Zum Inhalt springen

Zur Geschichte des Maiaufstandes 1849

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Aufzeichnungen des Burggrafen Christoph zu Dohna über die Sehenswürdigkeiten Dresdens 1616 und 1618 Zur Geschichte des Maiaufstandes 1849 (1906) von Dr. R. Göhler
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908)
Das Dresdner Vogelschießen im Jahre 1660
  Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
[113]
Zur Geschichte des Maiaufstandes 1849.
Von Gymnasialoberlehrer Dr. R. Göhler.
I.
Ein Brief Schwenders an Köchly.

Wenn auch die äußere Geschichte des Dresdner Maiaufstandes im allgemeinen feststeht, so dürften doch gleichzeitige Berichte von Augenzeugen und Teilnehmern an diesen für Dresden und ganz Sachsen folgenschweren Ereignissen von Interesse sein, zumal wenn sie gewisse Vorgänge während des Kampfes in einem etwas anderen Lichte erscheinen lassen, als es in den offiziellen Druckschriften geschieht. In Hermann Köchlys Nachlasse befindet sich nachfolgender Brief des 1901 verstorbenen Dresdner Kaufmanns und Börsensensals Gustav Schwender, eines der treuesten Freunde Köchlys aus seiner Dresdner Zeit[1]:

Dresden, d. 14. Juni 1849.     

          Mein geliebter Freund!

Dir meine gränzenlose Freude über Deine glücklich bewerkstelligte Rettung mit Worten zu schildern, ist mir nicht möglich. Laß Dir dagegen sagen, daß ich namenlose Angst um Dich ausgestanden habe, wenn ich im Falle Deiner Habhaftwerdung an die Folgen einer langen Untersuchungshaft dachte. Doch wozu mich noch mit diesen düstern Gedanken beschäftigen. Dem Himmel sei Dank, Du bist frei und geborgen.

Deine Gattin, welche so gütig war mir Einiges aus Deinen interessanten Kreuz- und Querfahrten mitzutheilen, beauftragte mich, Dir die verlangten Schriften zu besorgen. . . . Vom Dir. Berthelt[2], welcher große Freude bezeugte, Dich in London geborgen zu wissen, u. Dich herzlichst grüßen läßt, erhielt ich 4 Expl. der Lehrerzeitung 1–13. Ich lege bei: 1., den heutigen Anzeiger, welcher einen Masse-Steckbrief enthält, worin Du wieder mit schwarzlockigem Haar figurirst. Ueber dies Signalement ist hier viel gelacht worden. 2., das letzte Plakat der provisor. Reg. welches nicht mehr zum Anschlag gekommen. Unseres Gerber’s[3] Steckbrief finde ich heute nicht wiederholt, glaube aber daß es nur vergessen worden, u. will nicht fürchten, daß man ihn aufgegriffen. Mir wurde versichert er sei mit Klepperb.[4] in der Schweiz. Heubner[5], Blöde[6], [114] Röckel[7], Klette[8], Bakunin[9], Richter[10], Oberstleutnant Heinze[11], Minckwitz[12], Herz[13], Hirschel[14] etc. sind noch in Haft, im Ganzen circa 180 noch. Oberstl. Heinze u. Hirschel sollen viel Geständnisse gemacht haben, ich glaube es aber nicht eher, bis ich Beweise habe, denn dergl. Gerüchte werden absichtlich ausgesprengt. Richter saß in der ersten Zeit mit Minckwitz u. Blöde in einem Zimmer der Frohnveste[15] u. hielt diesen Beiden Vorlesungen über Chemie, soll sich aber oft bitter beklagt haben, daß sie weit schwerer capirten, als seine Jungens in der Akademie. Seit die Gefangenen aber nach der neustädter Reitercaserne transportirt sind, sitzen dieselben getrennt. Richter’s Bfe an s. Schwester sind mit vielem Humor geschrieben. Ich will wünschen daß es ihm wirklich leicht ums Herz ist; jedenfalls ist es aber klug so zu schreiben, da jeder Bf vom Officier der Wache gelesen wird. Wenn Richter’s Schwester ihrem Bruder von Dir schriftlich Nachricht giebt, schreibt sie: der Dr. Mupper oder Dr. Dübruh etc. Martin[16] liegt noch verwundet im Hospital.

Der Oberbefehlshaber der hiesigen bewaffneten Macht, Schirnding, hat gegen die Arnold’sche Buchhandlung Klage beim Stadtgericht eingereicht, weil Du auf N. 13 der bei Arnolds erscheinenden Zeitung des Lehrervereins, trotzdem, daß Du steckbrieflich verfolgt, noch als Mitredacteur genannt bist. – Wenn ich Sillig[17] u. Consorten bei Arnolds treffe, erzähle ich von Dir, wie gut es Dir ginge u. wie überaus wohl Du Dich in London befändest. Da solltest Du die Gesichter dieser erbärmlichen Creaturen sehen, ihre schwarz-gelben Gesichter, werden vor Wuth u. Ingrimm daß Du entwischt abwechselnd roth u. aschgraufarbene Fratzen. Hinter Schloß u. Riegel hätten sie Dich gern wohlverwahrt gesehen.

Mit wenigen Worten will ich Dir noch meine Erlebnisse aus den Maitagen schildern. Nachdem ich Dich Donnerstag[18] Nacht auf dem Rathhaus gesprochen, ging ich wieder auf meine Wache auf den Zwingerwall u. blieb dort ununterbrochen bis Sonnabend Abend 6 Uhr. Unsere Vorposten u. die des Militairs standen 10 Schritt auseinander. Vom Militair wurden wir deshalb nicht angegriffen, weil wir (circa 70 Mann) den Wall u. Zwinger zum Schutz der Museen besetzt hatten. Sonnabend Nachmittag wurde von einigen Männern das Verlangen an uns gestellt, zu erlauben, daß das Palais u. Schloß vom Zwinger aus mit Schwefeläther, Vitriol u. Spiritus bespritzt werden dürfe um diese Gebäude in Brand zu stecken; eine Zumuthung die wir mit Entschiedenheit zurückwiesen. Gegen 6 Uhr wurden wir während des heftigsten Kanonendonners auf Befehl des Obercommandant Heinze von unseren Posten (welchen gleich hinter uns das Militär besetzte) abberufen[19] u. ich wurde nebst Anderen beordert die Kanonen von Burg[k] in Empfang zu nehmen. Am plauenschen Schlag sprach ich Dich zuletzt. Unsern Auftrag führten wir trotz der schwärmenden Cavallerie pünktlich aus; die 4 Geschütze welche unter Bedeckung von cca 1000 Mann ankamen, wurden in der Stadt abgeprotzt, von 40 Händen über die Barrikaden gehoben [115] u. auf dem Altmarkt aufgestellt. Einen freien Augenblick benutzte ich die Meinigen nach 3 tägiger Trennung zu sehen. Zu Haus angelangt, mußte ich mich an der 1ten Barrikade unserer Straße[20], welche dem politech. Institut gegenüber stand, melden u. den Dienst bis Mittwoch den 9 Mai früh 1/28 Uhr versehen. Um 8 Uhr marschirten die ersten preußischen Truppen bei m. Wohnung vorüber.

Die preuß. Truppen haben sich im Durchschnitt gut benommen, dagegen die sächsch. sehr schlecht. Von diesen sind die größten Scheußlichkeiten noch nach Beendigung des Kampfes ausgeübt worden.[21] Diese haben wehrlose u. gebundene Gefangene mißhandelt u. von der Brücke in die Elbe geworfen, andere gleich auf der Stelle erschossen. In den Lazarethen liegende Verwundete kaltblütig erschlagen, z. B. bei einem m. Bekannten Dr. Geiler[22]. Trotz aller offiziellen Berichte hat das Militair gegen 400 Todte; auf Seiten der Vertheidiger sind gegen 600 Todte.[23]

Im Ganzen wurde der Belagerungszustand gelind gehandhabt, seit einigen Tagen ist er dagegen verschärft worden. Die Erbitterung die hier in den mittleren u. niederen Volksklassen herrscht, ist noch groß, in den übrigen Landestheilen sieht es nicht anders aus, u. ich fürchte wir gehen noch großen und schweren Kämpfen entgegen.

Leb wohl! Leb wohl mein theurer Freund! Hoffentlich sehen wir uns in nicht zu langer Zeit unter glücklicheren Verhältnissen wieder. Kann ich Dir irgend wie nützlich sein, verfüge über mich.

