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Der Ahnherr

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Textdaten
Autor: Friedrich Wilhelm d’Elpons
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Titel: Der Ahnherr
Untertitel: Schwank in Einem Aufzuge
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Entstehungsdatum: 1819 (Erstdruck)
Erscheinungsdatum: 1827
Verlag: Goedsche und Wigand
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Erscheinungsort: Meißen und Kaschau
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Quelle: Google = Commons
Kurzbeschreibung: Tendenziöse Judensatire eines „mediokren Schriftstellers“, der zum Umfeld E. T. A. Hoffmanns gehörte.[1]
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[67]
Der Ahnherr.
Schwank in Einem Aufzuge.


[68]
Personen.

Karl von Eschendorf.
Wilhelm von Eschendorf, sein Vetter.
Pfiff, Diener.
Moses, ein reicher Jude.
Der Ahnherr.


[69]
Erster Auftritt.
Pfiff (allein.)

Ein sauberes Jahrhundert! – Mein armer Herr. – Die Freunde bleiben aus, die unbezahlten Rechnungen rücken ein. Nun, man muß auch billig seyn, drei Monate Glück in der Liebe, und drei Monate Unglück im Spiel, können freilich die Kraftmänner des neunzehnten Jahrhunderts ein wenig mürbe machen.


Zweiter Auftritt.
Pfiff. Karl.

Karl (singt). „Zum Borgen kann ich ihn nicht zwingen.“

Pfiff. Das paßt auf den alten Moses.

[70] Karl. Das paßt auf alle Geizhälse der ganzen Erde, und deutlicher zu reden, mit Ausnahme der Christen, auf alle Menschen.

Pfiff. Das paßt noch mehr auf den alten Moses.

Karl. Stell Dir vor: Du weißt, daß dieser Bösewicht vor wenig Monaten an mir 5000 Thaler gewonnen hat, um mein väterliches Erbe vier Wochen früher verschwenden zu können.

Pfiff. Leider weiß ich es nur zu gut.

Karl. Denke Dir, gestern begegne ich ihm. Moses, sag’ ich, hilf mir mit zweihundert Ducaten; rathe, Pfiff, rathe das Unglaublichste was deine Phantasie Dir einzugeben im Stande ist, was that er?

Pfiff. (besinnt sich) Er hat sie Ihnen zu fünf Procent gegeben.

Karl. Fehlgeschossen, er hat sie mir zu dreißig Procent abgeschlagen.

[71] Pfiff. Sonderbar, das pflegen doch sonst nur die Christen zu thun, um mit guter Manier gar nichts zu geben.

Karl. Du hast Unrecht, wenn Christen borgen, so borgen sie auch christlich.

Pfiff. Aber sie borgen nicht, und wenn man darüber verhungert, so ist es gewöhnlich auch unchristlich.

Karl. Pfiff, weißt Du Rath?

Pfiff. Ich will darauf sinnen.

Karl. Aber wenn ich bitten darf, nicht auf eine unchristliche Weise.

Pfiff. Sie meinen verhungern? O nein!

Karl. Nun es wäre mit den letzten zwei Sylben auch schon arg genug.

Pfiff. Haben Sie keinen Kummer, Pfiff ist ein Genie. Nur Bedenkzeit, nur Bedenkzeit.

[72] Karl. Zwei Bedingungen mach’ ich mir in Voraus: kein Heyrathsvorschlag und keine Spekulation auf den alten Moses, denn er ist felsenfest.

Pfiff. Viktoria! Herr von Eschendorf, ich hab’s. Das erste wird zugestanden; aber Moses soll, muß und wird bluten.

Karl. Wodurch?

Pfiff. (tragikomisch) Schicksal! Schicksal!

Karl. Pfiff, bist Du verrückt?

