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BLKÖ:Windisch-Grätz, Alfred Candid Ferdinand Reichsfürst

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Windisch
Band: 57 (1889), ab Seite: 1. (Quelle)
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Windisch-Grätz, Alfred Candid Ferdinand Reichsfürst (k. k. Feldmarschall, Ritter des goldenen Vließes, Großkreuz des k. k. Maria Theresien-Ordens, geb. zu Brüssel am 11. Mai 1787, gest. zu Wien am 21. März 1862). Ein Sohn des Reichsgrafen Joseph Niclas zu Windisch-Grätz [S. 60] aus dessen zweiter Ehe mit Maria Francisca Leopoldine Prinzessin von Arenberg, verlebte er die ersten Kinderjahre theils auf den väterlichen Herrschaften Tachau und Štěkna in Böhmen, theils in Wien. Unter Aufsicht der Eltern leiteten mehrere Lehrer die Erziehung des begabten Knaben, unter diesen befand sich auch ein emigrirter französischer Edelmann. Im 15. Lebensjahre verlor Graf Alfred seinen Vater, und da die beiden älteren Brüder schon einige Jahre früher gestorben waren, trat er in den Besitz des Majorates und der Herrschaften Tachau und Štěkna unter Vormundschaft seiner Mutter, welcher als Mitvormund Fürst Joseph Schwarzenberg zur Seite stand. Als er am 24. Mai 1804 die Reichsfürstenwürde erlangte, wurde von ihm die Grafschaft Egloffs und Siggen im schwäbischen Kreise angekauft und dieselbe von Seiner Majestät dem Kaiser zum Reichsfürstenthum Windisch-Grätz erhoben. In den letzten Jahren seiner Erziehung trieb der nunmehrige junge Fürst vornehmlich classische Studien, und Geschichte und machte sich mit den die damalige Weltbildung beherrschenden Erzeugnissen der französischen Literatur bekannt, wobei er es bald zu formvollendeter Anwendung der deutschen und französischen Sprache in Wort und Schrift brachte. Als der Augenblick erschienen war, aus eigenem Entschlusse über seine nächste Zukunft zu entscheiden, faßte der Fürst den Vorsatz, sich dem Waffendienste zu widmen und in die kaiserliche Armee zu treten, wogegen sich, da seine Vorfahren meist die staatsmännische und diplomatische Laufbahn verfolgt hatten, auch zu jener Zeit die Häupter reichsständischer Familien selten hierarchischen Dienstesverhältnissen sich einzuordnen pflegten, in seiner Familie mancher Widerspruch erhob, durch den sich aber der junge Fürst in seinem Entschlusse nicht beirren ließ. Nachdem er vor seinem Eintritte in die kaiserliche Armee eine kurze militärische Ausbildung erhalten hatte, wurde er als Haupt eines reichsunmittelbaren Fürstenhauses von Seiner Majestät dem Kaiser Franz im Juni 1804 zum Oberlieutenant im 2. Uhlanen-Regimente Fürst Schwarzenberg ernannt. Zunächst diente er in der Stabsstation Ungarisch-Brod in [2] Mähren, dann führte ihn der Herbst 1804 in das große Truppenlager bei Prag, in welchem er, zum ersten Male größere Heeresabtheilungen vereinigt sah und neben dem Kaiser Franz und Erzherzog Karl manche militärische Größen, wie den Fürsten Rosenberg, die Cavallerieobersten: Grafen Louis Wallmoden, Karl Kinsky und Civalart, ferner viele andere in der Folge berühmt gewordene militärische Persönlichkeiten, so die kühnen Streifcorpsführer Rittmeister Scheibler und Baron Tettenborn, persönlich kennen lernte. In den höheren Gesellschaftskreisen der böhmischen Hauptstadt begegnete der Fürst dem Prinzen Louis Ferdinand von Preußen, dem lebhaften Haupte der antifranzösischen, später sogenannten Kriegspartei in Preußen, der Prinzessin von Solms (späteren Königin von Hannover) u. v. A. Im nächsten Winter begab er sich mit Urlaub nach Brüssel auf Besuch seiner mütterlichen Verwandten, der Arenberg’schen Familie. Dort lernte er mehrere französische Generale und interessante Militärs aller Grade kennen und gewann den ersten Eindruck der gewaltigen Kriegsorganisation, welche unter Napoleon dem alternden Europa jetzt gegenüberstand. Da dieser zur Befestigung seiner neu creirten Dynastie immer mehr und mehr die kleineren Reichsstände in den sich vorbereitenden Rheinbund aufzunehmen und an den Ruhm seiner Adler und Fahnen zu fesseln suchte, wurde auch dem Fürsten die Immediatstellung seines Hauses und seinem militärischen Ehrgeize das Commando eines französischen Reiter-Regimentes angeboten. Die nahe Verwandtschaft mit den halb als Franzosen angesehenen Arenbergs war ein Motiv mehr für diesen Antrag, aber bei den festen Principien des damals 18jährigen Fürsten verfingen diese Verlockungen nicht. Als Curiosum sei hier erwähnt, daß Fürst Windisch-Grätz zu jener Zeit von Brüssel die ersten Cigarren nach Oesterreich brachte, deren Gebrauch er unter den dortigen Freunden kennen gelernt und die er von einem spanischen Diplomaten als Geschenk erhalten hatte. Und wie groß auch der Abscheu gegen diese neue Gewohnheit in den höheren Gesellschaftskreisen anfangs war, er blieb derselben bis an sein Lebensende treu. Im Frühjahre 1805 rückte er wieder zu seinem Regimente in Mähren ein, und wenige Monate später begann aufs neue der Krieg. Zum Secondrittmeister vorgerückt, erlebte Windisch-Grätz anfangs October 1805 in der Gegend von Ulm seine ersten Gefechte. Seine Abtheilung gerieth mit den übrigen in Ulm verbliebenen Truppen durch die Capitulation dieses Platzes in Kriegsgefangenschaft. Ein glückliches Zusammentreffen des Fürsten mit dem ihm von Brüssel her persönlich bekannten französischen General Belliard, Generalstabschef Murat’s, gab ihm Gelegenheit, das Ersuchen um Entlassung bis zur Auswechslung zu stellen. Zu diesem Zwecke ward er von Belliard in das französische Hauptquartier beschieden. Hier trat er das erste und einzige Mal in seinem Leben Napoleon gegenüber. Der Kaiser kannte von Brüssel des Fürsten Großmutter, die Prinzessin Arenberg, die er hoch schätzte. Windisch-Grätz erhielt seine Freilassung und nachdem ihm gestattet worden, seinen gleichfalls in Gefangenschaft gerathenen Regimentskameraden, Rittmeister Fürsten Karl Auersberg, mit sich zu nehmen, reiste er mit demselben heim nach Böhmen, wo nach der unglücklichen Austerlitzer [3] Schlacht seine Auswechslung erfolgte. Die klägliche Heeresleitung und mangelhafte Organisation, deren Augenzeuge der junge Fürst gewesen, hatten jedoch denselben nicht entmuthigt, und mit umso größerer Zuversicht wurde er einer der eifrigsten Schüler jener Reformen und Vorschriften, welche der neue Generalissimus Erzherzog Karl in der Armee einzuführen sich berufen fühlte. 1808 zum Escadronscommandanten vorgerückt, widmete er sich mit gleichem Eifer sowohl seiner eigenen militärischen Ausbildung, als jener seiner Abtheilung. Von seinen Kameraden geliebt und geachtet, lebte er mit diesen im freundlichsten Verkehre und sah die Officiere seiner Escadron in der Regel an seinem eigenen Tische. Als im Jahre 1809 der Krieg ausbrach, erhielt das Uhlanen-Regiment Fürst Schwarzenberg seine Eintheilung im ersten Armeecorps des Generals der Cavallerie Grafen Bellegarde mit der Bestimmung, am linken Donauufer aus Böhmen nach Bayern hervorzubrechen und durch Streifcommanden die aus Mittel- und Norddeutschland heranziehenden feindlichen Colonnen zu überwachen. Mit einem solchen Streifcommando wurde auch Rittmeister Fürst Windisch-Grätz betraut. Er löste seine Aufgabe mit Glück und Umsicht, und bis tief nach Franken hinein, bis in die Baireuther Gegend führte er seine Streifzüge aus, bis er zu der in das südliche Böhmen sich zurückziehenden Armee einrücken mußte. Den Befehl, die in einem kleinen fränkischen Städtchen zu Gunsten des österreichischen Heeres gesammelten bedeutenden Magazine zu verbrennen, führte er nicht aus, da diese harte Maßregel zum Ruine und zur Einäscherung der ganzen Ortschaft geführt und auch eine für die österreichischen Waffen gewiß nur sehr nachtheilige Stimmung unter der Bevölkerung erzeugt hätte. Doch blieb diese Uebertretung eines gegebenen Befehles bei den damals sich überstürzenden Ereignissen ungeahndet. Auf dem Weitermarsche durch Südböhmen und Niederösterreich bis ins Marchfeld mit seiner Escadron als Geschützbedeckung der Reserveartillerie zugetheilt, nahm er ferner Theil an der glänzenden Recognoscirung des Obersten Grafen Hardegg am Vorabende der Schlacht bei Aspern, sowie an den Kämpfen der letzteren (20., 21. und 22. Mai). Am letzten Schlachttage, am 22. Mai, traf ihn ein Schuß am Unterleibe. Die anfangs sehr gefährlich erscheinende Verwundung erwies sich bei näherer Untersuchung als ein Streifschuß, dessen Heilung in der nun mehrwöchentlichen Ruhepause schleunig vor sich ging. Während dieser Zeit wurde Fürst Windisch-Grätz zum Major in dem eben in der Errichtung begriffenen böhmisch-ständischen Landwehrdragoner-Regimente befördert, jedoch auf seine Bitte in eine vor dem Feinde stehende Linientruppe, nämlich in das erste Uhlanen-Regiment Graf Merveld eingetheilt. Kaum von seiner Wunde genesen, erhielt er den Auftrag, 21/2 Escadronen seiner Uhlanen an die böhmisch-fränkische Grenze zu führen, um die daselbst unter Feldmarschall-Lieutenant Baron Kienmayer zusammengerafften Truppen zu verstärken. Letzterer löste hier seine Aufgabe, mit einem schwachen Truppencorps die beiden gegen ihn heranrückenden Heerestheile Junot’s und des Königs von Westphalen zu schlagen. Kaum war der Fürst mit seinen Uhlanen in Eger eingerückt, so ward er von General Kienmayer in die Gegend von Gfrees beordert, wo er noch am Tage seines Eintreffens (8. Juli) ein [4] glänzendes Gefecht gegen Junot bestand. Er commandirte die gesammte aus detachirten Abtheilungen und Depots zusammengewürfelte Reiterei Kienmayer’s. Als dieser nach dem Gefechte bei Plauen (12. Juli), in welchem sich König Jérôme zum eiligen Rückzuge gezwungen sah, die Hiobsposten aus dem Marchfelde von der Wagramer Schlacht und dem Rückzuge nach Mähren erhielt, entsandte er, den baldigen Abschluß eines Waffenstillstandes besorgend, um für diesen Fall möglichst viel Terrain zu Gunsten späterer Unterhandlungen zu gewinnen, den Major Windisch-Grätz mit dem Auftrage schleunigster Verfolgung des Königs. Diesen Auftrag ausführend, besetzte Windisch-Grätz mit einigen schwachen Posten das Ufer der Saale und fuhr dann zu Wagen mit einem Trompeter dem Könige bis an die Thore Erfurts nach, wo er Jérôme’s ersten Schrecken, der durch mehrere sich bildende Aufstandsversuche der Deutschen noch gesteigert wurde, benützte, um einen Waffenstillstand, mit der Saale als Demarcationslinie, abzuschließen. Der Znaimer Waffenstillstand machte aber alle durch General Kienmayer errungenen Vortheile wieder illusorisch. Auf dem Rückwege nach jener Verfolgung wollte Fürst Windisch-Grätz in Weimar bei dem ihm bekannten Großherzoge vorsprechen; dieser aber, in Besorgniß, sich bei den Franzosen bloßzustellen, weigerte sich, den kaiserlichen Stabsofficier zu empfangen. Als dann anläßlich einer späteren Reise in diesen Gegenden der Fürst die Pferde in Weimar auf der Post wechselte, erschien der damalige weimarische Geheimrath, später als preußischer General bekannte Baron Müffling im Auftrage des Großherzogs mit der Bitte, doch im Residenzschlosse absteigen zu wollen, worauf er jedoch die Antwort erhielt: „wo der kaiserliche Major nicht aufgenommen wurde, wolle auch Fürst Windisch-Grätz nicht hingehen“. Dieser kleine Zug gibt einen Einblick in die Stimmung jener Zeitepoche, und wie die kleinen deutschen Fürsten Napoleon gegenüber alle Fassung und Selbstachtung verloren. Nach dem Kriege 1809 trieb der Fürst in seinem Dienste vor Allem Fachstudien und pflegte auch mit besonderer Vorliebe die Kunst des Reitens, worin er sich unter Anleitung eines damals in Nachod lebenden französischen Emigranten, eines Meisters in diesem Fache, zu der bis in die spätesten Lebensjahre an dem nachmaligen Feldmarschall bewunderten Vollendung ausbildete. Dem Parteigetriebe, welches schon vor und theilweise während des Feldzuges 1809, vornehmlich aber nach der Wagramer Schlacht in Oesterreich in allen Kreisen der Gesellschaft, in der Staatsverwaltung und unter höheren Militärs, und zwar oft sehr schroff und leidenschaftlich hervorbrach, blieb der Fürst grundsätzlich ferne. Als aber 1812 die Politik von Seite Oesterreichs die Aufstellung eines Auxiliarcorps unter dem Feldmarschall Fürsten Schwarzenberg zu Gunsten Napoleons erheischte, konnte er dies nicht mit seiner militärischen Anschauung vereinen und reichte sein Quittirungsgesuch ein. Dieses bewilligte der Kaiser nicht, aber die loyale Gesinnung und die geleisteten Dienste des Fürsten würdigend, gestattete er ihm einen Urlaub, dessen Dauer allein von dem Ermessen des Bewerbers abhängen sollte. Der Fürst verfügte sich nun nach Böhmen, wo er in kurzer Zeit seine Mutter und eine geliebte Schwester durch den Tod verlor. Das Frühjahr 1813 brachte der Fürst in Wien zu, und im vertrauten, fast täglichen [5] Verkehre mit Metternich, im häufigen Umgange mit dem russischen Gesandten Grafen Stackelberg und vielen anderen hervorragenden Staatsmännern und Diplomaten jener Epoche wurde er in die Lage und den Gang der politischen Verhältnisse, ohne dabei selbst thätig zu sein, eingeweiht. Damals, ehe noch die Dinge in Preußen zur endlichen Entwicklung gelangt waren, kam eines Tages auf einer Reise in persönlicher Angelegenheit Prinz Ferdinand Coburg nach Wien und vertraute dem Fürsten an, „daß er auf seiner Durchreise in Berlin im tiefsten Geheimnisse von König Friedrich Wilhelm III. beauftragt worden sei, in dessen schwieriger Lage den Kaiser Franz um Freundesrath zu bitten“. Der Fürst forderte ihn dringend auf, ungesäumt beim Kaiser eine Audienz zu begehren. Und so war Prinz Coburg einer der ersten Boten des wiederkehrenden Verständnisses zwischen den natürlichen Gegnern Napoleons. Als dann im Sommer 1813 Kaiser Franz und die leitenden Staatsmänner zu den wichtigen Conferenzen in Prag versammelt waren, befand sich Fürst Windisch-Grätz an jenem für Napoleon so verhängnißvollen Abende des 10. August bei Metternich, als um die Mitternachtsstunde, mit der die letzte Frist zu friedlicher Vermittlung ablief, der genannte Staatsmann auf den anwesenden Feldmarschall Fürsten Schwarzenberg zutrat, um ihm zu der nunmehr in seine Hand gelegten kriegerischen Leitung der Geschicke ein glückliches Vollbringen zu wünschen. Sofort nach dem Umschwunge der politisch-militärischen Situation hatte der Fürst sein Wiedereinrücken zur Armee gemeldet und erhielt, gleichzeitig zum Oberstlieutenant befördert, seine Eintheilung bei Graf O’Reilly-Chevauxlegers Nr. 3. Dieses durch seinen Kriegsruhm bewährte Regiment hatte im letzten Feldzuge 1812 gegen Rußland in der Schlacht vom 20. auf den 21. September das Unglück gehabt, im Lager bei Nieswicz durch den Ueberfall einer bedeutenden feindlichen Uebermacht drei Standarten zu verlieren. Obwohl der russische Kaiser dieselben sogleich nach dem Frieden zurückstellen ließ, so erklärte doch Kaiser Franz bei einer im Frühsommer 1813 in Mähren über dieses Regiment abgehaltenen Revue demselben: „es müsse ohne Standarten ins Feld ziehen, werde diese erst nach seiner ersten glücklichen Waffenthat wieder erhalten“. Oberstlieutenant Windisch-Grätz sollte dem braven Regimente dessen alte Ehrenzeichen wieder verschaffen. Ende September und Anfangs October befehligte er die Avantgarde des 4. Armeecorps und focht am 6. October bei Pennig und am 13. und 14, bei Liebertwolkwitz, endlich an den drei Ruhmestagen bei Leipzig. Als am ersten Tage (16. October) der Feind sich mit einer überlegenen Macht der Anhöhe von Liebertwolkwitz, die mit drei Geschützen gekrönt war, bemächtigt und die drei Kanonen genommen hatte, rückte der Fürst, als er diese gefährliche Wendung der Dinge wahrgenommen, mit seiner Division im heftigsten Feuer vor, attaquirte an der Spitze einer Escadron die im Sturmschritte hervorbrechende feindliche Infanterie und nahm ihr die eroberte halbe Batterie wieder ab. Dann ließ er sofort durch die zur Unterstützung aufgestellte zweite Escadron das in die Flanke vorrückende französische Gardecavallerie-Regiment angreifen, worauf dieses auf eine ziemliche Strecke zurückgeworfen wurde. Durch diese beiden glänzenden Attaquen waren die russischen und preussischen [6] Batterien, sowie die österreichische Infanterie im Stande, den Ort Seifertsheim zu besetzen, und die rückwärts aufgestellten österreichischen und russischen Cavallerieabtheilungen konnten sich in guter Ordnung und ohne bedeutenden Verlust hinter die Gräben von Fuchshein zurückziehen. Noch am Abende desselben Tages unterstützte der Oberstlieutenant durch wiederholte Attaquen die Bajonnetangriffe der Infanterie bei den erneuerten Stürmen der Franzosen auf Seifertsheim in entsprechender Weise. In Anerkennung dieser Ruhmesthat erhielt das Regiment O’Reilly-Chevauxlegers seine verlorenen drei Standarten wieder, und das Officierscorps desselben forderte seinen Oberstlieutenant auf, mit ihren Zeugnissen seine berechtigten Ansprüche auf den Theresienorden geltend zu machen. Nach der Einnahme Leipzigs commandirte der Fürst die Avantgarde der leichten Armeedivision des Feldmarschall-Lieutenants Fürsten Moriz Liechtenstein und überschritt am 20. December 1813 bei Lauffenberg den Rhein. Bereits in Frankfurt hatte er seine Ernennung zum Obersten und Commandanten des 8. Kürassier-Regimentes Großfürst Constantin erhalten, welches, einst als Dampierre-Kürassiere Retter des Kaisers und von diesem mit Privilegien reich begnadet, das älteste Reiter-Regiment der Armee ist. Kaiser Franz ließ den 26jährigen Obersten zu sich rufen, um ihm persönlich zu sagen, daß er ihn auch deshalb ausdrücklich für dieses Regiment bestimmt habe, um dafür Sorge zu tragen, daß Großfürst Constantin, der durchaus keinen zweiten Inhaber haben wollte und ein nicht leicht zu behandelnder Herr sei, durch ein entsprechend kluges, aber auch entschiedenes Benehmen seines Obersten gehindert werde, den in der kaiserlich österreichischen Armee üblichen und gesetzlichen Vorschriften entgegenzuhandeln. Im Jänner 1814 war Oberst Fürst Windisch-Grätz mit seiner Avantgarde in der Nähe von Salins zur Ueberwachung des Forts St. Andrée aufgestellt und bestand daselbst einige Vorpostengefechte, ebenso am 1. und 4. Februar bei Maisonsblanches und Grand-Vacheries. Bei ersterer Ortschaft, wo bedeutende feindliche Truppenmassen Stellung hatten, wollte er deren Stärke erfahren, um zu ermessen, ob ein Angriff auf dieselben zu wagen wäre. Nachdem er seinem Commandanten, dem Divisionär Fürsten Moriz Liechtenstein, sein Vorhaben gemeldet, nahm er einen Trompeter mit sich, ritt auf die feindliche Aufstellung zu und begehrte als Parlamentär zu dem höchst commandirenden