Kunstausstellung in Dresden
Ich komme eben von unsrer Kunstausstellung. Sie lieben die Kunst, Sie lieben die Sachsen; Sie freuen sich [179] so manches Talentes, das unter uns aufkeimt und blühet, aber oft unter einem fremden Himmel reift und belohnt wird. Ich bin noch von dem ersten Eindrucke bewegt; lassen Sie mich in dieser Wallung sprechen. Der Beschauer, welcher sich der Kunst mit vollem Herzen erfreuen will, geht bei dem Schlechten und Mittelmäßigen vorüber. Sein Auge haftet nur an dem Genialischen, an dem Reitzenden und an dem Schönen. Der Kunstrichter mag Ihnen von jenen Kategorieen der verunglückten Kunst Nachricht geben. Ich will Ihnen nur einige der mehr oder minder gelungenen Kunstwerke nennen. Befürchten Sie keine anatomische Beschreibung, auch kein ästhetisches Wortgeklingel. Ob ich die Sprache des Athenäums, oder die einfache Sprache der Empfindung rede, weiß ich selbst nicht. Sonst, wenn ich die Antiken im Japanischen Palais, die Mengsischen Abgüsse, oder die Werke der Italiänischen Schule in der Dresdner Gallerie, oder die Domenichino’s, Rubens und Claude Lorrain’s des Grafen Truchseß gesehen hatte, und nun mit stiller Fröhlichkeit auf mein Zimmer eilte, war es mir, als ob ich nach meinem Homer greifen müßte; nie trieb mich ein „religiöses“ Verlangen zu den Mysterien des Athenäums hin. Auch diesmal war ich in derselben Stimmung. Ich griff, als ich nach Hause kam, unwillkührlich nach der Odyssee; und noch liegt sie vor mir, indem ich Ihnen schreiben will.
„Also war die Ausstellung reich an echten Kunstwerken?“ Nichts weniger; sie war ärmer daran, als man es von unserm Kunsttalente zu erwarten gewohnt ist. Und doch sah man sie mit großem Interesse. Hierin liegt es, mein lieber Freund. Der Anblick der bloßen Schönheit, des reinen Ideals, dessen Darstellung doch der erste Zweck der Kunst ist, ermüdet die Menschen, selbst den Kenner und die Künstler. Irgend ein Interesse muß sich damit verbinden; sey es auch ein kleinliches. Daher werden Portraits, Kopieen, Landschaften immer häufiger; die edeln und großen Kompositionen immer seltner. Bei diesen geht man kalt vorüber; bei jenen bleibt man stehen und – amüsirt sich. Diesmal trug das neue Lokal zur Belebung des Interesse viel bei.
Der Nahmenstag des Kurfürsten öffnete heute den Saal des ehemaligen Brühlschen Gartenpalais für die Ausstellung der Kunstwerke. Sie kennen die schöne Lage dieses Gartens. Man sieht die Elbe unter und vor sich in einem weiten Fluthbette. Heute schwoll es von den Gebirgsströmen plötzlich an. Das Wasser rauschte durch die Brückenbogen. Von dieser Seite her, trat man – gleichsam an der Hand der Natur – in die stillen Säle der Kunst. Konnte das Talent zu einer glücklichern Zeit dem geliebten Fürsten huldigen[1]?
Unser Graff hat den Kurfürsten in Lebensgröße, in der Uniform seines Cuirassier-Regiments, dargestellt. Er blickt durch die Gallerie des langen Saals hin, mit dem Ernste, der die Schmeichelel zurückweist. Dieses Charakterbild bringt dadurch eine sinnvolle Einheit in die Bestrebungen der Meister und Kunstjünger, welche ihre Werke und Versuche vor ihrem Beschützer aufstellen. Sie kennen schon den kräftigen und lebendigen Ausdruck jenes braven Schweizers „de la vieille roche.“ Auch dieses Oelgemälde zeigte seine Energie im charakteristischen Portrait. Der Künstler hatte jedoch dem Gesicht ein frisches Incarnat gegeben, welches die Wünsche der Unterthanen für die Gesundheit ihres geliebten Fürsten mehr prophetisch, als physiognomisch bezeichnete.
