BLKÖ:Széchenyi, Stephan
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
---|---|---|---|
korrigiert | |||
<<<Vorheriger
Széchenyi, Franz Graf |
Nächster>>>
Széchy, Emerich August | ||
Band: 41 (1880), ab Seite: 251. (Quelle) | |||
[[| bei Wikisource]] | |||
István Széchenyi in der Wikipedia | |||
István Széchenyi in Wikidata | |||
GND-Eintrag: 118758152, SeeAlso | |||
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
| |||
|
Leopold II. der von ihm hochgeschätzten Gattin des Grafen Franz zum Wochenlager einräumte, gest. zu Oberdöbling am 8. April 1860). Das obige Geburtsdatum, von welchem verschiedene Angaben, wie die des 21. September und des J. 1792 abweichen, ist das authentisch festgestellte. Der Vater des Grafen Stephan ist der berühmte Staatsmann, Mäcen der Wissenschaften und Ritter des goldenen Vließes Graf Franz, dessen Lebensskizze S. 246 mitgetheilt wurde. Die Mutter Julie geborene Gräfin Festetics de Tolna war eine der liebenswürdigsten und geistvollsten Frauen ihrer Zeit, an welcher, wie aus einem noch vorhandenen, und zwar dem einzigen Gedichte Stephan’s erhellt, das Sohnesherz mit ganzer Innigkeit und Liebe hing. Gleich seinen Brüdern Ludwig und Paul erhielt auch Stephan im Hause die sorgfältigste Erziehung, welche von den hochgebildeten Eltern geleitet und überwacht wurde. Aus seinen Jugendjahren ist nur bekannt, daß er sich nicht minder durch den Eifer auszeichnete, mit welchem er den Studien oblag, als durch die tief religiöse Gesinnung, welche sich in allen seinen Handlungen und Ansichten kund gab und eine Folge der ausgeprägten religiösen Erziehung war, in welcher nach Aussage eines seiner Biographen eher zu viel als zu wenig gethan wurde. Dem Zwecke dieses Lexikons entsprechend, kann nur im weitesten Umrisse dieses Menschenleben gezeichnet werden, das den interessantesten und gehaltvollsten Vorwurf für eine eingehende umfassende Biographie böte. Ueber seine sonstige Erziehung und jene Menschen, welche außer den Eltern dieselbe leiteten, über die Lehrer, welche den Samen der Kenntnisse in dieses empfängliche Herz legten, über alles das fehlen genauere Nachrichten, und doch wären diese um so mehr erwünscht, als mit einem Tage der wenngleich fein gebildete, so doch das Leben mehr in Behagen als Selbstarbeit genießende Officier fertig als Mann dastand, überall Hand anlegend, wo andere Berufene sich müßig verhielten, und mit Ansichten und Ueberzeugungen vor seine Landsleute hintretend, welche sich denselben, [252] als wäre es nutzlose Sache, gleichgiltig und unthätig gegenüberstellten. Stephan zählte 17 Jahre, als das denkwürdige Kriegsjahr 1809 die äußerste Anspannung aller geistigen und materiellen Kräfte des Kaiserstaates forderte. Auch die Ungarn sahen mit Verdruß und Besorgniß die mit jedem Tage sich steigernde Eroberungslust Napoleons und stellten dem Kaiser Franz eine kampflustige und völlig ausgerüstete Armee zur Verfügung. Mit welcher Begeisterung damals der ungarische Adel zu seinem Könige hielt, beweist unter Anderem schon der Umstand, daß Graf Franz alle seine Söhne, Ludwig, Paul und Stephan, in die Insurrectionsarmee eintreten ließ. Der junge Graf war nun Soldat, aber erst in den Befreiungskriegen der Jahre 1813 bis 1815 bot sich ihm Gelegenheit zu so hervorragenden Thaten, daß mit der Geschichte jener Kämpfe sein Name unvergeßlich verbunden bleibt, S. 271 in der Abtheilung „Graf Széchenyi als Soldat“ behandeln wir ausführlich die 17jährige Episode seines Soldatenlebens. Für sein ausgezeichnetes Verhalten in den Tagen des 17. und 18. October 1813 rückte Stephan, der bis dahin zweiter Rittmeister bei Merveldt-Uhlanen und Ordonnanzofficier des Feldmarschalls Fürsten Schwarzenberg war, zum ersten Rittmeister vor. Zwei Jahre später, am 1. Mai 1815, zeichnete er sich in der Schlacht bei Tolentino gegen Murat durch seine Bravour aus und wurde dafür von Seite Siciliens und Sardiniens decorirt. 1819 in seiner Eigenschaft als erster Rittmeister[WS 1] zu Hessen-Homburg-Huszaren übersetzt, diente er noch sieben Jahre in diesem Regimente, bis er 1826, im Alter von 37 Jahren, als der zweite im Range zum Major die Kriegsdienste quittirte, um die rühmliche Laufbahn des Soldaten mit der ruhmreicheren, aber auch verhängnißvolleren des Staatsmannes zu vertauschen. Der Graf hatte schon nach dem Wiener Frieden, noch als activer Rittmeister, Reisen durch Deutschland, Frankreich, England, Spanien und im Orient gemacht – dort soll er auch Lord Byron kennen gelernt haben – und sich besonders in Paris längere Zeit aufgehalten, wo er aber die Genüsse, welche diese Weltstadt in reichlicher Abwechslung bietet, in vollen Zügen schlürfte. Mit einem Male ging eine Wandlung mit ihm vor, die um so auffallender war, als man vergeblich