RE:Fabius 102
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Maximus, Paullus cos. 11 v. Chr., vielseitiger Freund des Kaisers | |||
Band VI,2 (1909) S. 1780–1789 | |||
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102) Paullus Fabius Maximus. a) Literatur. Haakh in Paulys Realencycl. Bd. VI S. 2919f. Nr. 67. Borghesi Oeuvr. I 250f. 253f. du Rieu Disput. de gente Fabia 1856. 430ff. Waddington Rev. num. 1867, 107ff.; Fast. d. prov. Asiat. nr. 59. Graeber Quaest. Ovid., Elberfeld 1881, X–XVI. de Vit Onomast. III 15f. Teuffel-Schwabe Röm. Lit.-Gesch.5 I § 267, 7. Nipperdey-Andresen zu Tac. ann. I 5. Dessau Prosop. II 48f. nr. 38. Gardthausen Augustus I 1253. II 845f.
b) Name und Herkunft. F. war der Sohn eines Quintus (Paullus Fabius Q. f. Maximus heißt er CIL VI 2023[1] a [Acta Arv.]. Fränkel Inschr. v. Pergamon II 421. Dio ind. l. LIV [in den Hss. φλ- statt Φάβιος]); demnach wird Q. [1781] Fabius Maximus, Consul im J. 45 v. Chr. (Nr. 108), sein Vater gewesen sein. Er selbst nennt sich in einer Inschrift, die er dem Augustus dedizierte (CIL II 2581[2] Lucus Augusti), Paullus Fabius Maxumus. Auch aus vielen anderen Inschriften und Autorenzeugnissen geht hervor und wird in der Schrift de praenom. c. 2 ausdrücklich gesagt, daß Paullus sein Praenomen war (nur Porphyrio zu Hor. carm. IV 1, 10 nennt ihn irrig Fabius Maximus Paulus). Der Name erinnert an seine Abstammung von Q. Fabius Maximus Aemilianus, dem Sohne des berühmten L. Aemilius Paullus (vgl. Borghesi Oeuvr. I 249ff. Münzer Herm. XL 1905, 95 und die Stammtafel S. 1777f.); dementsprechend hat er selbst seinen Sohn Paullus Fabius Persicus genannt (s. Nr. 120; über die Vornamen der großen Familien Roms in Augusteischer Zeit s. Mommsen Röm. Forsch. I 34ff.; die Freigelassenen des F. werden Quintus als Praenomen geführt haben; vgl. Nr 101 unter c).
c) Leben. Paullus' Geburt dürfte in das J. 46 v. Chr, gehören: am 25. Dezember 45 starb sein Vater, der noch einen jüngeren Sohn, Africanus Fabius Maximus (Nr. 101), hinterließ; Paullus selbst gelangte im J. 11 v. Chr. zum Consulat, wird aber in einem Gedichte des Horaz (IV 1), das nicht lange vor dem J. 15 verfaßt ist (vgl. v. 6 und dazu Lucian Müller in seiner Ausg. der Oden 1900 I 259), noch als puer bezeichnet (v. 15, vgl. Müller II 344).
Von den Magistraturen muß er zunächst Quaestur und Praetur bekleidet haben. Aus einer Statueninschrift, die seiner Gattin Marcia nach dem J. 15 v. Chr. in Paphos errichtet wurde (CIG 2629 = Cagnat IGR III 939 = Dittenberger Or. Gr. II 581), schloß Letronne (Journ. d. sav. 1827, 173f.), daß er zwischen 15 und 11 v. Chr. Cypern als Proconsul verwaltet habe; doch ist die Schlußfolgerung ganz unsicher, da F. und seine Gattin, wie es in den vornehmen Kreisen Roms üblich war, ohne Zweifel wiederholt im griechischen Reichsteil weilten (vgl. IG III 587f.) und bei dieser Gelegenheit auch den berühmten Tempel der paphischen Aphrodite aufgesucht haben werden (in einer Inschrift aus Soloi auf Cypern, IGR III 930, ἐπὶ Παύλον [ἀνθ]υπάτον, ist wohl L. Sergius Paullus gemeint). Nach einem Einfall Gardthausens (Aug. II 845, 12) wäre F. ferner in einem Inschriftfragment aus Athen (IG III p. 498 nr. 588 a) genannt; trifft die recht zweifelhafte Vermutung zu, so ist auf dem Steine vielleicht ὁ δ[ῆμος Παῦλλ]ον φά[βιον Μάχιμον, ταμίαν Καίσαρος Σ]εβαοτοῦ oder πρεσβευτὴν Καίσαρος Σ]εβαστοῦ .. zu ergänzen. Daß sich F. nicht bloß vorübergehend in Athen aufhielt, beweisen übrigens die Statuen, die ihm Areopag und Demos daselbst errichteten (IG III 587. 588. vgl. Dittenbergers Anm.).