feindlichen General geführt zu werden. Bald ward er die große Ueberlegenheit des Gegners gewahr, und als der feindliche General, welcher merkte, daß der Parlamentär nur gekommen sei, um die Position und deren Stärke auszukundschaften, eben Miene-nachte, denselben als Gefangenen zurückzuhalten, gab Oberst Windisch-Grätz seinem Pferde die Sporen und war schon davongesprengt, noch ehe der feindliche General und dessen Umgebung aus ihrer Verblüffung zu sich kamen. Mitte Februar 1814 erhielt er den Befehl, zu seinem neuen Regimente Großfürst Constantin-Kürassiere einzurücken. Einige Tage nach Uebernahme des Commandos flocht er sich ein neues Blatt in den Kranz seiner Waffenthaten. Es war am 23. Februar bei Troyes, wo es galt, der Reserve-Cavallerie-Division Nostitz, auf welche der Feind drängte, den Rückzug zu decken, dessen Nachtrab der befehligte. [7] Mit zwei Schwadronen Sommariva-Kürassieren und einem Theile seines eigenen Regimentes warf er sich der ganzen feindlichen Reiterei entschlossen entgegen, griff sie neunmal mit ungemeiner Tapferkeit an und schlug sie jedesmal zurück, so daß die bedrohte Reserve-Cavallerie-Division völlig ungestört ihren Rückzug bewerkstelligen konnte. Nur wenige Wochen später begründete er durch eine neue glänzende Waffenthat den ausgezeichneten Ruf der Constantin-Kürassiere, und zwar am 25. März im Treffen bei La Fère Champenoise, wo er mit seiner Truppe in die feindliche Masse von vier Regimentern junger Garde, welche mit schwerem Geschütz zur Deckung des Rückzuges der Marschälle Mortier und Marmont diesseits des Pleurbaches aufgestellt war, verwegen eindrang, den größeren Theil der feindlichen Reiter niedermachte, viele gefangen nahm, darunter den General Jamin, und überdies eilf schwere Geschütze eroberte. Dieser kühne Angriff trug wesentlich zum Erfolge des Tages bei. Seine Majestät der Kaiser schmückte die Brust des tapferen Obersten für die That am Kolmberge bei Leipzig nachträglich mit ah. Handbillete ddo. Paris 2. Mai mit dem Ritterkreuze des Maria Theresien-Ordens, Kaiser Alexander von Rußland verlieh ihm für Troyes den Georgsorden vierter Classe und für La Fère Champenoise den Ehrendegen der Tapferkeit. Beim feierlichen Einzuge der Monarchen in Paris wurde zu deren unmittelbarer Begleitung das Kürassier-Regiment Constantin bestimmt, und der junge Oberst sah aus so ehrenvollem Anlaß diese Stadt zum ersten Male. Daselbst lernte er auch den 9 Jahre jüngeren Großfürsten Nicolaus von Rußland kennen, den Kaiser Alexander ausdrücklich darauf hingewiesen, die Bekanntschaft des Obersten zu pflegen. Nach Abschluß des Friedens wurde der Fürst beauftragt, bei der Wiedereinsetzung des Königs von Sardinien in dessen Staaten und bei dem Einzug desselben in Turin gleichzeitig mit den Abgesandten der übrigen Verbündeten seinen kaiserlichen Herrn zu vertreten. Das aus diesem Anlaß ihm verliehene Großkreuz des sardinischen Mauritiusordens sandte er 34 Jahre später (1848) dem Könige Carlo Alberto durch die kaiserlichen Vorposten zurück. Das Regiment hatte Indessen die Bestimmung zur Aufwartung in Wien für die Dauer des Congresses erhalten, und der Fürst begab sich nach Beendigung seiner Mission in Italien in die Kaiserstadt. Während des Wiener Congresses gehörten die kräftigen Gestalten der Constantin-Kürassiere und ihr jugendlicher Oberst zu den glänzendsten Erscheinungen der zahlreichen militärischen Festlichkeiten. Das nach den letzten Feldzügen mit einer großen Menge von Recruten und Remonten ergänzte Regiment hatte der Fürst in kürzester Zeit in besten Stand zu setzen und sich die beifällige Anerkennung seines Kaisers wie der vielen in Wien anwesenden militärischen Fachmänner zu erwerben verstanden. Was nun die Conflicte mit dem Inhaber, dem Großfürsten Constantin, betrifft, deren hie und da erwähnt wird, so hat in neuerer Zeit Freiherr Helfert in seinem in den Quellen angeführten Werke den wahren Sachverhalt berichtet und alle abweichenden Darstellungen richtig gestellt. Der Fürst hatte durch seine correcte Haltung gegenüber dem eigenmächtigen Inhaber jede Ausschreitung desselben zu beseitigen und die Würde und Ehre des berühmten Regimentes zu wahren verstanden. In geselliger Beziehung aber nahm er an allen [8] großen Festlichkeiten, Caroussels u. s. w. persönlich Theil, besuchte die diplomatischen Salons, so jene des geistvollen Fürsten de Ligne, des Feldmarschalls Fürsten Karl Schwarzenberg, Moriz Liechtenstein, wo die großen politischen Fragen verhandelt wurden. Im Feldzuge 1815 hatte das Regiment Constantin-Kürassiere keine Gelegenheit mehr, in eine feindliche Action zu kommen; es marschirte nach Paris, wo es als ein Theil der Besatzung zu bleiben bestimmt und unter den unmittelbaren Befehl des Herzogs von Wellington gestellt war. Seine Anwesenheit in Paris benützte der Fürst, um Land und Leute gründlich kennen zu lernen, deren Charakter und Wesen ihm wenig Sympathien entlockten. Dem verletzenden Uebermuth der Sieger aber, namentlich der Engländer, der hie und da doch zu grell hervorbrach, trat er mit Entschiedenheit entgegen. Im Spätherbste 1815 bezog das Regiment die Friedensstation Brandeis bei Prag, von wo es für das Jahr 1819 zur Aufwartung nach Wien bestimmt wurde, um bei der zweihundertjährigen Jubelfeier der Rettung Kaiser Ferdinands II. durch Dampierre-Kürassiere – die Vorfahren dieses Regimentes – Dienst zu thun und bei diesem festlichen Anlasse eine erneuerte Bestätigung der damals erhaltenen Privilegien und Auszeichnungen zu empfangen. Als nun Oberst Fürst Windisch-Grätz beim Einmarsche des Regimentes dasselbe, den ertheilten Vorrechten gemäß, durch die kaiserliche Hofburg führte und Kaiser Franz dem Vorbeimarsche der Truppe aus einem Fenster zusah, sagte dieser zu dem neben ihm stehenden Oberstkämmerer Grafen Wrbna: „Sehen Sie den Windisch-Grätz da unten, ist jetzt ein brillanter Oberst, der sich im Kriege recht ausgezeichnet hat; das haben aber auch Andere gethan, ich sehe aber mehr in ihm, und es sollte mich wundern, wenn er meinem Hause nicht noch einmal große Dienste leisten sollte.“ Noch am selben Abende theilte Graf Wrbna im Salon des Fürsten Metternich dem Fürsten diesen Ausspruch des Monarchen im Vertrauen mit. Gelegentlich der erwähnten Säcularfeier schlug das Regiment im Sinne seiner Privilegien auf dem Burgplatze seinen Werbetisch auf, und es ließen sich viele junge Männer des hohen Adels und angesehener Bürgerfamilien Wiens in dasselbe einreihen. Auch des Vorrechtes, in Dienstesfällen, wo es sich um Angelegenheiten des Regimentes handelte, unangemeldet und in voller Rüstung bei Seiner Majestät dem Kaiser einzutreten, bediente sich der Fürst. Als wegen der vielen überzähligen Officiere jeder Charge ein längerer Stillstand in der Beförderung zu erwarten stand, erschien der Fürst plötzlich in Wien, begab sich unangemeldet zu Seiner Majestät, um etwaigen gegentheiligen Einwirkungen zu begegnen, und verschaffte dem rangältesten tapferen Rittmeister Staader die ihm gebührende Majorstelle im Regimente. In den nun folgenden Friedensjahren widmete er sich auf das eifrigste der Ausbildung und Führung seines Regimentes, welches im Mai 1820 die Stabsstation Klattau in Böhmen bezogen hatte, und wußte den Geist der Vorschriften des Erzherzogs Karl thatsächlich ins Leben zu rufen. Lag ihm die Ausbildung des Mannes besonders am Herzen, so behielt er doch auch die höhere Bildung der Officiere in Officiersschulen durch Vorträge über Geschichte und Geographie fest im Auge. So galt das Regiment Constantin-Kürassiere bald als eine vorzügliche [9] Schule für junge Officiere, und aus den Reihen des Officierscorps unter dem dreizehnjährigen Commando des Fürsten gingen hervor: 1 Feldmarschall, 3 Generale der Cavallerie, 7 Feldmarschall-Lieutenants und 3 Generalmajore. Der Fürst lebte in stetem engen Verkehre mit seinen Officieren, die ohne Unterschied des Ranges als Gäste zu seinem Tisch und Theilnehmer zu Jagden auf seinen Gütern geladen waren. Im Spätherbste 1826 rückte er in seiner Rangstour zum Generalmajor vor und übernahm die Grenadierbrigade in Prag, deren Hauptkörper die drei aus den Divisionen der neun böhmischen Infanterie-Regimenter zusammengesetzten Bataillone bildeten, eine Truppe, die bestimmt war, von diesem Tage an bis zur Stunde seiner Abberufung von der Armee in Ungarn 1849 unter seiner Führung als Brigadier, Divisionär, Commandirender und Armeecommandant zu stehen. Mit Ernst und Kraft trat er an seine neue Aufgabe, sorgte für Fleiß und Ordnung und hielt auf den steten dienstlichen Contact der Officiere mit ihrer Mannschaft, so daß diese drei Grenadier-Bataillone, wie es sich auch in entscheidenden Momenten erwies, den gegründeten Ruf einer Elitetruppe erlangten. Da es für die taktischen Uebungen einer Brigade zu jener Zeit an näher bestimmten Normen fehlte, schuf sich der General eigene Vorschriften, hierin ähnliche Ansichten wie jene Radetzky’s vertretend. Vernachlässigte Truppen brachte er auf einen besseren Stand, minder geeignete, aber sonst brave Officiere entfernte er im Interesse des Dienstes in schonender Weise und suchte talentvolle und charakterfeste Officiere auf alle Art zu befördern. Als 1830 die Cholera ausbrach, kehrte er von seinem Urlaube, den er eben angetreten, eilends auf seinen Posten zurück, kam täglich in die theilweise im höchsten Grade inficirten Spitäler und Kasernen, suchte der umsichgreifenden Verstimmung zu steuern und setzte es mit äußerster Energie durch, daß ein in besonders ungesunder Kaserne untergebrachtes Bataillon binnen 24 Stunden auf dem Lande einquartiert wurde, und mit einem Male hörten die Verluste dieser Truppe, die sich aufzulösen drohte, nicht ohne Vortheil für die Bevölkerung gänzlich auf. Diese Sorgfalt gewann dem Brigadier auch die vollkommenste Anhänglichkeit der Grenadiere, in deren Reihen selbst im ferneren Verlaufe der Jahre eine traditionelle Hingebung für ihn herrschte. In jener Zeit bildete sich gegen die Regierung eine heftige Opposition der böhmischen Stände, welche sich durch verschiedene Normalien und Einführungen der kaiserlichen Behörden in ihren Rechten gekränkt fühlten. Fürst Windisch-Grätz, der es mit seiner militärischen Stellung unvereinbar hielt, sich selbst an den Debatten des Landtages zu betheiligen, wurde sowohl von Seite des Oberstburggrafen als auch der Opponenten angegangen, die vorliegenden Streitfragen persönlich mit Seiner Majestät dem Kaiser zu verhandeln, wozu er sich, wenn die ah. Erlaubniß erfolgte, bereit erklärte. Er reiste nun, mit den nöthigen Documenten versehen, im Frühjahre 1825 nach Wien und führte, ungeachtet aller bureaukratischen Ränke, in einer persönlichen Besprechung mit dem Monarchen bei dessen bekanntem strengen Gerechtigkeitssinne seine Aufgabe zur Beruhigung beider Parteien durch. 1830 zum Ritter des goldenen Vließes ernannt, erhielt er 1832, noch als Brigadier, was als besonderes Zeichen kaiserlicher Gnade gelten konnte, die zweite Inhaberstelle [10] des 1. Kürassier-Regimentes Kaiser, und am 30. Mai 1833 wurde er Feldmarschall-Lieutenant und Divisionär in Prag. Als im September dieses Jahre eine Zusammenkunft des österreichischen und russischen Kaisers zu Münchengrätz stattfand, übernahm er den Oberbefehl über die dort concentrirten Truppen. In dieser Stellung in täglicher Berührung mit den beiden Monarchen gewann er in hohem Grade die Zuneigung des Czaren, welcher ihm als Zeichen derselben den Alexander Newski-Orden verlieh. Den Kaiser Franz drückten in jener Zeit sowohl äußere als innere Regierungs- und überdies manche Familiensorgen, insbesondere bezüglich der angegriffenen Gesundheit seines Nachfolgers. In solcher Stimmung forderte der Monarch den in voller Manneskraft und Entschlossenheit vor ihm stehenden Czar zu dem Versprechen auf, seinem Nachfolger, falls dieser jemals in Gefahr kommen sollte, treu und redlich zur Seite zu stehen. Der Czar, tief ergriffen, gab feierlich Wort und Handschlag, dieser Erwartung zu entsprechen, und empfing knieend den Segen des österreichischen Kaisers. Kein Zeuge war zu dieser ernsten Stunde gegenwärtig, aber beide Herrscher, jeder für sich, theilten in den nächsten Tagen dem Fürsten Windisch-Grätz das Vorgefallene mit. Fünfzehn Jahre später war derselbe berufen, an diesen wichtigen Augenblick zu appelliren. In den Jahren 1833–1834 hatte der damalige Commandirende in der Lombardie und Venedig, Graf Radetzky, eigene Vorschriften für die Aufstellungen und Bewegungen von Brigaden, Divisionen und Armeecorps, sowie diese aus verschiedenen Waffen zusammengesetzt waren, verfaßt und dieselben bei den ihm unterstehenden Truppen eingeführt. Dagegen erhob sich nun in den militärischen Kreisen, und namentlich unter den alten Generalen großer Widerstand, und auch der Kaiser, in dessen Umgebung die neuen Ideen Radetzky’s meist Gegner zählten, war dagegen eingenommen worden. Der Monarch, der des Fürsten militärische Tüchtigkeit zuletzt während der Münchengrätzer Manöver kennen gelernt, wollte dessen Ansicht in dieser Sache hören. Feldmarschall-Lieutenant Windisch-Grätz, soweit er die Einführungen des Grafen Radetzky kannte, erklärte sich im Principe mit denselben einverstanden und wies darauf hin, daß derlei Vorschriften jedenfalls als ein sehr beachtungswerther Fortschritt in der Beweglichkeit der Truppen bezeichnet werden müßten, und daß er selbst in der Lage gewesen sei, seiner Brigade und Division auf ähnliche Weise Behelfe an die Hand zu geben; es sei daher wünschenswerth, diese die ganze Armee betreffende Angelegenheit durch eine entscheidende, der kaiserlichen Sanction bedürfende Vorschrift zu regeln. Als der Monarch sah, wie entschieden sich der Fürst auf die Seite des Commandirenden von Italien stellte, ordnete er sofort die Einsetzung einer in Wien tagenden Commission über die Radetzky’schen Feld- und Manövririnstructionen an, vor welcher der Fürst seine Ansicht vertheidigen sollte. Diese Commission trat im Winter 1833–1834 zusammen und bestand unter dem Präsidium des Interims-Hofkriegsrathspräsidenten Grafen Ignaz Hardegg aus vier Feldmarschall-Lieutenants, fünf Generalmajors, einem Obersten als Schriftführer und zwei von dem Grafen Radetzky abgesandten Generalstabsofficieren, welche die Ansicht ihres Commandirenden aufklären und vertreten sollten. Der Präses, mit ihm [11] die Mehrzahl der Generale, waren dem neuen Projecte entschieden, meist sogar leidenschaftlich entgegen; so daß Fürst Windisch-Grätz schon in der zweiten Sitzung auf eine genauere Richtigstellung in den Protokollen dringen mußte, damit die streitigen Ansichten in ihrer vollen Motivirung zur Vorlage an den Kaiser gelangen könnten. Der Fürst und Generalmajor Graf Clam-Martinitz behandelten alle taktischen Fragen über Ausbildung und Verwendung der verschiedenen Waffengattungen in erschöpfender Weise. Man konnte über einzelne wichtige Fragen nicht einig werden, so daß die beiderseitigen Vota der Beschlußfassung des Monarchen unterbreitet wurden. Dieser war aber für die Darlegungen der Minorität so entschieden eingenommen, daß er verfügte, Fürst Windisch-Grätz solle im kommenden Herbste 1834 den Truppenübungen Radetzky’s in Italien beiwohnen und ihm sodann darüber berichten, worauf die Commission ihre Arbeiten weiter fortsetzen und gründlich zu Ende führen könne. Um den Grafen Radetzky als einen an Rang und Alter hoch über ihm stehenden General nicht zu verletzen, bat der Fürst den Monarchen, diesen Bericht in eine mit dem Generaladjutanten Baron Appel zu führende Correspondenz umwandeln und deren Inhalt Radetzky mittheilen zu dürfen, was auch genehmigt wurde. Der Fürst reiste nach Italien, wo Radetzky ihm, dem so zweckentsprechend eingreifenden Vorkämpfer in der von ihm angeregten Gedankenreihe auf das zuvorkommendste entgegenkam. Im Jahre 1835 wurden die Sitzungen wieder aufgenommen, aus welchen nach heftigen Debatten und mit Hilfe einiger Compromisse schließlich die bekannte Manövririnstruction hervorging, welche sonach vornehmlich dem entschiedenen Auftreten des Fürsten Windisch-Grätz zu verdanken war. Am 2. März 1835 starb Kaiser Franz, der kurz vor seinem Tode dem Fürsten statt des 1. Kürassier-Regimentes das 4. Chevauxlegers-Regiment (früher Vincent) verliehen hatte, welches seitdem den Namen des nunmehrigen Inhabers fortführen sollte. Im Spätsommer 1837 begab sich der Fürst, einer Einladung des Kaisers Nicolaus folgend, welche dieser im Vorjahre bei der ersten Zusammenkunft mit Kaiser Ferdinand zu Priesen in Böhmen an den Fürsten gerichtet hatte, in das russische Uebungslager bei Woznosensk, wo die größte Cavalleriemasse, bei 40.000 Pferde, die je im neueren Europa gesammelt gesehen wurde, zum Manöver concentrirt war. Im Sommer 1840 wurde der Fürst zum commandirenden General in Böhmen ernannt, welche Stellung er bis zum Herbste 1848 bekleidete. Was er in derselben leistete, wie er den Geist der Mannschaft hob, Officiere und Generale im Interesse des allerh. Dienstes in Erfüllung ihrer Pflichten aneiferte und überwachte, wie er den gemeinen Mann, wie dessen Vorgesetzten gegen jede Unbilde, woher sie kommen mochte, schützte, wie er die Schlagfertigkeit der Truppen steigerte, die Officiere aus schablonenmäßiger Nachäffung zum Selbstdenken und zu reiflich überlegtem Vorgehen in unerwartet eingetretenen Situationen allmälig heranbildete, kurz wie er ein bis dahin als Automat behandeltes Corps zu einem Körper voll bewußten Lebens unter gleichzeitiger Weckung patriotischen und edlen Standesgefühls hob, dies Alles im Einzelnen darzustellen, müssen wir uns versagen und können eben nur die Thatsache und den Erfolg andeuten. Er hatte sogenannte [12] große Parolen eingeführt, wobei er sämmtliche Officiere größerer Garnisonen sammt ihren Commandanten und Generalen bei sich vereinte und einen oder den anderen dienstlichen Gegenstand besprach. An seine Generale stellte er größere Anforderungen, als man es zu jener Zeit gewohnt war. Für alle Waffen im böhmischen Generalate waren die Vorschriften über die Art und Weise der Ausbildung der Truppen klar und präcise bestimmt, und der Commandirende hielt auf deren pünktliche Befolgung von Seite der Officiere und Generale. Bei der Linien-Infanterie ward neben taktischer Ausbildung der Tiraillierdienst und das Bajonnetfechten geübt, auf gewandte Handhabung des Gewehres und festen Anschlag gesehen; die fünf in Böhmen dislocirten Cavallerie-Regimenter wurden auf einen seltenen Grad der Tüchtigkeit und Vollendung gebracht. Die beiden Bundesinspectionen in den Herbstlagern bei Kolin 1841 und bei Theresienstadt 1846, in denen jedesmal zwischen 20- bis 30.000 Mann concentrirt waren, sahen in dem dortigen österreichischen Heerestheile eine zu seltener Ausbildung gelangte, tüchtig geschulte imponirende Armee vor sich, welche in kurzer Zeit darauf sich in den Feldzügen der Jahre 1848 und 1849 erproben sollte. In jener Zeit waren Radetzky in Italien, Langenau in Galizien und Windisch-Grätz in Böhmen die commandirenden Generale, welche unter den ihnen unterstehenden Corps den dauerndsten Eindruck hinterließen. Als im Sommer 1844, gerade während der alljährlichen Truppenbereisungen des Commandirenden, in Prag ein Arbeiteraufstand ausbrach, dessen die Behörden nicht Meister werden konnten, eilte der Fürst, um ernsteren Gefahren vorzubeugen, sofort in die böhmische Hauptstadt und ergriff allsogleich die geeigneten Maßregeln, diesem Zustande ein Ende zu machen. Nur von den zu seinem unmittelbaren Gefolge gehörigen Officieren begleitet, begab er sich mitten in den Herd des Aufstandes, in die Vorstadt Karolinenthal. Unter dem Pořičer Stadtthore begegnete ihm ein Volkshaufe, welcher den einzigen Todten trug, der von der Kugel eines Soldaten getroffen war, und während eine Stimme aus der Menge rief: „Da sehen Sie her, das haben Ihre Soldaten gethan!