nach den Motiven forschte, durch welche dieselbe veranlaßt worden, und die Art und Weise seines Auftretens in den neuen Verhältnissen die volle Aufmerksamkeit auf den Edelmann lenkte, der, nachdem er bis dahin das arbeitslose genußreiche Leben eines Sardanapal geführt, wie im Handumkehren werkthätig inmitten einer Reihe von Arbeiten dastand, deren jede einzelne die ganze Kraft des Mannes erforderte. Der Graf hatte nämlich im Herbst 1825 aus Paris in die Heimat zurückgekehrt, seine Quittirung aus den kaiserlichen Kriegsdiensten, in denen er, wie erwähnt, 17 Jahre mit Ruhm gestanden, nachgesucht. Dieser Umstand gab und gibt seinen Biographen noch heute zu denken. Man erzählt, Széchenyi sei im Salon eines französischen Staatsmannes, bei dem er zum Diner gebeten war, nach Beendigung desselben unfreiwilliger Zuhörer der Unterredung zweier Diplomaten gewesen, deren Einer den Anderen fragte, wer der stattliche Huszar in der prächtigen Uniform sei? Die Antwort, welche der Gefragte gab: dieser Huszar sei ein ungarischer [253] reichbegabter Edelmann, von dem man nur bedauern müsse, daß er seine Geistesgaben und die Renten eines ansehnlichen Vermögens nutz- und planlos vergeude, statt seinem Vaterlande zu dienen, habe auf den Grafen einen so tiefen Eindruck gemacht, daß sie über seine Zukunft entschied. Gewiß ist dieses Gespräch weder unwahrscheinlich, noch die Wirkung desselben bei einem Manne von Széchenyi’s Geistesgaben undenkbar. Aber von anderer Seite wird die Geschichte anders erzählt; und eben die wenn gleich grelle Localfarbe macht uns geneigt, die Ursache zur Umkehr des Grafen in dem Ereignisse zu suchen, welches wir mit wenig Worten skizziren wollen. Als der Graf noch Soldat war und es mit der Verwendung seiner bedeutenden Rente nicht sehr genau nahm, ja auch Geld auf Zinsen sich auslieh, besuchte er eines Tages einen Gutsnachbar, den Fürsten..., der ebenso bekannt war durch seine fabelhaften Reichthümer, wie nicht minder fabelhaften Schulden, die ihm den Besitz der ersteren völlig verkümmerten. Während er sich mit dem Freunde unterhielt, trat des Letzteren Kammerdiener mit der Meldung ein, daß der Banquier N.N. eben angekommen sei und sich die Gnade erbitte, Seine Durchlaucht zu sprechen. Als der Fürst Befehl gab, den Fremden eintreten zu heißen, machte Széchenyi Miene, das Zimmer zu verlassen. Kaum aber hatte sich der Kammerdiener entfernt, so erbat sich der Fürst die Anwesenheit des Grafen in dessen eigenem Interesse, mit dem Wunsche, daß dieselbe dem Banquier unbekannt bleibe; er ersuchte ihn also, hinter den Ofenschirm zu treten und Zeuge bei der Unterredung zu sein, welche zwischen ihm und dem Banquier statthaben werde. Kaum hatte Széchenyi hinter dem Ofenschirm seine geborgene Stelle eingenommen, als der Banquier von dem Kammerdiener in das Gemach des Fürsten eingeführt wurde. Mit aller Ehrerbietung näherte sich der Geldmann dem Letzteren, tief vor ihm sich verneigend; doch sowie er sich nach Entfernung des Lakais dem Fürsten gegenüber allein sah, gab er seine demüthige Stellung auf und richtete an den Fürsten in rücksichtslosestem, ja frechem Tone die Frage: „Nun, was ist’s mit Ihnen, mein lieber Fürst, wann endlich werden Sie zahlen?“ Und nun führte er eine Sprache, wie sie nur ein insolenter Gläubiger dem hilflosen Schuldner gegenüber zu führen vermag. Jede Demüthigung mußte der Fürst sich gefallen lassen, da er, zahlungsunfähig wie er war, bei dem geringsten Widerstande, den er etwa als hoher Aristokrat dem Wucherer entgegen zu setzen gewagt hätte, des Schlimmsten gewärtig sein mußte. Der Banquier aber nutzte seine Situation aus, verlangte für neu bewilligte Frist ungeheuere Procente und nachdem er noch die Genugthuung gehabt, den hohen in Jahren vorgerückten Magnaten, der nicht minder als seine Ahnen dem Staate bereits große Dienste geleistet hatte, ja dessen Stütze in trüben Tagen gewesen, gedemüthigt und fühlen gelassen zu haben, wie Ehre, alter Adel, Verdienste, ruhmvolle Vergangenheit und die heiligsten Güter der Menschheit, wie sie auch heißen mögen, nichts gelten gegenüber der alles überbietenden Macht des Geldes, verließ er, mit verächtlichem Hohn sich verneigend, den alten Fürsten. Kaum hatte hinter dem Banquier die Thür des Salons sich geschlossen, als Széchenyi mit allen Zeichen der höchsten Entrüstung aus dem Versteck hervorsprang und seinem Zorne in Worten Luft machen, ja dem [254] Banquier nacheilen und ihn züchtigen wollte. Da hielt ihn der Fürst mit Gelassenheit zurück und sprach, ihm die Hand auf die Schulter legend: „Beruhige Dich, Stefi, ich habe es heute zum Aeußersten kommen lassen, nicht meinet-, sondern Deinetwegen. Ich bin ruinirt, nicht durch meine Schuld allein, auch meine Vorfahren haben redlich