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Elsaeszische Sagen

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Autor: Curt Mündel
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Titel: Elsaeszische Sagen
Untertitel:
aus: Volkstümliches XIII, in: Alemannia, Band XI, S. 20–28
Herausgeber: Anton Birlinger
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Adolph Marcus
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Erscheinungsort: Bonn
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Quelle: Google-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
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[20]
1 ELSAESZISCHE SAGEN[1]

1 Der Glockenfelsen bei Stürzelbronn

Ein Felsen, auf dessen Spize ein hölzernes Kreuz stet, überragt das ehemalige Kloster Stürzelbronn, jezt ein Weiler an der Straße, die von Weissenburg nach Bitsch zieht. Diser Fels heißt der Glockenfelsen. Er soll reich an Hölungen sein, die jedoch jezt verwachsen und unzugänglich sind. Vor der Zerstörung des Klosters sollen die Mönche die Schäze und die Glocken in disen Räumen geborgen haben. Vile schon versuchten ir Glück an dem Felsen, doch noch keinem gelang es, die Schäze zu heben.

Die Bewoner des Dorfes heißen noch jezt in der Umgegend die „Klosterleute“.


[21] 2 Herzogenhand

Acht Kilometer östl. von Bitsch an der Straße, die nach Weissenburg durch dichte Wälder zieht, ligt der aus wenigen Häusern bestehende Weiler Herzogenhand. Auf einem Hause ist eine abgehauene Hand abgemalt mit der Umschrift: Main du prince. Früher war dises Zeichen in einem Felsen an der Straße eingehauen, es wurde jedoch bei Erweiterung der Straße zerstört. Man erzält von disem Zeichen, daß einst zwei fürstliche Brüder sich entzweiten und sich bekriegen wollten. Um jedoch ire Völker zu schonen, kamen sie überein, allein gegen einander zu kämpfen. Im Kampfe verlor der eine Bruder die eine Hand, wo jezt der Weiler stet, floh in den Wald, der noch jezt Herzogskörper heißt, und wurde dort von dem verfolgenden Bruder vom Pferde gestochen. Sein Körper wurde in einer silbernen Lade im Kloster Stürzelbronn bestattet.

Nach anderer Meinung hätte der Herzog falsch geschworen und seinen getreuen Waffengenossen verräterisch überfallen. Im Kampfe verlor er die rechte Hand.

Vgl. Alsatia 1858/61 S 274.


3 Küner Sprung

In der Nähe des Dorfes Eppenbrunn NO von Bitsch ligt ein hoher, auf der einen Seite jäh abfallender Fels. Von im soll einstmals ein Reiter, hart bedrängt von seinen Feinden, im künen Sprunge hinabgesezt und unversert unten angekommen sein. Das Pferd trug seinen Reiter noch eine Strecke, brach dann aber tot zusammen.


4 Die Totenköpfe

Am Hange des Kühberges unweit des hochgelegenen zerstreuten Gebirgsdorfes der Hub ligt ein merkwürdiger Felsen, auf dem ehemals drei lachende Köpfe ausgehauen waren. Der Stein ist jezt verstümmelt und weist nur noch ein eingeriztes menschliches Gesicht auf. In der Umgegend ist der Stein bekannt unter dem Namen „die Totenköpfe“. Der Volksglaube vermutet unter dem Stein Schäze und schon mancher Umwoner hat verstolen zur nächtlichen Stunde vergebens dort nach Schäzen gegraben. Besser gieng es einem Knechte von der Hub, der am Abend an dem Felsen vorüber fur. Er sah da plözlich einen Haufen glühender Kolen ligen, stig ab, nam eine der Kolen und legte sie auf seine Pfeife, um den Taback in Brand zu sezen. Als er zu Hause ankam, fand er in seiner Pfeife ein blankes Goldstück. Eilends lief er zurück, konnte jedoch den Kolenhaufen nicht mer finden.


