicht auf Verlangen des Konsils Gutachten von Exner ein und bittet um ein solches der Oberbaukommission.
August. Das Geheime Konsil tritt dem Rat bei.
1777,  Februar. Ferber erstattet Vortrag hierüber. Der Kurfürst will zunächst das Modell sehen.
August. Die Oberbaukommission erhält Auftrag zur Prüfung der Dachfrage.
Dezember.      Sitzung der Oberbaukommission. Vorschläge zur Besserung des Exnerschen Daches.
1778,  Februar. Sitzung der Oberbaukommission. Hölzers verändertes Mansardendach wird angenommen, Eigenwilligs Attique abgelehnt.
März. Der Rat bittet um Genehmigung eines flachen Daches.
Mai. Die Oberbaukommission soll anderweit begutachten, zugleich über die äußeren und inneren Verzierungen.
Juni. Sitzung der Oberbaukommission. Das flache Dach und die Erweiterung der ovalen Lukarne zu Mezzanin-Fenstern wird empfohlen.
Juli. Der Kurfürst tritt diesem Gutachten bei.
1779,  Mai. Sitzung der Oberbaukommission. Hölzers Turm findet Beifall.
1781,  1. Juni. Die Oberbaukommission überschickt die Pläne zum Dach, Turm und Innern.
24. Juni. Vortrag des Kabinettsekretärs F. A. Schmidt.
30. Juni. Der Kurfürst genehmigt Dach und Turm, lehnt aber die Innenrisse ab.
1783,  August. Die Kommission überschickt veränderte Pläne fürs Innere.
September.      Der Kabinettsekretär schlägt größere Einfachheit vor.
15. November.      Die Kommission überschickt vereinfachte Varianten der Innendekoration.
Der Kabinettsekretär läßt von Hölzer brevi manu noch einen simpleren vorlegen.
30. November.      Vortrag Schmidts.
13. Dezember.      Der Kurfürst genehmigt die Innenpläne und verfügt die Auslieferung an den Rat.
[100]
Neue Leute, Eigenwillig und Hölzer.

Wenige Tage nach Schmidts Entlassung wurde Eigenwillig mit der Bauleitung betraut und ihm der bisherige Polier Schmidts, Georg Gottlob Tränkner, der von Anfang an am Kreuzkirchenbau tätig war, als Zimmermeister beigegeben. Als sich später wieder künstlerische Entwurfsarbeit nötig machte, wurde von der Oberbaukommission ein neuberufenes Mitglied, Hölzer, damit beauftragt.

Christian Heinrich Eigenwillig wurde 1732 in Dresden geboren, erhielt Privatunterricht in Mathematik und Freihandzeichnen, ging bei der Maurerinnung in die Lehre und studierte, nachdem er die Lehrzeit „ausgestanden“ hatte, die Baukunst unter dem damaligen Hofkondukteur Krubsacius in einem cursus architectonicus. Dann war er in Hannover und Braunschweig bei verschiedenen großen Bauten tätig. Zu Anfang des siebenjährigen Krieges reiste er mit Krubsacius nach Niedersachsen, hielt sich in Mecklenburg auf, in Güstrow und Malchin, erwarb dort das Maurermeisterrecht, wurde gräflich plessischer Baumeister in Ivenack und besorgte in den schwerinischen wie strelitzschen Ländern einige Gebäude und Gartenanlagen. Näheres über diese Tätigkeit ist nicht bekannt. Ende des Krieges wurde er vom Dresdner Rat dorther verschrieben und unter Schmidt als Ratskondukteur verwendet. 1767, als Exner die Direktion des Kirchenbaues übernahm, wurde er Meister der Maurer­innung. Als solcher war er seit April 1768 mit am Aufmauern der Exnerschen Turmfundamente und am Abbrechen Schmidtschen Mauerwerks beschäftigt. Die Bauleitung erhielt er 1769. Daneben war er als Baugewerke beim Aufmauern der Kirche tätig. Von besonderen Honorarforderungen hielt ihn die Hoffnung auf die Ratsmaurermeisterstelle ab, auf die ihm die Expektanz cum iure succedenti zuerkannt wurde. 1777 finden wir ihn als Ratsbau- und Maurermeister. Nach Schmidts Tod (1774) wird ihm diese Stelle übertragen worden sein. Er hat verschiedene städtische und private Bauten aufgeführt[129] und starb 1803 als Ältester der Maurerinnung.

Eigenwilligs Bedeutung erschöpfte sich fast ganz in seiner Tätigkeit als Bauführer und als Baugewerke. In künstlerischer Hinsicht ist er kaum der Erwähnung wert und seines Vorgängers im Amt nicht würdig. Stilistisch gehörte er zur Akademie. Auf Schmuckformen verzichtete er vollständig. Seine Bauten gehören zu denen, die „den Stempel bloßer Notbauten tragen“ (Schumann). Selbst sein bestes Werk, Neumarkt 1, ist im Vergleich mit dem Schmidtschen, An der Frauenkirche 5, ein schematisches, dem künstlerisches Leben nicht innewohnt. Von Exner wurde er mehrfach vorm Rat gerühmt als ein brauchbarer Mann, „von dessen Geschicklichkeit er bereits Proben vor sich habe, der auch senatui in der Folgezeit ersprießliche Dienste bei aufzuführenden öffentlichen Gebäuden leisten dürfte“. An der Rißtätigkeit für die Kirche hat Eigenwillig keinen Anteil gehabt. Nur von zwei Vorschlägen hören wir weiterhin, die ihn als einen aller künstlerischen Empfindung baren, im Hand­werklichen aufgehenden Maurermeister charakterisieren.

Gottlieb August Hölzer wurde 1744 in Dresden als Sohn eines königlichen Wagenmeisters geboren. Seine Ausbildung fand er zunächst auf der Kreuzschule. Dann studierte er Mathematik und Algebra beim späteren Direktor der Ingenieurakademie und Mitglied der Oberbaukommission Oberst­leutnant Forchheim, und nahm in der Zivilbaukunst Stunden bei Locke. Liebe und Eifer zum prak­tischen [101] Teile[130] der Baukunst trieb ihn „sogar“, wie der Chronist sagt, an, das Maurerhandwerk zünftig zu erlernen. Bei einem Flügelbau des Taschenbergpalais hat er unter Locke als Lehrling mit gemauert. Unter Lockes Leitung ist er jedenfalls auch an dessen Maßaufnahmen und Aufzeichnungen der Kreuzkirchenruine und des alten Turmes beteiligt gewesen. Daß er sich im Jahre 1793 die Fassade des alten Turmes von seinem alten Lehrmeister lieh, ist eine Bestätigung dieser Annahme. Nach Eröffnung der Akademie war Hölzer einer ihrer ersten Schüler. Er brachte eine gute Vorbildung mit und war schon 20 Jahre alt. In den Jahren 1766 und 1767 zeichnete Hölzer für Krubsacius an dessen Plänen für die Landhaus- und die Kreuzturmkonkurrenz. 1768 gewann er eine von Hagedorn gestellte Preisaufgabe der Akademie mit dem Thema, „eine für eine gewisse Anzahl Personen wohl und bequem eingerichtete im guten Geschmack angegebene und mit Turm versehene Landkirche[131] zu entwerfen“. Der Entwurf, der Hölzers Mitarbeit an den Turmplänen von Krubsacius erkennen läßt, ist später zu besprechen (vergl. S. 123). „Seine Pläne setzen ihn in solche Achtung, daß er bald darauf 1769 als Unterlehrer der Akademie“, also wohl als Assistent angestellt wurde. Im November 1770 übernahm er als Kondukteur den von Krubsacius entworfenen Land- und Steuerhausbau. (R. A., G. I. 28 und G. II. 29.) Im Jahre 1772 wurde nach seinen Plänen vom Grafen Ludwig Friedrich Vitzthum von Eckstädt der Park in Lichtewalde, eine der großartigsten Gartenanlagen der damaligen Dresdner Schule, angelegt. Für diesen Grafen, durch dessen Vermittelung Krubsacius den Landhausbau erhalten hatte, entwarf Hölzer bis zum März 1773 Pläne zu dem inzwischen abgebrochenen „Schönburgschen“ Palais, das jedoch erst nach 1778 zur Ausführung kam. Auch dürften einige Veränderungen am Schloß Lichtewalde, so ein kleiner Turm auf Hölzer zurückgehen. Beim Landhausbau hatte er „alle Anlagen und Berechnungen“ zu machen. Seine Stellung war ziemlich selbständig. Auch die Detaildurchbildung, so die reizvolle Gitterzeichnung (vergl. die betreffenden Akten im Hauptstaatsarchiv) mag von ihm stammen. 1775 wurde er zum wirklichen Mitglied der Akademie, nach Fertigstellung des Baues 1776 zum Hofbaumeister ernannt und bald darauf auch zum Professor und Nachfolger von Krubsacius, „dessen echter Geschmack und Gelehrsamkeit sich mit ihm fortpflanzte. Gerechten Beifall der wenigen Kenner haben seine Schüler geerntet.“ Von Hölzers „vielen hier errichteten Werken“ machte schon Kläbe 1796 außer den angeführten keines weiter namhaft. Hölzer scheint später ganz in seiner Lehrtätigkeit aufgegangen zu sein. Daneben fertigte er mehrfach Idealentwürfe für die Ausstellungen der Akademie. Seine früheren Arbeiten lassen erkennen, daß Hölzer ein Architekt von künstlerischer Eigenart und schöpferischer Phantasie war. In der Grundrißbildung entwickelte er eine hervorragende Begabung und zeigte ausgeprägten Sinn für malerische Raumwirkung und harmonische Massengruppierung. Das architektonische Liniengerüst der Fassaden im Preisentwurf entsprach ganz den französischen Lehren, d. h. einer etwas zaghaften Renaissancearchitektur, bei seinem Palais[132] schloß er sich enger an die von Longuelune ererbte Blenden- und Lisenenarchitektur seines Meisters an. In den Dekorationselementen war er selbständiger. Ausgehend von den antiken Motiven der Flechtbänder, Akanthusblätter, Ranken und Laubgewinde bevorzugte er Kränze und Girlanden. Auch zeigte er sich hierin nicht so abstinent, wie man nach den Theorien der Akademie erwarten sollte, offenbarte ein frisches eigenes Formenempfinden, das sich an die vorangehende Zeit kaum noch anlehnte, und liebte reichgegliederte Vasen und bewegten figürlichen Schmuck zur Belebung der Silhouette.[133] Unbefangen studierte er die Werke Bährs und Chiaveris, die den anderen „Kennern“ ein Greuel waren, auf ihre künstlerischen Werte hin und übernahm, was seiner Eigenart zusagte. Die Schule unter Locke, der die strengeren Formen des Bauamts mit den reizvollsten Rokokoornamenten zu verknüpfen wußte, mag in Hölzer das Verständnis für intime dekorative Wirkungen und malerische Effekte geweckt und ihn vor Einseitigkeit bewahrt haben, [102] nachdem ihm die Akademie mit ihrer Bücher- und Regelweisheit einen Hemmschuh für einen höheren Flug des Genies angelegt hatte.

Die endgültige Plangestaltung.

Unter Eigenwilligs Leitung wuchs das Kirchgebäude langsam, aber stetig, auch innen und außen gleichmäßig empor. Als die Aufsetzung des gebrochenen Daches näher rückte, lebte noch einmal der Wunsch nach Ausführung einer Attique auf.

Der Rat machte 1775 in diesem Sinne eine Eingabe, die auch der Superintendent Am Ende mit unterzeichnete. „Es wäre bei einem so wichtigen Kirchenbau das Augenmerk hauptsächlich darauf zu richten, daß das Gebäude nicht finster würde, sondern überall genugsames Licht haben möchte.“ Die Seitenfenster würden durch die Emporen verbaut, die in den ersten Rissen gezeichnete Attique sollte dagegen helfen. Das gebrochene Dach Exners erreiche dies nicht, da die Seitenwangen der Dachfenster das Licht nicht gerade herunter ins Schiff brächten. „Da es eine sehr traurige Sache sein würde, wenn nebst Kanzel und Altar die im Innern befindlichen Stände größtenteils unbrauchbar werden sollten“, wurde angefragt, ob nach einem Schnitt Eigenwilligs, dem zum Vergleich solche von Exners Attique und Mansarde beilagen, fortgebaut werden dürfe. Die neugeplante Attique sei an Last viel geringer als früher und die Pfeiler stark genug. Ein vom Steinmetzmeister Dobler gefertigtes Gipsmodell habe den Rat in seinen Ansichten bestärkt.

Exner, der auf Veranlassung des Konsils vom Rate befragt wurde, stellte in einem „allzusehr in der Generalität abgefaßten“ Gutachten nur seine beiden eigenen Schnitte in Vergleich. Eigenwilligs Attique verdiene wegen des innerlich schlechten Effektes auf alle Fälle keine Beachtung. Er ging auf sie überhaupt nicht näher ein.

Eigenwillig hatte in seinem Plan die innere Saalwand in geringerer Stärke als Attique hochgeführt und über sie in etwa 40 m Höhe eine wagerechte Decke mit einem schlichten flachen Dach gelegt. Auf Exners Tadel hin zeichnete er seinen Deckenabschluß jetzt muldenförmig und machte gegen Exners Mansarde noch den Einwurf der geringen Dauerhaftigkeit geltend.

Exner erstattete auf Verlangen des Rates ein spezielles Gutachten, nachdem im Modell beide Möglichkeiten dargestellt waren. Er trat wieder für seine Mansarde ein und schlug vor, zur Vermehrung des Lichtes die Emporen vor den Fenstern teilweise auszusparen (d. h. Lichtschächte anzuordnen).

Der Rat stellte es in einem zweiten Berichte der Regierung anheim, ob dies Gutachten hin­reichend sei. Exners Vorschlag zeige seine eigene Bedenklichkeit wegen des Lichtes und sei nicht aus­führbar, da die Sitze gebraucht würden und die Kommunikation auf den Emporen unmöglich würde. Er bat, von der Oberbaukommission ein Gutachten einzufordern, zumal Exner selbst ein solches „provo­ziert“ habe. Des Rats Gedanken seien nicht auf den früheren Vorschlag Schmidts gerichtet. Die Attique sei jetzt schwach und ohne Gewölbe. Die Pfeiler hätten sich nicht im geringsten gesetzt. Die Mehrkosten der Attique würden rund 12 000 Taler betragen.

Das Oberkonsistorium trat dem Ratsgesuch bei, um so mehr, als Gersdorf, der Vorsitzende der Oberbaukommission, dem Vizepräsidenten wiederholentlich versichert, daß Exner den Riß (zum Mansarddach) der Oberbaukommission gleich fertig vorgelegt habe. Das Geheime Konsil forderte noch von Exner einen Kostenanschlag. Dieser gab die Differenz auf rund 20 000 Taler an und erklärte, daß die Pfeiler durch Eigenwilligs Projekt immer noch zu sehr beschwert würden.

Der Kurfürst beauftragte, nachdem er sich erst selbst das Modell der Kirche hatte vorführen lassen, die Oberbaukommission mit der Weiterverhandlung. Gersdorf solle Krubsacius, Hölzer und andere Baukunstverständige nach seinem Ermessen adhibieren, auch die Ratsgewerken nach Befinden zitieren. Die jetzt verfügte Erweiterung der Oberbaukommission ging auf einen Vorschlag Ferbers zurück, ob etwa Krubsacius zuzuziehen sei, da sich außer Exner kein Zivilbaumeister dabei befinde.

Die Oberbaukommission stand wie in den früheren Jahren unter Karl August von Gersdorf. Doch war dieser vom Chef des Ingenieurkorps und der Ingenieurakademie aufgerückt zum General der Infanterie, Kabinettsminister und Staatssekretär in Militärsachen mit dem Titel Exzellenz. Außer ihm nahmen an den Sitzungen teil vier Ingenieuroffiziere, der Landbaumeister Knöbel und die beiden [103] Akademielehrer. Exner erschien nicht. Die Vorarbeiten und das Referat lag in den Händen Hölzers, der mit 33 Jahren das jüngste Mitglied war und äußerst umfangreiche zeichnerische Tätigkeit für den Kirchenbau in der Folge entwickelte. (Übersicht derselben: Hauptstaatsarchiv loc. 2258, vol. III, Bl. 84.)

Die erste Kommissionssitzung beschäftigte sich damit, durch Abänderungen am Exnerschen Plan dem Innern mehr Licht zuzuführen. Hölzer hatte „noch mehrere deutlichere Risse von den übrigen Teilen der Kirche zu verschiedenen Überlegungen“ angefertigt. Sein Vorschlag, das Profil des Holz­gewölbes elliptisch zu halten, das Mansardendach diesem eng anzupassen und dadurch niedriger und leichter zu gestalten, fand sofort Beifall, da dann die Seitenbacken und die innere Kappe der Dachfenster viel schmäler würden. „Alles Licht, was die Attique geben kann, wird erreicht, gleichzeitig die Decke hinlänglich erleuchtet.“ Weiter sollten noch die Dachfenster vergrößert und vor den Hauptfenstern Licht­schächte angeordnet werden. Diesen und noch einigen anderen kleineren Änderungen entsprechend fertigte Hölzer neue Pläne, nach denen ein großes Modell vom ganzen hölzernen Dach hergestellt wurde, und zwar so groß, daß man sich „hinein begeben“ konnte.

In einer zweiten Kommissionssitzung, in der auch Bormann, damals consul regens, Eigenwillig und zwei weitere Ratsmitglieder anwesend waren, führte die Besichtigung des Modells allgemein zu der Überzeugung, daß das Innere der Kirche nun genug Licht erhalte. Bei der Abstimmung erklärten sich sämtliche Mitglieder gegen eine Attique, weil sie die Pfeiler und ihre Gründung nicht für tragfähig genug hielten, da ihnen die Verbindung im Boden fehlte. Alte, nicht berechtigte Vorwürfe Exners, gegen die der Rat und Schmidt immer wieder angekämpft, brachten auch den letzten Versuch zur Rettung der Attique zu Fall. Eine Ironie des Schicksals war es, daß sich Krubsacius jetzt für das Mansarddach und gegen die Attique, freilich aus statischen Gründen, aussprach. Gerade er hatte den Kampf gegen die Schmidtschen Risse mit der angeschweiften Attique heraufbeschworen durch den Vorwurf, daß sie mansardenartig wirken würde, und hatte aus ästhetischen Gründen die jetzt verworfene senkrechte Attique zuerst vorgeschlagen und gezeichnet.

Der Rat wurde gegen diese gründlich erwogenen Pläne Hölzers, noch ehe sie zur Approbation vorgelegt wurden, in längerer Eingabe vorstellig. Von genügender Lichtbeschaffung durch die Hölzersche Anordnung war er überzeugt. Doch hegte er technische und pekuniäre Bedenken. Die Mansarde fordere viel Holz und Eisenwerk, auch große Massen Kupferblech. Infolge der vielen Kehle und Grate seien viel Reparaturen zu erwarten. Der schräge Dachstuhl könne leicht wandelbar werden und sei in­folge des geringen Raumes zwischen Wölbbogen und Dachneigung unzugänglich. Die Ausbesserung schadhafter Holzteile erfordere Aufbrechen der Decke und Rüstung im Äußern wie im Innern. Ein neuer Vorschlag des Rates beziehentlich Eigenwilligs begleitete diese bereits mündlich bei Besichtigung des Modells geäußerten Bedenken. Wenn nach den Änderungen der Kommission und unter Weglassung der vorderen drei Reihen der zweiten Empore die Hauptfenster und die ovalen Lukarnen über diesen das ganze Seitenlicht ungehindert ins Schiff strömen lassen könnten, halte man Mansarde wie Attique, kurz Oberlicht, nicht mehr für erforderlich. An Stelle des gebrochenen Mansarddaches solle daher ein flaches Walmdach treten, das sich auf die Mittelschiffmauern am Anfall der Seitenschiffdächer aufsetze. Ein solches sei von größerer Dauer, leichter zu reparieren und koste 20 000 Taler weniger. Überdies könne der Turm um ein ganzes Geschoß für 16 000 Taler niedriger gehalten werden. Bei Feuers­gefahr habe die jetzt mögliche Anordnung eines Bodenraumes bei geringerem Holzaufwand Vorzüge vor dem Mansarddach, auf dem sich nicht hantieren lasse. Den Pfeilern brauche der Schub des Mansarddaches nicht angesonnen zu werden. Die Kirche sei rascher fertig zu stellen, die Weglassung von einigen hundert Sitzen in der gegen die alte, gotische Anlage größeren Kirche unbedenklich, da doch die Stadt eine Verminderung der Bevölkerung gegen die Zeit vor dem Brand aufweise.

Die Oberbaukommission fand diesen letzten Vorschlag für den besten. Durch Erweiterung der ovalen Lukarnen, um 2 Ellen nach unten zu, in Mezzaninfenster könne der Lichteinfall noch vergrößert werden, ohne „der architektonischen Zierlichkeit“ zu schaden. Die Überlegung und Zeichnung der Turm­veränderung erfordere Zeit.

Der Kurfürst approbierte nach Ferbers Vortrag die in einer Tektur dargestellte Dachänderung sowie die Umgestaltung der Lukarnen, verwies den Rat wegen des Turmes und der inneren Verzierungen [104] auf seine spätere Entschließung und beauftragte die Oberbaukommission, die erforderlichen Pläne auszuarbeiten.

Seitenansicht der Kreuzkirche, nach der Originalzeichnung Hölzers. Maßstab 1 : 555.
Aus „Gurlitt, Kunstdenkmäler Dresdens“.

Drei Jahre später erst wurden die von Hölzer gefertigten zehn großen Zeichnungen vom Äußern und Innern der Kirche zur Approbation eingereicht, nachdem der Turmplan den vollen Beifall der Kommission gleich anfangs gefunden, die Innenpläne ihren Wünschen entsprechend etwas abgeändert waren.

Ferbers Nachfolger, der Kabinettssekretär S. A. Schmidt, erholte sich zunächst noch bei Hölzer Auskunft über die anderen Türme der Stadt. Er betonte in seinem Vortrag, daß der Schloßturm auch künftig der höchste bleibe. Exner habe nach von ihm selbst erforderter Versicherung an den Beratungen der Kommission teilgenommen und bei den Vorschlägen konkurriert. Über Dach und Turm könne Resolution erfolgen, falls die inneren Ver­zierungen nicht ganz zu genehmigen, „weil teils zu häufig, teils nicht allenthalben in genugsam ernsthaftem Geschmack, teils weil nicht überall schicklich angebracht, wohin u. a. die emblematischen Kornähren- und Weintraubenfestons in den Nischen des Altars und dergleichen Trophäen an den Seiten desselben zu rechnen, da jene ohnehin außerordentlich stark im Verhältnis gegen den Altar ausfallen“ würden.

Der Kurfürst genehmigte die Fassadenpläne sowie die mit übersandten Skizzen zu Altar- und Plafondgemälde vom Akademieprofessor Schenau. Wegen der inneren Verzierungen verlangte er anderweite Risse. In dem Begleitbericht von Schmidt heißt es, man wolle „die Verzierungen dergestalt eingerichtet wissen, daß selbige weniger überhäuft, in ernsthafterem, einförmigerem Geschmack, als hin und wieder wahrzunehmen, angebracht und alle der Erhabenheit des Gegenstandes nicht angemessenen emblematischen Zierate ver­mieden [105] werden“. Vielleicht hat Schmidt die Bedeutung der Embleme für Brot und Wein überhaupt nicht verstanden. Die Kommission hatte nach ihrem Berichte der Dekoration Hölzers „um so mehr Beifall gegeben, als die darin angebrachten Verzierungen auf das einfachste und geschmack­vollste eingerichtet“ waren.

Turmansicht von der Kreuzkirche, nach der Originalzeichnung Hölzers.
Maßstab 1 : 555. Aus „Gurlitt, Kunstdenkmäler Dresdens“.

Zwei Jahre später übersandte die Kommission verän­derte Innenrisse Hölzers als einen Vorschlag über „die im Geschmack so verschiedene An­gelegenheit“. Schmidt fand sie in seinem Vortrag „besser als die früheren und wohl den höchsten Absichten gemäß, obwohl freilich der Kränze und Blumengehänge viel angebracht sind“. Wohl auf Veranlassung des Kurfürsten erfolgte Auf­trag an die Kommission zu noch größerer Vereinfachung. In drei Varianten für den Schmuck der Gewölbekappen und einer „simplifizierten“ An­sicht der Betstübchen kam Hölzer dem Auftrag nach. Daß die Gehänge und Kränze zu überhäuft in die Augen fallen, heißt es im Bericht, liege an der Einteilung der Kirche. Weil in ihr kein eigent­liches Hauptmittel anzutreffen sei, so finde auch in den Ver­zierungen keine merkliche Ab­wechslung statt. Diese sollen in flacherhabener, weißangestrichener Stukkaturarbeit aus­geführt werden, da solche weniger vergänglich und nur wenig teurer als Malerei sei. Auch würde es für den Maler schwer sein, Licht und Schatten an den rechten Ort zu bringen. Das Predellarelief solle durch Marmorierung ersetzt werden. Gleichzeitig erklärte die Kom­mission auf Anfrage, daß die Vasen auf den Umfassungen der Kirche füglich nicht wegzulasten, höch­stens nach einem beigelegten Plan von 28 auf 20 Stück zu verringern seien. Jedem, der auch noch so wenig Kenntnis in der Baukunst besitze, würden die leeren Postamente als etwas Unvollkommenes in die Augen fallen. Die Kirche habe ohnedies keinen Überfluß an äußerer Dekoration.