ihr Theil zum Ruine unseres Hauses beigetragen. Mir ist nicht mehr zu helfen; aus dem Schlamme, in dem ich stecke, vermag ich mich, selbst mit Anspannung aller Kräfte, nicht mehr herauszuarbeiten. Aber Du, Du bist eben daran, es meinen Ahnen und mir gleich zu thun, ein Vermögen, das Dein Vater Dir wohlgeordnet hinterlassen, zu vergeuden und mit Schulden zu belasten. Dir mußte ich eine Lehre geben, wohin es unter solchen Umständen führen kann. Wenn Du noch eine Ader vom echten Edelmann, wenn Du noch wahres Vaterlandsgefühl in Dir hast, dann wende alles daran, um nicht einer Erniedrigung zu verfallen, deren Zeuge Du eben gewesen bist. Noch ist es Zeit, den ungarischen Adel, der seine Freiheit liebt, aus der Umgarnung, zu befreien, die seinen Trotz bricht und ihn in eine Abhängigkeit versetzt, welche man in jenen Kreisen, denen unsere Unabhängigkeitsliebe ein Dorn im Auge, so gern sähe, weil man uns eben ohnmächtig wünscht gegenüber den Unterdrückungen unserer alten Rechte und Freiheiten. Also, Stefi, möge dieses Erlebniß Dir eine Lehre sein, mit Deinem Vermögen hauszuhalten, im Uebrigen aber auf Mittel zu sinnen, uns als reichsten Grundbesitzern der Monarchie einen sittlichen und natürlichen Credit zu schaffen, damit wir nicht in die Klauen jener Blutsauger treiben, von denen Du eben eine ausgeprägte Species kennen gelernt hast“. Auch dieser Vorfall kann, so oder wenig anders, stattgefunden und Graf Stephan daraus die Lehre gezogen haben, welche die Richtschnur seines späteren Handelns bestimmte. Mächtig mußte jedenfalls die Veranlassung gewesen sein, die aus dem „leichtlebigen“ Officier, wie die meisten Biographen ihn zu nennen belieben, mit einem Male den Mann rastloser Arbeit und den auf die Größe seines Vaterlandes mit allen Hebeln hinarbeitenden Politiker und Patrioten gestaltete. War denn Graf Stephan wirklich nur der leichtlebige Huszaren-Officier gewesen, der nichts that als die Renten eines ansehnlichen Vermögens verzehren? Wir sind anderer Ansicht: Denn als sein Vater im December 1820 starb, beschäftigten ihn schon Gedanken, welche ganz im Einklang stehen mit seinem wenige Jahre später erfolgten Auftreten in der Oeffentlichkeit. In seinen eigenhändigen Aufzeichnungen findet sich folgende Stelle: „Seit mein durch so viele bürgerliche Tugenden glänzender Vater als „Ungar“ hoffnungslos in das Grab gestiegen, vergleiche ich unausgesetzt die Lebenszeichen anderer Nationen mit denen der Ungarn, damit ich daraus ersehe, ob zu deren Auferstehung Hoffnung sei oder nicht. Dies ist die höchste Aufgabe meines Lebens“. Wer so als Officier schreibt, ist kein leichtlebiger Huszar, sondern ein bewußter Denker, der sicheren Schrittes einem bestimmten Ziele entgegen geht, welches ihm eben durch Vorgänge gesteckt war, wie deren zwei bereits mitgetheilt wurden. Im Herbst 1825 kam Graf Stephan – er zählte damals 34 Jahre – aus Paris in sein Vaterland zurück, und am 3. November nahm er im Preßburger Landtage seinen Sitz in der Magnatenkammer ein. Mit diesem Tage tritt das Leben [255] des Grafen in einen Wendepunkt. An die Stelle des ausgezeichneten Kriegsmannes trat der Patriot, der Nationalökonom, der Mann der That. In einer Circularsitzung wurde die schon oft erhobene Klage wiederholt, daß die ungarische Sprache, allen in dieser Richtung gegebenen Versicherungen zum Trotz, sich in Wirklichkeit keines Fortschrittes erfreue. Nach verschiedenen Bemerkungen, Vorschlägen und Einwendungen kam man schließlich in der Ansicht überein, daß es zweckmäßig sei, eine gelehrte Gesellschaft zu gründen, welche die Ausbildung der ungarischen Sprache als ihre Hauptaufgabe zu betrachten habe. Aber wie sollte der Plan zur That werden? Auf diese Frage gab Niemand eine Antwort. Da trat Paul Nagy auf die Rednerbühne und erklärte, daß nur durch großmüthige Spenden der Magnaten die so sehr gewünschte und bereits so nothwendig gewordene Akademie ins Leben gerufen werden könne. Aber Geld, vor allem Geld sei vonnöthen. In diesem Augenblick erschien Stephan Széchenyi, damals noch Huszaren-Rittmeister, im Saale und als er hörte, um was es sich handle, rief er von seinem Platze, eine Pause des Redners benützend, laut und vernehmlich: „Ich bin keiner der Großen des Landes, aber ich bin Gutsbesitzer und entsteht ein Institut, das die ungarische Sprache entwickelt, das die ungarische Erziehung unserer Landsleute befördert, so opfere ich gern die Einkünfte meiner Güter von einem Jahre und bringe sie diesem Zwecke dar“. Kaum hatte Széchenyi geendet, so brach ein grenzenloser Jubel aus. Die Einkünfte des Grafen betrugen nach seinem eigenen Bekenntnisse damals jährlich 60.000 fl. C. M., und nun er den Anfang gemacht, wollte Niemand zurückbleiben, und die Gründung der ungarischen Akademie war gesichert. Das Beispiel eines Patrioten genügte, eine Angelegenheit, welche sich Jahre hindurch resultatlos hingeschleppt hatte, in einer Viertelstunde zu würdigem Abschluß zu bringen. Auf die Frage eines seiner Freunde: „Wovon wirst Du ein Jahr lang leben?