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BLKÖ:Heß, Heinrich Freiherr von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 8 (1862), ab Seite: 415. (Quelle)
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Heß, Heinrich Freiherr von (Feldmarschall, Commandeur des Maria Theresien-Ordens, Hauptmann der Trabanten-Leibgarde und Hofburgwache, geb. zu Wien 17. März 1788). Einer alten Adelsfamilie entstammend [siehe in den Quellen S. 423: V. Genealogie, Familienstand], ist H. der Sohn des k. k. Regierungsrathes Franz Joseph Ritter von Heß aus dessen Ehe mit Theresia, gebornen von Leporini. Am 24. December 1805, 17 Jahre alt, trat er als Fähnrich in das Infanterie-Regiment Ignaz Graf Gyulay Nr. 60, wurde aber bald dem General-Quartiermeisterstabe zur Dienstleistung zugetheilt, in welchem er 1805–1806 bei der Aufnahme von Wien, 1807 bei der trigonometrischen Vermessung von Ungarn in Verwendung stand. Am 16. Februar 1809 wurde H. zum Oberlieutenant im Generalstabe ernannt und noch in demselben Jahre nennt ihn der Bericht über die Schlacht bei Wagram mit ehrenvoller Auszeichnung. In Folge dessen am 26. Juli 1809 zum Capitän befördert und zum Infanterie-Regimente Erzherzog Karl Nr. 3 übersetzt, blieb er jedoch beim Generalstabe in der Dienstleistung. Bis zu dem denkwürdigen Jahre 1813 wurde H. theils zur Zusammenstellung des Kriegsjournals vom Jahre 1809, theils zu den die Vertheilung des Heeres auf die einzelnen Ländertheile betreffenden Arbeiten und zur Beschreibung des Landes in strategischer Beziehung verwendet. Am 1. April 1813 zum Hauptmann im General-Quartiermeisterstabe ernannt, wurde H. zuerst zu diplomatischer Thätigkeit berufen und dem General Bubna [Bd. II, S. 183] bei seiner Mission nach Dresden beigegeben. Dann aber trat H. in die Reihen der Armee und kämpfte den Völkerkampf bei Leipzig mit, wo sein Name unter den Ausgezeichneten des Tages erscheint, und er für seine Tapferkeit mit dem österreichischen Leopold- und dem russischen Wladimir-Orden ausgezeichnet wurde. 1814 überschritt H. mit der von dem Grafen Bubna befehligten leichten Division die deutsche Grenze. Diese hatte die Aufgabe, im französischen Süden den Gegenversuchen des Feindes die Spitze abzubrechen und dessen Bemühungen, [416] wenn nicht zu vereiteln, so doch möglichst zu schwächen. H. erkämpfte sich bei dieser Gelegenheit den preußischen Militär-Verdienst- und den sardinischen Mauritius- und Lazarus-Orden. 1815 arbeitete H. im Hauptquartiere und machte dort jene Studien der Kriegsführung im Großen, welche er, sie seither immerdar fortsetzend, später so glänzend verwerthen sollte. Nach beendetem Kriege wurde H. am 16. Juli 1815 Major im Generalstabe – er zählte damals 27 Jahre. Die folgenden Jahre bis 1822 stand H. in wechselnder Verwendung; und zwar seit 1. Juli 1817 befehligte er ein Bataillon des Linien-Infanterie-Regiments Baron Piret Nr. 27, in welches er vom Generalstabe übersetzt worden; am 1. August 1819 kam er in gleicher Eigenschaft zum Infanterie-Regimente Graf Gyulay Nr. 33, in welchem er am 12. Juli 1822 zum Oberstlieutenant vorrückte. Aber früher schon, 1821 wurde er zum Militär-Truppencommissär der österreichischen Besatzungstruppen in Turin ernannt, welche zur Bewältigung der von dem Prinzen von Carignan, nachmaligem Könige Karl Albert, auch genannt Spada d’Italia im Stich gelassenen Revolution in Piemont eingerückt waren und Turin besetzt hielten. Bis 1823 bekleidete H. diese Stelle. Am 8. April 1829 zum Obersten des Infanterie-Regiments Nr. 2 ernannt, wurde er schon im folgenden Jahre am 22. Mai 1831 zum Generalstabe übersetzt und zum Chef der