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RE:Galli

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Überblick zu den antiken Kelten (von den Römern und Griechen zuweilen Gallier/Galater genannt)
Band VII,1 (1910) S. 610639
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Galli, Gallier, ist die lateinische Bezeichnung des großen Volks, das von den Griechen Kelten (Κελτοί) oder Galater (Γαλάται) genannt wird. Diese drei Namen, Kelten, Galater und Gallier, haben die gleiche Bedeutung und bezeichnen die Gesamtheit der gallischen Stämme. Kelten ist der ältere, zuerst allein herrschende. Nach Alexander d. Gr., seit etwa 300 v. Chr., wird sodann der Name Galater üblich, offenbar nur eine dialektische Variation des älteren; doch bleibt dieser auch weiter in Gebrauch. Beide sind gleichbedeutend, und wenn einige Gelehrte, zu denen Cam. Jullian gehört (Hist. de la Gaule I 316ff.), zwischen Galatern und Kelten einen Unterschied finden wollen, so sind sie im Irrtum. Allerdings können sie sich auf einige jüngere Zeugnisse berufen: Diodor V 32 unterscheidet die Galater als die nördlicheren, wilderen von den südlicheren Kelten, und ähnlich Caesar bell. Gall. I 1 und von ihm abhängig Livius V 34, 1 und Strabon IV 177, wo der Name der Celtae oder Gallier auf den südlichen Teil des linksrheinischen Galliens beschränkt wird. Man wollte damit offenbar in den verschiedenen Namensformen auch einen begrifflichen Unterschied suchen; doch ist dies nichts als eine spätere Klügelei; die ältere Zeit und namentlich Polybios kennt keinen Unterschied zwischen Kelten und Galatern, wie das wichtige Stück gallischer Geschichte bei Polybios II 17ff. zur Genüge zeigt. So heißt das cisalpinische Gallien zugleich Γαλατία und Κελτία (Polyb. II 22, 6. VII 9, 6f.). Ebenso kennen die Römer nur ein gallisches Volk. Bei Sempronius Asellio (frg. 9) liegt Noreia im späteren Noricum in Gallia, und Gallier sind ohne Unterschied sowohl die westlichen wie die östlichen keltischen Stämme, die [611] europäischen wie die asiatischen (z. B. Cic. pro Font. 32. Liv. XXXIII 21, 3. XXXVIII 16. XLII 51, 7. XLIV 26, 2. 28, 7. Plin. n. h. V 146. XXXI 53. XXXIV 84). Die beiden Namen sind also gleichbedeutend. Später machen die klassizistischen Historiker, namentlich Cassius Dio (aber schon früher Joseph. bell. Iud. I 5; ant. XIX 119) insofern einen Unterschied, als sie mit Kelten die Germanen, mit Galatern die linksrheinischen Bewohner der gallischen Provinzen bezeichnen. Dies hat jedoch nur stilistischen Wert (vgl. Ad. Schmid Abh. zur alten Geschichte 74ff. d’Arbois de Jubainville Revue archéol. XXX [1875]

Es versteht sich von selbst, daß eine Nation von der Größe der keltischen in verschiedene Gruppen zerfiel, die in Sprache, Sitte und Lebensbedingungen stark voneinander abwichen. Durch Caesar (bell. Gall. I 1) wissen wir, daß im Norden die Belgen und im Südwesten die Aquitaner ihre besondere Art hatten und von den Stämmen des mittleren Galliens in Dialekt, Sitte und Lebensbedingungen merklich verschieden waren (Strab. IV 176f.). Auch die Aremoriker, die Anwohner des Oceanus, bildeten eine besondere Gruppe (Caes. bell. Gall. V 53, 6; Strab. IV 177. 194 rechnet sie den Belgen zu); vgl. o. Bd. II S. 335. Bd. III S. 203. Aber diese Unterschiede gehen nur auf das spätere, linksrheinische Gallien; wie die übrigen Kelten sich gliederten, ist nicht bekannt, und das gleiche gilt von den Britannern. Die keltischen Stämme erscheinen in der Hauptsache als eine gleichartige Masse, die sich von ihren Nachbarn scharf und bestimmt abhebt. Die Einteilung der heutigen Kelten in gaelische (gridelische) und kymrische Stämme, gaelische in Irland und Schottland, kymrische in Wales und der Bretagne, kann erst am Ende des Altertums begründet sein.

Durch Vermischung der Kelten mit anderen Völkern sind neue, zusammengesetzte Begriffe entstanden, in Spanien die Keltiberer, im südlichen Frankreich an Rhone und Alpen die Κελτολίγυες (Strab. IV 203), nördlich von den Donaumündungen die Κελτοσκύθαι (Strab. I 33. XI 507) und in Asien die Ἑλληνογαλάται oder Gallograeci (Diodor. V 32, 5. Caes. bell. civ. III 4, 5. Liv. XXXVII 8, 4 u. a. St.). Diese Bildungen gehören nur den Grenzgebieten des Keltentums an und haben mit der Gliederung des eigentlichen Volks nichts zu tun.

Zuerst bekannt geworden sind die Kelten im Westen wahrscheinlich durch Vermittlung des 600 v. Chr. gegründeten Massalia. Der erste, der sie erwähnte, war vielleicht Hekataios von Milet (frg. 19. 21). Auch in dem alten von Avienus (ora marit. 133) benützten Periplus werden sie genannt. Bei Herodot (II 33. IV 49) nehmen sie den äußersten Westen Europas ein und wohnen noch über die Säulen des Herakles hinaus. In ihrem Lande entspringt ferner der Istros. Diese Anschauung teilen auch die Späteren: Aristoteles (meteor. I 13 p. 850 b), Ephoros (frg. 38. 43, vgl. Scymn. v. 167ff.) und Eratosthenes (bei Strab. II 116). Man dachte sich den ganzen Westen und Norden Europas bis zu den Skythen hin von den Kelten bewohnt (Diodor. V 25, 4. 32, 1ff.). Dabei darf man nicht vergessen, daß die Gliederung der atlantischen Küsten Europas ganz unbekannt [612] war, und daß man von den Germanen noch nichts wußte, und demgemäß den großen europäischen Norden unter die beiden großen Völker, Skythen und Kelten, verteilte. Erst mit der besseren Kenntnis des Westens und Nordens in römischer Zeit gewann man genauere Anschauungen. Aber die früheren Vorstellungen wirken noch längere Zeit nach; ihnen folgt noch Dionysios von Halikarnass (XIV 1), wenn er Germanien zu einem Teile des keltischen Landes macht, das nach ihm durch den Rhein in zwei Hälften geteilt wird.

Aus diesen älteren Vorstellungen zusammen mit den späteren Nachrichten dürfen wir entnehmen, daß die keltische Nation schon im 5. Jhdt. v. Chr. einen sehr weiten Raum einnahm. Die Kelten wohnen an beiden Seiten der Donau nördlich bis an den Main und den Thüringer Wald, vielleicht auch schon in Böhmen, Mähren und Österreich, sowie in einem Teil der anstoßenden Alpengebiete. Beide Ufer des Rheins und fast das ganze heutige Frankreich gehörten ihnen an, sowie das gegenüberliegende Britannien. Man nimmt ferner mit Wahrscheinlichkeit an, daß sie im heutigen Norddeutschland ostwärts bis an die Weser gereicht haben, einige Gelehrte gehen sogar noch darüber hinaus. Müllenhoff (Deutsche Altertumskunde II 207ff.) kommt auf Grund der Namensforschung zu dem Ergebnis, daß der Harz und der Thüringer Wald einstmals die Ostgrenze der Kelten gegen die Germanen bildete.

Dagegen das südliche Frankreich ist ihnen etwa um 500 v. Chr., zur Zeit, wo unsere erste Kunde beginnt, noch nicht ganz zugefallen. In der Küstenlandschaft westlich der Rhône wohnten damals iberische Stämme, die erst später verdrängt wurden. Noch der sog. Skylax (peripl. 3) kennt hier nur Iberer und Ligurer durcheinander gemischt. Das östliche Rhôneufer von der See bis etwa zur Isère ist noch später meist ligurisch und bleibt so; auf ligurischem Gebiet ist Massalia erbaut worden. Es ist hervorzuheben, daß noch bei Polybios III 37, 9 an der Küste des Mittelländischen Meeres nur die Gegend von Narbo bis zu den Pyrenäen hin keltisch ist. Weiter westwärts hatten sich am Rande der Pyrenäen in Aquitanien noch zur Zeit Caesars viele iberische Bestandteile erhalten, die sich durch Körperbau, Tracht und Sitten von den Kelten unterschieden (Strab. IV 176. 189). Wir können daraus schließen, daß diese Landschaften südlich der Garonne erst später den Kelten zugefallen sind und daß ihre Aneignung weniger vollständig war als anderswo.

Die Kelten sind echte Indogermanen, wir müssen annehmen, daß sie ihre Wohnsitze im westlichen Europa erst durch Wanderung erlangt haben, und dies wird man um so eher glauben, als sie noch in späterer Zeit in lebhafter Bewegung begriffen sind. Auf welchem Wege jedoch, wann und wie sie kamen, wissen wir nicht. Sichere Kunde haben wir erst über die späteren Veränderungen; was vorher liegt, der Ursprang, ist unbekannt. Aber schon die Alten haben darüber ihre Vermutungen angestellt. Man betrachtete die G. einerseits als erdgeborene Autochthonen, als Söhne des Dispater (Caes. bell. Gall. VI 18); dagegen ist nach anderer Erzählung nur ein Teil autochthon, die andern sind von den fernsten Inseln und den transrhenanischen Gebieten [613] gekommen, durch Krieg oder Meeresfluten vertrieben (Ammian. Marc. XV 9, 3). Dann werden sie, wie man es liebte, in verschiedenen Erzählungen an die griechische Sagenpoesie und deren Genealogien angeschlossen. Nach Timaios stammten die Kelten und Galater von Polyphem und Galateia ab, oder nach anderer Version von Galates, einem Sohn Apollons, oder von einem Giganten Keltos (Timaios frg. 37, FHG I 200. Appian. Illyr. 2. Eustath. zu Dion. Perieg. 69. Dionys. Hal. ant. XIV 1). Vor allem beliebt ist die Herleitung von Herakles, der auf seinem Zuge in den Westen Gelegenheit fand, Gallien zu besuchen und dort einen Nachkommen zu hinterlassen, den Galates oder Keltos, oder auch mehrere, oder es sind einige seiner Begleiter, Dorier, als Volksgründer im Lande geblieben (Diodor. V 24. Ammian. Marc. XV 9, 3. 6. Dionys. Hal. a. O. Eustath. zu Dion. Perieg. 283. Parthen. narr. am. 30). Nach andern Erzählungen sind Achäer auf der Heimkehr von Troia oder ausgewanderte Troianer dahin verschlagen worden. Als Troianer betrachteten sich die Haeduer und suchten dadurch ihre Verwandtschaft mit den Römern zu beweisen (Ammian. Marc. XV 9, 5. Lucan. Pharsal. I 428 mit Schol.). An den Rheinmündungen glaubte man die Denkmäler des Odysseus zu finden (Tac. Germ. 3).

Diesen rein poetischen Ursprungsgeschichten lassen sich die Erzählungen anreihen, die von den Wanderungen der Kelten handeln. Als die Kelten in großen Heerzügen in Italien und selbst in Griechenland eindrangen, da wußte man freilich zuerst nicht, woher sie kamen (Plut. Cam. 22); vielleicht ließ man sie, wie später die Kimbern, durch große Fluten vertrieben sein (Clitarch bei Strab. VII 293). Erst später, als man Land und Leute etwas besser kennen lernte, entstand die Wanderungsgeschichte, wonach die Kelten, durch Übervölkerung gezwungen, vom linksrheinischen Gallien aus sich in zwei Zügen über die Donaulandschaft, Italien und die Balkanhalbinsel ergossen. Es gibt davon mehrere Fassungen; alle haben sie den Zweck, den Einbruch der Kelten in Italien und Griechenland auf eine gemeinsame Ursache zurückzuführen, und ziehen teilweise auch die Wanderung der Kimbern mit hinein (Strab. IV 187. Iustin. XX 5, 7. XXIV 4. XXXII 3. Appian. Illyr. 4. Plut. Cam. 15. Dionys. Hal. ant. XIII 10). Sie sind alle erst nach den Kimbernkriegen entstanden und haben daher nicht den Wert wirklicher Überlieferung, sondern müssen als historische Dichtung angesehen werden (vgl. Niese Ztschr. f. deutsch. Altert. XXXII [1898] 133ff.). Eine weitere Abzweigung von derselben Wurzel ist die bekannte Erzählung Caesars (bell. Gall. VI 24), wonach Volcae Tectosages, deren Stamm bei Tolosa wohnte, noch jetzt am hercynischen Walde als Rest dieser Auswanderung wohnten. In noch späterer Zeit ist endlich aus derselben Quelle abgeleitet die berühmte Erzählung des Livius (V 34), wonach der König der Biturigen, Ambigatus, um das übervölkerte Land zu entlasten, seine Schwestersöhne Sigoserus und Bellovesus mit zwei Scharen ausziehen läßt. Der erstere wendet sich zum hercynischen Walde, dem Bellovesus fällt Italien zu, woran sich weiter die Einwanderung der G. in Italien und die Eroberung [614] Roms anschließt. Diese Geschichte setzt Caesars Bellum Gallicum voraus, und stammt entweder von Livius selbst oder einem Zeitgenossen. Sie repräsentiert die allerjüngste Phase der Tradition, und unter keinen Umständen darf man sie etwa, wie es geschehen ist, für eine einheimische, gallische Tradition ansehen.