Im J. 743 = 11 v. Chr. war F. Consul zugleich mit Q. Aelius Tubero, gleichfalls einem Nachkommen des Aemilius Paullus (CIL I 799.[3] 800. Ι² p. 62 = IX 5289 Fasti Cuprenses. X 1935 [12. Okt.]. 5906. Not. d. scavi 1899, 104. Monum. Ancyr. Graec. 3, 13. Ephem. epigr. VIII 207. Dio ind. l. LIV und LIV 32. 3. Plin. n. h. VIII 65. Frontin. aq. [s. u.]. Auct. de praenom. 2. Gai. I 136 [vgl. Jörs o. Bd. IV S. 1406 Nr. 264, abweichend Huschke z. St.]. Cassiod. und Obsequens [1782] 72 [Paulus Fabius]. Chronogr. a. 354, Fasti Hydat., Chron. Pasch. [Maximus], vgl. CIL I2 p. 162f.[4] Klein Fasti cos. z. J. Vaglieri bei Ruggiero Diz. epigr. II 1001). In seinem Consulatsjahr ergingen die Senatsbeschlüsse über die Organisation der cura aquarum (Frontin. de aq. 99. 100. 104. 106. 108. 125. 127).
Nach dem Consulat verwaltete Paullus als Proconsul die Provinz Asia (Münzen von Hierapolis in Phrygien tragen den Namen – Φάβιος Μάξιμος – und wohl auch das Bild [s. unter e] des F.: Eckhel III 156. Mionnet Suppl. VII 571 nr. 385. Waddington Rev. num. 1867, 107f. Babelon Coll. Wadd. nr. 6142f. Imhoof-Blumer Abh. Akad. München philos.-philol. Cl. XVIII 1890, 737 = Kleinas. Münzen 1901 I 238. Head Greek coins, Phrygia p. 243f.; während des Proconsulates wird ihm die Statue in Pergamon gesetzt worden sein, Fränkel Inschr. v. Perg. II 421 = Dittenberger Or. Gr. 465). Für die Zeit, in der er dieses Amt versah, ist das J. 3 v. Chr. der Terminus ante quem; denn sein Nachfolger im Consulat, Iulius Antonius, war Proconsul von Asia vor dem J. 2 v. Chr. (vgl. Waddington Fast. nr. 60), er selbst im J. 3 v. Chr. Legat in Spanien (s. u.). Genauer hat Mommsen (Athen. Mitt. XXIV 285f.) aus der gleich zu erwähnenden Inschrift mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit das J. 9 (bezw. 10/9) v. Chr. als das seines Proconsulats bestimmt (s. u.). Paullus gelangte demnach unmittelbar nach dem Consulat zur Verwaltung von Asia; wie bei anderen Freunden oder Verwandten des Augustus zur gleichen Zeit, ist auch bei ihm von dem üblichen fünfjährigen Intervall abgesehen worden (vgl. o. Bd. II S. 1585. Bd. V S. 1344, wo kaum mit Recht an Kinderprivilegien gedacht wird; s. ferner Nr. 101 unter b).