[188] In dem mittleren Saale stand eine kolossale Gypsbüste des Kurfürsten, von Herrn Ulrich. Sie war brav gearbeitet, hatte aber etwas Schweres und Unbehülfliches in der Ausführung. Ohne den Hermelinmantel, den Stern und die Unterschrift würde vielleicht mancher sie nicht ähnlich gefunden haben.
Folgen Sie mir zu einer andern Gypsbüste des Kurfürsten, vom Inspektor Matthäi, die neben dem Graffischen Bilde steht. Ein interessanter, obgleich zufälliger Wetteifer der Kunst! Viele fanden diese Büste ähnlicher, als alle bekannte Abbildungen in Stein. Sie ist größer, als die Ulrichische. Allein das Ebenmaaß ist so genau gehalten, daß ich nichts Kolossales, sondern nur das sprechende Bild und das edle Kunstwerk vor mir sah. Ein Imperatorenmantel fällt um die Schulter. Der Faltenwurf ist rein und weich. Man fühlt, dies ist der Styl der Antike. Das Portrait selbst kündigt sich mit der Würde eines Römerkopfes an. Ich verglich es unwillkührlich mit der schönen Büste des Mark-Aurel. Nur das Haar, welches auf die Scheitel zurückgelegt, im Nacken leicht gebunden, und an den Seiten in Locken geschlagen war, und die Wahrheit der Physiognomie, hoben die Illusion auf. – Jeder Zug spricht die Seele aus, und erträgt die Ansicht in der Nähe: so wahr ist die Anatomie der schäfern Umrisse, und je mimisch die Nüancirung der feinern Linien. Der Künstler hat die geheimere Spur der Seelenmilde und Humanität aufgefaßt, und sie mit dem carakteristischen Ernste des Ganzen verbunden. Ein Kenner, der neben mir stand, fand die Anatomie selbst in den Nebenpartieen richtig, z. B. den Bau des Ohres, den Hals, u. s. w. Das Haar insbesondere war so frei behandelt, daß es den modernen Kopf charakterisirte, ohne ihm die Würde der Antike zu nehmen. Kurz, die ganze Form ist mit Fülle und Kraft aus der Anschauung gegriffen. Dabei hat der Bildhauer das Eigenthümliche seiner Kunst, den Ausdruck der vollkommnen Ruhe, welche durch keinen pathognomischen Eindruck unterbrochen wird, verständig in Acht genommen[2].
Unter den größern Kompositionen sind einige Allegorien und Mythen ganz verunglückt. Ich rechne hierher den Prometheus. Ein lichtblaues Band im Haare und ein jugendliches Gesicht widersprechen der Heroengestalt des Titanen. Lessing bemerkt irgendwo, ich glaube, in seiner Emilie, daß auf dem langen Wege vom Sitze der Phantasie bis zum Pinsel, oft so viel verloren geht! – Dies mag wohl auch dem übrigens braven Meister bei diesem Prometheus begegnet senn. Eine Minerva sitzt sehr ungraziös auf einer Wolke, in die sie bei ihrer Flamländischen Feistigkeit tief einsinkt, und hält – mit verzeichneten Armen – ihren Schild dem Prometheus entgegen, oder vielmehr unter die Nase, auf dem sich nach der Absicht des Künstlers das Antlitz des Höchsten?? spiegeln? soll. Gehört das Höchste, d. i. Gott, in die Grenzen der Mahlerkunst? und kann ein Kopf, ohne allen Rumpf, die Gottheit repräsentiren? Man sieht hier höchstens einen abgehauenen Jupiterskopf. Prometheus, in dessen Körper, vorzüglich im Rücken, der antike Stil und die meisterhafte Anatomie, so wie das Colorit, vorzügliches Lob erhielten, – wendet seinerseits das Gesicht zur Minerva, und fährt daher, sehr natürlich! mit der angezündeten Fackel einem in den Winkel gedrängten Haufen von gebrechlichen Menschenfiguren ins Gesicht.
