Schouwärt – Die Ueberschwemmung (1784)
Dies kleine Stück ward durch die bekannte Ueberschwemmung unterm 29ten Februar und 1sten Merz dieses Jahrs veranlaßt. Weit entfernt ein Stück für die teutsche Bühne zu liefern, schrieb ich vielmehr ohne den geringsten Plan, ohne noch selbst zu wissen, was da werden sollte, meine Empfindungen nieder, die ich theils beym Anblick so mancher durch den Eisstoß verunglückten Familie, theils bey der Erzählung trauriger Geschichten, die jener verursachte, fühlen muste, und so entstand binnen einigen Tagen gegenwärtiges Produkt, an dem im Grunde mehr mein Herz als mein Kopf Theil hat. Und in dieser Rücksicht hoff ich, wird man dem Verfaßer, der diesen kleinen Versuch wagte, die wider die Regeln des Drama eingeschlichenen Fehler leicht nachsehen; wenn z. B. die Situationen zu seicht angelegt, [4] die Charaktere hin und wieder zu wenig ins Licht gestellt, und das Ganze mehr Skizze, mehr einzelne Szenen ohne Bindung, und nur abgerissene Bruchstücke sind, die gleich den Trümmern, die der Eisbruch als traurige Denkmale zurükließ, ohne Ordnung zerstreut umher liegen. Vielleicht das ich bey reifern Dramatischen Kenntnißen eine Umarbeitung davon wage, wenn irgend ein Kunstrichter ein an sich unbedeutendes Ding seiner Aufmerksamkeit werth hält, welches zur Zeit nur noch ein Werk dreyer schlaflosen Nächte ist.
Der Fürst von **.
Klafter, ein reicher Holzhändler.
Leopoldine, seine Tochter.
Belt, Klafters Hausverwalter.
Der Oberamtmann des Städchens.
Weiler, ein Unterbeamter.
Pöll, ein Schiffer.
Margrethe, eine Müllerswittwe.
Röschen, | ╮ | ihre Kinder. |
Lieschen, | ╯ |
Kant, ein Pachter.
Willhelm Kant, sein Sohn.
Thomas, Klafters Bedienter.
Eine Ordonanz.
Die Handlung geht in einem durch die Ueberschwemmung verunglückten Städtchen vor.
Fünfhundert, sechshuntert und funfzig Klaftern Holz aus der Niederlage – dreyßig dem Brauer Korn abfolgen lassen – Acht tage früher; so wären auch diese dahin – noch ein Glück, daß die Hälfte davon schon abbezahlt ist; ums übrige ist mir nicht bange; der Brauer ist ein bemittelter Mann, wenn er auch mit etwas wenigem zu Schaden gekommen. – Aber gerechter Himmel! meine alten Weine. Sechs Stück Vaß beym Teufel! verzeih mirs Gott! Ueber die verdammte Unvorsichtigkeit – ich bin doch ein geschlagener Mann! es scheint gerade, als hätte die fatale Flut ihren [8] Zahn blos auf mich gehabt – (rechnet nach.) an die 3000. Thaler Schaden – es ist erschrecklich! –
Aber liebster Belt! daß Sie so unvorsichtig seyn konnten, die Fässer im Keller nicht aufzuschrauben –
Belt. Wie das möglich, Herr Klafter? Wer konnt’ es denn vorhersehen; und am Ende –
Klafter. Ich unglücklicher, geschlagener Mann! mein ganzer Vorrath an Holz, und nun die kostbaren Rheinweine! Mein Verlust ist nicht zu berechnen –
Belt. Um Verzeyhung, Herr Klafter, Sie sind noch immer wie man zu sagen pflegt, mit einem blauen Auge davon gekommen – denn außer dem –
Klafter. Wie? wie? etwa noch mehr? – Hat sich denn alles wider mich armen Mann verschworen?
Belt. Geschehene Dinge sind nicht zu ändern wie man zu sagen pflegt, Sie hätten noch in Zeiten diesem geringen Schaden vorbeugen können –
[9] Klafter. Geringen Schaden? sagen Sie – geringen Schaden, der mich um einen so beträchtlichen Theil meines Vermögens bringt – Sie wissen nicht, was Sie da schwatzen – Ihr Leute plaudert ins Gelag hinein – habt kein Haus und Hof, und fahrende Güter, die man durch den grausamen Strom mit fortreißen sehen muß – Gütiger Himmel! mein schöner Gewinnst meine Aussichten auf kommende Jahre, alle zu Grunde gebort, auf immer verschlungen –
Belt. Sie sind ein Mann, Herr Klafter, und dem ziemet Standhaftigkeit; Kleinmuth bey ihrem Verlust entehrt. Ich war vor vielen Jahren Augenzeuge eines schröcklichen Sturms – Mein ehmaliger Herr hatte ein Schiff in der See, welches sein ganzes Vermögen in sich faßte – es betrug eine halbe Million – Er hatte im besten Wohlstande gelebt, hatte Weib und sechs Kinder, sein Schiff scheiterte, und er war nun mit einmale ein Bettler. Bald darauf verlor er auch seine liebenswürdige Gattin, die der Gram tödtete. – Er fühlte seinen Verlust, das Unglück seiner Familie tief im innersten; aber er trug dennoch sein Elend mit Gelassenheit, und sah einer traurigen Zukunft voll Noth und Jammer muthig entgegen. Und Sie Herr Klafter, der sie nicht den zwanzigsten Theil Ihres Vermögens verloren, da hunderte durch die Ueberschwemmung ihr bischen Haabe und Leben eingebüßt; der sie nur eine einzige Tochter haben, die auch ohne einen Pfennig jeden rechtschaffenen Mann glücklich machen würde – Sie scheinen über diesen Unfall außer sich, [10] wollten beynahe schon verzweiflen, als sie keine Möglichkeit mehr sahen, etwas zu retten; da Ihnen wär ihr Verlust sechsmal größer doch noch genug übrigbleibt, manchem dürftigen unter die Arme zu greifen – wahrhaftig, ich würde mich an Ihrer Stelle schämen –
Klafter. Sind sie unsinnig, sind Sie toll? Wie gesagt man siehts, wie wenig sich Leute, die um kein Dach und Fach, um kein Eßen und Trinken zu sorgen haben, um anderer Schaden sich kümmern; Leute deren Schuldigkeit doch wäre –
Belt. Herr Klafter! ich glaube nimmermehr einen solchen Vorwurf zu verdienen – Ich that noch immer meine Pflicht, dien Ihnen schon über sechs Jahre um einen sehr mäsigen Gehalt, und ich hoffe doch nicht, daß Sie mir das als Wohlthat anrechnen werden, was nichts als saures Verdienst ist – Doch wie ich sehe, Sie sind izt zu wenig in Faßung um Ihnen das zuberichten, weswegen ich eigentlich herkam – in einer Stunde, oder wenns Ihnen gelegener wäre –
Klafter. Nein! Bleiben Sie! bleiben Sie! sagen Sie mir – ich bin zu allem gefaßt – noch was schröcklichers? – nur heraus damit –
Belt. Wenn Sie gelassener seyn wollen.
Klafter. (äuserst unruhig) Bin’s ja, bin’s.
Belt. Auser den 600 Klaftern aus der Niederlage, wovon sie noch vor acht Tagen über die Hälfte hätten an Mann bringen können; aber aus [11] Eigensinn – verzeihen sie mir den Ausdruck – weil Sie bey jeder Klafter etliche Groschen sollten fallen lassen – bis auf weitern Verkauf noch zurückhielten – denn etwas verloren ist doch immer beßer als alles, wie man zu sagen pflegt. –
Klafter. Reden Sie doch fort. –
Belt. Auser diesen 600 Klaftern gieng noch dem Schiffer Pöll sein ganzes Schiff mit allem Vorrath zu Grunde; der arme Mann ist recht zu beklagen: –
Klafter. Stille! stille! keine Silbe mehr – Es ist seine Schuld – er hätte können Vorkehrungen treffen – Er mag mir den Schaden ersetzen. –
Belt. Aber der Mann ist beynahe ein Bettler. –
Klafter. Mag er zusehen – soll ich etwa noch fremder Leute Schaden auf mich nehmen? Es ist billig, daß man sie für ihre Unvorsichtigkeit bestraft. –
Belt. Aber, lieber Herr! wer konnte denn solch Unglück voraussehen; seit undenklichen Jahren haben wir kein Beyspiel solcher Ueberschwemmung, wider Vermuthen kam in der Nacht der Eisstoß; kaum das die Leute noch so viel Zeit hatten, ihr armes Leben zu sichern. Und nun das Elend so vieler Verunglückten zu sehen, den allgemeinen Jammer. –
Klafter. Seh’ ich nicht Jammers genug an mir selbst? Was hat so ein Kerl von Bauer viel [12] zu verlieren; sein bischen Strohhüte, das ist alles. Trift aber so ein Unfall unser einen, dann fühlt man Jahrelang die große Lücke, die so ein einziger Stoß verursacht. Ueberlegen Sie nur selbst, mein ganzer Holzvorrath! wie manches schöne Thälerchen er mir mit kommendem Winter noch hätte abwerfen können. – meine köstlichen Rheinweine! daran darf ich gar nicht denken; es frißt mir zehn Jahre am Leben ab.
Belt. Wie mancher würde sich an Ihre Stelle wünschen! säh’ er nur eine Möglichkeit, sich wieder emporzuhelfen; oder wär ihm nur so viel noch übrig, um nicht verhungern zu müssen. In der That, Hr. Klafter! berechnen Sie ihren Verlust noch so hoch; was ist das einem Manne, der an die zweymal hunderttausend Thaler im Vermögen hat. –
Klafter. Herr! wer hat Ihnen das gesagt? 200,000 Thaler! wo die hernehmen? Mein ganzes Erbe, so mir mein Vater hinterließ, waren fünfhundert lumpichte Thälerchen. – Gott verzeih’ ihm die Sünde noch jenseit des Grabes. – Meine seelige Frau brachte mir nicht mehr als dreytausend Thaler zum Brautschatze, verwandte hab’ ich keine, von welchen ich hätte erben können; und erst seit zwanzig Jahren führ ich den Holzhandel, bey dem sich, außer diesen Winter, wo es denn noch ein bischen mit unter kalt war, kaum so viel erringen läßt, um davon leben zu können. Doch das wißen Sie eben so gut, wie ich; oder zweifeln Sie etwa noch – sehen Sie meine Rechnungsbücher [13] nach, – kömmt ein schöner Profit heraus, den man heut zu Tage machen kann.
Belt (bey Seite) Ueber den Geizhals! – Noch eins, Hr. Klafter! es ist kein Unglück so groß, so ist ein Glück damit verbunden, wie man zu sagen pflegt. –
Klaft. Nu, lieber Belt! hat man vieleicht noch einige hundert, – sagen Sie doch – daß Sie mir auch den Schröcken nicht ersparen konnten –
Belt. Das nicht, – Gestern Abend sehr spät kam noch der Gärtner vom Gute herein. – Sie schliefen schon. – Die Mauer wie er sagte, die Sie vorigen Sommer um ihren sogenannten Park aufführen ließen; schüzte beynahe das kleine Dörfchen, welches ohnfehlbar dahin wäre, hätte nicht jene daß heftige Reißen des Stroms und die anprellenden Eisschollen noch abgehalten.
Klafter. Sie ist doch nicht weiter beschädigt?
Belt. Ganz umgerissen, und alle Obstbäume nebst der Orangerie und dem Gartenhause rein weggespült. –
Klafter (sinkt in einen Stuhl.) Gerechter Gott! ich unglückseeligster aller Menschen! – die herrliche Gartenmauer, sie kostet mich baare 2000 Thaler. – Meine schöne Orangerie, meine ausländischen Gewächse – und denn mein kleines Sansçouci! – Nein! das ist zu viel! zu viel auf einmal; daß ist der letzte Schlag; er wird mich ums Leben bringen, – Fahret dann wohl, [14] alle meine Hofnungen! – Mein schönes Sansçouci! – Meine ganze Seeligkeit! – Nun will ich mein altes Haupt zur Grube tragen.
Belt. Beruhigen Sie sich doch – dieser Schade kann ja ersezt werden. –
Klafter. Herr! wollen Sie mich rasend machen? Gehn Sie, Sie Unglücksvogel! Sie haben mir einen Stachel ins Herz gedrückt, der mir alle meine Lebensfreuden verbittern wird – Freuden, sag ich? was kann meiner noch warten, als ein langsam zehrender Tod; – Gott! wie ist mir? ich bin zu sehr erschüttert; ich fühls, ich bin zum sterben krank; gehen Sie doch, laufen Sie Belt! schaffen Sie mir Hülfe – es drückt mir sonst den Othem ab.
Belt. Sogleich – will den Augenblick jemand herschicken, der Ihnen Luft machen soll. (ab.)
Mein liebes armes Sansçouci! wie ruhig und zufrieden ich manchen Sommerabend da saß, wenn ich ermüdet von Tagesgeschäften meinen sauer erworbenen Gewinnst überzählte, und so behäglich die Produkte mancher schlaflosen Winternacht übersah – oh! – gerne wollt’ ich all’ übrigen [15] Verlust – Nein! nein! – Sechshundert Klafter – sechzig an Schiffer Pöll – sechs Stücke vom ältesten Rheinwein – und nun wieder mein neu angelegter Garten – Wer weis, was man mir noch verschweigt! – daß ich aber gerade vorigen Sommer den unseeligen Einfall bekam, eine so theure Mauer um den Park zu ziehen. – Meine Obstbäume, meine Orangerie total ruinirt! – Ich muß heute noch aufs Gut, muß selber den Schaden in Augenschein nehmen – doch nein! der Anblick bräche mir das Herz – Zweymalhunderttausend Thaler! sagtest du Belt? Woher er das weis? er muß toll seyn. – Und mit welcher Kaltblütigkeit er mirs berichtete, als hätt’ ich eine Stecknadel verloren; und kömmt er auf seine Mitmenschen, seine Bauern zu sprechen, gleich schwimmen ihm die Augen in Thränen. Bey fremden Wehe so empfindsam, und bey meinem Unglück, welches er wie sein eigenes betrachten soll, steht er da fühllos, und spottet noch meines Unfalls – Was für abscheuliche hartherzige Menschen es giebt.
Leopold. Guten Morgen, lieber Vater! – Ums Himmelswillen! was fehlt Ihnen. Sie sehn ja ganz blaß – ich will nach Hülfe. –
Klaft. Komm her, Poldchen! komm her, gutes Mädchen! sez dich zu mir – du wirst deinen guten Vater nicht lange mehr haben. –
[16] Leopold. Sie erschröcken mich, bester Vater! ist Ihnen ein Unglück –
Klaft. Ja, Kind, das gröste, so ich erleben konnte – Ich würde mich trösten, träfe es mich allein. – Hatte mir so glänzende Aussichten gemacht; noch einige Järchen, und ich hätte meine Schäfchen ins Trockne geführt. – Aber es trift auch dich, Kind! es raubt dir einen beträchtlichen Theil deines Glücks, und du bist nun um tausend ärmer geworden.
Leopold. Immerhin, mein Vater! machen denn Summen immer unsre ganze Glückseeligkeit aus? Ist nicht immer Zufriedenheit und mässiges Vermögen jenem weit vorzuziehen. –
Klaft. Wie du wieder plauderst? gerade wie deine Mutter, Gott habe sie seelig, und vergeb’ ihr die Sünde, daß sie dir solche Grundsätze beygebracht hat. – Ein glück für dich, Mädchen daß sie noch so zeitlich starb –
Leopold. (etwas unwillig.) Mein Vater!
Klaft. Verstehst gerade die Sache, wie sie – Hatte gut schwatzen, vom häuslichen Glück und Seelenruhe – ihre Lieblingsworte – mit ihren paar tausend Thälerchen Eingebrachten. Kau’ immerhin Brodrinden, und denk’ dich dabey glücklich – Bist noch zu jung, Mädchen, darüber zu urtheilen. –
Leopold. Quälen Sie sich nicht mein Vater! unmöglich kann unser Loos härter seyn als jenes so vieler Unglücklichen, die durch die Ueberschwemmung [17] beynahe alles verloren. – Gewis bleibt uns noch ein nicht ganz unbeträchtlicher Theil. –
Klaft. Schweig – du weißt nicht alles. –
Leopold. Hr. Belt sagte mir, daß Sie noch überdies den ganzen Vorrath auf Pölls Schiffe eingebüßt, und die neue Gartenmauer –
Klaft. Ja – und mein herrliches Sansçouci! O Poldchen! Poldchen! dieser Verlust ist mir der empfindlichste – Du seufzst? – Warst den ganzen Sommer über fast beständig da. – Kostet mich an die drey tausend Thaler, hatte gestern erst die Rechnungen davon in Händen. – Saß oft so manche Stunde da, vergnügt mit mir selbst, nach vollendetem Tagwerk – du mir zur Seite – sah einer so heitern Zukunft entgegen – wie glücklich, dacht’ ich, wird einst dein Poldchen von deinem bischen gesammelten Schweise leben können, so dacht’ ich, und nun – oh! ich habe meinen Schweis für die Raubvögel hingeworfen!
Leopold. Es war der Wink einer höhern Macht. – Wir dürfen darüber nicht murren, müssen mit Gelaßenheit unser Schicksal mit andern dulden, und die Vorsehung dafür seegnen, daß sie uns nicht mehr nahm, da sie’s doch konnte.
Klaft. Fluchen möcht ich, fluchen.
Leopold. Ums Himmelswillen, mein Vater!
Klaft. Ueber die Unvorsichtigkeit. Die Leute sind meistens selbst an ihrem Unglücke Schuld. Man hätte höhern Orts sollen und können Vorkehrungen treffen. Durch kluge Anstalten hätte man [18] vielem Uebel vorgebeugt. Daß ich gerade an dem unseeligen Fleck den Garten anlegen muste! hätte doch nur die Wasserflut die elenden Strohnester lieber weggeschwemmt. –
Leopold. Sein Sie nicht ungerecht mein Vater! Giebt es nicht der Unglücklichen genug? Seyn wir froh, daß wir einigermaßen noch Ursache sind, daß der Strom ihnen nicht ihr ganzes Habe entrißen. Wollten sie nicht lieber einen Theil Ihres Vermögens mißen, um dadurch nur eine Familie glücklich zu machen? Ich weis es, Ihr gutes, menschenfreundliches Herz würde dem Drange, den es beym Anblick so vieler Leidenden fühlte, nicht wiederstehen können, die allgemeine Noth, den unbeschreiblichen Jammer zu lindern, der jezt so manche Familie verzehrt. O hätten Sie das Elend ganz gesehen, mein Vater! Traurige Reste von niedergerißenen Häusern, jezt leer und unbewohnt; irgend an einem Stein eine kranke Mutter, den Säugling an der Brust, für Kälte halb erstarrt, und ohnmächtig, dem sterbenden Würmchen sein Leben zu fristen; den Jammerblick gen Himmel gekehrt, um Erbarmen und Rettung. – Dort einen vom Alter niedergebeugten Greis, vor einigen Tagen noch ein glücklicher Vater im Zirkel seiner Enkeln und Kinder, jetzt einsam an der Straße ohne Obdach und Kleidung; den starren Blick an die Erde geheftet, wo kurz vorher noch seine Wohnung stand, nun ein etliche Spannenweites Stück Erde sein Wohnplatz und baldiges Grab. – Hier Bruchstücke von hundertjährigen Mauern, zertrümmerte Scheunen, verwüstete Fruchtgärten, für Manchem jahrelange Nahrung – Ueberall durchdringendes Geschrey hungernder Waisen, halbnakender [19] Kinder, und – o! mein Vater! der Anblick ausgeworfener Leichen, die der wütende Strom mit sich fortriß, und um die vielleicht Gatte, Vater, Hülflose Waisen trauern – Ich weis mein Vater, sollten Sie diese Szenen sehen, dies schreckliche Gewimmer und Wehklagen, dies Gewinsel und Händeringen – Ihr Herz würde vor Wehmuth brechen.