[106] Dem Kabinettssekretär Schmidt schien des Kurfürsten „auf möglichste Vereinfachung der Ver­zierungen (welche in gutem Geschmack angebrachte ernsthafte Simplizität dann auch allerdings bei jedem großen Gebäude wohl die beste Wirkung hervorbringt) gerichtete Absicht“ noch nicht voll erfüllt. Er ließ brevi manu von Hölzer eine zweite Variante der Betstubenansicht fertigen, die außer Recht­eckfüllungen nur im Mittel jeder Arkade zwei gekreuzte Palmenzweige aufwies.

Der Kurfürst genehmigte indes doch die erste Variante und von der Gewölbedekoration die dritte Tektur mit der „äußersten Simplizität“. Damit erreichte die Tätigkeit der Oberbaukommission und Hölzers für die Plangestaltung der Kreuzkirche ihr Ende, ebenso die Verhandlungen hierüber zwischen Rat und Regierung, die rund 20 Jahre vorher begonnen hatten.

Wohl war diese letzte Periode der Baugeschichte, die der Ratsbaumeister Schmidt nicht mehr erlebte, eine friedlichere. Die Oberbaukommission zeigte sich dank ihrer veränderten Zusammensetzung ihrer Aufgabe bei redlichem Bemühen weit mehr gewachsen als früher. In Hölzer gewann eine hervor­ragende Künstlerpersönlichkeit Einfluß auf die Gestaltung der Kirche, für die er schon als Eleve und dann als Kondukteur gezeichnet, deren Fertigstellung nach eigenen Plänen er erleben durfte. Und doch ist auch in dieser letzten Periode die Schmidtsche Raumgestaltung durch das flache Dach Eigenwilligs endgültig verstümmelt worden. Die zunächst künstlerisch wertvolle Oberlichtanlage, die das Mansard­dach noch ermöglichte, fiel in der Hauptsache pekuniären Gesichtspunkten zum Opfer. Für Künstlerisches hatte der handwerkliche Nachfolger Schmidts kein Verständnis. Daß sein Plan wenigstens die prak­tischen Anforderungen erfülle und genügende Beleuchtung der Kirche sichere, wie auch die Oberbau­kommission glaubte, hat sich dann auch als irrig erwiesen. Mit dem Streit um den „guten Geschmack“ Schmidts begann der Kampf gegen seine Pläne. Bei allen Entscheidungen waren ästhetische Gesichts­punkte mit ausschlaggebend. Während aber früher Krubsacius und Exner als Vertreter des durch die Akademie sanktionierten guten und wahren Geschmackes dem noch barocken Schmidt gegenüber in ihren ästhetischen Anschauungen widerspruchslos als Autoritäten galten, mußten sie jetzt und mit ihnen Hölzer, der jüngere Vertreter der älteren Akademierichtung, erfahren, daß de gustibus non est disputantum, daß in Geschmacksfragen alle Autorität vergänglich ist. Aus der Kritik des Kabinettssekretärs konnten sie entnehmen, daß bereits eine neuere Richtung an die Tür pochte, die für sich auch das Privileg be­anspruchte, allein den echten und wahren Geschmack zu vertreten und den „schlechteren“ vorangegangenen Akademiegeschmack zu verdrängen.


5. Die Geldfrage und ihr Einfluß.
Die Baugeldbeschaffung.

Der eigentliche Ärar der Kirche, das geistliche Brückenamt (S. 5) kam infolge Geldmangel für den Kirchenbau nicht in Frage. Neue Einnahmequellen waren zu finden. Wo die Baugelder her­flossen, ist aus der Schlußabrechnung[134] zu ersehen.

Einnahmen:
55 000  Taler  aus der Sophienkirche (zinsfrei vorgeschossen),
38 606 Ta-er an freiwilligen Beiträgen und anderen Verehrungen, darunter 10 467 Taler aus der Ratskämmerei, 4189 Taler Dispensationsgelder,
31 345 Ta-er erhaltene Kollektengelder,
883 Ta-er so in den bei der Kirche gestandenen Almosenstöcken eingelegt befunden,
34 652 Ta-er an Überschußanteilen von den zum Bau der Kirche gnädigst verstattet erhaltenen Lotterien,

160 486  Taler  Seitenbetrag.

[107]

160 486  Taler  Übertrag.
237 481 Ta-er Ertrag der Abgaben,
1 187 Ta-er für verkaufte Späne ab 1. Mai 1784,
10 547 Ta-er für verkaufte und vermietete Betstübchen und Stuhlsitze,
5 571 Ta-er Baueinnahme insgemein (Altmaterial, Abfälle usw.),
1 000 Ta-er von Bormanns Erben als Transaktionsquantum (S. 109),

416 272  Taler  Summa der wirklichen Einnahmen,
46 795 Ta-er bar aufgenommene (aber zurückgezahlte) Kapitalien.

Ein erster Vorschuß aus dem Vermögen der Sophienkirche im August 1763 gestattete den Beginn der Bauarbeiten.

Zweimal, im Jahre 1764 und 1777, wurde eine Landeskollekte ausschließlich für die Kreuzkirche angeordnet. An der allgemeinen Kollekte am Friedensfest nahm sie mit 5500 Talern Anteil. Hierüber erhielt sie auf die Baudauer Quartalskollekten in Dresden bewilligt. Auch Beiträge aus fremden Orten[135] flossen ihr zu, freilich nur in bescheidener Höhe. Bei der Eintreibung und Abführung der gesammelten Gelder sollen Unregelmäßigkeiten unterlaufen sein.[136] Da die Kollekten nur 8 Prozent der Einnahmen betrugen, hätte ein etwa versickerter Teil die Fertigstellung der Kirche nicht wesentlich beschleunigen können. Etwas höher als der Kollekteneingang war der Ertrag der Kirchenbaulotterien[137] sowie die Einnahme aus freiwilligen Spenden. Der Kurfürst überwies die Ehedispensationsgebühren und die Sühnegelder für zudiktierte Freiheitsstrafen. Auf energisches Drücken der Regierung gewährte der Rat ein Patronatsgeschenk durch Übernahme von Bauschulden.

Über die Hälfte der Baukosten wurde durch städtische Anlagen[138], Einfuhrsteuern, aufgebracht. Als der Bau seit 1769 rasche Fortschritte machte, trat bald Geldklemme ein und nötigte 1770 und 1771 zur Erborgung von Kapitalien. Anfang 1772 wurden noch 25 000 Taler aus dem Sophienärar zinsfrei vorgeschossen. Die ungestörte Weiterführung des Baues forderte aber eine sichere und ständige Einnahme. Zur Abtragung der Kriegs- und Gewandhausbauschulden war[WS 4] der Stadt eine Einfuhrsteuer auf Getreide (1 Groschen auf 1 Scheffel) und Dorfbier (1 Taler 8 Groschen aufs Faß) gestattet worden. Der Rat kam 1772 darum ein, auch der Kreuzkirche Anteil an dieser Anlage gewähren zu dürfen. Der Kurfürst bewilligte das Gesuch in anderer Form. Er schoß 140 000 Taler[139] in Kassenbilletts vor [108] (90 000 Taler zur Schuldentilgung, 50 000 Taler für die Kreuzkirche). Bis zur Tilgung dieser Summe samt Zinsen und Zinseszinsen wurde die Anlage für die kurfürstliche Rentkammer weiter erhoben. Ende 1774 war von dem Bauvorschuß fast die Hälfte verbraucht. Der Rat kam notgedrungen um die Be­willigung einer besonderen Anlage für den Kirchenbau ein. Die Berechtigung, von den Gemeinde­gliedern das Geld zum Bau einzutreiben, sei durch die „Generalartikel“ gegeben (S. 5). Die Form der direkten Abgabe oder die Kontribution, etwa von den Hausbesitzern nach dem Grundstückswert, von den Mietern nach der Höhe ihres Zinses, sei bei den noch wenig günstigen wirtschaftlichen Ver­hältnissen unzweckmäßig, ganz abgesehen von der Weitläufigkeit des Verfahrens und der Uneinbringbarkeit vieler Reste. Eine „Anlage“ dagegen bilde eine sichere Einnahmequelle, drücke weniger, treffe alle, habe keine Reste zur Folge und hebe den Kredit der Baukasse, so daß durch Kapitalienaufnahme der Bau rascher zu Ende geführt werden könne. Die Anlage solle von Getreide (auch in Form von Mehl und Backwaren) und von trockenen Zugemüsen erhoben werden und 1 Groschen auf den Scheffel (105,14 Liter) betragen. Zwei volle Jahre dauerte die Verhandlung mit den Finanzbehörden. Die Generalhauptkasse, eine im jetzigen Finanzministerium aufgegangene Behörde, die „das Wohl des Nahrungsstandes wahrzunehmen verbunden“ war, wendete sich gegen eine Verteuerung der not­wendigsten Lebensbedürfnisse der armen Bevölkerung und schlug zur Besteuerung einige ad luxum gehörige Artikel vor, nämlich Wein, Dorfbier, böhmisches Brennholz und Hafer. Der Rat bat, auch diese Waren mit zu impostieren, damit die angeseheneren und wohlhabenden Leute, wie es auch durch eine Kontribution geschehe, stärker betroffen würden, hielt aber an der Anlage auf Getreide und trockenes Zugemüse fest. Sämtliche Instanzen traten bei, da die Not eine strenge Auswahl der Mittel nicht zulasse. Vom 1. September 1777 ab wurde die Anlage probeweise auf zwei Jahre gewährt.[140]

Diese Kreuzkirchenanlage hat reichlich 17 Jahre, bis Ende 1794, bestanden. Sie wurde anfangs auf je 2 Jahre gewährt, 1783 auf 6 Jahre, dann aber nur immer auf 1 Jahr.[141] Von 1778–85 gab die Anlage einen Jahresertrag von 11 770 Talern. Die 17–18 000 Bewohner der Altstadt hatten überdies noch die Kriegsschuldenanlage zu tragen (jährlich über 14 000 Taler, 7700 Taler auf Getreide, 6300 Taler auf fremdes Bier). Als im Jahre 1785 die früheren Staatsvorschüsse gedeckt waren, bat der Rat dringend, die Schuldenanlage möge für die Kreuzkirche weiter erhoben werden. Doch wurde nur die Abgabe auf Bier überwiesen. Der Jahresertrag der erweiterten Bauanlage ging von 1789 an wieder zurück. Mit jeder Neubewilligung wurden einzelne Waren von der Steuer befreit. Im letzten Jahre 1794[142] betrug sie noch etwa 5000 Taler. Der Friedrichstadt, die nicht zur Kreuzparochie gehörte, wurde 2/3 der am dortigen Schlag erhobenen Summe für Schulzwecke zurück­gewährt.

Die gesamten Baugelder sind fast allein von Altstädter Parochianen aufgebracht worden. 30 Jahre lang hat eine durch den Krieg schwer geschädigte Bevölkerung im Durchschnitte jährlich über 6 Taler (nach heutigem Wert über 60 ) auf den Kopf aufgebracht. Die Hoffnung auf auswärtige und landesherrliche Subsidia (S. 6) hatte sich nicht erfüllt. 1775 war der Rat um ein besonderes Gnadengeschenk des Landesherrn eingekommen. Die öfter wiederholte Bitte blieb unerfüllt. Zunächst war Ferber energisch gegen ein Geschenk, da das Geheime Konsil der Ratsbitte um so mehr beitrat, „weil viel Geld und Zeit zu ersparen gewesen wäre, wenn die ersten approbierten Risse zur Aus­führung gekommen und nicht nachmals Exner die völlige Aufsicht“ bekommen hätte usw. Ferber erließ [109] eine geharnischte Entgegnung und erklärte, ein Geschenk könne den Anschein erwecken, als sei durch Verordnungen die Sache erschwert worden und der Kurfürst zur Vergütung verbunden. Nach Ferbers Abgang stellte der Kurfürst 1783 ein Gnadengeschenk in Aussicht, aber erst wenn er „von der gewissen­haften und nutzbaren Verwendung der unter unserer Vergünstigung schon erhobenen beträchtlichen Summe überzeugt“ sei. Immer und immer wieder zog er die Gewährung hinaus. Erst lange nach Fertigstellung der Kirche hat er zugunsten der Kreuzschule einen Betrag aus der Staatskasse überweisen lassen. Fast scheint es, als ob er, der erste sächsische Fürst, dessen beide Eltern katholisch geboren waren, mit Absicht einen Zuschuß zum Bau der protestantischen Hauptkirche der Stadt vermied.[143]

Die Schwierigkeit der Geldbeschaffung läßt einen Einfluß auf die Bauverhandlungen und die Baugestaltung erwarten. Trotz der Notlage der Stadt begnügte sich der Rat nicht mit bloßer Er­neuerung der gotischen Reste. Die Kreuzkirche sollte hinter dem prächtigen Gebäude, das die propa­gierende katholische Konfession an markantester Stelle dem Stadtbild aufgenötigt hatte, zum mindesten nicht zurückstehen. Nur so ist auch die bedeutende Erweiterung des ersten Schmidtschen Planes (der bereits 500 Plätze mehr hatte als die alte Kirche) verständlich. Die Bevölkerungsziffer der Zeit vor 1760 war auf lange hinaus nicht zu erwarten. (Erst 1830 etwa ist sie wieder erreicht worden.) Aus dem Bedürfnis nach monumentaler Betätigung protestantischer Bekenntnistreue heraus begann der Rat als Vertreter der Kreuzparochie das „seine Kräfte weit übersteigende Werk“. In der Zeit der Kämpfe wirkte der Geldmangel weder auf die Entschlüsse des Rates noch auf die der Regierung ein. Ja Xaver schrieb 1768 bewußt einen teureren, aber „schöneren“ Plan vor. Gleichzeitig wurde dem Rat, um ihn gefügig zu machen, bedeutet, daß er bei der Geldbeschaffung auf das Wohlwollen der Regierung an­gewiesen sei (S. 93). Die höheren Kosten des Exnerschen Planes wurden 1769 für den Kurfürsten der Hauptgrund, ihn zurück zu nehmen, während der Rat vor allem die zu befürchtende Verstümmelung des protestantischen Kirchenbauzweckes betonte.

In der Periode der eigentlichen Bauausführung von 1769 an, rückte die Kostenfrage bestimmend in den Vordergrund. Gegen die Wiederaufnahme des Attiquegedankens wurde die Erhöhung der Kosten geltend gemacht, während der Rat ihrer ungeachtet die genügende Beleuchtung der Kirche er­strebte. Erst beim zweiten Vorschlag eines flachen Daches war für ihn die wesentliche Verbilligung des Baues ein Hauptargument. Schmidt hatte für sein Streben beim Rate auch Verständnis gefunden. Unter Eigenwilligs Bauleitung schwand der hohe Bausinn des Rates. Kleinliche Geldbedenken wurden immer maßgebender und führten ihn schließlich dazu, sich vom Kurfürsten die Erlaubnis zur Weglassung allen äußeren Zierats zu erbitten. Das Fortschreiten des Baues wurde gänzlich abhängig von den jeweilig vorhandenen Mitteln. Die kurzen Bewilligungsfristen der Anlage gestatteten nicht die beab­sichtigte Kapitalaufnahme. Die Folge war eine lange Bauzeit, der Rat mußte sich alle Ausgaben für den Bau erst bewilligen lassen und somit seine Selbständigkeit ziemlich aufgeben. So kümmerte sich die Regierung auch um die Führung der Baurechnungen seit 1760. Obgleich sie der Rat justifiziert hatte, wurden sie nochmals durch einen besonderen Rechnungsprüfer, Kalkulator Tiermann, durchgesehen, ob nichts „zu erinnern wäre“. Tatsächlich ergaben sich „Defekte“ und führten zu einer kurfürstlichen Resolu­tion (1783). Der Rat solle, da eine genaue und sorgfältige Verwaltung der mit vieler Beschwerde aufzubringenden Gelder von dem 86 jährigen Bürgermeister Bormann nicht zu erwarten sei, diesem ein Ratsmitglied zur Unterstützung beigeben. Haftbar bleibe der Rat trotzdem. An Bormanns Ehrlichkeit dürfen wir trotz der „Monita“ und trotz der Zurückweisung seiner Verantwortung nicht zweifeln, da auch der Rat seine Rechtfertigung für hinreichend hielt.[144] Freiwillig trat Bormann 1784 von seinen Ämtern zurück, nachdem er 49 Jahre Ratsmitglied, achtmal und gerade in entscheidenden Jahren der Baugeschichte consul regens gewesen und 21 Jahre die Baukasse ohne besondere Vergütung geführt [110] hatte. Mit ihm schied ein verdienter Förderer des Kirchenbaues, ein treuer und verständnisvoller Kampfgenosse Schmidts, wie dieser unter äußerem Druck und schwer gekränkt in seiner Ehre.

Bauausführung und Baukosten.

Die Bauausführung ging nur sehr langsam vor sich. Bei Schmidts Weggang war noch wenig zu sehen. Bis zur Grundsteinlegung waren die Ruinen der alten Kirche an der Süd- und Ostseite abgetragen. Als der Turm einstürzte, standen die neuen Sockel, nur an der Nordseite begann man erst mit den Fundamenten. Ende 1768 waren auch hier die Sockel fertig und der Turmgrund nach Exners Plan herausgemauert. In den ersten 10 Jahren unter Eigenwillig wurden die Umfassungen und das innere Mauerwerk Schicht um Schicht fertig gestellt und das Gerüst abgebrochen bis auf den Turm, der zunächst unter einem Schutzdach liegen blieb. 1780 begann die Aufstellung des Daches. Von 1781 an wuchs das Turmmauerwerk wieder weiter. An Luthers Geburtstag 1788 wurde der Knopf, am folgenden Tage das goldene Kreuz aufgesetzt. Die letzten Jahre galten dem Innenausbau. Nachdem aller Anstrich beendet, Orgel, Kanzel und Altarbild aufgestellt war, konnte am 22. November 1792 die Übergabe an die Kirchgemeinde erfolgen.[145]

Die Abrechnung und deren Prüfung schleppte sich noch lange hin. Erst 1801 erklärte das Oberkonsistorium, daß „die Verwendung der Kreuzkirchengelder als zweckmäßig zu erachten“ sei. Die gesamten Baukosten betrugen 415 527 Taler. Der Einnahmeüberschuß wurde auf den Bau der Diakonatsgebäude überschrieben. Der faktische Bauwert der fertigen Kirche war wesentlich niedriger. Verloren waren die Ausgaben für den alten Turm (mindestens 30 000 Taler, die Hälfte der bis 1766 verbauten Gelder), dann die durch Exner verschuldeten Mehrkosten für Abtragungen, Änderungen und für das übertrieben starke Turmfundament. Weiter hatte die lange Bauzeit Mehraufwand für Schutz­dächer, Wandelbarwerden der Gerüste und höhere Regiekosten zur Folge. 17 223 Taler betrugen die Zinsen der zeitweilig aufgenommenen Kapitalien. Mindestens 100 000 Taler, ein Viertel der Gesamt­summe, dürften nutzlos vergeudet worden sein. Die jährliche Bausumme[146] war bei 30 Baujahren durchschnittlich 13 850 Taler. Doch schwankte sie stark. Weit über dem Durchschnitt (bis zu 25 000 Taler) stand sie nur bis zum Abbruch des alten Turmes und in den ersten Jahren von Eigenwilligs Bauleitung. Während des Streites mit Exner blieb der Bau mehrfach ganz liegen, ebenso im Jahre 1777 bis zur Bewilligung der Anlage.

Der größte Ausgabeposten, fast ein Sechstel der Gesamtsumme, war der für Maurer-[147] und Handlangerlöhne. Sie betrugen mit 71 100 Talern rund das Doppelte der Zimmerlöhne, das Dreifache der Fuhrlöhne und noch ein Fünftel mehr als die Kosten für die umfangreiche Arbeit der Steinmetzen. Unter den Baustoffen belastete vor allem der Sandstein mit 57 000 Talern die Rechnung. Etwa halbsoviel wurde für Holz, ein Drittel für Kupfer, Messing und Blei, und knapp ein Fünftel für Kalk, Ziegel und Gips ausgegeben. Mit den eigentlichen Handwerksmeistern wurden keine Akkorde geschlossen. Deren Leute standen im Tagelohn. Sie selbst fanden ihr Verdienst aus dem „Zeuggroschen“, einem prozentualen Anteil am Lohn jedes Arbeiters als Entschädigung für Leihen des Werkzeuges und für die Regiekosten.[148]

[111] Sehr gering waren die Ausgaben für die baukünstlerische Arbeit und für die Bauleitung. Schmidt erhielt nach Genehmigung des zweiten Neubauprojektes 150 Taler für seine Risse, ebensoviel Krubsacius und Exner für ihre Turmentwürfe. An Hölzer, der viele und umfangreiche Zeichnungen geliefert hatte, wurden vom Kurfürsten 400 Taler aus der Baukasse bewilligt. Locke endlich erhielt auf ein Gesuch im Jahre 1785 für seine Pläne nach langem Handeln statt der geforderten 212 Taler nur 120 Taler bewilligt. Insgesamt sind rund 1000 Taler für Risse ausgegeben worden, ebensoviel etwa für die Bauleitung. Ein bestimmtes Salär für diese vielgestaltige und verantwortungsvolle Tätigkeit wurde weder mit Schmidt noch mit Eigenwillig vereinbart. Sie waren beide gleichzeitig auch Baugewerken und hatten als solche ihren Zeuggroschen. Die Einnahme hieraus betrug nach Eigenwilligs Angabe in den ersten 9 Jahren durchschnittlich 140 Taler. Mit Beginn des Turmbaues sank der Ertrag auf 90 Taler. Gleichzeitig stieg die Bauleitungsarbeit durch das Hinzutreten der ver­schiedenartigsten Handwerker und Kunstgewerbler, die besondere Ausarbeitungen, Anschläge, Detailpläne und Beaufsichtigung forderten. Von 1769–78 erhielt Eigenwillig im ganzen 350 Taler Gratifikation. Für die Folgezeit, in der ihm auch jede Privattätigkeit in der Stadt unmöglich war, wurden nach öfterem Petitionieren endlich 1786 aufs Vergangene 100 Taler jährlich bewilligt, von einer festen Besoldung aber abgesehen, um eine Verschleppung des Baues hintan zu halten. Zum Vergleich diene, daß die Regierung nach Bormanns Abgang für die bloße Rechnungsführung 150 bis 200 Taler für angemessen hielt.[149] Ebensoviel, einen doppelten Maurerlohn, sollten die 1767 von Exner geforderten Techniker erhalten, Exner selbst sogar 800 Taler neben seinem Gehalt von 1600 Talern. Für seine Monatsberichte erhielt er noch 300 Taler. Nach den heutigen Honorarnormen wären für einen Entwurf und seine Durchführung (ohne die Kosten für Reisen, Zeichnungsänderungen, Konkurrenzentwürfe u. s. f.) bei einem derartigen Bau etwa 4 Prozent der Gesamtsumme zu vergüten, also rund 16 600 Taler. Noch nicht der achte Teil davon ist damals gezahlt und die geistige Tätigkeit, besonders die der bauleitenden bürgerlichen Meister[150] außerordentlich niedrig bewertet worden.

Einen anderen Aufwand von Material und Kräften finden wir nicht mit rubriziert: die Kosten der Bauverhandlungen. Wieviel Tinte, wieviel Kanzleipapier, wieviel Kopistengebühren und Boten­löhne, wieviel Zeitaufwand, wieviel geistige und mechanische Arbeit der Behörden und der auftreten­den Einzelpersonen hat der Bau der Kreuzkirche damals gekostet! Allein fünf starke Bände Kabinetts­akten haben im Laufe von 40 Jahren den Fürsten selbst vorgelegen. Acht Bände, hauptsächlich über die Rechnungslegung, besitzt das Konsistorium. Das Ratsarchiv hat naturgemäß das umfangreichste Material. Dazu kommen die Akten des Geheimen Konsils und der Finanzbehörden, des Gouvernements und der Oberbaukommission. Wieviel war von den Architekten erstrebt und wie wenig erreicht worden!

[112]
III. Die Umgestaltung der Schmidtschen Pläne.
1. Die Vorbilder der Klassizisten.

Abgesehen von den rein stilistischen Differenzen waren es drei Punkte, in denen Schmidt und seine Gegner nicht übereinstimmten. Erstens verwarfen sie seine Anschweifung an die Attique, weiter war ihr Turmideal ein anderes, und schließlich wandten sie sich, wenigstens Exner, gegen Schmidts Gliederung des Innenraumes. Was sie erstrebten, war ähnlich, nur mit barocken Formen, in Dresden bereits verwirklicht in der Katholischen Hofkirche. Auf Exners Pläne war überdies von nachhaltigem Einfluß ein Kreuzkirchenentwurf Lockes.

Turmsilhouette der Katholischen Hofkirche.

Chiaveris Katholische Hofkirche (1738–54).

Für Chiaveri war Anlaß zur höchsten Steigerung seiner künstlerischen Kraft die eben vollendete Frauen­kirche. Bähr hatte die im katholischen Süden heimische Kuppel durch Aufnahme nordischer Konstruktions­elemente schlank und hoch, von zierlichen Ecktürmchen begleitet, aus dem Kirchgebäude heraus entwickelt und so der protestantischen Baugesinnung der Stadt eigen­artigen

Katholische Hofkirche. Grundrisse der Turmgeschosse
übereinander. Maßstab 1 : 500.
Nach Stöckhardts Aufnahmen.

