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RE:Clusium

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Etruskische Zwölfstadt Chiusi
Band IV,1 (1900) S. 115117
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Clusium (Κλούσιον, Einwohner Clusinus, Κλουσῖνος), eine der etruskischen Zwölfstädte, jetzt Chiusi, auf einem isolierten Hügel am Südende des Val di Chiana. Wenn die Verknüpfung des angeblichen Urnamens Camars (s. o. Bd. III S. 1425) mit den Camertes Umbri das Richtige trifft, dürfte die Gründung der Stadt in die voretruskische Zeit und auf Ansiedler umbrischen Stammes zurückgehen; jedenfalls erschien der römischen Tradition C. als eine der ältesten Städte von Etrurien und ganz Mittelitalien (Verg. Aen. X 167 und Servius z. d. St.). Bauliche Reste aus vorrömischer Zeit sind spärlich, nicht einmal der Lauf der Stadtmauern, die ihrer Construction nach denen von Perugia und Todi nahestehen, sicher zu bestimmen (Dennis Etruria II² 295f). Bedeutend sind die unterirdischen cuniculi, welche den ganzen Stadthügel, wahrscheinlich zum Zwecke der Entwässerung, durchziehen (Bull. d. Inst. 1831, 99. 1868, 133. Dennis a. a. O. 297). Zeugnis von der Bedeutung und Grösse der Stadt giebt aber vor allem die ausgedehnte Nekropole, welche den Stadthügel auf allen Seiten umgiebt. Die ältesten Gräber derselben, tombe a pozzo, reichen über den Beginn des griechisch-etruskischen Handels, also über das Ende des 8. Jhdts. hinauf: die tombe a fossa fehlen gänzlich, statt dessen entwickelt sich aus der tomba a pozzo die tomba a ziro, wo die Aschenurnen (meist mit menschlichem Kopf, Canopi) in umfangreichen thönernen Behältern (dolia) geborgen werden: als Beigaben treten griechische Importartikel, ,protokorinthische‘ und streng korinthische Vasen auf, die diese Gräbergattung ins 7. Jhdt. verweisen. Auf die tombe a ziro folgen sofort die zum Teil reich ausgestatteten tombe a camera, die sich bis jetzt bis gegen Anfang des 6. Jhdts. hinauf verfolgen lassen. Über Ausgrabungen in der Nekropole von C. enthalten die meisten Jahrgänge der Annali und des Bull. dell’ Instituto sowie neuerdings der Notizie degli scavi Nachrichten; genannt werden mögen die tomba François (eine der ältesten tombe a camera, mit der berühmten Vase, einem attischen Prachtgefäss etwa aus solonischer Zeit, Ann. 1848, 299. 1850, 251–280. Monum. V 14–16), die tomba Casuccini (Ann. 1851, 255–267. Monum. V 32–34) und das hocharchaische von Poggio Renzo mit Wandgemälden, ähnlich sehr alten Caeretanern (Bull. d. Inst. 1874, 225–228); vgl. die Übersicht bei Dennis 320–344. Durch Grösse und eigentümliche Bauart zeichnet sich die Nekropole in dem Hügel Poggio Gaiella, 5 km. nördlich von C., aus; in mehreren Stockwerken übereinander grössere und kleinere Grabkammern, zum Teil verbunden durch ein System vielgewundener Gänge; die Basis des Ganzen von einer Quadermauer mit umlaufendem Graben gestützt. Ist auch die Gleichsetzung mit dem von Plinius nach Varro beschriebenen Grabe des Porsena (n. h. XXXVI 91: monumentum lapide quadrato, singula latera pedum lata tricenum, alta quinquagenum; inque basi quadrata intus labyrinthum inextricabilem ... supra id quadratum pyramides stant quinque, [116] quattuor in angulis, in medio una u. s. w.) schon deshalb unmöglich, weil die Basis von Poggio Gaiella rund und nicht quadratisch ist, so mag doch ein analoges Denkmal der varronischen Beschreibung zu Grunde liegen. Vgl. E. Braun Il labirinto di Porsena comparato coi sepolcri di Poggio Gaiella. Rom 1840, Fol. Abeken Ann. d. Inst. 1841, 30–36; Mittelitalien 243f. Dennis Etruria II² 345–356. Von der Grösse der Nekropole und der Bedeutung der Stadt für Etrurien giebt das Factum Zeugnis, dass aus Clusium und seinem Gebiete gegen 3000 etruskische Inschriften