“ entgegnete Széchenyi heiter: „Meine Freunde werden mich erhalten“. Daß die schöne That, mit welcher er seine neue Laufbahn betrat, ihm nicht blos die Sympathien jener Kreise, denen er durch Geburt und Stellung angehörte, sondern die der ganzen Bevölkerung des ganzen Landes gewann, ist bei dem Nationalbewußtsein des Ungarvolkes selbstverständlich. Aber er verlor darüber nicht sein sittliches Gleichgewicht und ließ sich von den Weihrauchwolken, die ihm von allen Seiten entgegenqualmten, nicht betäuben; er ging unentwegbar dem Ziele, das er ins Auge gefaßt hatte, zu und das war nichts Geringeres als die Sicherstellung und edlere Entwicklung seines Landes und Volkes. Und gleich bei seinem ersten Auftreten während seines Aufenthaltes in Preßburg begann er mit jenen Einrichtungen, auf deren Bestand er sein ganzes Leben hindurch den Erfolg seiner Pläne stützte und welche sich in dem Ausdrucke: geistige Centralisation auf gesellschaftlichem Felde zusammenfassen lassen. Die Gründung von Clubs, Casinos, Vereinen, Actiengesellschaften, Pferderennen, von wissenschaftlichen, industriellen und landwirthschaftlichen Instituten nahm ihn so ganz in Anspruch, daß er die Comitatssitzungen vernachlässigte. Aber energisch und selbstbewußt ging er an die Verwirklichung seiner Pläne, denn indem er die Dornenbahn des öffentlichen Lebens mit dem ernsten [256] Beschlusse betrat, daß, wenn Niemand sonst, er selbst den Grund zum künftigen Glanze Ungarns legen werde, griff er weder sachte noch schonend in den Lauf der Dinge ein, sondern geißelte vielmehr mit dem bittersten Hohne die Schwächen, Sünden und Vorurtheile seines Zeitalters. Und er that dies mit scharfer, schneidiger Sprache, in stürmischer Weise, veraltete Thatsachen und Doctrinen rücksichtslos zerstörend. Ein Publicist bemerkte in dieser Hinsicht treffend über ihn: „Széchenyi war Ungarns Palladio, Palladio zerstörte, weil er bauen wollte“. Seine politischen Gegner, darunter später seine Feinde, haben, um den Ruhm des großen Reformators zu schmälern, es verneint, daß er zur Zeit seines Auftretens die Nation aus dem Schlafe, in den sie seit Jahrzehnten eingelullt war, geweckt und auf die Bahn des Fortschrittes geführt habe; er habe vielmehr die bereits erwachende Nation vorgefunden und sei von ihr, der schon fortschreitenden, nur mitergriffen worden. Zu solchen Subtilitäten verstieg sich der politische Neid, um an dem Kranze des großen Reformators Blatt um Blatt zu zerpflücken. Zum Glücke liegen die Landtagsberichte und die Organe der Oeffentlichkeit, die spärlichen inhaltlosen Journale aller dem Auftreten Széchenyi’s vorangegangenen Jahre und viele hundert und hundert Beweise der völligen Stagnation im politischen Leben Ungarns vor, um keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, daß Széchenyi ein neues Leben durch seine Handlungen und Schriften hervorgerufen hat. Bald nach Begründung der Akademie der Wissenschaften kam es zu neuen Anregungen, wurde zu neuen Initiativen gegriffen, und eine ganze Reihe von ökonomischen, industriellen und commerziellen Unternehmungen gerieth in Fluß, und der Begründer, der Förderer, die eigentliche Seele aller Schöpfungen war Széchenyi. Immer neue Pläne schuf sein Geist und alle zielten dahin, der Hauptstadt des Landes eine neue Aera des Reichthumes und Glanzes zu eröffnen. Wie er dann überall, wo es die Verwirklichung seiner Ideen galt, in Person sich sehen ließ, alles überschauend, alles leitend, hier eine Bemerkung machend, dort seine Ansicht darlegend und, wenn sie nicht gleich begriffen wurde, sie immer klarer und präciser auseinandersetzend, dies schildert ein Zeitgenosse mit folgenden Worten: „Auffallend war die Erscheinung des edlen Grafen, weil sie sich weder im ungarischen Costume – er erschien überhaupt bei keiner Gelegenheit in der reichen Magnatentracht, sondern, wenn er sich in ungarischem Gewande zeigte, nur in einem mit Schnüren versehenen, übrigens ganz einfachen schwarzen Attila, wie er auch abgebildet ist – noch „Wienerisch“ bot, vielmehr in ganz eigenem, imponirendem, patentfeinem Habitus, von dem Kenner sagten: „das ist echt englisch“, eine Erklärung, welche damals allgemeinen Respect einflößte und für hocharistokratischen Timbre galt. Der Graf hatte nämlich meist einen sehr feinen Quäkerhut auf, den kurzen Cylinder mit etwas breiter Krempe, trug einen gemächlich weiten, schlafrockartigen Frack und darüber einen blos über den Bauch reichenden, engen und kurzen lichten Paletot