Ausdruck verliehen. Chiaveri war klug genug, nicht mit einem Kuppelbau ein Übertrumpfen der Bährschen Kirche zu versuchen. Er lauschte den Kirchen des Mittelalters das Geheimnis ihrer Wirkung ab. So schuf er, der Italiener, den ersten deutschen Turm, der in Säulen aufwuchs, und stellte ihn vor eine Langhausanlage, die durch den Attiqueaufbau des Mittelschiffs kräftig betont wurde. Mit geschickter Be­nutzung des Schloßturmes als Pendant erzielte er eine machtvolle, fast symmetrische, große Kontur, die das Stadtbild beherrscht und neben der die Frauenkirche mit ihrer imposanten Silhouette klein erscheint. Die Turmverdoppelung paralysiert zugleich die Längenentwicklung, gegen die der eine Turm nicht aufkommen könnte, und mildert die uns fremdartige Loslösung des Turmes vom Schiffsaufbau. Die Attique bildete er in Anlehnung an die Mansardsche Schloßkirche in Versailles, aber ohne Strebe­konstruktion, mit senkrechten Wänden. Pilasterbündel bezeichnen die Knotenpunkte der in Kreuzgewölbe aufgelösten massiven Saalüberdeckung und erheben sich der Überschneidung halber bedeutend über der Oberkante der Hauptumfassungen. Der Mittelsaal wird von dem äußeren Kapellenkranz durch einen [113] Umgang von rund 3 m Breite getrennt. Mit den protestantischen Emporenräumen hat dieser gar nichts zu tun. Unten dient er nur als Gang, in der Etage aber enthält er die Oratorien und Balkons

Blick auf die Katholische Hofkirche von der Terrasse aus.

für den Hof, der hier, ohne ins Parterre steigen zu müssen, an allen Prozessionen teilnehmen und an allen Altären Andacht verrichten kann. Dieser für eine Hofkirche charakteristischen Zweigeschossigkeit entsprechend ist die Saalwand gegliedert durch eine doppelte Arkadenreihe. Die untere steht zwischen [114] hohen Postamenten, die obere zwischen Säulen, über deren Gebälk das Gewölbe sich aufsetzt. Wie in Versailles ist die Saalarchitektur für den Besucher der Hoflogen berechnet, dessen Auge sich rund 10 m über dem Parterre befindet.

Katholische Hofkirche. Ansicht nach Stöckhardts
Aufnahme. Maßstab 1 : 500.
Aus „Bauten von Dresden“.

Der Turm erhebt sich mit elliptischem Grund­riß über der Vorhalle und dem Haupteingang; vor die sich zurückschweifende schmale Stirnwand der Kirche tritt er zur Hälfte vor. Seitliche Anläufe, welche die Schweifung im Grundriß mitmachen, geben einen leichten Aufschwung, ziehen die Fassade als breiten Unterbau in die Turmwirkung mit ein und fördern den Eindruck des Herauswachsens aus der Baumasse. Die Selbständigkeit der Attique, auch ihre Höhe und Größe verschwindet in der Perspektive von der Brücke wie von der Terrasse her. Kirche und Turm erscheinen als einheitliches Ganzes. Die Balustraden beider laufen völlig zusammen. Diese beabsichtigte Wirkung wird noch erhöht durch die Betonung des Mauerkerns am Turm. Seine oberen beiden korinthischen Geschosse sind ganz in Säulen und Pilaster aufgelöst, außerordentlich leicht und luftig. Ein eingeschobenes hohes Postament steigert durch ruhige Fläche die graziöse Leichtigkeit der Säulenetagen, vermittelt durch eine starke seitliche Verjüngung den Übergang vom elliptischen zum kreisförmigen Grundriß und ordnet sich durch Verkröpfungen mit Figuren, durch seitliche Balustraden und eine mittlere Gesimswellung in den belebten Rhythmus wirkungsvoll ein. Über bewegter Sockel­gliederung ist die Turmspitze als schlanke Zwiebel aus Sandsteinrippen mit getriebenen Kupferfüllungen gebildet. Wie ein Blick auf den Schloßturm lehrt, bildet dessen Massenteilung und Silhouette den Grundton für die reicheren Akkorde der Chiaverischen Turmphantasie. Das Bildungsprinzip des Turmes ist folgendes. Freistehende Säulen mit Pilasterrücklage und Gebälkkropf stehen in der radialen An­sicht Schaft auf Schaft, nur in jeder Etage weiter nach innen geschoben. Die vier obersten Säulen bilden ein kreisförmiges Geschoß, die elliptischen Geschosse darunter wirken durch Kleinerwerden der Säulenachsenabstände nach der Seite gedrungener und dadurch mächtiger. Die Breitenzunahme des Turmes nach unten verleiht ihm Bodenständigkeit. Obwohl die hintere Turmhälfte teilweise im Ge­bäude steckt oder durch die Anschwünge verdeckt wird, ist doch das Relief der unteren Geschosse, selbst schräg von vorn, dem der oberen fast konform infolge der geschickten Verdoppelung der äußeren Säulen und des schrägen Zusammenstoßens ihrer Gebälke. Das kräftige Vortreten der Vertikalen läßt den Turm schlank aufstreben. Durch das geschoßweise Zurücktreten, das Abnehmen der Geschoßhöhen, das Verklingen [115] in Figuren über dem zweiten und dritten, in hohe Vasen mit schlanken Postamenten über dem obersten Geschoß ist jede Herbe und Strenge im Aufsteigen vermieden. Gerade Linien treten am Turme fast gar nicht auf. Die Horizontalen, die sich alle als Kurven dem elliptischen Grundriß anschließen, sind durch unterbrechende Verkröpfungen ins Vertikalsystem eingebunden. Die Beziehung zwischen Last und Stütze, der eigentliche Stockwerksbau, tritt ganz zurück in der Gesamtwirkung zugunsten einer Gliederung, die an stalagmitenartiges Aufstreben erinnert. Neben sicherer Beherrschung der Gesetze künstlerischer Wirkung und eingehendem Modellstudium war eine ungeheure Denkarbeit nötig zur logisch konsequenten Durchführung des komplizierten und doch klar disponierten Aufbausystems, zur Verwirklichung des in reicher Künstlerphantasie konzipierten Werkes, beim Turm wie beim gesamten Bau. Aber beim Anblick der mächtigen und prächtigen Barockkirche mit ihrem leichten, eleganten und graziösen Turm wird nichts von diesem scharfen Denken fühlbar, ein untrügliches Zeichen hohen künst­lerischen Wertes.

Vorbilder für seinen Turm fand Chiaveri nur in sehr bescheidener Form vor. Die Verknüpfung eines Langhauses mit dem Kuppelbau hatte zur Entwicklung turmartiger Aufsätze auf den Ecken der Stirnfassade geführt. Die Baugeschichte von St. Peter in Rom ist hierfür lehrreich. Michelangelo setzte nur kleine Flachkuppeln auf die Ecken des Zentralbaues. Maderna stellte seitliche Türme an die Front seines Langhauses. Obwohl im Grundriß selbständig, verwuchsen sie doch derart mit der ganzen Fassade, daß sie nur als niedrige Aufsätze derselben erscheinen mußten. Erst in Berninis Entwurf (1638) gewannen sie durch größere Höhe (55 m über der Fassade, 100 m insgesamt) und luftigere Ausbildung turmartigen Charakter. Mannigfach ist das Motiv der Kuppel mit Fassadentürmen ab­gewandelt worden. Am wirkungsvollsten bei St. Agnese in Rom (1690). Hier gewannen die „geradezu genial entworfenen Türme“ (Gurlitt) die größte Selbständigkeit durch Vorziehung vor die Fassade bei Anordnung der Kuppel über dem Haupteingang. Chiaveri hat diesen Bau, den C. Rainaldi entwarf, eingehend studiert. Die beiden unteren Geschosse sind rechteckig. Nur der Kern tritt zwischen den flankierenden Pilastern bogenförmig vor. Das dritte Geschoß ist kreisrund. Seine Säulen stehen noch Schaft auf Schaft über den Pilastern, aber sie sind anders orientiert. Der Gebälkkropf der beiden Ecksäulen ist gemeinsam und paßt sich der Rundung an. Die Wirkung beruht auf der Betonung der Diagonalen. Ein neues Motiv war damit gefunden. Vielleicht stammt es erst von Baratta, der die Türme vollendete. Chiaveri bildete in seiner Art das Motiv selbständig fort und überholte bedeutend sein Vorbild. Einen bemerkenswerten älteren Säulenturm besitzt die Kirche St. Mary le Strand[151] in London (1717) von dem Schotten James Gibbs, der in Turin ausgebildet war. Die quadratische Spitze des Turmes ist aus dem rechtwinkeligen Grundriß der vier Säulengeschosse entwickelt. Jede Seite wird von freistehenden Einzelsäulen flankiert. Diese stehen in den geometrischen Fassaden nicht mehr Schaft auf Schaft, wohl aber in radialer Richtung gesehen, denn sie rücken gleichzeitig nach dem Zentrum und nach der Fassadenmitte zusammen, also auf Ellipsenradien. Das eigenartige Bildungs­prinzip würde noch deutlicher sein, wenn die beiden oberen Geschosse nicht Pilaster beziehentlich Doppelpilaster an der Stirnseite zeigten. Da Gibbs seine Arbeiten veröffentlichte, könnte Chiaveri den Turm gekannt haben.

Ein Einfluß des Hofkirchenturms ist außerhalb Dresdens wohl kaum nachweisbar. In Dresden stellte der Bau der Kreuzkirche ein ähnliches Problem. Schon Schmidt, der sicher mit Absicht jede Anlehnung vermied, hat starke Anregung empfangen, die er aber selbständig zu verarbeiten wußte.

Lockes Kreuzkirchenprojekt (1762).

Der Generalaccisbaudirektor Samuel Locke hatte im Juli 1761 gemeinsam mit Schmidt die Kirchenruine begutachtet. In einer Eingabe von 1785[152] schreibt Locke, daß er von Bormann mit der Fertigung von Kirchenrissen beauftragt worden sei, daß er „mit Beihülfe der nötigen Personen“ die Ruinen der Kirche aufgemessen und am 16. Oktober 1762 10 Pläne „in einem Karton mit blauseidenen [116]

Lockes Kreuzkirchenproiekt.
Grundrisse der Turmgeschosse übereinander.
Maßstab 1 : 500.
Original in der Sammlung für Baukunst.

Lockes Kreuzkirchenprojekt.
Querschnitt. Maßstab 1 : 500.
Original in der Sammlung für Baukunst.

Lockes Kreuzkirchenprojekt.
Maßstab 1 : 1000.
Original in der Sammlung für Baukunst.

Lossow & Viehwegers Vorschlag 1897.
Maßstab 1 : 1000.
Original im Pfarrarchiv.

[117] Bändern“ an Bormann abgegeben habe, und zwar 3 Grundrisse, 2 Fassaden, 1 Längsschnitt, 2 Quer­schnitte, ferner 1 Lageplan (vergl. Abb. S. 7), 1 „Zeichnung in größerem Maßstab vom alten Turm vorm Bombardement“ (jetzt im Ratsarchiv) und 1 Erläuterungsschrift. Zum Beweis legte er seine Bleistiftkopien bei und bat um ein Honorar. Lockes Angaben wurden von Bormann bestätigt. Zur Approbation waren die Risse nicht eingereicht worden, darum fehlte in den Akten jede Notiz, auch waren sie 1785 nicht mehr in Ratsbesitz. Erhalten sind sie uns aber, die Originale in der Kupfer­stichsammlung F. A. II.[153], die sauberen Bleikopien in der Sammlung für Baukunst.

Lockes Plan setzt im Gegensatz zum Schmidtschen die Abtragung des alten Turmes voraus. Er hält fest an den Umfassungen der alten Halle, die er durch je 7 Längsarkaden dreischiffig gliedert. Das Mittelschiff erhebt sich über die seitlichen um eine niedrige, lichtspendende, in Blenden gegliederte Attique. Übereck sind Treppentürmchen angelegt, die einen schlanken Hauptturm, an der Ostseite einen tiefen Chor flankieren, in dem der Nossenische Altar der alten Kirche wieder verwendet ist. Ein an­schließender zweigeschossiger Rundbau in der Achse dient unten als Sakristei. Darüber ist eine Art Taufkapelle mit durchbrochener Innenkuppel. Altarraum und Kuppelbau entsprechen der Chorgrund­fläche der alten Kirche. Kleine Seitenräumchen füllen die Zwickel aus. Eine römische Ordnung umzieht die Bauteile, die alle ihre eigene Dachausbildung haben. Besonders reizvoll ist der rein dekorative Aufbau der Treppenhäuser. Eine harmonische Zusammenwirkung der einzelnen Teile, ein Zusammen­schluß unter eine künstlerische Idee, wie bei der Frauen- und Hofkirche, fehlt gänzlich. Die dekorative Ausstattung führt uns in die letzte Zeit des Dresdner Rokoko Knöffelscher Schule. Säulen und Pilaster treten wieder stärker hervor. Im Innern zieht sich nur das Kranzgesims als Gurt um die drei Saal­wände. Die anderen Glieder des Gebälkes bilden Kröpfe über den Pilastern der Schäfte. Die Arkaden enden erst in Frieshöhe und sind mit Muscheln und seitlicher Blumenschnur geziert, ähnlich die Ober­fenster. Die Mittelarkade ist mit Engelsköpfen in strahlendurchbrochenen Wolken geschmückt. Die Laibungen vom Triumphbogen zeigen bereits Gehänge mit Emblemen, die Eckzwickel des Saalgewölbes noch Rokokorahmenwerk mit naturalistischen Blumenranken. Die Orgel befindet sich auf einer frei in den Saal eingebauten Empore, die Kanzel am Chorbogen. Betstubengeschoß und zwei Emporen von geringer Tiefe umgeben den schlanken Mittelraum von nur 13 m Breite und 24 m Höhe. Der Abstand der starken Pfeiler beträgt 3,8 m. Der Geistliche wird nur auf wenigen Emporenplätzen sichtbar. Trotz der starken Pfeiler ist das Mittelgewölbe kaum stabil. Auch die Treppenaufbauten sind nicht hinreichend abgefangen. Längs- und Querschnitt differieren. Der Anschluß des Gewölbes an die Schmalseiten ist ungelöst.

Der Turm ist zur Hälfte vor die Front vorgezogen und besitzt vier elliptische Stockwerke. Frei­stehende Säulenpaare in der Diagonale rücken parallel zu einem mittleren Radius nach innen, der mit der längeren Achse einen 45 ° Winkel bildet. Die Säulenpaare stehen also in den Diagonalen von Halbkreisen, die durch ein Zwischenstück getrennt sind. Ihre Abstände bleiben in allen Geschossen die gleichen. Im vierten ist nur je eine Ecksäule auf dem mittleren Radius aufgestellt, das Prinzip „Schaft auf Schaft“ durchbrochen. Darüber folgt ein nur durch Ecklisenen gegliedertes flaches Rechteckgeschoß mit quadratischer Haube, Laterne und schlanker Zwiebel. Die Verjüngung des Turmes ist gering und in das obere säulenlose Dritteil verlegt. Vermittelnde Postamente fehlen. Die Höhe ist mit 96 m die des alten Kreuzturmes, die Basisbreite ist etwa halb so groß wie dort, nur 14 m (gegen 18 m bei der Hofkirche, 17 m bei Exner). Dem Turme fehlt die große monumentale Wirkung der Chiaverischen Säulengeschosse infolge des starken Hervortretens andersartiger Teile, doch ist er als ein plastisches Werk empfunden. Geschickt ist die übergroße Schlankheit durch die Ecktürmchen gemildert, die Gesamtwirkung aber bereichert. Anregung dürfte die Kirche St. Agnese gegeben haben, deren drittes kreis­rundes Turmgeschoß auch die gleiche Säulenanordnung zeigt. Nur dienen dort die höheren Ecktürme zur Steigerung der Kuppelwirkung. Nach dem Brande der Kreuzkirche 1897 wurde von Lossow und Viehweger ein ganz ähnlicher Gedanke vorgeschlagen (Abb. S. 16), aber abgelehnt.

Samuel Locke ist 1710 in Moritzburg geboren. Seine erste Ausbildung fand er unter Longuelune, [118] ebenso wie Exner und Krubsacius. 1740 wurde er Kondukteur unter Knöffel. Von 1751 an führte ihn der Staatskalender als Kondukteur des Oberbauamts. Bei dem großen Avancement nach Knöffels Tode 1752 wurde er Accisbaudirektor. Als solcher hatte er die Baupolizei in ganz Sachsen, außer Dresden und Leipzig, sowie Begutachtung und Taxierung der „Baubegnadigungsgelder“, staatlicher Bauzuschüsse, z. B. für Brandgiebel. Aus der Acciskasse wurde er lediglich für diese letztere kom­missarische Tätigkeit bezahlt. Infolge des Krieges fielen diese Bezüge (200 Taler) weg, da die Aus­zahlung von Baubegnadigungsgeldern vor der Hand aufhöre und er nichts dabei zu tun habe.[154] Weiter erhielt er 200 Taler Gehalt aus der Oberbauamtskasse, wohl für die Baupolizei. Er rangierte sowohl bei der Accisverwaltung (neben Bormann, dem Ratsdeputierten) wie beim Oberbauamt. Doch nahm er kaum an dessen Arbeitspensum teil, denn er hatte auch noch als Privatarchitekt und als Maurer­meister eine umfangreiche Tätigkeit. Nach Keller soll er in Dresden allein 104 Gebäude ausgeführt haben. Nach der Beschießung bis August 1762 hat er 10 Wohnhäuser neu aufgeführt.[155] Von 1764 bis 1767 baute er die vor kurzem abgebrochene reformierte Kirche. Weiter stammt von ihm Schloß Choren bei Nossen und Turmpläne für die Großenhainer Kirche von 1773. (Königl. Bibl. Sax. H. 1505–07.) Beim Kirchenbau in Prausitz[156] bei Riesa, der „auf eben die Art und Weise wie in Pausitz“ erfolgte, wurde er „zu Rate gezogen“. Er nahm bei der Grundsteinlegung und Hebefeier persönlich teil und hat vermutlich die Baupläne geliefert. Als Maurermeister war er 1746–50 am Hofkirchenbau tätig (nach Dietrich), dann bei den Flügelbauten zum Taschenbergpalais. 1767 wurde er von Exner als solcher für den Kreuzkirchenbau vorgeschlagen und 1768–69 auch zugezogen. Eine Stütze in seinem fruchtbaren Wirken war ihm sein Sohn Gottfried, der 1769 mit dem Titel Accis­baudirektor und der spes succedendi ihm adjungiert wurde, aber bereits 1784 starb, während Samuel Locke bis 1793 lebte und wirkte.

Die stilistische Eigenart Lockes[157], die wir aus seinen Bauten kennen, tritt auch an seinem Kreuzkirchenentwurf auf. Mit leicht schaffender Hand gliedert er die Fassaden in flachem Relief, ohne sich zu einer kräftigen Steigerung des Effektes verleiten zu lassen. Das charakteristische Rokokoornament ist überaus leichtflüssig und stuckartig lose aufgelegt und zugefügt. Der Schmuck nimmt nach den Ge­setzen der Bienseance von der Mitte aus seitlich und nach oben zu ab. Mühelos und sicher wird der Motivenschatz in immer neuen, aber nur wenig abgewandelten Variationen verwendet. Eine Vertiefung in jede neue Aufgabe fehlt. Fast alle Einzelheiten und Motive des Kirchenprojektes sind an seinen beglaubigten Bauten nachweisbar, auch die Gebälkunterbrechung mit Hochführung der Arkaden bis in den Fries (im Hof Frauenstraße 9) und sogar die Turmspitze. Die signierten Pläne für Großenhain zeigen fast die gleiche Silhouettierung und Gliederung, saubere Bleistiftvarianten auch die gleiche Technik. Die erst 1802 erfolgte Ausführung (Abbildung S. 33) weicht zwar ab, der Plan aber stimmt auch in Einzelheiten, als Balustrade, Profilen, Fenstern u. s. f., mit Lockes Kreuzturm überein. Locke war ein routinierter, aber feinfühliger Architekt und Baugewerke, der im Wohnhausbau unter voller Beherrschung seiner Ausdrucksmittel höchst Anerkennenswertes schuf, ein ungewöhnliches Talent auf dekorativem Gebiet mit Verständnis und Sinn für intime Raumwirkungen, wie auch der erwähnte Hof, sowie seine Grundrißbildung beweist. Beides finden wir bei seinem Schüler Hölzer wieder. Die andere Seite der künstlerischen Kraft, die monumentale Konzeption, wie sie z. B. Bähr und Schmidt neben ihrer handwerklichen Ausbildung besaßen, die kraftvolle Gestaltung des Stoffes von Innen aus dem Zweck heraus, das geistige Durchdringen, das Zusammenarbeiten der Massen, diese Gabe eignete ihm nicht. So zeigt sein Kirchenplan überraschende konstruktive Mängel in Fragen, die über das All­tägliche hinausgehen, ein Zeichnen ins Große ohne Sorge vor Schwierigkeiten. Der Kirchenentwurf [119] Lockes ergänzt das Urteil über seine stilistische Stellung. Die französische Formeneleganz, der starke klassizistische Einschlag trennte ihn scharf von allem Barock, auch von Schmidts späterer Art. Von seinen jüngeren Studiengenossen, Exner und Krubsacius, unterschied ihn die Rokokostimmung seiner Werke. Für die Ausführung des Entwurfs war weder Bormann noch der Rat eingetreten. Außer Mängeln in der Zweckerfüllung, besonders der ungünstigen Emporenanlage, sprach wohl vor allem der erforderliche Wegfall des alten Turmes gegen den Plan. Die Einordnung der Lockeschen Pläne (wie die des noch zu besprechenden Hölzerschen Preisentwurfs) war der Hauptanlaß zu vorliegender Arbeit. Ein Vergleich der Bleistiftkopien mit der stilistischen Eigenart aller bekannten Dresdner Architekten des 18. Jahrhunderts zeigte, daß nur Locke der Urheber sein könne. Die Auffindung der Originale durch Herrn Professor Dr. Sponsel in einer mir nicht vorgelegten Mappe (749 b) der Kupferstichsammlung F. A. II bestätigte diese Annahme und ergab vor allem (während der Druck­legung erst), daß Lockes Pläne nicht ein Idealprojekt zur Kirche, sondern seine Renovationspläne (vergl. S. 5) seien.

Für die Baugeschichte wichtig ist Lockes Entwurf durch seinen Säulenturm. 1783 veröffentlichte Locke ein Buch über „Die Verbindung und Übereinanderstellung der Säulen“ (in der Samml. f. Bauk.). Die Angaben der älteren Säulenbücher versagten, sobald man mehr als zwei Ordnungen übereinander stellen wollte, also beim Turmbau.[158] Schon 1755 hatte er, wie es im Buche heißt, Säulenbücher studiert. Sein Kreuzturm mochte ihn auf die Lücke in den Regeln aufmerksam gemacht haben. „Es ereignen sich doch dann und wann Gelegenheiten, daß bei Erbauung hoher Türme verschiedene Ordnungen angebracht werden können.“ Der Text bietet die Regeln und Rechnungen, 60 Kupfertafeln die An­wendungen, in denen die Ordnungen bis zu fünf Stock an Fassaden und an quadratischen und runden Türmen übereinandergestellt sind. Die Beispiele sind rein schematisch, ohne Rücksicht auf Ausgeführtes, ohne Rücksicht auf genügendes Zurücktreten der Geschosse. Die Grundregel Lockes war bereits von Skamozzi aufgestellt. „Der obere Säulendurchmesser einer Ordnung ist genau so groß, wie der untere Durchmesser der darüberstehenden.“ Mit dem Durchmesser war der Modul und damit je nach der gewählten Ordnung jedes Maß derselben gegeben. Locke gab diese Maßverhältnisse nach Vignola an, „welcher für den leichtesten, ordentlichsten und beliebtesten gehalten wird“. Das Ergebnis Lockes war nicht einwandfrei. Die Höhenabnahme der Geschosse ergab sich nur gering. Die Verkleinerung des Moduls wurde dadurch paralysiert, daß die obere „leichtere“ Ordnung häufig mehr Moduls zur Höhe hatte, als die untere. „Erfahrene Baumeister werden von selbst imstande sein, weil ein sicheres und ganz zuverlässiges Maß sich vorher nicht festsetzen läßt, das Auge eines echten Kenners zu befriedigen.“ „Denn wie nicht selten ein Gesetz oder Regel (nicht) ohne Ausnahme ist, so ist es auch hier.“ Lockes Buch hat keinerlei Einfluß ausgeübt und konnte es auch nicht. Es erschien gerade, als durch Ge­nehmigung der Hölzerschen Kreuzkirchenpläne die Turmfrage erledigt war. Aber es ist ein Zeichen der Zeit und beweist, wie stark gerade die Klassizisten durch Chiaveris Werk zur Lösung des Problems in ihrer Weise angeregt wurden. Den ersten Versuch stellte Lockes Kreuzkirchenplan dar.