Paullus' Proconsulat wurde für die Provinz Asia wichtig durch die von ihm angebahnte Kalenderreform. In Apamea Cibotus, Eumenia, Dorylaeum und Priene haben sich umfangreiche Bruchstücke einer großen Inschrift gefunden, die uns darüber des näheren belehrt (der griechische Text ist von Mommsen und v. Wilamowitz Athen. Mitt. XXIV 1899, 275ff. und von Dittenberger Or. Gr. 458 publiziert [einzelne Teile CIG III 3902 b. 3957. Bull. hell. XVII 1893, 315f. Athen. Mitt. XVI 1891. 282f. XXV 1900, 111. Hiller v. Gaertringen Inschr. v. Priene 105]; die lateinischen Fragmente findet man CIL III 12240.[5] 13651, vgl; 13660 a. 14189. 141928). Die Inschrift, die in allen Distriktsvororten zur Aufstellung gelangte, enthält hauptsächlich das – in beiden Sprachen publizierte – Schreiben des Proconsuls an das κοινὸν τῆς Ἀσίας und die auf Grund des Reskriptes ergangenen Landtagsbeschlüsse. Paullus veranlaßte die Notabelnversammlung, den Geburtstag des Augustus (23. Sept.) zum Jahresanfang und Antrittstag der Provinzfunktionäre zu bestimmen und wohl zugleich – ausdrücklich ist dies in dem Schreiben nicht gesagt – eine Angleichung des bisher in Kleinasien gebräuchlichen Mondjahres an das julianische Sonnenjahr (mit der Schaltung in jedem vierten Jahre) herbeizuführen: eine Neuerung, die, zunächst von Loyalität gegenüber dem Herrscher diktiert, dessen segensreiches Walten der Proconsul überschwenglich preist, doch zugleich für [1783] Verwaltung und Handelsverkehr bedeutungsvoll werden mußte (vgl. die Erläuterungen von Usener Bull. d. inst. 1874, 73f. Mommsen zu CIL III 12240.[5] Mommsen und v. Wilamowitz Athen. Mitt. XXIV 275ff. Dessau Herm. XXXV 332ff. Dittenberger a. a. O. Chapot La prov. rom. d'Asie 1904, 390ff. Harnack Reden und Aufsätze I 301ff.); da das Jahr des Landtagsbeschlusses anscheinend ein Schaltjahr war und ferner bei der Neuordnung des asianischen Kalenders noch die fehlerhafte Schaltung des julianischen, die zuletzt im J. 745 geübt wurde, beibehalten und die von Augustus wahrscheinlich 746 vorgenommene Korrektur nicht berücksichtigt wird, schloß Mommsen Athen. Mitt. a. a. O., daß F.s Proconsulat in das J. 745 = 9 gehöre – genauer in das J. 10 auf 9, da der Landtag im Januar zusammentrat, vgl. Z. 73f. der Inschrift. Es sei noch erwähnt, daß auf den Münzen des F. aus Hierapolis sechs lokale Magistrate genannt sind; will man nicht an ein Kollegium denken, sondern an einen unter Jahresfrist erfolgten Beamtenwechsel, so könnte Cavedoni (zu Borghesi Oeuvr. I 253) damit Recht behalten, daß F.s Statthalterschaft verlängert worden sei (ein ähnlicher Fall Dio LIV 30, 3). Dem Proconsul, der εὐε[ργετήμασί μυρί]οις εὐεργέτηοεν τὴν ἐπαρχήαν (Z. 46f.) und die glücklichste Form für des Kaisers Ehrung fand (Z. 41ff.) stattete die Provinz durch Verleihung des Kranzes und andere Ehrenbezeigungen ihren Dank ab (Z. 44ff.; die Agone Σμίνθεια Παύλεια in Alexandria Troas, Le Bas III 1730 b, führen, wie Waddington vermutet, ihren zweiten Namen nach F.; vgl. noch Cichorius Arch. Jahrb. Erg.-Heft IV 23).