Klaft. Ueber die alberne Schwäzerin! Aus welchem Roman hast du die niedliche Zeichnung entlehnt?
Leopold. Ich borgte nur einige Züge aus meinem Herzen, die sich mir zu lebhaft eingedrückt, Könnt’ ich Ihnen den Jammer alle schildern. – Man übersieht im Ganzen lange das Elend nicht, welches einzelne Familien betrift. Sie kennen ja den redlichen Weise. –
Klafter. Der die Schiffmühle da oben hatte? Hätt’ er seine Knechte frühzeitiger angehalten, seine Mühle zu räumen, und ans Land zu schaffen, was zu schaffen war – Mag ers nun haben – Seine Mühle ist nun weg.
Leopold. Seine Mühle, mein Vater! und er nebst zwey Knechten ertrunken. –
Klaft. Ertrunken? ertrunken sagst du? Ist mir auch noch hundert Thaler schuldig. – Das hab ich nun von meinem zu weichen Herzen; hab’ ihm da wieder einen Termin nachgesehen, weil er kam und mir vorpinselte, er könne nicht mahlen; und ich Thor! ließ mich überreden und sah nach – Die Müllerin lebt doch?
Leopold. Sie lebt.
[20] Klaft. Mag die mich bezahlen; will heute noch hinschicken.
Leopold. Sie lebt; aber in den dürftigsten Umständen, im äusersten Kummer, da sie ihren Mann, ihr kleines Häuschen, all ihre Gerätschaft verlohren – da sizt sie mit ihren zwey Kindern und jammert um Brod; es ist ein erbarmungswürdiger Zustand! Hätte nicht eine gutherzige Seele sie zu sich in seine Hütte genommen, sie hätte erfrieren, hätte verhungern müssen. Wenn meine Bitte etwas über sie vermag, liebster Vater! Sie schlugen mir sonst nie was ab; ich will es gern an etwas andern entbehren – Erlaßen Sie doch der armen Wittwe Ihre Foderung, mein Vater!
Klafter. (auffahrend.) Mädchen! Mädchen! träumst du? Willst du deinen armen Vater vollends an Bettelstab bringen? Ist dir mein Unglück nicht schon genug? Wer dich doch nur mit der Empfindeley angesteckt haben mag? Sähst gerne wenn ich noch die paar armseeligen Trümmer, die ich vom Schiffbruche gerettet vollends dem Bettelpack in Rachen würfe? Geh mir aus den Augen; bist nicht meine Tochter – und untersteh dich keinen Schritt mehr über die Schwelle zu setzen – schickt sich schön für ein Mädchen deines Standes, von Hause zu Hause herumzulaufen, und um fremder Leute Umstände Erkundigungen einzuziehen; indeß dein armer Vater zu Hause trostlos dasitzt, und über sein Unglück mit der Verzweiflung kämpft.
Leopold. Soll ich denn weniger Mensch seyn, als andre?
[21] Klaft. Sollst meine gehorsame Tochter seyn, oder ich bin dein Vater nicht mehr. An Fremde will ich mein bischen Vermögen vermachen, wills verschenken, weil dir so wenig darum zu thun ist. Aber es wird die Zeit schon kommen, wo du blutige Thränen weinen wirst. Hab mirs so manchen heißen und kalten Tag, manche rastlose Nacht so sauer werden lassen, und du willst wieder das, woran ich Jahrelang gesammelt, im Augenblick an den ersten besten Bettler verschwenden. Führst du nur einmal deinen eigenen Heerd, unbesonnenes Mädchen! da wirst du’s schon empfinden. Wer in der Jugend sich nichts spart, kömmt nie im Alter zu einem grünen Zweig. Merk’ dir das! (ab ins Kabinet.)
Grausamer, hartherziger Mann! Vielleicht daß ihn mein Weiler noch bewegt; seinen überredenden Gründen kann er gewis nicht wiederstehen – aber wo er so lange bleibt. Auch Belt noch nicht zurück – ob er wohl schon dort war – die unglückliche Mutter – und ihre beyden Mädchen so liebe gute Seelen! – oh!
Belt kömmt.
Leopold. Nu lieber Belt! haben Sie?
Belt. Alles besorgt, liebes Mamsellchen! O, Sie hätten die Freude sehen sollen! – sind mir [22] meine Augen noch naß – Als ich hereintrat, war die Frau fast des Todes –
Leopold. Wie so, Belt?
Belt. Sie glaubte ich käme Schulden abzufodern.
Leopold. Das arme Weib! bey solchen Umständen, wer könnte wohl –
Belt. Ich kenne gewisse Leute, die die gute Frau wie sie schon im Waßer lag, woraus sie ihr ältester Knecht bey Zeiten noch rettete, an dessen Stelle gefragt hätten: Frau! du bist mir noch so und soviel schuldig; kannst du mich bezahlen? und sie hätte geantwortet: Nein! sie hätten sie mein Seel! wieder ins Waßer fallen laßen.
Leopold. Ich verstehe Sie Belt, o könnt ich doch all das wieder gut machen, was mein Vater so oft schon verdarb. –
Belt. Sie habens, liebstes Mamsellchen! Sie haben noch mehr – o Sie sind ein Engel. Es sagts auch die gute Müllerin! als ich zu ihr hinein trat, und die arme Frau so sehr über mich erschrak – Erschreck sie nicht, gute Mutter! sagt ich – da bring ich ihr etwas zum Anbiß, und hier was zur Herzstärkung, und hier einige Kleidungsstücke, bis ihre andere Wäsche wieder troknet – Ich wollte meinen Auftrag in Laune einkleiden – aber da stand ich, und konnte keine Silbe weiter vorbringen; auch saß die gute Frau vor mir konnte vor Thränen nicht reden – rang die Hände, blickte zum Himmel; sah dann mich, dann wieder ihre beyden Töchter an; bis endlich das [23] kleine Lieschen unser Stillschweigen unterbrach: O das schikt gewis die liebe gute Mamsell wieder! die sorgt doch recht für uns wie eine Mutter – Himmelsbote! rief dann die arme Frau, lohns Ihr und Ihnen der liebe Gott! – und wollte mir zu Füssen fallen – Ich riß mich los, und ohne ein Wort zu reden, zur Thüre – aber Röschen hielt mich fest – bleiben sie lieber Herr! sagte sie, wir haben Ihnen ja nicht einmal gedankt – Danks genug Kinder! wann ihr’s brauchen könnt; ihr seyd ohnehin unglücklich genug – Ja wohl sagte das arme Mädchen, und fing an zu schluchzen. – Es ist doch Jammer und Schade um das gute Kind – so ein liebes Mädchen! aber der Kummer wird sie verzehren – Sie wissen, der junge Kant, des Pachters Sohn, ein braver biederer Junge – auf Ostern war er mit seinen Studien fertig, und mit Röschen schon halb versprochen – Er besuchte vor einigen Wochen seinen alten Vater, und da diesem in jener unseeligen Nacht sein Meyerhof weggeschwemmt wurde, stürzte der alte Mann, der sich nicht helfen konnte, ins Waßer, der Sohn ihm nach, wollt ihn retten, und beyde wurden von den Wellen verschlungen –
Leopold. Unglücklicher Sohn! und man hat noch keine Nachrichten –
Belt. Keine. Ganz gewis fanden beide nebst so vielen Hunderten ihren Tod in der Elbe.
Leopold. Gehen Sie diesen Nachmittag wieder zur Wittwe, guter Belt! – Doch nein! ich will sie selbst besuchen. Sie müssen mich zu ihr führen.
[24] Belt. Mit Freuden liebstes Mamsellchen! ich weis gewis, die arme Frau vergißt auf einige Stunden ihren Kummer, wenn sie Sie sieht.
Leopold. Könnt’ ich solchen auf immer lindern – aber mein Vater darf nichts davon erfahren.
Beld. Sorgen Sie nicht – Ein harter Mann, mein Seel! hätten Sie ihn vorhin gehört. –
Leopold. O! ich habs, Belt! – Ich glaubte sein Herz zum Mitleid rühren zu können – – umsonst! – Ich machte ihm einige Vorstellungen wegen der Wittwe und den bewußten hundert Thalern; aber er ward äusserst wider mich aufgebracht, verbot mir nicht einen Schritt aus dem Hause zu gehen, und verließ mich im größten Zorn.
Belt. Wie er sich vorhin wie ein Kind gebehrdete! ich schämte mich an seine Stelle vor mir selbst. Es ist zwar leider! Ihr Vater, aber welch ein Abstand zwischen ihm und Ihnen! der Apfel fällt sonst nicht weit vom Stamm, wie man zu sagen pflegt aber bey Ihnen hat sich wohl die Natur vergriffen – So eine liebe, gute Seele! ein wahrer Engel! wär ich doch um zwanzig Jährchen jünger, und schön und reich – verzeihen Sie liebes Mamsellchen! bin schon ein alter Kerl; aber auch eines alten Kerls Sinne sind manchmal nicht ganz stumpf – so eine schöne wohlthätige Seele, wer sollte die nicht lieben müßen. Noch eins: wenn Ihr Vater die hundert Thaler, die ihm die Müllerin schuldig ist, denn durchaus haben will – Er soll mir die arme Frau mit ihren Kindern nicht weiter kränken – Im vertrauen gesagt: ich habe [25] mir ein paar Thälerchen erspart – Ich – ich zähl ihm das Geld auf, sag, ich hätt es von der Wittwe, und bring ihr dann die Quittung – Mags dem Papa wohl bekommen. (will ab.)
Leopold. Bester Mann!
Sind Sie da Belt? Nu was bringen Sie – sind die Arbeitsleute fertig?
Belt. Sie arbeiteten die ganze Nacht durch, und vor einer halben Stunde kamen sie damit zu Ende – alles reine, daß keine Spur mehr zu sehen ist.
Klafter. Gut, gut! waren sie bey dem Herrn Oberamtmann?
Belt. Nein! ja er kömmt vielleicht selbst her.
Klaft. Um so besser, erspar ich mir einen Gang, es ist ohnehin alles noch voll Eis, und man wird überdies nicht frey über die Strasse gehn können, die Bettelleute fallen wie Kettenhunde über einen her. (setzt sich an den Tisch.)
Belt. Herr Klafter!
Klafter. Nu?
[26] Belt. Die Arbeitsleute, sie plagten sich die ganze Nacht durch im Keller, daß ihnen der Schweis übers Gesicht rann, sie bitten noch um etwas weniges zum Labetrunke.
Klaft. Hab ich ihnen nicht genug bezahlt? war das schon zu viel, gehen Sie, ich gebe nichts. Sie sollten vor allem das wißen.
(Leopoldine, die sich nach dem Hintergrunde gezogen, winkt dem Belt, und giebt ihm aus ihrer Börse.)
Belt. Gottes Seegen, liebe Seele! hätts mein Seel! aus meinem eigenen Beutel bezahlt. (ab)
Klaft. Das Volk ist doch nimmermehr zu sättigen.
Leopold. sich schüchtern nähernd.) Liebster Vater!
Klaft. Nu, was willst du?
Leopold. Sie sind doch nicht mehr böse auf mich?
Klaft. Sollt es billig über so ein ausgeartetes Kind!
Leopold. Laßen Sie doch der armen Wittwe wenigstens die Hälfte nach.
[27] Klaft. Schon wieder? Keine Silbe weiter! Was hab ich vorhin gesagt –
(Ein Bedienter herein) Schiffer Pöll!
Klaft. Soll gleich kommen – und du auf dein Zimmer, daß dus nie wieder wagst –
Leopold. im Abgehen) O das es möglich ist, die Menschheit so sehr zu verläugnen. (ab)
Pöll. Um Verzeihung, gestrenger Herr! Sie werden mein Unglück schon erfahren haben.
Klaft. Ich hab es leider! aber es ist euere Schuld mit; Ihr hättet vorsichtiger seyn sollen.
Pöll. Wie war das möglich gestrenger Herr! Kein Tau an meinem Schiffe war mehr zu retten.
Klaft. Was geht das mich an? Könnt ihr begehren, daß ich mit drunter leiden soll? Warum ward ihr der Narr, und ließet euch einfrieren. Bezahlen müßt ihr mich, möcht ihrs meinetwegen hernehmen woher ihr wollt.
Pöll. Wohernehmen, gestrenger Herr! wo nichts ist. Mein Grosvater kam zu seiner Zeit als Fremdling ins Land; er war vorher Matrose in holländischen Diensten – Er hatte nichts als wie er stand und gieng. Er miethete sich zu einem reichen [28] Schiffmann als Schiffknecht. Nach zehn Jahren hat er sich ohngefähr so viel erworben, daß er sich einen Kahn bauen konnte. Da trieb er dann mit unter die Fischerey, aß die Woche nur zweymal eine warme Suppe, und nahm nach einiger Zeit ein armes ehrliches Fischermädchen zum Weib. So haußten sie manches Jahr in bester Eintracht, und als er starb hinterließ er meinem seeligen Vater baare vier hundert Thaler. Dieser kaufte sich nun das Schiff welches mir eben itzt zu Grunde gegangen, und da ihm noch zweyhundert Thaler daran fehlten, so lieh ihm solches sein Nachbar auf sein ehrlich Gesicht, denn damals galt noch Ehrlichkeit und Handschlag mehr, als heut zu Tage Schrift und baares Geld. Das Schiff nebst einem kleinen Häuschen war nun mein Erbtheil. Habe durch die zwanzig Jahre manche saure Fahrt damit gemacht, manches Jahr einige Thaler damit verdient, die ich mit kommenden wieder zusetzen muste. Es war mein ganzes Haabe, mein Acker und Pflug, und nun ists dahin – Es thut wehe, so auf einmal alles verlieren zu müßen aber ich denke, Gott wollte es, und sein Wille geschehe.
Klaft. Wie gewonnen, so zerronnen. – Wie gesagt, Pöll! ich kann euch nicht helfen; seht zu, wie Ihr Rath schaft.
Böll. Schenken sollen Sie mir nichts, gestrenger Herr! ich will sehen, wie ichs Ihnen nach und nach wieder ersetzen kann – Nur einige Jährchen bitt’ ich mir nachzusehen. –
Klaft. Was Ihr da für eine unbillige Foderung macht! Ich wills mit dem Herrn Oberamtmann überlegen.
[29] Pöll. Wie? Ein schöner Zeisig, der Oberamtmann! Hätt’ ich in meinem Leben einmal einen Prozeß, und die gerechteste Sache von der Welt; Nachbar! sagt’ ich: da hast du meinen Rock, und zög ihn aus – so wär’ ich doch gewis daß mir noch das Hemde auf dem Leibe bliebe. Nochmals gestrenger Herr! ich bin ein Bettler; hab’ nichts mehr als noch eine alte zerfallene Hütte – der Eisbruch hat mir mein Schiff zertrümmert[,] nehmen Sie mir in Gottes Namen auch noch die Hütte – nur lassen Sie mir solche noch so lange bis ich die arme Müllerinn mit ihren zwey Kindern unter Dach gebracht habe. Die gute Frau wußte nicht, wo aus, und ich nahm sie derweile zu mir. Bedenken Sie Herr! sie ist Wittwe, hat so unglücklicherweise ihren braven rechtschaffenen Mann, die Kinder ihren lieben Vater verloren. Nur so lange noch, bis die guten Leutchen ein ander Obdach finden. Ich will schon unter Gottes freyen Himmel liegen bleiben; vielleicht find ich schon noch, wie der Vogel in der Luft, meine paar Körner Futter.
Klaft. Ihr könnt euch indessen sonst wo vermiethen.
Bedienter kömmt.) Der Herr Oberamtmann.
Klaft. Soll mir eine Ehre seyn. – Pöll, Ihr bleibt! – Ha! Thomas! eine Bouteille Malaga und – du hast doch die Nacht durch den Arbeitsleuten im Keller gut auf die Finger gesehen, daß sie mir keine Weine ausgezapft?
Thomas. O ja; vom großen Faß kam ich gar nicht weg. (ab.)
[30]die Vorige.
Ey Sie mein scharmantes Engelchen! – so lange schon nicht zu sehen die Ehre gehabt. Sie machen sich aber auch so selten – Rara avis in terris.
Leopold. Mein Herr Oberamtmann!
(Amtmann zu Klafter.) Guten Morgen guten Morgen, Herr Klafter! Wie gehts denn? wie stehts alter Papa! hat mich das liebe Töchterchen so lange schon nicht mehr besucht – ja! wie sie noch kleiner war – aber mit jedem Tage schöner und blühender – ich bitte, bleiben Sie doch.
Leopold. Um Vergebung, einige Hausgeschäfte. (ab.)
Klaft. Kommen Sie, kommen Sie, Hr. Oberamtmann! Sie haben doch noch nichts kaltes gefrühstückt. –
Ein Bedienter hat indeßen Schinken und Malagga gebracht.)
Amtm. Ja! die vielen Arbeiten, worinn wir jetzt vergraben sind – Negotia turbant otia – Man kann kaum zu sich selber kommen – die vielen Berichte an die Regierung –
[31] Klaft. Haben Sie schon, bester Freund!
Amtm. Hab’s, Hab’s – punctatim – (wendet sich um, um seine Schriften vorzulangen, und wird Pöll gewahr) Ha! seyd Ihr auch da, Pöll! hab’ ohnehin mit Euch zu sprechen. – (trinkt.) Aber wo fehlts denn alter Papa! warum denn den Kopf so gehängt?
Klaft. So ein Unglücksmann, wie ich – auf den alles losstürmt. –
Amtm. Condoliere von Herzen, amice! Schade! um das schöne Holz – so körnicht, so ausgesucht – Ein herrlicher Schlag –
Klaft. Ein Unglück tritt dem andern auf die Ferse – da kömmt gestern des Nachts noch ein Bote von meinem Gute herein mit der schrecklichen Nachricht – stellen Sie sich nur vor, Herzensfreund! die ganze neue Gartenmauer geschleift, alle meine Obst und Orangenbäume ausgehoben und weggeschwemmt, und – oh! mein niedliches Sansçouci.