mit großen Hornknöpfen, daß also die Frackschöße sehr abnorm sichtbar waren, und bei schönstem Wetter einen dicken Rohrstock, der einen dünnen Regenschirm enthielt, und welchen Rohrstock er selten in der Hand, meist unter dem Arme hatte. Oft zeigte er sich in diesem [257] very gentlemenlike Costume zu Pferde, und zwar auf einem Ponny, der nur so hoch war, daß des Reiters Füße fast den Boden berührten, was ein Bild gab ähnlich dem eines englischen Landlords oder eines Squatters der Hinterwäldler [siehe unter den Porträts S. 277, Nr. 11 und S. 278, Nr. 15]. So auffallend, fast barok diese Erscheinung war, lachte doch Niemand über den Aufzug; denn erstens hielt man dies für sublimste Feinheit einer uns noch unbekannten Mode, und dann hatte man sogar vor dem alten guten Palatinus von Ungarn kaum einen größeren Respect, als vor dem edlen Grafen, der mit Jedermann auf der Gasse sprach, mit all’ den Bürgern wie mit Seinesgleichen umging, in alle Läden lachend und laut redend eintrat und doch durch einen eigenthümlichen Aristocratism des Benehmens einen Nimbus um sich verbreitete, daß sich Alles tief verneigte. Und dann dazu dieser Blick, dieses fürstliche Antlitz! Széchenyi hatte einen großen Kopf, schwarze, meist kurzgeschnittene Haare, eine kleine gebogene Adlernase, Schnurr- und das Gesicht ringsum einrahmenden kurzen Backenbart und – was der Physiognomie einen besonderen Accent verlieh – dichte buschige, weit vorstehende und über dem Nasenbein zusammengewachsene Augenbrauen, wie sie die griechischen Dichter so gern als besonderes Schönheitsattribut an Knaben und Mädchen preisen. Der Blick des Auges war glühend, scharf, blitzend, umherschweifend, ebenso die Rede, ob deutsch, ob ungarisch, sehr aphoristisch, epigrammatisch, vom Hundertsten ins Tausendste abirrend und umherspringend, witzig, auch blos witzelnd, und dabei dieselbe Manier, die auch Graf Louis Batthyányi besaß, den Kopf mit eigenthümlichem Chic zurückzuwerfen, gleich dem leichten Bäumen der Pferde. Alles an dem Manne lebte, aber nicht in heftiger Gesticulation, gleich wie bei einem lebhaften Neapolitaner, sondern aufzuckend, fast berechnet auf Originalität, aber auf englisirte. Daß auf des Grafen äußeres Wesen, und wohl auch auf sein inneres, England nicht geringen Einfluß geübt, möchte sich wohl aus seinen oftmaligen Besuchen des Insellandes, deren einzelne sogar von langer Dauer waren, erklären lassen; war doch Graf Stephan nicht weniger denn sechzehnmal in England gewesen, und dieser wiederholte Aufenthalt auf dem classischen Boden der politischen Freiheit, des Welthandels, der Weltindustrie und des praktischen Verstandes fällt zum beiweitem größeren Theile auf die zweite Periode seiner militärischen Laufbahn, auf die Zeit nach dem Wiener Congresse (1815 bis 1826), worin wir denn wieder einen Beweis dafür erblicken, daß der Graf nichts weniger als unvorbereitet ins öffentliche Leben getreten, denn nach England reist man nicht wie nach Paris, um sich zu vergnügen, sondern um zu lernen, um arbeiten zu sehen und allenfalls selbst zu arbeiten, sei es mit dem Geiste, sei es mit den Händen. Vor allem beschäftigte ihn im Beginn seiner öffentlichen Laufbahn der Plan einer directen Verbindung Pesth-Ofens mit dem schwarzen Meere auf der regulirten Donau. Aber dieser herrliche Plan, für den die an der Donau wohnenden Völker nicht reif genug schienen, scheiterte an den Klippen der sich entgegenthürmenden Verhältnisse. Indeß ganz ohne Erfolg blieb sein Eingreifen in diese Angelegenheit nicht, denn durch ihn wurden die Ingenieurarbeiten veranlaßt, durch ihn die Sprengung der unteren [258] Donauklippen mit dem prächtigen, seinen Namen führenden Wege ausgeführt. Er reiste zu diesem Zwecke eigens als k. Commissär der obersten Leitung der hydraulischen Arbeiten nach England, warb daselbst die nöthigen Kräfte, um das „eiserne Thor“ an der unteren Donau sprengen zu lassen, und schon am 11. November 1834 passirte das erste Schiff den gereinigten Canal. Aber noch immer hatte es den Anschein, als ob den Grafen seine Cavalierpassionen beherrschten und er dem vornehmen Sport vor anderen den Vorzug einräume. Doch schien es nur so, denn auch seinem Sport lag etwas Reelles zu Grunde, wie er dies mit seiner ersten, im Jahre 1828 veröffentlichten schriftstellerischen Leistung beweist, welche dem Pferde und dessen Zucht, sowie dem die Veredlung desselben bezweckenden Rennen gewidmet war [die Titel der Schriften des Grafen folgen S. 269]. Dann aber beschäftigten ihn bald die ernstesten Angelegenheiten, und zwar zunächst die Organisation der ungarischen Akademie, bei welcher Arbeit der ehemalige Huszarenofficier der Leiter, ja die Seele war. Als endlich am 17. November 1830 die erste Directionssitzung