Im J. 751/52 = 3/2 v. Chr. finden wir Paullus als Legaten in Spanien (Ephem. epigr. VIII 280 Bracara Augusta: Imp. Caesari divi f. Aug. pont. max. trib. pot. XXI sacrum Bracaraugustani Paulli Fabi Maximi leg(ati) pro pr(aetore) natali dedicata est; CIL II 2581[2] Lucus Augusti: Caesari Paullus Fabius Maxumus legat(us) Caesaris). Hübners Ansicht, daß er viele Jahre, bevor die erstzitierte Inschrift gesetzt wurde (zwischen Juni/Juli 3 und 5. Februar 2 v. Chr.), praetorischer Legat von Asturien und Callaecien gewesen sei (Ephem. epigr. a. a. O.), ist abzulehnen. Die Inschrift kann kaum anders aufgefaßt werden, als daß F. eben damals als leg. pro pr. fungierte. Demnach ist er entweder Consularlegat der Tarraconensis gewesen oder vielleicht in außerordentlicher Mission von Augustus mit der Organisierung der asturisch-callaecischen Diözese, aus der die beiden Denkmäler stammen, betraut worden. Für die zweite Möglichkeit würde sprechen, daß sich in Asturien und Callaecien bisher keine Inschriften von Legaten der Tarraconensis aus dieser Zeit gefunden haben (Hübner a. a. O.), und daß man dort gerade seinen Geburtstag wählte, um dem Kaiser eine Ehrung zu erweisen (möglicherweise führte einer seiner Nachkommen den Beinamen Asturiens, s. Nr. 121). Wenn Paullus in der Inschrift von Lugo (vorausgesetzt, daß sie vollständig überliefert ist) den Kaiser Caesar und nicht, wie seit 27 v. Chr. sich gebührte, Augustus nennt, so berechtigt dies noch nicht dazu, das Dokument vor das J. 27 zu setzen, in eine Zeit, in der F. dem Knabenalter noch kaum [1784] entwachsen war; zur Analogie könnte man ja allenfalls anführen, daß er auch in dem Schreiben an die Asianer in ganz ungewöhnlicher Weise Augustus als clarissimus vir Caesar bezeichnet (CIL III 12240),[5] doch ist dies vielleicht nur ungeschickte ,Kanzlistenübersetzung‘ des θηότατος Καῖσαρ im griechischen Text (vgl. unter e; Mommsen bemerkt zu III 12240: crediderim eiusmodi sermonem Augusta aetate etiamtum licitum fuisse praesertim in summa Augusti Paullique familiaritate; die Ergänzung clarissimus vir, Caesaris [Augusti amicus], für die Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berlin 1901, 580 eintritt, ist unhaltbar, wie ein Vergleich mit der genau entsprechenden Stelle in der griechischen Fassung zeigt).
Spätere Reichsämter des F. sind uns nicht bekannt. Er gehörte zwei hohen Priesterkollegien an, dem der Pontifices (Ephem. epigr. VIII 207 = Dessau 919 Statueninschrift aus Hadria in Picenum) und der Arvalbrüder (CIL VI 2023[1] a Arvalakten des J. 14 n. Chr., s. u.). Bedeutsamer als seine weltlichen und geistlichen Ämter war die hervorragende Stellung, die er unter den amici Augusti einnahm (vgl. Tac. ann. I 5. Plut. de garrul. 11 [s. u.]. Ovid. ex Pont. I 2. III 3. IV 6, 9f. Quintil. inst. or. VI 3, 52). Die Freundschaft, deren Augustus den weit jüngeren Mann würdigte, war vielleicht teilweise darin begründet, daß Paullus durch seine Gattin mit dem Kaiser verwandt war (s. unter d), oder darin, daß der Herrscher Wert darauf legte, einen der fähigsten Köpfe des patrizischen Uradels für seine politischen Absichten zu gewinnen; im wesentlichen entsprang sie wohl persönlichen Motiven. Dementsprechend zeigen die Dokumente aus seinen beiden Statthalterschaften (s. o.) Paullus als unbedingten Anhänger der kaiserlichen Person und des Augusteischen Regimes, als Fahnenträger des Kaiserkultes. Daß jedoch das Verhältnis nicht die Form einer drückenden Abhängigkeit vom Willen des Kaisers annahm, beweist der Freimut, mit dem F. gelegentlich über die Kargheit der kaiserlichen Freundesgaben spotten durfte (Quintil. inst. or. VI 3, 52). Und umgekehrt fand auch er für seine Wünsche kein Gehör, wenn diese mit der Auffassung, die Augustus von seiner Stellung hegte, nicht vereinbar waren (vgl. Dio LV 4, 3, s. unter e). Um sagen zu können, ob Paullus auf die politischen Entschließungen des Imperators bestimmenden Einfluß zu nehmen imstande war, wieviel seine Stimme galt im Widerstreit der Interessen am Kaiserhofe und wofür er sie erhob: dazu fehlen uns die Anhaltspunkte. Auch was über sein Ende berichtet wird, führt auf keine sichere Spur.