Amtm. Ihr Sansçouci! o dolor! o lacrymae!
Klaft. Und sechs meiner besten Stücke alte Rheinweine. –
Amtm. Auch Ihre Rheinweine? und das schöne Sansçouci! ein wahrer Freundschaftsbehälter, ward den Sommer hindurch so manches gute Gläschen auf unser Wohl ausgestochen, saßen so inter popula amicitiae brüderlich zusammen [32] und ruhten Finito labore von unsern Mühseeligkeiten so hübsch im Kühlen aus – inter opaca.
Klaft. Ich bitte, schweigen Sie, Sie reißen mir die Wunde von neuem auf.
Amtm. Der herrliche alte Rheinwein. Wenn mir oft in den heisen Sommertagen der saure Schweis auf der Stirne stand –
Klaft. Mein saurer Schweis woran ich Jahrelang gesammelt – er ist alle dahin.
Pöll (vortretent.) Ja, gestrenger Herr! Habs wohl empfunden, wenn einem sein bischen Erworbenes so mit einemmale zu Wasser wird.
Amtm. Wer heißt Euch reden? Doch gut, daß ich mich wieder besinne. Wißt ihr, Ihr seyd der naseweiseste Kerl im ganzen Städtchen – Wer gab Euch die Erlaubnis sine consensu superiorum, ohne alle gerichtliche Anfrage bey der Obrigkeit – Wissen Sie’s schon, Hr. Klafter, am vorigen Sonntage fuhr unser Meister Pöll so ganz eigenmächtig seinen Kahn voll Brod und Eßwaaren und einem Faße Bier von Hause zu Hause herum, langts den Leuten mit einer Stange zum Fenster hinein und –
Pöll. Hr. Oberamtmann! ist das ein Verbrechen wenn ich –
Amtm. Schweigt, es ist alles schon ad protocollum genommen.
Klaft. So? fremdem Lumpenpack kann er also helfen, kanns ihnen zum Rachen hineinwerfen [33] – aber sein Schiff, meinen Holzvorrath in Sicherheit zu bringen.
Amtm. Wer hat Euch das geheißen? Warum habt Ihrs nicht vorher behörig angezeigt?
Pöll. Geheißen hat mirs die allgemeine Menschenpflicht, mein eigenes Herz, mein Gewißen. Und da wo die Noth an Mann gieng, glaubt ich, die schleunigste Hülfe die beste. Wenn mir ein Strassenräuber das Meßer an die Kehle setzt, und ich kann dem Streiche bey Zeiten noch ausweichen, soll ich da erst lange fragen, ob ich mein Leben retten darf? Jeder andere hätte das nämliche an meinem Platz gethan. Mehr als die Hälfte des Städtchens stand im Wasser, Viele Leute die sich sichern wollten, stiegen aus ihren Dachfenstern, kletterten auf den Dächern umher, weil mit jedem Augenblick das Wasser immer mehr anwuchs – Viele wollten ihr bischen Geräthschaft aus ihrem untersten Stokwerke noch sichern, und fanden im Waßer ihr Grab. Der meiste Vorrath von Brod und Lebensmitteln war theils verschwemmt, theils verdorben und unbrauchbar – Da saßen Kinder und Greise, und wimmerten um Brod. Ein Stein hätte sich erbarmt! Sie selbst Herr Oberamtmann! Aber sie saßen ruhig in ihrem Amthoff, und sahens nicht. Sollte nicht jeder der nur Mensch ist, herzueilen, und hätt er auch nur noch einen Arm, den Hungernden schleunige Hülfe bringen? Ich kann keinen Hund hungern sehen; kam sonst irgend einer vor meine Thüre; und hatt’ ich auch nichts als eine dürre Brodrinde; ich warfs ihm hin, und stillte seinen Hunger. Verzeihen Sie Herr Oberamtmann! bin zwar [34] nur ein gemeiner Mann; kann aber nicht dafür, daß ich so weichherzig bin.
Amtm. Dafür würde schon die Obrigkeit gesorgt haben.
Pöll vor sich.) Der verhungert gewis, für den diese sorgen muß.
Amtm. Was brummt ihr da?
Klafter der bisher in seiner Schreibtafel gerechnet.) Herzensfreund! nur summarisch überschlagen, beläuft sich mein Schaden an die zehntausend Thaler, ohne des Pölls seine achtzig Klafter.
Amtm. Da muß ich nun meinen Bericht ganz anders machen. Hat er die achtzig Klafter besagten Holzes per emtionem, venditionem an sich gebracht, oder ists eine Commissio, oder –
Klafter. Ich hatte mit ihm den Accord getroffen, achzig Klafter Holz ins Niederland zu führen – schon vor dem neuen Jahre nahm er sie in Empfang; drauf kam die plötzliche Kälte; sein Schiff fror ein, und statt das Holz wieder abzuladen; läßt ers ganz ruhig im Schiffe, und kümmert sich gar nicht weiter um die Sache. Nun hat ers – nun ist Holz und Schiff zum Geyer, und er mag mich nach dem Accord auf Ostern bezahlen.
Amtm. Laut des Accords also, und in vim Contractus muß er solches bey einem Stecken restituiren. Nichts ist billiger.
Pöll. Mein Unglück sah ich nicht vorher; und wer hätte mir meine Unkosten ersezt. Doch [35] Sie sollen bezahlt werden, gestrenger Herr! und sollt’ ich mein ganzes Leben hindurch ums Taglohn arbeiten müssen. Bestehen sie nur nicht so gleich auf bahre Bezahlung – Der Herr Amtmann selbst kann nicht so ungerecht seyn –
Amtm. Was ihr? Was sprecht ihr von Ungerechtigkeit – Ins Amthaus will ich euch setzen lassen. Hättet’s ohnehin längst schon meritirt mit euerer Widerspenstigkeit.
Pöll. Wie Sie wollen, Herr Amtmann! So hab ich doch mein Obdach, und verhungern werden Sie mich doch nicht lassen dürfen. Nur lassen Sie die arme Müllerinn mit ihren Kindern noch in meiner Hütte, bis die guten Leutchen ihr weiteres Unterkommen finden. Brauchen nicht erst nach dem Gerichtsfrohn zu schicken, Herr Oberamtmann! ich gehe schon selbst. (will ab.) Doch hätt’ es bey nahe vergessen – Sie legen mirs zum Vergehen aus, daß ich so manchem dürftigen Nahrungsmittel zugeführt – Ihr Bruder der Kaufmann am Wasserthore, versah sich so wenig der schnellen Ueberschwemmung, wie ich. Er wollte einige seiner Waaren noch aus dem Gewölbe retten, stand beynahe bis an die Brust im wasser – Arbeitsleute waren keine zu bekommen – Ein Theil des Gewölbes war eingestürzt, und der gute Mann in Gefahr umzukommen. Ich fuhr bey, hascht’ ihn beyn Haaren, und bracht ihn glücklich wieder empor – Sein Weib und drey Kinder schrien aus dem Fenster; riefen um Brod – ich hatte noch eins vorräthig; das bracht’ ich ihnen, und ihres Bruders Kinder konnten sich doch diesen Tag über den Hunger stillen. Ich empfehle mich, Herr Oberamtmann. (ab.)
[36]Klafter. Ein impertinenter Kerl der Pöll!
Amtm. Sein Haus, wo er sagte, daß er die Weisinn aufgenommen habe, muß ich doch diesen Nachmittag ein wenig besichtigen. Es ist ein bemittelter Kauz, wie man mir sagte. –
Klaft. Er mag es verkaufen; denn bezahlt muß ich seyn. Ich werde mich ohnedies nicht so bald wieder erholen können. –
Amtm. Wollen das beste hoffen. Ich werde die Sache schon so incaminiren; kömmt jezt auf den Bericht an. An die Zehntausend, sagten Sie daß sich ihr Schaden beliefe? Wär’ es nicht etwa zu hoch berechnet. –
Klaft. Zu hoch? Bey einem Pfennig sag’ ich Ihnen. Rechnen Sie selbst nach. Sechshundert Klafter an Holz, sechs Stücke alten Rheinwein; jedes Stück kostet mich selbst paare zwey, hundert Thaler – die neue Gartenmauer a Zweytausend Thaler – das neugebaute Gartenhaus – mein sogenanntes Sansçouci – meine Obst- und Orangenbäume – kann ich gar nicht berechnen.
Amtm. Wenn man nur wüßte – aber es geht nicht wohl; es ward so manches schöne Klafter wieder ans Land gebracht.
[37] Klaft. Wie? was? bester Hr. Oberamtmann! wieder ans Land gebracht? gewis alles mein Holz, da könnt ich ja wieder für den ungeheuren Verlust wenigstens zu einem kleinen Theil von dem Meinigen kommen. Liebster Herzensfreund! befehlen sie doch, daß mirs die Leute wieder ins Magazin abliefern.
Amtm. Ja! Hm! nein! amice! wird nicht wohl angehen – denn Primo, ward Ihr Magazin schon Sonnabend des Nachts, wie Sie selbst sagten, meistens weggeschwemmt; und erst seit dem Sonntage früh zehn Uhr fingen die Leute an das schwimmende Holz aufzufangen; dahero ist es sehr wahrscheinlich, daß besagtes Holz meistens vom Oberlande herunter kam. Secundo war dasjenige von Ihrem Holzstoße nicht marquirt, und Sie müßen also sub ullo titulo beweisen können, daß solches praecise Ihr Holz sey, wenn Sie es wieder als ihr Dominium oder Eigenthum vindiciren wollten, welches aber ex primo argumento sehr schwer halten wird. Tertio betrachten wir jurisperiti in solchen Fällen so eine Sache als rem nullius, quae cedit primo occupanti; und tritt also hier das sogenannte Strandtrecht in suum valorem. Drum waren nirgends Arbeitsleute zu bekommen. Da standen die Tagediebe haufenweise, wagten mit Lebensgefahr sich unter das häufige Eis, und schleppten ganze Schragen ans Land. Hab aber schon meine Gerichtsfröhne rund herum postirt, die müssen mir jede [38] Schiebkarre genau aufzeichnen, und von jeder, nichts ist billiger, sechs Pfennige zur Accise dafür abnehmen.
Klaft. So ist denn alle Hofnung verloren. Hätten Sie mirs doch nur eher wißen lassen! auf etliche Groschen Trinckgeld sollt’ es mir nicht angekommen seyn.
Amtm. Stille! vielleicht könnte man doch noch –
Belt. Der Brauer Korn, Hr. Klafter!
Klafter. Führen Sie ihn nur indeßen ins Comtoir. –
Belt. Er wartet schon unten.
Klafter. Komme gleich. Er wird wohl zusammen rechnen wollen. Der kann noch wohl vom Glücke sagen. Ihm hat nur das Wasser etliche Morgen Acker überschwemmt. – Verzeihen Sie Freund! wir sprechen noch über die bewußte Sache.
Amtm. Will nicht weiter stören, alter Papa! will nun auch wieder an meinen Pflug. Sie kommen doch diesen Nachmittag zu mir auf ein gut Gläschen? A propos, Hätt’ es beynahe vergessen. – Ihr heutiger Malagga war deliziöse – wie Nectar und Ambrosia. Sie werden auch bey mir eine wahre Verwüstung wie nach der Sündfluth [39] antreffen. Das höllische Wasser hat mir etliche zwanzig Fuhren Düngung weggeschwemmt; und in meiner Gesindestube – da siehts aus! – Tische, Stühle, Bettstellen, Diehlen – alles aus dem Leime gegangen. Mag das Kammerkollegium wieder neue herschaffen; kann nicht helfen. Nun also auf den Nachmittag, alter Papa! Valeas! (ab.)
Klaft. Ich begleite Sie, Hr. Oberamtmann! (nimmt die noch halbvolle Bouteille mit sich; ab.)
Belt. sieht ihnen nach.) Par nobile Fratrum, wie man zu sagen pflegt – Gerechtigkeit, Geldgeiz und Eigennuz, wo wären die nicht verschwistert? – Der gute Korn wird ihm für jetzt auch keine baare Münze aufzählen können; alle seine Felder ausgespült, und über die Hälfte seines Vorraths verschwemmt. Es wird ihm darum nicht viel beßer gehen. Es ist doch unbegreiflich, wie ein Mann, dem seit zwanzig Jahren von allen Seiten das Glück unermeßliche Reichthümer zuwarf, gegen jeden Bedrängten und Hülflosen so grausam und hartherzig seyn kann?
Weiler. Guten Morgen Herr Belt!
Belt. Ergebenster Diener!
Weiler. War nicht der Oberamtmann diesen Morgen da?
[40] Belt. Vor einigen Minuten gieng er eben wieder; Sie müssen ihm begegnet haben.
Weiler. Ich wich ihm wohlbedächtig aus. Ist Mamsell zu Hause?
Belt. Vermuthlich auf ihrem Zimmer – hat Stubenarrest.
Weiler. Sie scherzen, Belt! Wie so?
Belt. Je nu! Sie kennen ja das gute Kind. Gestern stahl sie sich unbemerkt aus dem Hause, steckte ihr ganzes Spielgeld und einige Wäsche nebst Kleidungsstücken bey sich, und eilte damit, dürftige Familien zu unterstützen. Ihr fürtrefliches Herz floß beym Anblick des allgemeinen Elends in Thränen über, und ihre wohltätige Hand öfnete sich jeder zuruffenden Stimme, jedem Blick, in dem sie das gegenwärtige Unglück, den Jammerstand las. Sie gab alles hin; schickte erst diesen Morgen wieder mich zur armen Weisinn – Sie kennen sie – mit Kleidern und Lebensmitteln, und wagt’ es beym Alten, der noch hundert Thaler an sie zu fodern hat, ein gut Wörtchen für die unglückliche Wittwe einzulegen; aber umsonst – der alte Geizteufel, aufgebracht über die Empfindeley seiner Tochter, wie ers nannte – denn er hatte kurz vorher wieder seine Anwandlungen vom Geizfieber – gab ihr die bittersten Verweise über ihre Gutherzigkeit, und verbot ihr, nicht einen Schritt aus dem Hause ohne seiner Erlaubniß zu setzen. Der unnatürliche Mann! er haßt jeden Menschen, der nicht so denkt, wie er, und ist einer solchen Tochter gar nicht werth, die ihn mit jedem [41] Tage durch ihre Rechtschaffenheit und Menschenliebe beschämt.
Weiler. Das herrliche Mädchen; mit jedem Tage liebenswürdiger;
Belt. Da kömmt sie.
Edle fürtrefliche Seele!
Leopold. Bester Weiler! Mein Herz sagt es mir, daß Sie da wären. Aber warum sah ich Sie nicht noch gestern Abend?
Weiler. Vergebung, theures Mädchen! ich war in Geschäften – (mit einem Blike nach Belt.)
Leopold. Ach, Herr Belt! – Wo ist mein Vater!
Belt. Unten im Comtoir. Der Brauer ist bey ihm.
Weiler. Der gute Mann ward sehr mitgenommen; er klagte es mir den gestrigen Abend mit Thränen.
Belt. Wie man zu sagen pflegt, so ist hier der dritte zu viel. (ab.)
[42] Weiler. Nochmal Vergebung, meine Theuerste! wenn ich die Liebe auf einige Stunden schweigen hieß, um dem Rufe der Pflicht zu folgen. Sie sind doch nicht böse? Leopoldine, – doch wie könnten Sie? Meine Geschäfte waren so gehäuft: So thätig ich mich dabey benahm, so fand ich dennoch keinen Augenblick, den ich meiner Leopoldine hätte schenken können. Aber um so öfter dacht’ ich an Sie; Leopoldine war mit jedem Federzuge mir gegenwärtig, und ihre schöne Seele gab meinen Arbeiten Flügel, und beschleunigte meine Thätigkeit. O Mädchen! Engelsgeschöpf! mit jeder Stunde mir werther, beschämst du den Mann, der den Drang zu helfen so lebhaft in sich fühlt, und sich am Ende nur in leere Wünsche einschränken muß. Welch edle Züge von Menschenliebe! Belt erzählte es mir eben, was Sie gestern für so viele Unglückliche gethan.
Leopold. Schweigen Sie, Weiler! Ich that nur das, was Pflicht von mir heischte. Wer kann beym Anblick so vieler Bedrängten gleichgültiger Zuschauer bleiben. O daß auch mir noch Kräfte fehlen müssen, da zu helfen, wo ich gerne wollte! daß auch ich mein Wollen in leere Wünsche einschränken muß! – Mein Vater – ihn hätte eben das Loos so vieler Unglücklichen treffen können – er leidet nur einen geringen Verlust: dennoch ist er darüber ganz außer sich, und – o daß ich es mir selbst sagen muß! er härtet sein Herz für die Stimme des Mitleyds, und nur beschäftigt mit sich selbst, bleibt er bey dem lauten Ruffen des Jammers der unerbittlichste Mann. (weint.)
[43] Weiler. O Mann! Mann! wohl einer solchen Tochter unwerth!
Leobold. Wissen Sie lieber Weiler – unser schöner Garten ist ganz zu Grunde gerichtet – ein unbeträchtlicher Verlust! – Aber unser kleines Sansçouci! – Es war seit ich Sie kenne, immer mein Lieblingsaufenthalt gewesen. Weiler da wars, wo ich Sie zum erstenmale sah – Ihre Blicke konnten in meiner Seele lesen – (Weiler küßt ihr die Hand.) Wie wir da so manchen heitern Sommerabend verträumten. – Es gieng mir sehr nahe, weil der Ort mir um Ihrentwillen so theuer war! – Aber wenn gleich – hätte nur die Flut so vieler Armen geschont.
Weiler. O Leopoldine! es ist ein schrecklicher Anblick, – Die Regierung fodert den treuesten Plan des allgemeinen Schadens anzugeben. Es ist zwar nicht ganz mein Beruf, aber Menschenpflicht hieß mir selbst Augenzeuge davon zu seyn. Hätten sie gesehen Leopoldine! – Doch ich würde ihrem menschenfreundlichen Herzen zu wehe thun wenn ich Ihnen den beklagenswehrten Zustand schildern wollte, indem ich beynahe die Hälfte unserer armen Einwohner fand. Ich verwandte die ganze Nacht dazu, unserm großen Fürsten einen eigenhändigen Bericht davon abzustatten – denn ich kenne meine Mitkollegen. Ich will, ich darf es nicht dulden, das unser Regent, der so väterlich für jeden seiner Unterthanen sorgt, hintergangen wird. Auch hab ich in diesen dreyvierteljahren, wo ich hier bin zu viele Ungerechtigkeiten entdeckt –
[44]
Belt. Der Papa Mamsellchen!
Leopold. Da muß ich sie verlassen, lieber Weiler, Sie kommen doch diesen Nachmittag. Sie müßen mit mir und Belt zur Müllerswittwe; ich möchte so gerne dem unglücklichen Weib, und ihren Kindern ihre Thränen trocknen, und sie sollen mich unterstüzzen helfen (ab.)