Pfiff. Sie wissen, gnädiger Herr, daß wir jetzt in Zeiten leben, wo, wenn es dreimal vor der Thüre klopft, die Urgroßmama nicht weit ist, um den Enkeln in die Töpfe zu schielen; Ahnfrauen und Schicksalsfügungen gründlicher Art sind jetzt an der Tagesordnung. Die Juden haben schwache Nerven, die Blitz-Materialien sind nicht theuer, und der Donner kostet gar nichts; weiter kann ich vor der Hand nichts sagen. Ich gehe, brüte meinen Plan vollkommen [73] aus, und lege ihn ehrfurchtsvoll zur Genehmigung vor.

Karl. Närrischer Kerl, was wirst Du wohl wieder ausbrüten?

Pfiff. Ausbrüten? das war ein schlechter Einfall für meinen genialen Kopf. Die simplen Verstandsmenschen mögen wohl im Schweiße ihres Angesichts dann und wann etwas ausbrüten, aber das wahrhaft Geniale kann nur der Augenblick geben.

Karl. Das muß ich gestehen, Pfiff, Du läßt es an Eigenlob nicht fehlen; nun zur Sache.


Dritter Auftritt.
Vorige. Wilhelm von Eschendorf.

Wilhelm. Viktoria! Brüderchen, nur noch wenige Augenblicke, und unsere geschlagenen Börsen sind wieder mobil.

[74] Karl. Ich fürchte, Wilhelm, daß unsere geschlagenen Börsen geschlagen bleiben.

Wilhelm. Nein, Brüderchen, höre und staune, ich habe so eben alle mitleidige Herzen der ganzen Stadt in Belagerungs-Zustand erklärt.

Karl. Da werden alle mitleidige Herzen der ganzen Stadt sich sehr wacker vertheidigen.

Pfiff. Drum lassen Sie uns wieder auf den alten Moses zurückkommen.

Karl. Stelle dir vor, Wilhelm, Pfiff will den alten Moses prellen, den feinsten durchtriebensten Gauner der lebenden Generation.

Wilhelm. Pfiff, wenn Du den alten Moses prellst, so bist Du das größte Genie unserer Zeit.

Pfiff. Nun, das Compliment ist wenigstens nicht übertrieben. – Hören Sie – Sie wissen, daß ich in meiner Jugend eine wackere Erziehung genossen; ein gewisser Hang zum Uibernatürlichen zog mir, wenn auch nicht von der verstorbenen [75] Ahnfrau, doch von meiner lebenden Mutter, so manche Ohrfeige zu. Was kann wohl jetzt natürlicher seyn, als daß ich, da ich keine Geisel mehr zu fürchten habe, jede Veranlassung nütze, um meinen Hang zu befriedigen.

Wilhelm. Da werde der Teufel klug.

Pfiff. Ahnungen – Ahnfrauen – das sind die Quälgeister jetzt, die durch die widrigen Schickungen, schauderhaften Schicksale, die lebenden Enkel in Furcht und Schrecken setzen, und jeden Plunder, der in der Familie verfällt, einige Posttage vorher verkünden.

Karl. Sage, Pfiff, ob Du toll bist; was soll das kauderwälsche Zeug?

Pfiff. Lassen Sie mich.

Wilhelm. Laß ihn, Brüderchen, ich ahne schon, daß Musje Pfiff einen verschmitzten Kniff zu Tage fördern wird.

Pfiff. So hoffe ich, wenn es Gottes Wille ist. Also weiter. Ich gehe, um deutlicher zu reden, [76] heute Abend noch zu Moses, um ihn hieher zu bringen.

Karl. Er wird nicht kommen wollen.

Pfiff. Er wird sicher kommen, das liegt im Schicksal; denn Sie haben von einem Onkel 5000 Thaler in guten Papieren bekommen, die natürlicher Weise, und zwar heute Abend noch, umgesetzt werden müssen.

Wilhelm. Ja, dann kommt er gewiß.

Pfiff. Ich denke auch, – Nun zur Sache. Ich trete mit Moses ein, und er findet sie – schwermüthig.

Karl. (lacht). Schwermüthig?

Wilhelm. Nun, Brüderchen, die Rolle ist nicht schwierig, wenn man keinen Kreuzer in der Tasche hat.