Generalstabs-Abtheilung der mobilen Armee in Ober-Italien ernannt. In dieser Stellung war es H. gegönnt, seine fruchtbaren leitenden Ideen zum Gedeihen eines großen Körpers, welcher der Vervollkommnung bedürfte, nämlich der österreichischen Armee, zu verwirklichen. Er schuf – über Auftrag Radetzky’s – eine „Manövrir-Instruction“ für größere in taktische Körper vereinigte Heerestheile, dann eine „Feld-Instruction“, von denen erstere, ohne sanctionirtes Reglement zu sein, in allen General-Commanden des österreichischen Kaiserstaates als Richtschnur bei Truppenübungen angenommen wurde. H. wählte zu diesem Behufe die strategischen Puncte des Landes und es wurde mit steter Berücksichtigung der Bodenbeschaffenheit eine Reihe der belehrendsten Manövers ausgeführt; es war dieß eine treffliche Schule, welche freilich nur das auf Kriegsfuß stehende Armeecorps in Italien dem strebenden Officier zu bieten im Stande war. Am 8. Mai 1834 wurde Oberst Heß zum General-Major befördert und ihm im October d. J. – H. zählte damals 46 Jahre – das Brigadecommando in Mähren übertragen. Mit 16. October 1843 rückte H. unter Beibehaltung seiner Anstellung zum Feldmarschall-Lieutenant vor; 1844 überbrachte er bei der Thronbesteigung des Sultans Abdul Medjid die Glückwünsche seines Kaisers nach Constantinopel und wurde noch im nämlichen Jahre Inhaber des Infanterie-Regiments Nr. 49. Der Ausbruch der italienischen Revolution im Jahre 1848 gab nun H. Gelegenheit, seine praktische Tüchtigkeit als Generalstäbler zu bewähren. Das ganze Land war im Aufstande begriffen, überall wimmelte es von Freischärlern; die Straßen wurden unwegsam gemacht, Lebensmittel und Munition fehlten; ein wohlorganisirtes, von den Bewohnern des Landes mit Allem reich unterstütztes feindliches Heer rückte heran, und Radetzky hielt nach seinem Rückzuge aus Mailand mit unerschütterlichem Muthe in solcher Bedrängniß Verona besetzt. Im Mai wurde H. zum General-Quartiermeister der Armee in Italien ernannt und entwarf, [417] nachdem die Vereinigung der Abtheilung des Feldzeugmeisters Grafen Nugent mit der Hauptarmee erfolgt war, den Plan zu dem ersten Heraustreten der Oesterreicher aus der Defensive. Am 27. Mai Abends rückten die Oesterreicher in musterhafter Ordnung aus Verona aus, erreichten am 23. Mantua und schon am 29. wurden die feindlichen Schanzen bei Curtatone, eine doppelte Linie mit vorgeschobenen Redouten, angegriffen und erstürmt. Am 30. Mai erfolgte die siegreiche Schlacht bei Goito. Karl Albert, neuer Angriffe gewärtig, hütete ängstlich seine Stellung, während nach dem von Heß nach Radetzky’s Ideen entworfenen Plane Feldmarschall Radetzky nach Verona zurückging und von da sich auf Vicenza warf. In der Nacht auf den 4. Juni brach das um Rivolta versammelte Heer, das 1. und 2. Armeecorps, auf und war am 9. Juni vor der mit 150 Barrikaden besetzten Stadt; am 10. wurde der Berg, der die Stadt beherrscht, gestürmt, bei welcher Gelegenheit unsere Soldaten Wunder der Tapferkeit verrichteten. Am 11. Juni um 6 Uhr Morgens schloß Feldmarschall-Lieutenant Heß mit dem päpstlichen General Durando im Hauptquartiere des 2. Armeecorps in der Casa Balbi die Capitulationsbedingungen, welche das venetianische Gebiet von den päpstlichen Truppen befreiten. In Gewaltmärschen wurde nun nach Verona zurückgeeilt, um jede Bewegung Karl Albert’s, der seinen Bundesgenossen zu Hilfe eilen wollte, zu vereiteln. So wurden in der kurzen Zeit vom 27. Mai bis zum 14. Juni die Aufstellung der Neapolitaner und Toscaner, 10.000 Mann, bei Mantua gesprengt, die gesammte päpstliche Streitmacht in Vicenza, 15.000 Mann, aufgelöst und zu einer dreimonatlichen