Weiler. Gern, edles Mädchen! Doch dem Alten muß ich jezt ausweichen – Ein Mann, der jeden Zug von Menschheit verläugnet – ich könnte leicht vergessen, daß er Leopoldinens Vater ist. Bis auf Wiedersehen Herr Belt.
Belt. Ein herrlicher junger Mann! Wenn mich meine Spekulation nicht irre führt, so möchte dies wohl noch ein Päärchen werden, troz dem alten Geldgeyer vom Vater. – Schöne Seelchen sind sich im jeden Betrachte werth, wie man zu sagen pflegt.
Klafter von innen.) Ich will nichts mehr wissen – ich bestehe auf Bezahlung.
Belt. Dacht’ ichs doch. Das wird wieder das Ende von Liede seyn.
[45] Klafter hereintretend.) Es ist zum toll werden. Kömmt der mir auch noch. Es nimmt jetzt jeder schlechte Zahler die Wasserflut zum Deckmantel. – Aber daraus wird nichts. Alles stürmt jezt über mich unglücklichen Mann. Das hat man von seiner Gutherzigkeit und Nachsicht. Stellen Sie sich vor: Kömmt mir der Brauer auch noch übern Hals – dachte, er würde den Rückstand noch an mich bezahlen wollen, und statt baarer Münze steht er da, und winselt und pinselt mir vor, und will daß ich ihm noch auf ein ganzes halbes Jahr nachsehen soll. Aber nein, er ist ein bemittelter Mann; er weiß selbst nicht wie reich er ist – und glaubt mich einzuschläfern. Aber alles Heucheley. Immer machen die Leute ihren Schaden größer als er ist. Man kann sich kaum denken, was es heut zu Tage für Menschen giebt; jeder nimmt eine Maske vors Gesicht –
Belt. (mit einem bedeutenden Blick auf Klafter.) Ja, es giebt welche – aber auserordentliche Zufälle wie Feuersbrunst, Krieg oder die gegenwärtige Noth heischen doch immer Nachsicht mit denen, die solch ein Unglück betrift. Die Leute sind ohnehin genug zu beklagen. Es ist ja die natürliche Billigkeit – es liegt in unserm Herzen so etwas was uns zuruft: Nimm dem Schwimmenden nicht vollends sein Brett, das er untergehen muß – und ein Mann, der es um so leichter entbehren kann, dems Ueberfluß ist.
Klaft. Was entbehren? – Was kann ich entbehren? Nichts. Wie oft soll ichs Ihnen noch vorschreyen, daß ich über die Zehntausend zu Schaden komme? Ist etwa das Nichts? – Genug: daß heute [46] noch Arbeitsleute nach dem Gute beordert werden; Sie gehen mit, Belt, halten die Leute aufs strengste an – Doch ich will selbst hinaus; ist ja nur ein klein Stündchen – Das Lumpenpack könnte mich sonst überdies bestehlen. Es sind wahre Raubvögel die Menschen! Der Pöll ist mir auch ein feiner Mann! gehts nicht mit Bitten und Kriechen, dann wird er gleich grob. Morgen läßt ihm das Oberamt sein Haus noch in Beschlag nehmen.
Belt. Und das könnten Sie wirklich zugeben, Hr. Klafter? könnten ihrem Herzen so viel Gewalt anthun, den Mann auf die Straße hinzuwerfen, daß er unter freyem Himmel –
Klaft. Wer sagt denn das? das soll er auch nicht. Das Oberamt hat schon für ihn ein ander Quartier besorgt. Man hat lange genug mit seiner Widerspenstigkeit Nachsicht gehabt. Nun mag er dafür büßen. Wär’ ich was schuldig, man würde meiner auch nicht schonen. Wer hat denn mit mir einiges Mitleid? Bin ich nicht unglücklich genug? Beynahe ein totalgeschlagener Mann? Wer giebt mir einige Schadloshaltung? Ich glaube, verzeih mirs Gott! man gönnt mir noch mein Unglück, und ist böse darüber daß ich nicht ganz zum Bettler geworden bin. Man kondolirt mir nicht einmal. Es ist zum rasend werden. (ab.)
Belt (sieht ihm nach.) Wohl ihm, wenn ers würde; so käme der gute Mann doch bey Zeiten noch ins Tollhaus. (ab.)
[47]
Lieschen. Weint doch nicht immer so, Mutter! seht, wie die liebe Sonne wieder so schön scheint! so wars just nach der Sündfluth – der Vater las es uns ja vor vierzehn Tagen am Sonntage vor. Da war das Wasser wieder abgelaufen und da stand das Haus, wo der Mann drinne war mit seinen Kindern, wie hieß er doch nur – das stand nun auf einem Berge – nicht wahr, liebe Mutter?
Margarethe. (seufzt.) Ach!
Liesch. Warum schluchzt ihr denn schon wieder? Warhaftig wenn ihr so fort weint, so wein’ ich auch mit; und wie oft habt ihr mir nicht gesagt, das Weinen stünde Kindern so garstig. –
Marg. Wenn du deinen Jammerstand nur zur Hälfte übersehen könntest, gutes Kind! deine Augen würden dir nicht so bald trocken werden; [48] doch du bist einigermaßen weniger zu beklagen – Vielleicht giebts doch noch irgend mitleidige Menschen, die sich einer armen Waise annehmen; aber deine Mutter und Schwester.
Liesch. Haben wir denn nicht Brod genug, und Kleider, die uns die gute reiche Mamsell heute durch Herrn Belt geschickt; und wenn wir nichts mehr haben, dann wird sie uns schon wieder was schicken; und ein Haus haben wir ja auch wieder; es ist zwar nicht so groß wie unsre Mühle; aber es gefällt mir doch besser.
Margret. Glückliches Kind! das nur dies einzige Bedürfnis kennt – Aber Lieschen! Jungfer Leopoldine hat schon so viel an uns gethan – wie? wenn sie uns nun nichts mehr schickte?
Liesch. Das wird sie gewiß, Mutter! sie ist ja so gut, und so reich; und reiche Leute können den Armen ja immer gutes thun.
Marg. Glaubst du denn, daß es so fortwährt? durch Müssigang nährt man sich nicht; und der uns sonst Brod schafte – dein unglücklicher Vater. –
Liesch. Der wird ja bald wieder kommen – er ist ja nur mit den Knechten fortgefahren, um Frucht zu holen; nicht Mutter? das hat er ja sonst oft gethan, und wenn er wieder kömmt, da bringt er uns was mit –
Margr. Er wird nicht wieder kommen, gutes Kind! In dieser Welt wirst du ihn nie wieder sehen – dein guter Vater ist todt – Ihr Kinder seyd arme verlassene Waisen, und wenn sich [49] nicht Gott unsrer erbarmt, werden wir alle betteln müssen!
Liesch. Todt, Mutter? – (nachdenkend.) Todt? Unser Vetter vorigen Sommer war ja auch todt; da legten sie ihn aufs Stroh, und schartten ihn ein draußen im Kirchhof: – warum denn den Vater nicht, wenn er todt ist? – Glaubts nicht Mutter! der Vater ist nicht todt!
Marg. Kind! Kind! du brichst mir das Herz! Liebster Gott! wer hätte sich das noch vor acht Tagen gedacht! (nach einer Pause.) Wo ist deine Schwester?
Liesch. Weis nicht Mutter! Röschen gieng vor einer Stunde schon fort; ich wollt’ mit ihr; da sagte sie aber, ich soll bey der Mutter bleiben; und da ich fragte, wo sie hingieng, da gab sie mir keine Antwort.
Marg. Gütiger Himmel! wenn sich das arme Mädchen nur kein Leid thut. Sieh gleich zu, wo sie ist. –
Liesch. Aber so sagt mir doch Mutter –
Liesch. Da ist sie schon, Mutter! – Wo warst du denn so lange, Schwesterchen!
Röschen. Sturm! Sturm ist drausen! hört ihrs, ihr Leute! wie’s braußt! – und den gewaltigen [50] Wind, und das schreckliche Krachen der Eisschollen! hört! – hört! hu! hu!
Marg. Was fehlt dir, mein Kind? bist du krank? Um Gotteswillen, wie starr dir die Augen sind! Komm! leg dich zur Ruhe!
Rösch. Nein! Nein! Nein! da ist mir recht wohl! da kann ich recht um mich sehen, dahin und dorthin – und seht! seht! wie fürchterlich das Eis donnert! wie pfeilschnell der Strom die Schollen mit fortreißt! Ha! was schwimmt dort? Helft! helft! um Gotteswillen helft! – die Mühle, mein Vater! – mein Willhelm!
Marg. Du mein Gott! sie ist wahnwitzig.
Liesch. Was ist denn der Schwester! Rose, Rose! was ist dir denn?
Marg. Das hat noch zu meinem Unglück gefehlt! Ach! womit haben wirs verdient, daß uns der liebe Gott so hart heimsucht und züchtigt!
Rösch. Sind sie heraus – sind sie heraus! – so gebt mir doch Antwort! O ihr abscheulichen Leute, wie sie drüben stehen am Ufer, und winken und rufen – und keins hilft dem armen Vater – Wo ist er? wo ist er? – O! ihr habt ihn gewis ertrinken laßen – du mein Gott! so erbarmt sich denn keines der armen Kinder! (seufzt tief, kömmt etwas zu sich, starrt die Mutter an.) Wer seyd ihr, garstiger Mann! mit eurem finstern Blick? Ihr hättet eurem Nachbarn dem braven Müller helfen können, und habts nicht gethan – und er gab euch doch und euren Kindern oft Brod.
[51] Marg. Kennst du mich denn nicht? mich, deine arme Mutter?
Liesch. Sagt mir doch, liebe Mutter, was die Schwester will?
Rösch. (hat indessen die Mutter genau betrachtet.) Seyd ihr da Mutter? Weint ihr? O! weint nicht – der Vater ist todt! die bösen Menschen haben ihn ertrinken lassen. (Pause.) Mutter, Mutter, wißt ihr noch vorigen Frühling da war ich noch ein kleines, kleines Mädchen – da saß ich oft mit des Pachters kleinem Willhelm am Thor – wir spielten und waren uns beyde so gut, hatten uns beyde so lieb – da sagtet ihr immer, wir wären so brave, gute Kinder, und gabt uns ein Honigbrod. Ach! das war eine schöne Zeit! Laßt mich nur recht darauf besinnen – Ja! recht! – Mein Willhelm gieng bald darauf fort und als er Abschied von mir nahm, weinte der gute Junge so bitter – „Ich komme bald wieder mein Röschen! sagt’ er, und dann sind wir ein Paar“ – war’s nicht so, Mutter.
Marg. Denke nicht immer daran, liebes Kind! Man weis ja noch nicht gewis –
Liesch. Gelt Mutter! die Schwester meint den schönen Willhelm, des Pachter Kants Sohn? Das ist doch ein recht schöner Junge! Er hat mir einmal einen Ring geschenkt; den sollt’ ich meinem Bräutigam geben, sagt’ er mir. Hört Mutter, wenn ich einmal so groß wie Rose bin, da nehm’ ich mir just so einen hübschen Jungen zum Mann, wie der Willhelm ist.
[52] Röschen. Sagt mir doch: ist er noch nicht wieder da? Wo er doch so lange bleibt, mein Willhelm! Ich bin schon so lange mit dem Bräutigamskranz fertig, und man hat noch nicht zur Kirche geläutet, – Horcht! summt nicht die grosse Glocke am Thurm? Still Mutter! still! was laufen denn die Leute dort haufenweise durcheinander?
Margr. Wo denn, mein Kind! güttiger Himmel! Ihr Verstand ist ganz zerrüttet!
Röschen. Dort – dort – da schwimmt schon wieder was. Seht, seht! ein blutjunger Mensch, hat einen Greis beym Haar – wie fest er ihn pakt! – wenn er ihm nur nicht wehe thut! – Weh! weh! der alte Mann taucht unter! da schwimmt jezt der junge Mensch allein, wie traurig er aussieht! Er muß den alten recht lieb gehabt haben, so lieb wie einen Vater! Wie sie mit so vielen Kähnen auf ihn zufahren! Sie fragen ihn gewis, warum er den alten armen Mann ins Waßer hat fallen lassen – Jetzt bringen sie ihn ans Ufer; wie ihms Wasser von seinen langen Haaren herabrinnt – er ist ja ganz erstarrt – Sie ringen die Hände; schreien sie nicht, Willhelm? Willhelm! Gott! er ist todt, todt! Willhelm mein Willhelm! (stürzt ab)
Lieschen. Schwester Schwester, so bleib doch (eilt ihr nach.)
Margrethe (ist auf einen Stuhl gesunken nach einer Pause) O ich unglückliche Mutter! warum hat mir der Himmel nicht meine Sinne genommen? das all sehen, das all erleben zu müßen.
[53]
Pöll. Was ists? was gibts denn? rennt mich euer Mädel beynahe übern Haufen. Was fehlt euch denn, Mutter?
Marg. Ach mein Unglück nimmt noch kein Ende – Mann, Vermögen und alles verloren und nun meine älteste Tochter gar wahnsinnig –
Pöll. Was sagt ihr da, Frau?
Margrethe. Vorhin kam sie herein, gab lauter verkehrte Antworten, schrie man solle ihrem Vater helfen; und kannte mich anfangs gar nicht – Dann sprach sie wieder verwirrtes Zeug von des Pachters Willhelm, von ihren Kindesjahren, und von Trauung – darauf lief sie ans Fenster der Kopf war ihr ganz zerrüttet – glaubte zween Männer im Strom schwimmen zu sehen, ihren Willhelm darunter, und so lief sie ganz von Sinnen wieder hinaus – Es drückt mir das Herz noch ab!
Pöll. in sich gekehrt.) Vater unser im Himmel dort oben – Wenn wirst du unsern Jammer enden! Ich that unrecht, daß ich wider dich murrte, als mir die Wellen mein Schiff verschlangen, Du liesest mir doch noch die Hütte da, um dem Wind und der Kälte zu wehren; gabst mir keine Kinder, um mich durch sie doppelt zu strafen! – Das Herz blutet mir ob euerem Jammer gute Frau, Hätt ich bey meiner Rückkunft mein Häuschen vom Sturm zerschmettert, oder auch von Wellen mit fortgerissen [54] gefunden; es gieng mir weniger nach als euer Kummer. Wüßt ich euch zu helfen und euren Kindern – könnt’ ich eurer Tochter ihren lieben Jungen nur wieder bringen! – Das arme Mädchen! Es wurde mir gestern Abends schon um sie bange – Sie saß immer so still, und wie nachdenkend, draußen am Ufer, sah gerade vor sich hin, dann blickte sie wieder den Strom abwärts, als wollte sie jede Welle fragen, wo ihr Vater, ihr Willhelm wäre. Ich faßte sie bey der Hand – sey doch nicht so traurig, Röse! sagt ich, und geh hinein zur Mutter – da stand sie schnell auf sah mich mit starren naßen Augen an, und folgte mir zu euch, wieder ganz ruhig. Seyd auch ihrs; wir stehen alle in Gottes Hand; es wird gewis wieder beßer werden.
Marg. Es ist mir so ängstlich, guter Mann, wenn sie sich nur kein Leid thut und ins Wasser stürzt.
Pöll. Wie? was? daß ich aber an so was nicht gleich dachte, und ihr nachgieng. (will ab.)
Belt. Ruhig, ruhig, arme Mutter! – Eure Tochter ist bey uns, auch die kleine, ich sah sie unter einer Menge Volks mit fliegenden Haaren durch die Straße laufen; euere jüngere Tochter hinterdrein, welche schrie und bat, man möchte ihrer Schwester helfen. Ich sprang zu, nahm sie unterm Arm, und führte sie in unser Haus. Mamsell [55] Leopoldine wird schon aufs beste für sie sorgen daß es nicht von Folgen seyn wird.
Marg. Was bin ich Ihnen nicht alles schuldig, lieber Herr Belt! erst diesen Morgen –
Belt. Stille davon, liebe Frau, nichts weiter: sollte man euch denn verhungern lassen –
Pöll. Herr Belt, diesen Morgen hat ich beynahe die Hofnung verlohren, noch irgend einen Menschen zu finden. Ich war schon griesgrämig darüber; aber sie söhnen mich wieder aus.
Belt. Gut, daß ihr da seyd lieber Pöll! Es ward mir schon bange um euch, ich bekam schon den Auftrag von des harten Mannes gutmüthiger Tochter diese gute Frau mit ihren beyden Kindern wo anders unterzubringen.
Marg. Wie so Herr Belt?
Pöll. Wills euch erzählen Mutter, aber seyd drum nur ruhig, es ist schon vorüber. Ich sollte in Thurm; warum? wuste vielleicht der Herr Oberamtmann eben so wenig als ich. Ich gieng auch freywillig nach meinem Arrest, um dem Gerichtsfrohn seinen Gang zu ersparen. Kaum war ich im Amthof, so kam unser Herr Amtmann – Geht nur wieder; diesmal mags euch noch hingehen, und das um meines Bruders des Kaufmanns willen: aber schaft bald Rath, daß Herr Klafter von euch bezahlt wird. Ich machte große Augen ob des Herrn Amtmanns schleunige Sinnesänderung; aber wegen der Bezahlung, wie Rath schaffen? das weis ich nicht; wenigstens muß ich glauben, daß der Amtmann davon die Zinsen ziehen will.
[56] Belt. Sorgt euch nicht Pöll, da wird auch noch Rath werden.
Pöll. Aber wie? lieber Herr, etwa die Hütte feil schlagen? Und gesezt auch, wo wird sich jezt ein Käufer dazu finden?
Margr. Aber du lieber Gott! wenn Herr Klafter ein gar so unerbittlicher Mann ist, was wird aus mir armen Wittwe werden? Mein ertrunkener Mann ist ihm auch noch schuldig.
Belt. Recht! Ihr errinnert mich daran – Es sind hundert Thaler – hier ist die Quittung. – (er giebt ihrs.)