[197] Die Mythe von Orpheus, der Pluto’n und Proserpinen um Eurydicen bittet, hat Gareis, ein Dresdner Akademist, schon voriges Jahr in Paris aufgestellt. Es fand dort, wie das Portrait eines dasigen Ingenieurs von demselben Künstler, unter allen fremden Produkten den meisten Beifall; und es verdient ihn. Die Ausführung der eignen Erfindung ist des Entwurfes werth. Die Sehnsucht und heilige Begeisterung im Orpheus, der in die Leier greift, die zuvorkommende Gewährung seiner Bitte in den Augen der Proserpina, der majestätische Ernst des Pluto, der auf dem Cerberus ruhet und, von seiner sich an ihn schmiegenden Gemahlin bewegt, auf den [198] Dichter fast wider seinen Willen achtet, bringt in die Gruppirung des Ganzen und in die Physiognomik des Einzelnen einen lebendigen Sinn, der dem Künstler Ehre macht. Das Aufhorchen der Verdammten, selbst die Hände, welche sich an die Brücke, über die Orpheus schreitet, anklammern, sprechen für die Gewalt der Musik und der Liebe. Die Gruppe des Pluto und der Proserpina ist vorzüglich schön gezeichnet und von dem Feuer des Orkus beleuchtet. Orpheus steht im Glanze des Tages da; doch dünkt mich die Haltung des schönen Körpers zu steif. Er steht wie in Marmor gehauen. Auch scheint mir die Beleuchtung von der Oberwelt her nicht optisch genug motivirt zu seyn. Der Ton war überhaupt wohl zu kalt. Dieses Oelgemälde ist von Paris her eingesandt, und daher etwas beschädigt worden.
Durch die Nähe des Orpheus verlor ein gut erfundenes und richtig gezeichnetes Oelgemälde des Herrn Mons aus Antwerpen etwas von seinem Verdienste. Es stellt den Marius auf den Ruinen von Karthago dar. Doch schien mir die Farbengebung zu hart; und in dem Marius vermißte ich jene Ruhe, die ihm ein stolzes Bewußtseyn gab. Ich sah nicht den Feldherrn, der die Deutschen schlug und den Sylla verachtete, sondern einen hagern Senator, der öfter in der Stoa, als auf der Wahlstatt gewesen war. Die Ferne des Meeres war nicht perspektivisch genug gezeichnet, und der Himmel zu grell colorirt.
Herr Vogel, den man den Mahler der Jugend par excellence nennen könnte, hatte in Oel eine kühne, aber interessante Idee ausgeführt. Narciß sieht in der Quelle sein Bild, und glaubt seine gestorbene, ihm sehr ähnliche, Schwester wieder zu erkennen. Ein Genius zeigt ihm die Erscheinung. In der Zeichnung des Kopfes des Narcissus und in seiner Physiognomie war die zarte Berührung der weiblichen und der männlichen Jugend fein angedeutet. Leider war das ganze Bild selbst nur ein Schatten; kaum etwas mehr, als der erste Entwurf!
Der Prof. Schönau hat einige Conversationsstücke ausgestellt, deren Farbenglanz blendend genug, für manches Auge beinahe grell ist. Die Fülle in der Gruppirung schien dem Einen und dem Andern überladen. Das Costum war nicht einfach. Dieser Meister könnte auch ohne die künstlerische Coquetterie, auf Beifall Anspruch machen. Der Kopf des alten Mannes im Ehekontrakte war trefflich gezeichnet und kolorirt. Die übrigen Köpfe waren zum Theil unbestimmt und von Individualität entblößt.
Unter andern Allegorieen verdient eine Kopie des Herrn Baumann von dem Gemählde, Jakob, der mit dem Engel ringt, bloß der barokken Idee wegen, das Unbegreifliche darstellen zu wollen, erwähnt zu werden. Man sieht nichts als eine grobe Pathognomik; überdem ist das Knie des Engels verzeichnet. Wenn doch die Künstler Rubens und Michel Angelo’s Beispiel verließen und ihre Talente nicht auf die Geheimnisse der Religion anwenden wollten! Die sinnliche Vorstellung dessen, was unbegreiflich ist, wird stets verkleinerlich ausfallen. Der Sonderbarkeit wegen erwähne ich hier eines entgegengesetzten Mißgriffs der Kunst: eines Quodlibet in Oelfarben!! von einem Dilettanten, welches sich jedoch bescheiden in das Seitenzimmer zurückgezogen hatte.