Waffenruhe gezwungen, die 4000 Mann der Besatzung von Treviso unschädlich gemacht und das Festland Venedigs in Besitz genommen; die Lombarden und Sardinier aber hatten alle Zuzüge aus dem mittlern und südlichen Italien verloren. Eine fünfwochentliche Waffenruhe wurde nun zur Steigerung der Schlagfertigkeit der Armee benützt. Feldmarschall-Lieutenant Heß unternahm mittlerweile am 27. Juni eine Recognoscirung nach Südtirol und ordnete die Aufstellung einer schweren Batterie auf der oberhalb Ceraino gelegenen, die Hochebene von Rivoli, auf welcher das piemontesische Heer aufgestellt war, beherrschenden steilen Felsenlehne an. Diese Batterie hinderte später sehr nachdrücklich das Vordringen des Feindes im Etschthale. Nach beendeter Waffenruhe, innerhalb welcher Frist Heß am 13. Juli zum Feldzeugmeister ernannt worden, ergriff der Feldmarschall Radetzky die Offensive, indem er die feindliche Mitte durchbrach und den Feind zur Schlacht von Custozza zwang, die am 23. Juli begann und am 25. nach hartnäckigem Widerstande des Gegners siegreich für unsere Waffen endete. Im Armeebefehle nach der Schlacht sagt Radetzky, indem er auch anderer Helden des Tages gedenkt, von Heß: „Ich kann ... vorzüglich das aufopfernde und sich auszeichnende Corps des General-Quartiermeisterstabes unter der Leitung ihres ebenso seltenen als tapferen General-Quartier-Meisters von Heß ... nur mit höchster Anerkennung ihrer verdienstlichen Leistungen und persönlichen Aufopferung für Kaiser und Vaterland erwähnen“. Mit Allerh. Handschreiben vom 19. August 1848 erhielt H. das Ritterkreuz des Maria Theresien-Ordens. Karl Albert wollte noch einmal das Waffenglück versuchen, es folgten die zwei blutigen [418] Tage von Volta, der 26. und 27. Juli, worauf der Rückzug des Sardenkönigs (am 28.) nach Cremona stattfand; Radetzky folgte ihm auf dem Fuße, Karl Albert zog sich, vom Dunkel der Nacht begünstigt, hinter die Adda zurück und wollte den Flußübergang streitig machen. Aber statt dessen sah er sich genöthigt, am 31. Juli seinen Rückzug gegen Piacenza, von dort über Lodi nach Mailand fortzusetzen, wo er am 4. August unmittelbar vor Mailand seine Aufstellung nahm. Die Einnahme von Mailand durch unsere Truppen kostete noch einige blutige Kämpfe. Am 9. August sandte Karl Albert seinen Generalstabschef, General-Lieutenant Salasco, in das Hauptquartier Radetzky’s nach Mailand, wo General-Quartiermeister Heß mit Salasco die Waffenstillstands-Uebereinkunft zwischen der sardinischen und österreichischen Armee als Voreinleitung zu den Friedensunterhandlungen noch am nämlichen Tage abschloß. Die Friedensunterhandlungen aber wurden von Seite Piemonts, dem es damit nie Ernst gewesen, in die Länge gezogen, bis mit 12. März 1849 der Waffenstillstand von Seite Piemonts aufgekündet wurde und der Kampf von Neuem begann. Am 16. März überbrachte ein piemontesischer Stabsofficier die officielle Kunde in Radetzky’s Lager. Die ganze Zwischenzeit hatte Heß zu seinen strategischen Dispositionen benützt. Den Winter über hatte er die Vertheilung des Heeres im Lande in einer Art getroffen, daß die gesammte zum Schlagen bestimmte Armee längstens binnen acht Tagen auf jenen Puncten dazustehen vermochte, die zur Sammlung der Streitkräfte für solche Fälle auserlesen waren. Am nämlichen Tage noch, an welchem die officielle Aufkündigung stattgehabt hatte und am folgenden, dem 17. März, marschirten die in und um Mailand befindlichen Truppen in der Richtung gegen Lodi ab. Radetzky mit seinem Hauptquartiere und dem Besatzungsreste brach am 18. auf. Dieser „vorgespiegelte Rückzug“ wurde den feindlichen Befehlshabern in möglichster Eile