Marg. Was? – bezahlt? – Gütiger Himmel! und Herr Klafter so grosmüthig –
Pöll Frau, Frau, seyd Ihr etwa auch wahnsinnig? Gebt her, gebt den Wisch her – (ließt,) Zu Baarem empfangen – Peter Klafter. (wischt sich die Augen.) Hab’ ich etwa den Nachtnebel vorn Augen? Reden sie, Herr! ich bitte sagen Sie, wie hängt das zusammen? Wärs möglich, daß Klafter – Nein! Nein! wenn der rauhe Mann das im Stande wäre – ich lief auf der Stelle zu ihm, kniete vor ihm nieder, und bät’s ihm mit Thränen ab, daß ich ihn heute für einen Auswurf der Menschheit gehalten. Heute verkauft ich noch diese Hütte, und was mir dran fehlte, da lief ich so lange auf den Landstraßen herum, und bettelte, und arbeitete ums Taglohn so lange, bis ich so viel gesammelt, um ihn zu bezahlen. Aber nochmals Herr! kommen Sie näher [57] sehen Sie mir recht steif ins Gesicht – sagen Sie mir, ists wahr, oder –
Belt. Stellt Euch zufrieden. Es ist, wie es ist. Hr. Klafter hat auch wieder seine gute Seite. Es giebt ja Augenblicke, wie man zu sagen pflegt, wo der größte Bösewicht oft in sich kehrt. Genug Mamsell Poldchen legt’ ein gut Wörtchen beym Vater ein, wußte so lebhaft ihm eure Noth zu schildern, daß er am Ende ganz erweicht ward. Ich selbst schrieb noch die Quittung, und kurz: er läßt der armen Frau die Schuld nach, und wenn Ihrs nicht glauben wollt, hier der Schuldschein. (giebt solchen dem Pöll und geht ab.)
Marg. Nun, da seht Ihrs: Ihr habt dem guten Mann groß Unrecht gethan.
Pöll. Ich weis nicht, was ich mir denken soll: Hat der Mann vielleicht Absichten? Oder sollte gar der Belt – doch nein! von seinem mäsigen Gehalt kann er das nicht; und anderweitiges Vermögen hat er auch nicht, sonst dient’ er nicht einem Manne, wie dem – Oder vielleicht seine Tochter – Ich muß aus der Sache klug werden, es gehe wie es wolle. (will ab.)
Marg. Wo wollt Ihr denn hin? Bleibt doch! Mein Mann war vor etlichen Wochen noch bey ihm, und bat ihn um Aufschub; vielleicht daß er ihn bezahlt, und mirs verschwiegen hat.
[58]
Wißt Ihr schon, Mutter! Röschen ist bey der schönen Mamsell oben. Das ist eine recht gute, liebe Mamsell! Seht nur her, da hat sie mir das Goldstück geschenkt; ich soll es Euch bringen, sagte sie, und hernach käme sie selber, und brächte Röschen mit.
Marg. Aber wie haben wir doch so viele Wohlthaten um das brave Mädchen verdient! Nun, Pöll! rather ihr nicht bald?
Pöll. Das Mädchen ist die Gutherzigkeit selbst. Aber wenn sie’s wäre, warum that der Belt vorhin so ängstlich, so geheimnisvoll, und sagt’ uns nicht gerade zu: Sie wars? Ich laß mir’s nicht nehmen dahinter steckt was.
Liesch. Aber gelt Mutter! nun weint Ihr wohl nicht mehr! hatt ichs vorhin nicht gesagt, es wird uns die Mamsell schon wieder was schiken, wenn wir nichts mehr haben. Und da ist auch unser guter Pöll, der wird schon wie ein Vater für uns sorgen, wenn der unsrige nicht wieder kömmt. Er hat’s ja erst gestern versprochen.
Pöll. Ja, Kinder! und ich sag’s wieder: ich will euer Vater seyn, so lange mir Gott noch das Leben fristet. Und seht, Mutter! Da fällt mir was ein: Es kömmt bald das Frühjahr. Mein [59] seeliger Vater erzählte mir immer so viel von Holland, was er von seinem Vater gehört der dort in Diensten war. Es soll gar ein gutes Leben da seyn, und Geld in Menge für einen der arbeitsam ist; und bey Kräften bin ich noch so ziemlich – Da will ich mit dem Frühjahr hin, will zur See – Ihr bleibt indeßen mit euren Kindern in meinem Häuschen wohnen. Verhungern werdet ihr nicht; und wenn ich denn so einige Järchen außen gewesen bin, komm ich zurück, bring Euch ein schönes Stück Geld mit, und wir sind dann alle geborgen.
Liesch. Ja Mutter! und ich werde bis dahin so gros, wie die Schwester; und da nehm ich mir denn einen recht hübschen und reichen Mann, der einen schönen Mayerhof und viele Güter hat; und da wohnt Ihr hernach bey mir, und sollt vollauf zuleben haben.
Marg. Dank dir, gutes Kind! Dank Euch Pöll! für euren guten Willen, der Euch, beynahe wieder zum Kinde macht. Aber bis dahin, guter Mann! was wird in der Zwischenzeit aus uns werden! Ich werde bis dahin nicht mehr leben.
Pöll Laßt den Himmel walten! Wo die Noth am größten ist, da hilft er am ersten. Ich könnte fast alle mein Ungemach vergessen. –
Was will der?
Amtm. Nu! Nu! Ihr habt ja noch ein recht sauber Häuschen, Pöll! (sieht sich um.) Von [60] aussen so wie von innen recht niedlich – Dacht’ Wunder! was ich für eine dürre Strohhütte finden würde; aber ihr Leute stellt euch immer ärmer an, als ihr re ipsa seyd.
Pöll. Die vier Pfähle nebst den paar Stühlen und Bänken sind aber auch alles. Mein übriges bischen Geräthe hatt’ ich im Schiffe, und das gieng denn auch den Weeg alles Elends.
Amtm. Ist das die Müllerinn?
Margr. Ja, gestrenger Herr! ich bin die unglückliche Wittwe.
Amtm. Euer seeliger Mann restirt an Herrn Holzhändler Klafter noch hundert Thaler an baarem Gelde. Wie wollt Ihr ihm die bezahlen, wenn Ihr so blutarm seyd, wie man sagt?
Margr. Herr Klafter hat ja das Geld schon empfangen; oder welches wahrscheinlicher ist, er war so großmüthig, mir die Summe nachzulassen.
Amtm. Wie?
Margr. Da ist der Quittungsschein über baarem Empfang.
Amtm. hastig.) Laßt sehen! laßt sehen! Wenigstens weiß Hr. Klafter kein Sterbenswörtchen davon.
Pöll. Dacht ichs doch!
Amtm. Ist nicht allzurichtig – Res maxime suspecta! Wie seyd ihr dazu gekommen?
[61] Marg. Vor einer Viertelstunde bracht ihn Herr Belt.
Amtm. Ist nicht so, wies seyn soll; – da kann Betrug obwalten –
Pöll. Aber der Schein –
Amt. Kann falsch seyn – Muß genauer untersucht werden – Will ihn einstweilen gerichtlich bey mir deponiren.
Pöll. Aber Herr Oberamtmann können Sie die ehrliche Frau für eine Betrügerinn halten?
Amtm. Das zur Zeit noch nicht. Indeßen kann man nicht wissen, dergleichen Casus haben sich öfters schon eräugnet: Man kann heut zu Tage gar leicht eines andern Hand nachmalen.
Pöll. Wenigstens sind wir gemeine Leute zu solch einer Kunst nicht geschikt genug. Ich war Augenzeuge, wie Herr Belt die Quittung hergab. Laßen Sie ihn selbst rufen; er kann Ihnen die Sache vielleicht am besten aufklären. Ich traue wenigstens Herrn Klaftern diese unerwartete Grosmuth selbst nicht zu; vielleicht daß eine andere wohlthätige Hand –
Amtm. Die Summe für die Schuldnerinn bezahlt hat? Ha, ha, ha, zum Lachen. Was ihr Leute einem doch alles überreden wollt – Gieng in jure nicht einmal an, sine consensu creditoris daß ein tertius die Schuld des Debitoris über sich nehme.
[62] Pöll. Verzeihen Sie Herr Amtmann, weis zwar nicht was Ihre lateinische Rechte gut oder nicht gut heißen; aber ich denke wenn Herr Klafter nur bezahlt wird, komme das Geld auch von wem es will, so müße er sich zufrieden stellen; das ist, glaub ich, im natürlichen teutschen Rechte gegründet.
Amtm. Was ihr wieder da schwatzt, bekümmert ihr euch schon wieder um anderer Leute Ding?
Lieschen zur Mutter. Wer ist denn der garstige Mann dort mit dem dicken Bauche, und der rothkupfrigen Nase? –
Marg. Schweig;
Amtm. Was pippert der kleine Schnabel?
Marg.) Liesch.) zugleich Bist du da, mein Kind! Röschen! Röschen!
(Röschen mit starrem Blick.)
- Er ist gewunden, gewunden der Bräutigamskranz;
- Auf, tanzet im Zirkel den Todtentanz.
Eben komm’ ich von der Trauung, Seht ihr den Brautkranz und die Hochzeitfackel – die Leichenfackel wollt’ ich sagen, Mein Brautlied ist Todtengesang [63] und meine Brautkammer heißt: Sarg. Noch läuten sie die Glocken auf dem hohen Kirchthurm, Hört ihrs, – Uh! wie der Sturmwind wieder so gräslich braußt! Er ist so sanft eingeschlummert, sagten sie mir! und dennoch lächelte er nicht. Aber als seine Braut kam und ihn ansah, da lächelte er wieder. Es hat ihn ein schöner Leichenzug begleitet; und sein Grabhügel! er war so schön, mitten im Kirchhof, und lauter weiße Rosen lagen um ihn herum.
- Er ist gewunden, gewunden der Bräutigamskranz,
- Kommt, tanzet im Zirkel den Todtentanz.
Liesch. Gute Schwester!
Marg. Welch namenloses Elend!
Pöll. Gott! deine Hand liegt schwer auf uns!
Amtm. Ich verstehe sie nicht: ich glaube gar, sie faselt.
Rösch. Seyd ihr denn noch nicht fertig? wie langsam sie jetzt den Sarg hinunter laßen! – Oh! wie Dumpf die schwarze Erde auf den hohlen Brettern hinunter schollert! (Pause.) Jetzt haben sie ihn eingeschnarrt, und einen großen Hügel auf ihn – O! haltet! haltet noch einen Augenblick! Mein Willhelm! (sinkt hin.)
Marg. O! mein Herz! (schluchzend.)
Liesch. (weinend.) Armes Röschen!
Pöll. Komm Herzenstochter! Kennst du mich nicht? Das Herz möchte mir vor Weh zerspringen! – Kennst du deinen Vater nicht?
[64] Rösch. Vater? meinen Vater? – Hab ich denn noch einen? O! mein Vater ist schon lange todt! die garstigen Menschen haben ihn in den Fluß gestürzt.
Liesch. Es ist Vater Pöll.
Rösch. So? (umherblikend.) Warum lacht ihr denn so, ihr Leute? Doch ja! ihr habt recht, lacht nur, lacht! man lacht immer bey Hochzeiten, und scherzt mit der Braut – aber der Bräutigam wird oft böse darüber, und blickt finster in eure Freudengelage – O! ich hab meinen Brautkranz noch!
- Er ist gewunden, gewunden der Bräutigamskranz!
- Auf! tanzet im Zirkel den Todtentanz!
Aber es wird zu spät. Seht! dort steigt schon der Vollmond auf, und leuchtet um den weißen Grabhügel; und das schwarze Kreuz oben! – Geschwind! geschwind! ich muß eilen, muß meinen Brautkranz noch dran hängen! (läuft ab.)
(Margrethe und Lieschen ihr nach.)
Pöll. Erbarme du dich ihrer, o Gott, (Pause.) Nu, Hr. Oberamtmann, ist die unglückliche Frau mit ihren Kindern nicht bejammernswürdig.
Amtm. Das arme Ding ist eine Melancholica, wie es scheint. Man muß sie in Verwahrung bringen.
[65] Pöll. Und ihr etwa wie einer Verbrecherinn Ketten anlegen?
Amtm. Man kann nicht wißen: könnte Folgen nach sich ziehen. Es ist der strengste Landesbefehl, sich solcher Personen, die Anfälle von Tollheit bekommen, zu versichern, und in praecautionem alterius damni werden sie öfters in Eisen und Bande gelegt.
Pöll. Warum nicht gar, wie einem tollen Hund eine Kugel vorn Kopf? Doch Herr! wenn ihre Obrigkeitliche Seele bey so einem jammernsvollen Anblick noch unempfindlich bleibt, wenn Sie des Elends noch so kaltblütig spotten können: so verdienen Sie den Namen Mensch nicht. Was thaten Ihnen diese unglücklichen Leute, daß Sie solche so sehr mit ihrem Haße verfolgen? Denn haßen müßen Sie sie: Sie könnten sonst unser aller Thränen so ganz ohne Mitleid nicht fließen sehen. Bedenken Sie, Herr Oberamtmann! Sie haben selbst Kinder; wenn eins davon so ein Unglück träfe! Ich bitte Sie, seyn Sie menschlicher, Sie können dieser armen Familie helfen – es ist ihre Pflicht.
Amtm. Was mich doch der unverschämte Kerl alles lehren will? Will ich denn etwa nicht? das kleine Mädchen will ich sehen daß ich sie irgend in einer Fabrike kann unterbringen. Die Mutter kann auch noch arbeiten; sie ist noch stark genug, und nicht alt; und die närrische Dirne wird man schon lebenslang versorgen.
Pöll. Vielleicht macht der Himmel ihren Leiden bald ein Ende
[66]
Belt eilig.) Wo ist Röschen, lieber Pöll, das Mädchen ist uns entlaufen, wir wissen nicht, wohin? die Mamsell verließ auf einige Augenblicke ihr Zimmer, wo Röschen war, und als sie zurück kam; weg war sie. Wir suchten im ganzen Hause; aber sie war nirgends zu finden. Es war uns nur darum zu thun, daß es der Alte nicht erfährt.
Amtm. Da sieht mans; sie könnte das gröste Unheil noch stiften – Muß gleich Befehle geben –
Pöll. Nur ein Wort Herr Oberamtmann – Herr Belt, sagen sie doch da dem Manne, daß die hundert Thaler, die Herr Klafter vom Müller Weiße noch zu fodern hatte, richtig bezahlt sind.
Belt. Habt Ihr denn nicht die Quittung?
Pöll. Da stößt sichs eben. Er nahm der Frau die Quittung wieder ab; weil er dafür hält, sie sey untergeschoben, die Hand nachgemalt –
Belt. Herr Oberamtmann! für wen halten Sie mich? Herr Klafter ist richtig bezahlt, von mir die Quittung ausgestellt, und eigenhändig von ihm unterzeichnet. Ich bitte mir die Quittung aus.
Amtm. Die bekommen Sie nicht. Sie bleibt so lange in meiner Verwahrung, bis ich selbst mit Herrn Klafter darüber gesprochen.
[67] Belt. Sie entehren mich durch einen so niedern Verdacht, Glauben Sie daß ein Mann – Nochmals Herr, die Quittung –
Amtm. Ich glaube gar Er will noch drohen Herr weis er, wen er vor sich hat? Weis er daß man ihn dafür beym Kopf nehmen wird, wenn er sich an obrigkeitliche Personen vergreift. Seht mir den Schäker an, frißt von seinem Herrn das Gnadenbrod, und läßt sich zu dessen Nachtheil mit so gemeinen Lumpengepack ein und will ihn betrügen helfen.
Belt hebt den Stock auf.) Herr!
Amtm. Wie? was? er untersteht sich, mich realiter zu injuriren? Aber schon gut, schon gut! wir werden uns schon weiter sprechen. (ab.)
Niederträchtige Seele! sollst bald entlarvt werden! Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht, wie man zu sagen pflegt –
Pöll. Hohe Zeit, daß er gieng: ich konnte beynahe nicht mehr an mich halten.
Belt. Nur ruhig, nur ruhig. Zeit bringt reife Früchte, wie man zu sagen pflegt. Recht gut, daß Ihr euch nicht weiter in die Sache gemischt, [68] und euch noch unglücklicher gemacht habt. – Habt ihr den Schuldschein?
Pöll. Ja Herr Belt, aber sagen Sie mir doch?
Belt. Sollt alles noch zu seiner Zeit erfahren. Jezt dringt nicht weiter in mich. Genug; Klafter hat sein Geld: aber wo ist denn die Frau mit ihren Kindern?
Pöll. Wären Sie da gewesen Herr, – Doch gut, daß Sie sich diesen Anblick erspart haben. Ich habe mirs lange nicht so kläglich vorgestellt. Das Mädchen kam ganz verrückt herein, verdorrte Reiser und Schilfrohr in der Hand, schwatzte da viel von Leichen und Gräbern, und so wieder hinaus, die Mutter ist ihr nach.
Das Bettelgesinde reißt mir noch die Kleider vom Leibe. Ich habe nichts, marsch! schert euch zum Teufel – (kömmt herein.) keinen sichern Schritt kann man über die Strasse gehen, und hinterher spotten sie einem noch nach. Ach sieh da, mein Herr Pöll in Gesellschaft.
(Wenn Klafter hereintritt begleitet ihn Pölls Hund, und beschnobert ihn von allen Seiten.[1])
[69] Pöll. Herr Belt hatte die Güte gehabt, der Weisinn die Quittung einzuhändigen.
Klaft. Weis schon – der Herr Oberamtmann hat mir eben begegnet, und besonders Ihre schöne Aufführung dabey erzählt –
Belt. Aber sein niedriges, widerrechtliches Benehmen verschwiegen. Ich foderte wie billig, die Quittung zurück, die er den guten Leuten unter dem Vorwand, als sey sie untergeschoben, wegstahl. Er war so unverschämt, meine Ehre zubeleidigen, da er Verdacht von Betrügerey gegen mich äußerte: Er beschimpfte selbst Ihre Ehre, und ich muste Sie, so wie mich, vertreten – Sie, die Sie zeither einen Theil ihrer Geschäfte meiner Redlichkeit anvertrauten –
Klafter. Ganz recht – Nu machen Sies mit ihm aus.
Belt. Das werd ich auch, dafür steh ich.
Klafter. Wie stehts denn mit euch Pöll? – Nicht so schlecht, als ihrs mir diesen Morgen wolltet glauben machen, ihr habt ja ein recht hübsches geräumiges Häuschen, wie ich sehe – und eure Möblen – (sieht sich um) die habt ihr schon wohl klüglich bey Seite geschaft? sie liegen gewis irgendwo verborgen?
Pöll. In der Elbe das ist gewiß – Aber wo? kann ich eigentlich nicht sagen.
Klaft. Scherz bey Seite, sagt mir doch, Pöll, wie hoch haltet Ihr euer Haus? Seht, ich will euch einen Vorschlag thun, Ich will noch mehr als billig [70] seyn; wills euch nicht durch die Obrigkeit anschlagen und verkaufen lassen. Seht, das Ihr’s gut an Mann bringt; ich will noch einige Wochen warten.