Pfiff. Wie ich Ihnen sage, schwermüthig.

Karl. Aber worüber? worüber?

[77] Pfiff. (mit komischem Ernst) Wegen des Ahnherrn.

Wilhelm (lacht). Nun merk’ ich die ganze Geschichte. O Pfiff, das ist excellent ausgedacht, das wird einen herrlichen Spaß geben.

Karl. Was Teufel soll denn der Ahnherr bei der Sache?

Pfiff. Nur Geduld, der soll hoffentlich die Hauptrolle dabei spielen.

Wilhelm. Laß ihn, Brüderchen!

Pfiff. Nun geben Sie Acht. Von diesem Augenblick an wird von dem gesunden Menschenverstande Abschied genommen, und Sie erzählen dem Moses mit fürchterlichen Gebehrden, daß Ihr Herr Großvater die Nacht erschienen sey, und Ihnen die größten Beleidigungen gesagt habe, daß Sie an den alten Moses auf die leichtsinnigste Weise einen Theil ihres Vermögens vergeudet hätten.

[78] Karl. Pfiff, Du wirst sehen, daß diese Marmorseele sich den Teufel etwas aus einem meiner Urgroßväter macht.

Wilhelm. Brüderchen, lasse ihn. Weiter, weiter!

Pfiff. Von nun an überlasse ich es Ihnen, auf welche Weise Sie ihn einige Augenblicke fesseln; doch muß es auch auf eine gewisse Spannung berechnet seyn, damit der furchtsame Jude empfänglich wird, wenn der Ahnherr erscheint.

Wilhelm. Herrlich! herrlich! Pfiff, ich bin der Ahnherr.

Pfiff. Sie haben zu befehlen, um so besser kann ich donnern und blitzen.

Karl. Du bist ein durchtriebener Spitzbube, Pfiff; aber ich sage es dir, so ein Gauner läßt sich wahrhaftig durch meine Ahnherren nicht verblüffen.

Pfiff. Wo denken Sie hin. Sie werden doch nicht glauben, daß ich Ihre ehrwürdigen Urväter in [79] Bewegung setzen werde, um dem geplünderten Enkel einige Münzen zu verschaffen?

Karl. Nun, wer soll denn eigentlich erscheinen?

Pfiff. Der Ahnherr vom alten Moses.

Wilhelm (lacht). Der Ahnherr vom alten Moses? O! das ist prächtig. Wenn er mich nun für den Messias ansieht, das könnte eine schöne Konfusion geben. Ha! ha! ha!

Karl (lacht). Das ist wirklich ein Original-Gauner-Kniff.

Pfiff. Bitte gehorsamst, nur ein schwacher Versuch eines bescheidenen Dilettanten.

Karl. Ja, Pfiff; aber ich fürchte, mit der Täuschung wird es auch bescheiden aussehen.

Pfiff. Lassen Sie mich nur. Die alte Fallthüre hier im Zimmer, worüber Sie beinahe die Beine gebrochen hätten, führt gerade nach meiner Kammer; auch wohnt ein jüdischer Trödler hier im Hause; nur noch wenige Augenblicke und [80] alle Hauptsachen sind beseitigt. (zu Wilhelm) Sie, Herr von Eschendorf, werden gefälligst, so wie ich mit Moses ankomme, sich auf Ihren Posten bemühen.

Wilhelm. Ja, Pfiff; Deine Sokratische Weisheit bewundernd, kannst du auf meinen vollkommenen Gehorsam rechnen.

Karl. Nun, ich bin mit Allem zufrieden, wenn der Teufel einmal an die Wand gemahlt werden soll, so mag es denn in Gottes Namen geschehen.

Pfiff. So gehe ich und sinne zugleich auf die kräftigen Worte des Ahnherrn, worauf dem Moses der Geldbeutel schicksalsmäßig, und zwar von Rechtswegen, gefegt werden soll. (ab)


Vierter Auftritt.
Vorige, ohne Pfiff.