hinterbracht. Indessen hatten sich alle früher am Ticino in Mailand gestandenen Heerestheile mit den von Piacenza und Brescia herangezogenen Armeecorps in Pavia und dessen Umgebung vereinigt; es standen da 60 Bataillone, 40 Schwadronen und 186 Geschütze. Die Märsche waren in ein so undurchdringliches Geheimniß gehüllt, daß ein Corps von dem andern nichts wußte und die freudige Ueberraschung jeder Abtheilung, alle anderen hier zu finden, sehr groß war. Am 20. März hielt der Feldmarschall die berühmte Heerschau und die Heeressäulen setzten sich in Bewegung, wieder so, daß keine einzelne Abtheilung von der Richtung der andern Kenntniß hatte. In einem von Spionen wimmelnden Lande, ja mehr noch, in einem Lande, wo jeder Bauer ein Spion war, war solch ein geheimnisvolles Vorgehen unerläßlich. Das 1. Armeecorps erreichte Zerbolo, das 2. und 3. Gropello, das 4. la Cava, das Reservecorps Gravellone. Bereits war die feindliche Linie getheilt, der rechte Flügel von der Mitte getrennt. Am 21. brach die Armee gegen Mortara auf. Um Mittag stieß die Vorhut des 1. Armeecorps bei S. Syro und Vigevano auf den Feind, ein hitziges Gefecht gegen eine bedeutende Uebermacht des Feindes endete mit einbrechender Nacht günstig für unsere Waffen. Zu gleicher Zeit erfocht das 2. Armeecorps unter Benedek den schönen Sieg bei Mortara, welchem Nachts die Einnahme dieses Ortes folgte. Am 22. setzte [419] sich die ganze Armee gegen Novara in Bewegung und gelangte am 23. dahin. Um 11 Uhr Mittags entspann sich dei Kampf, Erzherzog Albrecht an Spitze seiner Colonnen erstürmt Montebello nach dreimal erneuertem Sturm das 2. Armeecorps allein, 18.000 Mann stark, focht fünf volle Stunden gegen die 60.000 Mann zählende feindliche Streitmacht. Als schon alle Kräfte der Unseren erschöpft schienen, stieß das 3. Armeecorps zu den Kämpfenden. Um 6 Uhr Abends erreichten das Reservecorps und das 4. Armeecorps die Schlachtlinie. General-Quartiermeister Heß, welcher von einer die Wahlstatt beherrschenden Anhöhe die Lage der Dinge überschaute, berichtete nun dem Feldmarschall, daß ein nachdrückliches Vorrücken der ganzen Schlachtlinie den Tag entscheiden würde; der Feldmarschall gab die Befehle und der Feind hatte die Schlacht von Novara, der König von Sardinien seine Krone verloren. In der Nacht auf den 24. erschien ein feindlicher Parlamentär zu Bicocca, er wurde auf den 25. Morgens in’s Hauptquartier nach Vespolate beschieden. Nach zweitägigen Verhandlungen wurde der Waffenstillstand am 26. zu Novara ausgefertigt. Am 28. hielt Radetzky mit seinem Generalstabe den Einzug in Mailand. In fünf Tagen war der Feldzug beendet. Der Feldmarschall Radetzky in seinem Berichte an das Kriegsministerium meldet: „... In voller Anerkennung der gediegenen Dienstleistung der wirkenden Glieder meines Hauptquartiers, welchen ich als treuen Begleitern auf jeden meiner Schritte Allen das ehrenwertheste Zeugniß unerschütterlichen Muthes, Anhänglichkeit und Aufopferung schuldig bin, nenne ich von selben vor Allen meinen General-Quartiermeister, Feldmarschall-Lieutenant von Heß. Diesem – ich bezeuge es hiermit von ganzem Herzen– gebührt der bei weitem größte Antheil an den Erfolgen, den die Waffen des Kaisers in dem letzten Feldzuge errungen haben. Alle Verhältnisse mit klarem Blicke überschauend, den rechten Zeitpunct schnell erkennend und rasch benützend – stets den höchsten Zweck vor Augen, hatte er mein volles Vertrauen und führte ich, ihn an der Seite, die Armee zum gewissen Siege – das Heer wußte dieß und siegte“. Und eine Stunde nach der Schlacht von Novara schrieb Radetzky an die Gemalin seines General-Quartiermeisters: „Wir