Nach einer Überlieferung, die Tacitus (ann. I 5) nur als rumor wiedergibt und für deren Glaubwürdigkeit er offenbar die Verantwortung ablehnt (utcumque se ea res habuit), hätte Paullus Leben einen tragischen Ausgang genommen: Augustus habe, so wird erzählt, wenige Monate vor seinem Tode, nur von Paullus begleitet, seinen verbannten Enkel Agrippa Postumus heimlich auf Planasia besucht, das Geheimnis sei jedoch von Fabius seiner Gattin Marcia, von Marcia wieder der Livia mitgeteilt worden und die Folge davon sei gewesen, daß F. nicht viel später endete, dubium an quaesita morte (dieselbe Version kennt [1785] und akzeptiert Plinius n. h. VII 150; vgl. noch Dio LVI 80. Epit. de Caes. 1, 29, wo F. nicht genannt ist; Plutarch de garrul. 11 dürfte die Geschichte irgend einmal gelesen und aus der Erinnerung niedergeschrieben haben – er nennt z. B. F. ständig Φούλβιος; seine Nachricht, daß Marcia dem Gatten freiwillig in den Tod voranging, wird durch Tacitus widerlegt, demzufolge sie an seinem Begräbnis teilnahm). Hält man (gleich Gardthausen Aug. I 1252f.) diese Tradition für historisch, dann kann man in der Zusammenkunft des kaiserlichen Großvaters mit dem Enkel nicht nur ein harmloses Familienereignis sehen und müßte auch dem F., der zu gleicher Zeit für die Rückberufung Ovids einzutreten beabsichtigte (s. unter e), tiefere dynastisch-politische Motive unterschieben. Aber meines Erachtens ist die ganze Überlieferung unglaubwürdig: zusammengeheimnißt aus der Freundschaft, die Paullus mit Augustus, Marcia mit Livia verband, sowie aus der zeitlichen Aufeinanderfolge von F.s und Augustus Ende und von Agrippas Ermordung, wozu noch der ,bedenkliche‘ Umstand trat, daß Paullus nach einer Reise, auf der er Augustus begleitet hatte, plötzlich verschied (wie jedoch aus den Arvalakten hervorgeht [s. u.], hatten am 14. Mai des J. 14 nicht bloß Augustus und Paullus, sondern auch Tiberius und Germanicus Rom verlassen). Wir wissen auch durch Ovid (ex Pont. IV 6, 11f.), daß F. kurz vor Augustus starb (eine Anspielung auf das angebliche gewaltsame Ende des F. kann nur künstlich in die Worte Ovids hineininterpretiert werden). Noch am 14. Mai hatte er – gleich den Mitgliedern der kaiserlichen Familie und, wie diese, offenbar von Rom abwesend – seine Stimme für die Wahl des Drusus Caesar unter die Arvalbrüder abgegeben (CIL VI 2023[1] a 17). Zwischen diesem Tag und dem 19. August, dem Todestag des Augustus, ist er demnach gestorben (daß in den Arvalakten des J. 14 von der Wahl eines neuen Mitgliedes an seiner Stelle keine Rede ist, spricht gleichfalls für einen kurzen Intervall zwischen seinem und des Augustus Tode).
d) Familie. Paullus war noch unvermählt, als Horaz – nicht lange vor 15 v. Chr. (s. o. unter c) – die Ode carm. IV 1 an ihn richtete. Er heiratete später Marcia, die Tochter des L. Marcius Philippus, Consuls im J. 716 = 38 (CIG II 2629 = IGR III 939 = Dittenberger Or. Gr. 581 [Paphos]. Tac. ann. I 5. Ovid. ex Pont. I 2, 139; fast. VI 801f., vgl. die Inschriften von Gesindeleuten der Marcia CIL VI 5273.[6] 7884. 23822). Paullus trat dadurch in verwandtschaftliche Beziehungen zu Augustus. Seine Schwiegermutter wird von Ovid (fast. VI 809; ex Pont. I 2, 141) als matertera Caesaris bezeichnet, ist also die (jüngere) Schwester der Atia, der Mutter des Augustus, gewesen; da die letztere in zweiter Ehe L. Marcius Philippus cos. 698 geheiratet hat, muß dessen gleichnamiger Sohn – der Schwiegervater des Paullus Fabius – aus einer früheren Ehe seines Vaters stammen (Biondi Atti d. Acad. Rom. di arch. VI 331, vgl. die Stammtafel S. 1777f.). Marcia selbst wird auf dem Denkmal in Paphos ἀνεψιὰ Καίσαρος θεοῦ Σεβαστοῦ genannt (CIG II a. a. O.; die Inschrift, aus der Borghesi Oeuvr. V 138ff. auf Verschwägerung mit dem Hause der [1786] Sexti Pompeii schloß, ist eine Fälschung des Ligorio CIL VI 929*).[7]
Der Sohn des Paullus Fabius und der Marcia war vermutlich Paullus Fabius Persicus, Consul im J. 34; er dürfte im J. 1 n. Chr. oder kurz vorher geboren sein (s. Nr. 120). Auch Fabia Numantina (Nr. 180) mag derselben Ehe entsprossen sein. Der jüngere Bruder des Paullus war Africanus Fabius Maximus cos. 10 v. Chr. (Nr. 101).