2. Krubsacius und sein Kondukteur.
Die Konkurrenzpläne von Krubsacius.

Die Einladung zur Turmkonkurrenz gab Krubsacius Gelegenheit, seine früheren Verbesserungs­vorschläge aufzuzeichnen. Die Eingabepläne selbst konnten nicht aufgefunden werden. Sie enthielten sub LitA die Grundrisse der Säulenordnungen des Turmes übereinander, sub LitB die ver­besserte Fassade der Kirche mit Anschluß des neuen Turmes und sub LitC den neuerfundenen Turm von vorn. Der Bericht liegt bei den Geheimen Kabinettsakten. (Hauptstaatsarchiv loc. 2257 vol. I, Bl.  48.) Erhalten sind ein Querschnitt gegen die Orgel und mehrere Blatt Grundrißstudien. (Hauptstaatsarchiv.) Die Verbesserungen der Fassade entsprachen seinem Gutachten. Die Attique hat senkrechte Wände, deren Aufstand höher liegt als die Brüstung der Umfassungen, der Überschneidung [120] halber. Das Widerlager (Abbildung S. 39) ist günstiger als bei der Hofkirche, doch kommt auch Schub zwischen den Knotenpunkten in Frage. Schmidts Inneres ist bei­behalten, der Gurt des Gewölbes auf Konsolen vorgekragt und mit einem reichen Gitter[159] geziert. Über der Orgel fehlt die Kappenteilung der Kuppel, die dadurch schwer lastend und überaus nüchtern erscheint, um so mehr als auf jede Dekoration verzichtet ist. Um für den Sängerchor Raum zu gewin­nen, wurden in einer Variante sechs jonische Säulchen in einem elliptischen Grundriß aufgestellt.[160] Auf deren Gebälk kröpft sich die Orgelchorbrüstung weit ins Schiff vor. In einer Tektur werden sie durch einen auf Konsolen vorgekragten Balkon Schmidtscher Pla­nung ersetzt. Einige ältere Grund­risse weisen vor den Innenpfeilern freistehende Säulen auf. Sie würden den Ausblick sehr beengen. Nur für die Orgelpfeiler wurden sie später auch von Schmidt aufgenommen und von Hölzer ausge­führt. Sie sind wohl der einzige Gedanke, der im ausgeführten Bau auf Krubsacius zurückging.

Krubsacius. Kreuzkirche. Grundrisse des vorgebauten Turmes.
Maßstab 1 : 500. Nach den Originalplänen im Hauptstaatsarchiv
zusammengestellt.

Krubsacius. Kreuzkirche. Grundrisse der Seitengeschosse und Altane
des eingeschobenen Turmes. Maßstab 1 : 500.
Nach den Originalplänen im Hauptstaatsarchiv zusammengestellt.

Den Turm wollte Krubsacius nach dem ersten Plan an drei Sei­ten frei vor die Stirnwand setzen. Der Rat protestierte dagegen, da er dann die gräflich Rödersche Brandstelle [121] (Ecke Altmarkt) hätte ankaufen müssen. Doch hätte der Turm den Altmarkt ganz anders beherrscht. „Auch würde die Kirche nicht so gedrungen und kurz aussehen.“ „Der große Nutzen durch die Platz­ersparnis und die Verringerung der Kosten“ trösteten Krubsacius später. Ein Mangel des vorgebauten Turmes war, daß er nicht in organischer Verbindung mit dem Kirchgebäude stand und daß die Attique der Seitenfassade wegen bis an ihn herangeführt werden mußte. Im Eingabeprojekt war der Turm eingerückt. Seine architektonische Gliederung blieb die gleiche. Er bestand „aus vier übereinandergestellten Säulenordnungen, der Laterne, Haube und Spille, ganz und gar von Stein“. Genau wie bei den Seitenvorlagen bildeten drei angelegte Säulen die Ecken der beiden unteren Geschosse. Im dritten fiel die Ecksäule fort, im vierten wurde nur eine freistehende Säule der Ecke vorgelegt. Die Gerade herrschte. Die Hauptachsen, sowie die der Säulen und Pilaster bildeten ein quadratisches Netz von 2 Ellen Seitenlänge (a). Die Breite des Turmes war durch 6 a, die der Attique durch 12 a, die ganze Kirchenbreite durch 18 a bestimmt. Auch der Säulenabstand (a) war festgelegt und konnte nicht zu einer Funktion der Säulenhöhe werden. Maß- und Achsenbeziehungen, die auch Schmidt nicht vernachlässigt hatte, hielten hier die Phantasie in festen Schranken.

Die Massengruppierung des Turmes war nicht sonderlich glücklich. Im Vorprojekt hatten die drei untersten quadratischen Geschosse gleiche Stärke. Dann erst begann die Zuspitzung in zwei großen gleichbreiten Absätzen. Im Eingabeprojekt hielt Krubsacius an den ausgeklügelten Maßbeziehungen fest. Er paßte seinen fertigen Turm der veränderten Stellung an, anstatt aus ihren besonderen Be­dingungen heraus Neues zu schaffen. Die beiden unteren Geschosse wurden zu Vorlagen, die beiden obersten aber erhielten rechteckige Grundfläche von 4 : 6 bez. 2 : 4 Quadraten. Laterne und Haube blieben die gleichen. Die Abtreppung aber wurde ungleichmäßig. – Als Bildungsprinzip beider Türme galt die Regel, daß Schaft auf Schaft zu stehen scheine. In den geometrischen Ansichten von vorn und von der Seite war dies erreicht. Da aber die Säulen bedeutend zurücktraten, mußte die Perspektive diese Beziehung zerreißen. Ausgeführt würde der Turm einem Baukastengebilde ähneln. Von 120 Quadraten des Unterbaues waren nur 4 durch die Haube bedeckt. Die übrigen bestanden aus horizon­talen Steinflächen, mit Balustraden umgebenen Altanen, die wohl für Hellas und Rom, nicht aber für Dresdner Klima zulässig waren, die vor allem infolge der Überschneidung das Turmbild zerstören mußten.

Einwände gegen das Konkurrenzprojekt erhob zunächst der Rat[161] in seinem Begleitbericht. Die Altane würden eine Quelle von Reparaturen sein. Das dritte Geschoß solle weiter gefaßt werden, um die Glocken aufnehmen zu können. Besondere Wendeltreppen zum Turm sollen in den unteren Ge­schossen als überflüssig und zu kostbar wegbleiben. Auch schwächten sie den Schaft. Krubsacius hatte in einem Achsenpunkt solche vorgesehen. Die Oberbaukommission erhob in ihrer ersten Sitzung dieselben Einwände. „Die dritte und vierte Etage ist von vorn von guter Proportion, auf der Seite zu schmal. Das Mauerwerk des Turmes wäre nur äußerlich abzusetzen, innerlich soviel als möglich Grund auf Grund zu setzen. Krubsacius reichte hierauf sieben Blatt geänderte Risse ein (Hauptstaatsarchiv loc. 2157 Bl. 116 b). Sie zeigten eine Verbreiterung der schmalen Obergeschosse, sind aber nicht erhalten. Im Schlußbericht der Kommission heißt es über sie: „Der Turm erscheint oberhalb zu sehr eingezogen. Von Etage zu Etage wird ein ziemlich Teil der Architektur abgeschnitten und dem Auge entzogen.“

Später, 1770, stellte Krubsacius einen Turmentwurf auf der Kunstausstellung aus, der Kritik nach nicht einen seiner Pläne für die Kreuzkirche, sondern einen Idealentwurf, aber im engsten Anschluß an jene. Der „Regel“ gemäß war die unterste Ordnung jonisch, Anschwünge, wohlgeschwungene Seitenrollen, die in einem Schnörkel mit überschlagenen Palmen endeten, vermittelten zu den beiden Unter­geschossen. Im dritten Stockwerk fing der Turm an, „sich hinterwärts zu ziehen, so daß die Säulen auf die Nebenpilaster des Turmes zu treffen und immer noch gegründet zu sein scheinen und, obwohl rückwärts, auch sind. Dieses ist eben der große Stein des Anstoßes der mehrsten Baumeister bei Ver­jüngung der Türme.“ Ein Prachtkegel mit verbrochenen Ecken, Knopf und Kreuz krönte den durchaus steinernen, 148 Ellen hohen Turm. „Er scheint sehr wohl verhältnismäßig und zugespitzt zu sein (nur [122] die Stirnseite war ausgestellt). Da er nicht ohne Not Verkröpfungen im Gebälk oder halbe und viertel Pilaster und Säulchen, noch eine Menge Giebel hat, so wie man hier an der Hofkapelle nach heutigem italienischen Geschmacke sieht, mithin ist die Baukunst daran groß. Und da er auch nicht mit unnötiger und überhäufter Bildhauerei belästigt ist, wie das Zwingergartengebäude, und nur Paulus und Petrus am Haupteingang hat, so sage ich, daß er auch simpel und edel angeordnet sei.“

Vorbilder fand Krubsacius in seiner Literatur nicht vor. „Unstreitig ist ein schöner Turm, heißt es in der Kritik[162], eine der schwersten Aufgaben in der Baukunst. Die Kirchtürme sind eine Erfindung der Goten und vertreten mit weit mehreren Nutzen und Zierde die Stelle der alten Prachtkegel, Helden­säulen und Pyramiden. Die Goten konnten gar leicht damit zurecht kommen, weil sie selbige nach Willkür so lange auszackten und durchbohrten, bis sie sich allmählich zuspitzten. Dieses sehen wir hier zu Lande an dem wunderschönen durchbrochenen und mit Mühe erbauten Turme zu Meißen. Allein wenn die griechischen Säulenordnungen nach der Regel dergestalt aufeinander getürmt werden, daß sie sich oben zuspitzen sollen, so will das viel sagen. In diesem Stücke sind die Italiener und Franzosen selbst nicht weit gekommen, und man findet in ihren Ländern kaum einen einzigen Turm, den man nur dem schön zugespitzten gotischen vergleichen könnte. Laugier sagt dieses selbst (1752), unerachtet seine Verbesserung noch schlechter aussehen würde, als das Getadelte. Sie sind mehrerenteils oben ganz glatt, wie ein Stadtturm oder höchstens mit einer italienischen Haube oder Kuppel gedeckt.“ Die Alten kannten keine Türme. Der italienische Kampanile blieb auch in der Renaissancezeit nur ein hohes Glockengebäude ohne äußere und innere Verbindung mit der Kirche. Man stellte wohl Ordnungen übereinander, „ohne indes auch nur das mäßige Ziel einer schönen Abstufung und wirksamen Verteilung von Pilastern, Halb- und Freisäulen zu erreichen“.[163] Am Florentiner Dom zeigt der Kampanile nach Lage und Wirkung die größte Verwandtschaft mit einem gotischen Turmzwilling. Aber hier trat ihm auch zuerst in Brunelleskos machtvoller Kuppel ein Konkurrent zur Seite, der dem italienischen Empfinden verwandter war. Diesseits der Alpen erfuhr die Kuppel turmartige Höhensteigerung, wie ein Blick von St. Peter in Rom auf St. Paul in London, den Invalidendom in Paris oder den „Frauenturm“ in Dresden lehrt. Die vom Kampanile abgeleiteten Turmtheorien Albertis fanden in Italien keine Nachfolge. Nach ihm war der schönste Turm aus quadratischen und runden Geschossen so zu mischen, daß über einem quadratischen Sockel und Erdgeschoß drei Rundgeschosse, dann ein quadratisches und schließlich ein Monopteros mit sphärischen Kuppelchen folgte (Burkhardt). Ähnlicher Art sind die Eckbauten am Hospital in Greenwich von Wren (1700) und ihre Abkömmlinge am Berliner Gendarmenmarkt von Gontard (1780), die über quadratischem Unterbau Ringgeschosse mit schlanker Kuppel und Laterne tragen. Vorherrschen der Stockwerksteilung, der horizontalen Schichtung hindern ein Aufstreben der Linien, die Ausbildung von Vertikalbeziehungen. Der Kuppel zuliebe ist bis ins obere Drittel eine bedeutende Stärke (17 m bei der Gontardschen) nötig, eine innige Ver­knüpfung mit dem Kirchgebäude zu höherer Einheit aber ausgeschlossen. Bei diesen Bauten ist der Kampanilecharakter noch herrschend. Speziell für sie gilt, was Burkhardt sagt: „Die antiken Ordnungen können zwar einen relativ schönen Turm hervorbringen helfen, obwohl man immer fühlen wird, daß der Turmbau nicht auf diese Weise entstanden ist.“

Krubsacius und die Dresdner Klassizisten knüpften, wie schon die Kritik oben zeigte, an den deutschen Turmcharakter an. Der Einfluß Chiaveris machte sich hierbei geltend. Die individuellere Auffassung der antiken Formen, wie sie dem Barock eignete, hatte ihn befähigt, das Säulenturmproblem zu lösen. Krubsacius strebte in seiner strengen Art wohl dem gleichen Ziele zu. Auch er [123] erkannte die Wichtigkeit der Vertikalbeziehungen. Aber die Festlegung auf den Rechteckgrundriß und die Ecksäule, das ihm nötig erscheinende Anknüpfen an die Seitenportale raubte ihm die Freiheit des Planens. Das schichtenförmige Aufeinandertürmen zurückspringender Geschosse ließ gerade das der Antike innewohnende Prinzip von Last und Stütze, den Stockwerksbau stark hervortreten, ließ das Lastende, die ganze Trägheit der Materie erst recht empfinden, statt sie zu bezwingen. Die große Zahl von Grundrissen und der Ausstellungsplan zeigen, daß ihn das Turmproblem viel beschäftigt hat. Als die Akademie den fünf besten Schülern eine Preisaufgabe (etwa 1768) stellte, wurde wohl auf seine Veranlassung eine „Kirche mit Turm“ als Thema gewählt (vergl. S. 101). Außer Hölzer, dessen Pläne erhalten sind, war jedenfalls[164] noch Dauthe (S. 120), Habersang[165], vielleicht auch Lohse (S. 16) beteiligt.

Hölzers Akademie-Preisentwurf. Originale in der Sammlung für Baukunst.
Fassadenskizzen im Maßstab 1 : 1000, Grundriß im Maßstab 1 : 2000.

Hölzers Akademie-Preisentwurf.

Hölzers Pläne haben mit der Kreuzkirche direkt nichts zu tun. Schon die Abmessungen sind größere (Breite 50 m, Länge 78 m, Umfassungshöhe 28 m, Turmhöhe 112 m). Ein kreisrunder Mittelsaal von gleicher Größe wie bei der Kreuzkirche, erhebt sich mit senkrechter Attique über flach [124] gedeckte Seitenschiffe. Ein breiter Unterbau an der Stirnseite mit den Haupttreppen trägt einen quadratischen Turm, der durch eine Brücke mit der Attique verbunden ist. Freistehende Säulenpaare, im 3. Geschoß Pilaster, schmücken diesen Turm. Eine reizvoll silhouettierte hölzerne Spitze krönt ihn. Die Gliederung der Umfassungen ist viergeschossig (im Verh. 3 : 5 : 2 : 1). Die Hauptpilasterordnung nimmt noch nicht die Hälfte ihrer Höhe ein. Im Innern sind die Pfeiler der schlanken Arkaden als Pilasterbündel mit Gebälkkröpfen ausgebildet, über deren Bögen sich ein Gurt als Aufstand der Kuppel herumzieht. Durch kreisrunde Fenster der Attique erhält der Mittelsaal Eigenlicht. Außen ist die Attiquewand gequadert und nicht mit einer Ordnung versehen. Den Ab­schluß bildet ein Konsolenfries mit Laubgewinden und einer Balustrade darüber.

Grundriß und Raumbildung zeigen, daß Hölzer die Kreuzkirchenpläne von Schmidt und Krubsacius genau kannte. Daneben verarbeitete er viele Kompositionsgedanken der Frauen- und der katholischen Hofkirche. In der architektonischen Gliederung verrät der Plan deutlich den Einfluß der Schule. Nur ein Blatt trägt den Maßstab in Dresdner Ellen, zugleich auch in Pariser Fuß, die anderen sind nur nach Modul und Partes aufgetragen und alle Maße in diesen Verhältniszahlen eingeschrieben. Die Aufschriften sind französisch. Die Fassaden sind flach und leblos und zeigen eine Vielstöckigkeit mit einer Menge trockener Einzelmotive ohne jede Zusammenfassung und Steigerung. Reizvoller ist der Turm. Das völlige Fehlen von Kernmauern zwischen den Schäften der oberen Geschosse macht ihn leichter und luftig. Putten am Unterbau und die Gliederung der Spitze, die Verknüpfung des Turmes mit der Attique und deren Dekoration zeigen ein Empfinden, das Krubsacius fremd war. Das Bildungsprinzip des Turmes erinnert noch an dessen Pläne, weicht aber doch wesentlich ab. Hölzer verzichtet auf die gemeinsame Ecksäule, die ein geschoßweises Zurücktreten erschwert. Ähnlich wie Bernini läßt er die Ecke frei. Die Zuspitzung des Hauptturmkörpers ist noch gering. Doch ist die gesamte Massengliederung geschickter als bei Krubsacius. Sie vermeidet die diesem gemachten Einwände und läßt vermuten, daß auch Krubsacius bei der Konkurrenz eine Loslösung der Attique erstrebte, aber durch den gegebenen Grundriß gebunden war. In der Dekoration des Turmes ver­rät Hölzer eine große Freude am Schmuck. Neben antiken Motiven treten Tafeln, Pfeifenfries und ähn­liches auf. Acht mächtige Flechtbandgurte gliedern die Kuppel, deren Fenster mit Engelsköpfen und Blattgewinden geziert sind.

Als Schülerarbeit betrachtet, stellt der Entwurf des 24 jährigen eine hervorragende Leistung dar. Er verrät ausgeprägten Sinn für Raum- und Massengruppierung und reiche dekorative Be­gabung. Im einzelnen ist noch manches unausgeglichen. Neben dem akademischen Einfluß zeigt sich die Nachwirkung der Schulung unter Locke. In statischer Beziehung ist vor allem die Abstützung der 30 m weiten Kuppel äußerst bedenklich. Für die Eigenart und besonderen Raumansprüche der protestantischen Kirche zeigt der Plan wenig Verständnis. Das Fehlen der Kanzel und der absoluten Maßstäbe, die kolossalen Abmessungen charakterisieren den Schulentwurf. Dieser ist wichtig für die Erkenntnis der Eigenart Hölzers und vor allem dafür, wie der hervorragendste Schüler der Akademie, dem dann die Ausführung der Kreuzkirche zufiel und der an ihrer Planbildung vielleicht schon unter Locke, sicher aber unter Krubsacius mitgezeichnet hatte, wie Hölzer bei voller Freiheit im Schaffen zu den Bauproblemen der Kreuzkirche Stellung nahm.


3. Exners approbierte Pläne.
Fassaden und Turm.

Exners Pläne fürs Äußere vom März 1767 (2 Blatt Ansichten, 1 Blatt Turmgrundrisse im Hauptstaatsarchiv) entstanden an der Hand der Konkurrenzentwürfe von Schmidt und Krubsacius mit dem Ziel, das Gute aus ihnen herüber zu nehmen, die Einwände gegen sie zu vermeiden. In den Fassaden sind die Säulen und Pilaster niedriger, die Giebel der Vorlagen flacher, das Brüstungs­geschoß bedeutend höher angenommen. Die ovalen Lukarnen sind ganz weggelassen, die lichte Höhe der Hauptfenster vermindert und die oberen tiefer gerückt. Die Wände der Attique erheben sich senk­recht über der flachen Seitenschiffeindeckung. Ihre Fenster sind niedriger und tiefer. Über dem Gebälk [125] liegt ein flaches gebrochenes, aber sonst ungegliedertes Dach mit einem Kranz kreisrunder Gaupen. Auch an der Turmseite setzt sich die Attique senkrecht auf, nur die Postamente über ihr haben eine kleine Anschweifung mit sitzenden Frauengestalten. Alle Verhältnisse sind weniger schlank als bei Schmidt. Die Vertikaltendenz, die dessen Plänen etwas vom Charakter des Zentralbaues gibt, ist eingeschränkt durch energische Betonung aller Horizontalen. Die Einzelmotive sind den beiden Konkurrenzplänen entnommen, so die Haupttür und das Fenster darüber dem von Krubsacius. Die Details zeigen modernen „goût“, aber nicht den des Akademieprofessors, sondern nur eine strengere Stilisierung der im Bauamt heimischen, aus der Barockzeit vererbten Motive.

Kreuzkirche. Exners Fassadenarchitektur. Maßstab 1 : 250.
Nach einer Maßaufnahme von 1897 im Pfarrarchiv.

Der Turm besteht in der Stirnansicht aus vier Säulengeschossen mit Zwischenpostamenten, Laterne und Zwiebelhaube mit Obeliskabschluß. Übereck sind gekuppelte Dreiviertelsäulen aufgestellt, deren schaftartige Rücklagen sich ans Kernmauerwerk anschweifen. Die abgeeckten Seiten seiner rechteckigen Grundform sind aus Kreisbögen von verschiedener Krümmung, aber mit gleichem Mittelpunkt, dem des Turmes, gebildet und mit strengen Rund­bogenarkaden durchbrochen. Die

Grundrißvariante Schmidts mit dessen
geänderten Orgelpfeilern und Exners
Turmfundament. Maßstab 1 : 1000.
Original im Hauptstaatsarchiv,
mit X bezeichnet.

Säulen rücken auf Radien nach innen, die mit der Längsachse Winkel von 30 ° und 45 ° bilden. Die Abeckung der Grundform erfolgt also nicht unter 45 °. Die Säulenabstände verjüngen sich mit den Geschoßstärken. Die Zentren für diese Verjüngung erinnern an die Konstruktionspunkte einer korbbogigen Ellipse, doch gehören weder die Bögen der Abeckung noch die des Kernmauerwerks einer solchen Ellipse an. Auch ist der Gesamteindruck der Geschoß­grundform der eines gegliederten Rechteckes. Die innerste hintere Säule des möglichst tief zu hal­tenden 3. Geschosses steht so, daß sie nicht mehr auf den Orgelbogen kommt. Ihre Stellung bestimmt die Grundform des Turmes. In einer Variante für den Fall starker Innenpfeiler ist das 3. Geschoß weniger tief und die fragliche Säule so gestellt, daß sie in der Seitenansicht gerade über den Hauptpilastern der Umfassung zu stehen scheint. In der Perspektive würde diese Wirkung nicht erkennbar sein. Der Grundrißabstand der Vorlagen in dem Turmunterbau beträgt in der Variante genau 1 1/2 Säulendurchmesser, ebensoviel die Verjüngung der beiden oberen Geschosse, der Abstand vom 2. zum 3. Stockwerk jedoch fast das Dreifache. Die Höhe von Säule mit Gebälk in den beiden unteren Geschossen ist gleich der größten Breite, nach oben zu wird dies Verhältnis schlanker.

[126]

Schmidts Turmvariante von 1766.

Massenskizzen

zur Kreuzkirche.


Maßstab 1 : 1000.

Nach den Originalen im
Hauptstaatsarchiv und
in der Sammlung
für Baukunst.

Exners approbierter Turm. 1767.

 
 

Schmidts Eingabeplan 1766.

Exners approbierte Attique 1767.

[127]

Kreuzkirche. Grundrisse der Säulentürme Exners und Hölzers.
Maßstab 1 : 500.

Exners Eingabeprojekt von 1766.
Nach dem Original im Hauptstaatsarchiv.

Exners Variante von 1767.
Nach dem Original in der Sammlung für Baukunst.

Hölzers Turm zur Mansarde von 1778.
Nach dem Original im Hauptstaatsarchiv.

Hölzers ausgeführter Plan von 1781.
Nach den Pausen in der Sammlung für Baukunst.

[128] Auch die Turmbildung Exners ist als eine Kombination der Konkurrenzpläne aufzufassen. Von Krubsacius übernahm er die Teilung in vier Säulengeschosse mit Zwischenpostamenten, das Prinzip „Schaft auf Schaft“, die abgeeckte Rechteckgrundform. Aus Schmidts Plan konnte er die Anschweifung der Stirnwand, die Diagonalwirkung der Säulen, die geschlossene Gliederung der Turmspitze ver­wenden. Schmidt hatte die Spitze im regelmäßigen Achteck ausgebildet, als Grundform des Unter­baues in Anpassung ans Hauptgebäude ein gedrungenes Rechteck mit schwach gekrümmten Seiten, aber ohne Verbrechung gewählt. Während die oberen Stützen auf die Turmmitte bezogen waren, rückten die der unteren drei Geschosse nach einem im Saal gelegenen Zentrum zu. (Abb. S. 27.) Nur zum Teil stand „Schaft auf Schaft“. Das betonte Uhrpostament mit seiner starken Verjüngung bildete die Vermittelung. Exner stellte als neuen Grundsatz auf, alle Geschosse müssen gleiche Grund­form haben. Deshalb mußte er sein „Verjüngungszentrum“ in den Turmgrundriß hineinrücken.