schlugen den Feind bei Novara und wenn der Ruhm des Tages mir zugeschrieben wirdEr (Heß) hat ihn, Ihm gebührt das ganze Verdienst“. Heß erhielt für seine unschätzbaren Verdienste am 9. April das Großkreuz des Leopold-Ordens und über Antrag des Ordens-Capitels in der 157. Promotion (26. März 1850) das Commandeurkreuz des Maria Theresien-Ordens. Heß selbst hatte nach Erlangung des Großkreuzes jede Bewerbung um das Theresien-Commandeurkreuz niedergeschlagen, aber die Generale und Grafen Wratislaw, Wallmoden, Clam und Stadion legten ihre Bitte um Verleihung dieser Auszeichnung an den Helden, „der so entscheidenden Einfluß auf die Operationen gehabt“, zu Füßen des Großmeisters nieder. Schon war der verlängerte Einreichungstermin für Maria Theresien-Ordensgesuche überschritten, aber ausnahmsweise überwiesen Se. Majestät mit Handbillet vom 18. Februar 1850 obiges Gesuch dem tagenden Ordenscapitel und [420] obbemeldete Verleihung erfolgte. Bei den nach beendetem Kriege gefolgten verwickelten diplomatischen Verhandlungen lag deren oberste Leitung in den Händen des General-Quartiermeisters Heß. Als später und zwar zu Ende 1850 die Aufstellung großer Truppenkörper im Norden von Böhmen und Mähren und 1854 deren in Galizien, Ungarn und Siebenbürgen gegen Rußland nöthig geworden, wurde H. von Sr. Majestät zu deren Oberbefehlshaber ernannt. Indem er schon nach Beendigung des italienischen Feldzuges zum Feldzeugmeister und General-Quartiermeister der gesammten k. k. Armee ernannt worden war, wurde er später Chef der Central-Operationskanzlei Sr. Majestät des Kaisers und waren durch diese Stellung die Leitungsfäden der meisten militärischen Anordnungen im Großen wie im Einzelnen in seine Hände gelegt. Auf seine Anregung wurde die Central-Befestigungscommission des Reiches in’s Leben gerufen und er zum Vorsitzenden derselben bestellt. Beim Beginne des unglücklichen italienischen Krieges im Jahre 1859 fand H. leider keine Verwendung, aber Ende Mai 1859, nachdem schon die verfehlten Operationen des Grafen Franz Gyulay [Bd. VII, S. 70] nicht mehr rückgängig zu machen waren, wurde H. zur Armee nach Italien entsendet. Nach der Schlacht von Magenta, Mitte Juni, trat er an der Seite des Kaisers, welcher persönlich den Oberbefehl übernahm, an die Spitze der Armee als Chef des Generalstabes. Seine Ansicht, nachdem die Chieselinie aufgegeben worden und die Armee sich in das vielgenannte Festungsviereck zurückgezogen hatte, nicht wieder über den Mincio hervorzubrechen, konnte er nicht zur Geltung bringen. Die Folge davon war die Schlacht von Solferino, in welcher auch seine Disposition, den Durchbruch des Centrums durch eine große Batterie von 104 Kanonen unmöglich zu machen, nicht zur Ausführung kam. H. hatte nun die traurige Aufgabe, am 8. Juli zu Villafranca einen Waffenstillstand mit den Franzosen abzuschließen, der sehr von dem abstach, den er vor 10 Jahren den Piemontesen nach der Schlacht von Novara bewilligt hatte. Nach der Rückkehr des Kaisers nach Wien übernahm H. das Obercommando der österreichischen Armee in Italien und wurde in dieser Eigenschaft am 12. Juli d. J. zum Feldmarschall ernannt. Später verlegte er sein Hauptquartier nach Wien und trat nach Auflösung des Obercommando’s in seine Stellung als Chef des General-Quartiermeisterstabes der ganzen österreichischen Armee zurück. Am 31. Jänner 1860 hat er auch diese Stelle niedergelegt, welche an den General-Feldzeugmeister Benedek übertragen wurde, während H. zum Hauptmann der Trabanten-Leibgarde und der Hofburgwache ernannt wurde. Früher noch, am 24. December 1855, feierte H. sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum; wie