“ hielt der General sein Roß an und erwiderte mit ernster lauter Stimme, „daß dieses Unglück nicht von seinen braven Truppen herbeigeführt worden sei, aber die Verantwortung hiefür auf Jene falle, welche das Volk zu gesetzwidrigen Handlungen verleitet haben“. Sodann setzte der Fürst seinen Weg ruhig im Schritt weiter fort. Die Massen öffneten sich freiwillig, um ihn durchzulassen, Einzelne nahmen die Mützen vom Kopfe, dann folgten Mehrere, und zuletzt grüßten Alle ehrerbietig den nach einem Umritt durch die Vorstadt langsam rückkehrenden General. Diese kaltblütige feste Haltung blieb nicht ohne Wirkung, die Ruhe der Stadt wurde nicht weiter gestört. Das Jahr 1846 brachte mit dem polnischen Aufstandsversuche den Vorläufer der 1848er Ereignisse. Hatte der Fürst auch die Theilung Polens mit den Worten: „Unredlichkeit kann auch in der Politik nie gute Früchte tragen“ verurtheilt und über die stattgehabten Vorgänge in Galizien den Ausspruch gethan: „Et un Gouvernement ne peut donc agir autrement qu’un honnête homme“, so fühlte er doch, daß gegenüber der polnischen Bewegung von 1846 es sich nicht darum handelte, über die [13] historische Vergangenheit zu moralisiren, sondern um die Vertheidigung des einmal anerkannten internationalen Rechtszustandes und die Existenz der mit diesem angegriffenen gesellschaftlichen Ordnung, und insofern konnte er die hiebei zu Tage getretenen Symptome von Schwäche und Haltlosigkeit der damaligen leitenden Behörden mit Recht nur mißbilligen. Im Sommer 1847 anläßlich einer kleinen Reise nach Venedig zum Besuche seines dortselbst nautischen Studien obliegenden Sohnes, des Prinzen Ludwig, traf Fürst Windisch-Grätz zum letzten Male vor dem Kriege mit dem schon 81jährigen Feldmarschall Grafen Radetzky zusammen, der, dem Ausbruche stündlich entgegensehend, immer mehr Truppen zu seiner Armee begehrte, von dem man aber in Wien behauptete, er sei in seinem hohen Alter beinahe kindisch geworden!! Als im Winter 1847/48 das Brausen der Revolutionsstürme bereits hörbar wurde, trachtete der Fürst, welcher, um den drohenden Gefahren zu begegnen, Fühlung, leider vergeblich, mit einflußreichen Männern der höheren Stande gesucht hatte, ohne erst in Wien anzufragen, da er sonst zuversichtlich damit abgewiesen worden wäre, die böhmischen Festungen, für die seit Jahren nichts geschehen war, zu approvisioniren und in befriedigenden Stand zu setzen, denn er sah das Herannahen des Kampfes mit offenen Augen. Während der Märztage 1848 gerade in Wien anwesend, um mit den leitenden Persönlichkeiten die Aufstellung einer Beobachtungsarmee an der französischen Grenze zu besprechen, deren Führung er übernehmen sollte, ward er zufällig Zeuge der Bewegung jener Tage und der sich an dieselbe knüpfenden Ereignisse. Als diese zum Zusammenbruche aller leitenden Kräfte der Staatsverwaltung führte und dem unberechenbaren Weiterdringen des siegreichen Aufstandes nur die vollständigste Rathlosigkeit gegenüberstand, wurde der Fürst in den höchsten Kreisen bestürmt, sich als Dictator an die Spitze der Regierung zu stellen und, indem er alle Vollmachten des Monarchen in seiner Hand vereinige, der drohenden weiteren Auflösung entgegenzutreten. Trotz längeren Widerstrebens gegen die so unvorbereitete Uebernahme dieser schwierigen Aufgabe, trotz des Hinweises auf die Wichtigkeit der Rückkehr auf seinen Posten in Böhmen, der im Augenblicke allgemeiner Aufregung seine Anwesenheit erheischte, übernahm er in Rücksicht auf die schwere Verantwortung für Kaiser und Vaterland die ihm aufgezwungene Stellung. Den Titel eines Dictators, als mit den monarchischen Principien unvereinbar, ablehnend, trat er als „mit allen Vollmachten“ ausgerüstet, sein Amt an. Er bezog eine Wohnung in der Burg, verfügte vor Allem die militärische Sicherstellung der kaiserlichen Residenz und machte hiermit den Drohungen des Aufruhrs ein Ende, als deren Dolmetsch sich ebenso sehr die böswilligen wie die schwachsinnigen Wohlgesinnten erwiesen hatten. Er entfaltete eine bedeutende Truppenmacht und stellte die Ruhe wieder her. Er versammelte von Neuem die durch die Ereignisse aus aller geordneten Thätigkeit geworfenen Organe der Staatsverwaltung; er verfügte die Verstärkung der inzwischen von der Revolution und dem König von Sardinien überfallenen Armee in Italien; veranlaßte den Abgang des Generalstabschefs der Armee, Feldmarschall-Lieutenants Baron Heß, in das Hauptquartier Radetzky’s, sowie die Ernennung des Obersten Jelačić zum Banus von Croatien und vermochte es durch [14] seine Maßregeln, der Bewegung einen mehrwöchentlichen Stillstand zu gebieten. Während dessen wurde das constitutionelle Ministerium gebildet, welchem die Aufgabe zufiel, auf der wiederhergestellten gesetzlichen Bahn die nothwendigen Neugestaltungen zur Durchführung zu bringen. Nur um nach solcher aufreibenden Thätigkeit die nöthige Erholung zu gewinnen, zog sich der Fürst auf seine Besitzung in Ungarn zurück. Diese kurze und erfolgreiche Wirksamkeit hatte die Patrioten in ihm den Hort der Ordnung und Gesetzlichkeit, den energischen Vertreter der monarchischen und conservativen Interessen erkennen lassen, hatte aber auch die Muthlosen und die schwachsinnigen Ideologen vermocht, sich in scheuer Angst vor dem entschiedenen Manne zurückzuziehen. Auch hatte sein Auftreten den Haß der Verschwörer hervorgerufen, denen die Macht dieser Persönlichkeit als eine stete Bedrohung ihrer Unternehmungen erschien. Die Ereignisse des Monates Mai in Wien, die Entwicklungen, welche dieselben gewärtigen ließen, endlich die sich steigernde Verwirrung in Böhmen riefen den Fürsten auf seinen Posten in Prag, an die Spitze der kaiserlichen Truppen in Böhmen. Die europäische revolutionäre Verschwörung, der seit dem 2. Juni in Prag tagende Slavencongreß, der die nationalen Gegensätze verschärfte, dann die Schwäche der berufenen Autoritäten, welche vergebens die wachsenden Wirren zu beschwichtigen versuchten, alles dies steigerte noch die Aufregung Prags, und selbst einige energische Maßregeln des neuen Gouverneurs Grafen Leo Thun blieben erfolglos. Indessen hatte die Umsturzpartei, vom Auslande gestärkt, den schon durch sein energisches Auftreten in Wien mißliebig gewordenen Fürsten nun auch in Prag, und zwar durch die aller Schranken ledige, aber auch wie im sinnlosen Taumel zügellosester Frechheit, welche sich Freiheit nannte, sich geberdende Presse angefeindet, auf das empörendste verleumdet, so daß es kaum ins Gewicht fiel, als die Prager Garnison eine kräftige Erklärung abdrucken ließ, in welcher sie ihrer Entrüstung über ein solches Benehmen, wie auch ihrer Verehrung für ihren Führer lauten entschiedenen Ausdruck gab. Als am 6. Juni bei der wie gewöhnlich um diese Zeit abgehaltenen Revue über sämmtliche in Prag garnisonirende Truppen ungeachtet des Verbotes jeder als in Reih und Glied in der kaiserlichen Armee unstatthaften Demonstration den Commandirenden ein endloses Hurrah begrüßte, benützten die durch ausländische Revolutionselemente verführten Aufrührer diesen Umstand aufs neue, dem Fürsten Windisch-Grätz volksfeindliche Tendenzen zu unterschieben. Der in Prag versammelte Slavencongreß brachte eine große Menge Ausländer, besonders Polen und Franzosen, in diese Stadt, und stündlich wurde es deutlicher, daß eine blutige Katastrophe demnächst hereinbrechen werde. Am 10. Juni fand ein großer Slavenball statt, bei welchem der Commandirende, obgleich vielfach anonym gewarnt und bedroht, ebenfalls erschien. Die späteren Untersuchungen stellten heraus, daß nur die Anwesenheit der Officiere, die ihren General gleich beim Eintreten umgaben und nicht mehr verließen, ein Attentat auf dessen Person verhütete. So brachen die Pfingstfeiertage heran. Obgleich die politischen Maßregeln bis dahin noch in den Bereich des Guberniums gehörten, so unterließ der commandirende General es doch nicht, die militärischen Vorkehrungen zu treffen, um [15] die Hauptvortheile eines etwaigen Gassengefechtes den Insurgenten zu entziehen, die Truppen vor Verlusten möglichst zu sichern und ohne großes Blutbad Herr der Stadt und der mit ihr verbundenen Vorstädte zu werden. Auch ließ er die Garnison der Stadt durch Zuziehung von Truppen aus den nächstgelegenen Garnisonen verstärken. Auf die wiederholte Androhung einer Katzenmusik erklärte er, daß, wenn sie ihm als Privatmann gelte, er sie mit Gleichmüthigkeit aufnehmen, eine derartige der Würde des commandirenden Generals angethane Insulte aber mit Waffengewalt zu verhindern wissen werde. Während der General so seine Maßregeln traf, blieb auch die Umsturzpartei nicht müßig und bereitete sich zum Kampfe vor. Eine mit dem frühesten Morgen des Pfingstsonntages (11. Juni) im Clementinum tagende Versammlung von Studenten beschloß, von französischen Barricadeurs und von Abgesandten des polnischen Centralclubs zu Paris geleitet, eine Deputation an den commandirenden General zu senden, mit dem Verlangen um Ausfolgung von mehreren tausend Stück Feuergewehren, 80.000 scharfen Patronen und einer ausgerüsteten Batterie an die Studentenlegion und um Entfernung der am Wyschehrad, Laurenziberg und an anderen Orten aufgestellten Kanonen. Auf dieses Begehren der im Generalcommando erschienenen Deputation antwortete der Fürst: „Die Gewehre und Munition benöthige er zur Ausrüstung der kaiserlichen Truppen, und Kanonen werde er auf keinen Fall verabfolgen.“ Als nun den Forderungen drohende Warnungen folgten, entgegnete er mit ruhiger Gelassenheit, „er werde die Dinge erwarten, die da kommen würden, und seine Pflicht als commandirender General erfüllen“. Gleichzeitig hatten die Studenten an allen Straßenecken rothgedruckte Placate anschlagen lassen, worin sie ihre Begehren dem Volke kundgaben und dieses zur Unterstützung derselben aufforderten. Das Herabreißen dieser Placate durch das Militär und einige gut gesinnte Bürger führte zu bedeutenden, jedoch noch unblutigen Conflicten mit den Studenten und der übelgesinnten Nationalgarde. Die aufgeregte Stimmung der Bevölkerung benutzend, ordneten die Führer der Umsturzparteien für Montag den 12. Juni eine große Volksversammlung am Roßmarkte zu einer in einem Kapellenzelte zu lesenden Messe um 10 Uhr Vormittags an, die auch abgehalten wurde. Aufreizende Reden, Verwünschungen gegen die Aristokratie, die gutgesinnten Bürger, das Militär und dessen Chef enthusiasmirten die Menge zu einem feierlichen und feurigen Schwur der Verbrüderung und gegenseitigen Unterstützung. Und fast zur selben Zeit erschien eine Deputation von wohl 200 achtbaren Bürgern im Generalcommando und brachte dem Fürsten, mit der Versicherung des ungeheucheltsten Vertrauens, die Bitte vor, derselbe möge die Zügel in seiner festen Hand bewahren, da es wohlbekannt, daß das Bestreben der Umsturzmänner dahin gerichtet sei, ihn von seinem Posten zu entfernen. Um Mittag theilten sich die Volksmassen am Roßmarkte und zogen unter Absingung böhmischer Spottlieder durch die Gassen der Stadt. Ein solcher Haufe begegnete beim Generalcommando der zurückkehrenden Bürgerdeputation und fing an, sie zu insultiren und zu bedrohen. Eine eben zur Ablösung marschirende, von Lieutenant Jablonsky befehligte halbe Grenadiercompagnie rückte heran und suchte Ordnung zu machen. Jablonsky wurde von einem [16] Studenten thätlich angefallen und erhielt einen betäubenden Schlag ins Genick; schon zog der Student eine Pistole gegen ihn, als die Grenadiere mit gefälltem Bajonnet in die Rotte eindrangen, die sich mit dem Rufe: „Barricaden, das Militär greift uns an!“ in alle Straßen zerstreute. Der Student, der den Schlag auf Lieutenant Jablonsky geführt hatte, wurde gefangen, und die Grenadiere waren eben im Begriffe, ihn niederzuhauen, als Fürst Windisch-Grätz, auf die erste Nachricht dieses Vorfalles bloßen Hauptes auf die Straße eilend, ihn den Händen der wüthenden Soldaten entriß. Als Antwort auf diese humane That des Fürsten folgten mehrere auf ihn gerichtete Schüsse aus den gegenüberliegenden Häusern. Da nun gleichzeitig vom Graben her andere Schüsse den Ausbruch der Empörung verkündeten, so wurde der Befehl zur Alarmirung gegeben, und während die Truppen sich auf den ihnen angewiesenen Plätzen sammelten, stürzte die Fürstin Windisch-Grätz, die Gemalin des Commandirenden, während sie eben am Fenster stand, durch einen meuchelmörderischen Schuß tödtlich getroffen, in ihrem Salon zusammen. Auf das tiefste erschüttert, verlor doch der Fürst in diesen verhängnißvollen Augenblicken nicht Ruhe und Fassung und befahl auf die Bitte einer neuen Deputation um Schonung und Gewährung einer kurzen Frist zur Beruhigung der Volksmassen, das Feuer der ausrückenden Truppen einzustellen und wiederholte Besänftigungsversuche bis zum Ablaufe einer Stunde vorzunehmen. Doch allerorts hatten sich Barricaden nach kunstgerechten Plänen erhoben, der Gouverneur ward auf dem Clementinum gefangen gesetzt, die begütigend einschreitenden Officiere wurden mit Insulten von den Aufrührern abgewiesen, von Letzteren die Feindseligkeiten mit einem heftigen Feuer auf die Truppe erneuert. Fürst Windisch-Grätz wollte nun selbst in die Straßen, um das Volk zu beruhigen und im Falle des Nichtgelingens sich an die Spitze seiner Truppen zu stellen. Da kreuzten die Grenadiere der Bataillone Cerrini und Rattay, die das Generalcommando besetzt hatten, die Bajonnete und nöthigten, in der Furcht, den Fürsten, der durch 22 Jahre als Brigadier, Divisionär und commandirender General ihr Führer gewesen, durch einen zweiten Meuchelmord zu verlieren, ihn zur Rückkehr in sein Haus. Da alle Versuche, die Massen zum Verlassen ihrer drohenden Stellungen zu bewegen, scheiterten, so mußte die Gewalt der Waffen in Anwendung kommen. Generalmajor von Schütte erhielt den Befehl, mit seinen Truppen vom Graben gegen die Kettenbrücke vorzudringen. Im Sinne der vom Commandirenden herausgegebenen Gefechtsmaßregeln für den Straßenkampf stürmte er mehr als zehn Barricaden und gewann die Verbindung mit der Kleinseite, während Major von Cerrini von andrer Seite, nicht ohne schwere Verluste, doch mit Erfolg vordrang. Beim Einbruche der Nacht trat eine Waffenruhe ein, die Garnison blieb in den eroberten Stellungen. Die Verluste des 12. Juni beliefen sich auf 16 Todte und 62 Verwundete; unter den ersteren 2, unter den letzteren 9 Officiere. Generalmajor von Rainer war gleich im Beginne der Gefechte verwundet worden, und Rittmeister Alfred Fürst Windisch-Grätz, der sich nebst mehreren anderen Officieren freiwillig den Sturmcolonnen des Generals Schütte angeschlossen und das Beispiel heldenmüthiger Entschlossenheit [17] gegeben hatte, wurde durch einen Schuß schwer am linken Fuße blessirt. Am Morgen des 13. Juni erschien eine Deputation bei dem Fürsten mit Anträgen zu einer Capitulation, die auch unter der Bedingung der Freilassung des Gouverneurs Grafen Thun und der Wegräumung der Barricaden bewilligt wurden. Der ersterwähnte Punkt ward sogleich, der letztere auf der bei weitem ruhiger gestimmten Kleinseite ebenfalls schnell, in der Alt- und Neustadt dagegen nur langsam ausgeführt. Am Morgen des 14. Juni traten die Ereignisse in Prag in eine neue Phase. Es erschien nämlich die vom Wiener Ministerium abgesendete Hofcommission (General der Cavallerie Graf Mensdorff und Hofrath Kleszansky) mit dem Auftrage, das Benehmen des Fürsten Windisch-Grätz zu untersuchen. Das erfüllte die Umsturzpartei mit neuen Hoffnungen, sie wurde kühner in ihren Forderungen, verstärkte und erhöhte die Barricaden auf der Alt- und Neustadt. Die Hofcommission ersuchte den Commandirenden, den Altstädter Ring, das Kinsky’sche Palais und das Carolinum zu räumen, in der Hoffnung, durch diesen Vertrauensbeweis die Insurgenten zur Ruhe zu bringen. Fürst Windisch-Grätz gab nach, war aber, das nichts weniger als beruhigende Verhalten der Aufrührer erwägend, bereits entschlossen, das rechte Moldauufer zu verlassen und eine bessere Stellung am Hradschin einzunehmen. Während die Hofcommission unfruchtbare Verhandlungen im Rathhause pflog, begann er in der Nacht vom 14. zum 15. seinen Abmarsch. Mitten unter seinen Grenadieren, die nicht zugeben wollten, daß er sich zu Pferde setze, und ihn baten, in ihrer Mitte zu Fuß zu marschiren, langte er in der Position am Hradschin an, wo er sofort den Befehl ertheilte, nebst der steinernen Brücke und der Insel Campa alle Zugange zur Kleinseite zu besetzen und die Kanonenbatterien am Ufer und eine Mörserbatterie am Plateau des Hradschins aufzuführen. Die Insurgenten, welche den Abzug der Garnison in der Nacht für das gänzliche Aufgeben der Stadt hielten, benützten diese Gelegenheit zur Ermuthigung ihrer Anhänger; Siegesplacate wurden von ihnen verbreitet, ein selbständiges böhmisches Ministerium, ein böhmischer Commandant und nationale Garnison, vor Allem aber die Stellung des Fürsten Windisch-Grätz vor ein Nationalgericht und Entfernung der Grenadiere und der übrigen Truppen aus der Provinz begehrt. Umso größer war der Schrecken der Aufrührer, als sie im Glanze der Morgensonne des 15. Juni ihre Gegner im Besitze der Kleinseite und der dominirenden Anhöhen und die Geschütze und Mörser auf die Alt- und Neustadt gerichtet sahen. Ein allgemeines Feuer der Insurgenten vom rechten Ufer auf die militärischen