Gedenke zuweilen Deines Dir stets treu ergebenen Freundes

G. Sch[wen]der.     
II.
Gustav Zschetzsche.

Eine für ganz Sachsen, insbesondere für unser Dresden verhängnisvolle Zeit waren die Maitage des Jahres 1849 nicht etwa bloß in der Hinsicht, daß Hab und Gut vieler Bürger schweren Schaden litt und das Leben manches wackeren Mannes verloren ging, sondern nicht zum wenigsten auch deshalb, weil nach Niederwerfung des Aufstandes eine große Anzahl hervorragend tüchtiger Männer für immer Sachsen den Rücken wandte, um in andern Ländern eine weithin segensreiche Tätigkeit zu entfalten. Denn „kaum irgendwo haben sich so viele Männer von hervorragendster Bedeutung und lauterstem Charakter als Mitglieder beteiligt, wie an dem Dresdner Aufstand. Kaum irgendwo ist auch, trotz der erbärmlichsten Führung, mit solcher Todesverachtung und Ausdauer gegen die Truppen gekämpft worden, wie hier“.[24] Und wenn wir auch Tzschirner und Bakunin zu den gewerbsmäßigen Revolutionären rechnen müssen, so gaben doch diese dem Aufstande nicht sein Gepräge, er erscheint „mehr als irgend ein andrer, als ein Aufstand der Bürgerschaft Dresdens und fand Unterstützung bei den Bürgern andrer sächsischen Städte . . . Männer wie Semper, Wagner, Köchly, Todt, Heubner, der Chemnitzer Fabrikant Dolge und andere bewiesen, daß nicht nur Dichter und Poeten, sondern auch Vertreter der Verwaltung und des Geschäftslebens die Überzeugung hegten, der Augenblick sei gekommen, alles an alles zu setzen, selbst das Unheil einer Revolution nicht zu scheuen, um dem deutschen Volke das langersehnte Vaterland zu schaffen“.[25] Dieser Bewegung schloß sich auch eine große Anzahl von Geistlichen und Lehrern an, deren Namen die Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg. 1849 Sp. 340 fast vollständig aufführt. Unter den daselbst verzeichneten Lehrern dürfte der an letzter Stelle genannte Zschetzsche (nicht Zetsche!) in Dresden zu denjenigen gehören, die unserem engeren Vaterlande nach glücklicher Flucht ins Ausland durch ihre Wirksamkeit zur Ehre gereichen.

Gustav Friedrich Zschetzsche stammte aus Meißen und suchte sich nach seminaristischer Vorbildung durch Studien an der Dresdner polytechnischen Schule weiterzubilden. Am 28. Januar 1826 geboren war er im Jahre 1849 an der hiesigen 2. Bürgerschule als Hilfslehrer tätig, unterrichtete aber außerdem noch an der unter Dr. Mundes Leitung stehenden Dresdner Handelsschule. Erfüllt von den fortschrittlichen Ideen seiner Zeit, bessonders auch auf dem Gebiete des deutschen Unterrichtswesens, schloß er sich mit großer Wärme dem reichlich zehn Jahre älteren Hermann Köchly an. Wie weit seine Beteiligung an der Volkserhebung reichte, läßt sich aus dem vorliegenden Material nicht mehr nachweisen; doch gehörte er zu denjenigen Männern, die bald nach Niederwerfung des Aufstandes von ihrem Amte suspendiert wurden. Großes Verdienst erwarb er sich um Köchly, dessen Flucht er ins Werk setzte und so glücklich bewerkstelligte, daß beide ohne Gefahr Brüssel erreichten.[26] Nach kurzem Aufenthalte in [116] Belgiens Hauptstadt wandte sich Zschetzsche nach der Schweiz; von hier aus richtete er einen längeren Brief an Köchly[27], dessen Inhalt interessant genug ist, der Vergessenheit entrissen zu werden:

          Hottingen bei Zürich, am 21. Juli 1849.

     Mein innig verehrter Freund.