[202] Als eigne Erfindung muß ich Ihnen noch eine Maria mit dem Kinde Jesus und dem kleinen Johannes, in Oel, von Herrn Zeller, bemerken. Die Zeichnung des Kopfes war schön; die Physiognomie aber dünkte mich zu jungfräulich. Doch es ist schwer, nach Raphaels heiliger Familie, ein zweites Wesen zu erschaffen, in welchem die Jungfrau und die Mutter eben so glücklich verschmolzen wären. Das Helldunkel, worin sich der kleine Johannes befindet, und das milde Colorit, empfahlen dieses Kunstwerk.
Drei historische Zeichnungen von Herrn Schnorr, an dessen schöne Komposition, der Tod Raphaels, man sich wieder erinnerte, waren geistreich angeordnet und gefällig ausgeführt. Das Publikum wird sie in den Prachtausgaben des Aristipps von Wieland, und des Gedichts, Galmori und Siama, wiederfinden und die schönere darunter leicht erkennen.
Unser Historienmahler Herr Pochmann der jetzt in Rom ist, hat nichts ausgestellt. Aach der Historienmahler Herr Fr. Matthäi, der seine Studien in Italien fortsetzt, und sich jetzt in Florenz befindet, hat wegen der Entfernung nichts liefern können. Sie erinnern sich wohl noch seines Castors und Pollux, eines Originalgemäldes in Lebensgröße, das der Spanische Gesandte in Berlin Chev. d’Anadia kaufte, und im J. 1801 daselbst zur Ausstellung mitgetheilt hatte, wo es einen ausgezeichneten Beifall erhielt. Dieses und ein andres Gemählde von demselben Hr. Fr. Matthäi, Semira und Semin, nach Geßners Idyllen komponirt, das im J. 1802 in Dresden ausgestellt war, sind von dem Chevalier d’Anadia noch Spanien geschickt worden. Herr Veith, dessen Landschaften so viel Interesse haben, ist jetzt ebenfalls in Rom, und hat daher nichts ausgestellt.
Unter den Porträts der diesjährigen Ausstellung dürfte wohl das der Frau Kammerherrin von Löwenzow, eine ganze Figur in Lebensgröße, am meisten gefallen haben. Dieses Oelgemälde, vom Prof. Tischbein, dem Direktor der Leipziger Akademie, übertrifft wenigstens an Farbenglanz und Anmuth jedes andre. Man sieht das schöne Leben des, ich möchte sagen, noch jungfräulichen Weibes. Alles, mit Ausnahme des linken Arms, ist weich, zart und mit großer Leichtigkeit gehalten. Das Ganze belebt eine Italiänische Wärme. Der schöne Körperbau scheint jedoch mehr, als der Kopf, einem 16jährigen Mädchen anzugehören. Auch ist die Brust verhältnismäßig etwas zu flach. Eine Turteltaube fliegt mit einem Zweige des Frühlings – oder ist es ein Myrtenreis? – der blühenden Gestalt entgegen. Der rechte Arm hebt sich mit Grazie, es zu empfangen. Der Blick voll Unschuld und stillen Frohsinns deutet auf den schon erlangten Besitz. Durch diese Anordnung ist das Ideal mit jener lieblichen Individualität, die rein und unmittelbar aus der lebendigen Natur ergriffen ist, glücklich verwebt worden. Ein reines Herz und eine reine Phantasie stehen hier im schönsten Bunde. Kurz Guido’s süße Schwärmerei blickt aus diesem magischen Porträt.