Se. Majestät der Kaiser, wie die ganze Armee an dieser erhebenden Feier sich betheiligt, so wie über die Familienverhältnisse des Feldmarschalls ist Näheres unten in den Quellen mitgetheilt. H. ist Besitzer von 21 Orden, darunter von 15 Großkreuzen, und zwar außer den drei ersten Orden seines Vaterlandes, nämlich dem Maria Theresien-Commandeurkreuze und den Großkreuzen des St. Stephan- und Leopold-Ordens, besitzt er die Großkreuze von Civil- und Militär-Orden von Rußland, der Türkei, Preußen, Bayern, Württemberg, Hannover, Sardinien, Sicilien, von Baden, Hessen, Toscana, Parma und Rom. Auch ist H. Ehrenmitglied [421] der Akademie der militärischen Wissenschaften zu St. Petersburg. In den Worten, welche er in das Ritter von Alpenburg’sche „Radetzky-Album“ geschrieben, scheint der Grundzug seines Charakters in einen Wahlspruch: „Unerschütterlich, wie eure Berge und treu wie ihre Schützen“ gefaßt zu sein; denn er war als Stratege unerschütterlich in seinen wohl gefaßten Beschlüssen, nur wo ein Höherer über ihm stand, trat er zurück, ohne seine Meinung aufzugeben. Treu aber ist er seinem Kaiser, seiner Armee und seinen durch ein reiches Leben gewonnenen und eine ebenso reiche Erfahrung gestählten Grundsätzen. Die Volksthümlichkeit theilte Heß, so lange Radetzky lebte, mit diesem, nach dessen Tode theilt er sie mit Benedek [Bd. I, S. 265], dem unerschrockenen Ritter Bayard der österreichischen Armee.

I. Biographien und Biographisches. a) Selbstständige und in Sammelwerken zerstreute. General Heß. Im lebensgeschichtlichen Umrisse (Wien 1855, J. B. Wallishausser, 8°.) [eine Lebensskizze, die vornehmlich seine Thätigkeit als Chef des General-Quartiermeisterstabes in Italien zur Zeit des Feldzuges 1848 u. 1849 in’s Auge faßt; ein Erguß unbedingter Bewunderung des Feldherrn]. – Biografie e ritratti dei sovrani, mareschialli, generali, diplomatici ed altri cospicui personaggi .. (Trieste 1859, Colombo Coen, gr. 8°.) S. 37 [bildet einen Bestandtheil des, anläßlich des italienischen Krieges im genannten Verlage erschienenen Teatro della guerra]. – Brockhaus, Conversations-Lexikon (10. Aufl.) Bd. VII, S. 672. – Diezmann (Aug. Dr.), Neuer Plutarch oder Bildnisse und Biographien der berühmtesten Männer und Frauen (Wien und Pesth 1853, Hartleben, 8°.) Bd. IV, S. 169. – Ergänzungs-Conversations-Lexikon (Ergänzungsblätter). Herausgegeben von Dr. Fr. Steger (Leipzig und Meißen 1850 u. f., Goedsche, gr. 8°.) S. 171. – Gallerie denkwürdiger Persönlichkeiten der Gegenwart. Nach Originalzeichnungen, Gemälden, Statuen und Medaillen (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) Sp. 167, Porträt auf Tafel 180 [nach dieser geb. 1785]. – Neue hervorragende Persönlichkeiten auf dem jetzigen Kriegsschauplatze. Von S... (Leipzig 1855, Romberg, 8°.). – Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig 1860, Karl B. Lorck, 4°.) Erste Serie, S. 285 u. 929. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen 1853, Bibliograph. Institut, gr. 8°.) III. Suppl. Bd. (zur ersten Ausgabe), S. 1388. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris, 1850, 8°.) Bd. XXIV, Sp. 578. – Oesterreichisches Militär-Konversations-Lexikon, herausgegeben von J. Hirtenfeld (Wien 1850, 8°.) Bd. III, S. 176. – Hirtenfeld (J.), Der Militär-Maria Theresien-Orden und seine Mitglieder (Wien 1857, Staatsdruckerei, gr. 8°.) S. 1441, 1751, 1753. – Strack (Joseph), Die Generale der österreichischen Armee. Nach k. k. Feldacten und anderen gedruckten Quellen (Wien 1850, Jos. Keck u. Sohn, kl. 8°.) S. 254 bis 266 [man würde in diesem Werke etwas Anderes über H. suchen, als man findet].