Reich an polizeilichen Erfahrungen aller Art aber kriegs- und revolutionsmüde bin ich endlich hier in einen wenigstens provisorischen Hafen der Ruhe eingelaufen. Wahrhaftig, wenn es keine Polizei gäbe, das Leben wäre nur halb so interessant. Laß Dir kurz erzählen, wie mirs ergangen. Um das verdächtige Individuum möglichst sicher los zu werden, hatte mir die Metzer Police einen Postschein auf Straßburg besorgt. Davon wurde ich schon früh 7 Uhr unterrichtet u. mir die Abfahrt auf 10 Uhr angezeigt. Mein Wirth Dollmetscher rechnete sich mit vieler Selbstgefälligkeit diesen glücklichen Erfolg zum Verdienst an, und meine Rechnung zeigte, daß ihm das moralische Bewußtsein nur geringe Belohnung war, denn für ein Abendessen von gebacknen Kalbsfüßen, ein dergl. Frühstück mit 1/2 Fl. leichten Weins, und das Nachtlager in einem Zimmer, wo wir ihrer 7 schnarchten, zapfte er mir mit landsmännischer Billigkeit 6 fr. 50 Cts. ab. Der Teufel hole die Landsmannschaften! dachte ich u. bezahlte knurrend. Es war auch keine Zeit zu weitern Erörterungen, denn der schlaue Landsmann rückte erst in der letzten Minute mit seiner Forderung heraus. Auf der Post erwartete mich eine große Bärmütze im rothverbrämten Frack und übergab mir mit seinen citronenfarbnen Handschuhen die gestellte Caution excl. des bereits bezahlten Personengeldes von 28 Frs. Man hatte mir ein[en] Platz im Coupé besorgt, der zwar sehr bequem u. angenehm, aber auch 7 Fr. theurer als Plätze im innern Wagen war. Der Grund dieser zärtlichen Fürsorge war aber keineswegs in der Achtung der Police vor meiner Person, sondern in dem Umstande zu suchen, daß dies der einzige noch frei gewesene Platz war. Genug ich fügte mich in mein Schicksal, ließ mit Herzklopfen die letzten 3 noch übrig gebliebenen Napoleons von den safranfarbenen Handschuhen des Gensdarmen in mein Portmonai übergleiten und rollte eingehüllt in den Mantel meiner sentimentalen Erinnerungen durch die Festungswerke hinaus. Der brave Koene muß wahrhaftig mein Schicksal gerochen haben, als er mir so freundlich in Brüssel einen Vorschuß anbot. Ohne diesen wäre ich sicher als subsistenzloser Landstreicher in noch weit ärgere Klemmen gekommen. Bei jedem Napoleon, den mir die Fluth der Prellerei entriß, – nirgend bekam ich auch nur einen Cts Agio – habe ich seiner dankbar gedacht. – Meine beiden Coupégenossen störten mich nicht in meinen Fantasien, denn sie verstanden kein Wort deutsch. Sie waren sehr elegant gekleidet, und musterten mich mit zweideutigen Blicken, da ihnen meine genaue Bekanntschaft mit der republikanischen Gensdarmerie, von der sie Zeuge gewesen waren, nicht ganz erklärlich sein mochte. Die umhängenden großen Geldtaschen beseitigten in mir jeden Zweifel, daß ihre Verhältnisse weit glücklicher waren als die meinigen, selbst wenn ich die letzteren auf die 10 Potenz erhoben träumte. Vor ihren 2 Bogen Polizeipapier machte der erste in Chaussy revidirende Gensdarme einen tiefen Bückling, während er mich wieder ein Examen bestehen ließ, welches einen ganzen Pferdewechsel u. 3 Peitschenknalle lang dauerte, u. sicherlich noch nicht geendigt hätte, wären nicht die Vorderpferde aus Mitleid mit mir unruhig geworden. Als wir am nächsten Berge zu Fuß gingen – das passirte sehr häufig – rieth mir der Conducteur, ich möchte doch eine andere Mütze aufsetzen, weil die meinige (es war Deine Hausmütze) die Gensdarmen aufstützig machte, da sie so viel Roth enthalte. Ich freute mich mehr über die deutsche Spr. des Conducteurs als über seinen Rath, den ich aber dennoch befolgte, und schwang mich mit ihm auf den Oberboden des ungeheuern Wagens, mehr mit ihm zu plaudern. Er meinte selbst, daß die Gensdarmerie noch nie so arg gewesen sei, als gerade jetzt, was mir aber in Erwägung der gegenwärtigen politischen Verhältnisse ziemlich erklärlich. An der nächsten Kneipe ließ ich eine Flasche Champagner herauflangen, um mir die Freundschaft des Conducteurs mehr zu versichern. Auf den beiden nächsten Stationen blieb ich wirklich ungeschoren, denn die herantretenden Bärmützen ließen es bei der aufmerksamen Betrachtung meiner Physiognomie bewenden. Ich füge daher 2 Umstände aus der vormetzischen Zeit hier ein. Da ich in Arlon meine Karte nicht erhielt, so zwang ich dem Polizei-Commissar wenigstens eine Bescheinigung darüber ab, daß ich mich bei ihm gemeldet habe. Er gab mir dieselbe auf der Rückseite meiner Feuille de Route. Dieser Umstand war mein Unglück. Bei St. Martin betraten wir Frankreich. Bezüglich des Passes legitimirte ich mich durch die Arloner Bescheinigung. Als aber die franz. Police die Feuille de Route erblickte, schöpfte sie Verdacht, u. das gräuliche Examen begann. Ein damaliger Reisegefährte, der gar keine Papiere hatte, kam weit besser weg. In Longwy [117] machte ich dieselbe Bemerkung. Mein Reisegefährte rieth mir, lieber mein verfängliches Papier gänzlich zu beseitigen. Und ich sah ein, daß er Recht hatte, u. thats. Dieser Umstand wird jetzt wieder mein Unglück, wie Du später hören sollst. In St. Martin gabs auch Douane. Man fragte mich, ob ich Zollbares habe. Ich sagte sehr getrost: Nein, nur das Nöthigste für den Leib führe ich bei mir. Dennoch mußte ich die Taschen öffnen. O ich unglückseliges Käsekäulchen! Da waren meine sämmtlichen neuen Sachen sämmtlich noch in denselben Papieren, wie wir sie im Laden erhalten hatten, selbst die schon getragenen Rock u. Weste hatte ich sorgsam wieder in dieselben eingewickelt. Natürlich hatte man mit dem verdächtigen Subjecte keine Nachsicht. Das waren alles neue ungetragene Sachen, ja an jedem Stücke klebte sogar noch der Preiszeddel, das mußte verzollt werden. Man murrte über meine vorige Verläugnung, redete sogar von strafbar u. machte mir eine Berechnung von 1 Fr. 80 Cts. Mein Glück, daß ich die Schuhe u. Hosen am Leibe hatte. Ich wendete ein, daß Rock u. Weste schon getragen sei, man wieß dies aber als unwahr zurück. Schon suchte ich nach den 180 Cts als mir die unselige Bratensauce im Hotel de Flandre einfiel. Du wirst Dich erinnern, daß ich dort beim table d’hote Pech hatte und meinen Rock mit Schöpsbrühe taufte. Jetzt lohnte jenes Unglück! Rasch suchte ich den Rock wieder aus der Tasche hervor, suchte das braune Corpus delicti auf und lieferte damit den Beweis, daß der Rock schon getragen sei. Auch die Weste besah ich noch ein Mal, aber sie mußte damals glücklicher gewesen sein, denn ich konnte keinen Flecken entdecken, u. darum mußte sie jetzt sammt Hemden, Strümpfen, Tüchern u. einer in Namur gekauften Unterhose dem Schröpfkopfe der Douane erliegen. Doch ermäßigte sich die Rechnung durch den Wegfall des Rockes auf 1 Fr 20 Cts. – Jetzt zurück nach Sarreguemines[28], wo wir Abends nach 7 Uhr anlangten u. die Erlaubniß erhielten im Hotel de poste ein Mittagsmahl einzunehmen. Dasselbe that auch wahrlich sehr Noth, denn die theuern metzer Kalbsfüße vom Morgen schienen aus meinem Magen weiter gewandert zu sein. Ich verschlang gierig die Suppe u. ein Stück Rindfleisch u. war eben daran meine 3 fr. p. Couv. u. 1. fr. p. 1/2 Fl. Wein zu bezahlen, als mich ein Unvermeidlicher – Du wirst diese Klasse nun wohl kennen – in das Nebenzimmer zu treten bat u. meine Papiere zu sehen wünschte. Obgleich es da nun nichts zu besehen gab, u. also die Sache sehr kurz hätte abgemacht sein können, so begann doch das altbekannte Examen aufs Neue im schönsten Elsasser Deutsch u. war noch nicht beendigt, als schon der Postillon bließ u. drin die gesammte Gesellschaft aufsprang. Jetzt riß mir aber meine Geduld! ich rannte hinein ohne noch ein Wort zu sagen, um meinem Magen noch etwas zu erobern. Der Gensdarme mir nach. Auf dem Tische fand ich viele leere Schüsseln, die letzten Überbleibsel einer schönen Gegend, auf meinem Teller, wo ich einen 5 fr thaler zurückgelassen, einen wiedergegebenen einsamen Franken, auf den Desserttellern einiges Bisquit, wenige Himbeeren u. Erdbeeren. Der Gensdarme fragte: ob ich denn gar keine Papiere habe? Nein! schrie ich u. trank mein Glas aus, die Kellnerin rief ich sollte schnell machen, der Postillon bließ zum dritten Male. In der Verzweifelung schüttete ich die sämmtlichen Rudera vom Dessert in die Mütze, steckte die Weinflasche u. das Brod in die Tasche u. rannte hinaus. Im Nu war ich oben beim Conducteur. Der Gensdarme schrie: halt, wo wollen Sie hin? Zum Teufel! brüllte ich, während der champagnerverbrüderte Freund Conducteur den Postillon zum Fortfahren kuffte. Die 6 Braunen zogen rüstig an, fort gings im Gallopp zum Teufel der hoffentlich nicht nach dem Paß fragen wird. Meine Himm- u. Erdbeeren waren in der Eile zu Brei zerquetscht, – mein armer treuer Stock steht vielleicht jetzt noch verlassen hinter dem Saigerhause der Gaststube zu Sarraguemines. Ach, daß ihm ein böser Geist Leben geben möchte. Er würde gewiß auf dem Rücken aller französ. Policisten so lange herumtanzen, bis seine Splitter in alle Winde zerstäubten.