In all diesen Geschichten haben wir also verhältnismäßig junge, schriftstellerische Gebilde vor uns, keine wirklich historischen Überlieferungen, und so folgt daraus, daß auch die darauf gegründeten Vermutungen älterer oder neuerer Gelehrter keinen Anspruch auf dauernden Wert haben und mit Vorsicht aufzunehmen sind. Immerhin wird es nötig sein, hier wenigstens das Wichtigste davon aufzuführen.

Müllenhoff (Deutsche Altertumskunde II 277ff.) nimmt an, daß die Kelten sich um 400 v. Chr. aus ihren älteren Wohnsitzen östlich vom Rhein, im heutigen Mitteldeutschland, teils über den Rhein ins spätere Gallien, teils nach Osten und Südosten, nach Böhmen, in die Ostalpen und die anschließenden Donaulandschaften gewandt haben. Camille Jullian (Histoire de la Gaule I 227ff. 281ff.) läßt sie von den Küstenlandschaften Norddeutschlands ausgehen und um 600 v. Chr. in mehreren Zügen über den Rhein zunächst ins mittlere Gallien eindringen, um von hier weiter (um 400 v. Chr.) in zwei Zügen einmal Italien, sodann die Donaulandschaften besetzen. Er ist dabei von Livius und seinem Ambigatus ausgegangen; auch die Zeitbestimmung ist daher genommen; den von Livius gegebenen Synchronismus mit der Gründung Massalias (600 v. Chr.) hat er auf die erste Einwanderung der Kelten bezogen. Seine Konstruktion ruht also auf einem ganz unsicheren Grunde. Müllenhoff ist dem Livius gegenüber kritischer; bei ihm spielen aber die Volcae Tectosages Caesars (o. S. 613) eine sehr wichtige Rolle, die ihnen jedoch nach meiner Überzeugung nicht zukommt. Wir müssen uns von den jüngeren Wanderungsgeschichten lossagen und uns lediglich an die älteren Nachrichten halten. Aus ihnen gewinnen wir die Überzeugung, daß die Wanderung der Kelten sich im ganzen in der Richtung von Norden und Osten nach Süden und Westen bewegt hat, daß also die linksrheinischen Kelten des heutigen Galliens über den Rhein eingewandert sind. Mitteldeutschland und namentlich das Donaugebiet muß man zum ältesten Bestände des Keltentums rechnen, wie denn schon Herodot (II 33. IV 49) die Donau bei den Kelten entspringen läßt.

Als Vorgänger der Kelten nimmt man für das heutige Frankreich Ligurer an, die von den Kelten teils vertrieben, teils unterworfen seien. Nach den ältesten zugänglichen Nachrichten, die uns im Periplus des Avienus (ora marit. 132) erhalten sind, glaubt man, daß Ligurer noch im 5. Jhdt. v. Chr. an der atlantischen Küste Frankreichs wohnten. Auch wenn man das Zeugnis Aviens nicht ganz unbedingt gelten läßt, so ist doch die Annahme einer ligurischen Bevölkerung nach Maßgabe der älteren Bevölkerungsverhältnisse in hohem Grade wahrscheinlich, Müllenhoff D. A. I 96. d’Arbois de Jubainville Les premiers habitants de l'Europe I 368ff. C. Jullian Histoire de la Gaule I 110ff. [615]

Ausbreitung der Kelten.

Der Umfang des keltischen Gebiets, wie wir ihn im 5. Jhdt. ungefähr kennen, hat sich in den folgenden Zeiten durch Eroberung noch erheblich vergrößert. Vom Festlande sind die Kelten nach Britannien und Irland übergegangen; doch fehlt es darüber an jeglicher Nachricht. Man nimmt an, daß sie sich in zwei Zügen und zwei Perioden vollzog. Jedenfalls sind die Bewohner der britischen Südküste, wo sich mehrere Stammesnamen des Festlandes wiederholen, erst verhältnismäßig spät hinübergegangen (Caes. bell. Gall. V 12, 1. Hübner o. Bd. III S. 874). In das südliche Frankreich sind die Kelten wahrscheinlich im Laufe des 4. Jhdts. eingerückt; sie besetzten Aquitanien, wo jedoch, wie gesagt, noch beträchtliche Stücke der iberischen Bevölkerung zurückblieben, und drangen bis an die Mittelmeerküste vor, die sie in der Strecke von Narbo bis an die Pyrenäen einnahmen (Polyb. III 37, 9; o. S. 612). Sie zogen aber noch weiter über die Pyrenäen und drängten sich in die mittleren, zum Teil auch in die südlichen und westlichen Landschaften der iberischen Halbinsel ein (C. Jullian Histoire de la Gaule I 305. Müllenhoff D. A. II 237. Kiepert M.-Ber. Akad. Berl. 1864, 146ff. 161f. Philipps S.-Ber. Akad. Wien, Phil.-hist. Kl. 1872, 695ff.; vgl. o. Bd. III S. 1886f. 1892). Nachrichten fehlen darüber zwar gänzlich, aber die Tatsache selbst ist nicht zu bezweifeln, da eine Anzahl Stämme des mittleren Iberiens den Namen der Keltiberer führen, und unter den Stämmen des südlichen Spaniens Kelten genannt werden (Diodor. XXV 9f.); auch die Celtici (Κελτικοί) am Anas (Guadiana) sind vielleicht keltischer Herkunft. Endlich beweisen die zahlreichen spanischen Ortsnamen mit den spezifisch keltischen Endungen dunum, briga usw., daß eine starke keltische Einwanderung stattgefunden hat, die sich wahrscheinlich nicht auf einmal, sondern allmählich vollzog. Jedoch haben sich die Kelten nicht rein erhalten, sondern mit den Iberern vermischt, haben auch, soviel wir wissen, ihre Sprache verloren, so daß die iberische Halbinsel aus der Reihe der rein keltischen Länder ausscheidet. Was die Zeit der Einwanderung anbelangt, so wird dafür das 4. Jhdt. anzunehmen sein. Zur Zeit der Feldzüge Hamilkars um 240 v. Chr. begegnen wir den Kelten bereits im südlichen Spanien (Diodor. XXV 9f.), und auch der Begriff der Keltiberer scheint sich damals schon gebildet zu haben (Polyb. III 17, 2).

Ein viel bekannteres und berühmteres Ereignis ist die Einwanderung der Kelten in Oberitalien, über die wir zum Glück den klassischen Bericht des Polybios (II 17) haben. Er berichtet, daß die Kelten den Etruskern, die in der Poebene wohnten, benachbart waren und mit ihnen in Verkehr standen, daß die schöne Landschaft ihre Begehrlichkeit reizte, daß sie alsdann aus geringem Anlaß einbrachen, die Etrusker vertrieben und sich ihres Landes an beiden Seiten des Po bemächtigten. Da nun die Berührung mit den Etruskern nur im Norden, in der Richtung des Etschtals und des Brennerpasses möglich war, so folgt mit Notwendigkeit, daß die Kelten von Norden her, aus den Donaulandschaften und dem angrenzenden Alpengebiet, in Italien eingewandert sind, nicht von Westen her aus dem heutigen [616] Frankreich, wie nach Livius gewöhnlich angenommen wird. Was uns Livius und seinesgleichen da über die Wanderung und ihre Ursache erzählen, ist, wie schon bemerkt, Fabel. Dazu gehört die bekannte Geschichte von dem Etrusker Aruns oder dem Helvetier Heliko, der die G. über die Alpen lockt (Liv. V 33. Plut. Cam. 15. Plin. n. h. XII 5).

Die G. breiteten sich zu beiden Seiten des Po aus; die wichtigsten Stämme waren auf dem nördlichen Ufer die Laër (Laeri), Lebekier (Libici) Insubrer und Gonomanen oder Genomanen (vulgo Cenomanen. Das anlautende g bezeugen die Hss. bei Polyb. II 17, 4. 24, 7. 32, 4, bei Strab. V 216 und Cinna bei Gell. XIX 13, 5; vgl. o. Bd. III S. 1899, 54), südlich vom Po die Anaren, Bojer, Lingonen (so Liv. V 35, 2, die Hs. bei Polyb. II 17, 7 Αἴγωνες, was vielleicht besser ist) und Senonen. Von Etruskern blieben nur einige Reste zurück, z. B. in Mantua; sie behaupteten sich ferner in den Seestädten, wie Ravenna, im übrigen setzten sich die G. an ihre Stelle. Diese drängten weiter die Umbrer von der adriatischen Küste in den Appennin zurück und müssen auch einen Teil Picenums besetzt haben. Die Etrusker werden also aus Oberitalien verdrängt; dagegen die Veneter behaupteten sich ebenso, wie die ligurischen Stämme am oberen Laufe des Po gegen die Alpen und den Appennin hin in einem großen Teile des heutigen Piemont ihre Wohnsitze behielten (Pauli Altitalische Forschungen I 12ff. 84ff. [Inschrift von Todi]).

Wie sich die Eroberung vollzog, entzieht sich unserer Kenntnis. Cornelius Nepos erzählte, die Insubrer, Boier und Senonen hätten die reiche, uns sonst unbekannte Stadt Melpum an demselben Tage eingenommen, wo Veii den Römern in die Hände fiel (Plin. n. h. III 125). Aber die Nachricht ist nicht zuverlässig, ebensowenig wie die Notizen über die Herkunft einzelner transpadanischer Gaue und Orte bei Plinius n. h. III 123ff. Genug, die G. nahmen die ehemals etruskischen Gebiete Oberitaliens in Besitz und richteten sich nunmehr in dem schönen, fruchtbaren Lande häuslich ein. Iustinus (hist. Phil. XX 5, 8, vgl. Plin. n. h. III 123ff.) bezeichnet die wichtigsten transpadanischen Städte, Mediolanium, Comum, Brixia, Verona, Bergomum, Tridentum und Vicetia als gallische Gründungen. Doch kann selbstverständlich von eigentlichen Städten nicht die Rede sein, sondern nur von dorfähnlichen Ansiedlungen, und solche sind ebenso südlich vom Po entstanden. Bononia (Bologna) war schon vor der römischen Zeit ein gallischer Ort und ebenso wahrscheinlich Mutina. Eine ganze Anzahl solcher gallischer Ansiedlungen sind in die römische Zeit übergegangen und haben ihren Namen bis in die Gegenwart erhalten.

Durch das Eindringen der Kelten in Oberitalien war nun das Land den weiteren Angriffen der nordischen Barbaren geöffnet, die über die Alpen nachrückten und oft in Gemeinschaft mit den cisalpinischen Kelten die italischen Landschaften heimsuchten. Die Nachbarn wurden untertänig gemacht und Kriegszüge in weitere Ferne unternommen. So wandten sie sich, angeblich im Anschluß an die Belagerung Clusiums, gegen Rom, und zwar waren es nach den späteren [617] Berichten Senonische G. (Diodor. XIV 113, 3. Liv. V 35, 3. Strab. V 212. Plin. n. h. III 116), wovon jedoch Polybios nichts weiß. Die Römer wurden mit ihren Bundesgenossen an der Alia geschlagen, Rom außer dem Capitol erobert und sieben Monate lang besetzt gehalten, bis sich die G. gegen Zahlung einer starken Summe Geldes zum Abzuge bequemten (Polyb. II 18. 22, 5). Auf anderen Zügen kamen die G. bis nach Apulien (Diodor. XIV 117, 7) und machten sich allen Italikern furchtbar.

Auf diesem Wege wurden sie nun den Hellenen näher bekannt. Dionysios I. von Sizilien schloß mit ihnen Freundschaft und nahm gallische Söldner in seine Dienste. Er sandte 368 und 367 v. Chr. eine Anzahl den Lakedaimoniern gegen die Thebaner zur Hilfe, und damals sah Hellas zuerst gallische Krieger (Iustin. XX 5, 4f. Xen. hell. VII 1, 20. 31).

Die Zeit des Einbruchs in Italien wird dadurch bestimmt, daß Herodot, der um 430 v. Chr. schreibt, von Kelten in Italien offenbar noch nichts weiß; eine Grenze nach unten bildet die Eroberung Roms durch die G. 387/6 v. Chr., die erst eine geraume Zeit nach dem Einbruch geschehen sein kann, sodaß wir das Ereignis etwa in das letzte Drittel des 5. Jhdts. zu setzen haben. Damit steht im Einklang, daß die Kelten in Oberitalien zuerst bei Skylax peripl. 18 erwähnt werden. Die Zeitbestimmung des Livius, der seinen Belloverus mit den Gründern Massalias (um 600 v. Chr.) zusammentreffen läßt, ist, wie schon Niebuhr erkannt hat, ohne jede Gewähr. Niebuhr selbst setzte das Eindringen der G. in Oberitalien nach Dion. Hal. ant. I 74 auf Olymp. 98, 1 = 388/7 v. Chr., und mit Benützung der oben (S. 616) erwähnten Notiz des Cornelius Nepos die Eroberung Roms sechs Jahre später ins J. 382/1 v. Chr. Obwohl einige neuere Gelehrte, wie G. F. Unger (S.-Ber. Akad. Münch. phil.-hist. Cl. 1875) und Ed. Meyer (Gesch. des Altertums V 153) ihm beipflichten, so beruht doch die Niebubrsche Annahme auf einem Irrtum. Dionysios bezeichnet mit jenem Datum nicht Oberitaliens Eroberung, sondern den Fall Roms.

Niebuhr Röm. Gesch. II 574ff. Schwegler Röm. Gesch. III 234ff. Mommsen Röm. Gesch. I 330ff. Müller-Deecke Die Etrusker I 141ff. Müllenhoff Deutsche Altertumskunde II 247. Cam. Jullian Histoire de la Gaule I 289.