Eine Gruppe Kinder, von demselben Künstler, in Oel gemalt, bestand aus Porträts, war aber ein schönes Idyll aus der kindlichen Welt. Zwei naive Mädchen wollen ein Kind mit einem Schawl vermummen. Die Zeichnung [203] der Figuren, insbesondere der Köpfe und Arme, die klare Idee, welche Einheit in ihre reizende Bewegung brachte, das fröhliche Leben, welches sich in allen Gliedern regte, und der warme Ton der Farben zogen unwillkührlich an. Kenner hielten es für das gelungenste Werk des Meisters bei dieser Ausstellung. Der Kopf des Kindes und der rechte Arm des Mädchens auf der rechten Seite waren die vollendetsten Partieen.
[223] Herr Professor Graff hat unsern würdigen Oberconsistorialpräsidenten, den Hrn. Baron von Gärtner, mit lebendiger Wahrheit dargestellt. Es ist ein Kniestück. – Herr Hofmahler Schmidt, der bekanntlich sehr gut trifft, hat in Paris das Porträt des Oberconsuls in Pastell gemahlt und hier ausgestellt. Der Kopf war schön gezeichnet, und die Manier sanfter und weicher, als es gewöhnlich bei den Porträts dieses Künstlers der Fall ist. – Die Erdfarbe des Gesichts sah beinahe Aegyptisch aus. Man wiederholte sich bei dieser Gelegenheit die Bemerkung eines Franzosen, der hier Bonaparte’s sehr getroffenes Bildnis zeigte, und auf den mitleidigen Ausruf einer Dame: „Ah, mon Dieu, qu’il est pale! zur Antwort gab: Il n’est pas seulemens pale; il est jaune, il est verd quelquefois! –“
Dort hält schmeichelnd ein Mädchen einen Vogel ans Kinn. Dieses Pastellgemählde von Hrn. Wagner, ein Kniestück, ist Porträt; aber trefflich idealisirt. Das Mädchen ist ganz das Kind der freien Unbefangenheit. Die Farben sind bescheiden und gut verschmelzt; doch schien die Landschaft vernachlässigt zu seyn.
Eine weiche und warme Behandlung, ein schönes Colorit, und vorzüglich eine Phantasie, welche sich tief in andre Wesen hineinzuschmiegen weiß und ihr Innerstes gleichsam herausholt, charakterisiren drei Pastellgemälde der Dem. Stock. Zwei Porträts sprachen das Leben aus; besonders der schöne Kopf des hiesigen Französischen Legationssecretärs. Die Copie der Maria mit dem Kinde Jesu nach Ramenghi war der Künstlerin, die ihren frei bildenden Genius zu oft bindet, würdig.
Drei Porträts der Herzoge von Mecklenburg-Schwerin und Strelitz, und des Prinzen Ernst von Mecklenburg-Strelitz, in Oel, von Herrn Zeller schon vor einiger Zeit gemahlt; das Porträt Friedrich Schlegels, im Costum eines alten Philosophen, von Dem. Alberti, in Oel; einige Porträts von Hrn. Caffe in Leipzig, in Pastell, und einige andere in Oel von Hrn. Faber gemahlt, verdienen, als brav gearbeitet, ausgezeichnet zu werden.
Die Landschaftsgemälde allein konnten ein kleines Cabinet füllen; und doch fehlten noch Blätter von Klengel, Zingg u. a. Mechau hatte nichts, die Dem. Freystein in Leipzig nur Ein Blatt ausgestellt. Von Klengel sah ich heute drei Oelgemälde. Die Begräbnißkapelle des Herrn von Holzschur, auf dem St. Johanniskirchhofe zu Nürnberg, gefiel durch ihren harmonischen Ton. Die Mondscheibe schien einigen nicht die Farbe der Natur zu haben. Das Gewölk, worin dieser sentimentale Planet schwamm, die finstre Wölbung des Hains und die matte Beleuchtung des Crucifixes gaben der Landschaft Sinn und Interesse. Auch die Landschaft in der Abendämmerung war verständig komponirt und in dem Geiste eines Claude Lorrain vollendet. Der bemooste Felsblock, die alte steinerne Brücke und die Baumgruppe im Vordergrunde waren überaus sorgfältig ausgearbeitet, und bildeten mit dem milden, arkadischen Hintergrunde einen interessanten Kontrast. Weniger Poesie glaubte ich in der dritten, größern Landschaft zu finden. Sie schien für „einen Sonnenuntergang“ immer noch zu eng begrenzt. Die Beleuchtung war, wie man es von Klengel erwarten darf, brillant; allein man konnte der Sonne, die eben hinter den Hügel hinabsank, dreist ins (blaue?) Antlitz sehen. Sollte hier nicht eine Verhüllung eben so rathsam seyn, wie dort bei dem Haupte des Agamemnon?