Doch ich will mich nun kürzer fassen, um Dich nicht zu langweilen. Aber das unterbrochene Essen wurmt mich heute noch – mein Haß auf die französische Republik hatte seinen Gipfel erreicht. Die einbrechende Nacht verschaffte mir 2 Stationen Ruhe, am grauen Morgen aber wiederholte sich in Hagenau der alte Witz. Am Vormittag kamen wir nach Straßburg, doch mein Freund Conducteur bereitete mich schon bevor wir die Spitze des Münsters erblickten auf mein letztes herbes Schicksal vor. Ich sah demselben mit Ruhe entgegen, u. bereute nur Dir versprochen zu haben, daß ich nicht nach Baden gehen wolle. Am Thore der Festung gings wie in Metz. Ich wurde arretirt u. von 2 Soldaten auf die Polizei geführt. Die beiden glücklichen Rothhosen mochten aber in ihrem Leben noch wenig mit der Police zu thun gehabt haben, denn keiner von ihnen hatte eine Ahnung, wo diese vortreffliche Institution der Republik logiren könnte. Nachdem man mich ziemlich durch die ganze Stadt spazieren geführt, u. schon 2 Mal an falschen Bureau[s] meine Wenigkeit [118] zur Untersuchung präsentirt hatte, erreichten wir endlich den rechten Ort. Der hiesige Commissar war aber der erste vernünftige Kerl unter dem Gelichter seines Gleichen. Er war nicht mißtrauisch, fragte nur nach Anhörung meines traurigen Reiseberichts nach meinen Subsistenzmitteln, u. da ich ihm meine beiden noch lebenden Napoleons vorzeigte, so gestattete er mir bis zum nächsten Abende in der Stadt zu bleiben. Doch mußte ich ihm sogleich meine Wohnung angeben, ich weilte aus Politik Hotel de l’Europ[e]. Nachdem ich mich gestärkt u. etwas geschlafen hatte, Du kannst denken, wie matt ich nach solchen Aufregungen war, bestieg ich den herrlichen Münster. Im Fremdenbuche fand ich Ludw. Schreck u. Prof. Semper eingeschrieben. Gegen Abend ging ich nach Kehl hinüber. Ich fragte noch zuvor den Gensdarmen an der großen Brücke, ob ich wieder herübergelassen würde, u. er versicherte mir dies. Drüben fand ich viel lustige u. entschlossene Gesellschaft. Da wird es mir zum ersten Male wieder wohl. Die Bauern waren brave Kerls. Später kamen Freischaarenoffiziere, welche das entlaufene erste Aufgebot des Amtes Kork wieder zusammen suchen sollten. Die neubackenen Offiziere der Grenzbesatzung stachen in ihrem Benehmen freilich gewaltig gegen die entlaufenen ab, von welchen 5 in meinem Gasthof in Straßburg wohnten, aber sie waren entschlossen, das Äußerste zu wagen. Als ich nach etwa 4 Stunden zurückging, war jener fr. Gensdarm an der Brücke nicht mehr da, die andern wollten mich nicht kennen, es gab ein Examen u. das Finale war, daß mich eine Rothhose in die Stadt begleiten mußte, um zu erfahren, ob mein[e] Angabe, daß ich der Policei bereits gemeldet sei, auf Wahrheit beruhe. Der Kerl wußte aber den Weg wiederum nicht, u. ich mochte ihn nicht wissen, sondern that noch das Meinige, den armen Schelm irre zu führen. So liefen wir noch um 11 Uhr in der Stadt umher, als eine Patrouille meinen verdutzten Begleiter anhielt u. um den Zweck seines späten Umherlaufens u. seinen Casernenurlaub befragte. Ich freute mich königlich, des Teufels Reich in sich selbst mißtrauisch zu sehn. Wir mußten alle beide mit auf die nahe Wache, wo mein rothhosiger Führer nach einigen Fragen zum Thore hinaus u. ich nach Hause geschickt wurde. Nächsten Mittag wollte ich mit der Eisenbahn nach Basel. Am Bahnhofe gabs aber so viel gelbe Handschuhe, daß ich in einer Apfelsinenhandlung zu sein glaubte. Bald erbarmte man sich auch meiner geringen Person. Da ich kein Geschriebenes hatte, so wurde ich zurückbehalten, eine Bärmütze fuhr mit mir im Omnibus nach dem Policeibüreau zurück; der freundliche Commissar lachte, als er mich sah. Ich war verdrießlich, bat um eine Bescheinigung, daß ich nach Basel könne. Das lag außer der Macht des Commissars u. war erst am nächsten Tage zu erlangen. Doch meinte der Commissar, ich würde auf badischer Seite mit dem nächsten Zuge ungehindert aufwärts fahren können. Diesen Wink benutzte ich, u. dankte Gott als ich Frankreich im Rücken hatte. Aber da drüben gabs zwar keine Polizei, dafür war aber Alles, was Beine hatte, Militär. Von Kehl nach Appenweier ging die Sache gut. Hier nahmen aber Freischaarenwerber den Zug in Empfang. Da war kein Entkommen, keine Entschuldigung. „Du bist jung u. stark, bist ein Deutscher, Du mußt mitfechten für die deutsche Sache. Ein Lump wer sich weigert!“ Dazu kam noch, daß mich ein Dresdner erkannte, u. mich als Flüchtling bezeichnete. Statt nach Basel gings nun gen Baden-Baden. Dort bekamen wir Blouse, Flinte, Munition pp. u. wurden einer Compagnie zugetheilt. Die Preußen standen nur 21/2 Stunde von uns u. wir bekamen noch denselben Abend Ordre zum Vorrücken. Doch gabs diesen Tag nichts. Nächsten Morgen wurde exerziert u. Nachmittags schon wurden unsere Flanken angegriffen. Bald kam Unordnung in die ganze Geschichte, u. es begann ein Rückzug bei Anbruch der Dunkelheit in schönster Ordnung. Doch die Gefahr kam erst. Entweder wir waren von den Preußen umgangen worden, oder wir waren ihnen geradezu in die Hände gelaufen. Ich mag hierüber nicht entscheiden. Es mochte fast Mitternacht sein u. war sehr trübes Wetter. Ermüdet wollten wir uns hinter eine Hecke legen, die bei ihrer Dichtigkeit gut gegen den Wind schützen konnte. Ein Leutnant war auf Recognition vorausgewesen u. sagte es sei kein Feind in der Nähe. Da als wir eben im Begriffe waren uns hinter diesem Versteck auszuruhen, blitzte mit einem Male das ganze Verhau in lichtem Feuer auf. Der Feind hatte sich hinter demselben gelagert u. uns in der Finsterniß so nahe herankommen lassen, daß die tödtlichen Läufe unmittelbar vor unsern Nasen ihr Verderben ausspiehen. 17–20 von uns stürzten, alles war verblüfft, was laufen konnte [lief], nur wenige schossen noch ihr Gewehr gegen den Feind, der uns mit Schüssen verfolgte. Mir war eine Kugel nahe an der Stirn vorbei durch die Mütze gefahren, welche ich nicht wieder gesehen habe. Erst nach etwa einer halben Stunde fühlte ich den brennenden Schmerz an der Stirne. Der Schuß war so nahe vor dem Kopfe abgefeuert worden, daß das Pulver die Stirn ganz verbrannt hatte. Gegen Morgen fanden wir uns ihrer 7 wieder zusammen u. suchten ein neues Battaillon auf, dem wir uns anschlossen. Wir marschirten gegen Offenbach u. bekamen 1 Stunde vor [119] der Stadt Quartier. Schon in der Nacht wurden wir aber wieder allarmirt und blieben bis andern Mittags unter den Waffen, doch wurden nur wenige Schüsse gegen ein Kavalleriebiket gewechselt. Ich hatte einen lahmen Fuß u. wurde deshalb Abends nach Freiburg geschickt, um eine Ordre zu überbringen (p. Dampf). Dort habe ich noch 2 Tage im Bureau gearbeitet, dann aber mich gezogen, weil mich die Fäulniß in den oberen Schichten der Revolution anekelte. Ich ging nach Basel, wo schon viele Flüchtlinge eingetroffen waren. Ihre Zahl vermehrte sich nun von Tag zu Tag. Nach einigen Tagen ging ich nach Arau, wo ich noch etwas vom großen eidgenössischen Freischießen zu sehen bekam. Rector Rauchenstein[29] war dabei sehr beschäftigt, daher es mir nur am 2. Tage gelang, ihn einen Augenblick zu sprechen. Es ist ein vernünftiger Kerl, so gut man sie unter Zopfmännern treffen kann. Er sprach von Dir mit vieler Achtung. Für mich selbst hatte er wenig Trost, da in der Schweiz durchaus kein Mangel an Lehrkräften sei. Doch gab er mir eine Empfehlung an den Regierungsrath des Cantons Bern mit, die ich aber bis jetzt noch nicht habe benutzen können, weil der betr. Herr im Bade sitzt. Rauchenstein selbst war leidend u. wollte gleich nach dem Schießen ins Bad Pfävers. Die von Dir gewünschten Schriften wollte er Dir nach seiner Rückkehr, so weit er sie selbst noch besitze, schicken. Auf dem eidgenössischen Freischießen wurde mir auch noch ein Mal die Ehre zu Theil arretirt zu werden, weil ich keine Papiere hatte, u. zwar das erste Mal durch einen geheimen Polizeier. Doch half mir Rauchenstein bald aus der Klemme, und beschwerte mich beim Regierungsrathe über die Infamie ihrer geheimen Polizei, was dem betr. Schnüffelanten eine ernstliche Rüge zugezogen hat. Auf dem Freischießen traf ich auch Kell, Ludwig v. Pegau, Reimmann Hohlfeld[30]. In Basel Oskar Stein aus Oederan, welcher auf der dortigen Saline eine Hauslehrerstelle fand. Hoßfeld aus Leipzig wurde in Baden (C. Aargau) Schriftsetzer. Nun fing aber der große Troß der Flüchtigen an, die Schweiz zu überschwemmen. Ein trauriger Anblick! Besonders hat mir die herrliche brave Artillerie, die sich in Baden überall außerordentlich brav schlug, leid gethan. In Zürich angelangt fand ich bei Fröbels ziemliche Mißstimmung, da sie unter der ganzen Affaire sehr zu leiden hatten. Es lagen bei ihnen wol 15 Briefe unter falschen Adressen u. 6 oder 8 Koffer u. Pakete, von denen sie meist selbst nicht wußten, wem sie gehörten. Ich werde daher Fröbels möglichst ungeschoren lassen, zumal sie sehr beschäftigt sind u. in einer etwas klemmen Lage sich zu befinden scheinen. Jul. Fröbel[31] war auch da, ist aber jetzt mit Zitz u. Bamberger nach Genf u. Frankreich abgereist. Auch Maler Kaufmann[32] aus Dresden ist mitgegangen. Die von Heinzmann erhaltene Empfehlung an Dr. Bach ist mir lieb gewesen, da ich hierdurch wenigstens eine neutrale Adresse für meine Briefe erhielt. Bach selbst ist ein lieber Mann, aber fürchterlich beschäftigt. Bei ihm ist seit einigen Wochen sein Schwager Dr. Hürlin, Adv. aus Kirchheim bei Stuttgart ein äußerst fideler Schwob, der schon etwas in Zürich bekannt war u. mich führte. Von Bekannten soweit ich mich im Augenblick erinnere habe ich bis jetzt hier getroffen: Lindemann[33] v. Dresden (welcher in Freiburg zuletzt Regimentsquartiermeister bei der Kavallerie war, aber schon am 3. Tage kein Regiment mehr hatte, weil dasselbe zersprengt war) Jäkel, der bl. Rock[34]. Diese beiden wohnen zusammen. Tzschirner u. Gruner[35], welche zusammen wohnen. Letzterer war in Baden Generalstabsauditor. Seit gestern Abend ist auch Todt hier, der bis jetzt im Weimarschen versteckt gelebt hat. Marschall v. Biberstein[36] ist der erste Dresdner Flüchtling hier gewesen, er erwartet nächster Tage seine Frau. Der Kerl ist aber ein Narr u. rennomirt (!) fürchterlich. Er giebt sich überall für den Compromittirtsten der Dresdner aus. Behn Eschenburg[37] ist hier, hat aber keinen Zögling mehr, [120] da die bekannte Geschichte in der Morning Post die Abberufung derselben zur Folge gehabt hat. Um ein wenig zur Ruhe zu kommen u. nun einmal Briefe aus der Heimath, wohin ich gestern geschrieben habe, abzuwarten, habe ich mir hier ein Stübchen gemiethet. Unser Haus heißt „zum Freudenberge“ und ist von jeher ein Flüchtlingsasyl gewesen. In meiner Stube wohnte voriges Jahr Tschechs[38][WS 2] Tochter, von der ich in meinem Tischkasten noch ein Manuscript fand. Außer mir wohnen noch hier: Schaffrath[39], bei dem eigentl. auch Joseph wohnt, welcher aber jetzt verreist ist. Er will nächstens nach Hause u. sich setzen lassen, weil er sich hier auf keine Weise einen Broderwerb zu verschaffen getraut. Ferner Schramm[40] aus Langensalza, ein ganz vortrefflicher Kerl, der leider diesen Morgen nach St. Gallen gegangen ist, wo er seine Frau u. Kinder erwarten will. Ferner Ingenieur Heine[41] aus Dresden, der nächsten Monat nach Australien geht. Zschweigert[42], aus Plauen, dessen Frau u. Kinder heute ankamen. Ein Paar Kölner Studenten, Theaterregisseur Fischer[43] aus Karlsruhe nebst Frau, der bekannten Sängerin, die heute Abend plötzlich fort müssen, weil das Theater auf morgen für die preuß. Gardeleutnants eröffnet werden soll. Endlich Mad. Herwegh, die Tante des Dichters, nebst 2 recht hübschen Töchtern, sämmtlich der Bühne angehörend. Die ältere Tochter ist als Sängerin nach Stuttgart engagirt. Du siehst das Bild ist bunt, u. es ändert fast täglich seine Farben. Auch Hitzschold[44] ist in Zürich. Er wollte Anfangs nach Dresden zurück, scheint aber jetzt doch davon abzustehen, da er seine Frau hierher gerufen hat. Von den badischen Notabilitäten ist natürlich noch mancher hier den ich aber nicht besonders aufzähle. Von unsern Sachsen fällt mir eben noch Berthold[45] ein, der merkwürdig kleinlaut ist. Er hat sogar Gesundheits oder vielmehr Krankheitszeugnisse nach Sachsen geschickt, um sich seine Stelle zu erhalten. Damit scheint mirs nun denn doch Essig zu sein. Aber im Ganzen siehts in der Schweiz sehr trostlos für uns aus. Das Ländchen ist förmlich überfluthet. Und das Elend, unter der Masse der Flüchtigen ist nicht leicht zu heben. Das Mißtrauen gegen die Deutschen ist übrigens sehr fühlbar. Ich sehe wohl, daß hier schwerlich etwas zu machen sein wird u. treibe daher jetzt eifrig beim Eschenburg Englisch um noch diesen Herbst nach Amerika zu gehen. Es bleibt uns wahrhaftig nichts andres übrig. Wir sind jetzt auf ein Jahrzehnd hinaus eine geschlagene Partei. Ich bin begierig zu wissen, wie sich die mächtigen Herren gegen die kleine Schweiz benehmen werden. Hier herrscht viel Erbitterung gegen Preußen. An einen erfolgreichen Widerstand wäre aber nicht zu denken. Der Bundesrath scheint auch Conflicte vermeiden zu wollen, darum hat er gestern die sämmtlichen politischen u. militärischen Führer aus der Schweiz verwiesen. Merkwürdigerweise hat dieser Beschluß unter den meisten Schweizern aber tiefe Erbitterung erregt. Obgleich ihnen die Flüchtlinge ein Dorn im Auge sind, so wollen sie doch auch keinen Flecken auf der Nationalehre dulden. Baselland hat bereits erklärt, daß es jene Ordre des Bundesrathes nicht ausführen werde. Hier wird eine große Volksversammlung beabsichtigt.