Zur Zeit, wo die Kelten in Italien eindrangen, müssen sie als Nachbarn der Etrusker auch schon in den Alpen gesessen haben und werden nunmehr in dieser Richtung weiter um sich gegriffen haben. Namentlich das Land der Ostalpen, das spätere Noricum, finden wir später von keltischen Stämmen, Tauriskern und andern, eingenommen, ebenso war Pannonien von Kelten durchsetzt, und diese drangen weiter bis an die Grenzen Illyriens vor. Zuerst erscheinen sie zur Zeit Alexanders des Großen. Als dieser 335 v. Chr. an der Donau die Triballer bezwang, besuchte ihn eine Gesandtschaft der Kelten, die über dem Adriatischen Meer wohnten, und schloß mit ihm Freundschaft (Ptolemaios bei Strab. VII 301. Arrian. anab. I 4, 6). Zunächst hatten die Illyrier die Folgen der neuen Nachbarschaft zu spüren; die Kelten überzogen [618] sie mit Krieg (Theopomp. frg. 41, FHG I 284), und die Autariaten, die sich um 310/9 v. Chr. auf die Wanderschaft begaben (Diodor. XX 19, 1), mußten vielleicht vor den Kelten weichen. Einzelne keltische Streifscharen gelangten schon bis nach Thrakien. Kassander soll am Haimos mit ihnen gekämpft haben (Seneca nat. quaest. III 11, 3. Plin. n. h. XXXI 53). Etwas später fällt ein zweiter Zug unter Kambaules, der ebenfalls Thrakien erreichte (Paus. X 19, 5). In großem Umfange wurden diese Raubzüge dann nach dem Tode des Lysimachos und Seleukos (281 v. Chr.) wiederholt, als Makedonien durch die Kämpfe der verschiedenen Prätendenten zerrissen und gelähmt war. Diese Lage machten sich die Kelten zunutze, und vielleicht wurden sie sogar herbeigerufen. 280 v. Chr. erfolgte ein großer Auszug in drei Heerhaufen; der eine unter Kerethrios richtete sich gegen Thrakien, ein zweiter unter Brennos und Akichorios gegen Paionien, der dritte unter Belgios oder Bolgios gegen Makedonien und Illyrien. Belgios fiel in Makedonien ein, schlug und erlegte den makedonischen König Ptolemaios Keraunos (erste Hälfte 280 v. Chr.) und durchzog plündernd das Land. Im nächsten Jahre (279 v. Chr.) folgte ein neuer Zug, gleichfalls in mehreren Abteilungen. Die Hauptmasse wandte sich unter Brennos und Akichorios diesmal gegen Griechenland. Die Gallier fanden die Thermopylen verteidigt und konnten zunächst nicht durchdringen, aber sie umgingen den Paß und zogen jetzt auf Delphi, um das Heiligtum zu plündern. Rechtzeitig kamen indes die Phokier und namentlich Aetoler dem bedrohten Heiligtum zur Hilfe. Die gallischen Angriffe wurden zurückgeschlagen, wobei die beginnende winterliche Jahreszeit den Verteidigern zunutze kam. Die Kelten mußten abziehen, der verwundete Brennos entleibte sich selbst, Akichorios führte das Heer zurück, das unterwegs zum großen Teil aufgerieben sein soll, so daß sich nur ein kleiner Teil rettete (Iustin. XXXII 3. Paus. X 19. Diodor. XXII 9). Vgl. H. van Gelder Galatarum res in Graecia et Asia gestae, Amsterdam 1888. Fr. Stähelin Geschichte der kleinasiatischen Gallier2, Leipzig 1907. J. G. Droysen Gesch. des Hellenismus II 2, 340ff. Niese Gesch. der griech. und maked. Staaten II 12ff.; vgl. Bd. I S. 1167, 47. III 208, 2. 829, 7.

Der Einbruch der Kelten in Griechenland ging rasch vorüber. Makedonien hatte noch in den nächsten Jahren von ihnen zu leiden, ward aber durch die Befestigung des Königtums unter Antigonos Gonatas (seit 276 v. Chr.) von der Plage befreit; Antigonos hat einen ansehnlichen Sieg über sie davongetragen (Iustin. XXV 1, 2ff. Diog. Laert. II 141). Dagegen in Illyrien und Thrake machten sich die Gallier dauernd ansässig. An beiden Ufern der Save ließ sich der große Stamm der Skordisker (oder Skordister) nieder, angeblich ein Rest der von Delphi vertriebenen, der sich unter dem Häuptling Bathanathos zusammengefunden hatte (Athen. VI 234 B. Iustin. XXXII 3, 7). Die früher mächtigen Triballer wurden von ihnen ausgerottet oder vertrieben, und ebenso vermutlich die Autariaten, die sich andere Wohnsitze suchen mußten (Appian. Illyr. 3). Das nördliche Illyrien erlitt durch das Eindringen der [619] Kelten starke Veränderungen und ebenso Thrake. Nachdem diese Landschaft schon 280 v. Chr. überrannt worden war, zweigte sich 279 v. Chr. von dem Heere des Brennos ein Teil unter Leonnorios und Lutarios dahin ab, und ebenso fanden sich andere gallische Scharen, z. B. die von Antigonos Gonatas geschlagenen, dort zusammen (Iustin. XXV 1, 2). Ein Haufe unter Komontorios, Reste aus dem Heere des Brennos, ließ sich dauernd am Haimos nieder und gründeten bei Tylis ein eigenes Staatswesen, wovon sie fortan den Namen der Tylener führen. Sie gewannen die Herrschaft über die benachbarten thrakischen Stämme und beunruhigten die griechischen Küstenstädte, namentlich Byzanz (Polyb. IV 46. Trogus prol. 25).

Nicht nur südlich, sondern auch nördlich der Donau breiten sich die keltischen Stämme aus. Im heutigen Böhmen und Mähren wohnte der große Stamm der Boier und hat von hier zeitweilig seine Herrschaft bis an die Theiß vorgeschoben (Strab. VII 313; vgl. Zeitschr. f. deutsches Altertum XLII (1898) 153ff.). Aber auch nördlich von den Karpathen zogen sich die Kelten bis an die Skythen und an die Donaumündungen heran; aus ihrer Vermischung mit den Skythen gingen die Keltoskythen hervor. Wir kennen hier die Galater aus der berühmten Protogenes-Inschrift (Dittenberger Syll. I2 226 z. 103ff.). Am bekanntesten sind die Bastarner, die zwar auf Grund einiger jüngerer Zeugnisse von Μüllenhoff (D. A. II 104ff.; vgl. o. Bd. III S. 112) für Germanen gehalten werden, aber nach den älteren Zeugnissen für Kelten zu halten sind (Polyb. XXIX 9, 13. Diodor. XXX 19. Liv. XLIV 26). Die G. haben sich also auf beiden Seiten der Donau ausgebreitet; sie bilden zwar keine zusammenhängende Masse und werden namentlich durch die getischen oder dakischen Stämme getrennt; aber sie haben die Illyrier, Thraker und Skythen stark durchsetzt und in einer Reihe von Ortsnamen (wie Singidunum) ihre Spur auf lange Zeit erhalten (vgl. die Erzählung des Anonym. de mulier. 14 in den Scriptores rer. mirab. ed. Westermann p. 218).

Vom Heere des Brennos hatte sich 279 v. Chr. ein Doppelhaufe unter Leonnorios und Lutarios abgezweigt und war an die Propontis gelangt, wo er sich teilte und auf der einen Seite Byzanz und Nachbarschaft bedrängte, auf der anderen den thrakischen Chersones und Lysimacheia eroberte. Der Übergang über die Meerengen nach Asien war den Kelten zunächst verwehrt. Er gelang zuerst dem Leonnorios durch Nikomedes von Bithynien, der Hilfe gegen Antiochos I. brauchte und zusammen mit Byzanz und Herakleia die Kelten in seinen Sold nahm. Die zweite Abteilung unter Lutarios kam gleichfalls über den Hellespont gesetzt, und nun haben diese G., denen andere nachfolgten, zuerst im Dienste des Nikomedes, dann auf eigene Rechnung das Gebiet des Antiochos längere Zeit verwüstet, d. h. die vorderasiatischen Landschaften, mit Einschluß der ionischen Städte, die sich zum Teil aus eigener Kraft schützen mußten. Antiochos I. errang einen Sieg über sie, konnte sie aber nicht vertreiben. Es mußten ihnen von Antiochos dauernde Wohnsitze an beiden Seiten des Halys in Phrygien und Kappadokien eingeräumt werden, und hier errichteten sie nunmehr ein eigenes Gemeinwesen, [620] in drei Stämme geteilt, die Tolostoagier (Tolistoboier) bei Pessinus, die Trokmer bei Ankyra und die Tektosagen bei Tavium. Sie spielen fortan in der Geschichte Vorderasiens eine wichtige Rolle und haben viel dazu beigetragen, daß sich die kleinasiatischen Dynasten und Freistädte gegenüber den Seleukiden die Selbständigkeit erkämpften. Sie waren stets bereit, in fremden Sold zu treten. So griffen sie in den bithynischen Erbfolgestreit ein und haben ferner gegen die Könige des nördlichen Kappadokien (Pontos) wie gegen das pontische Herakleia gelegentlich Krieg geführt (Memnon bei Phot. p. 227 b, 9ff. Liv. XXXVIII 16. Strab. XII 566. Iustin. XXV 2, 8f. Trogus prol. 26. Suid. s. Γαλάται. Paus. X 23, 14. Memnon p. 227b, 9ff. 228b, 15ff., vgl. 230a, 11ff. ed. Bekker. Niese Gesch. d. gr. u. makedon. Staaten II 77ff. Stähelin a. O. 6ff.) Noch mehr stieg ihre Bedeutung im Bruderkriege zwischen Seleukos II. und Antiochos Hierax, wo sie sich auf Seite des letzteren schlugen und um 240 v. Chr. dem Seleukos eine große Niederlage bei Ankyra beibrachten. Damals haben sie nochmals Vorderasien, soweit es zu Seleukos hielt, schwer heimgesucht, bis Attalos von Pergamon, der Bundesgenosse des Seleukos, sie mehrmals schlug und so ihre Übermacht brach (um 230 v. Chr.) (Iustin. XXVII 3, 1. Trog. prol. 37. Liv. XXXVIII 16, 14. Paus. I 25, 2. X 15, 3. Inschr. v. Pergamon I 19. Dittenberger Orient.-Gr. inscr. sel. I 273ff. Niese Gesch. der gr. u. maked. Staaten II 154ff. Stähelin Gesch. d. kleinasischen Galater 18ff.). Zwischen den Pergamenern und den kleinasiatischen G. bestand seitdem Feindschaft, wodurch jedoch nicht ausgeschlossen war, daß auch Attalos sich gelegentlich gallischer Hilfsvölker bediente (Polyb. V 77f. 111).

Um die Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. nehmen also die Kelten ein sehr bedeutendes Gebiet ein und bilden einen wichtigen Bestandteil der antiken Welt. Vor allem sind sie Krieger und sind als solche den Fürsten wie den Freistaaten willkommene Dienstleute. Die makedonischen Könige, wie Antigonos Gonatas und Philipp V., aber auch Pyrrhos nehmen sie in Sold (Plut. Pyrrh. 26. 32. Trogus prol. 26. Polyb. V 3, 2), ebenso die Seleukiden (Polyb. V 53, 8, vgl. II Makkab. 8, 20) und die Ptolemäer (Schol. Kallimach. hymn. IV 175. Polyb. V 65, 10) wie die Pergamener (Polyb. V 77f. 110f.). Wir finden sie in Epeiros (Polyb. II 5, 4) und in Massalia (Polyb. III 41, 9), selbst die Römer haben sie nicht verschmäht (Polyb. II 7, 8). Bekannt ist endlich, daß die Karthager sie seit langem zu beschäftigen pflegten (Polyb. I 17, 4. 67, 7. II 7, 7 u. a. St).

Rückgang der keltischen Macht.

Auf dieser Höhe haben sich die Kelten nicht lange halten können. Sie sind nur eine Nation, kein Staat, und so sind sie stückweise zu Grunde gegangen oder verdrängt. Zuerst geschah es mit den Tylenern, die schon vor Ablauf des Jahrhunderts, nachdem sie unter ihrem Könige Kanaios eine ganz ansehnliche Bedeutung erlangt hatten, um 212/11 v. Chr. von den benachbarten Thrakern vernichtet wurden oder wieder in die Thraker aufgingen (Polyb. VIII 24. Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staaten II 570).