[235] In Herrn Oldendorp’s Nachtstücken ist die Kunst, welche mit einem schweren und undankbaren Sujet ringt, eine interessante Erscheinung. Die Phantasie dieses denkenden und fleißigen Künstlers hat sich in die furchtbaren Prachtscenen eines zerstörenden Elements versenkt. Sein größeres Werk, der Brand von Magdeburg, als es Tilly eroberte, vereinigt historische Treue mit künstlerischer Komposition. Die Domkirche ragt vor allen Gebäuden hervor. Das Feuer flammt hier und da auf, und erleuchtet die entfernteren Straßen. Der Vordergrund, wo Tilly mit den Seinigen in die Stadt rücken will, ist dunkel, beinahe schwarz gehalten, wodurch der klare Ton des Hintergrundes vortheilhaft gehoben wird. Die Ansicht der Stadt in nach der Natur gezeichnet. In den zwei andern nächtlichen Feuersbrünsten vermißte man weniger die Kunst der Zeichnung, der Farbengebung und des Helldunkels, als die leitende Idee in der Anordnung, ohne die das Ganze nicht Einheit haben kann. Es fehlte ihnen daher der höhere poetische Charakter; sie waren – wie die meisten Landschaften – Copieen zufälliger Ansichten. Ihr Höllen-Breughel in Berlin könnte diesem Künstler, wenn er sich mehr in größern Kompositionen aus der Menschenwelt versuchte, als Muster dienen; wobei das Studium des Dante den Styl veredeln würde.
Ich führe Sie jetzt zu einer gefälligen Landschaft, zu dem Projekte vom Königstuhl und den Kreidefelsen der Stubbenkammer auf Rügen. Die Brandung des Meeres schlägt nur schwach an den Felsen; und dies macht einen guten Effekt. Herr Friedrich hat diese Ansicht nach der Natur gezeichnet und mit Sepia getuscht. Ein schönes Blatt! Es erklärt Kosegartens Schwärmerei und die poetische Gluth in Nernsts Wanderungen. Doch konnte ich in der Zeichnung den Standpunkt nicht finden, den wo aus die Ansicht genommen war.
Eine Wildschweinsjagd, in Oehl, vom Herrn Lieutnant von Watzdorff, war ein sehr gelungenes Werk. Herr von Watzdorf hat ein seltnes Talent in der Thiermahlerei.
Ein Moucheron, von Herrn Stamm copirt, war eine fleißige und schon colorirte Zeichnung. Ueberhaupt gab es von Copieen eine beträchtliche Menge. Die Meißner Zeichenschule hatte sich dieses Jahr mehr, als sonst, hervorgethan.
Ich will Ihnen nur die bedeutendsten Copieen nennen. Fleiß und freie Behandlung zeichneten die Sibylla Persica und die Geißelung des heiligen Gregor’s, vom Professor Seydelmann, aus. Beide waren brav gezeichnet und mit Sepia getuscht: jene nach Guercino; diese nach Domenichino. Er hatte der Sepia in den diesjährigen Stücken einen wärmeren Ton zu geben gewußt, wodurch sie an Lebendigkeit vor seinen, übrigens trefflich gezeichneten, sonstigen Werken gewannen.