Stellungen an der Kleinseite verstummte gegen Mittag auf einige wohl angebrachte Geschützladungen. Um diese Zeit verfügte sich die Hofcommission auf das königliche Schloß und erklärte, die einzige Hoffnung zur Beruhigung der Gemüther läge in der Uebergabe des Commandos von Seite des Fürsten Windisch-Grätz an den General der Cavallerie Grafen Mensdorff, wozu sich der Erstere ohneweiters bereit zeigte, wenn dadurch der Stadt die Ruhe wiedergegeben und das Land Böhmen dem Kaiser erhalten werden könne. Kaum jedoch war diese Nachricht unter die Truppen gekommen, als Soldaten, Officiere und Generale sich versammelten [18] und eine Adresse an den Fürsten mit der Bitte richteten, sie ja nicht zu verlassen, sondern das Commando wieder in sein Hand zu nehmen, die allein im Stande sei, die gute Sache, die Ehre der Garnison zu retten. Der Hofcommission wurde laut erklärt, daß die Garnison keinem Anderen gehorche als ihrem erprobten Führer und falls Fürst Windisch-Grätz sich entferne, auf eigene Faust die Stadt stürmen, anzünden und keinen Stein auf dem andern lassen werde. Als nun die beiden Abgesandten des Wiener Ministeriums sahen, daß die Umsturzpartei, statt die Barricaden, wie sie versprochen hatte, wegzuräumen, die Mittel des Widerstandes nur vermehrte, vereinigten sie sich mit den Bitten der Garnison, und Graf Mensdorf ging selbst den Fürsten an, das Commando wieder zu übernehmen und alle geeigneten Mittel anzuwenden, um die Stadt von Neuem zu unterwerfen. Demgemäß ward Prag am 16. in Belagerungszustand erklärt und der Deputation der Stadtverordneten angekündigt, daß am 17. Mittags die Unterwerfung erfolgen müsse. Auch wurden alle Maßregeln ergriffen, bewaffnete Zuzüge von außen und Eindringen der in der Umgegend und den nächstgelegenen Kreisen sich sammelnden Landsturmabtheilungen zu verhindern. Indessen setzten die Aufrührer ihre Umtriebe fort, feuerten während der Waffenruhe auf die Truppen am linken Moldauufer, welche erst, als einer ihrer Kameraden gefallen, zum Angriffe schritten. Nun ließ der Fürst die der Kleinseite nächstgelegenen Mühlen mit Haubitzgranaten beschießen und wartete ab, ob die Stadt noch nicht zur Besinnung käme. Als auch dies nichts fruchtete und der Angriff von Seite der Insurgenten noch immer fortgesetzt wurde, befahl er, während der Nacht zwei ohne Brandsatz gefüllte Bomben in die Stadt zu werfen. Jetzt war der Muth der Empörer erschüttert, die Gutgesinnten ermannten sich und zwangen die Aufrührer zur Capitulation. Am 17. Morgens unterwarf sich Prag der Gnade des Fürsten. Viele der Leiter des Aufstandes waren entflohen, die Alt- und die Neustadt wurden im Verhältnisse, als sie die Barricaden abtrugen und die Waffen ablieferten, militärisch besetzt. Die Stadt bedeutete man, daß sie im Belagerungszustande verbleibe, die Clubs wurden geschlossen, alle wie immer genannten Volkswehren aufgelöst; der auf dem Wege in die böhmische Hauptstadt begriffene Landsturm lief auf die Nachricht dieser Ereignisse auseinander, und es gelang, die Ruhe im Lande völlig herzustellen und den Gesetzen Achtung zu verschaffen. Von Mitte Juni bis Anfang October 1848 führte Fürst Windisch-Grätz einen mühevollen Kampf mit den in Wien einanderfolgenden, aber durchwegs der Gassenmeute gegenüber gleich machtlosen Ministerien, anfangs in der Erwartung, an den Vortheil, den er in Böhmen gewonnen, eine Stärkung der staatlichen Autorität im ganzen Reiche zu knüpfen, später, als die Handlungsweise der Ministerien in Wien diese Hoffnung zunichte machte, mit dem Ziele, sich selbst in jeder Richtung die Mittel zu bewahren, um mit kräftiger Hand in die Ereignisse einzugreifen. Er drohte endlich in diesem Kampfe, falls eine Umkehr zur gesetzlichen Ordnung trotz aller Maßnahmen der Ministerien erfolglos bleiben und die Verhältnisse sich immer bedenklicher gestalten sollten, sich unabhängig von dem Ministerium zu erklären. Die Theilnahmsbezeigung des noch in Innsbruck [19] weilenden Hofes bot dem Fürsten Windisch-Grätz Anlaß, einen fortgesetzten schriftlichen Verkehr mit der regierenden Kaiserin Maria Anna anzubahnen, mit seinem treuen, unter allen Umständen ausdauernden Rathe vor weiterem Nachgeben zu warnen und sich im engsten Vertrauen eine kaiserliche Vollmacht zu erbitten, um im dringendsten Nothfalle unbeschränkt mit allen Streitkräften der Monarchie verfügen zu können und durch dieselben des Kaisers Autorität und die gesetzliche Ordnung wieder herzustellen. Anfangs August war der Kaiser auf die dringenden Aufforderungen des Ministeriums von Innsbruck in seine Residenz zurückgekehrt; nichtsdestoweniger wurde dieser Act kaiserlichen Vertrauens auf seine Völker mit neuen Forderungen der Parteien erwidert und in der Presse die Schwächung der kaiserlichen Autorität fortgesetzt. In einem eingehenden vertraulichen Schreiben bezeichnete Fürst Windisch-Grätz die äußerste Grenze, welche man gegenüber den Ansprüchen der Revolution nicht mehr überschreiten dürfe, empfahl auf die gestellte Anfrage den Generalmajor Fürsten Joseph Lobkowitz als Generaladjutanten an die Seite Seiner Majestät des Kaisers und gab demselben ausführliche Instructionen für den Fall, daß die Forderungen an den Hof die oben erwähnte Grenze übersteigen sollten, oder für jenen eines neuen gewaltsamen Ausbruches der Empörung. Für diesen letzteren erlaubte sich der Fürst Seiner Majestät den Rath zu unterbreiten: inmitten einer in der Nähe von Schönbrunn bereit zu haltenden starken Brigade treuer und verläßlicher Truppen sich in die Festung Olmütz zur freien Ausübung seiner alleinig souveränen Gewalt zu begeben. Zu wiederholten Malen widersetzte sich der Fürst als Commandirender von Böhmen der erneuert begehrten Entfernung von Truppen aus seinem Generalate, um die ohnedies kleine, durch frühere Truppensendungen nach Italien (schon auf 23 Bataillone, 34 Escadronen und 48 bespannte Geschütze) reducirte Schaar nicht noch mehr zu verringern, und es kam deshalb zu einer ziemlich scharfen Correspondenz mit dem Kriegsminister Grafen Latour. In Voraussicht einer demnächst zu gewärtigenden Katastrophe in der Kaiserstadt wurden sowohl für die in Böhmen, als auch in Mähren disponibel werdenden Truppenabtheilungen bereits die Marschpläne gegen Wien zur Unterschrift und Ausfolgung angefertigt. In dieser Verfassung traf den Fürsten die sichere Nachricht der Ereignisse des 6. October am 8. Abends. Da stellten sich die commandirenden Generale in Oesterreich, Mähren und Galizien, unaufgefordert, und daher ohne daß die im Sommer ausgestellte kaiserliche Vollmacht zur Geltung gelangt wäre, zur Verfügung des Fürsten Windisch-Grätz. Dieser selbst reiste dem Kaiser am 15. October nach Olmütz entgegen und wurde am selben Tage zum Feldmarschall und Obercommandanten aller kaiserlichen Truppen diesseits des Isonzo ernannt und mit unumschränkter Vollmacht zur Herstellung der gesetzlichen Ordnung ausgerüstet. Sogleich nach Erhalt der ersten positiven Nachrichten über die Wiener Ereignisse des 6. October hatte Fürst Windisch-Grätz noch am selben Abende (8. October) seinen Entschluß gefaßt und die nöthigen Anordnungen zur Vorrückung gegen Wien getroffen, an die Truppencommandanten die Befehle ertheilt und die größte Eile zur Ausführung derselben anbefohlen, um den Rebellen nicht Zeit zu lassen, sich zu einem dauernden Widerstande [20] vorzubereiten. Wir übergehen, da es in den Bereich des Taktikers gehört, das Detail der vom Fürsten mit großer Umsicht getroffenen Maßnahmen, die Besetzung der Bahnstationen, die Heranziehung von Streitkräften, die Vorsichtsmaßregeln bei der Vorrückung durch Gegenden, in denen die Umsturzpartei ihre Thätigkeit durch Aufruf zum Landsturm und Aufwiegelung der Volksmassen zu entfalten begann, und die allmälige Vorrückung gegen Wien. Es standen bei diesem Marsche dem Feldherrn vor Allem zwei Momente vor Augen: erstens die möglichste Schnelligkeit, um der Revolte so wenig als möglich Zeit zur Organisirung zu geben; und dann ein möglichst concentrirtes Hinabrücken der Truppen, um bis zu dem wesentlichen Momente des Donauüberganges vor jedem Zusammenstoß durch einen Uebergang der ungarischen Insurgenten über die March bewahrt zu sein. Die Wiener Garnison, bestehend aus 72/3 Bataillons, 6 Escadrons und 18 bespannten Geschützen, besetzte unmittelbar nach den Ereignissen des 6. October den fürstlich Schwarzenberg’schen Garten und das Belvedere; am 10. October vereinigte sich der über Bruck an der Leitha mit 26.000 Mann anrückende Banus von Croatien Jellačić mit der Wiener Garnison, und am 12. nahmen beide Heeresabtheilungen behufs gemeinsamer Operation gegen die anrückenden Magyaren eine Stellung am Wiener Berge ein; wenige Tage später zog das Truppencorps des Feldmarschall-Lieutenants Grafen Auersperg mehrere Verstärkungen aus dem Innern an sich, und diese Armee bildete nun ein Ganzes von 37 Bataillons, 39 Escadrons und 150 Geschützen. Am 19. October langte der Feldmarschall mit seinem Hauptquartiere in Lundenburg an, erließ Tags darauf eine Proclamation an die Bewohner Wiens, erklärte diese Stadt und ihre Umgebung in Belagerungszustand und forderte alle Gutgesinnten auf, ihren Einfluß für die gute Sache anzuwenden. Am 21. wurde das Armee-Hauptquartier nach Stammersdorf verlegt und zunächst der schleunigste Uebergang über die Donau ins Auge gefaßt. Zwei Abgesandte des deutschen Parlaments zu Frankfurt boten ihre Vermittlung an zwischen der insurgirten Residenz und ihrem Monarchen. Der Feldmarschall gab den Bescheid: „daß Oesterreich der Paulskirche nicht bedürfe und den Kampf um sein Bestehen allein durchfechten werde“. Am 22. kam eine Deputation der Nationalgarde und der Studentenlegion Wiens ins Hauptquartier mit dem Begehren eines friedlichen Ausgleiches. Der Feldmarschall entließ sie mit der Antwort, daß auch er gerne eine friedliche Lösung der Dinge wünsche, daß er aber unerschütterlich auf der unbedingten Unterwerfung der Stadt bestehe, und verwies sie auf seine Proclamation vom 20., welche er der Deputation in vielen Exemplaren zur Verbreitung mitgab. Am 22. wurde aus dem Armee-Hauptquartier Stammersdorf eine Disposition ausgegeben, welche die vor Wien versammelten Truppen in drei Armeecorps, eine Reservedivision und eine selbständige Brigade unter Generalmajor von Wyß eintheilte und jeder dieser Heeresabtheilungen bestimmte Stellungen und diesen entsprechende Gefechtsaufgaben zuwies. An 70.000 Mann hatte der Feldmarschall um die Mauern der Residenz zusammengezogen, um die Schmach von sechs Monaten zu sühnen und durch die Besiegung der aus allen Theilen Europas in diesem Augenblicke [21] in Wien concentrirten Revolution die Monarchie, selbst durch Erstürmung der Residenz, zu erobern. Nachdem am 23. der Donauübergang der Truppen, und zwar der Infanterie bei Klosterneuburg, der Cavallerie und Artillerie bei Nußdorf glücklich bewirkt worden war, traf der Feldmarschall am 24. Nachmittags in Hetzendorf ein, wohin das Hauptquartier verlegt wurde. Die ungarische Rebellenarmee hatte einstweilen mit ihrer Avantgarde bereits die Leitha überschritten, und jeden Tag mußte ihr Angriff, der bei ihrer Stärke immerhin von ernstlicher Bedeutung werden konnte, erwartet werden. Klar stand es dem kaiserlichen Feldherrn vor Augen, daß ein sofortiger schneller Angriff auf Wien ihm die Aufgabe wesentlich erleichtern würde; doch selbst mit Gefahr, seine Armee zwischen zwei Feuer zu bringen, wollte der Feldmarschall den bloß Bethörten der Bewohner Wiens noch die Möglichkeit gewähren, zur Besinnung und Pflicht zurückzukehren. Die in diesen Tagen sich wiederholenden Deputationen aus der Residenz wurden stets bedeutet, daß die Stadt ihr Schicksal in Händen habe, nämlich unbedingte Unterwerfung oder Einnahme durch Sturm; mit dem Reichstage als einer nach seiner Vertagung in jeder Beziehung illegalen Behörde ward in keine Unterhandlung getreten. Der Stadt wurde eine 48stündige Frist bis zum 26. October gegeben, bis dahin den Truppen jedes offensive Vorgehen gegen dieselbe verboten und nur die Abnahme der Waffen in den von ihnen besetzten Ortschaften, die hermetische Abschließung der Stadt von jeder Verbindung nach Außen anbefohlen. Da jedoch die Insurgenten sich den Cernirungstruppen entgegenstellten, ja sogar Ausfälle auf diese unternahmen, so erging an die National- und Mobilgarden vorerst die Aufforderung, sich hinter den Linienwall zurückzuziehen, widrigenfalls die kaiserlichen Truppen sofort zum Angriffe schreiten würden. Ungeachtet dieses milden Verfahrens kamen an einigen Linien die Aufrührer dieser Aufforderung nicht nach, so daß unter stetem Kampfe die kaiserlichen Truppen bis zum 26. den Augarten bis zur Taborlinie den Prater und die den Linienwällen zunächst gelegenen Punkte besetzten. Am 27. October befahl der Feldmarschall für den folgenden Tag den allgemeinen Angriff. Am 28. Morgens begab er sich mit seinem Hauptquartiere zur Spinnerin am Kreuz, auf welchem Punkte man den größeren Theil dieses selten ausgedehnten Schauplatzes einer Schlacht übersehen konnte. Es galt zunächst, in den Besitz der Leopoldstadt, dann den der Vorstädte Landstraße, Erdberg und Weißgärber zu gelangen. Durch Scheinangriffe an verschiedenen anderen Punkten wurden die Vertheidiger der Stadt über den eigentlichen Angriffspunkt in Ungewißheit versetzt. In der Disposition zum Angriffe auf Wien befolgte der Fürst die schon bei der Unterwerfung Prags vollkommen bewährten Grundsätze, sich in Straßenkämpfe so wenig als möglich einzulassen und durch Gewinnung der Hauptcommunicationen den übrigen größeren Theil insurgirter Städte von selbst fallen zu machen. Mit dem Schlage 10 Uhr begann das Kanonenfeuer von der Mariahilfer und Lerchenfelder Linie. Die Scheinangriffe an den Linien nahmen bald bei der großen Kampfeslust der Truppen eine ernstere Wendung, und nur die strengen Befehle des Feldherrn verhinderten blutige Straßenkämpfe. Bei der St. Marxer Linie hatte gegen 11 Uhr Mittags der Banus von Croatien den Befehl zum [22] Angriffe ertheilt, und nach mehrstündigem heißen Kampfe war die ganze Vorstadt Landstraße und der Rennweg mit stürmender Hand in Besitz genommen, Nachmittags rückte die Truppe bis zum Invalidenhause vor, welches nebst dem Zollgebäude, dem Münzhause und der Veterinärschule besetzt wurde. Ebenso nach vielleicht noch heftigeren Kämpfen gegen den kriegserfahrenen polnischen Ex-General Bém war die Leopoldstadt und Jägerzeile dem Gegner entrissen worden. Gegen Abend erhielt der Feldmarschall die Meldung dieser siegreichen Gefechte. Nunmehr galt es, die Empörer abzuhalten, daß sie der anrückenden ungarischen Rebellenarmee die Hand reichen, und dieselbe zurückzudrängen. Die Stärke der Magyaren ward auf 30.000 Mann mit etwa 70 Geschützen angegeben. Dem Banus von Croatien fiel die Aufgabe zu, eine Stellung an dem mit sumpfigen Ufern umgebenen Schwechatflusse zu nehmen. Der Sieg des 28. October war nicht ohne Wirkung auf die Wiener Aufrührer geblieben, denn schon am 29. langte im Hauptquartier eine Deputation der Nationalgarde und des Gemeinderathes mit Capitulationsanträgen an. Doch der Fürst verlangte von Rebellen nur unbedingte Unterwerfung, worauf in der folgenden Nacht der Act der Unterwerfung auch wirklich von einer neuen Deputation nach Hetzendorf gebracht wurde. Am Morgen des 30., während mit den Wiener Abgesandten die näheren Modalitäten der Unterwerfung besprochen wurden, begannen gegen 6 Uhr Früh die ungarischen Rebellen ihren Vormarsch gegen die Stellung der kaiserlichen Truppen und eröffneten den Kampf bei Manswirth, Schwechat und Neukettenhof. Die kaiserliche Infanterie hielt das linke Ufer der Schwechat fest. Als nach mehrstündigem Kampfe, der sich meist auf Geschützfeuer beschränkte, sich der Feldmarschall persönlich an Ort und Stelle von dem Stande des Gefechtes überzeugen und sich eben zu Pferde setzen wollte, lief von allen Punkten der Cernirungslinie die Meldung ein, daß die Wiener Rebellen die geschlossene Capitulation verrätherisch gebrochen und die kaiserlichen Truppen in deren Stellung erneuert angegriffen hätten. Indessen hatten im Kampfe mit den Ungarn unsere Geschütze die Artillerie des Feindes zum Schweigen, dessen Fußvolk zum Weichen gebracht, und die ungarische Insurgentenarmee trat unter dem Schutze ihrer Artillerie und Cavallerie den Rückzug an. Das Resultat des Treffens bei Schwechat war in seiner moralischen Wirkung bedeutsam. Der Fürst-Marschall hatte seine schwierige Aufgabe gelöst, seine beiden Gegner, die sich zu vereinigen strebten, auseinander gehalten und mit der Verjagung des einen das sichere Mittel zur sofortigen gänzlichen Unterwerfung des anderen gefunden. Auf den Treubruch der Wiener folgte ein Bombardement, namentlich auf die feindseligsten Vorstädte Gumpendorf, Mariahilf und Wieden, doch ließ der Fürst die Bomben ohne Brandsatz werfen. Nach dem Siege von Schwechat hatte er eine Kundmachung an die Bewohner Wiens erlassen, in welcher er ihnen die Niederlage des ungarischen Rebellenheeres verkündete. Eine Deputation des Gemeinderathes erschien, um dessen Machtlosigkeit gegenüber der Schreckensherrschaft darzustellen und so, rücksichtlich der Folgen für Personen und Eigenthum, den Feldmarschall zum raschesten Handeln aufzufordern. Nun befahl der Feldmarschall sofort den Angriff auf die widerspenstige Vorstadt [23] Wieden, diese sollte dann entwaffnet und die kaiserliche Hofburg mit entsprechender Truppenzahl besetzt werden. Ohne Widerstand zu finden, rückten diese Truppen bis zu dem Glacis vor; das Burgthor aber mußte unter harten Kämpfen genommen, die feindliche Besatzung auf der Bastei durch Kartätschenschüsse vertrieben, das Thor selbst mit Zwölfpfündern eingeschossen werden, nachdem es den Zimmerleuten nicht gelungen war, es mit ihren Aexten einzuschlagen. Unaufhaltsam drangen endlich die Colonnen ein, und 14 feindliche Geschütze fielen ihnen in die Hände. Ebenso wurde das Kärnthnerthor um 7 Uhr geöffnet und besetzt. Der Widerstand war allenthalben gebrochen. Noch um 2 Uhr Nachts ertheilte der Feldmarschall den Befehl zur vollkommenen militärischen Besetzung der Hauptstadt, und um 8 Uhr Morgens des 1. November 1848 wehte bereits die kaiserliche Fahne auf der Spitze des Stephansthurmes, Der nächste Antrag, welchen der Fürst Seiner Majestät unterbreitete, betraf die Verlegung aller Militäretablissements aus der Stadt in ein befestigtes Fort vor der Belvedere-Linie und erreichte im gegenwärtigen Arsenale seine Verwirklichung. So hatte, wie im Sommer Radetzky, dann im Herbst 1846 der Fürst Windisch-Grätz mit der