e) Persönlichkeit. Das Porträt des Paullus Fabius ist uns anscheinend auf den Münzen der Stadt Hierapolis erhalten (s. o. unter c; allerdings wollen Borghesi Oeuvr. I 179 und Gardthausen Aug. II 725 in dem Münzbild vielmehr Augustus selbst erkennen; aber wenn auch die Ähnlichkeit mit dem Kaiser nicht wegzuleugnen ist, nach der Phototypie bei Babelon Coll. Waddington Taf. XVI Fig. 24 dürfte man das Porträt doch kaum für das des Augustus halten; vor allem stellt es einen jüngeren Mann dar, während der Kaiser damals bereits 54 Jahre zählte; überdies muß auffallen, daß der Münzlegende Φάβιος Μάξιμος das Bildnis des Augustus entsprechen soll; auch Paullus Bruder und andere Proconsuln von Asia und Africa zur gleichen Zeit besaßen das Recht der Münzprägung mit ihrem Bilde, vgl. Nr. 101 unter b). Es ist ein vornehmer römischer Typus, den uns das Münzporträt zeigt: ein feiner, schlanker Kopf mit schmaler, leicht gebogener Nase und vollem Haar (vgl. Sen. contr. II 4, 11 quasi formosus es, s. u.).
Für das Charakterbild des Paullus sind wir auf einzelne Andeutungen von Freund und Feind angewiesen. Horaz und Ovid stimmen in seinem Lobe überein. Nobilis et decens nennt ihn Horaz in einem Liede, in dem er ihn scherzhaft als siegreichen Krieger im Dienste der Venus feiert (carm. IV 1, vgl. dazu Kießlings und Lucian Müllers Bemerkungen). Ovid rühmt Paullus – auch nach dessen Tode – als eine Leuchte des Fabischen Hauses (ex Pont. I 2, 1. III 3, 1. IV 6, 9) und ruft ihm zu – auf den Herculeskult der Fabier anspielend – nobile namque Pectus et Herculeae simplicitatis habes (ebd. III 3, 99f.; vgl. noch v. 103f. I 2, 1f.). Den beiden Dichtern zufolge zeichnete sich F. durch vielseitige Begabung aus. Ein centum puer artium ist er bereits in jüngeren Jahren (Hor. carm. IV 1, 15): schon damals rühmt ihn Horaz als Rechtsanwalt (ebd. v. 14, vgl. Porphyrio z. St.; zur Datierung s. o. unter c). Noch vollere Töne schlägt dem bejahrten Manne gegenüber Ovid an (Mens tua sublimis supra genus eminet ipsum Grandius ingenio nec tibi nomen inest ex Pont. III 3, 103f.); mit den Worten Romanae facundia, Maxime, linguae apostrophiert er ihn (ebd. I 2, 69). Ganz anders lautet das Urteil eines Feindes, des bedeutenden Redners Cassius Severus, der – wie der ältere Seneca überliefert (contr. II 4, 11) – dem F. die Schmähworte zuschleuderte: quasi disertus es. quasi formosus es. quasi dives es, unum tantum es non quasi, vappa (in den Hss. alapam, vappa ist Konjektur des Gronovius, doch könnte das verderbte Wort mit alapari [Thes. l. lat. I 1480 s. v.] zusammenhängen und ,Prahlhans‘ bedeuten; daß an dieser Stelle unter Fabianus Maximus – so die Hss. – Paullus Fabius zu verstehen ist, beweist auch der Zusatz nobilissimus vir). [1787]