Exners Turm und Fassade beheben zwar die von der Oberbaukommission beziehentlich von ihm selbst geltend gemachten Einwände gegen die beiden anderen Pläne. Sie waren aber selbst nicht einwand­frei. Bedenklich war die Änderung der Fenstergrößen, um so mehr, als er sich hierbei eingestandener­maßen (S. 85) nicht um das Innere der Kirche gekümmert hatte, weiter die Dachbildung über den Seitenschiffen, die Nichtberücksichtigung der Überschneidung an der Attique und schließlich die Massenverteilung des Turmes. Der Unterbau zeigt noch die bei Krubsacius gerügte Abtreppung. Der obere Teil ist zwar geschlossen und einheitlich, aber er steht in einem ungelösten Konflikt mit der schweren Masse der Attique, der freilich in der orthogonalen Projektion nicht so stark zur Geltung kommt. Die Teile sind wohl durch ein geometrisches Bildungsgesetz, nicht aber künstlerisch durch harmonische Gliederung der Massen verknüpft. Während das entscheidende 3. Geschoß bei Schmidt nur schwaches Pilasterrelief und fast quadratische Grundform hat, kann Exner hier bei seiner Grund­form nicht die nötige Kraft entfalten. Da Rechtecke und Ellipsen bei gleichen Abständen je kleiner desto schlanker werden, wird auch Exners Turm nach oben zu immer flacher, statt dem Kreis zuzustreben. Der Turm ist nicht eine selbständige künstlerische Komposition, sondern eine gelehrte Kombination, ein Erzeugnis des kalkulierenden Verstandes. Die zeichnerische Darstellung der Risse ist sehr geschickt und in den Farben herzhafter als bei Krubsacius. Sie ist nicht von Exner selbst ausgeführt, sondern von einem seiner Kondukteure, vermutlich von Joh. Aug. Gebhardt[166], dessen stilistische Eigenart der der Plandetails verwandt ist.

Weitgehenden Einfluß auf Exner hatte Lockes Kreuzkirchenentwurf. Hier fand er das einzige Neue an seinem Turm, das Bildungsprinzip, bereits vor, übereckstehende Säulen vor oblongem Kern­mauerwerk, er brauchte es nur seiner Aufgabe anzupassen. So fügte er Zwischenpostamente ein, machte auch das 4. Geschoß den übrigen konform, nahm Dreiviertelsäulen statt der freistehenden und setzte die gekuppelten Säulen auf eigene Radien, so daß die Abstände nach oben kleiner wurden, ähnlich wie bei Chiaveri. Die Folge war, daß die Abeckung nicht mehr unter 45 ° erfolgte. Locke hatte der elliptischen Aufstellung der Säulen entsprechend auch das Kernmauerwerk elliptisch gehalten. Exner konnte, nachdem das Prinzip einmal gefunden war, die zwischen den Schäften gelegenen Stücke durch Kreisbögen vom Turmmittelpunkt aus ersetzen, die sich besser an die Schäfte anschweifen ließen. Das Mittelmotiv im 3. Geschoß bei Chiaveri gab ihm das Vorbild. Locke hatte im untersten Geschoß die Höhe von Säule mit Gebälk gleich der größten Breite gemacht und dies Verhältnis nach oben schlanker werden lassen. Exner übernahm auch dies. Der Einfluß Chiaveris ist fast ausschließlich durch die drei Entwürfe vermittelt, aus denen Exner den seinen zusammenkombinierte und -kopierte.

Exners Abhängigkeit von Lockes Plan erstreckt sich noch weiter. Fast sämtliche Einzelheiten, soweit sie nicht an den Konkurrenzplänen vorkamen, sind Lockes Plänen entnommen, zum Teil umgebildet, vergrößert oder auf andere Bauteile übertragen. So ist der Aufsatz des Sakristeibaues mit Voluten und Muschelschmuck zur Turmspitze geworden, die der Hofkirche entsprechend etwas gebaucht [129] ist, die Dachfenster des Rundbaues zu den Schallöchern in der Turmhaube. Wappenträger direkt über Lockes Haupttür kehren vergrößert als Überleitung zum Rundfenster bei Exner wieder. Mehrere sitzende Frauengestalten zeigen die gleichen Bewegungen wie bei Locke. Nebensächlicher ist, daß die runden Dachfenster in beiden Plänen vorkommen, denn eine Reihe von Motiven war naturgemäß Gemeingut der Zeit oder Erbe gemeinsamer Schule. Dagegen ist zu erwähnen die übereinstimmende Seitenschiffüberdeckung, die Zusammenfügung der Hauptfenster durch Brüstungen, die gleiche An­ordnung und Lage der Turmtreppe, die Grundform der Eingangshalle im Turm. Auch die späteren Innenpläne Exners zeigen manche Übereinstimmung.

Lockes Pläne müssen in Exners Hand gewesen sein, und zwar die angeblich verloren gegangenen Originale (S. 117). Ob mit oder etwa ohne Wissen Lockes muß dabei eine offene Frage bleiben. Eine Tektur auf einen Treppenturm in der Seitenansicht und eine Grundrißvariante dürfte auf Exner zurückgehen. Im Grundriß (Abb. S. 116) sind die Treppen nicht mehr diagonal, sondern in die Hauptrichtungen der Kirche eingeschwenkt so, daß die Kirchenbreite genau der Schmidtschen entspricht und das Relief der Stirnseite die gleiche Grundform erhält wie im späteren Exnerschen Plan. Die Länge der Seitenfassade ist größer (57 m). Die Hauptumfassungen stehen wie vorher zurück, eine vorgelegte offene Säulenhalle verbindet die Treppenhäuser und stellt die Flucht her. Der Innenraum ist an der Turmseite geändert durch Ausbildung eines zweiten Triumphbogens mit einer der Chor­rundung entsprechenden Nische für die Orgel. Damit ist auch ein künstlerischer Mangel des Lockeschen Planes beseitigt. In der Tektur ist statt des malerischen Turmaufbaues ein schlichtes Rundgeschoß mit Obelisk geplant hinter einem massiven Brüstungsumgang, den flache volutenartige Postamentschweifung mit dem Hauptgebälk verbindet. Von Locke selbst können diese Änderungen nicht stammen, das zeigt die abweichende Technik, und dann steht die Tektur durch ihre schlichtere Art, durch Verwendung wurstartiger Girlanden, kurz stilistisch stark im Widerspruch zum Plan und zu den gleichzeitigen Bauten Lockes. Dagegen entspricht sie den Mitte der 60 er Jahre unter dem Einfluß der Akademie im Bauamt herrschenden Anschauungen. Bei der kombinierenden Schaffensart Exners liegt die Annahme nahe, daß er nach der Aufforderung zur Turmkonkurrenz die Lockeschen Pläne den bereits gegründeten Schmidt­schen Umfassungen anzupassen suchte. Das würde mit der Baugeschichte stimmen. Im Februar 1766 hatte er nur erklärt, er habe keine Pläne fertig, und erst im April, er werde keine Pläne mehr liefern. Die Benutzung der Lockeschen Pläne war naturgemäß Anlaß zu erneuter Prüfung, ob wirklich Locke und nicht etwa Exner selbst der Urheber sei. Doch ist letzteres nicht möglich, wie die oben nachge­wiesenen Beziehungen des Planes zu Locke ergaben.

Die Art, wie Exner seine Projekte herstellte, ist die für eine zentrale Bauverwaltung charakte­ristische und auch heute noch übliche. Eingereichte Projekte werden umgearbeitet, mehrere Entwürfe werden zu einem neuen verschmolzen, zu Grundrissen neue Fassaden gefertigt oder der „Stil“ bei­behalten, aber die Raumeinteilung geändert. Exner besaß ein ziemliches Geschick im Zusammen­schmelzen einer ganzen Reihe von Plänen und im Zusammentragen wirkungsvoller Motive. Wenn das Ergebnis nicht befriedigen konnte, so lag das einmal daran, daß er seinen klassizistischen Regeln und Gesetzen zuviel Macht über die künstlerische Wirkung einräumte und daß es ihm selbst an künst­lerischer Kompositionskraft zu einheitlichem Gestalten aus dem Vollen fehlte.

Saalarchitektur und Querschnittsbildung.

Nach Übernahme der Direktion beschäftigte sich Exner auch mit dem Innern der Kirche. Seinem ersten Bericht ans Kabinett (30. Juni 1767) lag ein Grundriß und „Profil“ bei, vermutlich ein Längenschnitt. (Skizze in der Samml. f. Bauk.) Im Januar 1768 legte er ebenda seine aus­gearbeiteten Innenpläne vor. Im Juni wurden solche von Prinz Xaver approbiert. (Schnitte und Grundrisse im Hauptstaatsarchiv.) Die Grundrisse (Abb. S. 130) zeigen seine kolossalen Pfeilerstärken. Die Strebemauern hinter ihnen für den Schub des Hauptgewölbes sind kassiert. In den Schnitten ist die Pfeilerstärke geringer, aber nicht etwa in der Ansicht, sondern in der Tiefe. Gerade das erstere aber war nötig, auch aus statischen Gründen. Vermutlich sind die Schnitte zwischen Januar und Juni

[130]

Kreuzkirche. Exners approbierter Querschnitt vom Juni 1768.
Maßstab 1 : 500. Original im Hauptstaatsarchiv.

1768 neu gefertigt zwecks größerer An­passung an Schmidts Anlage. Dessen Saalabmessungen sind beibehalten. Die Oberkante seines Gewölbegurts, zugleich die der Umfassungen bleibt als Gebälk­oberkante einer Ordnung, die halb so hoch ist wie der Innenraum und genau so hoch wie die äußere Hauptordnung. Das 7 m hohe Postament ist zu zwei Betstubenetagen mit Glasabschlüssen gegen das Schiff ausgenutzt. Die Arkaden sind streng nach dem Säulenbuch gezeichnet und in Blenden gestellt. Ihr Scheitel liegt unter dem Architrav, daher niedriger als bei Schmidt. Das Emporengewölbe sitzt bedeutend höher, so daß jedes Zusammenwirken in der Überdeckung des gesamten Raumes aufhört. Am Altar kehrt die Arkade als Abschluß der Nische wieder. Diese selbst wird durch ein schlicht gerahmtes Bild abgetrennt. Das Gebälk und Gewölbe­feld darüber deckt die übliche Strahlen­sonne mit einem Durchmesser von 11 m (!). Über der Orgel entspricht ihr ein Ornament von etwa gleicher Größe, bestehend aus Mittelschild mit

Kreuzkirche. Exners approbierter Grundriß von 1768. Maßstab 1 : 500. Original im Hauptstaatsarchiv.

[131] Engelsfiguren, Tuchgehängen und Girlanden. Über den Säulen stehen Figuren von 4,5 m Höhe unter einem horizontalen Gurt, der am Gewölbe und den Kappen hinläuft. Eine vertikale Gliederung ist nicht vorgesehen.

Daß Exners Absichten dem protestantischen Bauzweck entgegen waren, hatte den Rat, noch bevor er die Pläne erhalten konnte, zum Protest gezwungen. Weiter war die Raumwirkung eine ganz andere geworden. Während sie bei Schmidt hallenartig ist mit einer Steigerung im Mittelschiff, kann man den Exnerschen Raum als geschlossenen Saal mit Logen bezeichnen. Deren Breite ist nur doppelt so groß wie die Pfeilerstirn (bei Schmidt dagegen sechsfach so groß). Die hohe Glaswand der Bet­stuben im Blickfeld der Parterrebesucher ist weder wohltuend fürs Auge, noch akustisch günstig. Die Hochstellung der Säulen hatte Sinn bei der katholischen Hofkirche und in Versailles, nicht aber hier. Von Chiaveris Bau ist Raumbildung und Saalarchitektur Exners angeregt, nur steigerte dieser den Maßstab, um sein klassizistisches Schema anwenden zu können. Seine Säule hat mit Fuß und Kapitäl 15,50 m Höhe, fast 10 fache Menschengröße, gegen 10 m bei Chiaveri und 9,50 m bei Schmidt. Auch unterließ es Exner, die riesigen absoluten Maße durch eine reichere Detaillierung in normaler Größe zur Geltung zu bringen und dem Auge faßbar zu machen. Es fehlte ihm das Verständnis dafür, daß man ein Schema nicht beliebig vergrößern oder verkleinern kann. Ausgeführt würde sein Raum von einer erschreckenden Öde und Leerheit sein.

Auch bei seiner Saalarchitektur war Exner völlig unfrei. Nach seinem Dogma sollte das Gebälk nicht unterbrochen sein, es mußte ungestückelt an der Saalwand umlaufen. Der Arkaden wegen durfte es nicht zu hoch, des Postaments wegen nicht zu niedrig werden. Damit war die weitere Gliederung festgelegt und nur noch Sache der Berechnung. Es konnte sich bloß eine Lösung ergeben. Der Klassi­zismus Exners war jedes künstlerischen Empfindens bar. Er kam nicht über das Herstellen gesetz­mäßiger, geometrischer Zeichnungen hinaus. Statt zur Gestaltung der Massen führte seine Art im besten Falle zur Dekoration von Flächen, freilich ohne Erfahrung und Rücksicht auf Wirkung. So war ein befriedigendes Resultat höchstens bei völliger Unabhängigkeit zu erreichen, nicht aber bei An­passung an einen fertigen Plan, zumal für einen protestantischen Kirchenraum mit ausgesprochener Zweckerfüllung.

Exners Mansarde und ihre Umbildung.

Mit Rücksicht auf den Ratswiderstand gegen stärkere Pfeiler hatte Exner als Tektur auf die Seitenfassade ein Mansarddach gezeichnet. Das Gebäude erhalte dadurch ein verstümmeltes Aussehen. Wie das Innere zu verbessern und zu gestalten sei, darüber legte er auch später keine Pläne vor. Den verschiedenen Wünschen auf Beibehaltung der Schmidtschen Pfeiler gegenüber war er hilflos. Er konnte von seinem „Profil“ nicht loskommen. Auch nicht den Versuch einer Umbildung unternahm er. Schon eine geringe Verschmälerung seiner Pfeiler raubte den mächtigen Säulen die genügende Rücklage. Darum konnte auch eine bloße Verstärkung der Schmidtschen nur ein Drittel so starken Pfeiler ihm nicht genügen. Durch Exners Mansarde blieb Schmidts Innenraum voll erhalten. Nur die oberen Fenster im Schiff und ihre Kappen wurden etwas schmäler. Der Turm und die Attique über den Treppenhäusern wurde nicht geändert. Das neue Dach lief sich hinter ihr tot. Warum auch eine schwächere Attique ohne Gewölbe für Schmidts Pfeiler zu schwer sei, wurde nicht begründet. Ferber schlug vor, das schlichte Ansehen der Dachfenster durch ein Mezzanine zu beheben. Unter Mezzanine ist ein niedriges Geschoß, ähnlich wie in Lockes Plan, zu verstehen. Exner legte auch hierzu keine Zeichnung vor, sondern erklärte nur, daß der Gedanke undurchführbar sei „wegen verschiedener Bedenklichkeiten wegen Schönheit und Festigkeit“. So war immer nur zwischen zwei Möglichkeiten, Exners Attique und seinen „schönen Profils“ einerseits und den Schmidtschen Pfeilern mit der Mansarde anderseits, zu wählen. Prinz Xaver entschied sich fürs erste, Kurfürst Friedrich August dann fürs zweite.

Als Eigenwillig den Gedanken der Attique wieder aufnehmen wollte, griff Exner noch einmal in die Plangestaltung der Kreuzkirche ein. Er wandte sich gegen die Attique und führte dabei an (Abb. S. 132), daß weder sie, noch die Mansarde vom Trottoir der umliegenden Gebäude aus

[132]
Vergleichende Querschnitte der Kreuzkirche mit Schmidts Pfeilern vom Jahre 1776.
Maßstab 1 : 500.

Exners Attique. Original im Hauptstaatsarchiv.

Eigenwilligs Attique. Original im Hauptstaatsarchiv.

[133]

Exners Mansarde. Original im Hauptstaatsarchiv.

sichtbar sei und daß Eigenwilligs Plan „wegen des innerlich schlechten Effektes auf alle Fälle keine Beachtung“ verdiene. Wie die Innengliederung über den Pfeilern gedacht war, hatte Eigenwillig nicht an­gegeben. Hier war die Wand etwa doppelt so hoch als die Ordnung mit Gebälk. Dafür gewähre, nach Eigenwillig, das flache Dach den Vorzug der besseren Ver­bindung und Festigkeit einer Mansarde gegenüber, und die platte Decke gestatte ungehemmtes Licht fürs Schiff.

Hölzers Mansarde. 1778.
Original in der Kupferstichsammlung F. A. II. Nr. 98 563.

Im Auftrage der Oberbaukommission begann nun Hölzers erste Tätigkeit für die Kreuzkirche. Exners Mansarde wurde zur Erhöhung der eingeführten Lichtmenge abgeändert (Abb. S. 133), der Querschnitt des Gewölbes korbbogig gehalten und das Dach dadurch leichter und niedriger. Der letzte Attiquerest fiel. Der Turm setzte sich mit seitlichen freistehenden Säulen auf, hinter ihm lief sich die jetzt rundgeführte Mansarde tot. Der Schmidtsche Innenraum blieb im wesentlichen erhalten. Da war es ein Vorschlag Eigenwilligs, der ihn doch noch zu Falle brachte. Durch Erweiterung der Lukarnen, Einschränkung der zweiten Empore und verschiedene kleine Änderungen Hölzers werde die Kirche genug Licht erhalten. Es genüge dann ein flaches Dach über die ganze Kirchenbreite. Das sei dauerhafter und minder kostbar. Der ein­gehend begründeten Bitte des Rates hatte die Kommission und Hölzer keinerlei technische und praktische Gesichtspunkte entgegen zu stellen, so wurde sie gewährt, zum Schaden der künstlerischen Innenwirkung.

Eigenwillig zeigte sich in seinen Vorschlägen lediglich als Bauhandwerker. Es fehlte ihm nicht nur an künstlerischer Produktivität, er hatte weder Verständnis für das künstlerisch Wertvolle, noch

[134]

Exners Mansarde 1768.

Massenskizzen
zur Kreuzkirche.

Maßstab 1 : 1000.

Hölzers Mansarde 1778.

 
 

Hölzers flaches Dach 1778.

 

Hölzers approbierter Plan 1781.

 
 

[135] für das Zweckgemäße in anderen Plänen. So schloß er ohne ersichtlichen Grund die Arkaden niedriger, als Schmidts Plan angab, lediglich weil sie in Exners Plan aus anderer Absicht auch niedriger waren, und wollte auch die Überdeckung der Emporen in sehr ungeschickter Weise (Abb. S. 132) abändern. Bei der Umgestaltung der Schmidtschen Waisenhauskirche zeigte er das gleiche Unverständnis, kassierte u. a. die lichtspendende Mulde über dem Mittelsaal dem einfacheren Dache zuliebe. Weder für die Mansarde, noch für das flache Dach hat er die allerdings schwierige Konstruktion selbst gezeichnet, sondern Hölzer diese Aufgabe überlassen. Die früheren Ratsbaumeister Bähr und Schmidt hatten sich auf die Verwendung von Holz und Stein gleich gut verstanden. Dank ihrer künstlerischen Schulung und Befähigung hatten sie gerade durch Abgehen von den einfachen Dachtypen und durch reichere technische Durchbildung den protestantischen Kirchenbau bereichert.

Hölzers Turm zur Mansarde.

Hölzers approbierter Turm.


4. Hölzers Ausführungspläne.
Turm und Außengestaltung.

Das Hauptgebäude war, als Hölzer zugezogen wurde, bis zur Umfassungsoberkante fertig. Der Wegfall der Mansarde hatte auch den eines Turmgeschosses zur Folge. Der Exnersche Turm mußte daher umgestaltet werden, doch war die Grundform beizubehalten. Hölzer[167] gab dem obersten Geschoß die Stärken des vierten, dagegen die Höhe des dritten Exnerschen. Das mittlere zweite Geschoß mußte stärker werden als das dritte Exnersche. Infolgedessen kam es zum teil (mehr als in Schmidts Plan) auf den Orgelarkadenbogen zu stehen.[168] Die Kommission und Exner trugen jetzt [136] kein Bedenken dagegen. Breite und Tiefe dieses Stockwerkes sind gleich. Die oblonge Grundform wurde zum abgeeckten Quadrat, einem Spezialfall. Die Verjüngung zwischen den Geschossen nahm Hölzer ungefähr gleich groß an. Nur gestaltete er (ähnlich wie Schmidt) das Uhrpostament mit dem Wächtergang massiger, gab ihm gleiche Tiefe wie Breite und vermittelte durch die Wächteraustritte den Übergang zur oblongen Grundform der Turmspitze. Diese wurde kräftiger modelliert, in eine Laterne mit starker Einziehung übereck, in Haube und schlanken vasenartigen Obelisken. Die Gesamthöhe ist nur einige Meter geringer als bei Exner. Dessen kleinliche Details, wie der Muschelschmuck, verschwanden gänzlich, andere, so die Schallfenster für die Uhrglocken, wurden in festen Zusammenhang mit den Simsen gebracht, oder in die Füllungslinie straff eingepaßt. (Abb. S. 104 und 105.)

Durch die Änderung der Massengliederung, des ganzen Rhythmus und der Silhouette ist der Turm zu einer selbständigen Schöpfung Hölzers, zu einem der besten der gleichzeitigen Architekturepoche geworden. In seiner „noble simplicité“ wartet er auf die Würdigung durch die Kenner. Aber er enttäuscht auch nicht bei liebevollem Studium seiner Eigenart, sondern zeigt immer neue Reize. „Wer von den Elbtalhöhen den Blick über Dresden schweifen läßt, wird sich nicht der mächtigen Wirkung entziehen können, den der jedes überflüssigen Schmuckes entbehrende, edle und einfache Bau auf jeden ausübt, der Sinn für architektonische Formen besitzt.“[169]

Der Anschluß des Turmes ans obere und untere Dach, die durch Hölzer gleiche Neigung er­hielten, bot einige Schwierigkeit. In den Plänen ist zur Freihaltung der hinteren Turmsäulen eine kleine steile Walmfläche gedacht. Erst nach Fertigstellung des Turmes entschied man sich endlich für die ausgeführte Lösung, nachdem fast 10 Jahre lang der Anschluß nur provisorisch erfolgt war. Dem veränderten Turmplan entsprechend wurde das bereits fertige Brüstungsgeschoß über der Haupttür zu einem Vasenpostament mit Tafel umgestaltet und seitlich davon das der Attique wegen fehlende Relief nachträglich, aber nur flach, eingespitzt. Die Erweiterung der Lukarnen war schon vorher erfolgt.

In der Ausführung wurde die Silhouette des Turmes etwas strenger durch den Wegfall seiner Vasen und durch die Verrundung des kantig gedachten Obelisken. Auch die auf dem Brüstungs­geschoß geplanten Vasen blieben weg. Bei Schmidt hatten diese Aufsätze über den Pilasterbündeln fialenartigen Charakter und waren fürs Auge nötig, um den an der Anschweifung der Attique ab­gleitenden Blicken einen Halte- und Wendepunkt zu geben. Krubsacius, Exner und Hölzer nahmen sie in ihre Entwürfe herüber und bildeten sie nach ihren Formenempfinden um. Zweimal beantragte das Konsil ihre Weglassung aus Ersparnisgründen. Die Oberbaukommission erklärte aber, „einem jeden, der auch noch so wenig Kenntnis in der Baukunst besitze, würden die leeren Postamente als etwas Unvollkommenes in die Augen fallen. Die Kirche habe überdies keinen Überfluß an äußerer Dekoration.“ Erst 1793 gestattete der Kurfürst dem Rat, daß die Beschaffung dieser Zierstücke „zur Zeit ausgesetzt“ werde und daß auch der geplante Figurenschmuck wegfalle. Für letzteren fehlte nach Eigenwilligs Bericht nicht nur das Geld, sondern auch „sattsam dazu geschickte Künstler“. Zur Sicherung gegen Feuersgefahr erhielt der Turm drei steinerne „Wetterböden“ und auf Vorschlag der Oberbaukommission (1783) einen „Gewitterableiter“, eine technische Neuheit jener Zeit.[170] „Auch wird in diesem Teile der Stadt kein schicklicherer Platz zu einem Ableiter zu finden sein.“ Der Kurfürst ordnete aus eigener Erwägung den nach heutigen Anschauungen unbedingt erforderlichen Anschluß des Kupferdaches an.[171]

[137]
Der Innenraum und seine Dekoration.

Wie sich Hölzer die Raumgliederung zu seiner Mansarde dachte, ist in Plänen nicht überliefert.[172] Nach Annahme des flachen Daches setzte er das Gewölbe des Mittelsaales in halbkreisförmigen Quer­schnitt ohne jede Überhöhung auf das Pfeilergebälk. Kappen vermittelten den Anschluß der Arkaden.

Querschnitt durch die Kreuzkirche, nach der Originalzeichnung Hölzers im Pfarrarchiv. Maßstab 1 : 270.
Aus „Gurlitt, Kunstdenkmäler Dresdens“.


[138] Ziemlich hoch über diesen waren die Emporenräume mit flachem, nach der Außenwand zu gespanntem Gewölbe abgedeckt. Die lichte Höhe des Mittelsaales betrug mit 25 m nur 1/4 mehr als seine Breite und nur 2 m mehr als die Höhe der Seitenschiffe. Eine künstlerische Zusammenfassung der Räume in der Deckenbildung war infolge der zu tief geschlossenen Arkaden Eigenwilligs nicht möglich. Differenz in der Helligkeit machte diesen Mangel besonders fühlbar. Wandflächen und Decke des Saales hoben sich dunkel ab von den gut beleuchteten Seitenschiffen und der hellen Lichtfläche der Fenster. Um mehr Licht für den Mittelsaal zu gewinnen, wurde die oberste Empore schmäler gehalten, nicht balkonartig, wie anfangs beabsichtigt war (Grundrisse im Hauptstaatsarchiv), sondern nur zwischen den Pfeilern im Bogen zurückgezogen. Der Altar wurde, als reicher geschmückter Teil der Wandarchitektur, durch eine Säulenstellung gebildet und hob sich von der dunklen Nische in sehr schlanken Verhältnissen ab. Die Kanzel wurde an eine Langseite verlegt und darum ein Teil des Gestühls im Parterre parallel zur Hauptachse gestellt.