Armee Oesterreich gerettet und den Grillparzer’schen Liedanfang „In meinem Lager ist Oesterreich“ bestätigt. Zahlreiche Deputationen sprach ihm ihren Dank aus, und der Kaiser verlieh ihm das Großkreuz des königlich ungarischen Sanct Stephan-Ordens. Das Vertrauen des Monarchen, begründet durch das Gewicht der Thaten seines treuen Feldherrn, berief den Fürsten zu einer entscheidenden Mitwirkung bei der Wahl der neuen Räthe der Krone. Doch schon bald nach dem Beginne der Wirksamkeit des neuen Ministeriums ergaben sich Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Feldmarschall und den leitenden Staatsmännern; der Fürst wollte eine offene und entschiedene Sprache dem gemeinsam anerkannten Gegner gegenüber eingeschlagen wissen. Er betonte die politische Opportunität eines offenen Verfahrens und erklärte endlich, daß die Aufgabe für ihn zu schwer würde, wenn er der alleinige Repräsentant des Widerstandes sein müsse. Noch glichen sich diese Gegensätze so weit aus, daß das Ministerium dem Fürsten versprechen konnte, die Uebereinstimmung mit dessen Anschauungen zu suchen und alle wesentlichen, entscheidenden Maßregeln in dessen Sinne zu behandeln. Der Feldmarschall begab sich nun zur Thronbesteigung Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph nach Olmütz, der seinen Feldherrn in herzlichsten Worten seiner Dankbarkeit und seines gnädigen Vertrauens versicherte. Nach der Bewältigung Wiens gebot die politische Lage des Staates das Einrücken kaiserlicher Truppen in Ungarn und die Unterwerfung dieses im vollen Aufstande gegen seinen König befindlichen Landes. Damit trat an Windisch-Grätz die Forderung heran, die vor Wien und an der March stehenden, durch die Gewalt der Ereignisse aus verschiedenen Ländern zusammengerafften, ohne die geringste normale Feldausrüstung dastehenden Truppen für einen so ernsten und schwierigen Feldzug, wie es die Wintercampagne in Ungarn werden mußte, in operationsfähigen Zustand zu versetzen. Ueberdies war ein großer Theil der ungarischen Linien-Regimenter in die Reihen der Insurgenten getreten, in deren Händen sich das [24] gesammte in Ungarn aufgehäufte Kriegsmaterial befand, und der kaiserlichen Armee waren alle Hilfsquellen dieses Landes verschlossen. In dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraume von sechs Wochen mit dem Nothwendigsten versehen, stand die Armee zum Beginne der Operationen bereit. Unter seinem unmittelbaren Commando hatte der Feldmarschall 44.000 Mann. Am 15. December 1848 eröffnete er seine Offensive gegen Ungarn. Die Kämpfe seiner Armee gegen die Insurgenten dauerten bis zum 24. April 1849, an welchem Tage der Feldmarschall von seinen Truppen in einem Armeebefehle mit den Worten: „daß es ihm doppelt schwer falle, die Armee in jenem Momente zu verlassen, wo ihr nach so vielen Anstrengungen und Beweisen von Hingebung für den Monarchen und die gerechte Sache bevorstand – durch die bedeutenden Verstärkungen in der nächsten Zeit – schöne Tage als Lohn für ihr früher schon Geleistetes zu gewinnen“. Es ist nicht unsere Aufgabe und kann es für unser Werk nicht sein, die taktischen Vorgänge und die strategischen Maßnahmen des Fürsten während der Zeit vom 15. December 1848 bis 24. April 1849 im Detail darzustellen, für den Laien wären sie doch unverständlich, für den Fachmann dürften sie die vorzüglichen Quellen, welche darüber vorliegen und am Schlusse dieses Artikels angegeben werden, weder ersetzen noch ergänzen, da, was wir mittheilen könnten, nur knappe Auszüge wären. Wir gehen also darüber rasch hinweg. Es wurde mit wechselndem Glücke gekämpft. Doch der Vortheil neigte sich bald auf Seite der Insurgenten, die ja das Eine und Wesentliche für sich hatten, daß sie im Vaterlande und mit Eingeborenen gegen eine fremde Armee kämpften, die nach Ansicht der Insurgenten Eindringlinge waren. Zudem zeigten sich die Insurgenten der Natur der Sache nach, da ja durch die Honvéds sozusagen das ganze Volk in Waffen stand, unserer Armee weit überlegen. Das unter den Auspicien des Feldmarschalls im Jahre 1851 erschienene Geschichtswerk: „Der Winter-Feldzug 1848 und 1849 in Ungarn“ gibt eine genaue Darstellung des Kampfes auf Grundlage officieller Documente und weist nach, daß der Feldmarschall in allen Wechselfällen dieses merkwürdigen Feldzuges nicht allein die Lage der Dinge klar vor Augen hatte, sondern daß auch seine Handlungen sowohl dieser Erkenntniß entsprachen als den Zweck seiner Operationen, insolange er an der Spitze der Armee blieb, glücklich erreichten. Als es nach Schluß des Krieges dem kaiserlichen Generalstabe möglich geworden, Einsicht in die ungarischen Feldacten zu nehmen, da zeigte es sich, daß die Festung Komorn ohne den stattgefundenen Entsatz sich nicht mehr acht Tage hätte halten können. Wäre es somit dem Feldmarschall vergönnt gewesen, seine Operationen zu Ende zu führen, so würde wohl auch die kaiserliche Armee die Revolution allein bewältigt haben. Die vor Eröffnung des ungarischen Winter-Feldzuges unter dem frischen Eindrucke der Thaten des Feldmarschalls und während dessen persönlicher Anwesenheit immer wieder ausgeglichenen Gegensätze zwischen ihm und dem Ministerium hatten sich nach dem Abmarsche der Armee in mehrfacher Beziehung verschärft. Der Feldherr fand mannigfach Ursache, über die ungenügende und lässige Unterstützung zu klagen, die ihm hinsichtlich der für seine Unternehmungen unbedingt nöthigen [25] Kriegskräfte geboten wurde. Stets von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die revolutionären, Ungarns Losreißung bezweckenden politischen Ergebnisse der letzten Monate beseitigt werden müßten, hatte er bereits im März, und so viel er es konnte, auch von Prag aus gegen dieselben gewirkt. Er wollte aber auch ähnliche Vorgänge für die Zukunft vermieden sehen und suchte nicht mit Unrecht das Ziel darin, Ungarn unter den so vielfach geänderten Verhältnissen der Monarchie in den Organismus des Reiches hineinzufügen, indem er die directe Gegnerschaft gegen die ungarische Nationalität ebenso wenig mit seinen Anschauungen vereinigen konnte, als er auch Zweifel darüber äußerte, ob die verfügbaren militärischen Machtmittel zu einem Vernichtungskampfe gegen die magyarische Nationalität ausreichen würden. Bei seinem offenen Charakter und der tief in ihm begründeten Ueberzeugung, daß ein gerader und consequent verfolgter Gang der Regierung derselben die meisten Anhänger und folglich die kräftigste Stütze schaffen müßte, sah er sich hier in entschiedenem Widerspruche mit den Auffassungen des Ministeriums, welches bis zum letzten Tage vor dem Aufbruche der Armee sich nicht bestimmt über seine politischen Pläne in Ungarn aussprechen wollte. So kam es, daß von den einflußreicheren, bedeutenderen Persönlichkeiten aus den Reihen jener Ungarn, welche der Dynastie treu geblieben, keine zu bewegen war, sich dem in ihr Land einrückenden Feldherrn thätig anzuschließen. Er mußte sich daher, um nur einigermaßen über politische Organe verfügen zu können, auf die Verwendung in Ungarn gedienter Officiere und später solcher Männer beschränken, welche aus persönlichem Vertrauen in die staatsmännischen Anschauungen des Fürsten sich ihm zur Verfügung stellten, aber auch nach seiner Abberufung zum größten Theile den Dienst wieder verließen. Kaum war der Feldmarschall in Ungarn eingerückt, so folgten ihm die verschiedenartigsten, mitunter widersprechendsten und abenteuerlichsten Entwürfe bezüglich der in Ungarn zu befolgenden Politik, namentlich aus den Kreisen des Ministeriums des Innern, Entwürfe, die mit den thatsächlichen Verhältnissen oft im grellsten Widerspruche standen oder mit den verfügbaren Mitteln gänzlich undurchführbar erscheinen mußten. Fürst Windisch-Grätz suchte vorläufig durch militärische Organisirung der wiedergewonnenen Landestheile den politischen Beschlüssen in keiner Art vorzugreifen, machte jedoch dem Ministerium den Vorwurf, daß es dort, wo die Revolution unterdrückt worden, in den deutschen und slavischen Provinzen, der nöthigen Festigkeit entbehre, in dem noch zu erobernden Ungarn aber politische Vorgänge beanspruche, welche die von ihm zu lösende Aufgabe erschweren müßten. So boten die Forderungen des Feldmarschalls bezüglich der absolut zum Erfolge nothwendigen Kriegskräfte, dann die Fragen über die Reorganisation Ungarns vielerlei Anlaß zu Reibungen zwischen Feldherrn und Staatsmännern, und auch der Gang des Ministeriums in allen übrigen Fragen der inneren Politik war in sehr vielen Richtungen nicht mit dem Gedankengange des Feldmarschalls in Einklang zu bringen. Der Besieger der Revolution in Prag und Wien durfte sich mit vollem Recht als den Schöpfer der Lage der Dinge betrachten, wie diese in den Octobertagen hervorgegangen, für die Art und Weise aber, wie diese Situation für die Zukunft des Reiches [26] ausgestaltet wurde, erklärte der Fürst wiederholt, die Verantwortung nicht tragen zu können; die Opfer, welche sein Kampf mit der Revolution gekostet, die Thaten, die er in demselben vollführt, wollte er – dies war seine Anschauung – nicht umsonst gebracht wissen. Die Geschichte wird einst die Acten über die zwischen den leitenden Männern jener Zeit in Oesterreich aufgetauchten und durchstrittenen Fragen zu schließen, sie wird ihren Ausspruch zu fällen haben; Thatsache aber bleibt es, daß den Gegnern des Feldmarschalls, deren er, nach seiner ganzen Haltung gegenüber der europäischen Bewegung, nicht wenige zählen konnte, in Wien und Olmütz immer mehr Terrain eingeräumt, daß die ernstere Wendung, welche der Feldzug in Ungarn genommen, und die in den Operationen eingetretene Krisis benützt wurden, um den unbequemen Mahner, den principienfesten Mann und entschiedenen Charakter, von seiner in so mancher Richtung überwiegenden Stellung zu entfernen. Die Berichte des kaiserlichen Feldherrn über den Fortgang der Operationen waren allerdings nicht entmuthigend verfaßt; immerhin ließen sie in allen Epochen des Winter-Feldzuges die Lage der Dinge, die zu gewärtigenden Chancen und die Mittel, welche ihm zur Durchführung seiner Aufgabe verfügbar blieben, klar erkennen. Die mit verhältnißmäßig geringem Kampfe und mit ganz ungewöhnlicher Schnelligkeit erreichte Besetzung der Landeshauptstädte Pesth-Ofen schienen in Olmütz zu optimistischen Auffassungen geneigt zu machen. Die Operationen des Feldmarschalls gegen die in excentrischem Rückzuge begriffenen Insurgenten, dessen wiederholt erfolgreiche offensive Rückschläge während der bis zum Falle Komorns oder bis zu dem gegen das Frühjahr zu gewärtigenden Eintreffen von Verstärkungen nothwendig gewordenen Defensive an der Donau wurden an maßgebender Stelle nicht gewürdigt. Als der Feldmarschall zur baldigsten Beendigung des blutigsten Racenkampfes in Siebenbürgen den Einmarsch der befreundeten russischen Truppenmacht in dieses unglückliche Land veranlaßte, als er zum schleunigen Fortschreiten seiner Operationen die Besetzung Galiziens durch 30.000 Russen und die Heranziehung der kaiserlichen Garnisonen aus diesem Lande zu seiner Armee beantragte, da wurde er, der in einem sechsmonatlichem Kampfe gegen die Revolution (von März bis October 1848), angesichts Europas alleinstehend in unentwegter Durchführung seiner persönlichen Ueberzeugung, den Erfolg geschaffen, im März 1849 als seines Amtes nicht mehr mächtig befunden. In seinem Abschiedsbefehle an die Armee ddo. Olmütz 24. April 1849 schildert er seine Empfindungen, seinen Ideengang nach der Abberufung. Ohne wieder in öffentliche Wirksamkeit zurückzukehren, aber in stets jugendlich frischer patriotischer Theilnahme an den politischen und militärischen Vorgängen in Oesterreich und Europa überlebte Fürst Windisch-Grätz noch 14 Jahre die Ereignisse, während deren er eine weitragende entscheidende Thätigkeit übte; er vermochte den in seinem Vaterlande eingeschlagenen politischen Weg, die zur Durchführung gelangten organischen Gestaltungen nicht zu billigen und sprach und schrieb manches warnende Wort. Im Frühjahr 1850 wurde ihm auf den von eilf Theresien-Rittern und Generalen der Armee ohne sein Vorwissen gestellten Antrag vom Capitel des Maria Theresien-Ordens mit Einhelligkeit der Stimmen [27] das Großkreuz desselben zugesprochen. 1854 ernannte ihn der Kaiser zum zweiten Inhaber des neuerrichteten 8. Dragoner-Regimentes Erbgroßherzog von Toscana. Diese Auszeichnung, gleichzeitig Inhaber von zwei Regimentern zu sein, gehörte von jeher zu den seltensten in der Armeegeschichte. 1856 begab sich der Fürst auf königliche Einladung an den Berliner Hof. König Friedrich Wilhelm IV. ehrte die Anwesenheit des ihm besonders werthen Gastes in einem dessen Verdienste würdigenden Schreiben durch die Ernennung zum Chef des königlich preußischen 2. Dragoner-Regimentes. In der ersten Hälfte des Juli 1859 erschien der Feldmarschall im ah. Auftrage in Berlin, um in directem Verkehre mit dem damaligen Prinz-Regenten von Preußen, späteren Kaiser Wilhelm, über den Abschluß einer Allianz gegen Frankreich in Unterhandlungen zu treten, welche jedoch die Nachricht vom Abschlusse der Friedenspräliminarien zu Villafranca unterbrach. Anläßlich der Constituirung des Reichsrathes in Oesterreich im Februar 1861 zum erblichen Mitgliede des Herrenhauses ernannt, nahm der Fürst an dessen Sitzungen mit dem regsten Interesse im Sinne seiner oftmals ausgesprochenen Ueberzeugung Theil. Erst wenige Wochen vor seinem Tode fesselte ihn die Krankheit an das Lager, welcher er nach schwerem physischen Kampfe im 75. Lebensjahre am 21. März 1862 um 11 Uhr Nachts erlag. Unerschrocken, mit dem Muthe eines tapferen Soldaten, mit der oft erprobten unerschütterlichen Ruhe eines mit sich einigen Mannes, mit der frommen Ergebung eines Christen sah er dem Tode entgegen, dem er so oft auf den Feldern des Ruhmes ins Auge geblickt. Bis zu den letzten Lebensstunden hatte er die Frische und Klarheit seines Geistes bewahrt, er traf seine letztwilligen Anordnungen bis in das kleinste Detail und nahm herzlichen Abschied von allen Freunden, die ihn besuchten; noch wenige Tage vor seinem Hinscheiden weilte er mit seinen Gedanken bei jener braven Reiterschaar, welche schon durch mehr als ein Vierteljahrhundert seinen Namen führte, und dictirte einen Abschiedsbefehl an sein „tapferes Regiment“. In den zeitweiligen unbewußten Aeußerungen des Dahinsterbenden kamen ihm die Namen seiner ehemaligen Feldherren und Freunde Kienmayer und Louis Liechtenstein über die erbleichenden Lippen. Der Kaiser hatte den kranken Fürsten mehrmals vor seiner Abreise nach Venedig mit seinem Besuche beehrt. Ein vom 22. März datirter ah. Armeebefehl enthielt die Anordnungen bezüglich der Trauer und bestimmte, daß das damalige 2. (jetzt 14.) Dragoner-Regiment „für immerwährende Zeiten den ruhmvollen Namen des Feldmarschalls zu führen habe“. Ein gleichzeitiges ah. Handschreiben an des Verstorbenen ältesten Sohn, den Generalmajor Fürsten Alfred Windisch-Grätz, drückte die wärmste Theilnahme des Monarchen aus. Am 26. März fand das feierliche Leichenbegängniß zu Wien statt, und auf ausdrücklichen ah. Befehl ging der vom Feldmarschall Grafen Wratislaw geführte Conduct durch die kaiserliche Hofburg. Ihre Majestäten der Kaiser von Rußland und der König von Preußen sandten eigene Militärdeputationen hiezu nach Wien, desgleichen auch die Bundesfestung Mainz, deren Gouverneur Fürst Windisch-Grätz seit 1859 war. Am 28. März folgte dieselbe Feierlichkeit in Prag, unter dem Befehl des Commandirenden von [28] Böhmen, Generals der Cavallerie Grafen Clam-Gallas, und durch eine eigene Fügung des Schicksals ertönte der Donner derselben Geschütze von den Höhen des Hradschins, wo der Verblichene kaum 14 Jahre früher dem Lande die Ruhe gegeben und den Grund zur Erhaltung der Monarchie gelegt. Hierauf erfolgte die Ueberführung der Leiche in die Familiengruft zu Tachau unter Begleitung von Abtheilungen des Regimentes Fürst Windisch-Grätz-Dragoner, die von Prag an zugsweise aufgestellt waren. Am 31. März wurden die irdischen Ueberreste des Fürsten von Officieren seines Regimentes in der Familiengruft beigesetzt; das 8. Huszaren-Regiment Kurfürst von Hessen-Cassel, aus der Stabsstation Klattau herbeigezogen, erwies dem Feldmarschall die letzte Soldatenpflicht. In der Sitzung des 22. März 1862 besprach der Präsident des Herrenhauses, Fürst Karl Auersperg, obwohl nicht auf derselben politischen Bahn mit dem Verstorbenen, dessen Leben und Wirken in charakteristisch bezeichnender Weise (S. 34). Die „Wiener Zeitung“, das Organ für conservative Interessen, sagt an der Spitze des Blattes Nr. 69 vom 23. März: „Feldmarschall Fürst Windisch-Grätz ist diese Nacht gestorben. Wie er durch das Leben geschritten war, fest und unerschütterlich, mit sich und seinem Wollen im Reinen, seiner Aufgabe und seines Zieles sich klar bewußt, und wie er dastand – ein mächtiger Stamm, unberührt durch die Stürme, die an den Aesten peitschten, wie durch das Gewürm, das an den Wurzeln nagte – so ist er auch im Tode geblieben: ungebrochen und unverzagt – wie ein Mann, der seinen Frieden gemacht hat mit Gott, mit sich und mit der Welt, Zeugniß gebend für die Macht und die Stärke und den Trost tiefen Gottesglaubens.“ Schreiber dieser Skizze, welche auf Grund einer größeren historischen Arbeit des begeisterten Historiographen der kaiserlichen Armee, Andreas Grafen Thürheim, ausgearbeitet ist, kannte den Fürsten persönlich und stand ihm 1848 in einer militärischen nicht unwichtigen Angelegenheit in Olmütz gegenüber. Der Feldmarschall machte den Eindruck einer imponirenden Persönlichkeit. Gemessen, wortkarg, aber würdevoll in seinem ganzen Wesen, war er im genannten Jahre der Einzige, der bald nach dem berechtigten Freudenrausche der Märztage die fremden Elemente gewahrte, welche die erregte Stimmung der Völker benützten, um ein allgemeines Chaos vorzubereiten und auf den Trümmern ihr Quos ego auszurufen. Der Unentschlossenheit, ja Feigheit der administrativen Behörden setzte er Kaltblut, Energie und unbeugsame Willenskraft entgegen. Er wußte, was er wollte: er wollte den Kaiserstaat, der aus allen Fugen zu weichen nahe daran war, zusammenhalten, und er allein hat ihn damals zusammengehalten; denn durch die Siege Radetzky’s wurden ja nur die an den Kaiserstaat angegliederten, aber nie organisch mit ihm verbundenen italienischen Provinzen Venedig und Lombardie, als sie in offene Empörung ausbrachen, gebändigt, gewonnen war damit nichts, als ein Stück glorreichen Waffenruhmes, an dem es ja der österreichischen Armee nie gefehlt hat.