Durch Seneca erfahren wir, daß sich F. als Rhetor betätigte (contr. II 4, 9); er zitiert jedoch eine Controversie des F. nur, um vor Nachahmung zu warnen (ebd. II 4, 12). Paullus wird auch gemeint sein, wenn Seneca (contr. X praef. 13) einen Fabius zu den Rhetoren nec clari nominis nec ignoti rechnet. Nicht bloß in der Rhetorenschule, auch in den Redeturnieren, deren Schauplatz das Forum war (Sen. contr. II 4, 11), suchte F. einen Platz zu behaupten, er ist in Prozessen als Verteidiger (Hor. carm. IV 1. 14. Ovid. ex Pont. I 2, 118f. III 3. 107f.) und als Ankläger aufgetreten. Wir wissen durch Seneca, daß Cassius Severus, der ihn durch seine Invective verletzt hatte, von ihm angeklagt (contr. a. a. O.), aber freigesprochen wurde (ebd. III praef. 5). Dies ist wahrscheinlich die Anklage de moribus, auf die Dio LV 4, 3, ohne Namen zu nennen, anspielt (vgl. Froment Ann. de la fac. d. lettres de Bordeaux I 1879, 128. Brzoska o. Bd. III S. 1745). Sie erfolgte bald nachdem Severus, der sein Leben lang in entschiedener Opposition gegen den Principat verharrte (s. Brzoska a. a. O.), gegen einen anderen Freund des Augustus, Nonius Asprenas, einen Mordprozeß angestrengt hatte (das Jahr der beiden Prozesse ist unbekannt, vgl. Prosopogr. II 410). Daß Severus freigesprochen wurde, war Augustus’ eigener Initiative zu verdanken, der damit den republikanischen Charakter seiner Stellung dokumentieren wollte (vgl. Dio a. a. O.).
Über die advokatorische Tätigkeit des F. fällt Seneca (contr. II 4, 11) das Urteil: qui primus foro Romano hunc novicium (überliefert novinium oder novimum) morbum, quo nunc laborat, intulit. Was Seneca unter dem novicius morbus versteht, läßt sich ungefähr denken: F. wird der erste gewesen sein, der gewisse Auswüchse der Deklamatorenschule auf die Gerichtsrede übertrug (vgl. Norden De Minucii Felicis aetate, Greifswald 1897, 42; daß Cassius Severus mit seinem quasi disertus es usw. [s. o.] die Vorliebe des F. für Verklausulierungen treffen wollte [Froment a. a. O. 130], mag ja richtig sein, sagt aber nicht das Wesentliche). Dazu würde stimmen, daß Seneca dort, wo er eine Controversie des F. zitiert (contr. II 4, 12), den Ausdruck gebraucht dixit tricolum tale qualia sunt quae basilicam infectant (nach der Lesung Otto Jahns, in den Hss. insectant). Gleichzeitig spricht diese Redefigur des τρίκωλον (Norden 35ff.) und der Tadel Senecas dafür, daß Paullus, der Proconsul von Asia, ein Vertreter der in Augusteischer Zeit nach Rom verpflanzten ,asianischen Rhetorik‘ war (vgl. Norden Ant. Kunstpr. I 289f.).
Welcher Art die Schriften des F. waren, deren Ovid gelegentlich gedenkt (ex Pont. I 2, 137), wissen wir nicht; vielleicht sind es Reden oder rhetorische Deklamationen gewesen (das inschriftlich erhaltene Schreiben des F. an den asianischen Landtag [s. o. unter c] würde man wohl am liebsten für sein eigenes Werk halten, doch meint v. Wilamowitz Athen. Mitt. XXIV 292 ,das Schreiben ist griechisch konzipiert, ... das Ganze von demselben Verfasser, der seine Feder dem Proconsul ebenso wie dem Landtagspriester zur Verfügung stellte‘).