Wilhelm. Brüderchen, das wird ein köstlicher Spaß werden, ich spreche, wie Du weißt, das sogenannte [81] Jüdisch-Deutsch nicht übel, und werde den Kerl so lange mit Redensarten martern, bis er Dir die gestohlenen 5000 Thaler wieder herausgibt, wenn er nicht etwa vor Schreck während der Unterhandlung seinen Geist aufgibt. Pro primo muß zugleich ein Licht ausgelöscht werden (er thut es; das Theater wird im Hintergrunde etwas dunkel). Halbdunkel hat schon an und für sich etwas Schauerliches.

Karl (lacht). Merkwürdig wär’s in der That, im Jahre 1827[2] einen Juden noch zu prellen.

Wilhelm. Auf mich kannst Du dich verlassen; sieh Du nur zu, daß Du bei Deiner Schwermuth nicht aus der Rolle fällst. Und wenn es uns gelingt, so muß ja ein policirter Staat uns eine extraordinaire Prämie noch obenein auszahlen lassen.

[82]
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Pfiff.

Pfiff. Nun, meine Herren, wenn nicht der Zufall die glücklichen Ereignisse des Lebens bestimmt, so sind wir alle drei in einem sehr guten Planeten geboren.

Wilhelm. Sprich.

Pfiff. Moses wird in wenig Augenblicken hier seyn. Ich fand ihn vor unserer Thüre, schon von Weitem schüttelte er mit dem Kopf, doch die Nachricht von den angekommenen Papieren magnetisirte ihn, und in wenigen Augenblicken waren wir im schönsten Rapport. Dem Trödler habe ich auf gutes Glück eine Menge fabelhafter Kleidungen weggenommen, wobei eine alte polnische Judenmütze meine Aufmerksamkeit ganz besonders auf sich gezogen hat. Willig gab er Alles für ein versprochenes Trinkgeld. Jetzt ist aber keine Zeit zu verlieren. (zu Karl) Drei fürchterliche Schläge sind das Zeichen, daß wir [83] vorbereitet sind, bis dahin müssen Sie den Moses schon unterhalten.

Wilhelm. Nun, Vetterchen, Adieu. Im Reich der Schattenwelt sehen wir uns wieder.

Karl. Wenn nur der Ahnherr nicht dummes Zeug macht. Ich fürchte, ich fürchte!

Wilhelm. Dafür bürgt mein Talent – mein Genie.

Pfiff. Kommen Sie, kommen Sie, es ist die höchste Zeit.

Wilhelm. Nun in Gottes Namen!

(Wilhelm und Pfiff rasch ab)


Sechster Auftritt.
Karl (allein).

Zu welchen verdammten Possen muß man seine Zuflucht nehmen, wenn man an einer unchristlichen Seele einen christlichen Versuch machen will. Wenn es gelingt, so ist es in der That ein Hauptspaß, und wenn es nicht gelingt? [84] I nun, eine Posse, die immer noch lächerlich genug ist. – Doch stille, ich höre Jemanden kommen.


Siebenter Auftritt.
Karl. Moses.

Moses. Gutten Abend, Herr von Eschendorf; der Herr Pfiff hot mer gesogen, daß Se hoben gekriegt Pepierchen, wo der Moses wieder helfen soll, und der olte Moses, der aus dem Helfen eine wohre Profession macht, is gekümmen, um zu helfen.

Karl. (ganz schwermüthig) Moses! – Moses! – Moses! – Gott! – Ach! –

Moses. Gottes Wunder, Se hoben gekriegt de Pepierchen und Se seufzen, was hoben Se gethon gestern, als Se hoben noch nischt gehat de Pepierchen? Sogen Se?

Karl. Ach, Moses! zwischen gestern und heute liegt das Weltgericht.

[85] Moses. Ich bitte Se, Herr von Eschendorf, was sprechen Se vom Weltgericht, was thu ich mit dem Weltgericht, wenn ich doch will sehen de Pepierchen aus der Weltgeschichte.