Die entscheidenden Schläge gegen die G. [621] gingen von der erstarkenden römischen Macht aus. Nachdem die G. lange der Schrecken Italiens gewesen waren und noch dreißig Jahre nach der Eroberung Roms ein gallisches Heer, ohne Widerstand zu finden, in Latium eingedrungen war, gelang es zwölf Jahre später (345 v. Chr.) den Römern und ihren Bundesgenossen bei einem neuen gallischen Angriff, die Angreifer zur Umkehr zu zwingen. Vierzehn Jahre später schlossen dann G. und Römer einen Friedens- und Freundschaftsvertrag, der dreißig Jahre bestanden hat. In dem großen Samniterkriege haben die Römer keine Beunruhigung von den G. erfahren (Polyb. II 18). Erst 299 v. Chr. begannen die Feindseligkeiten aufs neue mit einem Raubzuge transalpinischer Scharen ins römische Gebiet. Die G. zogen mit ihrer Beute unbehelligt ab, gerieten aber nachher untereinander in blutigen Zwist. Dann erfolgte während des zweiten Samniterkrieges die Verbindung der G. mit den Samniten und Etruskern zu einem großen Heere in Umbrien. Nachdem die Verbündeten in einem ersten Treffen siegreich gewesen waren, wurden sie in der großen Schlacht bei Sentinum 295 v. Chr. von den Römern entscheidend geschlagen. Zehn Jahre später, 285 v. Chr., zogen die G. über den Appennin und belagerten Arretium, und dieser Angriff hatte einen neuen römischen Krieg zur Folge. Die Römer kamen den Belagerten zur Hilfe, erlitten aber eine Niederlage und verloren viele Gefangene. Wegen dieser Gefangenen schickten sie eine Gesandtschaft ins Land der G., wo man sich aber an den Gesandten vergriff. Sofort schritten die Römer zur Vergeltung und gingen jetzt zum ersten Male angreifeud gegen das gallische Gebiet vor, schlugen und vertrieben die Senonen, den südlichsten der gallischen Stämme, nahmen ihr Land in Besitz, den sog. ager Gallicus, und legten darauf die Kolonie Sena an. Die Boier, die um ihr eigenes Land besorgt wurden, verbündeten sich jetzt mit den Etruskern und zogen mit ihnen auf Rom, wurden aber am See Vadimo in einer großen Schlacht geschlagen und endgültig zurückgeworfen (285 v. Chr.). Nach einer neuen Niederlage mußten sie sich zum Frieden bequemen (284 v. Chr., vgl. Polyb. II 19; die Livianischen Annalen setzen das Ereignis in die Jahre 283 und 282 v. Chr.). Wiederum folgt eine lange Friedenszeit von 45 Jahren, während der ganzen Zeit des Pyrrhischen und des ersten Punischcn Krieges. Erst nachher begannen nun Bewegungen, die wiederum von den Transalpinern ausgingen. Ein gallischer Heerhaufe zog 238 v. Chr. über die Alpen. Da jedoch bei den Boiern Unruhen und Bürgerkriege ausbrachen, so wurde der Zug unterwegs aufgehalten und erreichte nicht das römische Gebiet. Erst einige Jahre später begannen neue schwere Kämpfe, eingeleitet durch die damals (233 v. Chr.) erfolgende Aufteilung des ehemalig senonischen Gebiets an römische Bürger; denn hiedurch glaubten sich die Nachbarn, vornehmlich Boier und Insubrer, mit Vertreibung und Enteignung bedroht und begannen zu einem neuen großen Kriege zu rüsten. Sie boten ihre Nachbarn und Verbündeten auf und nahmen vor allem transalpinische Söldner, die sog. Gaisaten, in ihren Dienst (Polyb. II 22, 1. Oros. IV 13, 5). Auch die Römer boten alles auf und haben bei [622] dieser Gelegenheit die Kontingente der italischen Bundesgenossen genau aufzeichnen lassen.

Erst um 225 v. Chr. waren die Rüstungen der G. fertig. Im Sommer des Jahres kamen die Gaisaten, ein prächtiges, wohlgerüstetes Heer, in Oberitalien an, unter ihren Königen Aneroëstos und Konkolitanos. Mit ihnen vereinigten sich die Taurisker und die oberitalischen G.; nur die Genomanen sowie die Veneter schlossen sich den Römern und Italikern an und hielten einen Teil der gallischen Streitkräfte fest. Mit 50 000 Mann zu Fuß und 20 000 zu Roß und zu Wagen fielen die G. in Etrurien ein, drangen zuerst bis Clusium vor, und brachten dem etruskisch-römischen Aufgebot eine Niederlage bei. Sie beschlossen dann, mit ihrer Beute abzuziehen, wurden aber von den beiden Consuln, die sich gegen sie vereinigten, an der etruskischen Küste bei Telamon in die Mitte genommen und vernichtet. Dieser große Sieg bereitete der gallischen Invasion ein schnelles Ende. Die Römer drangen sogleich verheerend ins boiische Gebiet ein. Im nächsten Jahre (224 v. Chr.) wurde der Angriff erneuert und die Boier zur Unterwerfung genötigt. Die Römer hatten die Absicht, die G. gänzlich zu vertreiben und versuchten daher 223 v. Chr., verbündet mit den Anaren, bei der Mündung der Addua über den Po zu gehen und die Insubrer zu überwältigen. Hier erlitten sie jedoch eine Niederlage und mußten sich durch einen Vertrag mit den G. den Abzug erkaufen. Erst weiter unterhalb bei den befreundeten Genomanen konnten sie übersetzen und brachen mit deren Unterstützung in das Land der Insubrer ein, die nunmehr alle ihre Streitkräfte zum Widerstand auf boten und zur Entscheidungsschlacht die goldenen Feldzeichen aus dem Heiligtume der Athena hervorholten (Polyb. II 32, 6). In überlegener Zahl, etwa 50 000 Mann stark, stellten sie sich den Römern entgegen, konnten aber auch jetzt gegen die bessere Bewaffnung ihrer Gegner nichts ausrichten. Sie wurden wiederum geschlagen und suchten jetzt um Frieden nach. Jedoch auf Betreiben der neuen Consuln wurde das Gesuch abgeschlagen. Die Insubrer boten daher nochmals Gaisaten auf, 30 000 Mann (die in den Triumphalfasten Germani genannt werden, Müllenhoff D. Altertumsk. II 194. CIL I2 p. 47[1] (532), und gingen mit ihnen dem römischen Angriff entgegen, der im Sommer 222 v. Chr. erfolgte. Der Kampf drehte sich um zwei Punkte an beiden Seiten des Po, um Acerrae und Clastidium. Nachdem die G. bei Clastidium durch die römische Reiterei unter M. Marcellus eine Niederlage erlitten, gaben sie Acerrae auf und zogen sich auf ihren Hauptort Mediolanium zurück. Aber auch dieses große befestigte Dorf wurde von dem Consul Cn. Cornelius erobert und damit der Krieg beendet. Die Insubrer mußten sich ergeben, einige Teile ihres Landes abtreten, Geiseln stellen und wahrscheinlich auch starke Kontributionen zahlen. Näheres über die Bedingungen ihrer Unterwerfung ist nicht bekannt.

Wenn es also auch den Römern nicht gelungen war, die oberitalischen G. zu vertreiben, so waren doch die wichtigsten Stämme, Boier und Insubrer, unterworfen, die andern verbündet und abhängig. Die Boier mußten große Stücke ihres Landes hergeben, auf denen sich alsbald römische Kolonisten [623] ansiedelten, namentlich in Mutina und Umgegend. Am Po, an beiden Seiten des Flusses, sollten zwei stärkere Festungen, Placentia an der Südseite, an der Nordseite Cremona, gegründet werden (Polyb. III 40).

Indes der zweite Punische Krieg und Hannibals Angriff auf Italien gaben den G. wieder die Freiheit. Noch im Winter 219/8 v. Chr. schlossen die karthagischen Abgesandten mit den Insubrern und Boiern ein Einverständnis ab, und schon im Frühjahr 218 v. Chr., ehe Hannibal in Italien erschien, erhoben sich die Boier, vertrieben die römischen Kolonisten und schlugen die herbeieilenden römischen Truppen. Den Karthagern schickten die G. ortskundige Führer entgegen und bereiteten ihnen den Durchzug durch die Alpen (Polyb. III 44, 5). Als dann Hannibal eintraf und seine ersten Erfolge errungen hatte, traten die oberitalischen G. fast ganz auf seine Seite (z. B. Polyb. III 67, 1. 75, 2. 78, 5) und unterstützten ihn mit Mannschaften und allem Nötigen. Zahlreiche Kelten begleiteten ihn auf seinem Zuge nach Italien. Ebenso haben sie später seinen Bruder Hasdrubel unterstützt, als er 207 v. Chr. in Oberitalien ankam, und später den Mago (Polyb. XI 3). An eine Wiedergewinnung der gallischen Mark konnten die Römer während des ganzen Krieges nicht denken. Eine Legion, die 216 v. Chr. dorthin ging, wurde bald nach der Schlacht bei Cannae von den G. vernichtet (Polyb. III 106, 6). Im übrigen fehlt es an Nachrichten. Es scheint, daß nur Placentia und Cremona, die beim Ausbruch des Hannibalischen Krieges rasch gegründet waren, in römischen Händen blieben. Erst nach dem Ende des großen Krieges ging man an die neue Unterwerfung. Den Anlaß gab ein unerwarteter gallischer Angriff 198 v. Chr. (Polyb. XVIII 11f.; nach Liv. XXXI 2, 5 ist der Angriff schon 201 v. Chr. erfolgt, und es ist möglich, daß schon damals in Gallien Unruhen entstanden sind; vgl. Polyb. XVI 40, 4. 7). Beide Consuln gingen 197 v. Chr. nach Gallien ab, und nun beginnt die endliche Unterwerfung der Polandschaft, die freilich nicht mehr so gewaltige Kämpfe erforderte wie früher. Leider sind unsere Nachrichten, meist Livius und der gleichwertige Cassius Dio, von einer so dichten Wolke von Erdichtungen eingehüllt, daß wir den Verlauf der Ereignisse nur in den äußern Umrissen und aus den Wirkungen zu erkennen vermögen. Ein Teil der G. war den Römern offenbar verbündet geblieben oder hat ihnen wenigstens keinen erheblichen Widerstand geleistet, und die Römer scheinen ihnen günstige oder doch erträgliche Bedingungen gestellt zu haben. Dazu gehören vor allem die seit langer Zeit befreundeten Genomanen, die fortan mit den Römern ein festes Vertragsverhältnis (foedus) eingehen, und das gleiche ist von den Insubrern bezeugt (Cic. pro Balbo § 32), die sich schon 196 v. Chr. unterwarfen. Nur die Boier machten schwerere Arbeit. Die Römer beschlossen sie auszurotten, und demgemäß war auch ihr Widerstand kräftiger. Erst 191 v. Chr. war der Krieg mit ihnen zu Ende. Sie wurden teils ausgerottet, teils vertrieben; die Vertriebenen wanderten nach Norden aus und ließen sich zu ihren Stammesgenossen im heutigen Böhmen nieder [624] (Strab. V 213. Polyb. II 35, 4. Zeitschrift f. deutsch. Altert. XLII [1898] 149). Nur wenige gallische Reste blieben südlich vom Po übrig; dauernd haben sich jedoch manche Ortsnamen erhalten und der Name Gallia. Im übrigen verschwanden hier die G. sehr bald und machten den römischen und latinischen Kolonisten Platz, die sich zunächst in der heutigen Romagna und Emilia in großer Zahl niederließen. Aber auch nördlich vom Po dringen sehr rasch lateinische Kultur und Bevölkerung ein; schon zur Zeit des Polybios (um 150 v. Chr.) sind die G. bis an den Fuß des Gebirges hinaufgedrängt (Polyb. II 35, 4).

Über die weitere, übrigens mit den benachbarten Venetern und Ligurern gemeinsame Entwicklung der gallischen Landschaft sind wir nicht unterrichtet. Es bildeten sich hier eine Anzahl städtischer Ansiedlungen (s. o. S. 616), die sehr rasch latinisiert wurden. Sie wurden nach dem Bundesgenossenkriege durch die Lex Pompeia 89 v. Chr. zu selbständigen Gemeinden latinischen Rechtes; die noch vorhandenen gallischen Stämme wurden diesen Gemeinden attribuiert (Ascon. in Pison. 3. Plin. n. h. III 138). Die Nachbarschaft der Alpen und Alpenstämme bewirkte ferner, daß durch Sulla das ehemalig gallische Gebiet als Gallia cisalpina zu einer besonderen Provinz wurde. Nachdem aber die Transpadaner durch Caesar schon 49 v. Chr. das volle römische Bürgerrecht erworben hatten, hörte 42 v. Chr. die Provinz auf, und das ganze Gebiet wurde zu Italien gezogen und von Augustus in die Regioneneinteilung mit einbegriffen. Marquardt Römische St.-V. I2 62.

Transalpiner.

Die Hauptmasse der Kelten, das große transalpinische Gallien, blieb noch lange unberührt und im vollen Besitz seiner Macht und seines Umfanges. Einzelne römische Vorstöße nordwärts gegen die Alpenlandschaften hatten keine Bedeutung. Die römische Republik hatte in dieser Richtung keine erobernden Absichten (vgl. was Polybios bei Strab. IV 208 über die Teilnahme der Italiker an dem Bergbau der Taurisker berichtet). Der Kampf gegen die Transalpiner ist nicht von Italien, sondern von Massalia ausgegangen. Seit 125 v. Chr. hatten die Römer zum Schutze der Massalioten gegen die ligurischen Sallyer und ihre Nachbarn Krieg zu führen, und dieser Krieg gab ihnen zuerst Gelegenheit, ihre Herrschaft im jenseitigen Gallien aufzurichten. In den westlichen und südwestlichen Teilen des gallischen Gebietes, also im heutigen Südfrankreich, hatte damals der Stamm der Arverner unter dem Könige Luerios und seinem Sohne Bituitos eine vorwaltende Stellung; seine Klientel oder Bundesgenossenschaft dehnte sich von den Pyrenäen bis an den Oceanus und nach der andern Seite bis an den Rhein aus (Strab. IV 191), woraus folgt, daß die Sequaner, die an den Rhein grenzten, zur Klientel der Arverner gehörten, ebenso wie die Allobroger. Ihnen gegenüber stand eine andere Gruppe von Stämmen, deren Haupt die Aeduer waren. Es geschah nun, daß der von den Römern vertriebene Fürst der Sallyer bei den Allobrogern Aufnahme und Schutz fand; seine Auslieferung wurde verweigert, und dadurch wurden die Allobroger und mit ihnen Bituitos in den Krieg hineingezogen. [625] Sie wurden in zwei Schlachten besiegt, von Cn. Domitius bei Vindalium und von Q. Fabius Maximus an der Isara. Die Allobroger mußten sich unterwerfen. Bituitos geriet im weiteren Verlauf der Ereignisse in römische Gefangenschaft (vgl. Bd. III S. 546, 68). Auf der andern Seite schlossen sich die Aeduer eng an die Römer an und nannten sich ihre Brüder und Verwandte. Das Ergebnis des Krieges war, daß das Land an beiden Seiten der Rhône, an der einen Seite durch die Cevennen begrenzt, an der andern durch die Alpen und den Genfer See, dazu Tolossa, römische Provinz wurde (120 v. Chr.). Es waren hauptsächlich die Stämme der Allobroger und Volcae. Von der bald darnach (118 oder 117 v. Chr.) gegründeten Kolonie Narbo erhielt dann die Provinz den Namen der Narbonensis.