[22] 5 Die Schazgräber auf St. Leon

Auf dem Felsen südlich von Walscheid, der einst das feste Schloss der Grafen von Dagsburg-Egisheim trug, erhebt sich jezt zu Eren jenes Bruno, der aus dem Geschlechte der Grafen von Dagsburg entsprossen, als Leo IX den päpstlichen Stul bestig, eine kleine Kapelle. Ehedem stand eine ältere unweit der jezigen; von lezterer behauptet man, daß sie sich durchaus nicht halten will, sondern beständig zerbröckelt. Die alte Kapelle wurde in einer stürmischen Märznacht des Jares 1809 durch einen Brand zerstört. Noch finden sich Trümmerreste derselben vor und get die Sage, daß in dem Eckstein ein großer Schaz lige. Es ist nämlich auch jezt noch in der Gegend allgemein Sitte, bei dem Bau selbst des kleinsten Gebäudes eine, wenn auch noch so geringe Summe Geldes unter dem Eckstein niderzulegen.

Ein alter Mann aus Walscheid, seines Zeichens Urmacher, dem nie das Glück besonders hold gewesen war, wollte auf seine alte Tage noch einen Versuch machen, dasselbe zu erhaschen. Er brach in einer dunklen Nacht samt seinen drei Sönen mit Brecheisen bewaffnet zur Hebung des Schazes auf. Schon hofften sie den Stein zu lüften, als sich plözlich ein so furchtbares Geschrei und Geheul erhob, daß die Schazgräber entsezt den Berg hinab flüchteten. Noch dreimal versuchte der Mann den Schaz zu heben, doch immer mit demselben Miserfolge.


6 Feurige Männer

Die alten Bewoner von Walscheid versichern, daß sie früher oft in stillen Nächten auf dem St. Leonsberge feurige Männer gesehen hätten, die mit Keulen einander bekämpften.

Einst war ein junges Mädchen, die noch jezt hochbetagt in Walscheid lebt, Nachts auf den Wisen, um die Bewäßerung zu stellen. Wenige Schritte vor sich sah sie eine kleine blaue Flamme dreimal langsam aufstehen. Das Mädchen schlich nahe herzu, um ire Kappe darauf zu werfen und so des Schazes teilhaftig zu werden. Plözlich standen dicht bei ir die feurigen Männer und befedeten sich auf das heftigste. Das Mädchen floh zum Tode erschreckt in das nahe Dorf.


7 Der Pfaff von Garburg

Eine Anzal Männer und Frauen, die, wie es vilfach Sitte ist, im Herbst von Lothringen aus das Gebirge der Vogesen überschritten, um zur Kirche des heiligen Florentius in Haslach zu wallfarten, durchwanderten grade am hellen Tage den Wald von Garburg, als ein junges Mädchen einen Mann in geistlichem Gewande, mit breitem in das Gesicht gedrückten Hute, unter dem Arm ein großes Buch, über den Weg gleiten sah. Keiner der [23] anderen sah die Erscheinung, die bald lautlos, nur dem einen Mädchen sichtbar im Walde, verschwand. Auf die Frage der erschreckten Wallfarer im nahen Garburg erhielten sie die Antwort: Ja, der Paff get dort schon lange um!