Karl. (springt auf) Moses! Moses! siehst Du nichts – dort schleicht er hin – der Geist! siehst Du ihn nicht, Moses? – Oh!

Moses. (furchtsam) Herr von Eschendorf, was sprechen Se; Se machen mer Angst, wenn ich nischt wer e braver Mann, ich kennte mich ferchten.

Karl. Wenn Du Muth hast, so höre meine fürchterliche Geschichte.

Moses. Herr von Eschendorf, warum sollt’ ich nischt hoben Muth, Se wessen ja, daß mei Sohn, der Schmul, ist mit gewesen, wie die Völker sich hoben geschlogen grausam.

Karl. Nun dann höre und staune!

[86] Moses. Ich bin gespannt, wahrhaftig recht gespannt.

Karl. (höchst schwermüthig) Moses, mir ist mein Urgroßvater erschienen.

Moses. Verseien Se, wor’s e reicher Herr?

(hier fallen drei Schläge, Moses erschrickt)

Karl. Moses, frevle nicht.

Moses. Verseien Se, ich wollte sogen: es wor gewiß en recht braver Herr.

Karl. Ein vortrefflicher Mann. Doch hat er keine Ruhe im Grabe, bis daß ich wieder den Theil meines väterlichen Vermögens an mich gebracht habe, um den ich betrogen wurde.

Moses. Do müssen Se nischt druff geben, de alten Leute hoben manchmol wunderliche Gedanken.

Karl. Dann rief er dreimal Wehe! über Dich.

Moses. (in höchster Angst) Mein Gott, er hot mer nischt gekennt, wie [87] kann er rufen Wehe über en armen Juden, den er hot nischt gekennt?

Karl. O! frevle nicht, Moses; wer weiß, ob Dir nicht selbst ein gleiches Schicksal wird.

Moses. Ne, Herr von Eschendorf, davor sind Se sicher, mein Großtate wor och nischt weiter wie e armer Jud, der kann gewiß nischt machen ene so kostspielige Reise.

(Blitz und Donner. Wilhelm kommt aus der Versenkung herauf)

Karl. Gott! Moses, sieh! um Gotteswillen sieh!

Moses. (sieht sich ganz erschrocken um) Gottes Wunder! Gottes Wunder! der Großtate, der alte Moses Schmul, wie er geleibt und gelebt!

(er sinkt halb ohnmächtig in einen Sessel. Donner und Blitz. Wilhelm verschwindet)

Karl. Moses, sage was ist Dir geschehen?

Moses. (erhohlt sich und sieht sich ängstlich um) Es war e Trom, mer kenn nischt druff geben.

[88]
(es fallen wieder drei Schläge)

Ne es war ken Trom, mer kenn wos druff geben. Herrn von Eschendorf, Se hoben mer gebeten gestern um 200 Dukaten, Se kennen Se kriegen.

Karl. Moses ich sehe, daß meine Lage Dich rührt, gib mir 500 Dukaten, dann hilfst Du mir wahrhaft.

Moses. 500 Dukaten kenn ich nischt geben. Globen Se mer als ehrlicher Mann, ich schwere Se su, daß ich selbst nischt hobe 500 Dukaten.

(Blitz und Donner. Wilhelm erscheint)

Moses. (so wie er den Donner hört) Ich schwöre Se su, daß ich kenn geben de 500 Dukaten.

Wilhelm. (mit hohler Stimme und mit jüdisch-deutschem Accent) Moses, Du bist e Schuft?

Moses. (in höchster Angst) Herr Moses Schmul, mer hoben gehot schlechte Zeiten.

[89] Wilhelm. (mit steigender Betonung) Du bist e Schuft!

Moses. Mer hoben e schlechten Cors, und sogen Se selbst, ob ich nischt bin e rechtlicher Mann, wenn ich gebe 500 Dukaten uff nischt?

Wilhelm. Du bist e Schuft!