Inneres der Kreuzkirche vor 1894.
Aus „Kirchenbau des Protestantismus“.

Die Gliederung des Saales, das Do­minieren der Säulenordnung war jetzt ähn­lich wie es Exner erstrebt hatte, aber in faßbarer Größe. Freilich die Wirkung ist in der Zeichnung anders, lebensvoller und reicher als in der Perspektive. Die erwartete be­friedigende Beleuchtung trat nach der Aus­führung nicht ein und die Akustik stellte sich als sehr schlecht heraus.

Die Hölzersche Dekoration erinnert an seinen Akademie-Preisentwurf. Aufsteigende Gurte des Gewölbes sind wie dort als Flechtbänder, aber konsolartig gebildet und tragen eine Lorbeerwulst als Rahmen für das ge­plante Deckenbild. Weiter treten Tafeln auf, geometrische, von rahmenbildenden Profilen umsäumte Füllungen, dann Girlanden und Kränze. Kränze hatte Hölzer wohl an seinem Vitzthumschen Palais, dann bei der Aus­stattung des Landhauses erstmalig verwendet. Das Vorherrschen der Laubgewinde zeigt der Preisentwurf noch nicht. Hier wie dort sind Engelsköpfe mit Flügeln auch am Gewölbe verwendet. Sie haben in einer Variante ein Stück Wolke mit Strahlenbüschel als Hintergrund und gleichen genau der Arkadenverzierung in Lockes Plan, eine Reminiszens aus Hölzers Lehrzeit. Die übliche Sonne über dem Altar mit dem durch Wolken schauenden Auge Gottes ist dem Exnerschen Entwurf gegenüber in einer fürs Auge faßbaren Größe (4 m Durchmesser). Unter dem Druck des Kabinetts mußte Hölzer seine Schmucklust zügeln. Seine ersten Pläne enthielten noch Kornähren und Weinlaub als Füllungen an der Altarwand, ein Gitter aus Blätterwerk als Altarbalustrade, Ge­hänge längs der ganzen Betstubenflucht und Vasen über ihrem Abschlußsims.

Die Ausführung der Dekoration ist in Stuck gedacht. Stuck überzieht die Sandsteinflächen, aus Stuck sind die Verzierungen. Nach dem ersten Entwurf wollte Hölzer zur Tönung der glatten Flächen noch die zarten Farben Louis XVI. verwenden, Grün, Rötlich und Paille (Strohgelb). Sein zweiter Plan ist nur in Licht und Schatten gehalten. Unter der Einwirkung der Antike und ihrer Gipsabgüsse begann das Weiß seine Herrschaft, nur sporadisch durch Gold gehoben. Auch alles Holz­werk, Betstuben, Gestühl, Kanzel und Orgelgehäus erhielt einen weißen Überzug und mußte sich dem Stuckcharakter beugen. Der Kurfürst schlug vor, zur Verbilligung die Stuckornamente nur aufzumalen. Die Oberbaukommission sprach dagegen, „weil, wie in den meisten Kirchen, infolge des vielen widerprallenden

[139]

Inneres der Kreuzkirche 1895–1897.
Nach der Renovation.

Inneres der Kreuzkirche im Festschmuck 1839.
Nach einer Steinzeichnung im Ratsarchiv.

[140] Lichtes es dem Maler schwer würde, Licht und Schatten an den rechten Ort zu bringen“. Nicht etwa aus unseren heutigen stilistischen Gründen heraus erfolgte eine Ablehnung. Die Dresdner Fassadenmalerei der Zeit betrachtete es als selbstverständlich, plastische Formen nachzuahmen. Sie stand unter dem Einfluß des Stuckstils. Mit dem Beginn der Barocks hatten die Stukkierer in Dresden ihren Einzug gehalten. In naturalistischer Form hatten sie beim Palais im Großen Garten ihre Tätigkeit begonnen. Mit den Porzellanmodelleuren und den Rahmenmachern hatten sie die charakte­ristischen Formen des Rokokostils geschaffen. Allen Architekten des 18. Jahrhunderts hatten sie gedient, einem Pöppelmann und Bähr, einem Longuelune und seinen Schülern, zuletzt auch dem Akademie­geschmack. Aber mit der verminderten Nachfrage schwand die Fertigkeit dieser Gewerken. Die Orna­mente der Kreuzkirche wurden sehr plump und schematisch ausgeführt. Der Mangel an Geld in Dresden ließ die billigere Malerei in den Vorder­grund treten.

Lageplan der Kreuzkirche. Maßstab 1 : 2000.

Hölzers Kreuzkirche, wie sein Turm, so auch der Innenraum, ist wohl das beste Werk der damaligen Dresdner Akademierichtung. Unter dem Einfluß verwässerter Theorien im Munde des Kabinettssekretärs und unter dem Einfluß des Geldmangels ging bei der Ausführung viel von der beabsichtigten Wirkung verloren. Das Deckengemälde fiel ganz weg. Die Betstubenfassaden wurden noch mehr vereinfacht. Die Pläne (Abb. S. 137) zeigen eine Großartigkeit der Auffassung, die an der Antike studiert ist. Hölzer konnte eine rühmliche Ausnahme machen unter denen, die jene Epoche des Dresdner Klassizismus mit Recht in Mißkredit brachten. Denn er war eine schöpferische Künstler­persönlichkeit mit reichem selbständigen Formen­empfinden. Was ihm fehlte, war nur die genügende praktische Betätigung seines Könnens. Nur das immer erneute Erleben der Phantasiegebilde kann den Meister der Baukunst zur Höhe führen, kann die Raumanschauung ausbilden und das Eintreten der beabsichtigten Wirkung sichern. Diese Schule künstlerischer Praxis fehlte allen Architekten, die aus der damaligen Akademie hervorgingen, sie hinderte vor allem Hölzer, zu der Bedeutung innerhalb der deutschen Baugeschichte aufzusteigen, zu der er befähigt war.


5. Die Umgestaltung im 19. Jahrhundert.
Gutachten von Lipsius und Wallot.

Nur eine kurze Lebensdauer war dem Schmidt-Hölzerschen Bau beschieden. Als die Jahr­hundertfeier seiner Einweihung nahte, traf der Kirchenvorstand Vorbereitungen zu einer gründlichen Umgestaltung[173] des Innern, zu einer Beseitigung der Mängel des Baues, die immer fühlbarer wurden. Auch jetzt wandte man sich an den Professor für Baukunst an der Akademie, Lipsius, mit der Frage, „was zur würdigen Instandsetzung des Innern der Kreuzkirche und zur möglichsten Abhilfe seiner Mängel geschehen könne“. In einem Gutachten vom 25. Dezember 1891 und fünf Blatt Zeichnungen legte er seine Ansichten dar.

[141] Nach Lipsius waren Akustik und Beleuchtung die Hauptübelstände. „Die Akustik ist mangel­haft, weil die Kirche zu akustisch ist. Das fällt sofort bei Orgelspiel und Gesang auf.“ „Auch der Umstand, daß die Kanzel unmittelbar an einen der Pfeiler zu stehen kam, von welcher aus die Wölbung aufsteigt, ist für die Akustik ungünstig. Demgegenüber empfehle ich, die Kanzel der Grundrißanordnung entsprechend auf die Längenachse zu verlegen und etwa vier Stufen unterhalb des Altarpodestes (also wohl im Schiff) anzubringen und die oberste Empore ganz zu entfernen.“ Deren Wegfall müsse die wirklich imposante und großartige Bauanlage ganz bedeutend in ihrer Wirkung steigern und die Akustik verbessern, wie das Beispiel der (damals renovierten) Dreikönigskirche zeige. Die Beleuchtung der Kirche werde durch diese Änderung gleichfalls günstiger, doch werde für die Altarseite wenig gewonnen. „Mein Gedanke geht daher dahin, durch Anbringung eines Deckenoberlichtes speziell Altar und Altar­platz zu erleuchten. Ich verspreche mir von dieser Anordnung, die aus der Planidee entwickelt ist und in ihr gewissermaßen latent enthalten ist, daß die im ursprünglichen Grundplan dominierende Längenrichtung, der Zug zum Altar zur berechtigten Geltung gelangen wird.“ Das Betstubengeschoß müsse in seinen Hauptverhältnissen unberührt bleiben als ein „für die glückliche Gesamtwirkung der Kirche unentbehrlicher Faktor“. Er schließt mit dem S. 42 angeführten Hymnus auf die Raumanlage.

Die Pläne von Lipsius sind im Pfarrarchiv nicht erhalten. Eine Pause in seinem Nachlaß[174] zeigt über dem Altarwalmpunkt einen säulengegliederten Tambour mit flachem Glaskuppeldach. In einer Variante sind nur lichtspendende Dachfenster vorgesehen. Das runde Oberlicht über dem Altar sollte in Gelb und Weiß eine strahlende Sonne darstellen. Über der Orgel sollte als Gegenstück ein Bild mit singenden Engeln Platz finden, im Mittelfeld der Decke aber ein goldschraffiertes, großes Kreuz auf lichtblauem, mit Goldsternen geschmücktem Grunde. Die Färbung der Kirche sollte licht, aber nicht trübe und stumpf, und mit sparsamer Vergoldung erfolgen. Für die Betstubenwand wurde ein reicher Schmuck an Säulen und Pilastern, sowie eine balkonartige Erweiterung nach dem Mittel­schiff zu vorgesehen und die Glasfenster beseitigt, „einem mehrfach geäußerten Wunsch entsprechend“.

Etwa ein Jahr später wandte sich der Kirchenvorstand um Rat nach Berlin an den Baumeister des Reichstagsgebäudes. Geheimrat Wallot erklärte in seinem Gutachten vom April 1893, daß man nach seiner Überzeugung von jedem größeren baulichen Eingriff in das nun einmal Bestehende und vom Erbauer Gewollte absehen müsse. „Denn wenn auch nach Schmidt andere und ‚eigenwillige‘ Meister den Bau weiter führten, so werden sie, wie die Verhältnisse nun einmal lagen, doch der Haupt­sache nach die Entwürfe Schmidts zur Ausführung gebracht haben.“ Die schlechte Akustik liege an dem im Verhältnis zur Tiefe zu niedrigen Raum unter den Betstuben, an den Pfeilern, deren Rückseite den Schall an die Außenwände werfe und an den vielen Winkeln derselben verhallen lasse. Es seien wenig Holzflächen vorhanden, und die oberste Empore schon deshalb zu erhalten. Die Verbesserung der Hörfähigkeit sei ohne eine Umgestaltung des ganzen Baues schwer zu erreichen. „Unzweifelhaft günstig würden kleinere hölzerne Einbauten im Form offener Treppenhäuser in den Ecken rechts und links von der Orgel wirken. Es sind an diesen Stellen tatsächlich schon Treppenanlagen vorhanden, und wenn man dieselben in geschickter Weise ausbildet, so könnten sie eine Zierde des Raumes werden. Der Weg, der zu beschreiten wäre, ist meines Erachtens vorgezeichnet in der Ausbildung ähnlicher Bauteile im Innern der Frauenkirche. Bährs genialer Bau ist ja überhaupt vorbildlich gewesen für die tüchtige Leistung seines Schülers Schmidt.“ Die Verbesserung der Tagesbeleuchtung erscheine ihm erheblich einfacher als die der Akustik. „Das Licht ist, wenn auch nicht reichlich, so doch ausreichend. Der Raum erscheint dunkler, als er tatsächlich ist.“ Gegenüber den hellen Fensterflächen erscheine das Danebenliegende, die Seitenschiffe und der Innenraum dunkel. Weiter trage die trübe Farbe des Innern daran Schuld. „Es fehlen die Kontraste zwischen hell und dunkel.“ Das einfache und untrügliche Mittel, um den düsteren Charakter des Innern aufzuheben, bestehe darin, alle Architektur- und Mauerteile möglichst hell, sogar weiß zu streichen, und dann mit diesen hellen Flächen alle Holzteile

[142]

Kreuzkirche. Blicke auf die Altarseite nach dem Brande vom 16. Februar 1897.

[143] in scharfen Farbkontrast zu stellen. Die Art der Färbung sei nicht so wichtig. Er schlägt vor, das Gestühl braun zu halten, die Ansichtsflächen der Emporen, Bet- und Beichtstuben andersfarbig, etwa graugrün, die Ornamente in Ockertönen, im Mittelraum wirklich vergoldet, die zurückliegenden Wandflächen in den matten hellen Farben des 18. Jahrhunderts.

Eine Farbstudie und zwei Grundrisse lagen dem Gutachten bei. Sie sind im Pfarrarchiv nicht erhalten. In den Grundrissen schlug er eine Erweiterung des Orgelchores vor, durch die ein Teil der Erdgeschoßplätze in Wegfall kommen sollte. Damit die freistehenden Säulen seitlich der Orgel nicht vom Chorfußboden durchschnitten würden, könnten sie durch Karyatiden ersetzt werden.

Kreuzkirche. Änderung der Orgelempore und
der Altarwand unter Scherz 1894/95. Maßstab 1 : 250.

Kreuzkirche. Grundriß vom Erdgeschoß
bis 1894. Maßstab 1 : 1000.
Kreuzkirche. Grundrisse der Gräbnerschen Umgestaltung 1897–1900.
Altes Mauerwerk schraffiert. Maßstab 1 : 1000.
Aus der Deutschen Bauzeitung.

Die beiden Gutachten sind für die Beurteilung der damaligen Kreuzkirche wertvoll, weil es wohl das einzige Mal war, daß zwei erfahrene ausübende Architekten den Bau selbst auf seine Werte und Mängel hin eingehend studierten, mit anderen Bauten Bährscher Schule verglichen und sich für ihre Änderungsvorschläge nachschaffend in die Anlage vertieften. Dazu kommt, daß als Gutachter zwei anerkannt hervorragende und von ihren Fachgenossen hochgeehrte Meister berufen wurden.

In den Jahren 1894 und 1895 fand eine umfangreiche Renovation des Innern statt (Abb. S. 143). Vom Architekten Emil Scherz, einem Lipsius-Schüler, wurden mit teilweiser Be­rücksichtigung der verschiedenen Vorschläge neue Pläne ausgearbeitet, über die auch das Direktorium des Vereins für kirchliche Kunst gehört wurde. Lipsius selbst starb im April 1894. Die wichtigsten Veränderungen sind aus der Abbildung S. 139 zu ersehen. Die vollständig dunkle Altarnische, der letzte Rest des Chorraums Bährscher Schule, wurde durch Wandteile völlig abgetrennt und die Sänger­empore mit Hilfe von Eisenkonstruktionen weiter vorgekragt. Die Fenster des Brüstungsgeschosses, [144] die der Treppenhäuser ausgenom­men, wurden nach unten zu durch Eintiefen in die Ablaufschicht ver­größert und im Schiff an der Orgel­seite unter den Betstuben einige Nebenräume abgetrennt.

Wenige Jahre später, am 16. Februar 1897, wurde das Innere der Kirche durch Brand vollständig zerstört. Nur der Turm und die Umfassungen blieben wieder ver­wendbar. Vermutlich durch einen Essendefekt hatten sich Dachhölzer entzündet. Die Kupfereindeckung hinderte zum Brandherd von außen mit Erfolg vorzudringen. Man nahm irrtümlich an, das Gewölbe sei von Stein und widerstandsfähig. So wurden auch alle Ausstattungs­stücke, Bibliothek und Archiv ver­nichtet. Die Bilder vom Brand[175] lassen noch einmal deutlich das Raumsystem der Anlage erkennen. Wie wirkungsvoll mußte Schmidts Anlage sein, nach dessen Plan auch etwa in der Höhe der noch stehenden Saalmauern das Licht reichlich in den Innensaal strömen sollte. Die Pfeiler haben, dank ihrer soliden Herstellung, standgehalten, obwohl ihr Querschnitt durch die Hitze be­deutend verringert wurde.

Kreuzkirche. Vorschlag von Gräbner
für Bereicherung der Fassade.
Aus der Deutschen Bauzeitung.

Die Gräbnersche Neugestaltung.

Der Kirchenvorstand tat sofort alle Schritte zu würdiger Erneue­rung des Gotteshauses. „Pietät­volle Erhaltung des Charakters der Kirche und Beseitigung der früheren Mängel in bezug auf Feuersicherheit, Akustik und Tagesbeleuchtung“ sollten [145] die maßgebenden Gesichtspunkte hierbei sein. Nach einem engeren Wettbewerb[176] wurde ein Ent­wurf von Schilling & Gräbner (als der beste) zur Ausführung gewählt. Am 9. September 1900 war diese bereits beendet.

Das Äußere der Kirche wurde nur durch den Anbau einer Unterfahrt vor der Brauthalle be­reichert. Der Vorschlag, das Relief und die Silhouette der Kirche durch angelegte Säulen mit Figuren zu beleben (Abb. S. 144),[177] kam nicht zur Ausführung.

Im Innern wurde nach Gräbners[178] Plänen die alte Stützeneinteilung wieder zugrunde gelegt, die Strebepfeiler und die Altarnische abgebrochen, die Treppen dahinter verändert, das Betstubengeschoß fiel ganz weg. Die zweite Empore blieb als Wandbalkon hinter den freien Stützen, die Arkaden wurden rund 2,20 m höher geschlossen (genau so wie in Schmidts Plan), ebenso das Saal­gewölbe (um 1,5 m). Die Seitenschiffe erhielten in Höhe des Arkadenscheitels ansetzende kleine Mulden als Überdeckung, der Mittelraum über sehr steilen Tonnenflächen eine elliptische Mulde. Der Altarplatz bekam eine eigene Deckenausbildung, eine in Kappen durchbrochene Halbkuppel. Die ersten Schiffspfeiler wurden zur Aufnahme eines Triumph­bogens verstärkt und die Stützen des Hauptraumes (auf eine Anregung des Bauherrn) als schlanke Säulen ausge­bildet.

Kreuzkirche. Quer- und Längsschnitt der Neugestaltung.
Maßstab 1 : 600. – Deutsche Bauzeitung 1905.

An der Orgelseite wurde für den altberühmten Kreuzchor eine auch für größere Kirchenkonzerte ausreichende Sängertribüne geschaffen. Der Mittelteil erhielt seine besondere Steinarchitektur. Ebenso fand der Altar eine von der Saalarchitektur unabhängige künstlerische Ausgestaltung. Durch ein Fenster über ihm wurde auch an dieser dunkelsten Stelle der Überdeckung Licht eingeführt. Nur im Parterre, in dem die jetzt er­forderlichen Nebenräume der Kirche Platz fanden, kehrte die Geschlossenheit der alten Grundrißlinie annähernd wieder. Der Raum darüber wurde zur Quer­achse des Baues symmetrisch gestaltet. In der Übereinstimmung von Innenraum und Fassaden dachte der moderne Architekt konsequenter als das 18. Jahrhundert. Als Fassungsraum wiesen die Pläne 3476 Sitzplätze auf, davon 1538 oder 44 % zu ebener Erde einschließlich 250 auf dem Altarplatz, 1156 auf der Hauptempore (genau so viel wie bei Schmidt), 372 auf der Zwischenempore, 410 auf der obersten. Die konstruktive Durchbildung entspricht dem Stande der heutigen Technik. Die Überdeckung ist in Eisenbeton nach Entwurf von Professor Böhm[179] ausgeführt, der Dachstuhl von Eisen konstruiert, die Sparrenfelder

[146]

Inneres der Kreuzkirche. Blick auf Altar und Orgelseite nach der Wiederherstellung durch Baurat Gräbner.

[147] mit Eisenbetonplatten ausgefüllt. So dürfte die Kirche, die schon viermal vom Feuer hart betroffen wurde, nach menschlichem Ermessen für die Zukunft vor solchen und ähnlichen schweren Schicksals­schlägen gesichert sein.

Die Gräbnersche Neugestaltung der Kirche läßt die Raumschönheit und Weiträumigkeit der Anlage in erhöhtem Maße zur Geltung kommen. Die einheitliche Komposition der Deckenbildung, die dem Hölzerschen Plane fehlte, ist jetzt wieder erreicht. „Frei und hoch wölbt sich der Raum. Frei und

Kreuzkirche. Nordseite. Ansicht vom Jahre 1905 vor dem Neubau
des vorliegenden Gebäudeblockes.

unbehindert richtet sich der Blick des Besuchers auf die Orte, in welchen die gottesdienstliche Handlung vor sich geht. Die Emporen sind so angelegt, daß das volle Licht unverkümmert Zutritt zu dem mächtigen Kirchenraum hat und ihn in leichter Dämpfung in allen Teilen fast gleichmäßig erhellt.“ Die Opaleszentverglasung der Fenster, die erst in zweiter Linie als selbständige künstlerische Gebilde wirken wollen, mildert die Gegensätze und gibt durch ihren weichen, warmen Ton dem Innenraum einen erhöhten Stimmungsgehalt. Neben der Raumwirkung liegt der Schwerpunkt auf dem plastischen Schmuck. Die ersten Pläne zeigten in Anlehnung ans Alte eine reiche Durchbildung in den Stilformen der Epoche Louis XVI. Unter der Hand wandelten sich dem ausführenden Architekten die Formen, erfüllten sich mit modernem Geist in individueller künstlerischer Gestaltung. „Selten ist, schreibt der berufene Kritiker, in der Gegenwart ein nicht in voller Unabhängigkeit befindliches Werk geschaffen [148] worden, bei welchem die künstlerische Erfindung eine so freie und neue und dabei doch wieder eine so einheitliche und in den gegebenen Rahmen sich einordnende war, wie die heute in schöner Harmonie vor uns stehende verjüngte Kreuzkirche.“

Was die Gemeinde im 18. Jahrhundert erstrebt und nicht erreicht hatte, wurde ihr an der Schwelle des 20. Jahrhunderts zuteil. Die Hindernisse, die einst entgegen gestanden hatten, waren nicht mehr in gleichem Maße vorhanden dank einer veränderten Verfassung und Verwaltungs­organisation, dank der veränderten sozialen Stellung der freien Architekten den beamteten gegenüber, dank der vorhandenen Geldmittel, dank der Ausschaltung aller ästhetischen Gesichtspunkte aus den bau­polizeilichen Revisionen. Meinungsverschiedenheiten aber und Einwände gegen Konstruktionen, an denen es auch diesmal nicht gefehlt hat, ließen sich ausgleichen und zurückweisen auf Grund moderner, einwandfreier, wissenschaftlich begründeter Berechnungen. Aber auch die Klippen, die den modernen Kirchenbauten, vor allem Umbauten drohen, sind glücklich vermieden worden. Durch das harmonische, gegenseitig fördernde Zusammenarbeiten zwischen Bauherrn und Baukünstler wurde die Kirche „ein selbständiges, von Nachahmung freies, künstlerisch hochbedeutendes Werk“. „Wohin wir blicken, ein­heitliche, vom Geist des Architekten beherrschte künstlerische Bildungen.“ „Die kleinsten Ausstattungs­stücke atmen den gleichen künstlerischen Geist.“ Der Grundsatz pietätvoller Anpassung ans Alte ist nicht zu schemenhafter, kunstwidriger, bloßer Kopie des Verlorenen erniedrigt worden.


Kreuzkirche. Gräbnersche Kanzel.