bekannt sind (CIE 475–3306), während das gesamte Gebiet nördlich bis zum Arno (Volterra, Siena, Arezzo, Fiesole u. s. w.) kaum 500 geliefert hat. Mit den Römern tritt, nach den annalistischen Quellen, C. zuerst in Beziehung um die Wende des 7. und 6. Jhdts. v. Chr., wo es mit Arretium Volaterrae Rusellae und Vetulonia ein Bündnis gegen Tarquinius Priscus eingeht (Dionys. III 51); am Ende des 6. Jhdts. steht C. unter seinem König Porsena an der Spitze der zur Rehabilitierung der Tarquinier gegen Rom geführten Unternehmung (Liv. II 9ff. Dionys. V 21. Plut. Popl. 16. Flor. I 10. Sil. Ital. VIII 478. X 483), welche mit der zeitweisen Unterwerfung Roms unter etruskische Macht endigt. Zur Zeit des Galliereinfalls 391 erscheint C. mit Rom befreundet: römische Gesandte, welche zu Gunsten der belagerten Clusiner intervenieren, veranlassen durch ihre völkerrechtswidrige Teilnahme am Kampfe den Zug der Gallier gegen Rom (Diodor. XIV 113. Liv. V 33. 35. 36. Dionys. XIII 11. 12. Plut. Camill. 15–17. Appian. Celt. 2). Ein Treffen zwischen Römern und Samniern im J. 296 fand nach Livius X 25f. in der Nähe von C. (nach Polyb. II 19, 5 ἐν τῇ Καμερτίων χώρᾳ) statt; um dieselbe Zeit werden die vereinigten Clusiner und Perusiner von den Römern besiegt (Liv. X 30, 2). Wann C. unter römische Oberhoheit gekommen ist, wird nicht ausdrücklich überliefert; jedenfalls steht es zur Zeit des grossen Gallierkrieges (Polyb. II 25) und des zweiten punischen Krieges (Liv. XXVIII 45, 18 z. J. 205: Perusini Clusini Rusellani abietes in fabricandas naves et frumenti magnum numerum promisere, vgl. Sil. Ital. V 124) unter Rom. Im ersten Bürgerkriege sind in der Nähe von C. zwei Schlachten geliefert worden (Vell. Paterc. II 28. Appian. bell. civ. I 87. Liv. epit. 88, vgl. Plin. n. h. VIII 221. Obseq. 118); Sulla scheint die Zahl der Colonisten vermehrt zu haben, weshalb Plin. III 52 von Clusini veteres et novi spricht (Basis einer Ehrenstatue für Sulla in C. CIL XI 2102). In der Kaiserzeit wird C., ausser von den Geographen und Itineraren (Strab. V 226. 235. Ptol. III 5, 8. Tab. Peut. Geogr. Rav. IV 36 p. 286 P. Itin. Ant. 285) selten genannt. Die Produkte seines fruchtbaren Gebiets werden gerühmt (far C. Columella II 6, 3. Plin. XVIII 66; siligo C. Plin. XVIII 87, vgl. puls C. Martial. XIII 8; uvae C. Plin. XIV 38). Aus den Inschriften ersieht man, dass die Stadt zur Tribus Aniensis gehörte (Kubitschek Imp. Rom. tributim discr. 83); als Magistrate werden in älterer Zeit IVviri, in späterer IIviri, ferner aediles und quaestores genannt. Noch im J. 540 wird C. als fester Platz genannt, wohin Vitiges eine Besatzung von 1000 [117] Goten legte (Procop. bell. Goth. II 11). Das Christentum fand früh in C. Eingang; der Grabstein eines Bischofs L. Petronius Dexter (CIL XI 2548) trägt das Datum 322 n. Chr.; an einen Bischof Ecclesius hat Gregor d. Gr. zwei Briefe (X 34. 45, tom. II p. 1063. 1075 ed. Bened.) gerichtet (aber in der Subscription des röm. Concils von 465 liest Thiel epist. pontif. I 159 jetzt episc. Telesinus [die Hs. Talesinus], vgl. Mommsen Cassiodor. p. 509). Von den zwei unterirdischen Coemeterien, die in der Nähe von C. gefunden sind, geht das Coem. S. Mustiolae ins 4., das von S. Caterina sogar ins 3. Jhdt. zurück. Vgl. Bartolini Le nuove catacombe di Chiusi (Atti dell’ acc. pontificia XIII 1855, 1–60). Cavedoni Ragguaglio di due antichi cimiteri cristiani, Modena 1853. Liverani Le catacombe ed antichità cristiane di Chiusi, Siena 1872. Die Inschriften auch CIL XI 2533–2582a. Vgl. über C. Dennis Cities and cemeteries of Etruria II² 290–359. Bormann CIL XI p. 370, wo nr. 2090–2532 die heidnischen Inschriften von C. Neuere Funde in Chiusi und Umgegend s. Not. d. scavi 1891, 87. 1892, 304. 1895, 100. 1897, 100. 249. 333. 451.