8 Die Jungfrau auf dem Ursteine

Auf einem dem Schneeberge benachbarten Berge soll einst ein wilder gewalttätiger Ritter gehaust haben, der seine Seele dem Teufel verschriben hatte. Von seinem Schlosse ist jede Spur verschwunden. Der Ritter entbrannte in heftiger Liebe zu der schönen Tochter des Ritters auf Nideck. Da der Vater die Werbung zurückwis, raubte er die Tochter, als sie einst im Walde lustwandelte. Er schleppte sie auf den hohen Felsen des Ursteines und ließ sie dort unter der Bewachung des Teufels zurück. Diser umkreisete den Felsen beständig in Gestalt eines Hengstes und hinderte jeden Fluchtversuch der Jungfrau. Sie sollte durch Hunger und Durst gezwungen werden, ire Einwilligung zur Vermählung mit dem Ritter zu geben. Da flehte die Jungfrau zu Gott, er möge sie nicht verderben laßen. Gott erhörte ir Gebet und die schalenartigen Vertiefungen des Felsens füllten sich mit Waßer und in den Kräutern entdeckte die Verzweifelnde eßbare Beren. So fristete sie kümmerlich ir Leben, immer bedacht, der Wachsamkeit des Teufels zu entschlüpfen. Endlich bot sich die Gelegenheit, sie sprang den Felsen hinab und floh das Alberschweiler Tal abwärts. Der Teufel eilte ir nach, konnte jedoch die in Todesangst Fliehende nicht einholen. Die Jungfrau fülte jedoch, daß ire Kraft zu Ende gieng. Verzweifelnd brach sie zusammen, schon hörte sie den Teufel sich nahen, da betete sie inbrünstig zur Mutter Gottes um Errettung. Ir Gebet fand Erfüllung. Die Glocken des nahen Klosters L’Hor (jezt ein Hof bei Alberschweiler) läuteten zur Hora. Die Macht des Teufels war gebrochen, er muste ablaßen von der Jungfrau. An der Stelle, wo die Jungfrau zusammenbrach, sprudelt noch jezt eine helle Quelle, die „Fontaine de la dame blanche“, an der noch manche Sage haftet. Oben aber im Gebirge auf einem öden Plateau, Hengst genannt, in der Nähe des Ursteines stet eine rossänliche Felsgestalt, der vilgenannte Hengstfelsen, von den Umwonern noch jezt mit abergläubiger Scheu und als Bestätigung der Sage betrachtet.

Alemannia IX 1 S 31 u. IX 3 S 233.


9 Bestrafter Uebermut

Ein reicher Mann, der ein leidenschaftlicher Jäger war und eine große Jagd an den Quellen der Saar und Zorn hatte, wurde plözlich an den Füßen gelämt. Man erzält darüber im Volke, daß diß eine Strafe Gottes sei. Einst war eine große Jagd veranstaltet und dem Jäger ein großer Hirsch fast schon schußgerecht gekommen. Da kam ein Bäuerlein des Waldweges daher und zog [24] vor dem Bilde des Erlösers seine Kappe demütig ab. Durch die Bewegung des Bauers stuzte der Hirsch, machte Kert und verschwand mit gewaltigen Säzen. Zornig rief der Jäger den Bauern an: „Was hast du da gemacht?“ Der Bauer antwortete: „Ich hab’ unsern Herrgott gegrüßt!“ Der Jäger darauf: „Wart, ich werd’ dir deinen Herrgott grüßen!“ Sprach’s und schoß die Ladung seiner Flinte dem Crucifix in die Füße. – Von Stund an versagten im seine Füße den Dienst immer mer, biß er unfähig war, sich allein fortzubewegen.


10 La bonne pierre

Bei Wackenbach, einem Dorfe bei Schirmeck, ligt oben im Walde, jezt hart am Rande einer neuen Forststraße, die nach Fréconrupt fürt, ein großer Felsblock, in dem sich ein kleines dreieckiges Loch befindet. Die Bauern nennen den Stein „la bonne pierre“ und pflegen in die Hölung kleine Kupferstücke zu legen, zu opfern. Die Berürung des Steines gilt auch als heilkräftig. Leidet ein Kind an einem Uebel, so wird das Kleidungsstück, das den kranken Körperteil berürt, an dem Steine aufgehangen. Das Uebel läßt dann sicher nach.


11 Steinsagen aus der Umgebung von Schirmeck

An dem Wisenwege von Schirmeck nach Rothau befindet sich ein Felsen, von dem geglaubt wird, daß aus im die Kinder hervorkämen.

Ein anderer Felsen, der am Wege von Rothau nach Natzweiler ligt, dient den Mädchen als Orakel. Sie werfen an dem jäh abfallenden Felsen Steine hinauf. So vilmals der Stein herabfällt, so vile Jare müßen sie warten, ehe sie einen Mann finden.