Über Munde’s[46] glückliche Ankunft in Brüssel bin ich sehr erfreut. Ich lege einige Zeilen für ihn bei. Zychlinsky’s[47] Mutter war vorgestern hier um ihren Sohn zu suchen. Derselbe stand als Adjudant beim Willich u. bekam in einem der letzten Treffen einen Schuß durch den Hals, der aber wunderbarer Weise nicht gefährlich ist, außerdem hat er sich beim Sturz vom Pferde den Arm verrenkt. Er liegt in Schaffhausen. Die Obersten Sigel u. Willich, welche zuletzt kommandirten u. der Schweiz 68 schwere Feldgeschütze u. etliche Tausend Gewehre übergaben, sind auch noch hier, jetzt aber ausgewiesen. Sie genießen bei der versprengten Armee viel Liebe, während Mieroslawsky als Verräter gehaßt wird.

Deinen Brief fand ich hier vor, ich schreibe über die Paßangelegenheit auf ein besonderes Blatt, damit Du es nöthigenfalls der Polizei vorzeigen kannst.

[121] Deiner guten Frau sage, daß mich bis jetzt „noch keine Schweizerflechten gefesselt hätten“, weil ich noch keine gesehen habe. Etwa 8–10 Tage bleibe ich noch hier, dann aber, wann ich wieder etwas Moos habe, gehts nach Bern.

Behalte lieb Deinen
Gustav Friedrich Z.     

Es ist ein buntbewegtes Flüchtlingsleben, das Zschetzsche in den folgenden Briefen an Köchly entrollt; besonders sind es natürlich die sächsischen Flüchtlinge, an deren weiterem Schicksal er lebhaft Anteil nimmt. Auch die Verbindung mit den Dresdner Freunden setzt er fort, u. a. schickt er folgenden humoristischen Abschiedsbrief an seinen ehemaligen Amtsgenossen von der 2. Bürgerschule, J. G. Müller, den langjährigen Leiter des Männergesangvereins Orpheus und wohlverdienten Kantor u. Musikdirektor an der Dreikönigskirche:

Wildbad b. Zürich 10. Aug. 1849.     

 Liebes gutes Müllerchen.