(Blitz und Donner, Wilhelm verschwindet)

Moses. (ganz erschöpft) Herr von Eschendorf, lassen Se mir gehn, Se hoben mer gemacht ene große Fatalität an mei Schicksal, Se müssen mer bezohlen e Schmerzengeld an meine Fäntesie. (will fort)

Karl. (hält ihn zurück) Moses, Du wirst mich doch in dieser fürchterlichen Stunde nicht verlassen wollen?

Moses. Lassen Se mer gehn, ich geb Se hier gleich de 500 Dukoten.

Karl. Die arme Seele meines Ahnherrn muß beruhigt [90] werden, gib mir die 5000 Thaler zurück, um die Du mich betrogen hast.

Moses. De 5000 Thaler gebe ich nischt zurück, und wenn der alte Moses Schmul, der Großtate, und wenn er mer serreißt.

(starker Donner und Blitz, Wilhelm erscheint)

Karl. Moses, Du bist verloren.

Moses. Au wei! er serreißt mer. (wirft sich unter komischer Gebehrde auf den Stuhl)

Wilhelm. Moses Du bist e Schuft, vernimm zum ersten und letzten Mol Dei Schicksal.

Moses. Herr Moses Schmul, Se sind doch immer gewesen e braver Herr. Ich bitte, mochen Se es billig mit mein armes Schicksal, ich will ja gerne eppes thun, wenn dem Herrn Großtate e Gefallen geschieht.

Wilhelm. Seit drei und vierzig Jahren wandle ich uf Erden und hobe im Grabe nischt Ruh, weil ich hobe gethan e Schwur, daß meine Enkel sullen seyn ehrliche Leut.

[91] Moses. Tate, warum host Du geschworen so e fürchterlichen Schwur?

Wilhelm. Schweig. Du host gemacht e Geschäft, wo Du host betrogen um 5000 Tholer. Du host genommen Zinsen, de mer nischt können vertrogen im Himmel.

Moses. Gottes Wunder! mer kennen se hier unter recht gut vertrogen.

Wilhelm. Was hilft das Gesäure; höre Dei Schicksal. Du mußt geben de 5000 Tholer wieder heraus.

Moses. Tate, ich kenn nischt geben.

Wilhelm. Moses, ich gebe Dir den Fluch.

Moses. Tate, was sprechst Du?

Wilhelm. Höre mei letztes Wort; wenn Du nischt gleich herausgiebst de verbrecherischen 5000 Tholer hier uf de Stell, so findest Du taut Deine Memme.

[92] Moses. Meine Memme taut?

Wilhelm. Den Schmul taut.

Moses. Mein Schmul? Gott!

Wilhelm. Und Du selber sterbst am Galgen!

Moses. Gottes Wunder, ich sull sterben am Galgen? dos überleb’ ich nischt.

Wilhelm. (pathetisch) Moses, mer wird uf e Mol so nüchtern, foß Dich kurz un soge Dei Entschluß.

Moses. (ganz wehmüthig) Tate, kenn ich appeliren?

Wilhelm. Du kennst nischt appeliren.

Moses. Tate, ich bezohl de 5000 Thaler freiwillig, wenn Se es nischt mit Gewalt von mer verlangen.

Wilhelm. Nu so zohl aus in Güte.

[93]
(starker Donner)

Moses. (nimmt einige Papiere heraus) Hier, Herr von Eschendorf, hoben Se de 5000 Tholer in gutten Peppierchen.

Karl. Ach, Moses! schweige von deinem Gelde, mir starrt das Blut in den Adern.

Wilhelm. (drohend) Moses, zohl aus.

(Donner)

Moses. Herr von Eschendorf, seyn se gütig und nehmen Se mei Geld.

Karl. Nein, Moses, in dieser feierlichen Stunde nicht.

Wilhelm. (stärker drohend) Moses, zohl aus!

(Donner)

Moses. Herr von Eschendorf, hoben Se de einzige Barmherzigkeit, und nehmen Se mei verbrecherisches Geld. Se hören jo selbst, doß de arme [94] Seele vom Großtate nischt eher werd ruhig im Grab.

