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RE:Fabius 120

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Paullus F. Persicus, cos. ord. 34 n. Chr.
Band VI,2 (1909) S. 18311835
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120) Paullus Fabius Persicus. a) Name und Herkunft. Der Name des F. lautete nach dem Zeugnis der Arvalakten und anderer Inschriften (CIL III 6073[1] = 7129. VI 31545. XI 3781) Paullus Fabius Persicus; die Autoren nennen [1832] ihn meist Fabius Persicus, nur Tacitus (ann. VI 28) Paulus Fabius. Seneca bezeichnet ihn als einen Nachkommen des Verrucosus und Allobrogicus (de ben. IV 30, 2), und ebenso nennt ihn Kaiser Claudius in der Rede über das Ius honorum der Gallier (s. unter b) einen Abkömmling des (Q. Fabius Maximus) Allobrogicus (Nr. 110). Seine Eltern sind, wie man mit Recht annimmt, Paullus Fabius Maximus cos. 11 v. Chr. und Marcia gewesen; durch seine Mutter war er dem Iulischen Kaiserhause verwandt (s. Nr. 102). Das Cognomen Persicus erhielt er, wie schon Lipsius (zu Sen. de ben. II 21) bemerkte, zur Erinnerung an den Sieg seines Ahnen L. Aemilius Paullus über König Perseus von Makedonien.

b) Leben. Als Angehöriger des höchsten Adels und Verwandter der Dynastie gelangte F. kaum erheblich später als im 33. Lebensjahr zum Consulat (34 n. Chr.); er wird demnach im J. 1 n. Chr. oder kurz vorher geboren sein. Schon in den J. 20 und 21 – bevor er noch das senatorische Alter erreicht haben kann – finden wir ihn in den Listen der Fratres Arvales verzeichnet (CIL VI 32340[2] aus dem J. 20; ebd. 2023 b aus dem J. 21, wie das Magisterium des T. Quinctius Crispinus Valerianus beweist, das für dieses Jahr bezeugt ist [VI 32340]; anders Hülsen zu VI 32339). Außer der Arvalbruderschaft gehörte er noch den Priesterkollegien der Pontifices und der Sodales Augustales an: sacerdotem non in uno collegio nennt ihn Seneca (de ben. IV 30, 2; dem Schreiben an die Ephesier, von dem unten die Rede sein wird, schickte F. seinen Cursus honorum voraus; dem lateinischen Fragment desselben [CIL III 6073[1] = 7129] entspricht das noch unpublizierte, von Heberdey gelesene, griechische, das leider nur eine Zeile mehr bietet: Πα[ῦλλος Φάβιος Πε]ρσικός, πον[τίφηξ, σωδᾶλις αὐγ]ουστᾶλις, φράτερ ἀ[ρουᾶλις, ταμία]ς Τιβερίου Καίσαρος ...).

Die senatorische Laufbahn begann F. – seinem Patriziat gemäß (vgl. Brassloff Herm. XXXIX 1904, 618ff.) – als Quaestor des Kaisers Tiberius (s. die eben zitierte ephesische Inschrift, deren Ergänzung hier wohl sicher ist). Auch die Praetur dürfte er als candidatus Caesaris bekleidet haben. Im J. 34 war er Consul ordinarius mit L. Vitellius (CIL VI 2025[3] a Acta Arv. X 901. 902. XI 3781. Tac. ann. VI 28. Dio LVIII 24, 1. Frontin. de aq. 102. Vita Persii p. 72 Reiff.; hsl. Fasten [Persico et Vitellio Pulo Fasti Hydat.; Prisco et Vitellio Prosper], vgl. Klein Fasti cos. z. J. Vaglieri bei Ruggiero Diz. epigr. II 1001). Die beiden Consuln feierten die zweiten Decennalien des Tiberius (Dio LVIII 24, 1. 2); da der dies imperii des Tiberius in den August fiel, haben beide vielleicht das ganze Jahr hindurch die Fasces geführt (Dios weitere Worte τὴν τε οὖν ἑορτὴν ἅμα ἐποίουν καὶ ἐκολάζοντο wurden bisher so verstanden, als ob nach der Festfeier die beiden Consuln verurteilt worden wären; Boissevain hat durch richtige Interpungierung festgestellt, daß hier vielmehr an das Strafgericht zu denken ist, das über den Senat im allgemeinen hereinbrach; vgl. Tac. ann. VI 29 caede continua).