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  1. Hauptstaatsarchiv loc. 2445, Kreuzkirchenbau betreffend.
  2. Vergl. Hauptstaatsarchiv 2576, Wiederaufhelfung der Stadt Dresden und die Beförderung des Wiederaufbaues 1760–81.
  3. Vergl. Hasche, Dipl. Gesch. v. Dr. V S. 25 u. Mag. f. Sächs. Gesch. 1787 S. 38. Bei der Gemeinde erfreute sich Am Ende durch den ihm eigenen väterlichen Ton und die rührende, oft zu Tränen erweichende Art seiner Predigt großer Beliebtheit. Als eleganter Redner war er selbst von Friedrich dem Großen geschätzt. Der sehnlichste Wunsch des damals 60 jährigen, die Kreuzkirche noch einweihen zu dürfen, ist ihm freilich nicht erfüllt worden. Er starb 1777. Seine Berufung nach Dresden verdankt er der Fürsprache des Oberhofpredigers Herrmann, mit dem er als Schulgeselle von Pforta her befreundet war. Durch diesen mag er auch mit Maria Antonia, der Gemahlin des Kurfürsten Friedrich Christian, bekannt geworden sein. Sie schätzte ihn als Schöngeist und berief ihn öfters aufs Schloß. Bei diesen Besuchen, über die sich die Fürstin vor dem Papst rechtfertigen mußte, hat Am Ende auch für Förderung des Kirchenbaues gewirkt. So erbot er sich, ihre Vermittelung zur Überweisung der im Zeughaus liegenden Kirchenglocke anzurufen, nachdem einige Minister Weitergabe des Ratsgesuchs abgelehnt hatten. Erfolg hatte auch er nicht. Denn die Glocke war 1774 für die katholische Hofkirche gegossen, nur durfte sie nach dem Landesgesetz nicht auf­gezogen werden.
    Vergl. Weber, Maria Antonia und den Aufsatz des Verfassers über den katholischen Hof und die Kreuzkirche, Beiträge zur Sächs. Kirchengeschichte, Heft XVIII, 1905.
  4. Beim Bau der Frauenkirche hatte auf eine Eingabe des Oberkonsistorialpräsidenten an die Regierung der König 1722 die Einsetzung einer Kommission angeordnet. Sie bestand aus zwei Räten und dem Superintendent. Der Rat ist zuzuziehen. In der ersten Sitzung machte der Senatsvertreter energisch geltend, daß „die Kirche der Stadt und dem Magistrat eigentümlich zustehe, diesemnach sowohl ratione iuris patronatus als sonste die Fabrika und der Bau... nicht werde könne entzogen werden“. Vor allem die große Geldverlegenheit nötigte den Rat, sich doch zu fügen. Eine Mitwirkung der Kommission tritt nur im Anfang der Baugeschichte hervor.
  5. Nach dem Brand 1897 wurden die Grüfte wieder verlegt, die Pretiosen und ein Zinnsarg dem Stadtmuseum übergeben.
  6. Prinz Albert von Sachsen-Teschen (1738 geboren) war ein Bruder des Prinzen Xaver, der nach dem Tode des Kurfürsten Friedrich Christian am 14. Oktober 1763 die Administration der Kur Sachsen übernahm, und ein Schwager der Kurfürstin Mutter Maria Antonia. Seinen Studienheften in der Königlichen Bibliothek nach zu urteilen, scheint er sich früh für die Geometrie und die mathematischen Wissenschaften, zu denen ja damals auch die Architektur gerechnet wurde, interessiert zu haben. Er trat zunächst ins Heer ein. Seinen ersten Plan, Großmeister des deutschen Ordens zu werden, gab er auf. Vom Wiener Hof wurde er dann zum Generalfeldmarschall und Statthalter Ungarns ernannt und führte eine Tochter Maria Theresiens heim, durch die ihm das Fürstentum Teschen zufiel. Nach dem Siebenjährigen Kriege, an dem er als Heerführer beteiligt war, erhielt er die Statthalterschaft in den Nieder­landen und hat sie bis zu deren Lostrennung von Österreich innegehabt. Kurz nach der Beschießung Dresdens und nach dem Friedensfest hielt er sich mehrfach am sächsischen Hofe auf. Im Juli 1764 war er nicht mehr hier anwesend.
    Von seinem Verständnis und seiner Liebe für die bildenden Künste spricht vor allem ein Denkmal, das noch heute seinen Namen trägt, die Albertina in Wien. Diese an Kupferstichen und an Originalzeichnungen der ersten Meister reiche Kunstsammlung hat er begründet, durch große Summen aus seinen ansehnlichen Einkünften vermehrt und schließlich als Fideikommiß vererbt. In ihm lebte der hohe Kunstsinn seines Groß- und Urgroßvaters, der beiden polnischen Könige, der dem Prinzen Xaver, wie dem jungen Kurfürsten Friedrich August nicht eignete. Daß Prinz Albert auch für Architektur Verständnis besaß, bezeugt der von ihm korrigierte Baumeister Schmidt selbst. Er rühmt des Prinzen hohe Einsicht in die Baukunst und nimmt gern dessen Anregung für die Ausgestaltung der Fassade an. Die Kritik des Prinzen hat also fördernd auf die Ausreifung der Schmidtschen Pläne gewirkt.
  7. Zahlreiche Berichte, auch offizielle (im Hauptstaatsarchiv), sind erhalten. Vergl. hierüber den Aufsatz des Verfassers in den Beiträgen zur Sächs. Kirchengeschichte, Heft XVIII, 1905.
  8. Bei Bestellung des Sandsteins kam Schmidt in Konflikt mit der Regierung (RA., GXXIV. 34). Er wurde denunziert, sich mit einem böhmischen Schiffer Dix wegen Lieferung böhmischen Steines in einen Kontrakt eingelassen zu haben, ein Unternehmen, das „dem Landesinteresse von äußerstem Nachteil“ befunden wurde. Der sächsische Steinlieferant, Hoffaktor Uhlmann, hatte das Doppelte der churfürstlichen Taxe von 1737–59 verlangt, und da es nicht bewilligt wurde, die Steine nach Berlin geschafft. Schmidt erreichte schließlich durch vieles Zureden und unter Hinweis auf die Offerte eines Böhmen, zur Taxe zu liefern, einen Akkord mit Uhlmann zum 1 1/2 fachen der Taxe. Obwohl dieser schlechte und löchrichte Steine liefere, habe er an einen Kontrakt mit Dix nicht gedacht. Trotzdem wurde er in die Kosten des Verfahrens (2 Taler 21 Groschen) verurteilt und erhielt einen „nachdrücklichen Verweis“.
  9. Vergl. hierzu die ausführliche Darstellung des Verfassers in Beilage 43 des Dresdner Anzeigers vom 23. Oktober 1904 und in Nr. 66 bis 68 der Deutschen Bauzeitung 1905.
  10. So erstmalig in den „Merkw. der Krenzkirche 1792“.
  11. Sterberegister der Kreuzkirche 1774.
  12. Vergl. die Schrift über die Toten des Johannisfriedhofs. Königl. Bibliothek Hist. Sax. D. 448 misc.
  13. Hauptstaatsarchiv loc. 2257, Kreuzkirchenbau betreffend. VolI.
  14. Die Bauten von Dresden. 1878. Baugeschichtlicher Teil. S. 102.
  15. Hauptstaatsarchiv loc. 2256, Bausachen zu Dresden betreffend.
  16. Vergl. RA., BII. 42. 69 und 104,0.
  17. Vergl. den Aufsatz „Bährs Ende“ von Professor Dr. Richter; Dresdner Geschichtsblätter.
  18. Lohse hatte nach Keller (Nachrichten usw. 1788) „Gelegenheit, größere und kleinere Gebäude auszuführen“. Sein eigenes Haus in der Moritzstraße fiel dem Durchbruch der König-Johannstraße zum Opfer. In seinen Werken zeigt sich Lohse als Akademieschüler. Ein Einfluß Schmidts ist nicht nachweisbar. Von Lohse stammen eine Anzahl Kopien in der Kupferstichsammlung F. A. II.
  19. Eine zusammengehörige Gruppe von Gebäuden dieser Art sind folgende: An der Frauenkirche 14 und 16, das abgebrochene Charonsche Haus, Rampische Straße 3 und 5, 23, 25, 29, 3l. Anmutige Drei- und Vierfensterhäuser. Die verschiedene Feinheit der Details könnte vom ausführenden Stukkateur oder Bildhauer abhängen. Abbildungen in Gurlitt, Kunstd. Dresd., und Dietrich.
  20. Vergl. Hauptstaatsarchiv Abt. XI Rißschrank VII F 85 Nr. 35. Das Gebäude ist inzwischen gänzlich verändert.
  21. Gurlitt, Kunstd. Dresd., S. 710. – Dietrich a. a. O., Abb. 91 S. 58.
  22. Die Baupläne sind in der Königl. Bibliothek unter Hist. Sax. H. Nr. 1504, ein Grundriß in der Sammlung für Baukunst. Die Bauakten im Ratsarchiv sind verbrannt. Im Pfarrarchiv sind Akten nicht erhalten.
    Das Brandunglück hatte ein Eingreifen des Staates und Erlaß eines Ortsbaureglements zur Folge. Auch um den Kirchenbau kümmerte sich der Oberlandbaumeister Knöffel. Ein an Schmidts Plan sich anlehnender Grundriß (Königl. Bibliothek Hist. Sax. H. Nr. 1505 II) zeigt ganz seine Hand. Massive Treppen und Erweiterung des Orgelchores bedeuteten Verbesserungen des Schmidtschen Planes, die aber nicht zur Ausführung kamen. Daß Knöffel und nicht etwa der zuständige Accisbaudirektor Naumann die Hand im Spiel hatte, geht hervor aus einer Notiz auf dem Riß in der Sammlung für Baukunst „J. Ch. Knöffel 24. Aug. 1745“ und aus einem Aufsatz im Dresdner Stadt- und Landboten 1832 I „Sie ist nach Riß und Angabe des vormals berühmten Oberlandbaumeister Knifel erbaut“.
  23. Der alte Turm, an der Stelle der jetzigen Orgel, war eine Woche nach dem Brand eingestürzt. Der Schmidtsche Turm wurde nicht ausgeführt, sondern blieb, nur um die Türmerwohnung übers Kirchendach herausgehoben, unter einer Kuppel liegen. 1773 wurden Anschläge für den Weiterbau nach Plänen Lockes gemacht, doch erfolgte die Ausführung erst 1802 zum Teil nach Lockes Plänen. Diese in der Königl. Bibliothek Hist. Sax. H. Nr. 1505 I und 1506.
  24. Die Schmidtschen Pläne befinden sich im Pfarrarchiv.
  25. Eine ältere Photographie im R. A. läßt die Dekoration noch erkennen.
  26. Vergl. Richter, Atlas zur Geschichte Dresdens, 1898, Taf. 24. Daß der Neubau von Schmidt stammt, wird durch eine Notiz im „Sammler“ S. 338 belegt.
  27. Schmidts Autorschaft wird durch die amtlichen Listen belegt. Vergl. Hauptstaatsarchiv loc. 2256, Bau­sachen zu Dresden betreffend.
  28. Gurlitt, Kunstd. Dresd., S. 728 Abb. Nr. 609.
  29. R. A., C. XIII. 51 s, Gewandhausbau betreffend.
  30. Peter Coudray führt es in Stein aus für 70 Taler (Gewandhaus-Rechnungen im R. A.).
  31. Gurlitt, Kunstd. Dresd., S. 727 Abb. Nr. 611 (unvollständig). – Dietrich a. a. O., S. 58.
  32. 1797 dient es als solches einem Freiherrn von Friesen auf Rötha und gehört einer Geh. Rats-Witwe von Schaurath.
  33. Nach den Auszügen aus Kauf- und Lehnbüchern im R. A. wurde die Brandstelle 1766 durch den Stadt­schreiber Tr. Fr. Langbein erworben. 1772 erfolgte die Belehnuug. In der Zwischenzeit dürfte das Haus erbaut sein. Langbein war der Inspektor und Bauherr der Annenkirche. Die Beauftragung Schmidts lag nahe, ebenso wie Bor­mann 1770 sein Haus von Eigenwillig erbauen ließ (Teil IV a). – Gurlitt, Kunstd. Dresd., S. 735 mit Abb. Nr. 617. – Dietrich a. a. O., S. 58 Abb. Nr. 92.
  34. Die Lockeschen wurden im Oktober 1762 an den Rat abgegeben. Vergl. R. A., B. III. 43.
  35. Vergl. R. A., B. III. 37.
  36. Vergl. Archiv des Landeskonsistoriums, Kreuzkirche betreffend, vol. I Bl. 18 flg.
  37. Vergl. Landeskonsistorial-Archiv, Kreuzkirche betreffend, vol. I Bl. 82.
  38. Hauptstaatsarchiv.
  39. R. A., B. III. 39 zu Eingabe vom 31. Juli 1767.
  40. Die Zahlen für die Schmidtschen Entwürfe finden sich in den Erläuterungsberichten, für die Annenkirche auf den Plänen im Pfarrarchiv, für die alte Kreuzkirche im R. A., B. III 39 Bl. 44, für die Frauenkirche im R. A., B. II. 14 Bl. 104. Eine Betstube wurde zu 5 Sitzen gerechnet.
  41. Solche Verwechselung hat zu Irrtümern in der bisherigen Forschung geführt.
  42. Schumann, Dresdner Anzeiger 1882.
  43. Vergl. Prof. Heyn, Über die Wechselbeziehungen zwischen Gewölben und Widerlagsmauern. Civilingenieur, Band XLII, Heft 3.
  44. Annahmen: Sandsteinmauerwerk 2250 kg / cbm; Dachfläche einschließlich Lattung, Ziegel, Wind und Schnee 270 kg / qm (horizontal gemessen); Dachholz 270 kg / qm; Emporenlast 600 kg / qm.
  45. Vergl. Koch, Die natürlichen Bausteine Deutschlands, Berlin 1892. Tabellen auf Grund von Ermittelungen des Verbands Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine. Stein Nr. 729.
  46. Die Pfeiler haben sich auch beim Brand der Kirche 1897 bewährt. Obwohl höchstens 1/5 des Kernes intakt blieb, erfolgte kein Einsturz. Die Fundamente erwiesen sich als durchaus solid und tadelfrei.
  47. Vergl. die Rondeletschen Formeln (Hütte, 14. Aufl. II. S. 217). Die Scheitelstärke eines unbelasteten Halb­kreisgewölbes in Haustein beträgt nach der Formel  m bei 21 m Spannweite: 0,29 m.
  48. Hollenberg, Bemerkungen über verschiedene Gegenstände u. s. f. Stendal 1782.
  49. Kontregewölbe waren wohl damals noch nicht allgemein bekannt. In JF. Blondel, Cours d’Architecture. Paris 1771–73. Tour V Table LXVII, findet sich ein sehr einfaches Beispiel, das aber erst von Patte, Blondels Nachfolger, eingeschoben ist.
  50. Nach Schmidts Angabe auf den Frauenkirchenschnitt im R. A. beträgt die Gesamtlast der Außenkuppel von ihrem Gurt in Höhe des inneren Kuppelauges ab bis zur Spitze 10 000 000 kg. Mehr als ein Fünftel hiervon dürfte von der Strebekonstruktion kaum aufgenommen werden. Der Pfeilerquerschnitt beträgt nach Schmidt rund 4 qm. Die sonstige Pfeilerlast wird im Vergleich zur Kreuzkirche mit rund 800 000 kg anzunehmen sein.
  51. Die approbierten Pläne Bährs sehen eine Holzkonstruktion vor bereits von der Umfassungsoberkante ab, in ihnen sind aber auch die Pfeiler schwächer.
  52. Schmidts Verteidigung vom 3. Dezember 1768, vergl. Hauptstaatsarchiv 2257, Bl. 215 flg.
  53. Vergl. auch Königl. Kupferstichkabinett II. 940. A. 542.
  54. Fergusson, history of modern architecture, S. 383 flg.
  55. In: Die Bauten u. s. f. von Dresden, 1878. S. 103.
  56. Fritsch, Ein Werk über die Dresdner Frauenkirche. Deutsche Bauzeitung 1895, S. 44.
  57. R. A., D. XVII. 17 flg.
  58. Vergl. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens, Heft 2.
  59. R. A., B. II. 43. Eine Betstubenzeichnung in der Plansammlung des R. A. enthält ein Fenstermotiv der Kirche.
  60. Pläne in der Sammlung für Baukunst.
  61. Vergl. Fritsch, Ein Werk über die Dresdner Frauenkirche. Deutsche Bauzeitung 1895, S. 32.
  62. Vergl. R. A., B. II. 14. Bl. 188 flg. Bähr hat nach Knöffels Riß ein Modell gefertigt, um nachzuweisen, daß „nach demselben füglich nicht könne gebaut werden“.
  63. Vergl. Fritsch, Kirche für Magdeburg. Deutsche Bauzeitung 1895, S. 108.
  64. Ein Einfluß von Wrens Paulskirche in London erscheint naheliegend. Doch finden sich ähnliche Motive auch an süddeutschen Barockkirchen.
  65. Schmiedeberg und Hohnstein sind zwar Städtchen, aber mit sehr bescheidener Bewohnerzahl und mit durchaus ländlichem Charakter.
  66. Chronik der Stadt und Festung Königstein, 1879.
  67. Vergl. Gurlitt, Gesch. d. B. in Deutschl, S. 436.
  68. Zur Charakterisierung des Gottesdienstes der Zeit schreibt Blanckmeister (Sächsische Kirchengeschichte, Dresden 1895):
    „...man...überzog die Wände mit weißer Tünche, unter der die alten Wandgemälde verschwanden... und baute die Kanzel just (vereinzelt war das schon vorher geschehen) über den Altar, um die beherrschende Stelle der Predigt im Gottesdienst zu versinnbildlichen, und sorgte dafür, daß durch hohe weite Fenster das helle Sonnenlicht in die Stätte der Aufklärung flutete. Denn aller Mistizismus war dem Zeitalter verhaßt. An Stelle der Offenbarungs­wahrheiten Vernunftwahrheiten. Das nüchterne Geschlecht jener Tage erbaute sich ebenso an dieser Art der Ver­kündigung wie ein früheres an dogmatischen und polemischen Erörterungen.“
    Zur Ergänzung kann dienen das Urteil eines fremden Besuchers (Kleine Wanderungen durch Deutschland, Berlin 1786): „Die Einwohner von Dresden sind gute Christen, aber man hat nicht gehört, daß neue Messias unter ihnen aufständen. Sie scheinen vom Pietismus und Heterodoxie gleichweit entfernt zu sein, singen aus alten Gesang­büchern alte Lieder und erbauen sich von Herzen an den Predigten alten Stils ihrer Lehrer.“
  69. Die Bezeichnung der Geistlichen als Lehrer tritt in dieser Zeit öfters auf. Es ist nur eine innere Konsequenz, wenn auch die Kirchenräume etwas vom Charakter des Lehrsaals annehmen.
  70. Der Bährsche approbierte Entwurf von 1726 hatte an beiden Altarpfeilern gleichwertige Kanzeln, nachdem die axiale Stellung verworfen war. Bei der Konkurrenz für den Berliner Dom wurde von mehreren Teilnehmern eine doppelte Kanzelanlage vorgeschlagen. Vergl. Rb. d. Prot.
  71. In Großenhain war gleichfalls ursprünglich eine seitliche, frei im Raum stehende Kanzel geplant.
  72. R. A., B. II. 42. Annenkirche betreffend vom 21. April 1764.
  73. Vergl. Gurlitt, Zur Geschichte der Orgel, Deutsche Bauzeitung 1895, S. 494. – Prof. Dr. Rietschel, Die Aufgabe der Orgel im Gottesdienst bis ins 18. Jahrhundert. Leipzig 1892.
  74. Kopien befinden sich in der Kupferstichsammlung K. Fr. 1. II.
  75. Die jetzt vorhandene hat bei rund 200 qm Prospekt 4 Manuale und 92 Register, 6509 tönende Pfeifen und gilt als eine der größten in Deutschland.
  76. Nach einer Angabe Schiffners sollte der Raum über der inneren Kuppel als Garnisonkirche dienen.
  77. Nach Angabe von Geh. Hofrat Prof. Weißbach.
  78. Deutsche Bauzeitung 1894, S. 314.
  79. Vergl. Dibelius, Die Kreuzkirche 1900.
  80. Daß der konfessionelle Gegensatz in den Gemütern der Dresdner auch weiterhin lebendig blieb, wird uns noch 1786 von einem hochgebildeten und unbefangenen Beobachter bezeugt (Kleine Wanderungen durch Deutschland, Berlin 1786): „Ich habe von sehr angesehenen Leuten ernsthaft behaupten hören, Sachsen könne nimmer zu seinem vorigen Flor gelangen, solange der Landesherr katholisch bleibe. Der Eifer der Sachsen für das Luthertum bürgt vor allen gefährlichen Folgen von dieser Seite. Die hiesige katholische Gemeinde ist den rechtgläubigen Sachsen in Dresden ein Dorn im Auge. Denn ihre Kirche ist die prächtigste. Solange die Landstände ihr jetziges Gewicht behalten, dem Landesherrn geradezu verbieten können, auf den Turm seiner Kirche eine Glocke zu bringen, ob sie gleich schon seit Jahren gegossen ist (vergl. unter I a), hat Sachsen den propagierenden Geist des Katholizismus nicht zu fürchten.“ Weiter schreibt er: „Die Proselyten waren bis jetzt immer zweideutige, Baugefangene, Reitknechte u. dergl. Kein ehrlicher Sachse ist noch katholisch geworden, solange er sein Durchkommen als Protestant finden konnte.“
  81. Sulze, Die Dreikönigskirche, Dresden 1889: Bähr hat hier dem protestantischen Bewußtsein vollendeten Ausdruck verliehen. Es ist nicht genug daran zu lernen. Die weiten lichten Rundbögen wirken erhebend. Die störende, zopfige Dekoration muß man übersehen.
  82. Vergl. Kirchengalerie der Oberlausitz, Zittau; Schumann, B. u. R., S. 124. Archivstudien stellte mir Herr Dr. Ing. Rahtgens gütigst zur Verfügung.
  83. Gut erhaltene Kopien in der Königl. Bibliothek in Dresden, Originale im Zittauer Ratsarchiv.
  84. Uhlig lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Altenhain bei Chemnitz. Die Kirche in Mildenau ist 1835–39 erbaut. Drei Emporen umgeben allseitig einen Rechtecksaal von 9,44/20,43 m Größe und 13,58 m Höhe. Altar und Orgelwand sind geschweift. Die in Weiß und Gold gehaltene Kirche mit ihrer Lichtfülle macht einen feier­lichen, festlichen Eindruck. Sie gilt in der ganzen Umgegend bei der älteren Generation als eine besonders schöne Kirche. Als aber ein Nachbardorf eine ähnliche Kirche wünschte, mußte es von einem Kirchenbaumeister sich belehren lassen, daß die 50 Jahre alte Mildenauer ein „Schauspielhaus“ sei. Die Gemeinde bekam eine gotische Kirche und trägt nun schwer an den Kosten der ständigen Reparaturen. – Außer der Mildenauer sollen von Uhlig erbaut sein: die Kirchen in Altenhain selbst, in Großwaltersdorf bei Eppendorf und in Schwarzbach bei Elterlein.
  85. Größere photographische Abbildungen der Kirche vor und nach dem Brande sind in der Deutschen Bauzeitung 1907, Nr. 7 und 9 wiedergegeben. Eine illustrierte Monographie der Kirche von Faulwasser ist 1886 in Hamburg erschienen. – Ein Aufsatz vom Verfasser „Die Hamburger Michaeliskirche und der Dresdner Kirchenbaustil“ ist in den Hamburger Nachrichten Nr. 753 und 756 vom 25. und 26. Oktober 1906 veröffentlicht. Er sprach für moderne Weiterbildung der Baugedanken und leitete eine Debatte für und wider eine bloße Kopierung des zerstörten Baues ein.
  86. Vergl. Prof. O. Richter, Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden, Bd. II S. 334 flg.
  87. Eine Reihe von Zeichnungen in der Saml. f. Bauk. zu Schul- und Pfarrhäusern, Kalköfen u. s. f. dürfte auf Locke zurückgehen.
  88. Biographische Angaben im Archiv des Hofbauamtes. Lit. I. N. 3. Akta des Ziviloberbauamtes, Ver­pflichtungen betreffend, erg. Anno. 1745 flg.
  89. Hauptstaatsarchiv loc. 2215 Bl. 160.
  90. Vergl. Schumann, B. u. R. Knöffel ist 1686 geb., wurde 1708 Kondukteur, 1722 Landbaumeister, 1728 Oberlandbaumeister und starb 1752.
  91. F. A. Freiherr O'Byrn, Johann Georg, Chevalier de Saxe, Kursächsischer Generalfeldmarschall.
  92. Nach den Einträgen im Kirchenbuch von Lampertswalde.
  93. Keller und Kläbe schreiben zu Lebzeiten Exners und auf Grund persönlicher Mitteilungen.
  94. Hauptstaatsarchiv loc. 2215, Bauamtsakten Bl. 146, Bestallungsurkunde Exners.
  95. Neuer Ausbau der Wittenberger Schloßkirche. Deutsche Bauzeitung 1893 mit alter Innenansicht S. 1.
  96. Prof. Titius, Nachricht von der ehemaligen und neuerbauten Wittenberger Elbbrücke. Wittenberg 1788. Die Kosten waren von Exner auf 16 000 Taler veranschlagt, betrugen aber 74 000 Taler.
  97. Nach Steche, Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens, Bd. XI S. 54, soll Exner ein solches abgegeben haben, als der nördliche Turm der Johanniskirche in Plauen i. V. 1775 einzustürzen drohte. Steche folgt darin den Angaben der Lokalhistoriker. In Wirklichkeit sah man von seiner Berufung, die vorgeschlagen war, ab, da der Schaden nicht gefährlicher wurde. Der strebepfeilerartige häßliche Mauerschuh geht auf die Plauenschen Gewerken oder auf den herbeigeholten Zwickauer Amtsmaurermeister zurück. (Plauener Ratsakten, Reparatur des Glockenturmes betreffend, 1775, Rep. I Kap. IV Sekt. I A. N. 14. A.)
  98. Knöbel war von 1753 an als Beistand des polnischen Oberbaudirektor von Jauch tätig, wurde 1755 dessen Nachfolger. 1765 trat er als Landbaumeister in den sächsischen Dienst zurück und starb von Exner überlebt 1792 als Oberlandbaumeister.