I. Stand der Familie. Fürst Windisch-Grätz in seinem Hause. Fürst Alfred Windisch-Grätz vermälte sich nach Familienmittheilung am 17. (nach dem Gothaischen Genealogischen Hofkalender am 16.) Juni 1817, also nach vollendetem 30. Lebensjahre mit Prinzessin Eleonora, ältester Tochter des Fürsten Joseph Schwarzenberg aus dessen Ehe [29] mit der Prinzessin Pauline von Arenberg. Die Hochzeit wurde auf dem fürstlich Schwarzenberg’schen Schlosse zu Frauenberg in Böhmen gefeiert. Dieser glücklichen 31jährigen Ehe entstammten fünf Söhne und zwei Tochter: 1. Aglae Eleonora (geb. 27. März 1818, gest. nach mehrjährigem schmerzlichen Leiden 6. Juli 1845), 2. Erbprinz Alfred Nicolaus (siehe S. 55), 3. Victorin Leopold (geb. 24. Juli 1824, gest. 3. October 1869), 4. August (geb. 24. Juli 1828), 5. Ludwig (siehe S. 69), 6. Joseph (siehe S. 59) und 7. Mathilde (geb. 5. December 1835), vermält am 12. September 1857 mit ihrem Vetter Karl Prinzen zu Windisch-Grätz, Witwe seit 24. Juni 1859 (siehe die besondere Skizze S. 64). Bezeichnend für das Glück der Ehe des Fürsten sind dessen eigene Worte, die er mehr als 40 Jahre später zu einem seiner Söhne, als in ernster Stunde seine Erlebnisse an seiner Erinnerung vorüberglitten, sprach: „daß ein solches Seelenbündniß, das wahre häusliche Glück, denn doch das Einzige sei, was dauernde und werthvolle Zufriedenheit dem Menschen zu schaffen vermöge“. Diese Worte gewinnen aber an Bedeutung in dem Munde eines Mannes, der, thatkräftig und energisch, nicht zu weicher Sentimentalität neigte, der so ziemlich Alles erfahren, was das menschliche Herz höher schlagen läßt, nachdem ein ergreifendes Schicksal ihn durch menschliche Freude und menschliches Leid, durch Lust und Trauer geführt hatte. Die Details der Erziehung seiner Kinder überließ der Fürst mit vollstem Vertrauen seiner hochsinnigen Gattin, nur in wichtigere Fragen eingreifend und sich die letzte Entscheidung vorbehaltend, immer im gegenseitigen innigen Verständnisse. Das Verhältniß des Fürsten zu seinen Kindern war ein inniges und würdevolles; das Ansehen der väterlichen Autorität wurde beiderseitig strenge festgehalten, und mit kindlicher Ehrfurcht und anhänglicher Liebe hingen die Letzteren an dem theueren Vater, der ihnen als Christ, Edelmann und Soldat ein nachahmenswerthes Beispiel bot. In den Kriegsjahren 1848 und 1849 stand der Feldmarschall mit seinen fünf Söhnen vor dem Feinde, von denen, wie aus den besonderen Skizzen ersichtlich, drei im Heere des Vaters, vor Wien und in Ungarn, zwei dagegen in Italien in der Armee des Marschalls Grafen Radetzky standen und mit Auszeichnung fochten. Fürst Windisch-Grätz war ein Unterstützer und Wohlthäter der leidenden Menschheit, und kein Armer und Hilfsbedürftiger verließ unbeschenkt sein Haus; er war ein treu ergebener Sohn seiner Kirche, ohne Unduldsamkeit gegen Andersgläubige, wohl aber ein Feind des seichten Rationalismus, der Atheisten und Gottesläugner. An seinem Glauben in Religion und Politik hielt er treu und fest, kurz er war ein Charakter, auf den die Worte des römischen Classikers Horaz: „Et si fractus illabatur orbis, impavidum ferient ruinae“ als bedeutsame Signatur vollkommen passen.
II. Zur Charakteristik des Fürsten. Nach dem Tode des Reichsgrafen Joseph Niclas zu Windisch-Grätz sollte dessen Witwe 1803 nach Paris reisen, um gleich so vielen Reichsständen bei der großen Theilung der säcularisirten Güter Ersatz oder Vortheile zu gewinnen. Dieser bei der Familienberathung in Vorschlag gebrachte Antrag scheiterte aber an dem Gefühle und den Ansichten des damals erst 16jährigen Majoratserben, zu dessen Gunsten derselbe eben angeregt wurde. Als 1811 die Entwerthung der öffentlichen Creditpapiere und des Papiergeldes erfolgte, hatte Fürst Alfred Windisch-Grätz auf seinen Güterbesitz bedeutende Capitalien an seine Schwestern auszuzahlen, er konnte sich aber nicht entschließen, die zu Ungunsten der Letzteren sprechenden gesetzlichen Verfügungen zu seiner Erleichterung zu benützen, und berichtigte seine diesfälligen Verpflichtungen den Landesgesetzen entgegen im vollen Realbetrage nach dem letzten Willen seines Vaters, schon damals in ungewohnter Weise, wie mehr als 40 Jahre später bei ähnlichen Vorgängen, seine stolze Unabhängigkeit bewahrend, die wie er merken ließ, den Vertretern großer Namen und hoher socialer Stellungen in erhöhtem Grade zukomme. Walter Rogge, des Fürsten heftiger Gegner, der denselben öfter und nicht der Wahrheit gemäß angreift, schreibt in seinem Geschichtswerke „Oesterreich von Világos bis zur Gegenwart“ (Leipzig und Wien, Brockhaus 1872) Bd. I, S. 9: „Dagegen ist es ein interessanter Zug, daß in einer Zeit, wo die hohe österreichische Aristokratie durch den Wettlauf um die Betheiligung mit Concessionen zu industriellen Gesellschaften Geld zu machen suchte und das enrichessez-vous, durch welches die Regierung sie für den Verlust jedes politischen [30] Einflusses entschädigen wollte, mit Gier in Scene setzte, der Fürst sich weigerte, seine Creditactien verkaufen zu lassen, als ihr Cours nahezu aufs Doppelte gestiegen war. „Ich habe sie genommen, weil man mir sagte, die Gründung der Creditanstalt wäre ein Vortheil für den Staat“, entgegnete er seinem Geschäftsführer auf den betreffenden Vorschlag; „„Geschäfte macht kein Windisch-Grätz““. Nach diesen vorliegenden Zügen edler und wahrhaft vornehmer Denkungsart führen wir einen weiteren Zug rührender Treue und Anhänglichkeit an, die er seinem einstigen Führer und Vorgesetzten unter allen, auch ungünstigen Umständen bewahrte: General der Cavallerie Baron Kienmayer, bis 1826 commandirender General in Mähren, ein kriegerisches Ideal aus der Knabenzeit des Fürsten, sein erprobter und glänzender Feldherr im Feldzuge 1809 bei den Streifzügen in Franken – derselbe würdige Veteran, dessen Name noch in den letzten Lebensstunden des Feldmarschalls Fürsten Windisch-Grätz unbewußt auf dessen Lippen wiederkehren sollte – war wegen einer unbedeutenden Ordnungswidrigkeit beim Ankaufe einiger ausrangirter Fuhrwesenspferde denuncirt, seiner hohen Stellung enthoben, nach Wien citirt und in Untersuchung gezogen worden. Er hielt sich, bis ins tiefste gekränkt, in einem Gasthofe der Hauptstadt als ein in Ungnade Gefallener, von aller Welt gemieden, auf. Die ganze Armee war von diesem Unglücksfall ergriffen und betrübt. Fürst Windisch-Grätz, kaum in Wien angelangt, richtete seine ersten Schritte zu seinem alten hochverehrten Feldherrn und fuhr en pleine parade bei ihm vor, um ihm seine Ehrfurcht zu bezeigen. Tags darauf bei seiner Ankunftsaudienz beim Monarchen wurde er von diesem, dem mehr leicht etwas unbekannt blieb, mit den Worten empfangen: „Sie waren beim Kienmayer.“ Er antwortete: „Ja, Eure Majestät! Ich habe es für Pflicht gehalten, diesem Manne, der sich um das kaiserliche Haus und die Armee so unsterbliche Verdienste erworben hat, unter allen Umständen meine unveränderte Verehrung zu bezeigen.“ Der Kaiser sah den Sprecher fest an, schwieg und begann dann von anderen Dingen zu reden. – Treffend und charakteristisch ist eine Antwort, welche Fürst Windisch-Grätz einst in Gegenwart des Staatskanzlers dessen Gemalin gab. Auf der Reise nach Königswart hielten sich diese Beiden in Prag auf, und der commandirende General führte sie in ein in der Nähe der Stadt gelegenes Cavallerie-Uebungslager. Die Fürstin Metternich, von dem malerischen Eindrucke des Lagerlebens angeregt, ließ sich die Phrase entschlüpfen: „Je comprends, que ces choses là vous amusent“, worauf ihr Fürst Windisch-Grätz antwortete: „Croyez-moi, Madame, que cela sert encore à autres choses, et que tous vos diplomates et leurs affaires ne tiendtraient pas longtemps sans ce que Vous nommez des jeux amusants.“
III. Porträts, Medaillon und Statuette des Fürsten. Ein in Oel auf Elfenbein gemaltes Miniaturporträt aus den ersten Jahren seiner militärischen Dienstzeit, dessen Maler unbekannt ist, stellt den Fürsten in Uhlanenuniform dar, mit dem Sterne des St. Hubertusordens; es zeigt ihn mit gelocktem blonden Haar und einem gleichfarbigen schwachen Schnurrbart; die Züge haben noch bis in seine letzten Lebensjahre einige Aehnlichkeit bewahrt. – Ein Porträt in Lebensgroße, Kniestück von Lampi aus dem Jahre 1811 oder 1812, gleichfalls in Uhlanenuniform; im Hintergrunde seine Truppe sichtbar. – Ein Aquarell, ebenfalls von einem unbekannten Meister, wahrscheinlich zur Zeit der Vermälung des Fürsten 1817 gemalt, also in dessen 30. Lebensjahre, stellt ihn ohne Schnurrbart dar, den er bereits 1813 bei seiner Beförderung zum Oberstlieutenant in einem Chevauxlegers-Regimente hatte ablegen müssen; auch sind die Haare spärlicher, da er sie frühzeitig verlor. – Zwei Aquarelle aus den Dreißiger-Jahren, den Fürsten in Generalsuniform darstellend, gehören zu dessen besten Porträts. Die Maler beider sind unbekannt. – Profilmedaillon vom Bildhauer Gerard (sämmtlich in der Familie). – Sehr gelungene Lithographie von Kriehuber als kleines Brustbild (sehr selten). – Lithographie desselben Künstlers 1852 (Wien, Neumann, Fol.). – Eine wenig gelungene Lithographie von Dauthage nach Kriehuber. – Zwei Mignonstahlstiche, einer von Mahlknecht, der andere von C. von Frombeck. Beide aus dem Jahre 1848 und sehr selten. – Eine kleine Statue des Fürsten, von Cauer in Kreuznach, die nach dem Zeugnisse des Fürsten Metternich ein wahres Meisterwerk ist. (Aus Metternich’s nachgelassenen Papieren. VIII. Schlußband S. 277 sub 1842). [31] – Lebensgroßes Bild des auf einem Schimmel reitenden Feldmarschalls, er ist in Campagne-Generalsuniform dargestellt, den Hut mit wallendem Federbusche auf dem Haupte und in einen weißen Cavalleriemantel gehüllt, der, vorn geöffnet, nach rückwärts halb fliegend, theilweise die Croupe des Pferdes bedeckt. Um den Hals trägt der Fürst das goldene Vließ, an der Brust die beiden inländischen Großkreuze des Maria Theresien- und St. Stephan-Ordens und das Malteserkreuz; die eine Hand hält neben den Zügeln den Marschallsstab, die andere ist auf den Schenkel gestützt. Das Bild, aus der Mitte der Fünfziger-Jahre, ist vom Maler Amerling mit Verständniß und besonderer Vorliebe gemalt und dürfte als eines der bedeutendsten Werke des genannten Künstlers bezeichnet werden, Eine Lithographie dieses Bildes ist von E. Kaiser erschienen. Außerdem eine Unzahl von Lithographien, Holzschnitten u. s. w., mehr oder weniger ähnlich.
IV. Medaillen auf den Fürsten Windisch-Grätz. 1) Avers. Wappen ohne Umschrift. Revers. Im Felde: „Zaslavži | lemu“. Prämienmedaille in Bronze. – 2) Avers. Brustbild im Profil. Umschrift: „Alfred Fürst zu Windisch-Grätz, k. k. Feldmarschall“. Revers. In einem Lorberkranze: „Des | Aufruhrs | hell lodernde | Flamme | erdrückt er mit | kräftiger Hand“. Unten: Drentwet. Kupfermedaille. – 3) Avers. Brustbild des Fürsten Windisch-Grätz, und des Banus Jelačić. Umschrift: „E. A. Fürst z. Windischgrätz, | k. k. öst. Feldmarschall” (ein strahlender Stern); „Jos. Freiherr v. Jellachich, | Banus v. Croatien“. Unter den Brustbildern: geb. d. 17. Mai 1787, geb. d. 16. Oct. 1801. Darunter: „Vereintes Wirken | 1848, 1849.“ Revers: Der Doppeladler mit zwei Schlangen in den Klauen, unten die Ansicht von Wien. Umschrift: „Für Kaiser, Gesetz und Gleichberechtigung d. Nationalitäten”. Kupfermedaille von Reuße. – 4. Avers. Brustbild in Profil, darunter Scharff. Umschrift: „Alfred Fürst Windisch-Grätz, k. k. Feldmarschall“. Revers: Sitzende weibliche Figur mit einem Buche, worauf 1848. Im Abschnitt: Scharff fecit 1854. – 5. Avers: Brustbild in Profil, darunter: Ganzani. Umschrift: „Feld-Maresciallo Windisch-Grätz“. Revers: In einem Kranze von Eichenlaub, Helm und Schwert. Silbermedaille 1/2 Loth. Medaille auch in Kupfer. Die Abbildungen vorangeführter Medaillen befinden sich in der „Beschreibung der bisher bekannten böhmischen Privatmünzen und Medaillen, herausgegeben von dem Vereine für Numismatik zu Prag“ (Prag 1852, Miltner und Sacher-Masoch, 4°.) Tafel LXXV, Nr. 642–645 und Tafel LXXXI, Nr. 688. – Lorberkranz. En Theil der Prager Bürgerschaft überreichte 1848 dem Fürsten Windisch-Grätz, der ihre Stadt vor den schrecklichen Folgen der Anarchie bewahrte, einen Lorberkranz mit einem Album, das die Namen der Verehrer des Fürsten enthielt. Der Kranz ist von Silber, die Blätter und die Lorbern sind von Gold und grün emaillirt.
V. Orden und Ehrendegen. Der Fürst-Feldmarschall besaß neben dem Orden des goldenen Vließes, der ihm 1830 verliehen worden, österreichischerseits noch das Großkreuz des Maria Theresien-Ordens (1850) und des ungarischen St. Stephans-Ordens (1848), den Alexander Newski-Orden in Brillanten, den St. Andreasorden gleichfalls in Brillanten, außerdem noch 13 Orden, meist Großkreuze von Rußland, Preußen, Bayern, Hannover, Toscana und Rom, das Ehrengroßkreuz des souveränen Johanniterordens und seit 1814 einen kaiserlich russischen Ehrendegen.
VI. Einige denkwürdige Armeebefehle des Feldmarschalls. Armeebefehl des Feldmarschalls Fürsten Windisch-Grätz ddo. 2. November 1848 (nach der Einnahme Wiens): „Die für die Erhaltung der Monarchie durch den vortrefflichen Geist, die Entschlossenheit und Ausdauer der hier vereinten Truppen erreichten glänzenden und bedeutungsvollen Resultate machen es mir zum wahren Bedürfnisse, Euch tapfern Kämpfern für die geheiligten Rechte unseres Monarchen, für die Ruhe und Sicherheit des redlichen Staatsbürgers, hiemit aus dem Grunde meines Herzens die gebührende Anerkennung Euerer schönen Thaten auszudrücken und Euch zuzurufen: „„Ich bin stolz, an Euerer Spitze zu stehen!““ Da ich mir vorbehalte, sowohl jene Truppenkörper, als auch einzelne Individuen, welche sich in diesen ereignißvollen Tagen besonders ausgezeichnet haben, Seiner Majestät dem Kaiser namhaft zu machen, so gewärtige ich von den Herren Corpscommandanten hierüber [32] grundhältige Eingaben, desgleichen auch genau verfaßte Totalausweise über die Todten, Verwundeten und Vermißten.“ Hetzendorf am 2. November 1848, Fürst Windisch-Grätz. Feldmarschall, m. p.Armeebefehl ddo. Olmütz am 24. April 1849. „Seine Majestät der Kaiser haben mich von dem Armeecommando in Ungarn abzuberufen und dasselbe dem Herrn Feldzeugmeister Baron Welden zu übertragen geruht. Wenn mir zu jeder Zeit die Trennung von einer Truppe ein schweres Opfer bleibt, bei der ich durch so lange Zeit und so viele Jahre meines Lebens zugebracht habe, kann ich nicht leugnen, daß es mir doppelt schwer fällt, sie in jenem Momente zu verlassen, wo ihr nach so vielen Anstrengungen und Beweisen von Hingebung für ihren Monarchen und die gerechte Sache bevorsteht, durch die bedeutenden Verstärkungen in der nächsten Zeit schöne Tage als Lohn für ihr früher schon Geleistetes zu gewinnen. Alle Eigenschaften, die sie in diesem mühseligen Feldzuge entwickelt hat, die Beweise von Anhänglichkeit und Vertrauen, die sie mir gegeben, werden mir eine theuere Erinnerung bleiben. Diese Armee hat für die Welt große Verdienste, sie hat zur Aufrechthaltung der socialen Ordnung, zur Herstellung eines gesetzlichen Zustandes unter meiner Leitung so Vieles geleistet, daß diese Thaten allein hinlänglich sind, ihr ein unverlöschliches Verdienst in der Geschichte zu bewahren. Eine Wohlthat bleibt es mir, und mein Stolz wird es stets sein, sie in dieser verhängnißvollen Epoche geführt und einen Geist in ihr gefunden zu haben, der erhaben war über das Verderbniß der jetzigen Zeit. Meine besten Wünsche, meine wärmste Theilnahme werden ihr überall folgen, und wenn ich auch nur tief bedauern kann, nicht mehr Zeuge sein zu können der Thaten, die ihr jetzt bevorstehen, so hege ich die feste Zuversicht, daß sie unter der einsichtsvollen Leitung, die ihr zutheil wird, allen jenen Erwartungen entsprechen werde, die ich mir selbst von ihr gemacht hätte. Ich sage ihr nochmals Dank vom Ersten bis zum Letztem für das unter mir Geleistete, und meine warme Anhänglichkeit werde ich ihr zu allen Zeiten bewahren“. Alfred Fürst zu Windisch-Grätz, Feldmarschall, m. p.Abschiedsbefehl des Feldmarschalls Fürsten zu Windisch-Grätz an sein innehabendes 2. Dragoner-Regiment. „An mein Regiment! Ich kann diese Welt nicht verlassen, ohne mein tapferes Regiment noch zu grüßen. So wie ich hienieden stets lebhafte Theilnahme für dasselbe gefühlt, so werde ich auch jenseits, wenn dies möglich sein sollte, seine Thaten und Schicksale verfolgen.“ Wien, am 13. März 1862. Alfred Fürst zu Windisch-Grätz, Feldmarschall.