Soweit die Listen der Arvalbrüder aus der Regierangszeit des Tiberius erhalten sind, nennen sie F. unter den Anwesenden. Er befand sich demnach im J. 27 (CIL VI 2024)[4] und in den [1833] J. 35 und 36 (VI 2025 = 32342), ferner in einem unbekannten Jahre des Tiberius (VI 2027 = 32343, nach Henzens nicht hinreichend begründeter Annahme 37 n. Chr.) in der Hauptstadt. Ebenso finden wir ihn unter Gaius im J. 38 an den Kulthandlungen der Arvalbrüder eifrig beteiligt (VI 2028), und auch ein Fragment, das in das J. 39 gehört, nennt ihn (VI 2029 = 32346), während er in dem Bruchstück aus dem folgenden Jahr (VI 2030 = 32347) nicht erwähnt wird. Unter Claudius begegnet F.s Name in zwei Aktenfragmenten, von denen das erste (VI 2032) anscheinend in das J. 44, das zweite (VI 2035 = 32349) in eines der J. 41, 43 oder 45 gehört (vgl. dazu Österr. Jahreshefte X 1907 Beiblatt 33ff.). Des Persicus Namen ergänzt Hülsen zu CIL VI 32325[5] in einem kleinen Fragment der Acta ludorum saecularium des Claudius (47 n. Chr.). Erhalten ist in einer Liste von Namen nur Pau[llus?] da diese Liste vermutlich die XV viri sacris faciundis enthält, dürfte nicht an F., sondern vielleicht an Paullus Aemilius Regillus (o. Bd. I S. 582 Nr. 130) zu denken sein, von dem wir wissen, daß er XV vir war, und annehmen können, daß er damals noch lebte.

F. gehörte zu den ,Freunden‘ des Claudius. In gewohnter abgeschmackter Weise apostrophiert ihn Claudius in der bekannten, 48 n. Chr. gehaltenen Rede über das Ius honorum der Gallier (CIL XIII 1,[6] 1668 = Dessau 212: tot ecce insignes iuvenes, quot intueor, non magis sunt paenitendi senatores, quam paenitet Persicum, nobilissimum virum, amicum meum, inter imagines maiorum suorum Allobrogici nomen legere). In einem unbestimmten Jahr der Claudischen Regierung fungierte F. als Vorsitzender des Collegiums der Curatores riparum et alvei Tiberis (CIL VI 31545[7], vgl. o. Bd. V S. 1987). Vor seinem Proconsulat von Asia dürfte er noch eine offizielle Mission unter Claudius gehabt haben; es scheint nämlich, als ob die Worte ...s Ti. Clau[di] ... in der ephesischen Inschrift (CIL III 7125)[8] zur Titulatur des F. gehörten; möglicherweise ist [come]s Ti. Clau[di usw. in Britannia (im J. 43)] zu ergänzen – oder war seiner weitläufigen Verwandtschaft mit dem Kaiser gedacht? (ebenso vielleicht Kern Inschr. v. Magn. nr. 157, 9).

Gleichfalls unter Claudius verwaltete Persicus als Proconsul die Provinz Asia (wie ein halbes Jahrhundert früher sein Vater). Nach seinem Proconsulat ist eine fragmentierte Inschrift aus Magnesia am Maeander datiert (ἐ]πὶ ἀνθυπάτου [Παύλλου Φαβίου Πε]ρσικοῦ Kern Inschr. v. Magn. nr. 157; die Inschrift rührt von einem Denkmal her, das dem Kaiser Claudius und dem Hause der Caesaren errichtet wurde). Auf demselben Steine befindet sich eine Weihinschrift für den Thronfolger Nero, die aus den J. 50 bis 54 stammt, aber wahrscheinlich erst nachträglich eingemeißelt ist. Denn Persicus dürfte die Provinz vor dem J. 47 verwaltet haben, da in der ephesischen Inschrift (s. u.) die von Claudius in diesem Jahr eingeführten und seitdem in offiziellen Aktenstücken nur selten ignorierten neuen Buchstaben noch nicht angewendet sind (vgl. z. B. die Inschrift des Proconsuls P. Memmius Regulus CIL III 7090[9] in Pergamon; Regulus, der vor F. – im J. 31 – [1834] Consul gewesen war, gelangte erst frühestens 47 zum Proconsulat; F. muß auf Grund von Privilegien den Vorrang erlangt haben).