12 Schazsagen von Salm

Salm, das Stammschloß des noch jezt blühenden fürstlichen Geschlechts der Salm-Salm, ligt unweit Rothau. Dicht unterhalb der verfallenden Ruine haben sich eine kleine Anzal Widertäufer angesidelt, die dort ein stilles, arbeitvolles Leben füren. Sie erzälen mancherlei von dem Schloße. So soll bei der Einname desselben die Erzieherin mit den Schäzen geflohen, aber eingeholt und getötet worden sein. Sie hatte jedoch noch Zeit gehabt, die Schäze zu bergen. Sie fand keine Ruhe, zeigt sich oft den Umwonern, das Haupt bedeckt mit einem großen Strohhute, eine große Schürze vorgebunden und einen Rechen in der Hand. Ir Erscheinen kündet das sichere Umschlagen des Wetters, das Eintreten von Regen an[2].

[25] Ein Bauer, der oft in dem den Schloßberg bedeckenden Walde zu tun hatte, fand einst, als er frühstücken wollte, einen bequemen Siz, der im vorkam wie eine aus Stein geformte Kiste. Er freute sich des bequemen Sizes und erzälte es den Abend. Als im gesagt wurde, daß in diser Kiste sicher die Schäze des Schloßes enthalten gewesen seien, eilte er auf den Berg, fand aber an der im wolbekannten Stelle die Kiste nicht mer.

Die Hirtenknaben des religiösen Vorstehers der Widertäufer weideten einst das Vih in den Trümmern der alten Burg. Da hörten sie plözlich eine Ur schlagen. Sie sahen auf und erblickten an der Mauer eine große Ur, die inen zu irem größten Erstaunen jedesmal die Stunde schlug. Als die Ur siben schlug, triben sie ir Vih abwärts und erzälten den Vorfall. Den nächsten Morgen stig der Vorsteher mit den Hirten hinauf, fand jedoch an der Stelle nur einen aus der Mauer hervorragenden Birkenstamm.

Einige hielten diß für eine Schazangabe und durchwülten an der Stelle die Mauer, doch one Erfolg.


13 Irrfürendes Liecht

Am Fuße des Odilienberges ligt in der Ebene ein Stück Wald. Dort zeigt sich oft ein helles Liecht. Ein Förster, der noch jezt lebt, glaubte einen Holzfrevler erwischen zu können und schlich dem Liechte nach. Dasselbe gieng immer vor im her und lockte in in das Gebirge hinein. Als er es endlich erreicht zu haben glaubte, fur es mit lautem Zischen und Geprassel hoch in die Lüfte und erlosch. Der Förster fand sich im Dunkeln allein an einem wilden verrufenen Ort, weit ab von seinem Hause, mühselig wurde im der Rückweg. Einige Tage später fand man einen Bäcker aus der Gegend weit ab vom Wege tot im Walde. Das Volk glaubte, daß auch er dem Liechte gefolgt und nicht so gut als der Förster davongekommen sei.


14 Der Tännchel

Der Tännchel ist ein hoher Berg bei Rappoltsweiler im Ober-Elsaß, der in unheimlichem Rufe stet. Ueber seinen langgestreckten Rücken zieht sich eine sogenannte Heidenmauer hin, die jedoch wol nur eine Grenzmauer ist, wie man sie jezt noch auf den Kämmen der Hochvogesen, die beweidet werden, findet. Darauf zeigt auch der Glaube des Volkes hin, das da meint, sie sei errichtet als Grenze, nur biß an sie wäre Macht und Recht der Heiden gegangen. Auf dem Berge ligt ein Felsen, der im Gleichgewicht rut und in Bewegung gesezt schwankt, einer der in den Vogesen öfters vorkommenden „Lottelfelsen“. In nennen die Umwoner „Klitschfelsen“ und glauben, daß die Heiden ire Opfer unter disen Felsen gelegt und zu Tode gedrückt hätten. Unterhalb des [26] Berges riselt aus einer Felsenmasse eine kleine kalte Quelle hervor, die das „Geisterbrünnel“ genannt wird. Sie gilt als Aufenthaltsort und Schlupfwinkel der Gespenster des Berges.