VII. Gesuch der eilf Maria Theresien-Ordensritter. Eilf Mitglieder des Maria Theresien-Ordens, welche in der Armee sowohl durch Stellung als durch hervorragende persönliche Eigenschaften sich bleibende Anerkennung gesichert haben, Graf Ludwig Wallmoden, Graf Nugent, Graf Mensdorff, Graf Heinrich Hardegg, Freiherr d’Aspre, Freiherr von Welden, Graf Wratislaw, Graf Schlik , Baron Jelačić, Fürst Felix Schwarzenberg, Graf Clam-Gallas, hatten, ohne daß der Fürst eine Ahnung davon haben mochte, dem Großmeister die unterthänigste Bitte um Verleihung des höchsten Zeichens militärischen Ruhmes an denselben vorgelegt. Seine Majestät der Kaiser überwies das Gesuch dem im Jahre 1850 tagenden Capitel, und dieses erkannte dem Fürsten Windisch-Grätz durch Einhelligkeit der Stimmen das Großkreuz zu. Die Motive dieses Gesuches sind ehrend für die Bittwerber, wie für den Fürsten. „Indem wir den Namen Windisch-Grätz nennen“, heißt es darin, „bezeichnen wir damit zugleich Tugenden, welche den Träger desselben zum Manne der Geschichte machen. Erlassen uns Euer Majestät die Ereignisse zu schildern, welche in der jüngsten Vergangenheit den Erdball aus seinen Fugen zu stürzen, Throne und Reiche zu zertrümmern. Recht und Ordnung zu vernichten drohten. Euer Majestät haben diese Katastrophe selbst durchlebt. Euer Majestät sind selbst von der Vorsehung auserkoren, segenbringend in die Weltverhältnisse einzugreifen. An Oesterreichs Schicksalen, hing das Los Europas, das der Gesellschaft. Die Empörung erhob mit maßloser Kühnheit ihr Haupt selbst, auch in Euerer Majestät blühendem Staate – und für seinen Monarchen, ohne alle Rücksicht auf die tiefen Wunden, die ihm die Volkswuth geschlagen trat Fürst Windisch-Grätz unaufgefordert an die Spitze der Truppen, und nachdem er Prag mit der Gewalt der Waffen wieder beruhigt, vor Wien die ungarischen Rebellen zurückgeworfen, das bethörte Wien bezwungen, [33] zog er, die rauhe Jahreszeit nicht scheuend, siegreich in die Hauptstadt Ungarns ein. Das gute Recht hatte gesiegt, der Thron Euer Majestät war gerettet, und das erschütterte Reich erhob sich mit neuer, nie gekannter Kraft aus seinen Trümmern empor, unter denen es das Ausland bereits begraben glaubte. Das sind Thatsachen, mit denen der Name Windisch-Grätz unauflöslich verwebt, und mit ihm die Erinnerung an felsenfeste Treue und unbeugsamen Muth und hohes Verdienst immerdar verbunden bleibt.“ Der stylistische Aufsah dieses Gesuches soll der schwungvollen Feder des Barons Jellačić entstammen.
VIII. Handschreiben Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, ddo. Sanssouci den 26. Mai 1856. (Anläßlich der Verleihung des 2. königlich preußischen Dragoner-Regimentes.) „Euer Durchlaucht sind in einer langen ehrenvollen Laufbahn ein Muster militärischer und ritterlicher Tugenden gewesen. Sie haben in den trüben Zeiten der Verwirrung vor Vielen unerschütterliche Treue und hohe Feldherrnbegabung gezeigt und haben die wahre Manneskraft selbst in Augenblicken bewahrt, wo Gott Ihrem eigenen Herzen tiefe Wunden schlug. Die Verdienste, welche Sie sich in diesen Zeiten des Zusammenbruches erworben haben, erstrecken sich über die Grenzen des österreichischen Reiches hinaus. Ich freue Mich, daß Sie mir durch Ihren Besuch die Gelegenheit gegeben haben, Ihnen Meine volle Anerkennung bethätigen zu können. Nachdem Ich die Zustimmung Seiner kaiserl. königl. apostolischen Majestät Ihres allergnädigsten Herrn dazu erhalten habe, gebe Ich Mir die Freude, Euer Durchlaucht zum Chef Meines 2. Dragoner-Regimentes zu ernennen. Es ist dies ein Regiment, welches bewährten Kriegsruhm besitzt, an dessen Spitze Mein tapferer Oheim, des Prinzen Wilhelm von Preußen königliche Hoheit, und vor Ihm Mein in Gott ruhender Schwiegervater, des Königs von Bayern Majestät und Mein hochseliger Oheim Prinz Ludwig gestanden haben. Das Regiment ist Mir hiedurch besonders theuer, und wenn Ich Sie bitte, in der Verleihung dieses Regimentes einen ganz besonderen Beweis Meines Wohlwollens und Meiner Achtung zu sehen, spreche Ich zugleich aus, daß nicht nur das Regiment stolz sein wird, seinen Chef in Euer Durchlaucht Person zu sehen, sondern, daß Meine ganze Armee sich mit Mir freuen wird, den General-Feldmarschall Fürsten von Windisch-Grätz in ihren Reihen zählen zu können.“
IX. Der Smiřitzky’sche Proceß. In neuester Zeit las man in einem und dem anderen Zeitungsblatte, daß Fürst Windisch-Grätz, in der weiblichen Linie von dem Herzoge von Friedland abstammend, um die Rehabilitation des Andenkens und Wiedererstattung der eingezogenen Güter Wallenstein’s zu erlangen, einen Proceß gegen den Fiscus anhängig gemacht habe. Diese Annahme ist ganz unrichtig, der Fürst hat allerdings einen Proceß, jedoch gegen Wallenstein, resp. den Fiscus angestrengt; die näheren Umstände dieses Vorganges sind, wie folgt: Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges war gleichzeitig mit der Confiscation der Güter Wallenstein’s auch das Smiřitzky’sche Vermögen eingezogen worden, dessen Verwaltung und Nutzgenuß der damals so mächtige Herzog von Friedland unter dem Vorwande der Vormundschaft des letzten minderjährigen Smiřitzky an sich gerissen hatte. Dieser Mündel starb während der Verwicklungen; die Einsprüche anderwärtig berechtigter Glieder der Familie dieses Letzteren wurden nicht gehört, und das in jener Zeit auf zwei Millionen geschätzte Vermögen (37 Herrschaften) ging größtentheils aus den Händen des Fiscus, der es nach Wallenstein’s Ermordung eingezogen hatte, in jene der Donatare über, welche bei den großartigen Umgestaltungen jener Epoche bedeutende Gütermassen an sich brachten. Die Smiřitzky’schen Ansprüche waren in allen Formen Rechtens, schon seit mehreren Generationen, an das Haus Windisch-Grätz übergegangen, und hatten sogar wiederholt darüber Verhandlungen stattgefunden. Dem Reichsgrafen Joseph Niclas war von Kaiser Joseph II. das Herzogthum Leuchtenberg in Franken sammt Anwartschaft auf eine altfürstliche Stimme im deutschen Reiche, nach einer zweiten Version bei einer anderen Gelegenheit ein sehr bedeutender Besitz in den recuperirten Landstrecken des südlichen Ungarn als Ersatz angeboten worden; beide Unterhandlungen indeß zerschlugen sich, und es kam auch zu keiner Berücksichtigung der Rechte des Hauses Windisch-Grätz, als Fürst Alfred gleich in den ersten Jahren nach Abschluß der Kriegsereignisse (um 1816) [34] neuerdings seines Vaters Proceß gegen die Staatsverwaltung anstrengte, den er bis dahin in der Kampfesepoche seiner Jugend wohl eben so sehr der damals so ungünstigen Verhältnisse des Staates halber als aus Patriotismus nicht zur Sprache gebracht hatte. Die Gerichte begannen damit, die Verjährung zu Gunsten des Fiscus auszusprechen, worauf aber Fürst Windisch-Grätz in einem Schreiben darauf hinwies, daß die lange Zwischenzeit seit der letzten Verhandlung in den Bedrängnissen des kaiserlichen Hauses und der hingebenden Anhänglichkeit des Unterthans ihre Veranlassung gefunden. Der hohe Gerechtigkeitssinn des Kaisers Franz bestimmte nun, daß von der Verjährung abzusehen sei und ein Schiedsgericht berufen werde, welches aus je drei von dem Monarchen und dem Fürsten Windisch-Grätz zu bezeichnenden Richtern und einem von diesen sechs zu designirenden Präsidenten zu bestehen habe, und daß von denselben der Proceß ausgetragen werde. Der Kaiser äußerte gegen den Oberstkämmerer Grafen Wrbna: „daß ihm mit der billigen Einleitung dieser Angelegenheit wirklich ein Stein vom Herzen gefallen sei“. Leider sollte der so gerechte und billig denkende Monarch den Abschluß dieses Rechtsstreites nicht mehr erleben. Als nach seinem Tode die Bureaukratie zur ausschließlichen Macht gelangte, brachte sie den Spruch wieder auf die vom Kaiser Franz bereits aufgehobene Verjährung zurück und erklärte denselben als unberechtigt zu dem Ausspruche dieser Rechtswohlthat. Bald nachher erließ eine kaiserliche Entschließung mit der klaren Absicht der Begütigung dem Fürsten die letzten Raten des Kaufschillings für die Fondsherrschaft Kladrau, welchen Nachlaß dieser jedoch nur unter der Bedingung annahm, daß dieser Umstand in keiner Weise mit dem Processe in Verbindung erklärt werde, was auch das kaiserliche Handbillet mit dem Zusatze bestätigte, daß diese allerhöchste Gnadenerweisung nur den persönlichen Verdiensten des Fürsten gelte. Dies ist die Sachlage des vielerwähnten Smiřitzky’schen Processes.
X. Kundgebungen anläßlich des Todes des Feldmarschalls. Allerhöchster Armeebefehl anläßlich des Ablebens des Feldmarschalls Fürsten zu Windisch-Grätz, ddo. Venedig, am 22. März 1862. „Um das Andenken des verewigten Feldmarschalls Alfred Fürst zu Windisch-Grätz seinen vielen Verdiensten gemäß zu ehren, finde Ich Nachstehendes anzuordnen: Im Sitze eines jeden Generalats ist ein Trauergottesdienst abzuhalten. Meine gesammte Armee und Flotte haben acht Tage hindurch die Trauer in und außer Dienst, alle Fahnen und Standarten auf diese Zeit den Flor zu tragen. Das 2. Dragoner-Regiment hat für immerwährende Zeiten dessen ruhmvollen Namen zu führen. Der Feldmarschallstab, die inländischen Ordensdecorationen und eine vollständige Uniform sind im Museum des kaiserlichen Arsenals neben jenen der berühmten und verdienstvollen Feldherren aus früherer Zeit aufzubewahren“. Venedig, am 22. März 1862. Franz Joseph, m. p.Allerhöchstes Handbillet an den Generalmajor Alfred Fürsten zu Windisch-Grätz. „Lieber Generalmajor Fürst Windisch-Grätz! Der überaus schmerzliche Verlust, den durch den Tod Ihres Vaters Ich und Ihre Familie erleiden, hat Mich tief ergriffen. An ihm verliert Meine Armee das glänzendste Vorbild echter Ritterlichkeit. Diesem Ausdrucke Meiner wärmsten Theilnahme füge Ich die Versicherung bei, daß Ich für die vielen und großen Verdienste Ihres nunmehr in Gott ruhenden Vaters um Mich und Mein Reich stets ein dankbares Andenken bewahren werde.“ Venedig, am 22. März 1862, Franz Joseph, m. p.Nachruf des Herrenhaus-Präsidenten Fürsten Karl Auersperg zum Andenken des Feldmarschalls Fürsten Windisch-Grätz. Gehalten in der Sitzung des 22. März 1862. „Ich habe der hohen Versammlung die tief betrübende Mittheilung von dem Verluste eines ausgezeichneten Mitgliedes zu machen, welchen das hohe Haus durch das Hinscheiden Seiner Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten von Windisch-Grätz erlitten hat. Es gibt Persönlichkeiten, welche von der Gunst der Vorsehung bestimmt sind, in der Wagschale der staatlichen Geschicke besonders schwer zu wiegen, das Gewicht ihrer Thatkraft wird für die Abwehr von Gefahren, für das Gedeihen des Vaterlandes mit immer gleich günstigem Erfolge eingesetzt. Fürst Windisch-Grätz war eine solche Persönlichkeit; seine unerschütterliche Hingebung für das Allerdurchlauchtigste Kaiserhaus, seine glühende Vaterlandsliebe waren jederzeit im vollen Gewichte für Oesterreichs Wohl und [35] Größe, seine edle Willenskraft war an der Spitze seiner tapferen siegesmuthigen Kampfgenossen zu wiederholten Malen der Schwerpunkt, auf welchem des Thrones Stufen sicher und unantastbar ruhten. Sein Name war eine Zierde für jeden Beruf, jeden Kreis, dem dieser Edelmann seinen ritterlichen[WS 1] Willen, getragen von bewunderungswerther Seelengröße, widmete. Die Erinnerungen, welche sich an diesen Namen knüpfen, sie füllen ein Ehrenblatt in der Geschichte Oesterreichs aus. (Beifall.) Ein Unterpfand seines Wirkens mahnt jeden Oesterreicher, des Fürsten Windisch-Grätz in dankbarster Ehrfurcht zu gedenken. Es ist dies der Bestand der Monarchie (Bravo und Rufe: Sehr gut! im Centrum), des Hauses Habsburg legitimer Thron steht – als ruhmvolles Denkmal seines thatenreichen Lebens. Das Kaiserthum Oesterreich schuldet dem verklärten Helden seine Wiedergeburt und die Wohlthat socialer Ordnung. (Bravo! Bravo!) Der Dolmetsch Oesterreichs Dankgefühle zu sein, steht in erster Reihe dem Herrenhause zu. Lassen Sie uns daher den erlauchten Verblichenen im Nachruf wehmuthvoller Dankbarkeit und durch einstimmige Kundgebung unserer gerechten Trauer ehren.“ (Die ganze Versammlung erhebt, sich.) – Generalsbefehl des Commandirenden von Böhmen, Generals der Cavallerie Grafen Clam-Gallas, ddo. Prag, den 27. März 1862. „Seine Majestät der Kaiser, unser Kriegsherr, hat mich mit dem ehrenvollen Auftrag betraut, an der Spitze der von Allerhöchstdemselben bestimmten Armeedeputation unsern geliebten, verehrten Feldmarschall Fürsten Windisch-Grätz zur letzten Ruhestätte zu begleiten. Seit einigen Stunden ruht er in Prags Mauern, der Obhut und Sorge meines Armeecorps anvertraut – eine Auszeichnung, die jeden Einzelnen wohl mit tiefem Schmerz, aber auch mit wehmüthigem Stolz erfüllt. Durch eine eigene Fügung des Schicksals werden morgen den Manen des verewigten Helden an derselben Stelle die letzten Huldigungen dargebracht, an welcher Er durch seinen unbeugsamen Muth und Kraft den Grund zur Wiederbefestigung des Thrones, der Erhaltung der Monarchie gelegt. Von denselben Höhen der stolzen Königsburg, wo Er unerschüttert, wie ihre alten Mauern, die Schlange der Revolution zertreten, dem Lande die Ruhe wiedergegeben – von diesen selben Höhen soll morgen der Donner der Geschütze ihm zur Ehre und zum ewigen Ruhm den letzten Soldatengruß nachsenden. Dieselben Geschütze, deren verheerendem Feuer Er mit seinem Machtwort Halt gebot, und dies im Moment tiefsten, gerechtesten und heiligsten Schmerzes, in edelster, ohne Beispiel dastehender Selbstverleugnung sich selbst das schönste Denkmal wahrer Größe setzend. Der Donner der Kanonen wird verhallen, die Erinnerung an den dahingeschiedenen großen Mann aber wird in jedem treuen Soldatenherzen ewig bleiben – sein Soldatensegen in ernster Stunde über uns walten!“ Graf Clam-Gallas, General der Cavallerie, m. p. Prag, am 27. März 1862. – Auszug aus dem Nachrufe eines ungarischen Staatsmannes (Grafen Anton Széchen), abgedruckt im „Vaterland“. III. Jahrgang 1862, Nr. 70, ddo. 15. März 1862. Nach einer Einleitung, in welcher der schmerzliche Verlust und die hohen Verdienste des Feldmarschalls Fürsten Windisch-Grätz in würdiger, schwungvoller Sprache, dem ganzen Gewichte nach, besprochen werden, endet der geistvolle Staatsmann in folgenden Worten: „Nichts kann gedeihen, wo ein wirres Chaos alle Elemente der Entwicklung verschlingt, und daß das Chaos revolutionärer Zustände in Oesterreich von den Strahlen einer besseren Zeit erleuchtet wurde, verdanken wir dem Fürsten Windisch-Grätz. Er hat diesen Ländern und Völkern das kostbarste Gut gerettet, welches die Vorbedingung gedeihlicher Zustände ist. Den Faden der Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, das legitime Recht seines Herrscherhauses, welches die Schwäche, die kurzsichtige Leidenschaft, die Gedankenlosigkeit der Menge, die frevle Tücke feindseliger Gewalten zu zerreißen drohte, hat er im entscheidenden Momente mit starker Hand erfaßt, und der Faden ward zum mächtigen Taue, welches das Schiff des Staates trotz allen Stürmen an einen sichernden Ankerplatz knüpfte. Während andere Länder und Völker seit zwei Menschenaltern all ihr Streben nach freiheitlicher Ordnung und geordneter Freiheit an dem Bruche mit ihrer Geschichte scheitern sehen, hat des Fürsten Windisch-Grätz männliche Entschlossenheit diesen Bruch von uns abgewendet. Diesen Dienst hat der edle Verblichene nicht einer Meinung oder Partei geleistet; der Constitutionelle, wie der Anhänger der reinen [36] Monarchie, der Liberale wie der Conservative dankt ihm gleichmäßig den festen Boden, auf dem sie sich im offenen ehrlichen Kampfe begegnen können; und vor diesem Danke verstummt in besseren, auch bei der entschiedensten Festigkeit abweichenden Ueberzeugungen alle Verschiedenheit der Meinungen übel den edlen Todten. Neben dem allgemeinen Eindruck, den sein öffentliches Wirken in diesem Sinne zurückgelassen, drängt sich aber den Näherstehenden noch eine Fülle von Zügen auf, die sein Leben zu einem unvergeßlichen machen. Wie gerne verweilt die Erinnerung bei seinem gemüthlichen Wohlwollen, bei der edlen Treue, die seine Beziehungen zu seiner Familie, seinen Freunden und Anhängern bezeichnete, bei den echt soldatischen Gefühlen für das Heer, dem er mit allen Fibern seines Wesens angehörte, bei seinem strengen Pflichtgefühle, dessen Gebote ihm nie schwerer wurden, als wo es galt zu strafen. Das größte Opfer, welches er seiner Aufgabe gebracht hat, war die Strenge, wenn er gezwungen wurde, sie anzuwenden. Er hatte sie dort beseitigt, wo verbrecherischer Wahnsinn seinem Herzen die tiefste Wunde geschlagen hatte, wo er sie übte, übte er sie nur als ernstes Gebot der Nothwendigkeit. Gegenüber seinen besiegten politischen Gegnern kannte er keinen Haß, und die Rache war ihm fremd, weil ihm die Furcht stets fremd gewesen. Und wie er lebte, so ist er gestorben: klar, einig mit sich selbst, muthvoll, liebevoll, nicht gleichgiltig gegen das Leben und die Güter, die es ihm bot, aber gefaßt und ergeben – ein echt christlicher Held. Mit treuer Ergebenheit richteten sich seine Gedanken an den kaiserlichen Herrn, der an seiner Hand den Thron bestiegen hatte, an das Vaterland, das er gerettet, an die sociale Ordnung, die er vertheidigt, an die theueren Angehörigen, die er geliebt, an die zahlreichen Freunde und Verehrer, für deren Jeden er ein ermuthigendes, wohlwollendes, unvergeßliches Abschiedswort hatte. Möge sein Andenken gesegnet und unvergessen bleiben; möge sein Geist uns umschweben, denn es ist der Geist des Muthes, der Ehre und der Treue.“ – Beileidstelegramm des ältesten Soldaten der Armee. Feldmarschall Graf Nugent, seit dem Jahre 1794 der kaiserlichen Armee und in seiner Doppeleigenschaft als Feldmarschall und Regimentsinhaber damals noch der Activität angehörig, mithin jedenfalls der älteste Soldat der Armee, übersandte folgendes Telegramm: „Des großen Todten treuester Freund beweint den Verlust für Kaiser, Armee, Familie und Nugent.“