Bei der Dürftigkeit unserer Quellen fällt es [1788] schwer, ein Urteil über Paullus Fabius Persönlichkeit auszusprechen. Im allgemeinen wird man doch lieber den beiden Dichtern glauben, von denen wenigstens Horaz von dem Verdacht niedriger Schmeichelei frei ist, als einem gehässigen persönlichen und politischen Gegner. Ein Mann, dem Augustus sein Vertrauen schenkte, kann nicht bloß ein ,Windbeutel‘ gewesen sein (der jüngere Seneca, de clem. I 9, 10, läßt Augustus um 16–13 v. Chr. [s. o. Bd. IV S. 1288] dem Cinna Magnus vorhalten: Paulusne te et Fabius Maximus ... ferent tantumque agmen nobilium ..., qui imaginibus suis decori sint? trotz der ungewöhnlichen Ansdrucksweise wird man mit Borghesi Oeuvr. I 252 Paulus für den unseren, Fabius Maximus für dessen Bruder Africanus halten, da die gleichzeitigen Aemilier [o. Bd. I S. 565f. 580] kaum gemeint sein können). Auch die Tatsache, daß Paullus noch späteren Zeiten als Förderer poetischen Schaffens im Gedächtnis blieb (in diesem Sinne nennt Iuvenal VII 95 Fabius neben Maecenas und dessen Schwager Proculeius), spricht ebenso für ihn, wie daß Horaz und Ovid zu seinem Freundeskreise zählten. Ovid nennt sich seinen Tischgenossen (ex Pont. I 2, 131f.), er dichtete das Epithalamium zu seiner Hochzeit (ebd. 133f.), die dritte Gattin des Dichters war eine Clientin seines Hauses und gehörte zu den Begleiterinnen der Marcia (ebd. 138ff.; irrig ist die Auffassung, der man wiederholt [so bei Ribbeck Gesch. d. röm. Dichtung II 228. Schanz Gesch. d. röm. Lit. II 1² 187] begegnet, daß diese Frau dem Fabischen Geschlechte angehört habe). Als Ovid von der Strafe der Relegation betroffen wurde, wendete er sich doch erst im vierten Jahre seines pontischen Aufenthaltes (12/13 n. Chr.) an F., dessen Vermittlung in Anspruch zu nehmen er offenbar bis dahin nicht gewagt hatte, mit der Bitte, sein Fürwort bei Augustus einzulegen (ex Pont. I 2; daß dies das erste poetische Schreiben an F. war, erhellt aus den Eingangsworten; es ist demnach verfehlt, in den Tristien nach Briefen an F. zu suchen, wie es nicht selten geschieht [so z. B. Herm. Schulz Quaest. Ovid., Diss. Greifswald 1883, 11], vgl. über diese Hypothesen Graeber Unters. üb. Ovids Briefe aus d. Verbann., Elberf. 1884, 1ff. 8; die Datierung der Epistel I 2 ergibt sich aus v. 28). Der Dichter wiederholte die Bitte noch einmal, als der Triumph des Tiberius über die Pannonier (16. Januar 13) eine gnädige Stimmung in der kaiserlichen Familie erwarten ließ (ex Pont. III 3; die Briefe I 9 und II 3, in denen sich Ovid gleichfalls an einen Maximus wendet, sind an M. Aurelius Cotta Maximus gerichtet, denn Ovid redet ihn II 3, 55 als iuvenis rarissime an, bezeichnet II 3, 75f. seinen Vater – Messalla Corvinus – als berühmten Redner und rühmt sich ebd. und I 9, 29f. der Freundschaft seines Bruders, offenbar des auch sonst als Ovids Gönner bekannten M. Valerius Messalla Messallinus; bei den Briefen I 5 und III 8 [Adressat gleichfalls Maximus] entspricht der Ton mehr den Schreiben an den weit jüngeren Cotta Maximus als an den hochangesehenen F., sie dürften demnach gleichfalls an den ersteren gerichtet sein; vgl. Graeber Quaest. Ovid. 1881, Xf.). In der Tat war F. entschlossen, sich bei Augustus für den verbannten [1789] Dichter zu verwenden, aber er starb, bevor er seine Absicht verwirklichen konnte (ex Pont. IV 6, 9ff.).
Eine Persönlichkeit wie die des Paullus Fabius war gerade in einer literarisch und künstlerisch so angeregten, kulturell so verfeinerten Epoche, wie es das Augustische Zeitalter gewesen ist, vollkommen am Platze: uraltem Römeradel entsprossen, der einflußreiche Freund und Verwandte des Kaisers, vielseitig und aufnahmsfähig genug, um auf den verschiedensten Gebieten mit mehr oder weniger Erfolg die herrschende Mode mitmachen zu können, ein Viveur und Grandseigneur, der in seinem Palast in Rom und in seinem Landsitz an den Albanerseen einen erlesenen Kreis zu anmutiger Geselligkeit um sich versammelte.
Anmerkungen (Wikisource)
[Bearbeiten]- ↑ a b c Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2023.
- ↑ a b Corpus Inscriptionum Latinarum II, 2581.
- ↑ Corpus Inscriptionum Latinarum I, 799.
- ↑ Corpus Inscriptionum Latinarum I, 162.
- ↑ a b c Corpus Inscriptionum Latinarum III, 12240.
- ↑ Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 5273.
- ↑ Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 929.