gehalten werden konnte, wurde er einstimmig zum zweiten Präsidenten der Akademie gewählt. Noch im nämlichen Jahre trat er mit seinem Buche über den Credit (Hitel) auf, welches eine Wirkung in der Nation hervorbrachte, wie bis dahin kein anderes. Darin stand er im vollen Gegensatze zu den alten ehrsamen Tablabirós, welche im Schrecken über das, was in diesem Werke stand, dasselbe verbrannten, während es die jüngere Generation wie ein Evangelium las. In diesem Buche, das auch den nachmals zum geflügelten Worte gewordenen Satz: „Ungarn ist nicht, sondern wird sein“ enthält, greift er das ungarische feudale Eigenthumssystem an, welches der wirklichen Idee des Besitzthums entgegensteht, indem das liegende Gut weder im Werthe steigt, noch im Eigenthum sich vermehrt, weder verkaufbar, noch übertragungsfähig ist. In diesem Buche verwirft er die abträglichen Schuldengesetze, welche sich in Processen nur als ein Hort der Betrüger und säumigen Zahler erweisen, dagegen den Gläubiger geradezu preisgeben. Aber nicht blos in den Massen, auch unter den Berufenen machte dieses Werk einen unbeschreiblichen Eindruck und manche der Letzteren verschlossen sich – wohl kaum aus Ueberzeugung – dem reformatorischen Zwecke desselben, so unter Széchenyi’s Hauptgegnern vor allen Joseph Graf Dessewffy [Bd. IV, S. 261], dessen Unlogik und übelangebrachte Absicht in den oft haltlosen Angriffen Anton Csengery in seinem Buche „Ungarns Redner und Staatsmänner“ treffend zergliedert und lahm legt. Dessewffy ließ nämlich 1831 als Gegenschrift sein „Hitel taglalatja“, d. i. Die Analyse des Credits, erscheinen, eine Arbeit, welche die Fachkritik als eine Verirrung des Geistes, den Dessewffy in anderen Arbeiten bekundet, bezeichnete. Széchenyi, auf Kampf vorbereitet, gab Antwort und verbreitete mit der als solche dienenden Schrift „Világ“, d. i. Licht, wirklich Licht über seine Absichten, über die leidigen Zustände Ungarns und brachte damit eine noch tiefere Wirkung hervor, als mit seinem Buche über den Credit. Während er im „Hitel“ die Uebelstände aufdeckt, die traurigen Zustände, welche alle Hoffnung auf eine Wohlfahrt und ein Gedeihen ausschließen, schildert, gibt er im „Világ“ Rathschläge, wie dem Uebel zu [259] begegnen sei, räth er die Verbreitung des Vereinsgeistes, dieses von der vormärzlichen Regierung mit ahnungsvollem Grauen verabscheuten Genius der modernen menschlichen Gesellschaft; weist hin auf die Ausbreitung des politischen Rechtskreises der ungarischen Sprache, auf jene centralisirende Richtung, welche, beginnend mit den Communicationslinien, alle bedeutenden Faden des materiellen Fortschrittes in Pesth-Ofen, als dem Herzen des Landes, vereinigen und von da systematisch ausbreiten sollte. Wenn er im „Hitel“ einriß, baute er im „Világ“ auf. Wie schon bemerkt, bedeutet „Világ“ auf deutsch Licht, ein Kritiker aber sagt: „Világ ist nicht blos Licht, es ist ein Leuchtthurm, der seine tröstenden Strahlen weit hinaus sendet in die stürmische Gewitternacht, unter deren Schrecken die sich aufthürmenden Wogen das Schiff zu verschlingen drohen, das nun dem hoffnungstrahlenden Sterne des Leuchthurmes folgend, sich den Weg in den schützenden Hafen bahnt“. Im nämlichen Jahre weckte Sz. durch seine Schrift über das ungarische Schauspiel den Gedanken an eine nationale Bühne. Ueberblicken wir nun nach dieser gedrängten Darstellung seiner ersten schriftstellerischen Thätigkeit die Ergebnisse seines weiteren Schaffens und Wirkens. Um den Adel, der doch, wie die Verhältnisse damals in Ungarn lagen, den Brennpunkt des politischen Lebens bildete, nun zunächst in sein Interesse zu ziehen, war er darauf bedacht, denselben auch im täglichen Leben in einem Centralpunkte zu vereinen, und so gründete er nach dem Muster der Londoner Clubs in Pesth das National-Casino, welches kaum entstanden, die Errichtung ähnlicher Institute in ganz Ungarn und Siebenbürgen zur Folge hatte, so in Debreczin, Kaschau, Klausenburg, Miskolcz, Raab, Szegedin, Temesvár u. a. O. Durch seine Schrift über die Pferdezucht weckte er den Gedanken, einen Verein zur Beförderung derselben zu gründen, der auch alsbald mit seinem Gefolge von Pferderennen, Prämienvertheilungen u. dgl. m. ins Leben trat. Ein anderes, nicht minder wichtiges Moment, auf das Széchenyi’, der Erste, sein Augenmerk richtete, war die Seidenzucht, welcher eine Menge industrieller und commerzieller Unternehmungen, Fabriken, Institute, Banken, Werkstätten u. s. w. folgte, durch welche nicht nur der industrielle Geist in Ungarn erwachte, sondern ein ungleich wichtigeres Resultat, die Annäherung des kleinen Bürgerthums an den Adel, welche zwei Factoren sich bis dahin ziemlich fern gestanden, erzielt wurde. Nun aber lag ihm zunächst eine den Verhältnissen der Gegenwart entsprechende Gestaltung der zwei Landeshauptstädte Pesth und Ofen am Herzen. Ersteres bot zu Széchenyi’s Zeiten den Eindruck eines unbedeutenden Ortes, unscheinbar in seinen gewöhnlichen Gebäuden, in seinem Umfang kaum eine der kleineren Vorstädte Wiens erreichend. Heute ist es eine Stadt der Paläste, die sich mit den schönsten Residenzen Deutschlands messen kann. Hatte der Gründer der Akademie im Jahre 1830 gleichsam als einen Fühler seine Schrift über das ungarische Theater vorausgeschickt, so rief er 1832 als zweites mächtiges Förderungsmittel der ungarischen Sprache das Nationaltheater ins Leben, dem sich als ergänzender Bestandtheil das Musikconservatorium anschloß. 