Der Besitz der neuen Provinz wurde jedoch in Frage gestellt durch die Wanderungen der Kimbern und ihrer Bundesgenossen, die 111 v. Chr. den Rhein überschritten und zunächst mehrere Jahre im linksrheinischen Gallien hausten, ohne daß wir Näheres davon wüßten. Die Einmischung der Römer brachte sie zum Angriff auf die Provinz, die sie durch den großen Sieg bei Arausio in ihre Gewalt brachten. Erst durch Marius und seine Gehilfen wurde sie wieder zurückerobert (Plut. Sull. 4), und zuletzt haben die Schlachten bei Aquae Sextiae (102 v. Chr.) und auf den raudischen Feldern die Provinz dauernd gesichert (Bd. III S. 2548). Die Römer drangen sehr rasch in die neue Provinz ein, beuteten sie aus und bereiteten die Latinisierung vor (Cic. p. Font. § 11).

Bald darnach gehen im Gebiete der Donaukelten große Veränderungen vor sich, die wahrscheinlich mit der kimbrischen Wanderung irgendwie zusammenhängen. Damals, zur Zeit der kimbrischen Wanderung, finden wir im heutigen Süddeutschland nördlich der Donau zwei große keltische Stammesgruppen. Zwischen dem hercynischen Walde, Main und Rhein, also etwa im heutigen Baden, Württemberg und dem nordwestlichen Baiern saßen die Helvetier, die sich in vier Gaue teilten, deren bekannteste die Tiguriner und Toygoner (oder Teutonen) sind (Caes. bell. Gall. I 12, 4. Strab. VII 293f. Tacit. German. 28). Östlich von ihnen im heutigen Böhmen und Mähren wohnten die Boier, verstärkt, wie schon erwähnt (o. S. 622), durch die aus Oberitalien vertriebenen. Sie müssen südwärts bis an die Donau gereicht haben, ostwärts zeitweilig bis an die Theiß, und haben vielleicht auch Teile des heutigen Pannonien beherrscht. Ihre Herrschaft oder Klientel setzte sich wahrscheinlich aus einer Anzahl kleinerer Stämme zusammen. Ihnen gegenüber ist am südlichen Donauufer der Stamm der Taurisker (oder Teuristen) im spätern Noricum der größte und bekannteste. Neben ihnen gab es aber noch andere kleinere wie die Karnen (in Kärnten) und andere. Hier schließen sich ihnen die schon erwähnten Skordisker an und die halb illyrischen halb keltischen Iaparden.

In diese zusammenhängende keltische Masse ward ein Riß gemacht durch die Auswanderung der Helvetier, die über den Rhein gingen und sich in der heutigen Westschweiz am linken Rheinufer niederließen. Wer vor ihnen da wohnte, wissen wir nicht. Man könnte vielleicht, wenn [626] auch mit allem Vorbehalt, an die Ardyes des Polybios III 47, 3 denken, in denen manche mit Unrecht die Aeduer sehen wollen. Die Auswanderung der Helvetier muß zwischen 100 und 70 v. Chr. liegen. Ihre Ursache ist unbekannt; die Vermutung, daß sie von den Germanen gedrängt wurden, trifft vielleicht das Richtige. Jedenfalls hat ihre Auswanderung die Folge, daß germanische Stämme, Sueben, in ihre früheren Wohnsitze, ins heutige Süddeutschland, einzogen.

Von einer ganz anderen Seite ging eine zweite Veränderung aus. Sie hängt mit dem Aufschwung der getischen Macht zusammen, der mit Byrebistas um 80 v. Chr. begann. Die Geten waren den Boiern benachbart und haben mit ihnen schon früher manchen Strauß ausgefochten. Wahrscheinlich zwischen 63 und 60 v. Chr. erlangten sodann die Geten unter Byrebistas das Übergewicht. Die Boier und Taurisker wurden von den Geten vernichtet und zum großen Teil ausgerottet, wobei wahrscheinlich auch die benachbarten Germanen, die Markomanen, mit geholfen haben. Ein Rest der Boier rettete sich zuerst nach Noricum und fand später bei den Helvetiern Zuflucht, mit denen zusammen sie von neuem auf die Wanderschaft gingen; durch Caesar wurden sie dann neben den Aeduern angesiedelt und haben dort eine dauernde Stätte gefunden. Vgl. Niese Zeitschr. f. deutsches Alt. XLII (1898) 154ff. Strab. V 213. VII 304. 313. Caes. bell. Gall. I 5, 4. 28, 5ff. So sind also die großen keltischen Stämme der Donaulandschaften und der Ostalpen verschwunden bis auf einige Reste, die in den Alpen, auch in Pannonien und auch nördlich der Donau (z. B. die Cotini, Tacit. Germ. 43) sich noch einige Zeit hielten. Es blieben auch die Skordisker, die sich noch lange bemerklich machten. Sie scheinen mit den Geten gegen ihre Stammesgenossen gemeinsame Sache gemacht zu haben (Strab. VII 313). Endlich haben sich auch die mit den Geten befreundeten Bastarner noch lange auf dem vorgeschobenen Posten nördlich und östlich von den Karpathen behauptet. Erst ihre Verpflanzung nach Thrakien durch Kaiser Probus hat ihrem Volkstum ein Ende gemacht (Hist. Aug. 18. Zosim. I 71).

Vielleicht um dieselbe Zeit, wo die Helvetier ihre alten Wohnsitze verließen, vielleicht auch früher (denn eine Überlieferung gibt es darüber nicht), müssen die am rechten Ufer des Unter- und Mittelrheins wohnhaften Kelten ihr Land an die Germanen verloren haben, die zur Zeit der Ankunft Caesars das ganze rechte Rheinufer innehaben und im Begriffe stehen, auf das linke überzugeben. Also nicht mehr die Weser und der hercynische Wald, sondern der Rhein ist gegen Osten die Grenze des zusammenhängenden keltischen Gebietes geworden, auf das nunmehr der Name Gallia angewandt wird.

Dieses Gallien ward nun bald darnach von Caesar und den Römern unterworfen. Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte dieser Unterwerfung zu schreiben; nur die Grundzüge der Ereignisse sollen hier in Kürze gegeben werden; vgl. Napoléon III Histoire de Jules César, Paris 1866. T. Rice Holmes Cesars conquest of Gaul, London 1899.

Als Caesar in seine Provinz kam, fand er, [627] ähnlich wie es zur Zeit des allobrogischen Krieges gewesen war, die Stämme, wenigstens des mittleren Galliens, in zwei große Fraktionen geteilt, an deren Spitze die Aeduer und die Sequaner standen, welch letztere offenbar an Stelle der Arverner getreten sind. Die Sequaner hatten gegen ihre Widersacher den Suebenfürsten Ariovistus zur Hilfe gerufen und ihn mit seinen Kriegsscharen (etwa 72 v. Chr.) im heutigen Elsaß angesiedelt; sie hatten mit seiner Hilfe die Aeduer besiegt und zum Frieden gezwungen (60 v. Chr.). Die Römer, die um dieselbe Zeit in der Provinz einen Aufstand der Allobroger zu überwinden hatten (61 v. Chr.), erkannten diesen Zustand an. Eine neue Veränderung stand durch die Auswanderung der Helvetier bevor, die sich anschickten, mit den Resten der vertriebenen Boier ihr Land, das ihnen anscheinend zu eng ward, wieder zu verlassen und sich im westlichen Gallien anzusiedeln. Dies ward für Caesar der Anlaß, in das freie Gallien einzudringen. Er verlegte den auswandernden Helvetiern den Weg durch die Provinz, und als sie jetzt durch das Land der Sequaner und Aeduer zogen, eilte er, wahrscheinlich im Einverständnis mit den Aeduern, ihnen nach, holte sie ein, schlug sie und zwang sie, in ihre früheren Wohnsitze zurückzukehren. Darnach wandte er sich gegen Ariovistus und vertrieb ihn nach einer siegreichen Schlacht, die im heutigen Elsaß, nicht weit vom Rheine geschlagen ward (58 v. Chr.); vgl. o. Bd. II S. 842f. Die Stämme des mittleren Galliens traten nunmehr in das römische Bündnis und begaben sich damit in die Abhängigkeit von Rom. Jedoch die nördlichen Stämme, Belgen und Aremoriker wollten sich noch nicht fügen. Sie wurden mit Einschluß der Aquitaner in den nächsten beiden Jahren (57 und 56 v. Chr.) größtenteils unterworfen, und zwar mit tätiger Unterstützung der verbündeten gallischen Stämme. In Rom wurden schon die Anstalten zur Errichtung der neuen gallischen Provinz getroffen. Caesar konnte im nächsten Jahre über den Rhein gegen die Germanen ziehen und die erste Fahrt nach Britannien unternehmen, die er im nächsten Jahre (54 v. Chr.) wiederholte. Allein so leicht war das Land nicht zu unterwerfen. Die Gallier waren durch die römische Herrschaft, ihre Eingriffe in die Autonomie der Stämme und ihre ungewohnten Lasten stark gedrückt, und schon Ende 54 v. Chr. entstanden zunächst bei den belgischen Stämmen und den Treverern verschiedene Aufstände, die Anfang 52 v. Chr. in eine allgemeine Empörung übergingen, der sich nun auch die mittleren gallischen Stämme anschlossen; an der Spitze stand der Arverner Vercingetorix. Durch eine Niederlage, die Caesar vor Gergovia erlitt, als er den Vercingetorix dort belagerte, breitete sich die Empörung weiter aus; auch die Aeduer sagten sich von den Römern los. Fast alle gallischen Stämme vereinigten sich und wählten den Vercingetorix zum Führer. Caesar befand sich in einer sehr gefährlichen Lage, allein es gelang ihm, alle seine Truppen zu vereinigen und den Vercingetorix zu schlagen. Dieser zog sich in das feste Alesia (Alise-Ste. Reine, s. o. Bd. I S. 1367, 46) zurück, wo er längere Zeit belagert ward und sich ergeben mußte, nachdem ein von den Aufständischen zusammengebrachtes [628] Entsatzheer besiegt worden war (52 v. Chr.). Diesen Unglücksfällen gegenüber erwies sich der Zusammenhang der gallischen Stämme nicht stark genug, die überdies durch gegenseitige Eifersucht und altererbte Abneigung voneinander, getrennt wurden. Das Bündnis fiel auseinander und die einzelnen Stämme unterwarfen sich einer nach dem andern, wobei der Sieger möglichst entgegen kam. Nur wenige, wie die Bellovaker und die Kadurker, haben hartnäckigeren Widerstand geleistet, zuletzt fiel Uxellodunum im Lande der Kadurker (51 v. Chr.). Nunmehr ward das ganze Land, mit einigen Ausnahmen, beruhigt und fügte sich der römischen Herrschaft.

Es ist sehr bedauerlich, daß wir über die Einrichtungen, die Caesar traf, von ihm nichts hören. Als sicher ist anzusehen, daß das Verhältnis vieler gallischen Stämme zu Rom durch ein foedus bestimmt war, die G. also als föderiert anzusehen sind (Cic. p. Balb. 32. Tac. hist. IV 67. Ammian. Marc. XV 12, 5. Plin. n. h. IV 106. 107). Die Bündnisse werden nach der Vertreibung des Ariovistus oder bei der Unterwerfung abgeschlossen und nach dem großen Aufstande meist bestätigt worden sein. Außerdem hören wir, daß Caesar dem ganzen Gallien, das er unterworfen hatte, eine Abgabe in der Höhe von 40 Millionen Sesterzien, reichlich sieben Millionen Mark (Suet. Iul. 25), also nicht sehr viel, auferlegte. Im übrigen konnte die Ordnung der Provinz begreiflicherweise nicht in herkömmlicher Weise vollzogen werden, da der Bürgerkrieg dazwischen trat. Caesars Anordnungen sind nur vorläufig getroffen. Wir sehen dabei, daß er den G. möglichst entgegenkam; er hat viele mit dem römischen Bürgerrecht beschenkt oder auf andere Weise zu gewinnen gesucht, und mit gutem Grund; denn auf Galliens Hilfsmitteln beruhte namentlich anfangs seine Macht und Überlegenheit, wie sich besonders im Spanischen Kriege zeigte. Die gallischen Hilfstruppen und Hilfsmittel haben ihm die besten Dienste geleistet. Und es ist ihm gelungen, die Provinz bei seiner Sache zu halten. Nur einmal hören wir von einem Aufstande, der auch sonst unruhigen Bellovaker, den der Legat D. Brutus niederschlug (Liv. per. 114). Sonst ist während des Bürgerkrieges kein Versuch einer Erhebung gemacht worden. Ohne Zweifel haben wir darin die Wirkung einer klugen Milde zu sehen, mit der die G. behandelt wurden. Außerdem wissen wir, daß Caesar vornehme Leute aus allen Stämmen mit sich in den Krieg nahm und in ihnen Geiseln für die Treue ihrer Landsleute besaß (Caes. bell. civ. I 39, 2).