[242] Herr Glatysz, eine Pole, jetzt in Paris, hatte mehrere Copieen von dasigen Galleriegemählden eingesandt, unter denen der Seesturm, nach Vernet, und der Heilige Hieronymus, nach Corregio, besonders gefielen. Wenn man gleich dieses Stück als einen Pendant zu der berühmten Nacht ansieht; so muß doch, dünkt mich, die kranke Entstellung des alten Hieronymus den feineren Nerven auch im Originale mißbehagen. Das Mißgestaltete überhaupt sollte die Kunst mehr abschrecken, als anziehen. Sie will und soll gefallen; warum peinigt man die Phantasie mit solchen Süjets? Doch still; man murrt! – – Die Maria mit dem Kinde Jesus und dem kleinen Johannes, nach Annibal Caracci, und einen Apostelkopf von Giulio Romano, hatte das Fräulein aus dem Winkel in Oel kopirt. Diese Gemählde, in denen eine freiere, seelenvolle Phantasie nicht zu verkennen war, hätten einen vortheilhafteren Platz haben sollen.
Von Herrn Lommatzsch sahen wir ein schönes Blumen- und Fruchtstück in Oel, nach de Heem. Blumen und Früchte gab es in Menge. Meisterhaft war ein Glas mit Blumen von der Demoiselle Friedrich, in Oel gemahlt; keine Kopie. Die Wassertropfen perleten. Diese treffliche Künstlerin hat gute Schülerinnen gebildet. Herr Arnold, ein Meister im Blumenmahlen in Meißen, täuschte diesmal die junge und schöne Welt, welche sich vergebens nach seiner Flora umsah. Dagegen gab es mehrere schöne Stickereien. Ich bedaure die Zeit und noch mehr das Talent, welches sich in dieser Art von Mosaik versucht. Die echte Mosaik ist unsterblich; diese so prekär, wie ein Spinnengewebe. Desto billiger muß man gegen das neidlose Werk der Stickerin seyn. Doch die Arbeiten der Madame Conradi aus Berlin bedürfen dieser Billigkeit nicht. Sie hat unter andern zu dieser Ausstellung einen schönen Kupferstich, – nicht anders, – einen schönen Kupferstich! – gestickt: Friedrich II. zu Pferde. Man erinnert sich nicht, hier je etwas in der Vollkommenheit gesehen zu haben. Sollte die Hofräthin Schlözer den Ruhm, die erste Stickerin in Deutschland zu seyn, nicht mit Ihrer Berlinischen Künstlerin theilen?
Von den Kupfersticken, von den architektonischen Zeichnungen, und von so vielen andern trefflichen Arbeiten sage ich Ihnen nichts, weil ich befürchten muß, nur schon zu viel gesagt zu haben. Ich freue mich, in den kommenden Tagen neue Schönheiten aufzufinden, und die Kunstwerke, welche noch kommen sollen, zu studieren. Der Wetteifer so vieler braven Künstler, die durch ihre Werke den Geschmack des Publikums berichtigen, verdient die größte Achtung. Ich hasse, wie Sie selbst es nur können, den hämischen und anmaßenden Tadel; aber ziemt die Freimüthigkeit irgendwo, so ist dies bei einem Geschmacksurtheile der Fall. Leben Sie wohl. –
- ↑ Das Lokal in der Beleuchtung günstig. Drei Abtheilungen des Saals scheiden herkömmlich die Werke der Professoren, der Akademiker von Dresden und Leipzig, und ihrer Schüler. In einem Seitenzimmer hatten die Schüler von den Lehrern bei der Akademie, und Zöglinge aus der Güntherschen Schulanstalt ihre Versuche aufgestellt. Nach einem gedruckten Verzeichnisse, das zum Besten der Armen beim Eingange verkauft wird, sind überhaupt 412 Gemälde, Zeichnungen und Kupferstiche, nebst 6 Werken von Bildhauern und Mechanikern, eingeschickt worden. Man konnte Alles, da die Stücke numerirt waren, bequemer finden, als in den bisherigen Ausstellungen. Für einige Werke von den Prof. Graff und Grassi, von Zingg und Anderen, waren leere Plätze gelassen. Sie wurden noch erwartet.
- ↑ Nach dem Urtheil hiesiger Kenner, soll Herr Mathäi sonst kein vorzüglicher Künstler seyn. A. d. Herausg.