Pöll. Ist denn das so würklich Ihr Ernst? Da ist es denn auch mehr als billig, daß ich Ihnen dafür danke. Das Häuschen baute vor dreyßig Jahren mein Vater; die Baumaterialien kriegt er dazu geborgt, und mußte sichs viele Jahre sauer werden laßen, sich wieder so viel zu sammeln; ganz konnt ers aber doch nicht, denn er starb darüber. Mir bleiben noch hundert funfzig Thaler davon abzuzahlen: es kostete mich manche saure Schweistropfen. Endlich hab ich die Hütte seit einigen Jahren frey gemacht. Als mir der Eisbruch mein Schiff zerschmetterte, blieb mir diese noch der einzige Zufluchtsort, um mich nicht unter Gottes freyem Himmel lagern zu müssen. Ich ward darinnen gebohren; mein Vater starb da; ich glaubte auch da sterben zu können; – und nun soll ich, muß ich heraus; solls fremden Käufern – und wo finden sich jetzt diese? Vielleicht um ein Spottgeld hingeben? Sie nähmen das wenige Geld, wären nicht einmal befriedigt, und ich könnte hingehen und – betteln. Es schneidet mir in die Seele. Doch wenns denn so seyn muß, nehmen Sie’s hin; möchten Sie denn auch Gottes Seegen, der bisher drauf ruhte, mit sich nehmen. (weint.)
Klaft. Kann euch nicht helfen, lieber Pöll, Vielleicht kommt Ihr wieder durch einen glücklichen Zufall zu einem Schiffe! Wißt ihr was, setzt in die Lotterie! Es geht mir ja auch nicht besser; denkt nur, welch ein ruinirter Mann ich bin.
[71] Pöll. Versündigen Sie sich nicht, Herr!
Klaft. Und wie ruinirt, Nehmt meinen ungeheuren Schaden, er beläuft sich über die Zehntausend; das eurige nicht dazu gerechnet – Aber was schnobert denn die Bestie immer um mich herum?
Pöll. Es ist mein Hund: hab’ ihn schon in die acht Jahre. Ein gar treues, gutes, mitleidiges Thier. Können Sie denken. Neulich am Sonnabend schwammen zwey junge weise Spitzeln den Strom herab; mitten unter den Eisschollen – die hatten die beyden armen Thierchen ziemlich nahe ans Land getrieben. Mein Spitz da stand am Ufer, und sahs. Wie eine Henne, wenn ihre Entenbrut sich zum erstenmal ins Wasser taucht, lief er ängstlich herum, wedelte mit dem Schwanz, und heulte erbärmlich. Endlich sprang er ins Wasser, packte den einen an der Wolle, und schwamm damit ans Land. Dem andern hatte indessen eine Eisscholle den Kopf gequetscht. Sehn Sie Herr! das ist doch nur ein Hund. Doch ich schäme mich, das Ihnen zu erzählen. Komm Spitzel. (ab.)
Klaft. Ein närrischer Mann, der Pöll. Wissen Sie schon, Hr. Belt, daß über hundert Schragen herrschaftliches Holz aufgefangen worden, und daß es alles bis auf ein Scheid ins große Magazin wieder abgeliefert werden muß.
Belt. (troken.) Nein.
Klaf. Die Herrschaft könnten den Schaden leicht entbehren; aber ich armer Privatmann, der Tag [72] und Nacht schwizt, um die Unkosten nebst dem bischen Profit wieder heraus zu kriegen, der überdies zu keinem Heller seiner wenigen ausstehenden Kapitalien gelangen kann, an dem noch jedes saugt, wie der Blutigel; ich kann kein einziges Scheidchen wieder habhaft werden. Da heißts wohl; Kleine Diebe hängt man, große läßt man laufen.
Belt. (mit einem Blick auf Klafter) Ja! große läßt man laufen, und die kleinen Schelme hängt man auf; wie man zu sagen pflegt.
Klaft. Aber lieber Hr. Belt! sagen Sie mir Sie sind nicht redlich mit mir umgegangen. Sagen Sie; wer gab Ihnen die hundert Thaler, die Sie mir im Namen der Müllerinn diesen Mittag so baar auf den Tisch zählten?
Belt. Herr Klafter! Sie haben ihr Kapital nebst Zinsen richtig erhalten: es kann und muß Ihnen also sehr gleichgüldig seyn, wer sich an die Stelle der Müllerinn zu ihrem Schuldner und Zahler machen wollte. Vielleicht werden Ihre Foderungen an Pöll auch bald befriedigt. Uebrigens muß ich Ihnen ganz frey gestehen, daß es mir in der Folge zur Last werden dürfte, länger in Ihren Diensten zu bleiben; und ich möchte nicht gerne noch länger das Brod eines Mannes eßen, der mirs mit jedem Tage immer mehr verbittert, und welches von so mancher Thräne der Armuth genetzt, vielleicht noch mit Gottes Fluch beschwert ist. Ihr Diener.
Klaft. So hören Sie doch, Belt, Sagen Sie –
Belt. Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen, als – (sieht Weilern kommen.) dieser Mann da kann Ihnen vielleicht das weitere erklären. (ab.)
[73]
Klaft. Sieh da, Hr. Weiler! wo stecken Sie denn daß man Sie seit einigen Tagen nicht mehr gesehen? Ist Ihnen mein Haus auf einmal zuwieder geworden?
Weiler. Das eigentlich nicht.
Klaft. In der Noth lernt man Freunde kennen; die einen dann immer vergessen. Nun ich so mit genommen, und beynahe zum Bettler geworden, so –
Weiler. Den ersten Vorwurf verdien’ ich gewis nicht. Fremde Leiden zu lindern, ist mein Beruf und meine Pflicht, und ich glaube, ich habe dieser Stimme nach Kräften gefolgt. Dies war eben die Ursache, warum ich das Vergnügen, bey Ihnen zu seyn, meinen übrigen Geschäften aufopfern mußte. Ich nahm indessen gewis lebhaften Antheil an dem Unglücke welches auch Sie betraf.
Klaft. War groß, sehr groß: Glauben Sie mirs als ehrlichem Manne; ich werde mich Jahrelang nicht wieder erholen können.
Weiler. Ich bedaure; aber wie hart ist das Loos derer, die zeitlebens arm und elend ist?
Klaft. Denken Sie nur – ich wollte gerne von dem übrigen schweigen – aber denken Sie – mein schöner Park, den ich erst vor etlichen Jahren angelegt. Ich fuhr diesen Mittag ein wenig nach dem Gute hinaus; ich kann Ihnen mein Schrecken über den Anblick nicht schildern; es hätte mich fast der Schlag gerührt; aber so bliebs doch noch bey einer bloßen Ohnmacht; ich muste, weil mir etwas schlimm [74] ward, mich sogleich wieder nach Hause führen laßen. Aber auch kein Aestchen von einem Obstbaume, nicht eine Spur, daß hier oder dort ein Blummenbeet stand, und die große theure Mauer ein blanker Schutthaufen; und dann mein neues Gartenhaus, mein schönes Sansçouci! – das Herz muß einem ob dem Anblick bluten.
Weiler. Dieser Verlust geht mir selbst einer Ursache wegen sehr nahe, indessen –
Klaft. Nicht wahr, der herrliche Salon, und dann die grünen Seitenkabinettchens; und das rosarothe Zimmer meiner Tochter –
Weiler schwermüthig) Ja wohl, da wars – (sich erhohlend.) wo ich glaub’ ich, das erstemal die Ehre hatte – Doch ich wundre mich nicht wenig, wie wir uns hier treffen?
Klaft. Haben recht: Ist auch sonst meine Sache nicht, in so gemeinen Löchern herumzuspüren. Es ward mir im hereinfahren wieder etwas besser, und da wollt’ ich denn hier das Haus ein wenig in Augenschein nehmen, gewisser Ursachen wegen – Was ich doch sagen wollte: Es restirte mir der seelige Müller Weise noch hundert Thaler nebst Interesse an baar geliehenem Gelde. Diesen Mittag zählt mir Belt im Namen der Wittwe das ganze Geld auf den Tisch, und ich quittire darüber. Nun die Schuld getilgt ist, glaubt das grobe Volk mir nicht den geringsten Dank mehr schuldig zu seyn, und pocht noch. Aber nun will ich auch meinen Kopf aufsetzen. Ich acceptire das Geld nicht, ich halte mich schlechterdings an die Schuldnerin, und nehme weiter keine Notitz.
(Weiler lächelnd) Und haben quittirt?
[75] Klaft. Aber ohne mein Wissen und Willen kann mir kein fremder Bürge oder Gläubiger untergeschoben oder aufgedrungen werden.
Weiler. Ein falscher Grundsatz, den Ihnen wahrscheinlich der Hr. Oberamtmann beygebracht haben mag; der aber nur in gewissen Fällen statt finden kann, hier widerspräch’ er allem natürlichen Rechte.
Klaft. Aber kennen möcht ich doch den Narren, der für die Frau bezahlt – wo will ers wieder hernehmen, der Pinsel!
Weiler. Diesen Namen verdient er nicht. Er giebt vielmehr einen Beweis, daß es noch edeldenkende, mitleidige Seelen giebt, und beschämt manchen weniger redlichen, der keine andre Leidenschaft als Eigennuz und Geldgeiz kennt. Es ist ein rechtschaffener Mann, Sie können mirs auf mein Wort glauben – ein wahrer Menschenfreund! der im Stande wäre, seinen lezten Pfennig mit dem Dürftigen zu theilen; der keinen Bettler von der Thüre zurückweißt, und könnt’ er ihm auch nichts geben, als ein Stück verschimmelt Brod. Kurz: es ist ihr ehrlicher Verwalter, Hr. Belt!
Klaft. Belt? Belt? Was sie mir da sagen? Wo der Mensch das Geld nur hernimmt?
Weiler. Es ist gewis sauer errungenes Verdienst; und ich glaube, er fühlt mehr Vergnügen, mehr Selbstzufriedenheit, wenn er dem Dürftigen auch nur eine fröhliche Stunde damit machen kann, als wenn ers ohne den geringsten Genuß in die Erde wie der Maulwurf vergräbt.
Klaft. Sonderbar! sehr sonderbar! eine solche Freygebigkeit –
[76] Weiler. Verdient allgemeine Bewunderung. Es ist eine sehr großmüthige Handlung; nicht wahr Hr. Klafter!
Klaft. Ja, wie die Umstände sind! Nu, ich empfehle mich – empfehle mich! (geht beschämt ab.)
Weiler. Geh nur, fühlloser, unnatürlicher Mann. Ich gab zwar dem ehrlichen alten Belt mein Wort, die Sache noch geheim zu halten; aber die Beschämung die der harte Mensch bey sich fühlen muste war immer meiner Entdeckung werth. Schaam beßert sagt man sonst. Möchte sie doch auch bey dem in Zeiten noch gute Wirkung thun! aber ich zweifle.
Pöll tritt ein; Weilern erblickend.) Wieder so einer von der heiligen Justiz, Vielleicht schon ein Abgeordneter, mein bischen Haus in Beschlag zu nehmen. Guten Abend Herr,
Weiler. Guten Abend, Ihr seyd vermuthlich Schiffer Pöll.
Pöll. Der bin ich Herr, Aber ehe Sie mir vollends mein Obdach übern Kopf wegnehmen, so laßen Sie mich hier nochmal recht umsehen; und meinen vier Pfählen da gute Nacht sagen.
Weiler. Ich versteh euch nicht, guter Mann entweder Ihr verkennt mich, oder ich habe mich geirrt.
Pöll. Keins von beyden Herr, sind Sie nicht da, um mir mein Haus zu verkaufen? Ich will [77] ja herzlich gern heraus, will mich an die Landstraße legen, und – nur ansehen möcht ichs noch einmal und dann gute Nacht – Ist mirs gleich, als schieden Leib und Seele von einander.
Weiler. Wie gesagt, Ihr verkennt mich. Es hat mich ein Zufall hieher geführt.
Pöll. Erlauben Sie mir, daß ich Sie recht ins Gesicht faßen darf. (sieht ihn starr an) Nehmen Sie mirs nicht übel, Sie haben nicht die geringste obrigkeitliche Miene: Verstehen Sie mich nicht unrecht – ich meine, keinen Zeug von dem Herrn Oberamtmann und Konsorten. Sie müßen noch nicht lange hier seyn. Vielleicht hat man recht gehabt, ich ließ mir einmal sagen: Sie wären ein Gerechtigkeit liebender Mann, und wenn ich Ihnen recht steif in die Augen sehe – wahrhaftig, Sie schlagen die Augen nicht nieder, und sind auch nicht so übersichtig, wie die meisten Herrn von der löblichen Justitz. Verzeihen Sie, wenn ich so frey spreche; aber wir gemeinen Leute machens nicht anders.
Weiler. Ich lobe euere Freymüthigkeit; sie geht vom Herzen; ich sehe schon, ich muß denn auch offen mit Euch sprechen. Ein junger Mensch – er hatte sehr frühzeitig seine Aeltern verloren; als Kind schon da er unter fremden Leuten, und von ihren Wohlthaten leben muste, ward er bey Zeiten mit Noth und Elend vertraut. In reifern Jahren bereißte er eine Universität, vollendete mit glücklichem Erfolg seine Studierjahre, und gieng mit einem jungen Grafen als Hofmeister auf Reisen. Er lernte so ziemlich die Welt kennen. Seine gute Aufführung und seine wenigen Kenntniße, [78] die er sich sammlette, mit unermüdeter Verwendung verbunden, erwarben ihm durch seines Grafen Empfehlung eine an sich nicht sehr beträchtliche Versorgung, mit dem Versprechen bald weiter zu rücken. Vor kurzer Zeit erbte er ein Legat, so ihm eine wohlthätige Hand vermachte, gerade in einem Zeitpunkte wo allgemeine Noth und Kummer das Leben vieler hundert verbittern. Er ist selbst Augenzeuge mancher dürftigen Familie, die der Raub so vieles Elendes wird. Der Himmel giebt ihm dies Mittel, den Schmerz manches Bedrängten wenigstens in etwas zu mindern. Er eilt, wohin ihn die Stimme menschlicher Pflichten ruft, und eben dieser junge Mensch schickt euch durch mich diese dreyhundert Thaler; vielleicht sind sie zureichend auch euch aus eurer gegenwärtigen Noth zu helfen. (giebt ihm eine Rolle, und ab.)
Ist das Gottes Engel, oder? Nein, das begreife wer da will, – sagt’ ichs doch immer, es giebt keine Menschen mehr; entweder sinds Teufel, die Gott uns zur Strafe auf diese Welt schickt, oder es müssen höhere Weesen seyn, die unter uns unsichtbar wandeln, und den Gerechten, wenn er untergehen will, aus dem Verderben retten, (bleibt die Rolle in der Hand, nachdenkend stehen.)
Komm nur, liebes Mädchen, komm! bleib hier bey der Mutter und sey ruhig.
[79] Marg. Du bist sehr krank, Tochter! aber Gott Lob! daß du nur so weit wieder hergestellt bist.
Liesch. Krank? Nein, liebes Schwesterchen, krank must du ja nicht werden.
Leopold. Wie ist dir denn jetzt, gutes Mädchen?
Rösch. So ziemlich wohl; aber da liegt mirs so schwer, und drückt mir ans Herz, wie ein Zentnerstein; und mein Kopf, mein Kopf, der brennt wie eine Feuergluth.
Marg. Komm, Kind! leg’ dich zur Ruhe.
Liesch. Ach! da ist ja Vater Pöll!
Margr. Was steht Ihr denn so da? Seht Ihr denn nicht? Röschen ist wieder da!
Pöll. (ohne sie anzusehen.) Freut mich! freut mich! aber laßt mich nur jetzt, laßt mich! ich muß hinaus ins Freye, muß mir Luft machen. Da! da! (wirft die Rolle hin, und läuft ab.)
Liesch. (die Rolle aufhebend.) Was ist denn das Mutter? das ist ja so schwer;
Marg. Laß sehen! – Um Gotteswillen. Gold; Lauter Gold; Was soll denn das wieder? Sieh nur Röschen!
Rösch. Schönes Gold! Wir brauchens Mutter! Aber hätt’ ich doch nur meinen Willhelm wieder; zehn solche Rollen wollt’ ich drum geben.
Leopold. Beruhige dich einmal, liebes Mädchen! vielleicht kömmt dein Willhelm wieder.
Rösch. Wollte Gott! es wäre so! führt mich doch in die Kammer, Mutter, ich bin so matt; laßt mich schlafen gehen.
[80] Liesch. Laßt mich mit Mutter; ich will bey der Schwester wachen. Gelt, Mutter?
Margr. Ja, thue das mein Kind!
Rösch. Ob ich wohl von meinem Willhelm träume? Ich will doch für ihn beten, eh ich einschlafe; gute Nacht!
Leopold. Gute Nacht Liebe!
(Margrethe mit Röschen und Lieschen ab.)
Möchte sie doch ihren Kummer auf einige Stunden verschlafen, das arme Geschöpf! So viel Liebe bey einem Mädchen, das keine andre Lehrerin als die Natur hatte! O könnt’ ich ihr ihren Willhelm in die Arme führen! Sie hat mein Herz so sehr an sich gefesselt, ist mir durch ihre Leiden die trauteste Freundinn geworden. – O Weiler! Weiler! wenn ich dich so verlieren müste! du so ein edelmüthiger Mann! – Diese Rolle mit Gold, gewis ist sie von ihm! Dieser Zug macht dich mir so theuer! Ich glaubte, ich könnte dich nicht stärker mehr lieben! aber ich fühl’ es, du bist mir von diesem Augenblick an alles geworden, alles! Aber so viel auf einmal! Seine geringen Einkünfte – kein Vermögen – unbegreiflich! Und doch sagt mir in meinem Herzen etwas, daß er’s ist. Ja er ists, ists gewis. Wem der Himmel die Gabe wohlzuthun verleiht – wie glücklich ist nicht der!
[81]
Welch eine Menge von Unglücklichen! Seit einem Jahrhundert kennt man kein so schröckliches Beyspiel. Einst brachte man meinem Vater zwey Tage nach einer blutigen Schlacht die Liste der Erschlagenen; eine Thräne quoll dem verehrungswürdigen Greis aus den Augen: denn er liebte seine Unterthanen, und der Verlust jedes einzelnen Kriegers gieng ihm nahe wie der eines Kindes – Gott! rief er damals, möchte deine schwere Geisel nie wieder auf mein Land fallen! – Und ich sein Nachfolger und Sohn – diese neue Scene des Jammers erleben zu müßen! (Pause.) Ich dank’ Ihnen junger Mann! Ihre freye Schreibart, so frey wie ihr Herz, zeugt hinlänglich von ihrem Patriotismus, und jeder Federzug verräth Menschenliebe – Ihr Bericht schildert mir zwar mit sehr treffenden Zügen die Noth meiner armen Unterthanen; ich setze auch nicht das geringste Mistrauen in Sie – denn nur diese wenigen Meilen von meiner Residenz, wie viele traurige Reste der schröcklichen Verwüstung, wie viele Gegenstände des Erbarmens und Mitleids traf ich da nicht! Oft mußt’ ich meinen [82] Blick von Scenen wegwenden, die mir das Herz brachen.
Weiler. Ew. Durchlaucht sind Vater ihres Volks – ob es gleich nicht ganz in den Gränzen meines Berufs lag, so hielt ich es doch für Pflicht, an Ew. Durchlaucht Regierung diesen Bericht zu erlaßen, um dadurch den wahren Zustand der gegenwärtigen Noth zu schildern. Ich hatte Ursachen, das Gegentheil zu befürchten – konnte meinen Fürsten unmöglich hintergehen lassen; und ich hoffe, ich habe nicht zu viel gethan.
