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Seite:Alfred Barth Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche.pdf/75

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auch für Dresden zuständig (1713–21). Die Pläne gingen erst an ihn und dann an den Gouverneur. Von G. S. Locke, der von 1752 an Akzisbaudirektor war, schreibt Keller, daß er alle Baue in ganz Sachsen außer Dresden und Leipzig (dahin gehören alle Land- und Kommungebäude im ganzen Lande, welche zu dieser Zeit gebaut worden) zu dirigieren hatte.

Die Anforderungen waren zunächst wie noch heute, Sicherheit für den Verkehr, Sicherheit gegen Brand und Einsturz, gegen Lebens- und Gesundheitsschädigung, sie waren dann aber auch wirtschaft­licher Natur. Der Bau sollte zweckmäßig, „kommode“ sein, dem „Wohlstand“ dienen. Die Anschläge waren mit vorzulegen. Anstände mögen sich oft ergeben haben, besonders bei Eingaben vom Lande. Nach Keller hat Locke[1] bis 1784 nur fürs Erzgebirge 1235 Risse, in dem einen Jahr 1783 insgesamt 621, im Jahr 1784 insgesamt 351 Pläne geliefert. Für die Baupolizei in Dresden waren außer den praktischen auch ästhetische Anforderungen in Frage, so z. B. die Einhaltung von Fluchtlinien und bestimmten Hauptsimshöhen. Hierher gehört auch der schon erwähnte Erlaß von de Bodt[2], dem Nachfolger Wackerbarths als Generalintendant der Bauten (1728–45). Der Erlaß wandte sich gegen handwerkliche Nachahmung barocken Überschwanges an Fassaden, er stellte aber gleichzeitig den ersten Stoß gegen das ältere sächsische Barock dar, das dem Formenempfinden de Bodts und des ihm ver­wandten Oberlandbaumeister Longuelune entgegen war. Über Sicherheit und Zweckmäßigkeit eines Baues ließen sich leichter feste Normen des Urteils finden als über die „Zierde“. In diesem Punkte konnte das individuelle Empfinden der Beamten leicht zu Willkür dem Künstler gegenüber führen, der nicht der staatlichen Architekturrichtung huldigte.

Weiter konnte in ästhetischen Fragen die Zusammensetzung der Oberbaukommission leicht zu Mißständen Anlaß bieten. Während sie am Anfang des Frauenkirchenbaues aus vier Architekten, Pöppelmann, Longuelune, dem älteren Leplat, Knöffel und dem Oberbaukommissar Gärtner bestand, gehörten ihr 1738 außer Knöffel und dem Oberbaukommissar Schulze drei Ingenieuroffiziere an. Dieses Verhältnis wurde noch ungünstiger durch die 1745 nach de Bodts Tod erfolgte Gründung[3] eines selbständigen Militäroberbauamtes unter dem Chef des Ingenieurkorps. Wohl gehörte die Architektur zum Schulpensum der Kadetten und wurde von dem durch seine Kupferstichhefte bekannten Architekten Fäsch gelehrt, aber sie bestand nur in der Lehre von den Säulenproportionen, in einer Eindrillung von Profilen (wie sie die Studienhefte der Prinzen in der Königl. Bibl., Handschr. C. 39–41, zeigen) und in der Anfertigung von Konstruktionszeichnungen. (Bibl. d. Pionierbat.) Von Ausnahmen abgesehen, wird man von den militärischen Mitgliedern der Kommission ein tieferes Verständnis und ein selbständiges Urteil in strittigen Fällen, zumal bei Entwürfen für Monumental­bauten, nicht erwarten können. Ihre Mitwirkung bei solchen Fragen war verfehlt, da sie dem Ober­landbaumeister, der als einziger Architekt sein Urteil leicht zur Annahme bringen konnte, die persönliche Verantwortung abnahm und auch etwaigen unberechtigten Übergriffen oder Willkür desselben durch ihre Sanktion den Schein des Rechten gab. Solche Mißstände traten zunächst unter Knöffel hervor.

Knöffel ist bekannt[4] als „eine der frechsten und schamlosesten Kreaturen Brühls“. Frühzeitig in hohe Stellung gerückt, „schwang er sich bald zum despotischen Tyrannen in allen Bausachen empor“. Als mächtigem Günstling Brühls wurde es ihm leicht, sein Gehalt auf das Dreifache des normalen zu erhöhen. „Von unersättlicher Habgier und Eitelkeit getrieben, legt er de Bodt und Longuelune gänz­lich brach und nötigt auch Chiaveri durch schmachvollste Intriguen zur Aufgabe seiner Stellung.“ „Sein maßloser Ehrgeiz litt es nicht, daß ein anderer als er sich ein so erhabenes Monument setzte.“ In gleicher Weise suchte er beim Frauenkirchenbau sich einzumischen. Hier hatte zunächst Wackerbarth,

ohne die Kommission zu hören, eine praktischere Treppenanordnung gefordert. Nach Einreichung neuer


  1. Eine Reihe von Zeichnungen in der Saml. f. Bauk. zu Schul- und Pfarrhäusern, Kalköfen u. s. f. dürfte auf Locke zurückgehen.
  2. Biographische Angaben im Archiv des Hofbauamtes. Lit. I. N. 3. Akta des Ziviloberbauamtes, Ver­pflichtungen betreffend, erg. Anno. 1745 flg.
  3. Hauptstaatsarchiv loc. 2215 Bl. 160.
  4. Vergl. Schumann, B. u. R. Knöffel ist 1686 geb., wurde 1708 Kondukteur, 1722 Landbaumeister, 1728 Oberlandbaumeister und starb 1752.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/75&oldid=- (Version vom 4.4.2024)