I. b) In Zeitschriften Zerstreutes. Augsburger Postzeitung 1859, Nr. 103. Außerordentliche Beilage. – Brünner Zeitung 1855, Nr. 10–15 [nach dieser wäre H. bereits im Alter von 13 Jahren Soldat, ja schon Fähnrich gewesen]. – Carinthia (Klagenfurter Unterhaltungsblatt, 4°.) 1859, Nr. 12. – Didaskalia (Frankfurter Unterhaltungsblatt, 4°.) 1859, Nr. 127–129. – Frankfurter Konversations-Blatt (4°.) 1859, Nr. 153. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) Bd. XXII (1854), S. 331 und Bd. XXXII (1859), S. 389. – Militär-Zeitung (Fortsetzung des „Oesterreich. Soldatenfreund“) 1857, Nr. 17: „Feldzeugmeister Ritter von Schönhals und Feldzeugmeister Freiherr von Heß“. – Pesther Lloyd 1855, Nr. 1. – Prager Zeitung 1854, Beilage zu Nr. 154. – Rheinische Blätter. Beilage zum „Mainzer Journal“ 1859, Nr. 103 und 104. – Salon (Prager Blatt, 4°.), redigirt von Hickel, 4. Jahrg. (1854), Nr. 189. – Sonntagszeitung (Pesth, 4°.) 1855, Nr. 6 [mit Portr. im Holzschn.]. – Tagesbote aus Böhmen (Prag, kl. Fol.) 1859, Nr. 157. – Wiener Telegraf (polit. Journal, kl. Fol.) 1854, Nr. 158 [mit Portr. im Holzschn.]. – Wiener Zeitung 1860, Nr. vom 3. Februar.
[422] II. Fünfzigjähriges Dienstesjubiläum des F. M. von Heß. Diese Feier, welche Se. Majestät der Kaiser mit einem Allerhöchsten Handschreiben eröffnete, fand am 24. December 1855 Statt. Se. Majestät verliehen an diesem Tage dem Heldenveteran das Großkreuz de St. Stephan-Ordens und die Officiere sämmtlicher Corps der k. k. österr. Armee verehrten ihm das von Albrecht Ritter von Adam vollendete Bild, vorstellend den Entscheidungskampf bei der Bicocca am Schlachttage vor Novara, worauf neben dem Porträte des Jubilars auch jenes des F. M. Radetzky und der Generale Erzherzog Albrecht, Appel, d’Aspre, Kolowrat, Schafgotsche, Graf Thurn, Wratislaw und Wimpffen angebracht sind. Mittags um 12 Uhr wurde dem Helden eine Auszeichnung zu Theil, welche durch eine marmorne Gedächtnißtafel am Eingange des von dem Jubilar bewohnten Quartiers verewigt wurde. Die Inschrift dieser Gedächtnißtafel lautet aber: Beglückt | durch die Allerhöchste Anwesenheit | Sr. k. k. apostol. Majestät | Franz Joseph I. | aus Anlaß | des 50jährigen Dienstjubiläums | des k. k. Feldzeugmeisters | Heinrich Freiherrn von Heß | des Inhabers dieser Wohnung | am 24. December 1855 | Mittags 12 Uhr. | Das Haus, in welchem diese Allerhöchste Auszeichnung dem Freiherrn zu Theil wurde, ist das sogenannte „Hasenhaus“ auch „Dreilöwenhaus“ genannt und zählt zu den merkwürdigeren Gebäuden der Stadt Wien; Heß wurde darin geboren, und es war früher Eigenthum seiner Eltern. [Vergl. über die Jubelfeier die „Kronstädter Zeitung“ 1855, Nr. 203, S. 844; – über die zum Gedächtniß des Allerhöchsten Besuches Sr. Majestät aufgestellte Gedächtnißtafel den „Wiener Courier“ 1856, Nr. 175; – über das Bild von Adam „die Schlacht von Novarra“ das „Wiener Conversationsblatt“ (Theater-Zeitung) von Adolph Bäuerle, 1855, S. 1130 – und die Presse 1856, Nr. 1. Die auf diesem Ehrengeschenke befindliche Inschrift lautet:

          24. December 1855.
Es bekennt des geretteten Oesterreich’s Geschichte
Heut’ vor dem unparteiischen Weltgerichte:
          Dieses Feldherrn That
          Dieses Staatsmannes Rath
          Bildeten unsere Siege
          Im Frieden wie im Kriege.]