XI. Zeitstimmen über den Feldmarschall Fürsten Windisch-Grätz. Es seien hier Aussprüche einiger anerkannter hochgestellter militärischer und wissenschaftlicher Capacitäten über das Wirken des Feldmarschalls Fürsten Windisch-Grätz angeführt. So sagt der Feldzeugmeister Ritter von Schönhals in seinen „Erinnerungen eines österreichischen Veteranen“ II. Theil, S. 171: „Obgleich unsere Aufzeichnungen sich nur mit jenen Ereignissen beschäftigen, bei denen wir selbst Theilnehmer oder Augenzeugen waren, so können wir doch einen Mann nicht mit Stillschweigen übergehen, der sich neben dem Feldmarschall Radetzky um die Wiederherstellung der Gesetze, um die Wiederbefestigung der Monarchie und um den Sieg des Rechtes über Unrecht, Heuchelei und Verrätherei die größten Verdienste erwarb. Dieser Mann ist Feldmarschall Fürst Windisch-Grätz, damals commandirender General des Königreichs Böhmen. Unter schmerzlichen Opfern, die seinem eigenen Herzen die tiefsten Wunden schlugen, hatte er eben erst einen Aufstand in Prag unterdrückt, die alte Hauptstadt Böhmens der Anarchie entrissen, in die sie zu stürzen drohte, und die Ruhe wieder hergestellt, als die Empörung Wiens und der Aufruhr Ungarns ausbrach. Schnell, entschlossen, raffte er Alles, was an verfügbaren Streitkräften ihm unter die Hand kam, zusammen, erschien vor Wien, wies einen Einfall der Ungarn zurück, die Jelačić bis vor die Thore Wiens gefolgt waren, nahm die Hauptstadt nach ziemlich lebhaftem Widerstande und stellte das Ansehen des Kaisers wieder her. So sollte die Treue und der rasche Entschluß eines Soldaten abermals die Monarchie retten.“ – Und Feldmarschall-Lieutenant von Heller sagt in seinem Werke „Der k. k. österreichische Feldmarschall Graf Radetzky u. s. w.“ (Stuttgart und Augsburg bei Cotta 1858) S. 376 und 377, wie folgt: „Wie unbestritten aber auch die großen Verdienste Radetzky’s um die Erhaltung des Thrones bleiben, so erheischt es doch die Billigkeit, auch jener hier zu gedenken, welche sich der Feldmarschall Fürst Windisch-Grätz für denselben Zweck erwarb und die Geschichte nicht mit Stillschweigen [37] übergeben darf. Bei dem beständigen Andringen um Verstärkungen für Italien hatte der Kriegsminister in kurzen Zeiträumen in sehr bestimmten Ausdrücken, zuletzt sogar mit Hindeutung auf persönliche Verantwortung, angewiesen, die im böhmischen Generalat entbehrlichen Truppen unverweilt an den Isonzo zu senden. Windisch-Grätz glaubte dieser Aufforderung keine Folge geben zu dürfen, in der sicheren Ueberzeugung, daß man dieser 10.000 Mann Kerntruppen bald in der Nähe benöthigen würde. Und er hatte Recht. Mit ihnen eilte er, auf die erste Nachricht von den Ereignissen des 6. Octobers, vor Wien und nahm das Corps des Banus auf. Hätte aber der Fürst nicht die Revolution in Prag und Wien niedergeworfen, so würde die Empörung bald die gesammte Monarchie ergriffen und die Armee in Italien in eine sehr bedenkliche Lage versetzt haben. Selbe hätte auf alle Verstärkungen und Zuschübe aus dem Innern gänzlich verzichten und sozusagen isolirt, mitten in einem empörten Land einen treulosen Feind bekämpfen müssen. Ob sodann noch ein ausgiebiger Erfolg möglich gewesen wäre, läßt sich freilich jetzt nur sehr schwer entscheiden. Gewiß ist es aber, daß, falls Fürst Windisch-Grätz den so peremptorischen Befehlen Latour’s entsprochen haben würde, eine Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung fast illusorisch blieb. Die revolutionäre Presse jener Zeit hat den ritterlichen und edlen Fürsten als zweiten Alba hingestellt, und dennoch behandelte dieser große Mann ganz so wie sein Waffenbruder Radetzky auch die Kaiserstadt mit gleicher Milde und Nachsicht.“ – Und der deutsche Soldat (General der Cavallerie) Graf St. Quentin sagt in seinem Buche „Unsere Armee“ (Wien 1850, Gerold) S. 20 über den Feldmarschall Windisch-Grätz: „Allerdings waren Persönlichkeiten, große, unsterbliche Namen, an denen sich unser Muth und unsere Hoffnung im Süden und Norden unseres Vaterlandes aufrichtete. Es war das herrliche Wir (Windisch-Grätz, Jelačić, Radetzky), der feste ritterliche Charakter in Böhmen, der Erste, der die Soldatenehre in jener rathlosen Zeit festzuhalten wußte“ u. s. w. – Wir führen hier ferner noch einige bekannte Historiker an, so schreibt Dr. Georg Weber, ein Liberaler, dem man wahrlich keine Voreingenommenheit für Oesterreich und dessen Heerführer[WS 2] vorwerfen kann, in seiner „Weltgeschichte“ Bd. XV, S. 309 anläßlich der Besiegung der Prager Revolution: „Die Czechen erhielten aber durch eine blutige, mit der Beschießung der Stadt verbundene Niederlage von dem energischen Fürsten Windisch-Grätz, dessen Gemalin bei dem Aufstande ihren Tod gefunden, die derbe Lehre, daß Oesterreichs Macht und Größe noch unerschüttert sei.“ – Und aus demselben Anlasse schreibt Wolfgang Menzel in seiner „Geschichte Europas vom Sturze Napoleons bis auf die Gegenwart [1816–1856]“ (Stuttgart 1857, Krabbe) Bd. II, S. 232: „Das war der erste Sieg über die Revolution in Oesterreich, zwar nur local, aber von unermeßlichem moralischen Erfolge. Seine Bedeutung für Deutschland lag darin, daß er bewies, wenn sich Oesterreich nicht selber helfe, werde es von Deutschland, namentlich von Frankfurt her, keine Hilfe erhalten.“ – Und ein inländischer Geschichtsschreiber, Dr. Hermann Meynert, sagt im Supplementband seiner „Geschichte Oesterreichs“ (Wien 1863, bei Gerold) S. 367, wie folgt: „Zum ersten Male seit den verhängnisvollen Mai-Tagen hatte die Empörung eine vollständige Niederlage erlitten; Fürst Windisch-Grätz hatte in einfachster Weise das Geheimniß aufgedeckt, auf welche Weise sie zu besiegen sei, nämlich dadurch, daß man ihr Stand hielt und nicht vor ihr floh. Mit Römergröße die Ermordung seiner Gemalin, die Verwundung seines Sohnes tragend, ohne Zorn und Rachegefühl, der Schwerstbeleidigte und zugleich der Versöhnlichste, hatte er durch ruhige Kraft den Aufstand entwaffnet und dann durch schonendes Wohlwollen die erregten Gemüther besänftigt. Aber die deutsche Demokratie gerieth über die Schlappe, die sie erhalten, in maßlosen Zorn, und da ihr kein anderes Mittel übrig blieb, so erschöpfte sie sich in grimmigen Lügen über des Fürsten Windisch-Grätz Grausamkeit und Blutdurst und nahm, gleich einem geschlagenen Schulknaben, ihre Zuflucht zu dem feigen Mittel, ihren Besieger zu verdächtigen und zu verklagen. Eine kleine Lection würde die deutsch-demokratische Partei in Wien den Pragern wahrscheinlich gegönnt haben; aber über eine totale Niederlage Prags erschrak sie denn doch, denn das Bild einer über die Empörung siegreichen gesetzlichen Gewalt war der Demokratie unter allen Umständen ein Gräuel; sie hatte Prags Demüthigung gerne gesehen, wenn nur nicht auf der anderen Seite der [38] Sieg des Fürsten Windisch-Grätz gestanden wäre.“
XII. Die Niederwerfung des Prager Aufstandes und ihre Wirkung auf die übrigen Staaten des Continents. Die Niederwerfung der Prager Empörung war seit Ausbruch der Pariser Februar-Revolution der erste größere und entschiedene Sieg der legitimen Macht über die Gewalten des Aufruhres und der Anarchie. Die böhmische Heeresabtheilung hatte den seit langem verbreiteten Glauben der Unbesiegbarkeit empörter Städte und tückischer Straßenkämpfe Lügen gestraft, an dem unerschütterlichen Felsen echter Soldatentugenden war dieser Wahn zersplittert worden. Mit solchen Truppen sah sich der commandirende General im Stande, jeder Eventualität entgegenzutreten; und er that es! Im Vertrauen auf diese so glänzend bewiesene Kriegertugend, auf die in den bittersten Augenblicken seines Lebens ihm gegenüber bewährte Anhänglichkeit und Treue der Soldaten beschloß Fürst Windisch-Grätz, den über die Revolution errungenen Sieg nicht mehr aus den Händen zu geben. In wiederholten öffentlichen Erklärungen sprach er sich aus, daß sein Kampf weder der Unterstützung noch der Unterwerfung einer oder der andern Nationalität gegolten, daß es sich ihm nicht um politische Formeln handle, daß er aber Gesetz und Ordnung vertreten, das Land dem Kaiser und dem Reiche erhalten, den thatsächlich erwiesenen Verschwörungen entgegengetreten, die anarchistischen Bestrebungen niedergeworfen habe. Die Seelengröße des Fürsten inmitten der Stürme jener Tage, die unentwegte Consequenz seiner Handlungsweise, das von ihm gebotene Beispiel vollendeter Pflichttreue, die unbedingte Anhänglichkeit und Treue seiner Truppen, dazu die unbestrittene Thatsache des ersten Sieges jener Zeit über die bisher in allen Hauptstädten Europas siegreiche Revolution, dies Alles hatte ihm eine Stellung geschaffen, die er angesichts der immer weitergreifenden Bewegung in Wien und in allen Nachbarstaaten mit der ganzen Kraft seiner Energie festzuhalten entschlossen war. Der Geschichtsschreiber jener Tage begegnet selbst dann, wenn er dieselben als Zeitgenosse mit durchlebt, einer unleugbaren Schwierigkeit in der Aufgabe, der Nachwelt die namenlose Verwirrung, den Grad der Auflösung jeder staatlichen und politischen Ordnung darzustellen, welche in den Sommermonaten 1848 in der Mehrzahl der europäischen Staaten, besonders aber in Mitteleuropa, eingetreten war. Die allgemeine Schwäche der Regierungen, welche den volksthümlichen Erscheinungen gegenüber nicht bloß die Einsicht, sondern auch das Gefühl ihrer Pflichten verloren zu haben schienen, der Mangel an politischer Erfahrung bei der großen Masse der Gebildeten, die zur entscheidenden Mitwirkung bei der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten berufen worden, der während einer langen Friedenszeit entstandene Mangel an Muth bei solchen, denen es nicht an Erfahrung gebrach, die leidenschaftliche, wenn auch in manchen Kreisen ideale Verfolgung nationaler Ziele, für welche die Bahn in einem Augenblicke frei erscheinen mußte, in welchem von Vielen die Berechtigung, von beinahe allen Menschen die Haltbarkeit der bestandenen politischen Ordnungen geleugnet wurde., und innerhalb dieser Verhältnisse die positive Wirksamkeit einer europäischen revolutionären Verschwörung, über deren Ziele gestritten werden mag, die aber unter geschickter Benützung der allgemeinen eben durch sie hervorgerufenen Anarchie unbestritten ihren Weg in der Auflösung aller gesetzlichen Grundlagen zu verfolgen suchte, hatten einen Zustand hervorgerufen, der heutzutage nahezu jeder Schilderung spottet. Die blutigen Kriege, welche in den folgenden Jahrzehnten mit an Zahl immer steigenden Heeren geführt wurden, der in seinen Mitteln und Wegen bis zu den neueren Sprengwerkzeugen und zum Massenmorde fortgeschrittene sociale Kampf, haben die Erscheinungen der Jahre 1848 und 1849 gegenwärtig oft unterschätzen lassen; der ernste Historiker wird aber die Bedeutung der geschichtlichen Thatsachen jener Jahre ebenso sehr bezüglich ihrer selbst, als in ihren weittragenden Folgen würdigen müssen. Nur wenige Berufsrichtungen wußten sich außerhalb des allgemeinen Taumels in ungeminderter geordneter Thätigkeit zu erhalten. Es waren jene, die dem politischen Treiben grundsätzlich ferne blieben. Vor Allem kann dies von den stehenden Heeren jener Zeit gesagt werden, und unter diesen besonders von jenen Heereskörpern, welche, wie die Armee in Italien, einem äußeren Feinde, oder, wie die Armee in Paris oder in anderen Städten, den socialen oder politischen Bewegungen in berufsmäßigem, directem Kampfe gegenüberstanden. Unter den sehr wenigen Männern endlich, die in dieser [39] Epoche unbefangen im Geiste und kräftig im Wollen und Handeln geblieben, waren solche zu finden, die einer oder der andern Partei zum Siege zu verhelfen suchten, andere, die den Verhältnissen diejenigen Machtelemente abzugewinnen wünschten, welche jede Bewegung dem geschickten und entschlossenen Unternehmer bietet. Es war eine günstige Fügung des Geschickes, daß der Mann, dessen Thaten Oesterreich aus den Gefahren dieser Ereignisse herausführen sollten, weder ein Machtpolitiker, noch ein Mann der Parteien war, daß Windisch-Grätz, in klarem Urtheile über die staatlichen Lebensbedingungen, in voller Einsicht in die Wege der Bewegung, kein anderes Ziel vor Augen hatte, als dem Kaiser das Reich, dem Oesterreicher sein Vaterland und in der Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung der ferneren Zukunft die freie Bahn zu erhalten.
XIII. Quellen zur Biographie. a) Gedruckte: Der Winter-Feldzug in Ungarn 1848 und 1849 unter dem Obercommando Seiner Durchlaucht des Feldmarschalls Fürsten zu Windisch-Grätz. Im Auftrage Seiner Durchlaucht des Feldmarschalls nach officiellen Quellen bearbeitet und herausgegeben (Wien 1851, Leopold Sommer, gr. 8°.); – Herczegy (Dr.). Alfred Fürst zu Windisch-Grätz, k. k. Feldmarschall-Lieutenant und commandirender General in Böhmen. Eine treue, unparteiische Darstellung der letzten Prager Ereignisse nach authentischen Quellen bearbeitet, nebst zwei Original-Actenstücken und einer biographischen Lebensskizze des Fürsten von ****r. Motto: „Wahrheit gegen Freund und Feind“ (Wien 1848, K. Gerold, 8°.), – Hirtenfeld (J.). Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wien 1857, Staatsdruckerei, 4°.) Bd. II, S. 1384–1398 und 1749–1753. – Derselbe. Oesterreichischer Militär-Kalender für das Jahr 1863, X. Jahrg. (Wien kl. 8°.). – Wirkner (Ludwig von). Meine Erlebnisse. Blätter aus dem Tagebuche meines öffentlichen Wirkens vom Jahre 1825–1852 (Preßburg 1879, gr. 8°.) S. 234 u. f. – Helfert (Jos. Alex. Freiherr). Geschichte Oesterreichs vom Ausgange des Wiener October-Ausstandes 1848. Vier Bände (Prag 1869–1876, Tempský) Bd. I, S. 61; Bd. III, S. 39, 133, 140, 157, 185, 243, 343, 347, 405; im Anhang S. 13, 68, 91, 153; Bd. IV, S. 177, 191, 195. – Strack (Joseph). Die Generale der österreichischen Armee. Nach k. k. Feldacten und anderen gedruckten Quellen (Wien 1850, Jos. Keck und Sohn, 12°.) S. 32–86. – Deutsche Wehrzeitung, III. Jahrg., Nr. 13, S. 1348–1350. Authentische Darstellung der Prager Juni-Ereignisse, verfaßt vom Hauptmanne Prinzen Ludwig Windisch-Grätz. – Thürheim (Andreas Graf). Geschichte des k. k. 8. Uhlanen-Regimentes Erzherzog Ferdinand Maximilian (Wien 1860, Staatsdruckerei) S. 130, 133, 134, 136, 242, 249. – Oesterreichischer Soldatenfreund. V. Jahrg. (1852) Nr. 11–13: „Zur Charakteristik des Feldmarschalls Fürsten von Windisch-Grätz“. – Licht- und Schattenbilder aus dem Soldatenleben und der Gesellschaft. Tagebuch-Fragmente und Rückblicke eines ehemaligen Militärs (Andreas Graf Thürheim) (Prag und Teplitz 1876, Dominicus, 8°.) S. 215–235: „An Gräbern“. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1869, Nr. 1630 im Feuilleton: „Aus den Märztagen 1848“. Von Ludwig August Frankl. – Dieselbe, 1875, Nr. 3791 im Feuilleton: „Erinnerungen aus den Märztagen 1848“. Von ebendemselben. – Dieselbe, 1867, Nr. 1094 im Feuilleton: „1813, 1833,1866. II. Münchengrätz-Kladrau“. Von Lucian Herbert. – b) Ungedruckte Manuscripte: Handschriftliches Memoire über den Feldmarschall Fürsten Alfred Windisch-Grätz in IV Abschnitten, 54 Bogen stark, von dessen Geburt 1787–1848 reichend, höchst interessante Details, Charakterzüge und ungemein werthvolles historisches Material enthaltend. – Eine Schilderung der Prager Juni-Ereignisse vom Hauptmanne, späteren Feldmarschall-Lieutenant Baron Dürfeld verfaßt, der zur Zeit der geschilderten Begebenheiten als Jägerhauptmann bei dem Commandirenden von Böhmen, Feldmarschall-Lieutenant Fürsten Windisch-Grätz, in Dienstesverwendung stand. 8 halbbrüchig geschriebene Bogen stark. – Der Feldzug gegen die insurgirte Residenz und die aus Ungarn erschienene Rebellenarmee im October des Jahres 1868. Nach officiellen Quellen bearbeitet vom Generalstabe des Feldmarschalls Fürsten zu Windisch-Grätz. 22 Bogen stark.
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Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: rittterlichen.
  2. Vorlage: Heerführr.