Fürst. Es steht jedem Unterthan frey – der Weg zu seinem Fürsten darf ihm nicht verschlossen werden – sey’s auch wer es wolle. Unglücklich der Fürst, der Schuld daran ist, daß nicht die Stimme der Wahrheit bis in sein Audienzzimmer dringen kann. Wie lange dienen Sie?
Weiler. Erst seit dreyviertel Jahren begleite ich meine gegenwärtige Stelle. Ich war mehr als einmal schon Zeuge himmelschreyender Ungerechtigkeiten –
Fürst. Und warum schwiegen Sie so lange?
Weiler. Gnädigster Fürst! längst war ich es Willens; – aber ich gesteh’ es frey – zurückgeschreckt durch Beyspiele, meine Vorstellungen möchten nicht dahin gelangen, wo sie sollten, hielt ich bisher noch zurück – Zwar wagt’ ichs schon einmal, Zutritt zu meinem Fürsten zu finden; – aber er ward mir versagt – und dann die Furcht, durch die Kabale unterdrückt zu werden, wenn ich nicht vorsichtig genug handelte, vielleicht gar mein Brod zu verlieren, machte mich schüchtern. Ich wartete auf den Zeitpunkt meinen Erlauchten Fürsten selbst sprechen zu [83] können – Es ist das erstemal, da ich meinem Regenten so nahe zu seyn –
Fürst. Sie geben mir einen stillschweigenden Wink, den ich in Zukunft nützen werde. Fürsten sollen selbst sehen und prüfen, und die Herablassung zu ihren Unterthanen macht sie mit der innern Lage ihrer Länder vertraut –
Weiler. Ihro Durchlaucht – meine Absicht –
Fürst. Genug. Sie sprachen vorhin von Ungerechtigkeiten. –
Weiler. Die ich mich schriftlich zu belegen getraue. Ich weis, unser Oberamtmann hat einen Bericht abgefaßt, den er über die gegenwärtige Lage dieses verunglückten Städchens und seiner Einwohner nach der Residenz schicken will. Ich kam ihm zuvor – begnügte mich nicht blos an unzuverläßigen Relationen, sondern nahm selbst, so wie es meine Pflicht heischte, von allem den Augenschein. Ich fand den Schaden an ruinirten Gebäuden, und Feldern, so wie das Elend ihrer Besitzer sehr gros, den aber der Amtmann ohne die geringste Untersuchung nur nach seinem Gutdünken abwog; und diesen war ich eben im Begriff, der Regierung einzuschicken; hätt’ es mir auch den Verlust meines Dienstes zugezogen, als Ew. Durchlaucht mir zuvorkamen. –
Der Oberamtmann, Ihro Durchlaucht!
Fürst. Soll kommen.
Oberamtmann (kriechend und mit vielen [84] Verbeugungen herein.) Durchlauchtig – Hochgebohrner – Durchlauchtig – gnädigster –
Fürst. Schon gut, schon gut! Ich liebe die Komplimente nicht. Sie sind der Oberamtmann.
Amtm. Ew. Durchlaucht, meinem gnädigsten Landesregenten humillime –
Fürst. Laßen Sie doch das. Was wollen Sie?
Amtm. Ew. Durchlaucht begnädigen unser schlechtes Städchen mit Dero Höchster gnädigster Gegenwart –
Fürst. Soll ein Fürst seine Unterthanen nicht besuchen dürfen – Faßen Sie sich nur kurz –
Amtm. Ich wollte meiner obhabenden Pflicht zu folge, und nach Hochderoselben durch eine Hochlöbliche Landesfürstl. Regierung jüngst erlaßenem Rescripte meinen unterthänigsten Bericht in puncto des Städchens. –
Fürst. Kurz: Sie wollen mir vermuthlich ihren Bericht in Betreff des durch die Ueberschwemmung verursachten Schadens vorlegen – Hab schon welchen, mein Freund! Doch geben Sie immer her; so können wir beyde sodann mit einander vergleichen. –
Amtm. (überreicht seinen Bericht.) Ihro Durchlaucht –
Fürst. Nu?
Amtm. (mit einem Blick auf Weilern.) Ich – ich –
Fürst. Der junge Mann da, (auf Weilern zeigend.) der wie ich höre, sich in seinem neuen Beruf sehr gut anläßt, und mit sehr viel patriotischem [85] Eifer seiner Pflicht zu folgen sucht, hat mir vor kurzem auch eine kleine Relation überreicht; aus welcher sich denn so manches von seiner Gerechtigkeits- und Wahrheitsliebe schließen läßt. –
Amtm. (heimlich zu Weilern.) Hr. Collega, Sie haben doch nicht vergessen. –
Weiler. Alles aufs genaueste –
Fürst. (sich umkehrend.) Was giebts? Haben Sie etwa Amts- oder Gewißensscrupel?
Amtm. Ich wollte nur, Ihre Durchlaucht – es ist noch ein junger Practicus – ob er nicht etwa –
Fürst. Zu viel gesagt? – Wird sich schon finden. (hat beyde Berichte bey sich gesteckt.) Wie viele Häuser sind beschädigt?
Weiler. An die funfzig, die an der Wasserseite lagen, gänzlich ruinirt; und etliche dreyßig stark beschädigt; denn der Eisbruch durchbrach den grossen Damm, der ohnedies baufällig war. –
Amtm. Tristes reliquiae, wie nach dem Trojanischen Brande, Ihro Durchlaucht. –
Fürst. Hätte der Damm nicht schon vor einigen Jahren sollen ausgebeßert – oder ganz neu angelegt werden?
Amtm. Es kostete eine ungeheure Summe. –
Fürst. Aber welcher Schaden ist nun grösser? durch jenes hätte man größerm Uebel vorgebeugt –
Amtm. Wer hätte voraussehen sollen –
Fürst. Genug: Ich will mich mit eignen Augen belehren. Zwar seh’ ich zum voraus, es wird meinem Herzen viel kosten – Der Anblick so vieler Schutthaufen, und trauriger Denkmäler der Wasserfluth [86] – die bleichen und kummervollen Gesichter der Nothleidenden – ihr banges Gewimmer um Brod – und so viele Thränen der Hülflosen – Aber abtrocknen will ich sie diese heißen Thränen, wenn ich sie auch nicht ganz stillen kann – und wehe dem, (mit einem Blick auf den Amtmann) der mich hintergieng! Sie begleiten mich, Weiler – (zum Amtmann.) Wir sprechen uns noch. (mit Weilern ab.)
Hoc non capio – non capio – ist mir ein Räthsel, die ganze Sache – Da steckt gewis was dahinter – latet anguis in herba. Der Weiler, der Weiler! wodurch sich nur der so beym Fürsten mag insinuirt haben, daß er vor mir die erste Audienz bekam; und hat doch so viel ich weis, keinen einzigen Minister zum Protecteur am Hofe. Ich wittre mir nichts gutes. Hätt’ ich doch meinen verwünschten Bericht noch bey mir behalten; aber so gehts, wenn man in seinem Dienste zu eifrig zu Werke geht.
Was ich höre, mein allerliebster Hr. Oberamtmann – sollt’s wirklich an dem seyn, daß Sr. Durchlaucht –
[87] Amtm. Ist dem so, amice! wirklich an dem: hab’ eben die hohe Gnade der ersten Audienz gehabt. Se. Durchlaucht waren außerordentlich herablassend gegen meine Wenigkeit –
Klaft. Wie sollt’ er auch nicht! einen seiner geschicktesten und würdigsten Beamten nicht seiner ganzen Gnade zuwürdigen –
Amtm. Ago gratias, quas possum, maximas. Sr. Durchlaucht schätzen die geringen Verdienste zu hoch –
Klaft. Aber haben Sie nicht in Rücksicht meines Schadens Sr. Durchlaucht einige Vorstellungen gemacht, Herzensfreund?
Amtm. Habs, habs. Der Fürst hat meinen Bericht – wie wohl ich gewünscht hätte, Sr. Durchl. hätten mir solchen nicht so schnell abgedrungen; ich hätte noch einen kleinen Nachtrag beyzulegen gehabt –
Klafter. Und glauben sie also, daß Se. Durchl. einige Rücksicht auf mich armen Manne nehmen wird.
Amtm. Nichts billigeres ist von einem so gerechten als gnädigen Fürsten zuerwarten –
Klafter. Sie sollen dabey nicht zu Schaden kommen Herr Oberamtmann! Aber noch was neues – Da kömmt diesen Morgen Schiffer Pöll, und pocht mich aus meinem besten Schlafe – denn ich konnte die ganze Nacht hindurch kein Auge zuthun, und hatte erst gegen früh ein Viertelstündchen eingeschlummert – hatte eben angefangen zu träumen, als stünde noch mein ganzer Garten, wie vorigen Sommer – da poltert der Kerl so lange an der Thüre bis ich munter ward; auch war kein Schlingel vom [88] Bedienten zu sehen, der ihn wieder abgewiesen hätte. – Was wollt ihr so früh, Pöll! fragt ich ihn, als er hereintrat. Nicht viel sagt er mir mit einer sehr brutalen Miene – aus dem Verkauf meines Häuschens wird wohl nichts werden; sehen sie Hr. Klafter ich hab ihren wohlmeinenden Rath befolgt – sie sagten: ich sollte in die Lotterie setzen, und das that ich denn auch, und gewann diese Nacht ohngefähr so viel, als ich brauche, sie zu bezahlen. Ich dachte, der Kerl hätte seine fünf Sinne verlohren; aber er warf mir ein Röllchen Louisdor auf den Tisch: ich gab ihm sogleich in der ersten Verwirrung den Kontrakt zurück, und so gieng er wieder. Ich weis gar nicht, was ich daraus nehmen soll. Ich hab mir schon hin und her den Kopf zerbrochen, wie der Kerl zu dem Gelde gekommen; und da fiel mir denn ein: ob der Kerl nicht irgend wo das Geld gefunden – Es sind viele Häuser eingestürzt, Effekten und Meublen mit weggeschwemmt, – Wie wenn der Kerl irgend eine Chatoulle, oder so was dergleichen aufgehascht hätte – Unser einer hat das Glück nicht, um sich wenigstens in etwas von seinem Schaden zu erholen – Was sagen Sie dazu, Freund?
Amtm. Möglich, sehr möglich. Indeßen fällt mir ein – ich habe noch die Quittung von der Müllerinn; ich will ihr solche hernach wieder schicken.
Ord. zu Kl. Sind sie der Amtmann?
Amtm. Der bin ich – der Hr. Oberamtmann?
[89] Ord. Ja das hätt ich dem Herrn sogleich an der Nase und der knotigen Perücke ansehen sollen –
Amtm. Nu? was will er?
Ord. Sie sollen auf fürstl. Befehl nicht eher als bis auf weitere Verordnung ihr Haus verlaßen – mein Herr Oberamtmann! (ab)
Amtm. Wie? was?
Klaft. Was hat das zu bedeuten Hr. Amtmann?
Amtm. Hoc non capio, non capio – kann nicht daraus klug werden, amice! – Weis nicht, sollte man mich verläumdet, dem Fürsten angeschwärzt haben?
Kaft. Und sprachen ihn doch erst vorhin selbst –
Amtm. Eben deswegen kömmt mir das Ding befremdend vor – die Audienz war zwar kurz, aber –
Klafter. Vermuthlich haben Sie auch meiner mit keinem Wörtchen gedacht? – Da sieht mans wie wenig man sich heut zu Tage auf einen Freund verlaßen kann. Ich muß nur selbst zu dem Fürsten, will mich ihm zu Füssen werfen – Ich bin doch der unglücklichste Mann im ganzen Städchen – ich wünsch es Ihnen von Grund der Seele, daß man sie einmal recht beym Kopf nimmt – hättens längst verdient. Aber ich will auch mit einem Manne wie Sie länger keine Freundschaft unterhalten; wir sind geschiedene Leute, und ich wünsche viel Glück zu ihrem Arrest. (ab)
Amtmann allein.) Also wär ich denn wirklich Arrestant? – Sollte mir Weiler meine aparten Accisbücher entwandt, oder – Der Fürst will mich ja noch weiter sprechen! da werd ich meine [90] ganze Praxin forensem nöthig haben, um mich zu rechtfertigen – Aber Weiler! Weiler! hast Du mir diese Falle gelegt; ich habe noch einen mächtigen Protector am dicken Präsidenten; – Du sollst zittern! (ab)
Kant. Hier bin ich denn endlich wieder, gute Mutter! ist mir doch als wär ich in einem ganz andern Welttheil – oder vielmehr aus dem Grabe in ein neues Leben zurückgekehrt. Ihr hättet mich nie wieder gesehen, wenn mich nicht mein Sohn mit Lebensgefahr gerettet hätte – Ein braver! rechtschaffener Sohn! Gott vergelt ihm seine kindliche Liebe! –
Lieschen. Ihr müßt doch recht viel ausgestanden haben alter Vater!
Kant. Viel! viel! viel! liebes Kind! Danken wirs der Vorsehung, daß sie nun aufhört, uns mit ihren schröklichen Strafgerichten zu verfolgen: küssen wir die Ruthe, die uns gezüchtigt, und danken ihr, daß sie so vieler wieder geschont.
Marg. Gerne wollt ich alles verschmerzen, Mühle, Vermögen und alles – hätte mir nur der Himmel meinen guten braven Mann gelaßen! – so einen jämmerlichen Tod – und unsre zwey Knechte mit ihm – der Oberknecht rettete noch meine älteste Tochter – glitschte aber mit dem Fuß, und der Strom riß ihn unter die Eisschollen mit fort –
[91] Kant. Das war auch meines armen Jungens beständiges Jammern um sein liebes Röschen – Kaum war er aus des Gefahr, so war sein erster Gedanke an sie – sein stündliches Sehnen u. Beten zum Himmel, daß nur sein Röschen noch leben möchte.
Marg. Ich dachte gestern sie stürb uns – Ihre Sinne hatten sie verlaßen – O! ich kanns euch nicht erzählen – der gestrige Tag war ein harter Tag für uns – Erst gegen Abend brachten wir sie wieder etwas zu sich. Sie war ganz entkräftet, schlief die ganze Nacht so unruhig, und nur erst seit zwey Stunden schlummert sie etwas sanfter.
Liesch. Ja, sie hat mehr als hundertmal im Schlaf nach dem Willhelm gerufen –
Marg. Aber wo bleibt er denn auch so lange?
Kant. Muß nun schon bald kommen –
Liesch. Soll ich die Schwester nicht aufweken?
Marg. Beyleibe nicht Kind!
Liesch. Aber doch, wenn der Willhelm kömmt?
Kant. Wie sich der Junge freuen wird! Es ist mir so wunderlich – kanns kaum erwarten; die beyden Kinder bey einander zu sehen – so was kann einem doch wieder vieles vergeßen machen –
Lieschen. Da bist du ja schon, Schwesterchen! bist du noch krank?
Rösch. Mir ist wieder ganz wohl! wenn ich nur keine so garstige Träume die Nacht durch gehabt [92] hätte. (sieht schnell den Alten der seine Freude nicht mehr bergen kann.) Was ist das?
Marg. Kennst du Willhelms Vater denn nicht mehr?
Röschen (stürzt in seine Arme, die er nach ihr ausstreckt.) Willhelms Vater! – Und Willhelm?
Kant. Sollst ihn bald sehen, meine Tochter!
Rösch. Wo? wo? geschwind Vater? wo ist er? wo ist mein Willhelm?
Kant. So bleib doch! bleib noch einen Augenblick bey mir. Er kann nicht lange mehr ausbleiben. Wirst ohnehin noch beständig um den Jungen seyn;
Rösch. Aber hintergeht ihr mich nicht? ists wahr, oder wollt ihr mich nur hinhalten, daß ich nicht wieder krank werden soll, O! fürchtet euch nicht, ich bin ja jezt ruhig, und ich versprech euch ich will nicht wieder wahnwitzig werden. Ich weis zwar nicht, ob ichs war – aber die Leute haben mir wunderliche Dinge erzählt.
Kant. Es gieng deinem armen Willhelm beynahe auch so. Die unzählbaren Thränen die er Tag und Nacht um dich geweint hat –
Rösch. Hat er das?
Kant. Hat fast ganz seines alten Vaters vergeßen. Doch seys ihm um seiner kindlichen Liebe verziehen. Er hatte mich außer Gefahr, und von dir hatte er keine Nachricht, wuste nicht, ob du nicht auch ein Raub der Wellen geworden warst, muste sich immer das schlimmste denken. Wir wären seit vorgestern schon wieder da, hätt uns der schlimme [93] Weg und Wetter nicht gehindert. Auch war mir die Zeit über sehr schlimm, und ich dachte den folgenden Tag nach der nahen Todesgefahr; es sey dieses mein letzter. Doch Gott hat auch hier wieder geholfen: durch die Pflege eines alten Köhlers, der uns in seiner Hütte beherbergte, und durch die zarte Sorgfalt meines Sohnes bin ich so ziemlich wieder auf den Beinen.
Pöll. Freude, Kinder! Freude,
Liesch. Willhelm, Willhelm!
Willhelm. Da ist sie! da ist sie!
Röschen thut einen Schrey, fällt dem alten Kant in die Arme; Willhelm vor ihr hin)
Willhelm. Röschen! mein Röschen!
Röschen will reden, kann nicht, ringt die Hände.
Willh. Du meine Liebe! bin ich nun endlich wieder bey dir! (hat sie indeßen an sich gerißen du schweigst?
Röschen nach einem schweren Seufzer.) Willhelm! – Ach! war mirs doch, als wollte mirs das Herz abdrücken.
Willh. Find ich dich endlich wieder? du für mich verlorne! seht Vater; ich habe sie wieder, das gute liebe Mädchen! – Mutter liebe Kleine, mein Röschen!
[94] Rösch. Sieh mich doch recht an Willhelm! lebst du denn wirklich? bist du nicht todt?
Willh. Ich lebe, liebes Mädchen! glücklich, daß du nun wieder in meinen Armen bist,
Kant. Bin ganz wirblich, Kinder werd’ euch über den Anblik wieder zum zwanzigjährigen Jungen
Pöll. Und ich steh da, und wische mir die hellen Tropfen von Augen. Seht nur die Mutter dort, – seht nur hin, weint euch recht aus, gutes Weib! Ihr habt des Jammers genug gehabt; aber ich denk auch, es sollen die lezten Thränen seyn.
Marg. Freude u. Schmerz – und Schmerz und Freude – dank dem da oben, der hat unsre Thränen gezählt! betet um seinen ferneren Seegen.
Lieschen. Und mich läßt man so dastehn, und vergißt meiner ganz; und ich habe doch auch so viel geweint, und freue mich jezt so herzlich.
Willh. küßt sie) Gutes Kind!