Karl. (nimmt das Geld) Nun so mag es darum seyn.

(während nachstehender Rede, welche mit Zwischenräumen gesprochen wird, hört man einige unharmonische Griffe auf einer Violine.)

Wilhelm. (nach einer kleinen Pause) Moses, ich bin versöhnt. – Lebe wohl – grüß mer de Memme, grüß mer den Schmul, leb wohl!

(Blitz und Donner. Wilhelm verschwindet)

Karl. Moses, Dein Geld kann mich nicht freuen.

Moses. Ich bin durchdrungen durch mei Mark und mei Bein, ober es kenn mer wahrhaftig och nischt freuen, daß Se hoben mei Geld. Herr von Eschendorf, ich bitte Se gor schain, hoben Se de Güte und sprechen Se nischt su de Leut.

Karl. Sey ruhig, Moses; die fürchterliche Geschichte bleibt ein Geheimniß.

[95] Moses. Auch nischt der Herr Pfiff, der muß auch nischt wessen.

Karl. Von mir erfährt er nichts.

Moses. (mit schwacher Stimme) Donn bitt’ ich, sein so gütig und lossen Se mer begleiten bis an de Trepp, es kenn mer wos passiren.

Karl. He, Pfiff, Pfiff!


Achter Auftritt.
Die Vorigen. Pfiff.

Karl. Pfiff, begleite Herrn Moses, es ist ihm nicht wohl!

Pfiff. Kommen Sie, Herr Moses!

Moses. (mit verstellter Freundlichkeit) Herr von Eschendorf, is mer ene grauße Ehre geweßt, daß Se mer hoben machen lossen [96] e klein Geschäft. Wenn Se künftig wieder etwos brauchen bei Tag und bei Nacht, gehn Se nischt vorbei den alten Moses.

Karl. Schon gut, Moses, schon gut.

Moses. Nun, Herr Pfiff, wenn er will hoben de Güte und will mer begleiten.

Pfiff. (faßt ihn unterm Arm)

Moses. (im Abgehen) Leben Se wohl! vergessen Se nicht zu schicken bei Tag und bei Nacht. (ab)


Neunter Auftritt.

Karl. (allein) Ha, ha, ha! Viktoria! Viktoria!

Wilhelm. (in seinem jüdischen Aufzuge tritt auf, indem er seinen Anzug abwirft) Es ist vollbracht.

[97]
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen. Pfiff.

Karl. (parodirend) Pfiff, Du hast überwunden!

Wilhelm. (komisch ernsthaft) Deine That wird einst von unsern Urenkeln erst nach wahrem Verdienste belohnt.

Pfiff. Aber ich hoffe, von den aus der Klemme Geholfenen doch nicht ganz vergessen zu werden?

Karl. Nein, sicher nicht. Nun, Wilhelm, sind wir wieder mobil. Lasse uns vor allen Dingen darauf denken, unsern Pfiff nach Würden zu belohnen.

Wilhelm. Ja, das wollen wir; komm, Brüderchen; Pfiff, rechne auf unsere Erkenntlichkeit. (ab)

[98] Pfiff. Da gehen Sie hin, und was bleibt mir? I, nun, die Dankbarkeit guter Menschen, und das Bewußtseyn einer schönen Handlung. (geht ab)

(Der Vorhang fällt).

Wikisource-Einzelnachweise

  1. Vgl. Gunnar Och: Literarischer Antisemitismus am Beispiel von E. T. A. Hoffmanns Erzählung „Die Brautwahl“. In: Mark H. Gelber (Hg.): Studien zur deutsch-jüdischen Literatur- und Kulturgeschichte von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Festschrift für Hans-Otto Horch zum 65. Geburtstag. Niemeyer, Tübingen 2009, ISBN 978-3-484-62006-3, S. 57–72.
  2. Die Jahreszahl wurde vom Herausgeber aktualisiert. In der 1819 erfolgten Publikation des Einakters in Der Freimüthige für Deutschland lautete die Jahreszahl entsprechend noch „1819“. (siehe Google)