Aus dem Proconsulat des Persicus stammt ohne Zweifel eine große, ursprünglich im Theater von Ephesus angebrachte Inschrift, von der lateinische (CIL III 7124.[10] 7125. 1419519–23) und weit umfangreichere griechische, noch unpublizierte Fragmente erhalten sind. Die Inschrift enthält ein Schreiben des Proconsuls an die Stadt Ephesus; soviel man aus den lesbaren Bruchstücken des griechischen Textes, die ,kaum ein Sechsteil‘ der ganzen Inschrift ausmachen (Heberdey Österr. Jahresh. III Beibl. 85), erkennen kann, scheint es sich darin im wesentlichen um die finanzielle Sicherstellung der von Vedius Pollio gestifteten Spiele im Sebasteion von Ephesus und um Liturgien zu handeln; Ordnung und Herausgabe der Fragmente darf man von Heberdey erwarten.

Persicus ist wohl vor dem Winter des J. 57 gestorben, da er in den Arvalakten, die uns für die nächste Zeit ziemlich vollständig erhalten sind (CIL VI 2039ff.),[11] nicht mehr genannt wird (auch in dem Fragment der Acta aus dem J. 55 [VI 32352] findet sich sein Name nicht). Als Senecas Schrift de beneficiis, die scharfe Ausfälle gegen F. enthält (s. unter d), erschien – in der Frühzeit Neros –, befand er sich nicht mehr unter den Lebenden.

c) Familie. Fabius Numantinus (Nr. 118), der im J. 59 in eine unbekannte Körperschaft aufgenommen wurde, könnte der Zeit nach ein Sohn des Persicus sein; diese Annahme wäre jedoch unzulässig, wenn die Körperschaft eines der beiden Saliercollegien war (die Eltern der Salier mußten noch am Leben sein). Vgl. ferner (Fabius) Persicus Asturicus (Nr. 121). Q. Fabiu[s] Persicu[s], der seiner Mutter Fabia Aura die Grabschrift in Rom setzte (CIL VI 17583),[12] dürfte von einem Freigelassenen des Persicus abstammen.

d) Persönlichkeit. Wenn wir gelegentlichen Äußerungen Senecas glauben, dann war Persicus wirklich, wie Mommsen sagt (Reden und Aufsätze 280), ,namhaft wegen beispielloser Lasterhaftigkeit in einer beispiellos lasterhaften Zeit‘. Quid, fragt Seneca (de benef. IV 30. 2, Lesung nach Lipsius), nuper Fabium Persicum, cuius osculum etiam impudici devitabant, sacerdotem non in uno collegio fecit nisi Verrucosi et Allobrogici et illi trecenti ...? An einer andern Stelle erzählt er, daß der Senator Iulius Graecinus – ein Anhänger der stoischen Richtung, der unter Caligula den Tod fand – einen großen Kostenbeitrag, den ihm F. für seine Spiele sandte, mit den Worten zurückwies: ego ab eo beneficium accipiam, a quo propinationem accepturus non sum? (Sen. de benef. II 21, 5; Caninius Rebilus [o. Bd. III S. 1478 Nr. 7] wird von Seneca [ebd. 6] als homo eiusdem infamiae bezeichnet). Sonst haben wir über Persicus' Privatleben nur die eine Nachricht, daß er ein Zechgenosse des größten Gourmands seiner Zeit, M. Gavius Apicius, gewesen ist (Φάβιος, τῶν ὑπατευκότων εἶς, Suid. s. Μάρκος Ἀπίκιος = Aelian. frg. 111 Hercher, nach der gewöhnlichen Annahme wohl Fabius Persicus). Gegen Seneca würde dies nicht sprechen, man wird jedoch nicht außer acht lassen dürfen, daß Senecas Urteil über den Hochadel seiner Zeit zuweilen die [1835] Rancune des Emporkömmlings aus der Provinz verrät (vgl. z. B. o. Bd. IV S. 1363 Nr. 181) und einem Freunde des Claudius gegenüber an Schärfe nur gewinnen konnte.

e) Literatur. Haakh in Paulys Realencycl. VI 2921 Nr. 72. Henzen Acta fr. Arv. p. 186. Waddington Fast. d. prov. Asiat. nr. 81. de Vit Onomast. III 21. Cantarelli Bull. com. 1889, 193. Dessau Prosop. II 49 nr. 42.

[Groag. ]

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120) Paullus F. Persicus, cos. ord. im J. 34 n. Chr. (K) S XII.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. a b Corpus Inscriptionum Latinarum III, 6073.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 32340.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2025.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2024.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 32325.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum XIII, 1.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 31545.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 7125.
  9. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 7090.
  10. Corpus Inscriptionum Latinarum III, 7124.
  11. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 2039.
  12. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 17583.