1833 regte er die Idee einer großartigen Kettenbrücke zwischen Pesth und Ofen an. Zu diesem Zwecke reiste er wieder nach England, holte dort technische Anschauungen, legte [260] die Ergebnisse seiner Beobachtungen und Studien in einer besonderen Schrift nieder und brachte sein Project vor den Landtag. Aber nicht blos um eine kolossale Brücke handelte es sich dabei, sondern um eine verfassungsmäßige Reformfrage, nämlich die der allgemeinen Besteuerung, ein in Ungarn bis dahin noch nicht dagewesener Fall. Denn ohne Ausnahme sollte Jeder, der die Brücke passiren wollte, verpflichtet sein, den Zoll dafür zu entrichten. Dies gab im Reichstage lange und heftige Debatten, bis der Sieg errungen und somit das Princip der gleichen Tragung der öffentlichen Lasten ausgesprochen und angenommen war. Bei diesem Ausgange der Sache erklärte ein alter Gerichtstafelbeisitzer (Táblabiró) in Thränen: „Nun ist der Tod der schönen ungarischen Freiheit eingetreten, und ich will diese unglückselige Brücke nie beschreiten“. Dagegen erblickte in dem bedeutungsvollen Ergebniß ein Biograph Széchenyi’s sogar die Rettung der Nation und besonders des ungarischen Adels, welchem der Graf für ewige Zeiten den Dank und die Sympathie des ganzen Volkes erwarb, ja den er sogar vor dem Schicksale des polnischen Adels bewahrte. Inzwischen blieb er auch literarisch nicht unthätig, sondern arbeitete fleißig an seinem dritten epochemachenden Werke, welches 1833 unter dem einfachen Titel „Stadium“ im Drucke erschien, und worin er mit seinem schon oft bewiesenen politischen Scharfblicke die Aufgaben des neuen Reichstages zergliedert und die Wege weist, welche der Staat einzuschlagen habe, um das Volk in seiner Gesammtheit, ohne Unterschied der Stände, einer gedeihlichen Wohlfahrt entgegenzuführen. Während er so ununterbrochen beschäftigt war, seinen reformatorischen Ideen theils durch Flugschriften, theils durch Journalartikel im Lande Eingang zu verschaffen, geschah es denn auch, daß er manche seiner in früheren Jahren im Feuereifer des Reformirens ausgesprochenen Ansichten einigermaßen modificirte und dadurch seinen offenen und heimlichen Gegnern im Vorwurfe der Inconsequenz eine Handhabe zu erbitterten Angriffen darbot. Insbesondere als er die bereits oben anläßlich des Pesth-Ofener Kettenbrückenbaues erwähnten Ideen einer allgemeinen Besteuerung entwickelte, beschwor er einen ungeahnten Sturm über sich herauf, in welchem er auch von vielen seiner bisherigen Anhänger verlassen wurde. So fest hatte sich das Unrecht von Jahrhunderten in die Herzen der Privilegirten eingenistet, daß sie es für Hochverrat hielten, als es Einer wagte, ihnen offen ins Gesicht zu sagen, daß, was sie als ein von Gott ihnen eingeräumtes Vorrecht ansähen, nichts weiter sei als Betrug, Diebstahl am Eigenthum, an den Rechten des ihnen gleichstehenden Nebenmenschen. Der heftigste Gegner erwuchs dem Grafen in Kossuth, dem es ja nie um das Glück seines Volkes, sondern nur um den Kranz der höchsten Volksthümlichkeit zu thun war, mochte derselbe auch statt aus Edelweiß aus trüben Blüten geflochten sein. In seinem Blatte „Pesti Hirlap“ griff der Agitator Széchenyi’s kühne Politik mit allen Waffen seiner glänzenden Dialektik an und hatte die Genugthuung, alle Gedankenlosen mit seinen alles ernsten Inhaltes entbehrenden Phrasen zu blenden. Aber dies erwog damals die Menge, die lange noch nicht auf der Stufe stand, um selbst zu urtheilen und die Worte zu wägen, nicht im mindesten. Sie folgte dem Agitator und mißtraute dem Aristokraten. [261] Die Opposition mehrte sich mit jedem Jahre, und Széchenyi wurde es gewahr, daß sich innerhalb eines Decenniums – 1831 bis 1841 – die Dinge völlig zu seinen Ungunsten geändert hatten. Kossuth wurde nicht müde, die sogenannten Widersprüche in des Grafen Schriften nachzuweisen, freilich sich aller Künste und Listen bedienend, welche unehrenhaft sind, indem er ganze Sätze aus ihrem Zusammenhange riß, auch wenn es ihm paßte, dieselben entstellte. Und so schlug er den Grafen scheinbar mit dessen