Wuth von allen Seiten zugleich hereinstürzte. Ich war in der nicht weit davon entfernten Schiffmühle beym redlichen Müller Weise, und half mit ausräumen – seine älteste Tochter hier ist meine Braut. Wir versahn uns nicht des schnellen heftigen Sturms und des im Augenblick erfolgten Eisbruchs. Wir hörten allenthalben ein jämmerliches Geschrey, ich sprang aus der Mühle, und wollte aufs eiligste nach Hause und nach meinem alten Vater sehen. Kaum war ich am Ufer, so schmetterte die Mühle; ein erbärmliches Schreyen und Rufen um Hülfe hielt mich auf einige Augenblicke wie am Boden gefesselt; mir däuchte, ich hörte unter allen eine durchdringende Stimme, die Stimme meines Röschens: Ich muß sie retten, die unglückliche, die jezt der Strom mit ihrer ganzen Familie vielleicht mit sich fortreißt – ich muß sie retten, dacht ich, und wollte nach, ohne zu sehen, daß keine Möglichkeit mehr war; als mir mein Vater wieder einfiel – fahre denn wohl rief ich, gute Seele! wir finden uns dereinst wieder. – Da stand ich bis über die Knie schon im Waßer, ohne daß ichs selbst gemerkt hatte. Der Zufall führte mir einen losgerissenen Kahn nahe genug, daß ich ihn erreichen konnte; ich sprang hinein, und aus Mangel eines Ruders lenkt ich ihn mit den Händen und dem Hute glücklich nach meines Vaters Wohnung, da traf ich den alten zitternden Greis, mit dem Tode schon ringend, bis an den Leib im Waßer: ich sammelte alle meine Kräfte, faßte den halb erstarrten Mann, und wollte mit ihm nach der Oberstube, als uns beyde die Gewalt der Wellen mit forttrieb. Glücklicherweise erreichte ich noch einen Theil eines zertrümmerten Schiffes, und trieb so den Strom abwärts, bis sich etwa nach drey Viertelstunden, mit Hülfe des Himmels das Stück Schiff,
Franz Philipp Adolph Schouwärt: Die Ueberschwemmung. , Frankfurt am Mayn 1784, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schouw%C3%A4rt_%E2%80%93_Die_Ueberschwemmung_(1784).djvu/98&oldid=- (Version vom 24.10.2016)