Schon Caesar hat die narbonensische Provinz von den neu erworbenen Landschaften, den sog. Gallia comata, getrennt. Lepidus verwaltete die Narbonensis zusammen mit dem diesseitigen Spanien. Jedoch nach der Schlacht bei Philippi (42 v. Chr.) ward sie wieder mit der comata vereinigt und dem Antonius übergeben, aber während des Perusinischen Krieges gingen die vereinigten Provinzen auf Octavianus über, was im foedus Brundisinum (40 v. Chr.) bestätigt ward. Seitdem stehen die gallischen Provinzen unter Octavians Verwaltung. Ihre Ruhe blieb im ganzen und großen ungestört; die Befürchtungen eines gallischen Aufstandes nach Caesars Ermordung [629] gingen nicht in Erfüllung (Cic. ad Att. XIV 1, 1. 4, 1). Wohl aber ist es in einzelnen Teilen zu nicht unbedeutenden Aufständen gekommen, namentlich an der Rheingrenze und in Aquitanien, wo die Nachbarschaft der Germanen und der noch unbezwungenen spanischen Völkerschaften leicht zur Empörung reizte. M. Agrippa hat 38 v. Chr. an beiden Stellen siegreich gekämpft und damals die germanischen Ubier auf das linke, gallische Rheinufer verpflanzt. Nonius Gallus hat 30 v. Chr. die Treverer besiegt, C. Carrinas 29 v. Chr. die Moriner, die nördlichsten G., M. Valerius Messalla Corvinus hat 28 v. Chr. seinen bekannten Sieg über die Aquitanier erfochten. Keineswegs war die Ruhe in ganz Gallien hergestellt, aber gefährliche, allgemeinere Ausdehnung hat keiner dieser Aufstände gewonnen.

Nach der Einrichtung des Principats (28/7 v. Chr.) erfolgte bald eine gründliche Neuordnung der gallischen Provinzen. Augustus war dreimal persönlich dort anwesend, 27, 16–13 und 8 v. Chr. Die Hauptsache ist wahrscheinlich bei der zweiten, längeren Anwesenheit des Kaisers geschehen (Cass. Dio LIV 21); aber auch Agrippa hat daran mitgewirkt; während seines Kommandos (20–19 v. Chr.) hat er namentlich eine Anzahl großer Heerstraßen bauen lassen. Die narbonensische Provinz ward schon 22 v. Chr. von der comata dauernd losgelöst und dem Senat übergeben; sie nimmt fortan eine ganz besondere Entwicklung. Was die comata anlangt, so wurden die Ordnungen Caesars von Augustus stark verändert, vor allem ward ein neues Steuersystem eingeführt (Cass. Dio LIII 22, 5) und die Abgaben beträchtlich erhöht, nicht zur Freude der G., die längere Zeit brauchten, um sich an den neuen Zustand zu gewöhnen. Das große Land ward ferner in drei Provinzen geteilt (tres Galliae), die Lugdunensis, Belgica und Aquitania und an drei Legaten verteilt (Strab. IV 177). Die G. behielten ihre Verfassung, ihre Gliederung in Stämme (civitates), deren man 64 zählte, sie behielten auch ihr altes Wegemaß, die leuga, und bildeten trotz der Teilung in drei Provinzen dennoch eine Einheit. Auch die Steuerverfassung war gemeinsam und gegen das übrige Reich waren sie durch eine Zollgrenze abgeschlossen, an der eine fünfprozentige Steuer, die vicesima Galliarum, erhoben ward. Deutlicher noch spricht sich die Einheit in dem gemeinsamen Gottesdienste aus, dem Kulte der Roma und des Augustus, der bei Lugudunum (Lyon) 12 v. Chr. von Drusus eingerichtet ward (Cass. Dio LIV 32, 1). Endlich unterstanden die drei Provinzen zunächst noch dem gemeinsamen militärischen Oberbefehl des Befehlshabers der Legionen, die am Rheine standen. Es war ein wichtiges Kommando, das meist in die Hände naher Verwandter des kaiserlichen Hauses gelegt ward. M. Agrippa, Drusus und Tiberius haben es geführt. Außer den drei Gallien umfaßte es auch die unterworfenen Teile Germaniens. Jedoch hat dieses einheitliche Oberkommando nur bis zu den ersten Jahren des Tiberius gedauert. Der letzte Inhaber war Germanicus; mit seiner Abberufung 18 n. Chr. verschwand es. Das militärische Kommando ward jetzt abgezweigt und zugleich geteilt. Die den Standlagern der Legionen benachbarten Gegenden [630] wurden unter dem Namen Germania inferior und superior von den übrigen gallischen Provinzen geteilt und dem Befehlshaber der Truppen unterstellt, jedoch in Hinsicht der Steuern und der Verfassung auch fernerhin den drei Gallien zugerechnet. In dieser Gestalt haben die gallischen Provinzen fortan ihr Leben unter der römischen Herrschaft geführt. Marquardt R. St.-V. I2 261ff. O. Hirschfeld Klio VIII 464ff. Fustel de Coulanges Histoire des institutions politiques de l’ancienne France, revue par C. Jullian, vol. I.

Zum Schluß seien noch die weitern Schicksale der kleinasiatischen G. erwähnt. Auch für sie ist das Eingreifen der Römer bestimmend gewesen. Sie standen im Kriege der Römer gegen Antiochos auf seiten des Königs, haben als seine Hilfsvölker das pergamenische Gebiet nochmals verheert und sind in der Schlacht bei Magnesia mit ihm geschlagen worden (Liv. XXXVII 18, 7. 40, 5. 13). Daher zog im nächsten Jahre Cn. Manlius wider sie zu Felde, suchte sie in ihrem Lande auf, schlug sie zweimal und zwang sie zur Unterwerfung (Liv. XXXVIII 12ff.). Sie wurden mit in den allgemeinen Friedenschluß aufgenommen und mußten versprechen, sich in ihren Grenzen zu halten. Dem Pergamener Eumenes ward ein gewisses Protektorat über sie zu teil (Liv. XXXVIII 40). Dadurch geschah es, daß Pergamon in die inneren Streitigkeiten des Landes verwickelt ward, die sich seitdem bemerklich machen. Schon 184 v. Chr. brach in Galatien ein Aufstand los, und auch der Krieg, den Eumenes mit Pharnakes zu führen hatte (183–180 v. Chr.), hatte vielleicht seine Wurzeln in Galatien. Die Pergamener hatten viele Feinde im Lande, und so kam es gleich nach der Schlacht bei Pydna (168 v. Chr.) zu einem neuen gefährlichen Aufstande. Die Galater brachen unvermutet verheerend ins Pergamenische ein, und durch das Übelwollen der Römer ward die Lage des Eumenes noch verschlimmert. Gleichwohl gelang es diesem, die Galater zu besiegen (166 v. Chr.), aber die Römer hinderten eine vollständige Unterwerfung. Die Galater wurden unabhängig; doch behielten die pergamenischen Fürsten im Lande noch Besitz und Einfluß (vgl. die Briefe des Attalos II. an den Priester von Pessinus bei Dittenberger Or. Gr. Inscr. Sel. I 315). Nach dem Ende des pergamenischen Königreichs ging auch dies verloren. Die Galater sind autonome Bundesgenossen Roms. Aber es fehlt an Nachrichten über sie; diese beginnen erst wieder mit der Zeit des ersten Mithridatischen Krieges, der die Galater in erster Reihe in Mitleidenschaft zog. Mithridates VI. unterwarf sie, mußte sie aber im Frieden von Dardanos wieder freigeben. Kurz zuvor hatte er in Pergamon eine Anzahl ihrer Fürsten, Tetrarchen, aus Mißtrauen hinrichten lassen (Appian. Mithr. 46. Plut. mul. virt. 23). Zum zweitenmal wurden sie gleich zu Anfang des dritten Mithridatischen Krieges unterworfen, wußten sich aber schon 73 v. Chr. der Fremdherrschaft wieder zu entledigen. Seitdem sind sie erst dem Lucullus, später dem Pompeius ergebene und nützliche Bundesgenossen. Nach dem Ende des Krieges (63 v. Chr.) hat Pompeius Galatien neu geordnet, die alte Verfassung abgeschafft [631] und das Land nach den drei Stämmen in drei Fürstentümer geteilt. Dieser Zustand dauerte jedoch nicht lange. Einer der Tetrarchen, Deiotaros (s. o. Bd. IV S. 2401), wußte die übrigen zu verdrängen und sich das ganze anzueignen. Die Zeit des Ereignisses ist unter den Gelehrten streitig, wahrscheinlich geschah es während des Caesarianischen Bürgerkrieges. Caesar hat nach seinem Siege diesen Raub zum Teil bestätigt: Deiotaros behielt zwei Drittel, das letzte, den Stamm der Trokmer, erhielt einer der Anhänger Caesars, Mithridates von Pergamon. Als jedoch dieser sein Ende fand und bald darnach auch Caesar ermordet ward, konnte Deiotaros, unter Benutzung der damaligen Wirren, ganz Galatien in seine Hand bringen, und damit wird es ein einheitliches Königtum, das nach dem Ableben des Deiotaros um 40 v. Chr. auf seinen Verwandten Kastor, von diesem 36 v. Chr. auf Amyntas (s. o. Bd. I S. 2007) überging. Dieser hat teils durch Antonius teils durch Augustus sein Königreich durch die benachbarten Teile Phrygiens, Pisidiens und Lykaoniens noch erheblich vergrößert. Als er 25 v. Chr. starb, ging sein ganzes Gebiet als Provinz Galatia auf Augustus über. Die nationale Selbständigkeit der Galater ist damit zu Ende. Doch hat sich das keltische Volkstum noch lange erhalten; bekannt ist das Zeugnis des heiligen Hieronymus, wonach zu seiner Zeit die gallische Sprache noch bestand (Hieron. in Galat. 2, 3. VII 430 Vall.). Auch die Fürstengeschlechter lassen sich in ihren Nachkommen noch für mehrere Generationen nachweisen. Marquardt R. St.-V. I2 358. Niese Rh. Mus. N. F. XXXVIII 583ff. Stähelin Geschichte der kleinasiat. Galater2 85ff.

Verfassung und Leben der Gallier.

Die Kelten bildeten keine politische Einheit; das Reich des Biturigenkönigs Ambigatus bei Liv. V 34, 2 ist ein Erzeugnis der Phantasie, wenn auch manche unserer Historiker noch daran glauben; das Volk teilte sich vielmehr in eine große Zahl von Stämmen (civitates bei Caesar und den Späteren), die jeder für sich eine politische Einheit bildeten und sich oft befehdeten. Einzelne Stämme jedoch erhoben sich bei Gelegenheit zu größerer Macht, sammelten kleinere, minder mächtige als Klienten um sich und bildeten so Stammesgruppen (Caes. bell. Gall. VII 75, 2). Im linksrheinischen Gallien besaßen die Arverner, wie schon erwähnt, vor dem allobrogischen Krieg eine gewisse Vorherrschaft; ihnen gegenüber standen die Aeduer. Später wurden die Arverner von den Sequanern abgelöst, bis dann Caesar die Führung dieser Gruppe den Remern verschaffte (Caes. bell. Gall. VI 12). Noch bis weit in die Kaiserzeit wirkt diese Parteiung unter den gallischen Stämmen nach.

Die einzelnen Stämme zerfallen wieder in Gaue, wie z. B. die Helvetier aus vier Gauen sich zusammensetzten (Caes. bell. Gall. I 12, 4). Vielfach gab es Städte (oppida), die zum Teil ansehnlich und befestigt waren und im Falle der Not als Zuflucht dienten; im übrigen wohnte man durchweg in offenen Dörfern oder einzelnen Gehöften, z. B. die Insubrer in Oberitalien, deren Hauptort Mediolanion war (Polyb. II 32, 4. 34, 10). Die Bevölkerung war nach allen unsern [632] Berichten sehr zahlreich; nach Diodor zählten die größten Stämme gegen 200 000 Männer, die kleinsten gegen 50 000 (Diodor. V 25); nach der bekannten und vielbesprochenen Nachricht Caesars bell. Gall. I 29, 2 die Helvetier 263 000 Köpfe (vgl. Strab. IV 196), und wenn es auch ganz unmöglich ist, auf Grund solcher Angaben die Gesamtbevölkerung z. B. des linksrheinischen Galliens, der späteren römischen Provinzen, auch nur annähernd zu berechnen, so sehen wir doch jedenfalls, daß das Land gut und ziemlich dicht bevölkert war. Die G. waren ein kräftiges Geschlecht von trefflichen körperlichen Eigenschaften, sie trugen nach den bekannten Schilderungen einen durchaus nordischen Charakter, waren hochgewachsen mit blondem Haar und hellen Augen; die Frauen werden als fruchtbar und gute Mütter gerühmt (Strab. IV 196).