  99. Hauptstaatsarchiv loc. 2218, Bauamtsakten.
  100. Hauptstaatsarchiv loc. 4634. Reglements. Bestallungen. S. 42.
  101. Hölzer bezog als solcher 1784 nur 160 Taler aus der Oberbauamtskasse, 240 Taler und freie Wohnung als Professor. Hauptstaatsarchiv loc. 2258, Kreuzkirchenakten betreffend, III. S. 82.
  102. Die Aufsätze sind in Schumann, Barock und Rokoko, Dresden 1885, im Auszug wiedergegeben.
  103. Vergl. z. B, Palais Prinz Johann Georg in Gurlitt, Kunstd. Dresdens, Abb. 406.
  104. Für sie alle gilt, was Casanova in der N. B. d. sch. W. u. K., 1770, S. 31 über Winckelmann schreibt: „Er ist bisweilen in die Krankheit der Antiquare gefallen, die die Kenntnis von den Künsten aus der bloßen Lektüre besitzen und deren Auge nicht eben der feinste Sinn ihres Körpers ist.“ Weiter zitiert C. die im Sinne der Kenner geschriebene Stelle Quintilians Vol. 9 cap. 4: „docti rationem artis intelligunt, in docti voluptatem“.
  105. Heinecke, Neue Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen, 1786.
  106. Kleine Wanderungen durch Deutschland. Berlin l786.
  107. Heinicke, sein Vorgänger, war vom König in die Stellung berufen worden, „da der Oberkämmerer Brühl keine Zeit hatte, ingleichen wegen dessen sattsam ermangelnden Kenntnis in Kunstsachen“. Er sollte bereits früher durch Winckelmann ersetzt werden, für den sein Übertritt in Hofkreisen Stimmung gemacht hatte. Brühls Einfluß hinderte es. Als Privatsekretär Brühls wurde er mit in dessen Fall verwickelt und unter dem Verdacht, Kunstwerke unter­schlagen zu haben, verhaftet. Doch stellte sich seine Unschuld heraus. Näheres über ihn im Neuen Archiv für Sächs. Gesch., 1904, 3. und 4. Heft.
  108. Die ältere, bisweilen als „Akademie“ bezeichnete Dresdner Kunstschule war eine privilegierte Privatlehranstalt für Malen und Zeichnen. Sie stand unter ausländischen Lehrern.
  109. Weber, Maria Antonia. Dresden 1857.
  110. Dieses Urteil dürfte auf den auch von Krubsacius als vorbildlich verehrten Francois Blondel zurückgehen, der in seinem cours d’architecture (Paris 1675) öfters Borromini als schlimmes Beispiel des Ungeschmacks nennt.
  111. de Ferber, l’esprit et le système du gouvernement de la Saxe depuis la mort du Roi Auguste I, à Paris 1788. Dies Werk konnte ich leider nicht einsehen.
  112. Chiaveri (1689 in Rom geb.) hatte Dresden infolge der Knöffelschen Intriguen 1749 verlassen, lebte in Italien und starb 1770 in Foligno. Er bezog seit seinem Weggang eine Pension vom sächsischen Hof. Vielleicht stand sein Dresdner Aufenthalt im Frühjahr 1766 in Zusammenhang mit einer Erhöhung der Pension, die anfangs 700 Taler, im Jahre 1769 aber 800 Taler betrug.
  113. R. A., II. 103[WS 3] Miscellanea S. 17.
  114. Hauptstaatsarchiv loc. 10992, Konzepte des General-Lieutenant von Gersdorf enthalten nichts hierüber.
  115. Zum Vergleich dienen folgende Turmhöhen: Hofkirche 86 m, Schmidts Plan 98 m, Krubsacius’ Plan 80 m, Exners Plan 94 m, Hölzers ausgeführter Kreuzturm 90 m, Schloßturm 101 m, alter Kreuzturm 92 m, Frauenkirche 95 m.
  116. Das sind 200  oder nach heutigem Geldwert etwa 600–800  monatlich. Der feste Gehalt des Ober­landbaumeisters betrug das Doppelte.
  117. Diese Entschädigung ist übrigens niemals von der Kirchkasse ausgezahlt worden.
  118. Nach einer Notiz bei Hasche stammt der Bürgermeister Christoph B. aus Höckendorf. Das Kirchspiel ist seit alters der Sitz einer ausgebreiteten Familie dieses Namens, über die Pfarrer Wiedemann in den „Nachrichten“ über die Kirchgemeinde 1902 berichtet. Die Mitglieder der Familie gehören zu einem ziemlichen Teile dem Maurer­gewerbe an, mehrere finden wir in kurfürstlichen Diensten, darunter den Hofmaurermeister Christian B., geb. 1706, Schwiegersohn seines Vorgängers S. G. B. Der Bürgermeister B. ist den Kirchbüchern nach nicht in Höckendorf geboren, ebensowenig der genannte S. G. B. Nähere verwandtschaftliche Beziehungen, z. B. geschwisterliche zwischen den beiden Dresdnern Christoph und S. G. B. sind nicht ausgeschlossen, sogar wahrscheinlich.
  119. R. A., B. 38 vol. II S. 91. Auf diesen Plan gehen die betreffenden Abbildungen in dieser Arbeit zurück.
  120. Tatsächlich ist nach den Protokollkopien der beiden Sitzungen im Juli 1766 dieser Einwand gegen die Pfeiler (nicht gegen die Bögen) erhoben, aber auf Schmidts Verteidigung hin nicht weiter verfolgt worden.
  121. Vergl. oben S. 13 flg.
  122. Die Kreuzkirche hat nicht 8, sondern 10 Pfeiler, auch deren Querschnitt ist in Schmidts Eingabenplänen größer.
  123. Diese Veränderung wird später als Mezzanine bezeichnet und mit Exners Plänen noch zu besprechen sein.
  124. Bötticher und Flathe, Geschichte des Kurstaates und Königreichs Sachsen, Gotha 1870, II. S. 554.
  125. August der Starke, dem gewiß an der Schönheit seiner Residenz lag, hatte dem Frauenkirchenbau Interesse gewidmet, sich aber vom Streit der Meinungen ferngehalten.
  126. Aus ähnlichen Motiven hatte Wackerbarth den Bau der Frauenkirche nach Bährs Plänen freigegeben.
  127. Das Abschlagen der Buckel nennt man spitzen.
  128. Kämmel, Deutsche Geschichte, Dresden 1889, S. 942.
  129. Vergl. Keller und Kläbe. Seine wichtigeren Bauten sind: Waisenhauskirche 1770–80. Plan im Ratsarchiv. – Johanniskirche 1788–95. Pläne nicht erhalten. Turm nicht ausgeführt. Vielleicht gehört hierzu der um 1795 entworfene Turm in der K. Bibl. Hist. Sax. G. Nr. 2090. – Diakonats- und Schulkollegenwohnungen der Kreuzkirche 1793. Anschläge und Risse wurden von der Baupolizei wesentlich geändert. Pläne im Ratsarchiv. Dem symmetrischen Hof zuliebe hat die Beleuchtung der Räume arg zu leiden. Die Gebäude sind noch in Benutzung. – Roter Hirsch (jetzt Musenhaus), nur eine innere Veränderung des Schmidtschen Baues. – Lindenbergischer Gasthof (jetzt Neumarkt, Hotel Stadt Berlin) für den Bürgermeister Bormann, der dann auch dort wohnte, wahrscheinlich kurz nach 1769. Gurlitt nennt den Bau (Kunstd. Dresd. S. 293) „einen schüchternen Ver­such, etwas mehr Leben in die stillstehende Bauweise zu bringen“. Unter gänzlichem Verzicht auf Ornamente wird durch den Wechsel von Vor- und Rücklagen, von rundbogigen und scheitrechten Fenstern, vor allem durch Verwendung von dekorativer Putzquaderung in den Rücklagen auch in den Obergeschossen eine bescheidene Wirkung erzielt. Die Schornsteine sind in der Firstlinie gesammelt und durch reiches Gitterwerk verbunden.
  130. Nach einer Angabe hatte Knöffel eingeführt, daß alle, die Baumeister werden wollten, als Maurer sich aufnehmen lassen mußten.
  131. Die Angabe Schumanns (B. u. R.), Hölzer habe in einer Konkurrenz um eine Dorfkirche bei Leipzig gesiegt, ist irrtümlich. Hagedorn entnahm nur einer Ausschreibung im Leipziger Intelligenzblatt das Thema. „Land“kirche ist hier nicht im Sinne von „Dorf“kirche gesagt.
  132. Hauptstaatsarchiv, Rißschrank VII, F. 87, Nr. 14, Karton H. Vitzthumsches Haus, Moritzstr., 6 Bl., 1773.
  133. Der krönende Abschluß des Koselpalais (hinter der Frauenkirche) dürfte auf einen Plan Hölzers zurückgehen.
  134. Hauptstaatsarchiv loc. 2445, Bau der Kreuzkirche betreffend, Bl. 18 flg. Die Summen sind oben auf Taler verrundet. 1 Taler = 24 Groschen, 1 Groschen = 12 Pf. – Ebenda auch eine Übersicht der Ausgaben für Löhne, Materialien usw.
  135. Viel Hoffnung hatte man auf eine Kollekte in der damals als besonders reich geltenden freien Stadt Frankfurt a. M. gesetzt. Ein Hauptmann der Dresdner Besatzungstruppe stellte reichen Ertrag und seine persönliche Verwendung dem Superintendenten, seinem Quartierwirt, in Aussicht. Auf eine Eingabe des Rates dorthin um Ge­nehmigung einer Geldsammlung fehlte nach Jahresfrist noch jede Antwort. Nicht weniger als 20 Kollektengesuche lagen dort vor. Da unternahmen zwei Ratsherren eine Reise im Stellwagen nach Frankfurt. Durch drei Glöckner wurde eine Sammlung von Haus zu Haus veranstaltet und durch gedruckte Avertissements noch besonders zum Geben auf­gefordert. Nach Abzug eines Dritteils für Reisespesen, Trink- und Schmiergelder blieben noch nicht ganz 500 Taler als Reinertrag. (Akten des Oberkonsistoriums, Kreuzkirche betreffend, vol. II.)
  136. Kleine Wanderungen durch Deutschland. Berlin 1786: „Ein Kandidat der Theologie hatte Ende der 70 er Jahre geschrieben, die Kreuzkirche könnte fertig sein, wenn sich nicht soviel Hände in den Baukollekten gewaschen hätten. Man verfolgte ihn dafür mit großem Grimm und das Konsistorium sprach ihm die Fähigkeit ab, im Wein­berge des Herrn zu arbeiten.“ Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß dieser cand. theol. der verdienstvolle Dresdner Lokalhistoriker Hasche war. Dieser lebte, nach einer Notiz, anfänglich nur von Privatstunden und wurde durch seine Ernennung zum Prediger der Festungsbaugefangenen (Zuchthäuslern schlimmster Sorte) im Jahre 1786 „angenehm überrascht“.
  137. Außer der Kreuzkirche kamen diese teilweise auch der Annen- und Waisenhauskirche zugute. Im ganzen wurden von 1765–71 sieben Lotterien mit einem Gesamtumsatz von 3 1/2 Millionen Mark bei 145 000 Losen und 92 000 Gewinnen veranstaltet. Der Lotterieplan wechselte. Immer wurde die Gesamteinnahme aus den Losen wieder ausgespielt. Für die Unkosten und die besagten Zwecke behielt man von jedem Gewinn ein Achtel zurück. Hauptstaats­archiv 2445, Kreuzkirchenbau betreffend. In den „Merkwürdigkeiten“ 1792 heißt es: „Die Lotterien haben, außer der ersten, nur wenig abgeworfen. Man hatte damals noch so ganz eigene Vorurteile gegen das Lotteriespiel. Die für so viele 1000 Familien äußerst verderbliche Lotteriespielsucht war damals gewiß noch nicht so allgemein wie jetzt.“
  138. Hauptstaatsarchiv loc. 2258 vol. IIIV, Kreuzkirchenbau betreffend.
  139. Ältere Lokalhistoriker bezeichnen diesen Vorschuß irrtümlich als Geschenk und nennen Prinz Xaver als Stifter.
  140. Nur böhmisches Brennholz wurde nicht belastet, um nicht diplomatische Schwierigkeiten mit dem Wiener Hof heraufzubeschwören.
  141. Die Erhebung hoher Einfuhrsteuern zog weite Kreise in Mitleidenschaft. Schon 1781 wurde im Landtag beantragt, daß die den Städten, besonders Dresden, Leipzig, Freiberg und Pirna, verstatteten Auflagen auf Viktualien und dergleichen nach Tilgung der Schulden sofort in Wegfall kommen möchten. Die Regierung beschloß darauf, genau Obsicht zu führen, daß die erhobenen Gelder nur zu dem Zwecke dienten, für den sie bewilligt waren. Auf eine Ein­gabe eines gewissen Seyffert über die Getreideteuerung war sogar im Dezember 1788 ein Reskript des Kabinetts ergangen, das Konsil solle sehen, daß die Anlagen auf Getreide, bis wieder mittlere Preise eintreten, suspendiert werden könne. Hauptstaatsarchiv loc. 2258 vol. III. Bl. 260.
  142. Für Wiederherstellung der Diakonatsgebäude wurde die Anlage, um die Weinbelastung vermindert, noch auf weitere zwei Jahre bewilligt.
  143. Vergl. Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte XVIII, S. 77.
  144. Zumeist beziehen sich diese Monita auf weit zurückliegende Baujahre und sind mehr formeller Natur. Einzelne entschuldigt die Sitte der Zeit, z. B. die Nutznießung der Bauholzabfälle, die damals selbst bei Staatsbauten dem betreffenden Baubeamten zufiel. Bormann starb 1787. Seine Erben ließen sich auf einen Vergleich ein und zahlten 1000 Taler heraus.
  145. Beiträge zur Sächsischen Kirchengeschichte XVIII, S. 76, Einweihungsfeierlichkeiten. Ausführlich auch in den Merkw. der Kreuzkirche.
  146. Die Frauenkirche kostete bei 17 Jahren Bauzeit 288 810 Taler. In den ersten 7 Jahren wurden durch­schnittlich über 23 000 Taler verbaut. Die Hofkirche war auch nach 17 Jahren, die Ausstattung nach 26 Jahren fertig. Der Gesamtaufwand betrug 907 000 Taler. Verbaut wurden in den ersten Jahren durchschnittlich über 80 000 Taler. Die Kreuzkirche hatte bis Ende 1778 rund 243 370 Taler gekostet. Tabelle mit den Jahresraten vergl. Hauptstaats­archiv loc. 2258, Kreuzkirchenbau betreffend, vol. II Bl. 215.
  147. Im Jahre 1767 betrug der Tageslohn eines Maurers 7 (gute) Groschen (der Hoflohn 6 Pfennige mehr). Beim Bau der Hofkirche (1734–52) hatte man nur 6 Groschen bezahlt.
  148. Der Zeuggroschen existiert im Prinzip noch heute. Soweit nicht Einheitspreise vereinbart sind, stellt der Meister für die Arbeiterstunde einen höheren Preis in Rechnung, als er wirklich auszahlt. Die Differenz deckt Unkosten und Meisterverdienst. Der Ausschlag schwankt heute zwischen 10 und 25 Prozent. Das Hofbauamt zahlte z. B. für Regie­arbeiten, zu denen es selbst den Polier stellt, bis vor einigen Jahren 10 Prozent, jetzt 13 Prozent.
  149. Der Rat lehnte diese besondere Vergütung aus der Baukasse an eins seiner Mitglieder der Konsequenzen wegen ab.
  150. Beim Bau der Frauenkirche dürften diese Verhältnisse noch ungünstiger liegen, zumal Bähr infolge zu billiger Kontrakte zugesetzt haben soll. Ein ganz anderes Bild bietet der Bau der katholischen Hofkirche, der allerdings bei etwa doppelter Bausumme die halbe Bauzeit beanspruchte. Noch vor der Grundsteinlegung erhielt Chiaveri ein festes Gehalt von 1100 Talern jährlich, das bald auf 1400 Taler stieg, hierüber, außer sonstigen Vergünstigungen, Dienstwohnung im späteren Prinz Max-Palais. Nach seinem Weggang von Dresden bezog er eine Jahrespension von 700 Talern, dann 800 Taler (so 1769) aus der Staatskasse bis zu seinem Tode 1770. Er dürfte allein ziemlich 4 Prozent des Bauaufwandes erhalten haben. Neben ihm waren dauernd mehrere Kondukteure mit Gehältern von 400 bis 600 Talern beschäftigt, abgesehen von den Bildhauern.
  151. Gurlitt, Geschichte des Barock in England, S. 373 Abb. 118.
  152. Ratsarchiv B. III. 43 und Hauptstaatsarchiv loc. 2258, Kreuzkirche betreffend, v. Juni 1886.
  153. Zu vergl. Nr. 98 487, 98 488, 98 563 flg.
  154. Hauptstaatsarchiv loc. 2218, Bauamtsakten Bl. 28.
  155. Hauptstaatsarchiv loc. 2256, Bausachen zu Dresden betreffend, 1760–62.
  156. Miscellanea Saxonica, 9. Teil, 1775 (S. 284) und 1776.
  157. Vergl. Gurlitt, Kunstd. Dr., und Dietrich, Wohnhaus S. 45 und 56. – Sicher von Locke sind: Seitenfassade von Schloßstraße 7 (vor dem Kriege), Frauenstraße 7 und 9, Moritzstraße 10 und 19 (nach 1760), An der Frauenkirche 20 (nach 1765), Große Meißner Gasse 11 und 13. Eine große Reihe anderer Gebäude weisen ganz analoge Formengebung auf.
  158. Vitruv und Serlio z. B. bestimmten nur, daß die obere Ordnung 1/4 niedriger sein sollte, als die untere.
  159. Zehn Jahre später wurde ein Gitter über dem Gurt als „allemal ins Gotische, d. i. Barocke fallend“ verworfen (S. 92). Dresden besitzt eine Menge Gitter in ähnlicher Linienführung, so am Kurländer Palais, am Harmonie­gebäude und anderwärts, auch an der Treppe des Landhauses. Die Muster stammen aus dem 1738 erschienenen Werk von J. F. Blondel, über Landhäuser, das 1765 von zwei Schülern des Krubsacius ins Deutsche übertragen wurde.
  160. Dauthe, einer der bedeutend­sten Krubsacius-Schüler, hat diesen Ge­danken bei der Umgestaltung der Leipziger Nikolaikirche (1788–89) verwertet. Vermutlich war Dauthe der andere Kondukteur, der die Pläne von Krubsacius mit aufgezeichnet hatte.
  161. Schumanns Angabe (B. u. R. S. 79), Schmidt habe widerrechtlich Einsicht in die Pläne seines Gegners erhalten und eine tadelnde Kritik derselben mit eingereicht, ist nicht zutreffend.
  162. Neue Bibliothek der Wissenschaften und schönen Künste. Leipzig 1770. – Die Kritik stammt wohl von Hagedorn, der viele solche geschrieben hat. Über die Zeichenmanier von Krubsacius heißt es (S. 157): „Ich verdenke es dem Herrn Hofbaumeister, daß er sich von der hiesigen Porzellänmode nicht losgerissen, sondern seinen wunderschönen Turm sehr fein und noch dazu mit einer rötlich kalten Tusche ausgepinselt hat. Er wird mir verzeihen, wenn ich sage, daß er zwar ungemein sauber, aber nicht meisterhaft gezeichnet aussah. Allenfalls gehört der ängstliche Fleiß für Klein­maler und Kupferstecher und die, die da lernen, aber nicht für die, die da lehren. Werfen uns denn nicht eben immer noch alle auswärtigen Künstler unseren ängstlichen Fleiß vor? Ich sehe eher auf die Kunst und bezahle sie reichlich, den Fleiß aber ohne die Kunst sehr gering. Freilich muß man erst Kenner werden, sonst betrügt man sich und andere.“
  163. Burkhardt, Geschichte der Renaissance in Italien. 1891.
  164. In einem Inventarverzeichnis der Dresdner Kunstakademie von 1814, das sich neben alten Schülerlisten in einem verirrten Aktenstoß auf der Bibliotheksgalerie der Akademie befindet, sind Zeichnungen von Dauthe und ein Kirchenentwurf von Habersang (5 Blatt) erwähnt, ferner „Schulblätter“ aus Leipzig, d. h. von der Leipziger Akademie. Hölzers Entwurf (jetzt in der Sammlung für Baukunst) befand sich in der Leipziger Bauschule, die aus der dortigen Akademie hervorging.
  165. Johann Paul Habersang, geb. 1732 in Leipzig, war 1789 Architekt an der Malerakademie in Leipzig.
  166. Gebhardt, 1735 in Dresden geboren, hatte unter Exner und Knöbel studiert. Er war 1760 jüngster Kon­dukteur mit 50 Talern Gehalt. Von ihm ist die architektonische Innen-Ausstattung der großen Flurhalle im Japanischen Palais. (1766.)
  167. Die Hölzerschen Pläne fürs Äußere besaß das Pfarrarchiv, doch sind sie jetzt nicht mehr vorhanden. Herr Baurat Gräbner hat den Turm aufmessen lassen. Eine Veröffentlichung der Pläne steht in Aussicht.
  168. Der Brand der Kirche 1897, durch den das betroffene Steinwerk teilweise bis zu 50 cm Tiefe zermürbt wurde, griff auch auf die Orgel und den Turm über, ohne ihn jedoch zu gefährden. Während der Abbruchsarbeiten sicherte man ihn durch Ausmauerung seines Orgelbogens und der darüber liegenden gekuppelten Bögen. Die alten Arkadenpfeiler blieben stehen und wurden zu einer teilweise von der Orgel verdeckten Mauerverstärkung. (Abb. S. 143.)
  169. Vergl. Schumann, B. u. R., S. 81. – Gurlitt, Kunstd. Dr., 1900. „Die Auflösung der Massen durch die verschiedenen Ordnungen und die geschickt gezeichnete massive Spitze sind von hohem künstlerischen Wert.“
  170. Die Entdeckung des Blitzableiters durch Franklin fällt ins Jahr 1752. In Deutschland wurde der erste 1769 auf dem Hamburger Jakobikirchtum aufgestellt. (Hdb. d. Architektur III, 6.) In Dresden erhielt der Schloßturm 1776 einen solchen, der unter Direktion eines Wittenberger Professors aufgestellt wurde. (Hasche, Beschreib. Dresdens I, S. 173.)
  171. Die Ausführung der Blitzableitungsanlage erhielt der Direktor des Mathematischen Salons, Köhler, übertragen. Köhler hatte einen eigenartigen Bildungsgang. Nachdem er auf der Oschatzer Stadtschule Unterricht in den Sprachen genossen, kam er als Sechzehnjähriger nach Dresden zu Locke und erlernte Architekturzeichnen und das Maurerhandwerk (1761–65). Nebenbei trieb er, einer Neigung folgend, Astronomie im Mathematischen Salon. Schon auf der Schule hatte er die Wolfschen Schriften über Mathematik gelesen und Ingenieuroffizier werden wollen. Er ging dann 1767 nach Leipzig und studierte Mathematik, Physik und Astronomie. 1777 kehrte er, zum Inspektor des Mathematischen Salons ernannt, nach Dresden zurück, nachdem er von 1771 an als Sekretär der ökonomischen Gesell­schaft in Leipzig auf das Freiwerden der Stelle gewartet hatte. In Dresden machte er sich durch die damals beliebten Collegia über Experimentalphysik bekannt, diente aber vor allem der Förderung des Feuerlöschwesens. 1786 wurde er sogar zu Studien auf diesem Gebiet nach Weimar geschickt. „Ist in Rücksicht der Feuerordnung und deren Ver­besserung etwas Gutes und Nützliches in Dresden geschehen, so hat er den meisten Anteil daran, da seine Vorschläge jederzeit anwendbar waren“ (Keller). Daß Köhler nicht nur theoretische, sondern auch eine bautechnische Bildung besaß, befähigte ihn zu seinem verdienstvollen Wirken und machte es erklärlich, daß er nicht nur die nötigen Angaben für die Blitzableitung lieferte, sondern sie auch selbst ausführte.
  172. Schnitte und Grundrisse der Ausführungspläne im Pfarrarchiv.
  173. Kleinere Änderungen am Bau waren die Einrichtung einer Zentralluftheizung (1863), dann Renovation des Innern, Auffrischen des Altarbildes, Herstellung einer Gasbeleuchtung (1872) und Erneuerung des Kupferdaches (1873). Vergl. Die Bauten von Dresden. 1878. S. 131.
  174. Einige Pläne fand ich im Jahre 1900 in dem noch ungeordneten, reichen Nachlaß auf der Bibliotheksgalerie der Kunstakademie. Einige Jahre später konnte ich sie trotz eifrigen Suchens in den verstaubten Rollen nicht wieder entdecken. Leider kann ich deshalb eine Außenansicht nicht bringen.
  175. Die Photographien sowie die Un­terlagen zu den Abbildungen S. 143 wurden mir von Herrn Architekt Emil Scherz in Blasewitz gütigst zur Verfügung gestellt, wofür ich ihm auch an dieser Stelle bestens danke.
  176. Die Wettbewerbs-Entwürfe, denen die Abbildung S. 116 entstammt, befinden sich in der Expedition der Kreuzkirche. Leider kann ich aus Raummangel auf diese wertvollen Arbeiten nicht eingehen.
  177. Vergl. Deutsche Bauzeitung 1898 Nr. 75 und 1903 Nr. 5. Diesen Aufsätzen sind die folgenden Zitate sowie die Abbildungen entnommen.
  178. Herr Baurat Gräbner hat mich bei meiner Arbeit durch Überlassung von Plänen und durch Auskünfte unterstützt, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen Dank ausspreche.
  179. Deutsche Bauzeitung 1905, Nr. 76. Diesem Artikel sind mit gütiger Erlaubnis des Verfassers und der Redaktion die betreffenden Abbildungen entnommen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: in zugehöriger Referenz: J. A. Freiherr O'Byrn,...
  2. Vorlage: aufzusührenden
  3. Zeichen nicht exakt lesbar
  4. Vorlage: Gewandhausbauschuld enwar