III. Porträte. 1) Nach Skalitzky, lithogr. von Haala (Wien, Joseph Bermann, kl. Fol.). – 2) Gez. und lithogr. von Kriehuber (Wien, Neumann, gr. Fol.). – 3) Nach Richter lithogr. von BLKÖ:Kaiser, A.|A. Kaiser]] (Wien, F. Paterno, Fol. und auch 4°.). – 4) Nach der Natur lithogr. Prinzhofer (Wien 1855, Paterno, Fol.). – 5) Kriehuber nach der Natur gez., von C. Mahlknecht[WS 1] gest. (Wien, 8°.).
IV. Einzelheiten: Des Feldmarschalls Persönlichkeit. Das Andenken Radetzky’s an ihn. Hackländer in seinen „Bildern aus dem Soldatenleben im Kriege 1848“ entwirft folgendes Bild von Heß: „F. Z. M. Heß ist ein kleiner, magerer Mann mit sprechendem geistreichen Auge, hellblonden Haaren und frischer Gesichtsfarbe, sehr lebendig in Bewegung und Rede. Er ist von seinen ausgedehnten Geschäften außerordentlich in Anspruch genommen, dadurch sehr beschäftigt und daher meistens schweigsam, aber durch kurze herzliche Worte die liebenswürdigste Freundlichkeit bezeugend. Ist man so glücklich in eine Unterhaltung mit ihm zu kommen, so spricht er lebhaft, überzeugend, mit großem Geist und man gewinnt in einer solchen Unterredung

          In einer Stunde mehr
          Als in des Jahres Einerlei.“

Sein Biograph[1] schreibt über ihn: „Seinen Untergebenen ist F. Z. M. Heß ein gütiger Vater. Jeder ist seines Rathes, seiner Hilfe gewiß, sobald er zu rathen, zu helfen vermag und Keiner hat sich noch an seine aufrichtige Theilnahme fruchtlos gewendet. Der Arme weiß dieß. Hunderte von Bittenden klopfen an seine Thüre und Keiner geht ungehört von ihm. Im Stiegenhause seiner Wohnung kann man stets Dürftige seiner Ankunft harren sehen. Er übt diese Nächstenliebe im Stillen, ja größtentheils seiner eigenen Familie unbekannt; Er führt ein einfaches geräuschloses Hauswesen und stete Uebereinstimmung und Eintracht herrschen darin. In den langen Winterabenden kann man ihn stets in Gesellschaft seiner Angehörigen im traulichem Gespräche um den runden Tisch sitzen finden. Was aber das Interesse einer solchen Ansicht erhöht – ist, daß F. Z. M. Heß während einer solchen oft recht heitern Unterhaltung Papier und Schreibzeug vor sich liegen hat – ohne sich beirren zu lassen, arbeitet – zeitweise aufblickt, einige Worte [423] in das Gespräch mengt, herzlich mitlacht und – sodann wieder in seiner ernsten Beschäftigung fortfährt“. – Das Andenken, welches des F. M. Radetzky Sohn, Generalmajor Graf Radetzky, dem Freiherrn von Heß zur Erinnerung an den Sieger von Novara verehrte, ist das Commandeurkreuz des Maria Theresien-Ordens, welches Radetzky bis zum Jahre 1848 trug, in welchem Jahre an dessen Stelle das Großkreuz desselben trat. Vor Radetzky trugen dasselbe Kreuz zuerst F. M. Loudon durch 34 Jahre, nach diesem seit 1806 Karl Fürst Schwarzenberg, der Sieger von Leipzig, und als dieser auf dem Schlachtfelde von Leipzig das Großkreuz dieses Ordens erhielt, übergab er dieses Commandeurkreuz dem damaligen F. M. L. Grafen Radetzky. Nach vielen Jahren hatte Radetzky das Mißgeschick, es bei einem Cavalleriemanöver zu verlieren; seine Betrübniß über diesen Verlust, da alles Suchen vergeblich gewesen, war groß; aber unaussprechlich seine Freude, als es nach drei Jahren ein Bauer bei der Feldarbeit fand, erkannte und überbrachte. [Vergl. darüber den „Wanderer“ 1858, Nr. 66.]

  1. In der unter den Quellen zuerst genannte Monographie.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: E. Mahlknecht.