Die Bevölkerung gliedert sich, wie natürlich, in Freie und Sklaven; denn es ist kein Zweifel, daß es auch Sklaven gab, wenn sie auch nicht immer sich von den niederen Ständen der Freien unterscheiden lassen. In Betracht kommen nur die Freien, und unter ihnen hebt sich der Adel aus der Menge der übrigen hervor. Caesar scheint ihn mit dem Stand der equites zu bezeichnen (bell. Gall. VI 15), wenn sich auch die beiden Begriffe wohl nicht ganz decken; auch werden wir uns den Adel schwerlich als eine geschlossene Körperschaft zu denken haben. Während die Masse der Bevölkerung sich mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigt, betreibt der Adel vorzugsweise Krieg und Waffendienst, daneben auch Jagd; die Kelten waren eifrige Jäger und hatten gute Hunde, die sie auch im Kriege brauchten (Strab. IV 200. Appian. Celt. 12. Arrian. Cyneg. 2ff.). Die Ärmeren und Schwächeren begaben sich oft in die Klientel eines Vornehmen und Mächtigen, der sie dann zu schützen verpflichtet ist; namentlich schließt man sich gern an bewährte Krieger an und zieht mit ihnen in den Streit. Für solche freie Dienst- oder Gefolgsleute kommt der Name ambacti vor; auch die soldurii (Caes. bell. Gall. III 22, 1. Nikol. Dam. frg. 89, Athen. VI 249 B, wo die Hs. σιλοδούνους haben), Dienstmannen, die mit ihren Herren zu kämpfen und zu sterben bereit sind, gehören hierher. Je größer die Zahl der Klienten, desto höher das Ansehen des Herrn (Polyb. II 17, 12. 31, 2. Diod. V 29, 2. Caes. bell. Gall. VI 11, 4. 13. 2. 15).

Gemäß der socialen Gliederung ist die Verfassung der meisten Stämme aristokratisch, wobei jedoch im einzelnen mannigfache Unterschiede bestanden haben werden. An der Spitze der Stämme stehen Fürsten oder Häuptlinge, wie z. B. bei den Allobrogern beim Durchmarsch Hannibals 218 v. Chr. nach Polyb. III 50, 2f., wo οἱ κατὰ μέρος ἡγεμόνες vielleicht die Vorsteher der Gaue bezeichnen. Ähnlich muß es bei den oberitalischen G. gewesen sein, wo diese Fürsten auch Könige (βασιλεῖς oder βασιλίσκοι) oder Vorsteher (προεστῶτες) genannt werden (Polyb. II 21, 5. 23, 3. 35, 1. III 44, 5). Bei den kleinasiatischen Galatern hatte jeder Stamm vier Fürsten, die sog. Tetrarchen, die in früherer Zeit auch wohl Könige genannt werden (Liv. XXXVIII 19, 2. Polyb. XXI 37, 1ff.). Nicht selten ist auch der Fall, daß ein einziger König regiert, den wir uns [633] natürlich nicht als unumschränkten Monarchen denken dürfen. So war es z. B. bei den ungenannten G., bei denen Hannibal 218 v. Chr. einen Thronstreit entschied, Polyb. III 49, 8. Monarchisch regiert wurden auch die Tylener (s. o.) und vielleicht auch die Boier in Böhmen (Strab. VII 304. 313). Solche Könige sind oft zu großer Macht gekommen; es sei nur an den Arverner Luerios und seinen Sohn Bituitos erinnert (o. Bd. III S. 546). Auch bei den Sequanern gab es zeitweilig Könige (Caes. bell. Gall. I 3, 4). Zu Caesars Zeit dagegen war das Königtum wenigstens im südlichen und mittleren Gallien ziemlich im Aussterben und hielt sich nur noch bei den Nitiobrogen und Senonen. Häufiger war es noch bei den belgischen Stämmen, wo daneben eine Art Doppelkönigtum vorkommt (Caes. bell. Gall. II 4, 7. V 24, 4. 26, 1. 54, 2. VII 4. 31, 5). Noch tief in die römische Zeit hat es sich endlich unter römischem Schutz bei einzelnen brittischen Stämmen, den Icenern und Briganten, erhalten (Tac. ann. XII 36. XIV 31; hist. III 45).

Bei den linksrheinischen G. leiten vielfach gewählte Magistrate die Stämme. Bei den Aeduern, die schon geordnete Verhältnisse hatten, ward jährlich ein oberster Magistrat gewählt, vergobretus genannt, der das Recht über Leben und Tod hatte und während seines Amtsjahres das Gebiet nicht verlassen durfte (Caes. bell. Gall. I 16, 5. VII 33). Auch anderswo kommt der Vergobretus vor. Außerdem gab es noch andere Beamte (Caes. I 4, 3). In Kriegszeiten pflegte man einen einzigen Heerführer zu wählen (Strab. IV 197); doch ist auch dies keine unbedingte Regel; denn die wandernden Kriegsheere der Kelten werden nicht selten von zwei Königen oder Feldherren geführt, z. B. die Gaisaten 225 v. Chr. von Aneroïstos und Konkolitanos (Polyb. II 22, 2) und die Kelten in Hellas 279 v. Chr. von Brennos und Akichorios (Paus. X 19, 7. Diodor. XXII 9). Ebenso hatten die G., die 278/7 v. Chr. nach Asien übersetzten, drei Stämme mit 17 Häuptlingen, zwei Führer oder Könige, Leonnorios und Lutarios (Liv. XXXVIII 16, 2ff. Memnon bei Phot. bibl. 227 b 26).

Den Magistraten steht, wenigstens im linksrheinischen Gallien, ein Rat oder Senat zur Seite, der z. B. bei den Nerviern 600 Mitglieder zählte. Bei den Aeduern galt das Gesetz, daß immer nur einer aus derselben Familie im Rate sitzen dürfe (Caes. bell. Gall. I 31, 6. II 5, 1. 28, 1. VII 33, 3). Wahrscheinlich hat dieser Rat die eigentliche Regierung gebildet. Daneben hat die Volksversammlung ihre Rechte und gibt in allen wichtigen Sachen die letzte Entscheidung. Krieg und Frieden, die wichtigsten Wahlen und das hohe Gericht gehören zu ihrer Kompetenz (Caes. bell. Gall. I 4, 1. V 56, 2). Es wird bei den Versammlungen für Ordnung und Ruhe gesorgt (Strab. IV 197).

Am besten sind wir über die kleinasiatischen Galater unterrichtet durch Strab. XII 567. Sie bestanden aus drei Stämmen, die zusammen eine höhere Einheit bildeten. Jeder Stamm hatte vier Tetrarchen, die zwölf Tetrarchen hatten wieder jeder einen Richter und einen Heermeister (στρατοφύλαξ) mit zwei Gehilfen (ὑποστρατοφύλακες) unter sich. Die Einheit des ganzen Volkes ward [634] durch den Rat der Dreihundert repräsentiert, der den zwölf Tetrarchen zur Seite stand und im sog. Drynemeton, einem Heiligtum, tagte. Er hatte die höchste Blutsgerichtsbarkeit; im übrigen besorgten die Tetrarchen mit ihrem Richter die Jurisdiktion. Diese Verfassung ist wohl nicht unberührt durch hellenistische Einflüsse geblieben, ist aber im Kerne durchaus gallisch und kann daher als Muster und Beispiel auch für die andern dienen.

Übrigens sind auch im linksrheinischen Gallien, wie es Caesar vorfand, die Verfassungen schon in einem recht entwickelten Zustande; so wissen wir, daß die Schrift in den Dienst der Stammesverwaltung getreten war und ziemlich ausgedehnte Anwendung fand (Caes. bell. Gall. VI 14, 3).

Ohne Zweifel der wichtigste Teil der öffentlichen Angelegenheiten war der Krieg und die Vorbereitung dazu. Es gab viele, die sich dem Kriegshandwerk widmeten, die von Caesar (bell. Gall. VI 15) equites Genannten, vornehmlich der Adel, die mit ihren Leuten den Kern der Heere bildeten, oft aber auch in fremde Dienste traten; aus solchen Leuten setzten sich die schon erwähnten Gaisaten zusammen (Polyb. II 22, 1). Außerdem gab es das Aufgebot jedes Stammes. Die Heere bestanden aus Fußvolk und Reitern, wozu gelegentlich auch die Streitwagen kamen. Das Fußvolk war bewaffnet mit langem Schwert ohne Spitze und mit einem schweren Speer, gaesum (γαῖσον) oder lancea (λαγκία); beide Worte sind gallischer Herkunft (Diodor. V 30, 4). Als Schutzwaffen diente ein langer, großer Schild (θυρεός) und oft ein metallener Helm. Der Panzer ist nicht allgemein; vielmehr kämpften die Krieger oft nackt, mit abgeworfenem Mantel, wie die Gaisaten nach der Beschreibung des Polybios II 28, 8. Die bildlichen Darstellungen, in denen die gallischen Krieger durchweg nackt erscheinen, bestätigen diesen Bericht (Kekule v. Stradonitz Programm zum Winckelmannsfeste, Berlin 1909, 69). Wenn er in die Schlacht ging schmückte sich der G. mit Geschmeide und dem Besten, was er hatte; die Waffen sind oft kostbar, die Helme mit hohem, abenteuerlichem Aufputz versehen. Bewährte Krieger liebten es, den Feind zum Zweikampf herauszufordern. Hörner und Trompeten in großer Zahl leiteten mit lautem Getöse den Kampf ein (Polyb. II 28ff. Diodor. V 29, 2ff. Strab. IV 196). Die Bewaffnung des Fußvolkes war jedoch nur mangelhaft; die Schwerter waren zu weich. Am gefährlichsten war der erste ungestüme Anprall der G., und diesem verdanken sie ihre großen Erfolge; wenn die Schlacht zum Stehen kam, kamen sie gegenüber besser bewaffneten Heeren in Nachteil und haben daher gegen die schwergerüsteten römischen Legionen nicht aufkommen können (Polyb. II 30, 7. 33, 1ff.).

An leichten Truppen gab es namentlich Schleuderer und Bogenschützen, deren Gallien zu Caesars Zeit eine große Zähl besaß (Strab. IV 196. Caes. bell. Gall. VII 31, 4; bell. civ. I 51, 1).

Was die Reiterei angeht, so gilt sie später für die Hauptwaffe; zur Zeit des Augustus lieferten die G. den besten Teil der römischen Reiterei (Strab. IV 196). Aber namentlich in älterer Zeit hat die Reiterei nicht überall die gleiche [635] Bedeutung. So scheinen zu Hannibals Zeit die Allobroger keine erhebliche Reiterei besessen zu haben (Polyb. III 50, 2), und bei den G., die Rom erobern, werden Reiter ebensowenig erwähnt, wie in den Kämpfen gegen die Insubrer (Polyb. II 34, 6). Anderswo bildet sie hingegen einen wichtigen Teil der Kriegsmacht, in den gallischen Kriegen Caesars, früher bei den Gaisaten, bei den kleinasiatischen Galatern, bei den Bastarnern wie im Heere des Brennus. In letzterem hatte jeder Reiter zwei berittene Knappen bei sich; die drei zusammen bildeten eine τριμαρκισία (Caes. bell. Gall. VII 65, 4. Polyb. II 23, 4. Liv. XXXVIII 24. 26. XLIV 26, 3. Diodor. XXII 9. Iustin. XXIV 6. Paus. X 19, 11). Auch der Streitwagen (essedum, covinnus) ist gallisch (Diodor. V 29), und wir finden ihn im Heere der Gaisaten (Polyb. II 23, 4). Bei den linksrheinischen G., ist er zu der Zeit, mit der unsere genauere Kenntnis beginnt, im Aussterben; im allobrogischen Kriege wird er noch erwähnt (Flor. I 37, 5), unter Caesar kommt er nicht mehr vor, wohl aber bei den Briten, die ihn mit großer Gewandtheit und nicht ohne Nutzen zu brauchen verstanden (Caes. bell. Gall. IV 33. V 15. Tac. Agric. 12. 35. Vgl. Cam. Jullian Histoire de la Gaule II 186).

Über die Familie und ihr Recht besitzen wir nur dürftige Kunde. Monogamie scheint die Regel gewesen zu sein; doch kam wahrscheinlich auch Vielweiberei vor. Zwischen den Ehegatten bestand eine Art Gütergemeinschaft; die Frau behielt ein Recht auf ihr Eingebrachtes. Die Kinder wurden, bis sie erwachsen waren, zu Hause gehalten; die unerwachsenen Söhne durften sich in der Öffentlichkeit nicht neben dem Vater zeigen. Der Mann hat über Gattin und Kinder eine unbedingte Gewalt; es war eine patria potestas nach Art der römischen, die auch bei den kleinasiatischen Galatern bestand (Caes. bell. Gall. VI 18f. Gaius instit. I 55). Mit großer Pracht pflegten die Leichenbegängnisse der Edlen ausgestattet zu werden. Mit dem Toten ward viel verbrannt, was er im Leben gerne gehabt hatte, auch Tiere, und früher, vor Caesars Zeiten, auch Sklaven und Klienten (Caes. bell. Gall. VI 20; vgl. Diodor. V 28, 6). Die Gräberfunde bestätigen diese Nachrichten.

Religion.