Das Schicksal hat uns gewaltig weit auseinandergeworfen, seitdem ich Sie bald nach der Übergabe der Stadt noch zum letzten Male in Dresden traf. Der Belagerungszustand ist gewiß Niemandem unbequemer gewesen als Ihnen, davon bin ich fest überzeugt. Denn wenn auch Ihre Tagesordnung dadurch nicht sehr beeinträchtigt worden ist, so hat doch gewiß die Nachtordnung eine bedeutende Störung erlitten. Trösten Sie sich mit mir. Hier in der Schweiz ist man zwar vom Belagerungszustand sehr weit entfernt, aber trotzdem bekommen Sie nach dem Schlage 11 Uhr keinen Tropfen mehr zu trinken, wenn Sie sich nicht vorher bei der Polizei einen „Freischein“ für 6 Batzen gelöst haben. So etwas kommt einem alten Rennerianer höllisch unbequem u. lächerlich vor, zumal bei jetzigen heißen Tagen, wo es eigentlich erst um 8 Uhr erträglich wird u. zu schmecken anfängt. Das hat aber den Vortheil, daß der Zürcher Gesangverein seine Übungen beim Abt[48] etwas zeitiger u. pünktlicher beginnt, als der Orpheus, weil er nach Schlag 11 Uhr keinen Ton mehr hören lassen darf, u. sollte er mitten im Verse abbrechen müssen. Der Abt läßt Sie übrigens bestens grüßen. Er hält große Stücke auf Sie, u. liebt besonders ihr „Ständchen“. Heißts nicht so? (was Sie in Concerten immer im reinen Quartett singen ließen?) Mit der Musik ist aber hier höllisch wenig los, obwol man nicht gerade sagen kann, daß es an Beifall fehlte. Neulich waren schnell nacheinander 2 Prager Musikbanden hier, welche sehr gute Geschäfte gemacht haben, auch wirklich recht nett spielten.

Über mich u. meine Verhältnisse zu schreiben, würde im Augenblicke wol nicht gerathen sein, weil man am Ende doch nicht wissen kann, ob diese Zeilen in des Löwen Rachen fallen könnten. Als Pflicht liegt mir jetzt ob, von Ihnen als College Abschied zu nehmen, da ich unterm 20. Juli meine freiwillige Verabschiedung an die Inspection eingesandt habe. Oder hat man mich etwa schon früher cassirt gehabt? Über die Schulverhältnisse fehlt es mir gänzlich an Nachrichten, daher Sie wol ein Mal Ihre Feder in Bewegung setzen könnten. Durch Seyffart[49] wird Alles sicher an mich besorgt.

An Bekannten fehlt es hier nicht, obgleich jetzt viele auf einige Wochen ins Oberland gegangen sind. Vor einer Stunde war der Wagner (Kapellstr) bei mir, welcher sich hier festzusetzen gedenkt u. nächster Tage seine Familie erwartet. Er hat mit der großen Oper in Paris ziemlich vortheilhafte Verträge für den Winter abgeschlossen u. arbeitet jetzt sehr fleißig. Da zum Herbste die Eisenbahn zw. Paris u. Straßburg fertig wird, so ist es dann leicht, in 2 Tagen von hier nach Paris zu kommen.

Hitzschold, Zschweigert aus Plauen, Hennig[50] aus Wilsdruff, Marschall Biberstein, Schärff[51] haben bereits ihre Weiber hier u. scheinen sich in den Gedanken eines längeren Asyls zu fügen. Feldner[52] kam vorige Woche auch hier an, nachdem es ihm gelungen war 5 Wochen in Straßburg zu leben, ohne von der Polizei entdeckt zu werden. Endlich war er aber mit Weißflog mit Zwangspaß u. 3 Sous Etappengelder p. Stunde fortspedirt worden. Schaffrath, der [mit] mir in einem Hause wohnt, wird nächster Tage nach Hause kommen, um sich einstecken zu lassen. Heute morgen hatte ich eine hübsche Überraschung. Ich lag noch im Bette, als es derb an meiner Thür donnerte. Wer da? – Ein Landsmann, der direct vom Galgen kommt! – Ich hose mich schnell an u. öffne. Eine lange, bleiche, elende Gestalt tritt ein. Mir waren die Züge sogleich bekannt, aber ich wußte keinen Namen u. keinen Platz [122] in meiner Erinnerung für diese Erscheinung. Sind Sie nicht mit dem Dresd. Zsch. verwandt? fragt er mich. Der bin ich selbst. – Er staunt, bewundert mein gesundes Aussehn, wozu ich mir sehr gratulire u. fragt, ob ich ihn denn nicht kenne? Ja, sage ich, Freund, ich hab Dich gleich erkannt, aber woher, u. wie Du heißt [weiß] ich nicht. – Ich bin Lindemann[53] von Zwickau. Kaum will ichs glauben, u. da ich jetzt so viel Bekanntschaft unterm Galgen habe, ist mir als träume ich noch. Wußte ich doch gewiß, daß Lindemann am 22. Juni mit Trützschler von den umschlagenden bad. Dragonern u. den Spießbürgern in Mannheim gefangen worden war, nachdem er einen bedeutenden Bajonetstich in die Seite erhalten hatte. Er erzählte nun damals habe man ihn auf Befehl des Gemeinderaths wieder freigegeben, weil dieser repressale Brandlegung gefürchtet. Bei Itzsteins Haushälterin hatte er sich verbunden u. etwas Geld geben lassen u. so Abends die Stadt verlassen. Da er aber hinkte, war er den inmittelst eingerückten pr. rothen Husaren aufgefallen. Diese hatten ihn in die Kornfelder verfolgt, er war dicht neben der Stichwunde in die Hüfte geschossen u. so wieder gefangen worden. Im elenden Gefängniß saß er bei Wasser u. Brod. Erst am 3. Tage konnte er sich einen Wundarzt zum Kugelausziehen erbetteln. Pflaster u. Charpie ist ihm nie verabreicht worden. Nach 5 Wochen wurde er zum 1. Male von Stadtamtmann Babo verhört. Zu leugnen war nichts, er war Adjudant bei Corvin u. Trützschler gewesen. Auf seine Frage erklärt ihm Babo frei, er werde dem Standrechte nicht entgehn. Jetzt dachte er an die Flucht u. machte mehrere verwegene Pläne, besonders hatte ihm ein neben ihm brummendes demokr. Dienstmädchen versprochen, sogleich nach ihrer Freilassung ihm in Babuschen eine Uhrfedersäge zu verschaffen, um die Gitter zu sprengen. Doch mußte geeilt sein. Er bat unter dem Vorgeben, Verschiedenes vergessen zu haben, um neues Verhör u. wollte dem Polizeier, der ihn durch einige Straßen führen mußte, entlaufen. Doch wars unmöglich, da er noch zu sehr hinkte u. überall Wachen standen. Nach dem Verhör ist nicht gleich der Polizeier zum Zurückführen da. Babo stellt den L. daher in eine Copistenstube, ihn den Copisten einstweilen übergebend. Es schlägt 12 u. der jüngere Copist geht fort u. nur ein ziemlich alter bleibt. Nach einigen Minuten fängt dieser an: „Sie warten wol auf Jemand?“ Lindem. merkt aus dieser naiven Frage u. dem Ton der Sprache, daß der Alte halbtaub ist u. von Babos Worten nichts gehört hat, sagt ganz trocken: „Ja, ich weiß gar nicht wo er bleibt; ich werde ihm lieber entgegengehn.“ „Thun Sie das“ – spricht der Alte in seiner Gutmüthigkeit. L. schleicht fort, mitten durch Militär u. Wachen hindurch, erreicht glücklich die Gasse u. endlich die freie Landstraße. Dort jagt er einem Glasergesellen seinen Glaskasten pp. ab, u. geht als Glaser weiter. Erreicht glücklich Würtemberg u. die Schweiz u. freut sich seines Lebens. Er möchte gern seinen Bruder, den Collabor, an d. Kreuzschule gegrüßt haben. Das besorgen Sie wol? Nichtwahr? Er wohnt jetzt bei mir u. hofft auf baldige Bemoosung. Die bemooste Seite ist überhaupt bei Flüchtigen sehr empfindlich, schwach u. leicht angreifbar.

Da aber das Papier alle ist, so müssen Sie hiermit zufrieden sein.

Behalten Sie lieb Ihren scheidenden Collegen

Zschetzsche.     

