Zum Inhalt springen

RE:Iulius 128

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Agrippa Iulius Caesar, Beiname: Postumus jüngster Sohn des älteren M. Agrippa
Band X,1 (1918) S. 183185
Agrippa Postumus in der Wikipedia
GND: 124004873
Agrippa Postumus in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register X,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|X,1|183|185|Iulius 128|[[REAutor]]|RE:Iulius 128}}        

128) Agrippa Iulius Caesar (CIL X 405. Prosop. imp. Rom. II nr. 139), der jüngste Sohn des älteren M. Agrippa und der Iulia, der Tochter des Augustus, war geboren in der zweiten Hälfte des J. 742 = 12; da der Vater bei der Geburt des Knaben schon tot war, so erhielt der Sohn den Beinamen Postumus; sein Bild haben wir nur auf einigen Münzen, z. B. von Korinth, vgl. Bernoulli Röm. Iconogr. II 1, 137. Der Knabe war unter einem unglücklichen Sterne geboren: sein Vater war tot; seine Mutter ausschweifend, Augustus schwach, Livia entschieden feindlich. An äußeren Ehren fehlte es dem Kinde zunächst allerdings nicht; mit seinen beiden Brüdern C. und L. Caesares erhielt er Statuen und Ehreninschriften in seinem siebenten Lebensjahre (CIL XI 3305) und auf Lesbos bald nach 755 = 2 (Athen. Mitt. XIII 1888, 60). Als die beiden älteren im J. 755 = 2 mit großem Pompe den Marstempel einweihten, durfte der jüngere Bruder wenigstens das Troiaspiel mitreiten. Nach dem Tode der beiden Caesares wurden am 26. Juni 757 = 4 Tiberius und Agrippa von Augustus adoptiert; der eine vertrat das Haus des Augustus, der andere das der Livia, deren Einfluß von Jahr zu Jahr gestiegen war, [184] und es ließ sich voraussehen, daß der 15jährige Agrippa nicht im stande sein werde, ihr das Gegengewicht zu halten. Erst im folgenden Jahre durfte er das Knabenkleid ablegen; wenn er damals gleich ins Heer getreten wäre, so hätte er im folgenden Jahre den illyrischen Krieg mitmachen und sich Ruhm und Popularität bei den Soldaten erwerben können. Aber das wurde ihm nicht erlaubt; schon vorher war es zum Bruch gekommen. Der junge Prinz hatte nämlich keine Ahnung, wie glatt der Boden war, auf dem er sich bewegte. Daß er die Livia haßte, war begreiflich, aber selbst gegen den Kaiser richteten sich seine Angriffe, von dem er ohne Recht sein väterliches Vermögen zurückforderte. Übereifrige Freunde erweiterten den Riß; und Livia, die soeben die Verbannung der älteren Iulia durchgesetzt hatte, benutzte sehr geschickt den Zorn des Kaisers, um nun auch ihren Sohn zu stürzen im J. 7 n. Chr. In Pavia baute man gerade damals einen Triumphbogen zu Ehren der regierenden Dynastie (CIL V 6416. Gardthausen Aug. III 1, 1257 und 2, 848, 26. Mommsen Ges. Schr. VIII 94). Auch Agrippa hätte dort einen Platz haben sollen, den er nun aber dem späteren Kaiser Claudius abtreten mußte, der genau genommen gar nicht zur Dynastie gehörte. Agrippa wurde ohne eine bestimmte Schuld aus dem kaiserlichen Haus ausgeschlossen, sein Vermögen konfisziert und ihm zunächst Sorrent und dann die Insel Planasia als Verbannungsort angewiesen. Um alles unwiderruflich zu machen, wurde dieses harte Urteil durch einen förmlichen Senatsbeschluß bestätigt. Wie Tiberius einst bei seiner Verbannung nach Rhodos den Iuliern gewichen war, so mußte nun der letzte Iulier dem Claudier Platz machen. Versuche sind allerdings gemacht, den Agrippa und seine Mutter zu befreien; allein ohne Erfolg; selbst Augustus soll einen Versuch der Versöhnung gemacht haben, von dem Tacitus allerdings nur wie von einem unverbürgten Gerüchte redet. Die Sache mußte allerdings [185] der Livia wegen geheimgehalten werden, aber unwahrscheinlich kann man sie durchaus nicht nennen.

Im letzten Jahre seines Lebens konnte der Kaiser die Stimme des Blutes nicht mehr überhören und ließ in aller Stille Vorbereitungen treffen für eine Reise nach Planasia, bei der nur sein vertrauter Freund Paullus Fabius Maximus (Gardthausen a. O. II 845, 12) ihn begleiten durfte. Dort soll eine Aussöhnung erfolgt sein, die wohl bei längerem Leben des Augustus zu einer Rückberufung des Agrippa geführt hätte. Allein das Geheimnis wurde schlecht bewahrt. Paullus Fabius erzählte davon seiner Frau Marcia (s. Dittenberger Or. gr. inscr. II nr. 581), und diese der Livia; bald darauf starb er, schwerlich eines natürlichen Todes. Bei seiner Bestattung soll die Marcia sich angeklagt haben, durch ihre Schwatzhaftigkeit die Mörderin ihres Mannes geworden zu sein.

Bald darauf starb der Kaiser, ohne daß Agrippa etwas davon wußte. Während er wahrscheinlich Tag für Tag nach dem Schiffe spähte, das ihm die Erlaubnis zur Rückkehr bringen sollte, steuerten wirklich zwei Schiffe gleichzeitig vom Festlande nach Planasia, das eine brachte Rettung, das andere den Tod. Das erste war ein gewöhnlicher Kauffahrteifahrer, auf dem Agrippas treuer Sklave Clemes (Tac. ann. II 39) seinen Herrn erreichen und erretten wollte; aber er wurde überholt: durch das zweite Schiff, wahrscheinlich einen kaiserlichen Schnellruderer, der wohl von Capri aus den Befehl zur Hinrichtung des Agrippa überbrachte, die auch sofort vollzogen wurde. Der neue Kaiser war sicher unschuldig an diesem Morde seines Nebenbuhlers; es scheint, daß seine Mutter gleich nach dem Tode des Augustus auf eigene Hand den Befehl gegeben habe (s. Spengel S.-Ber. Akad. Münch. 1903 [phil. CL] 1. Fabia Rev. de philol. 1909 Jan.).

Über einen falschen Agrippa Postumus s. Tac. ann. II 39. Cass. Dio LVII 16.