15 Der wilde Jäger

Oft hört man über das Hochfeld, die höchste Erhebung der Nordvogesen, den wilden Jäger mit lautem Jagdruf dahinstürmen. In selbst siht man nicht, wol aber oft seine Hunde, die er mit dem lauten Ruf: Ho tata! Ho tata! anfeuert.

Eine Frau, die mit irem Mann gegen Abend zum Hochfeld anstig, erblickte plözlich zwei große Hunde, die sie stumm umkreisten. Der Mann gebot ir durch Zeichen Stillschweigen, und beide schritten eilend und schweigend weiter. Plözlich hörten sie über sich den Jagdruf und Rossegewiher. Erst als die beiden halbtot das nächste Forsthaus, die „Melkerei“, erreichten, verschwanden die Hunde und verstummten die Rufe.

Einem Holzhauer, der mit noch mereren Genossen in einer Holzhütte am Hochfelde lag, ergieng es schlimmer. Als er den Lärm der Jagd hörte, trat er in die Türe der Hütte und rief den Jagdruf laut mit. Ein furchtbarer Windstoß faßte in und warf in in die Hütte zurück, wo er betäubt ligen blib. Seine Genossen schlossen rasch die Türe. Lange tobte der Sturm um die Hütte und jeden Augenblick glaubten die Holzhauer, daß diselbe zusammenbrechen würde.

Auch auf dem Elsberge, am St. Odilienberge, zeigt sich der wilde Jäger. Dort glauben einige, daß es ein alter Förster Namens Henseler sei, der, als er starb, gesagt hätte, er würde den Wald noch 100 Jare hüten. Der alte Jäger hatte auf dem Berge eine kleine Hütte, der Ort heißt jezt noch „Henselers Hütt“.


16 Der Jungfrauenplaz

Südlich von Markirch auf einem Ausläufer des Breßoir ligt inmitten einer Waldlichtung ein zimlich großer Haufen zusammengeworfener Steine. Der Ort heißt der Jungfrauenplaz. Man erzält, daß hier ein junges Mädchen begraben lige, die von irem Liebhaber erschlagen wurde. Sitte ist es, daß jeder Vorübergehende einen Stein aufnimmt, auf den Steinhaufen wirft und dazu ein Vaterunser betet.

Diser eigentümliche Gebrauch des Steinwerfens ist über die ganze Erde verbreitet. In Norddeutschland heißen derartige Anhäufungen „Nobiskrüge“. Uralt und heidnisch muß der Gebrauch sein, denn eine der Bußfragen bei Burckhart von Worms lautet: Hast du Steine zu einem Haufen zusammengetragen? Zu vergleichen ist der Aufsaz von Karl Haberland: die Sitte des Steinwerfens und der Bildung von Steinhaufen, in Zeitschrift f. Völkerpsychologie XII S 239. 309.


[27] 17 Der Charlemont

Nördlich von Leberan und an der Mündung des Deutsch-Rambachtales, ragt ein spizer waldbedeckter Berg empor. Von den Umwonenden Charlemont, seltener Karlsberg genannt. Auf der Spize desselben ligt ein mächtiger Felsen mit prachtvoller weiter Aussicht. Man erzält im Lebertal, daß die Feen einst eine Brücke über das Tal hätten bauen wollen, deren einer Pfeiler der Charlemont, der andere der „wälsche Hochfelsen“ des Tännchel hätten sein sollen.

Auch an Karl den Großen knüpft die Sage an. Er soll dort oben einst ein festes Schloß gehabt haben. Andere erzälen, daß er einst vor seinen Feinden über den Berg habe fliehen müßen. Man will noch jezt in einem der zallosen Riße und Sprünge des Felsens die Fußspur seines Rosses sehen.