Als darauf am 31. August, nachdem man einen Brief von Seyffart an Z. abgefangen hatte, ein Steckbrief (gemeinsam mit Jäkel) gegen ihn erlassen wurde, war das Band, das ihn noch mit seiner Heimat verknüpfte, für immer zerrissen, und er mußte nun versuchen, in der Schweiz oder sonstwo im Auslande sich eine neue Lebensstellung zu erringen. Allmählich verließ mancher Freund und Bekannte, zumal da die Schweiz sich genötigt sah, eine Anzahl der schwerer gravierten Flüchtlinge auszuweisen, das Land, um sich in Amerika eine neue Heimat zu gründen. So wanderten dahin Munde, Schärff, Heine, Feldner u. viele andre. Als Hennig Anfang Oktober mit einem Schiffscontrakt nach Neu-Orleans in der Tasche Zürich verließ, da gaben die meisten der in dieser Stadt anwesenden Sachsen ihm das Geleite. Wohl hatte auch Z. ursprünglich den Plan gefaßt, nach Amerika auszuwandern, besonders deshalb, weil mehrere Versuche, sich eine feste Stellung in der Schweiz zu verschaffen, zunächst fehlschlugen. Denn es war für den Lehrerstand schwierig, hier festen Fuß zu fassen, war doch unter den Flüchtlingen in der Schweiz die deutsche Lehrerschaft stark vertreten. Mancher mußte wohl oder übel zusehen, auf anderem Gebiete sich durchzuschlagen, so versuchte Lindemann aus Zwickau sein Glück als Chorist und Schauspieler in kleineren Rollen und erregte im Lustspiel durch seinen breiten, sächsischen Dialekt viel Heiterkeit. Z. beschloß fürs erste mit zwei andern Lehrern die Fröbelsche Schule in Zürich bis Ostern 1850 weiterzuführen. Sehr belustigte ihn die Mitteilung sächsischer Blätter, wonach er von der französischen Regierung beauftragt worden sei, die [123] Gründung neuer Kolonialschulen zu leiten, wozu die Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg. 1849 Sp. 677 ironisch hinzufügt: „wahrscheinlich um die Beduinen zu demokratisieren“. Hier in Zürich wirkte Z. mündlich und schriftlich eifrig für Köchlys Berufung an die Züricher Universität, und mit großer Freude erfüllte es ihn, als er seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt sah und Köchly im April 1850 daselbst eintraf. Im Verkehr mit diesem und andern bedeutenden Männern bildete sich Z. weiter; die Zeit der Ferien wurde zu gemeinsamen Wanderungen in die Schweizer Berge benutzt. 1852 erhielt er eine Anstellung an der Kantonsschule Zürich und zwar in der Industrieabteilung; an dem weitern Ausbau dieser Anstalt beteiligte er sich in hervorragender Weise und erwarb sich namentlich um die kaufmännische Abteilung große Verdienste. So kam es, daß ihm bald die Leitung der Schule übertragen und der Titel Professor erteilt wurde, auch erhielt er 1859 durch Schenkung das Bürgerrecht der Stadt Zürich. Die Stellung als Rektor bekleidete er von 1855–69, war dann aber noch Lehrer an der Schule bis zum Frühjahr 1874, in welchem Jahre eine schwere Krankheit ihn zur Aufgabe seines Lehramtes nötigte. In seinen letzten Lebensjahren betätigte er sich noch als Korrespondent verschiedener Zeitungen und übernahm gegen Ende der 70ger Jahre die Redaktion der Winterthurer Nachrichten. Er starb am 8. April 1880. Der Nachruf, den das Winterthurer Blatt ihm am 17. April widmet, zollt seiner Lehrtätigkeit volles Lob; infolge seines freundlichen, leutseligen Wesens, mit dem sich jedoch große Energie verband, war er bei all’ seinen Schülern sehr beliebt, und sein prächtiger Humor gewann ihm schnell die Herzen seiner Umgebung. Über seine öffentliche Tätigkeit sagt schließlich der Nachruf folgendes: „Er besaß ein organisatorisches Talent, das ihn an die Spitze der verschiedensten Gesellschaften und Vereine Zürichs führte; als Organisator bei Schützenfesten erwarb er sich geradezu einen Namen, und die Polizeiordnung, die am eidgenössischen Schützenfeste in Zürich und Basel gehandhabt wurde, rührt von ihm her. Sein scharfer Einblick in die verworrensten Verhältnisse, seine klare Disposition in den schwierigsten Fragen war allgemein bekannt und wurde er in mancherlei Fällen in und außer dem Canton zu Rate gezogen. Sein offenes ungescheutes (!) Wesen, das manchem Hyperdemokraten und Demagogen auf den Finger klopfte, gewann ihm freilich auch Feinde, die ihn angriffen und persönlich angriffen, daß er infolge der Überladung mit Ehrenämtern seinem Amte nicht mehr wie nötig vorstehe. . . Der schweizer. demokrat. Bewegung war er trotz seiner Antecedentien abhold. Seine Stellung zur kantonalen Politik war die eines Liberalen, der sich nicht scheute, auf das Gute wie Ungesunde sowohl im eigenen Lager wie in jenem der Gegner hinzuweisen und die Feile der Rüge in aller Schärfe da anzusetzen, wo er es für nötig fand, bald hüben, bald drüben; sein selbständiger, fester Charakter ließ ihm keine Schablonenpolitik zu. Zum demokratischen Teil der zürcherischen Lehrerschaft trat er nach seinem Rücktritte von der Professur noch in scharfen Gegensatz, woraus sich mitunter eine scharfe Polemik entspann. . . Doch hatte er in allen Fällen des öff. Lebens in selbstlosester Weise jederzeit nur das allgemeine Wohl im Auge, war jedoch der Ansicht, daß viele Wege nach Rom führen und[WS 3] nüchterner, gesunder Sinn nebst eigener Erfahrung u. fester Überzeugungstreue dem freien Manne zur Richtschnur dienen sollen.“