Eine wichtige Stelle im Leben der G. nahm die Religion ein; das Volk war ungemein gottesfürchtig und abergläubisch. Sorgfältig achtete man namentlich auf die Vorzeichen, die man dem Vogelflug, den Opfern u. dgl. entnahm. Geführt von glückverheißenden Vögeln sollen die G. ihre Wanderung gen Osten angetreten haben (Iustin. XXIV 4. 3. Aelian. v. h. II 31). Die vornehmsten Götter sind nach dem bekannten Zeugnis Caesars Mercurius (gallisch Teutates), Apollon (Grannus oder Belenus), Mars (Esus), Iuppiter (Taranis) und Minerva (Caes. bell. Gall. VI 17; vgl. Lucan. Phars. I 444f. mit d. Schol.). Auch Herakles (Ogmios) wird genannt (Lucian. Herc. 1ff.), und auf einer Insel an der Mündung der Loire ward eine Gottheit verehrt, die man Dionysos nannte (Strab. IV 198). Aus der römischen Zeit kennen wir durch Inschriften eine Fülle von Götternamen und Beinamen, unter denen Epona, die Schützerin der Rosse, und die als Mütter (matres) in ganz Gallien verehrten weiblichen Gottheiten [636] genannt werden mögen (vgl. Dottin Manuel 223ff.). Die Götter hatten ihre heiligen Bezirke, oft ohne Tempel, in oder an Wäldern; viele kostbare Geschenke, namentlich Edelmetall, wurden ihnen dort angehäuft oder auch in die heiligen Gewässer versenkt. Ein Heiligtum der Athena bei den Insubrern, in dem sich die goldenen Feldzeichen des Stammes befanden, erwähnt Polybios II 32, 6; noch berühmter ist das von Caepio geplünderte tolosatische Apollonheiligtum mit seinen ungeheuren Schätzen (Strab. IV 188. Cass. Dio frg. 90 I p. 334 Boiss.). Aber auch Tempel werden erwähnt (Suet. Iul. 54. Plut. Caes. 26). Die Götter wurden mit Inbrunst verehrt. Vergehen gegen sie, z. B. Tempelraub, streng bestraft. Viele Opfer wurden ihnen dargebracht, auch Menschenopfer, wozu man Verbrecher oder Kriegsgefangene nahm. Gern pflegte man vor einem Kriege den Ausgang durch ein Menschenopfer zu erkunden. Nach einer älteren Nachricht wurden regelmäßig alle vier Jahre ein solches feierlich dargebracht (Diodor. V 31, 3. 32, 6. Caes. bell. Gall. VI 16. Strab. IV 198. Tac. ann. XIV 30. Cic. de rep. III 15; p. Font. § 31). Vgl. Bertrand La religion des Gaulois, les druides et le druidisme, Paris 1897.

Bei dem religiösen Eifer der G. ist es kein Wunder, daß sich bei ihnen eine Theologie und Religionswissenschaft ausbildete, deren Inhaber Priester und Seher waren. Die Seher hießen vates (οὐάτεις bei Ammian. Marc. XV 9, 8 in euhages verderbt); es ist wahrscheinlich, daß das lateinische vates ein gallisches Lehnwort ist (Mommsen Herm. XVI 620, 4). Unter den Priestern haben wieder die Druiden eine besondere Bedeutung, die angeblich schon Aristoteles erwähnte (Diog. Laert. I § 1 und 6). Caesar nennt nur sie, da aber andere Zeugnisse neben ihnen die Seher und Priester besonders aufführen (Diodor. V 31, 2. Strab. IV 198. Arnmian. Marc. a. O.), so ist anzunehmen, daß nicht alle Priester Druiden waren, sondern sich diese als besonderer Stand aus den übrigen abhoben. Sie werden Philosophen genannt, lehrten die Unsterblichkeit und beschäftigten sich auch mit physiologischen und astronomischen Fragen. Sie waren hoch angesehen, von Kriegsdienst und anderen Lasten befreit und zogen viele Schüler an sich. Man übertrug ihnen die Entscheidung privater und öffentlicher Streitigkeiten; sie konnten sogar eine Art Interdikt aussprechen. Es kam vor, daß sie im Falle eines Interregnum den höchsten Magistrat ernannten (Caes. bell. Gall. VII 33, 3). Sie wurden vor allem bei den Opfern als Sachverständige hinzugezogen. Nach Caesar hatten sie einen Vorsteher und hielten alljährlich eine Zusammenkunft im Lande der Karnuten; er leitet zugleich den Ursprung der Lehre aus Britannien ab; ob mit Recht, ist zweifelhaft; jedenfalls gab es auch dort bis in die Römerzeit Druiden (Caes. bell. Gall. VI 13. Strab. IV 198. Diodor. V 31, 2. Schol. Bern. Lucan. I 451; vgl. o. Bd. V S. 1730).

Barden.

Neben den Druiden wird der Stand der Barden als den Kelten eigentümlich erwähnt. Es sind Sänger, die zum Gefolge der Großen gehören und zur Leier das Lob ihres Herrn singen. Zum Hofstaat der Fürsten gehörten ebenfalls die Parasiten, [637] abhängige Tischgenossen, die zur Unterhaltung dienen mußten (Poseidonios frg. 23, FHG III 259. Diodor. V 31, 2. Strab. IV 197. Appian. Celt. 12).

Die Wohnhäuser der Kelten waren rund, meist von Holz gebaut oder von Geflecht, das mit Lehm beworfen war, mit einem hohen Strohdach bedeckt. Gewiß gab es aber hierin große Unterschiede. Sie wohnen durchweg auf dem Lande zerstreut, nicht in Städten; so beschreibt Polybios II 34, 4ff. die κατοικίαι der Insubrer. Sie leben von den Erträgnissen des Ackerbaus und der Viehzucht (Polyb. II 17, 9f.), von Getreide, Milch und Fleisch; besonders essen sie viel Schweinefleisch, frisch und gesalzen, und halten große Schweineherden. Öl fehlte ihnen ursprünglich und wurde durch tierisches Fett ersetzt (Strab. IV 192. 197. Polyb. II 15, 3). Ihr Getränk ist ein Bier, das mit Honig versetzt wird, κόρμα oder ζῦθος. Der Wein kam ihnen vor der Römerherrschaft durch die Massalioten und italische Händler zu und wurde ganz oft unmäßig getrunken. Die Kelten waren durch ihre Weinseligkeit bekannt (Poseidon. frg. 25. Diodor. V 26, 2f., vgl. Polyb. XI 3, 1).

Ihre Kleidung war von Wolle, die im Lande erzeugt wurde. Man wob einen derben, festen Stoff, der auch in der Kaiserzeit begehrt war (Edict. Diocl. c. 19 p. 35f. ed. Mommsen und Blümner). Die eigenartigen Stücke der Männerkleidung sind die Hosen (bracae, ἀναξυρίδες Polyb. II 28, 7f.), ein Wams mit Ärmeln und drüber der Mantel, das sagum, der bunt gefärbt, gestreift oder gewürfelt war. Der Vornehme, namentlich der Krieger liebt es, sich dazu mit Schmuck zu behängen. Dazu gehören Armspangen, besonders aber die Halskette (torques, μανιάκη), die wir aus der Literatur wie aus den Kunstwerken als den Schmuck der G. kennen (Polyb. II 29, 8. 31, 5). Das Haupthaar ließ man lang wachsen; oft wurde es gefärbt und straff über den Hinterkopf zurückgezogen. Die Barttracht ist verschieden; bei den Vornehmen ist der oft sehr starke Schnurrbart beliebt (Polyb. II 28, 7. 29, 7. Diodor. V 28. 38. Strab. IV 196f.).

Leben und Lebensart.

Leben und Lebensart der G. wich von den mildern Sitten der Griechen und Römer stark ab und schien diesen sehr barbarisch. Man saß und lag auf der Erde, auf Stroh, Heu oder Fellen, man aß aus der Hand; nur mit dem Messer half man nach. Poseidonios frg. 25 beschreibt uns ein gallisches Gastmahl. Vgl. Polyb. II 17, 10. Diodor. V 28, 4. Am meisten bemerkte man ihre ungestümen und wilden kriegerischen Sitten. Die Köpfe erschlagener Feinde wurden als Trophäen ausgestellt oder aufbewahrt (Strab. IV 198. Diodor. V 29, 5). Die Kriegführung war oft grausam; besonders schrecklich schien den Hellenen die Opferung Gefangener (Diodor. XXXI 13. Liv. XXXVIII 47, 12). Es kam wohl vor, daß alles in einer Schlacht Gewonnene oder Erbeutete zerstört oder den Göttern geweiht wurde. Sonst sind die G. vornehmlich auf Beute bedacht (vgl. z. B. Polyb. II 22, 2. 26, 5). Als Söldner in fremden Diensten gelten sie für unzuverlässig und treulos (Polyb. II 5, 4. 7, 5ff.). Dem gegenüber stehen andere Züge von Gastfreiheit, Edelmut und ehrlicher Einfalt (Strab. IV 195f.). Nach den älteren Berichterstattern waren die Kelten stark der Päderastie ergeben (Aristot. polit. II 9 [638] p. 1269 b 26. Diodor. V 32, 7. Strab. IV 199), Caesar und die späteren wissen davon nichts mehr.

Wenn also die Kelten durchaus barbarische Sitten hatten, so sind sie doch auch zur Zeit unserer ältesten Berichte keineswegs als Wilde anzusehen, sondern schon frühzeitig besitzen sie einen erheblichen Grad von Zivilisation. Alle zum täglichen Leben nötigen Handwerke und Künste waren vorhanden, und sie scheinen darin eine nicht geringe Geschicklichkeit besessen zu haben, in Metall- und Holzarbeiten, Lederwerk, Topfwaren und Weberei. Sie lernten es frühzeitig, wenn auch in roher Weise, die griechischen Münzen nachzubilden, zuerst die makedonischen Goldmünzen, die Philippei, die ihnen von Osten her donauaufwärts zugingen, später wurden in Südgallien nach massaliotischem und römischem Muster Silber- und Kupfermünzen geschlagen. Die gallischen Münzen sind sehr zahlreich. Überall muß sich der Verkehr des gemünzten Geldes bedient haben (Adrien Blanchet Traité des monnaies gauloises, 2 vols., Paris 1905). Einstimmig wird der Reichtum an Gold hervorgehoben; schon die Helvetier wurden πολύχρυσοί genannt (Strab. VII 293). Man gewann das Metall teils durch Wäscherei aus den Flüssen teils in Bergwerken. Letztere werden in den Alpen bei Tauriskern und Salassern, an den Pyrenäen bei den Tarbellern erwähnt (Strab. IV 190. 205. 208. Diodor. V 27); Silber war seltener, fehlt aber keineswegs (Strab. IV 187. 191).

Für das linksrheinische Keltenland ist ein lebhafter Handel bezeugt, den namentlich die großen Ströme begünstigten. Zur Zeit Hannibals wurde die Rhône viel befahren, Polybios (III 42, 2) erwähnt größere Schiffe und Boote, λέμβοι und μονόξυλα. Das gleiche gilt vom Araris (Saône); Caesar benützt ihn zum zum Getreidetransport (bell. Gall. I 16, 3). Es wurden Schifffahrtsabgaben erhoben, die zwischen den Anliegern, Aeduern und Sequanern, streitig waren (Strab. IV 192). Wo die Flüsse aufhörten, gings auf Wagen über Land; es müssen also brauchbare Landstraßen vorhanden gewesen sein (Diodor. V 26, 3). So kam man bis an den Oceanus, wo es Häfen gab. Aus älterer Zeit wird Corbilo an der Mündung der Loire genannt. Den Verkehr mit Britannien, und vielleicht auch Irland, besorgten die Aremoriker, namentlich die Veneter, auf großen, seetüchtigen, für den Wechsel der Gezeiten eingerichteten Schiffen (Strab. IV 194f. Caes. bell. Gall. III 13). Von gallischen Häfen an der Mittelmeerküste ist begreiflicherweise keine Spur; denn hier besorgten den Verkehr die Massalioten, die mit den G. von alters her in Freundschaft standen. Diese Freundschaft hat den G. schon bei Ephoros den Namen der Philhellenen eingetragen (Strab. IV 199), wobei zu bemerken ist, daß Massalia nicht auf gallischem, sondern ligurischem Boden lag, und nicht G., sondern Ligurer ihre nächsten Nachbarn waren. Von Massalia aus ist den linksrheinischen G., und zum Teil auch den oberitalischen, manches Stück griechischer Gesittung mitgeteilt worden. Doch war Massalia nicht der einzige Vermittler; andere Berührungspunkte mit der griechischen Welt waren die pontischen Häfen und noch durch die Vermittlung der Etrusker wird ihnen manches zugegangen sein. [639]

Wie weit und wie tief sich der hellenische Einfluß erstreckt, läßt sich nicht genau ermessen; ob wirklich die Philosophie der Druiden, wie man im Altertum meinte, von der Pythagoreischen Lehre abhängt (Diodor. V 28, 6), ist sehr bestritten, aber doch nicht unmöglich. Ein sicheres Zeichen griechischer Einwirkung ist, außer den schon erwähnten Münzen, die griechische Schrift, deren sich die G. bedienten (Caes. bell. Gall. I 29. VI 14, 3. Strab. IV 181. Diodor. V 28, 6 und für die Donaukelten Tac. Germ. 3), und zwar, wie es scheint, ziemlich reichlich. Zu einer schriftlichen Literatur haben sie es jedoch nicht gebracht; die druidische Poesie wurde, wie Caesar (bell. Gall. VI 14, 3) berichtet, durch das Gedächtnis festgehalten und durfte nicht aufgeschrieben werden. An Begabung fehlte es den G. nicht. Schon früher wird ihre eigenartige Redekunst hervorgehoben; sie lieben kurze Aussprüche, reden gern in Rätseln (Diodor. V 31, 1); es ist das argute loqui, von dem Cato frg. 34 spricht. Nach ihrer Unterwerfung unter die Römer haben sie alsbald der Literatur ein ungewöhnliches Interesse zugewandt und ihr in ihrem Lande eine dauernde Stätte bereitet (Strab. IV 181. 195).

Literatur: Cam. Jullian Histoire de la Gaule Bd. II. George Dottin Manuel pour servir à l'étude de l'antiquité celtique 110ff. Caspar Zeuss Die Deutschen und die Nachbarstämme, München 1837.

[Niese. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 47.