18 Der Ungersberg

Von dem Ungersberge, SW von Barr, erzält man, wie auch von Tännchel, daß der Berg im Inneren vollständig hol und mit Waßer angefüllt sei. Bricht das Waßer einmal aus, so muß die ganze Umgebung vergehen. Deshalb, um den Ausbruch zu hindern, haben die „Alten“ die ungeheuren Steinmassen auf dem Gipfel aufgehäuft.


19 Der Zellenberger Burgersmann

Wenig bekannt ist eine alte Sculptur, die in dem Stalle eines Privathauses an der Stadtmauer von Reichenweier eingemauert ist. Sie stellt einen Mann dar, der einen schweren Sack trägt. An dise Gestalt knüpft eine Reichenweier Lokalsage an. Die Schweden umlagerten einst lange die Stadt, one die starken Mauern und den festen, trozigen Sinn der Bürgerschaft brechen zu können. Da erbot sich inen ein „Zellenberger Burgersmann“ und versprach zu nächtlicher Stunde inen eine schwache unbewachte Stelle der Mauer zu weisen. Der Anschlag gelang. Die Schweden brachen unaufhaltsam Nachts in die schlafende Stadt ein und übergaben sie der Plünderung. Der Berg, von dem aus sie eindrangen, heißt noch jezt der Armenberg, weil Reichenweier damals arm wurde. Als die Feinde wie ein Sturmwind vorübergebraust waren und die Bürgerschaft der hart mitgenommenen Stadt wider aufatmete, gelang es den verräterischen Nachbar zu fangen. Man hielt Gericht über den Unglücklichen, verurteilte in und mauerte in lebendig an der Stelle der Stadtmauer ein, die durch seinen Verrat vom Feinde erstigen worden war. Zum ewigen Angedenken und zur Warnung wurde an der Stelle das Bildnis des Mannes, wie er mit dem schweren Geldsack auf dem Rücken davoneilt, eingehauen. – Manchen Sturm [28] noch muste Reichenweier aushalten, die festen Mauern sind jezt für immer gebrochen, aber unvergeßen lebt bei den Nachkommen die Erinnerung an den Verrat des „Zellenbergers Burgersmann“.


20 Der Bettag in der Grafschaft Nassau-Saarwerden

Alte Leute erinnern sich noch, daß ire Väter erzälten, wie vor der großen Revolution in der lothringischen Grafschaft Nassau-Saarwerden am Mittwoche biß zum Mittage die Arbeit rute. Es war Mittwochs der sogenannte Bettag, es wurde Gottesdienst gehalten und alles feierte. Der Gebrauch soll daher stammen, daß einst ein Graf von Nassau-Saarwerden ein änliches Geschick hatte, wie der Graf von Gleichen. Auch er lag im heiligen Lande in harter Gefangenschaft verstrickt. Wie diser wurde er durch die Liebe einer vornemen Türkin befreit und erhob dieselbe in der Heimat zu seiner zweiten rechtmäßigen Frau. Aus Dankbarkeit gegen Gott ließ er in seinen Landen den Mittwoch als Dank- und Bettag feiern.

KURT MÜNDEL     

  1. Vgl. Alem. IX 30 ff. 251 ff.
  2. Vgl. Gemeindezeitung f. Elsasz-Lothringen 1881 No. 53.

Anmerkungen (Wikisource)

Die Sagen finden sich auch als Einzeltexte unter:

  1. Der Glockenfelsen bei Stürzelbronn
  2. Herzogenhand
  3. Küner Sprung
  4. Die Totenköpfe
  5. Die Schazgräber auf St. Leon
  6. Feurige Männer
  7. Der Pfaff von Garburg
  8. Die Jungfrau auf dem Ursteine
  9. Bestrafter Uebermut
  10. La bonne pierre
  11. Steinsagen aus der Umgebung von Schirmeck
  12. Schazsagen von Salm
  13. Irrfürendes Liecht
  14. Der Tännchel
  15. Der wilde Jäger
  16. Der Jungfrauenplaz
  17. Der Charlemont
  18. Der Ungersberg
  19. Der Zellenberger Burgersmann
  20. Der Bettag in der Grafschaft Nassau-Saarwerden