  1. Vgl. E. Böckel, Hermann Köchly 1904, S. 125 u. a. Der Brief wurde mir freundlichst vom Verfasser dieser vortrefflichen Biographie mit Genehmigung von Köchlys Hinterbliebenen überlassen.
  2. Der um das Dresdner Volksschulwesen hochverdiente nachmalige Oberschulrat, s. Allg. deutsche Biographie Bd. XLVI, 443 f.; der ursprüngliche Plan Köchlys, nach London zu flüchten, war fallen gelassen worden, da Brüssel ein hinreichend sicheres Asyl bot.
  3. Dr. Bernhard Philipp Gerber aus Sonnenberg, Privatgelehrter; Wohnung: Packhofstr. 3.
  4. Klepperbein, Arzt, s. Böckel, H. Köchly, S. 165.
  5. Über ihn und seine Brüder vgl. Dresdner Zeitung 1850 Nr. 141; über seine Überführung nach Waldheim ebenda Nr. 170. Seine Biographie in der Allg. d. Biographie Bd. L S. 285 ff.
  6. Advokat Gustav Blöde, Landtagsabgeordneter und Stadtverordnetenvorsteher, Schwager von Robert Prutz. Das Justizministerium ordnete zunächst seine Entlassung ohne Kaution an (Christabend 1849), das Appellationsgericht jedoch verurteilte ihn zu zehnjähriger Zuchthausstrafe; als er die Ladung zur Publikation des Erkenntnisses erhalten, verließ er Dresden, vgl. Dresdner Zeitung 1850 Nr. 80 S. 327, Nr. 85 S. 347. Seine Abschiedsworte an seine Freunde s. Dresdner Zeitung 1850 Nr. 170 S. 872. Er begab sich nach Amerika und wirkte in Newyork als Redakteur einer der ersten Zeitungen.
  7. August Röckel, Musikdirektor am Dresdner Hoftheater seit 1843; seine Beteiligung an dem Maikampf schildert er in seinem Buche „Sachsens Erhebung und das Zuchthaus zu Waldheim“ (Frankfurt a. M. 1865) S. 141 ff.
  8. Klette, Kürschnermeister und Stadtrat, Wohnung: innere Rampescheg. 21; wegen seiner Beteiligung wurde er zu dreijähriger Zuchthausstrafe verurteilt, dann zu zweijährigem Landesgefängnisse begnadigt, s. Dresdner Zeitung 1850 Nr. 127 S. 521, Nr. 150 S. 655.
  9. Michael Bakunin zum intellektuellen Anstifter des Dresdner Maiaufstandes zu stempeln, dürfte schwerlich noch heutigen Tages versucht werden; in dieser Hinsicht wird der Artikel in der Dresdner Zeitung 1849 Nr. 267 S. 1396 f. dem slavischen Agitator gerecht.
  10. Dr. Hermann Eberhard Friedrich Richter, Professor an der medizin. chirurg. Akademie (vgl. Allgem. d. Biographie Bd. XXVIII S. 465) war mit Köchly und Minckwitz Mitglied des Sicherheitsausschusses; über dessen Tätigkeit vgl. außer den Quellenschriften auch „Freimüthige Sachsenzeitung“ 1849 Nr. 75 Extra-Beilage.
  11. Alexander Clarus Heinze, Kommandant der Kommunalgarde während des Kampfes, starb im Zuchthause zu Waldheim.
  12. Dr. jur. Heinrich Eduard Minckwitz (s. Anm. 10) war Obmann des Ausschusses des Deutschen Vaterlandsvereins; seine Eingabe an das Dresdner Stadtgericht ist abgedruckt in der Dresdner Zeitung 1850 Nr. 5 außerordentliche Beilage; vgl. dazu Nr. 12 S. 48.
  13. Dr. Wilhelm Heinrich Herz, Landtagsabgeordneter und Landtagsarchivar, wurde zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt, s. Dresdner Zeitung 1850 Nr. 130 S. 533 und Nr. 169 S. 695.
  14. Dr. med. Bernhard Hirschel, gestorben 1874 als Sanitätsrat und Arzt am Henriettenstift, wurde am 27. Juli 1849 gegen Kaution aus seiner Haft entlassen, s. Dresdner Zeitung 1849 Nr. 174 S. 1016; dazu Nr. 22 S. 163 und Nr. 27 S. 211.
  15. Diese befand sich auf der Großen Frohngasse Nr. 18–20.
  16. Der Postsekretär Martin wurde zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt, s. Dresdner Zeitung 1850 Nr. 180 S. 739; er war mit Heubner und Bakunin verhaftet worden.
  17. Später Konrektor an der Kreuzschule; über Köchlys Stellung zu diesem und den älteren Kreuzschulkollegen vgl. Böckel H. Köchly S. 32 f. Bei diesem Urteil über Sillig hat anscheinend Parteihaß die Feder geführt.
  18. 3. Mai.
  19. Mit diesem Berichte eines glaubwürdigen Augenzeugen lassen sich die Angaben bei v. Montbé „Der Maiaufstand in Dresden“ S. 135 f. und v. Waldersee „Der Kampf in Dresden im Mai 1849“ S. 118 f. nicht in Einklang bringen.
  20. Breite Gasse.
  21. Vgl. hierzu v. Waldersee S. 179 f. und August Röckel (Sachsens Erhebung usw.) S. 175 ff.
  22. Gemeint ist wohl der in der Frauengasse wohnende Dr. med. Keiler.
  23. Nach den offiziellen Angaben betrugen die Verluste bei den preußischen Truppen: 8 Tote und 38 Verwundete, bei den sächsischen: 22 Tote und 64 Verwundete, s. v. Waldersee S. 221 f.
  24. Hans Blum, „Die deutsche Revolution 1848–1849“ (1897) S. 398.
  25. Georg Kaufmann, „Politische Geschichte Deutschlands im 19. Jahrh.“ S. 370 ff.
  26. Vgl. E. Böckel, Herm. Köchly (1904) S. 116 ff.
  27. Der Brief stammt aus Köchlys Nachlasse und wurde mir durch Vermittlung des Herrn Gymnasialdirektors E. Böckel in Heidelberg von Köchlys Hinterbliebenen zu dieser Lebensskizze Zschetzsches freundlichst überlassen.
  28. Saargemünd.
  29. Rudolf Rauchenstein, Philolog und Schulmann, 1798 bis 1879, s. Allgem. deutsche Biographie Bd. XXVII S. 392 ff.
  30. Advokat Kell s. Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg. 1849 Sp. 1153; Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1200, 1418; nicht zu verwechseln mit dem Rektor Julius Kell, s. Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 840; Jahrg. 1850 S. 117. Kell, Reimmann und Hohlfeld aus Löbau waren Mitglieder der Linken im sächsischen Landtage. Ludwig, Stein und Hoßfeld gehörten wohl alle drei dem sächsischen Lehrerstande an.
  31. Julius Fröbel vgl. außer Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1362, 1511; Jahrg. 1850 S. 33 ff. im allgem.: Allg. deutsche Biographie Bd. XLIX S. 163 ff.
  32. Theodor Kaufmann, geb. 1814, s. außer Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1418; Jahrg. 1850 S. 33 auch Allg. Künstler-Lexikon Bd. II S. 314.
  33. Hermann von Lindemann (auch Lindeman), mit Wittig ehemaliger Redakteur der Dresdner Zeitung, s. diese Jahrg. 1849 S. 1418; Jahrg. 1850 S. 71, 495.
  34. Jäkel erhielt den Spitznamen „Der blaue Rock“, weil er als Landtagsabgeordneter beständig einen solchen statt des üblichen Fracks trug; er wirkte später an der thurgauischen Kantonschule, s. E. Böckel, H. Köchly S. 138.
  35. Advokat und Gerichtsdirektor Gruner gehörte zur Linken des sächsischen Landtags.
  36. Advokat und Gerichtsdirektor Marschall v. Biberstein war später a. d. Züricher Univers. als Dozent der Nationalökonomie tätig.
  37. Behn-Eschenburg, 1814–73, leitete 1844 in Dresden ein Erziehungsinstitut für junge Engländer, s. Allg. deutsche Biographie Bd. II S. 284.
  38. Heinrich Ludwig Tschech, Bürgermeister von Storkow[WS 1], der das am 26. Juli 1844 gegen Friedrich Wilhelm IV. verübte Attentat mit dem Tode büßte.
  39. Wilh. Michael Schaffrath, Dr. jur., Advokat, geb. 1. Mai 1814, † 7. Mai 1893.
  40. Ein sächsischer Lehrer, der in St. Gallen ein Mädcheninstitut zu gründen suchte.
  41. Ingenieur Carl Johann Heine s. Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1200, 1418; nicht zu verwechseln mit dem ehemaligen Dresdner Theatermaler P. B. Wilhelm Heine s. Dresdner Zeitung Jahrg. 1850 S. 33 und allg. Künstler-Lexikon Bd. II S. 151.
  42. Kaufmann W. Zschweigert, Landtagsabgeordn. s. Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1505; Jahrg. 1850 S. 12, 83, 91, 101, 274.
  43. Friedrich Fischer, 1809–1871, seine Gattin Karoline Achten, s. Allg. deutsche Biographie Bd. VII S. 67.
  44. Stadtrat Fr. Aug. Hitzschold s. Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg. 1849 Sp. 1153; Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1418; Jahrg. 1850 S. 56, 447.
  45. Dr. ph. Wilhelm Berthold, Oberlehrer in Döbeln.
  46. Dr. Carl Munde, Direktor der Dresdner Handelslehranstalt, vgl. E. Böckel, H. Köchly S. 122.
  47. Rechtskandidat Leo von Zychlinski, Adjutant des Oberkommandanten der Kommunalgarde Heinze, s. Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg. 1849 Sp. 1418; Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1418; Jahrg. 1850 S. 250. Über die badische Revolution und ihre Führer s. H. Blum „Die deutsche Revolution 1848/49“ S. 411 ff. mit Quellenangaben.
  48. Der Liederkomponist Franz Abt war Müllers langjähriger Freund.
  49. E. Herm. Seyffart, Hilfslehrer an der 3. Bezirksschule.
  50. Hennig, Gerichtsdirektor in Wilsdruff, s. Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg 1849 Sp. 1153; Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1296, 1418; Jahrg. 1850 S. 483, 614.
  51. Schärff, Schirmfabrikant in Dresden, s. Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg. 1849 Sp. 1153; Dresdner Zeitung Jahrg 1849 S. 1200, 1418
  52. Feldner, Oberlehrer in Hainichen, s Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg. 1849 Sp. 151/3, 1153; Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 1200, 1418. Weißflog gehörte zum leitenden Zentralausschuß der Vaterlandsvereine, s. C Krause „Der Aufruhr in Dresden“ S. 24.
  53. Eduard Lindemann, Konrektor in Zwickau, s. Freimüthige Sachsenzeitung Jahrg. 1849 Sp 1153; Dresdner Zeitung Jahrg. 1849 S. 816, 1098, 1142, 1418. Vgl. auch Corvin „Aus dem Leben eines Volkskämpfers“ III S. 251, 266 f., 294.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Stockow
  2. Vorlage: Tzschech
  3. Vorlage: nnd