Rösch. Und nun Willhelm! will ich dich fest halten; du sollst ohne mich nirgends mehr seyn: Sieh! so fest will ich dich halten; und käme dann wieder so eine schreckliche Sündflut, so sollen die gewaltigen Wellen mich mit dir begraben!
Kant. Das verhüte der Himmel!
Willh. Was soll ich dir alles sagen, Liebe! Es sind zwey merkwürdige Standpunkte meines Lebens – jene schauervolle Nacht unsrer Trennung und dieser schöne Morgen des Wiedersehens. Er wird uns oft das Andenken überstandener Leiden, und namenlose Gefühle des innigsten Entzückens zurückrufen, und wir werden sie segnen diese Stunde der Wiedervereinigung.
[95] Marg. Und vergeßt eures armen Vaters nicht Kinder!
Kant. Und denkt auch zuweilen an Vater Kant wenn seine grauen Haare und seine alten Gebeine schon unter dem Grabhügel modern.
Pöll. Ruft euch doch keine so traurigen Bilder zurück: es ist des Wermuths genug in eure Freude gemischt. Doch hätt’ ich fast selbst über meinen freudigen Rausch euch zu sagen vergeßen – Wißt ihrs noch nicht? Unser Vater ist da, unser liebe Fürst. –
Alle. Der Fürst! der Fürst!
Pöll. Ein braver Herr! wie sein seeliger Vater! Er gieng vorhin mit Hrn. Weiler zu Fuße am großen Damme herauf. Nicht wahr? Willhelm! wir sahn ihn – Er muß auch Willhelmen gesehen haben; denn er zeigte mit dem Finger nach ihn – gewis hat ihm Weiler davon gesagt – (sieht Belt kommen.) Ah! da kömmt auch noch wer; dem Manne seyd ihr viel schuldig.
Pöll. Treten Sie doch unter uns, und nehmen Sie Theil an der allgemeinen Freude. Da sehn Sie, sehn Sie unsers Röschens Willhelm, und da den alten braven Greis.
Belt Ists möglich? Nu! das heißt doch recht wie man zu sagen pflegt: Auf Leiden folgen Freuden. Willkommen ehrwürdiger Greis! Himmelsseegen euch und dem rechtschaffenen Sohn, und [96] Heil den beyden Liebenden. (er drückt allen die Hände.) Der allgemeinen Noth wird nun auch bald gesteuert seyn. Unser Landsherr durchsucht in eigner hoher Person und in Begleitung des braven Weilers alle Winkel, wo noch irgend eine Stimme um Mitleid winselt, wagt sich über die zerfallenen Mauern und Ruinen ungangbarer Wohnungen, spricht liebreich mit jedem, der ihm seine Noth und Jammer klagt, und seine fürstliche Hand öfnet sich wohlthätig jedem Hülfe Bedürftigen: und so wie er ganze Summen unter die Leidenden hinstreut, so rollen ihm Thränen der Menschheit über sein hohes Antliz. Man glaubt in ihm einen wohlthätigen Gott zu sehen; der Jammerblick verlischt, so bald sich der Monarch nur zeigt; die lauten Klagen verstummen, es versiegen die Thränen, und das blaße Bild des Elends weicht aus den bangen Gesichtern ob seinem Anblick: auf jede Stirne, in jedes naße Auge kehrt die Freude wieder, und wo sonst Thränen des Kummers floßen, da glänzen jetzt Thränen der Freude.
Alle. Der gute Fürst! der liebe Vater!
Liesch. Sagen Sie doch, ist der Fürst ein schöner Herr? Ich möcht’ ihn so gerne sehen, Mutter! –
Der Fürst, Kinderchen! der Fürst!
(Alle durcheinander.) Der Fürst! der Fürst!
Pöll Der Fürst in meine elende Hütte!
(Stimmen von außen.) Gottes Lohn dem besten Fürsten!
[97]
Fürst. Ich habe Erholung nöthig. Ich habe viel – viel gesehen – solch ein Elend, in solchem Umfange hätt’ ich mir nimmermehr gedacht.
Weiler. Ew. Durchlaucht haben mehr gethan, als ein Vater nur immer an seinen Kindern thun kann. Glücklich das Land, das solche Fürsten aufweisen kann!
Fürst Keine Lobsprüche da, wo Regentenpflicht ruft. Wer ist der Eigenthümer dieser Wohnung?
(Pöll tritt vor.) Gnädigster Herr!
Fürst. Euer Auge, eure redliche Miene spricht für euer Herz. Ihr habt, selbst entblößt von allem noch das Wenige was euch die Wasserflut übrig lies, mit einer dürftigen Familie getheilt, diese Handlung macht der Menschheit Ehre, ich werde sie zu vergelten wißen. Jede edelmüthige That (mit einem Blick auf Belt.) ist in dem Schuldbuche eueres Fürsten aufgezeichnet. (zu Weilern auf Willhelm zeigend) Das ist ja der junge Mensch den Sie mir vorhin zeigten? und der Alte dort vermuthlich der Vater? – kam denn das Waßer so schnell in euer Haus, daß keine Rettung mehr möglich war? wie giengs zu, guter Alter
Kant. Ihro Durchlaucht! ich weis selbst nicht wie mir geschah! es hatten mich sogleich meine Sinne verlassen. Was mir etwa mein Sohn davon erzählte
Fürst zu Willh. Sprecht junger Mann –
Willh. Es war spät in der Nacht, als plözlich der große Damm brach, das Wasser die Mauer um unsern Meyerhof niederriß, und mit ungestümmer [98] Wuth von allen Seiten zugleich hereinstürzte. Ich war in der nicht weit davon entfernten Schiffmühle beym redlichen Müller Weise, und half mit ausräumen – seine älteste Tochter hier ist meine Braut. Wir versahn uns nicht des schnellen heftigen Sturms und des im Augenblick erfolgten Eisbruchs. Wir hörten allenthalben ein jämmerliches Geschrey, ich sprang aus der Mühle, und wollte aufs eiligste nach Hause und nach meinem alten Vater sehen. Kaum war ich am Ufer, so schmetterte die Mühle; ein erbärmliches Schreyen und Rufen um Hülfe hielt mich auf einige Augenblicke wie am Boden gefesselt; mir däuchte, ich hörte unter allen eine durchdringende Stimme, die Stimme meines Röschens: Ich muß sie retten, die unglückliche, die jezt der Strom mit ihrer ganzen Familie vielleicht mit sich fortreißt – ich muß sie retten, dacht ich, und wollte nach, ohne zu sehen, daß keine Möglichkeit mehr war; als mir mein Vater wieder einfiel – fahre denn wohl rief ich, gute Seele! wir finden uns dereinst wieder. – Da stand ich bis über die Knie schon im Waßer, ohne daß ichs selbst gemerkt hatte. Der Zufall führte mir einen losgerissenen Kahn nahe genug, daß ich ihn erreichen konnte; ich sprang hinein, und aus Mangel eines Ruders lenkt ich ihn mit den Händen und dem Hute glücklich nach meines Vaters Wohnung, da traf ich den alten zitternden Greis, mit dem Tode schon ringend, bis an den Leib im Waßer: ich sammelte alle meine Kräfte, faßte den halb erstarrten Mann, und wollte mit ihm nach der Oberstube, als uns beyde die Gewalt der Wellen mit forttrieb. Glücklicherweise erreichte ich noch einen Theil eines zertrümmerten Schiffes, und trieb so den Strom abwärts, bis sich etwa nach drey Viertelstunden, mit Hülfe des Himmels das Stück Schiff, [99] auf dem wir beyde waren, ins Gesträuch verfieng; und ich meinen vor Kälte fast todten Vater ans Land brachte. Ein ehrlicher Köhler nahm uns in seine Hütte, die an einem Hügel lag, und pflegte mich und meinen kranken Vater die Zeit über, bis wir erst diesen Morgen wieder hier anlangten.
Fürst bewegt.) Alter ihr habt einen rechtschaffenen Sohn!
Kant. Der Himmel wird ihn dafür seegnen!
Fürst auf Rösch. weisend) Ist das das Mädchen?
Willh. Die ists, gnädigster Fürst! sie, ohne die ich nicht hätte leben können.
Fürst. Wie war dir denn, liebes Mädchen als du deinen Bräutigam wieder sahst?
Rösch. Wohl und weh! ich weiß selbst nicht; es war mir, als wollt es mir das Herz losreißen.
Liesch. Hört Mutter! soll ich nicht dem schönen Herrn Fürsten die Hand küssen?
Fürst. Wem gehört denn dies artige Kind?
Liesch. Das dort ist meine Mutter – mein Vater sagen sie, sey auch ins Wasser gefallen. Es ist der Müller, dem drüben die Mühle gehörte.
Fürst hebt sie auf, und küßt sie.) Statt des Vaters will Ich für dich sorgen. – Wenn alle meine Unterthanen so gute, redliche Leute sind, so verlohnt sichs der Mühe wohl, Fürst zu seyn.
Klaft. O! gnädigst – durchlauchtigster Herr! erbarmen Sie sich eines unglücklichen Mannes – ich bin beynahe ein ruinirter Mann –
[100] Fürst. Steh er auf. Wer ist er?
Weiler. Holzhändler Klafter.
Klaft. Ew. Durchlaucht wissen vielleicht mein Unglük noch nicht ganz; den unbeschreiblichen Schaden, den mir die Ueberschwemmung verursacht – beynahe mein halbes Vermögen. –
Fürst mißt ihn) Ihr seyd also der Mann der allein bey dem allgemeinen Elend, den lauten Klagen eurer Mitmenschen ungerührt bliebt? Ihr wuchert schon in die zwanzig Jahre in meinen Ländern; euer Holzhandel hat euch die reichsten Vortheile abgeworfen; ihr besizt ein Vermögen an die zweymalhunderttausend Thaler; habt zwei der schönsten Häuser, die fast beyde unbeschädigt blieben; bis auf etliche hundert Klafter Holz, die ihr mit Recht einbüst, und einen prächtigen Garten, der sich keinesweges für einen Mann eures Standes schickt. Und doch habt ihr diesen redlichen Mann dort – unerhörte Unmenschlichkeit! – so wie diese arme Frau hier einiger hundert Thaler wegen bis auf den lezten Blutstropfen gedrückt – seyd jezt noch so unverschämt, auf menschliches Erbarmen Anspruch zu machen? Geht! baut mit dem Solde des Wuchers der Menschheit Schandsäulen und brandmarkt sie mit dem Stempel eures Namens.
Klaft. Durchlauchtigster Herr! man hat sie falsch berichtet. Der Oberamtmann –
Fürst Geht! ihr seyd ein heuchlerischer, gewissenloser Bube: Der Holzhandel in meinen Ländern sey euch gänzlich untersagt, und die weitere Ahndung eurer Hartherzigkeit behalt ich mir noch bevor.
Leopoldine (dem Fürsten zu Füßen.) Gnädigster Fürst! es ist mein Vater!
[101] Fürst. Stehen sie auf: (zu Weilern) Ist die es?
Weiler. Ja, Ihro Durchlaucht.
Fürst Stehen Sie auf! Edeldenkendes Mädchen, nicht Tochter dieses unnatürlichen Mannes! (zu Klaftern.) Ihrentwillen sey euch die Strafe erlaßen, die ich euch zugedacht; ob ihr sie gleich nach aller Strenge verdient hättet. Schande für Aeltern wenn Kinder sie durch solchen Edelmuth beschämen. Und nun liebes Mädchen! schenken Sie mir auch ihr Zutrauen! Lieben Sie den Mann da? (auf Weil.)
Leopoldine (verlegen.) Ihro Durchlaucht!
Fürst. Ihr Blick sagt mirs. Ich bin Ihnen eine Belohnung schuldig für das, was Sie an diesen armen Leuten gethan. (nimmt Weilern bey der Hand.) Wie kann ich die Rechtschaffenheit eines so edlen Mädchens beßer belohnen als mit der Hand eines rechtschaffenen Mannes?
Klafter. Gnädigster Herr! der Mensch hat aber keinen Pfennig Vermögen –
Fürst. (mit einem verächtlichen Blick nach ihm.) Ist das die einzige Einwendung? – Gut: dieser Mann besitzt ein rechtschaffenes Herz, und für das übrige will ich schon sorgen. Geht!
(Weiler und Leopoldine küßen dem Fürsten die Hand) Gnädigster Fürst!
(Klaft. schleicht ab)
Fürst. (zu Weilern) haben Sie besorgt –
Weiler. Ja, Ihro Durchlaucht! Er muß schon da seyn. (geht hinaus.)
Fürst. Nun, meine Kinder! alle so stumm?
[102] Pöll. Es ist stumme Freude, gnädigster Herr! die uns allen die Zunge lähmt; aber in unsern Herzen pocht’s um so lauter.
Amtm. Ihro Durchlaucht sehen Hochdero – treuest – unterthänigst – devotesten Knecht. –
Fürst. Näher! Wie kam er zu seinem gegenwärtigen Dienst?
Amtm. Per Fas & nefas, Ihro Durchlaucht! mit Mühe und Arbeit so zu sagen –
Fürst. Für’s erstere spricht die Verwaltung seines Amts; aber am letztern hab’ ich wichtige Gründe zu zweifeln. Er giebt mir selbst den deutlichsten Beweis, daß er die Gesetze, nach welchen er richten soll, durch seinen Idiotismus eben so verketzert, so wenig er solche im Grunde verstehen mag. Durch falsche Berichte, durch untergeschlagene Accisgelder hat er mich treulos zu hintergehen gesucht, seine Betrügereyen mit dem Namen seines Fürsten gestempelt, um meine Unterthanen durch erdichtete Auflagen zu verderben, und die Gerechtigkeit zur feilen Dirne herabgewürdigt. Er bleibt in seinem Amte suspendirt, bis seine bisherige Verwaltung aufs strengste untersucht worden. Weiler! Sie treten indessen an seine Stelle, bis ich ihre Verdienste besser belohnen, und Ihnen einen Platz bey meiner Regierung anweisen kann. (zum Amtm.) Er kehrt in seine Verwahrung zurück.
Amtm. Durchlauchtigster Fürst! man hat abscheuliche Calumnias wieder mich –
Fürst. Mir aus den Augen.
[103] Amtm. (im abgehen.) Heu! me infelicem! (ab.)
Fürst. Gewissenlose Richter, und saugende Wucherer sind das Verderben des Landes. Sie nagen wie der freßende Wurm so lange an seiner Stammwurzel, bis Wohl und Glück des Staats gleich der dorrenden Pflanze langsam dahin stirbt. Weiler! Sie besorgen nachher meine Aufträge. Ich kehre nun mit leichterm Herzen nach meiner Residenz zurück. Zwar nehm’ ich das Bild des Jammers tief in der Seele mit mir, welches mich stets an meine Unterthanen erinnern soll; aber doch fand ich noch alte teutsche Sitte, noch Redlichkeit und Menschenliebe in euren Hütten. Bleibt mein treues Volk, liebt euren Fürsten, und ihr sollt immer einen guten liebenden Vater an ihm finden. Lebt wohl! (ab; Weiler begleitet ihn.)
Alle rufen) Es lebe der Fürst! es lebe unser Vater!
Pöll. Da steh ich, und weis nicht, wie mir geschah? Hätt’ ich noch ein Schiff, mit allem meinem Haabe wollt’ ichs eher nochmal in Trümmern gehen sehen, und sagen: fahr du zu – was sollst du mir weiter; – als diesen Tag nicht erlebt haben.
Leopold. zu Rösch.) Nun, Liebe? bist du nun wieder ganz ruhig?
Rösch. Nun ich meinen Willhelm wieder habe, ist mir ganz wohl.
Willhelm. Herzensmädchen!
Belt. Und Sie, liebes Mamsellchen! es war [104] mir die sechs Jahre bey ihrem Vater nicht einmal so gut, wie jetzt in dem Augenblick. Ich möcht’ Ihnen gerne so recht vieles sagen – aber, mein Seel! ich kann nicht. Nun sehen Sies, es ist wieder wahr geworden, wie man zu sagen pflegt: für rechtschaffene Kinder sorgt der Himmel.
Leopold. Ich dank Ihnen, edelmüthiger Mann! für ihre warme Theilnehmung. Ich bin Ihre große große Schuldnerinn! Ich möchte so gerne meine Schuld gegen Sie abtragen. Ich will in Hinkunft ihre Tochter heißen; werden Sie mein Vater.
Belt. Edle, schöne Seele!
Liesch. Aber warum ist denn der schöne Herr Fürst schon sobald wieder fort.
Marg. Er hat noch mehr Unglücklichen zu helfen, liebes Kind!
Kant. Wißt ihr was, Mütterchen! lange wirds mit den Beyden da ohnehin nicht mehr werden: ich denke, mit kommenden Frühling geben wir sie zusammen. Ich habe noch einige Thälerchen in Sicherheit liegen – Der Junge hat was gelernt, und für die beyden braven Kinder wird der Himmel schon weiter sorgen.
Margr. Ich bins zufrieden. Nehmt von mir Mutter und Vaterseegen mit euch.
Willhelm und Röschen.) Beste, theuerste Mutter.
Leopold. Und ich besorge die Ausstattung.
Pöll. Und ich bin Brautvater. Nu, wie schön sich das alles ringsherum gruppirt. Das ganze Kränzchen von Redlichen versammelt. Nur fehlt noch ein Menschenfreund.
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Nochmals den Seegen eures Vaters, des besten Fürsten, und hier neue Beweise seiner Huld. – Hier Mutter, und hier Pöll – (giebt jedem eine Rolle mit Gold.) Nur zur Erkenntlichkeit, sagte der wohlthätige Regent! Und die Versorgung dieses jungen Mannes will er selbst über sich nehmen. (auf Wilhelm; – zu Leopoldinen.) Und nun in die Arme der Liebe!
Leopod. Ja, bester! da ruhen Sie nach ihrem großen Tagwerk aus. O Weiler! welch ein Mann sind Sie.
Weiler. Die Hand meiner Leopoldine ist königliche Belohnung.
Pöll. nach einer Pause) „Ein junger Mensch – er hatte frühzeitig seine Aeltern verloren“ – (Weiler giebt ihn einen Wink zu schweigen) Kinder! ihr kennt den würdigen Mann noch nicht, Ich kann, ich darf ihm nicht gerade ins Gesicht sehen. Doch ihr sollt alles noch erfahren. Jezt folgt mir, folgt mir hinaus unter Gottes freyen Himmel, da laßt uns hinknien, und beten für das Leben unsers Fürsten, ihm stammeln unsern Dank und Seegenswünsche für das Wohl seines Volks und seiner Länder; und Morgen mit Sonnenaufgang, wenn ihr an meinem Häuschen vorüber geht, dann sollt ihr mit großen Buchstaben darauf eingegraben lesen: Hier ist die glückliche Schifferhütte.
Fußnote
- ↑ Vorausgesetzt, das der Hund, der diese Rolle übernimmt, dazu gehörig dressirt ist.