eigenen Waffen, in seinem Leibblatte schreibend: „Ehemals war Széchenyi Demokrat, jetzt müsse man ihn für einen Aristokraten halten. Ehemals war er die Geißel der reformfeindlichen Partei, jetzt scheint er selbst den Conservativen anzugehören“. Wie er mit solchen Lügenworten den Mob köderte und gegen den Grafen aufstachelte, das bedarf Jenen gegenüber, die den Mob, welcher nun einmal seine Hetze haben muß und zur Fahne Desjenigen schwört, der ihm diese Hetze bereitet, genau kennen, keiner weiteren Erörterung. Széchenyi verhielt sich natürlich gegen Kossuth’s wenig wählerisches Vorgehen nichts weniger denn unthätig, sondern veröffentlichte damals, 1841, seine Schrift: „Das Volk des Ostens“ (A kelet népe), worin er gegen seinen Widersacher in entschiedenster Weise zu Felde zog. Aber das war eine ganz andere Fechtart, und Kossuth, welcher die Massen hinter sich hatte, stand im Zenith der Volksthümlichkeit, während der Graf seinen Anhang täglich sich schmälern sah. Kossuth verschmähte kein Mittel, das ihn die Massen gewinnen machte. Dabei kamen ihm ein zündendes Rednertalent und eine brillante Feder zu statten. Graf Széchenyi dagegen sprach nicht glänzend, aber warm und wahr; er schrieb keinen brillanten Styl, sondern trocken, nüchtern, doch jeder Satz war eine Wahrheit, eine wohlerwogene Thatsache; Kossuth holte die Phrasen seiner Rednergabe aus einer zügellosen Phantasie, an deren Schemen er einige Zeit vielleicht selbst glaubte; Széchenyi, nüchtern, klar denkend, ein kalter Rechner, aber ein Patriot vom Wirbel bis zur Zehe, sprach nur das, woran er selbst glaubte, sprach auch überzeugend, jeden Redeprunk vermeidend, aber mit so abgemessener, wenn noch so klarer Sprechweise ködert man keine Massen, und die wenigen Jünger, die einem solchen Meister folgen, mögen wohl für ihn in den Tod gehen, sind aber nicht im Stande, ihn von dem Wege abzubringen, der zum Calvarienberge der Verfolgung führt, und auf den noch alle jene Reformatoren, die nicht Betrüger sind, geschleppt wurden. Wenn Széchenyi sah, daß sein Gegner es gar zu arg trieb, dann verließ auch ihn der Gleichmuth, und einmal verstieg er sich in seinem „Kelet népe“ zu den schweren, aber prophetischen Worten: „Der Redacteur des „Pesti Hirlap“ fehlt darin, daß er mit Waffen der Phantasie kämpft und nicht mit kalten Zahlen – auf diese Weise kann man das ohnehin zum Fanatismus geneigte Volk selbst zur Erneuerung der Autodafés und zur Aufstellung der Guillotine bewegen“. Damals ermaß man die Bedeutung jener ohne Groll, ohne Emphase, aber aus der Tiefe der Ueberzeugung gesprochenen Worte nicht; acht, neun Jahre später sollte man ihre ganze Wucht an den Kolbenstößen der slavischen Regimenter empfinden, welche aus Croatien und Rußland gekommen waren, um die Honvéds zu Paaren zu [262] treiben. Aber nicht Kossuth allein, der magyarisirte Slovak, auch Männer aus Széchenyi’s eigener Kaste stellten sich ihm feindselig entgegen. In der Sitzung vom 3. October 1844 griffen zwei Magnaten, die Grafen Karl Zay und Joseph Pálffy, den edlen Reformator in unwürdigster Weise an. Ersterer sogar verächtlich auf das goldene Vließ anspielend, das Széchenyi’s würdiger Vater, Graf Franz, mit Ehren getragen, wie er es mit Ehren empfangen. Auf diese schonungslosen Angriffe erwiderte Széchenyi von seinem Platze und schmetterte die Angreifer in gemessener Weise, aber mit der ganzen Wucht seiner Rednergabe nieder. Doch kaum hatte er ausgesprochen, da, so meldet das Protokoll des Oberhauses, stürzte er ohnmächtig zusammen, und da die Theilnahme und der Schrecken allgemein war, wurde die Berathung auf längere Zeit unterbrochen; und erst als über das Befinden des Grafen beruhigende Nachrichten anlangten, beschwichtigte sich der allgemeine Schrecken und ward die Sitzung fortgesetzt. Wir haben bisher etwas weit ausgeholt, um ein möglichst klares Bild der politischen Situation zu geben, in welche ein Mann wie Széchenyi mitten hineingestellt war. Nun können wir uns im Folgenden gedrängter fassen, denn die Bedeutung eines so großen, hochsinnigen und gewaltigen Mannes, dem ähnliche in Jahrhunderten nur meteorartig, nur vereinzelt auftauchen, läßt sich nicht in Bänden, geschweige im Artikel eines Lexikons, gebührend würdigen. Prophetischen Blickes hatte Graf Stephan sein eigenes und seines Volkes Schicksal vorausgesehen, sein eigenes, als er im Schmerze über die Gefahren, in welche er im Geist sein Vaterland durch Agitatoren hineingerissen sah, ausrief, daß: „gibt die Geschichte ihm Recht, es ihm unmöglich sein würde, über den Schmerz, daß er richtig im Geiste geschaut, nicht wahnsinnig zu werden“, und an Kossuth richtete er in einer seiner Broschüren die Apostrophe: „Sie haben gleich Fernando Cortez hinter sich die Schiffe in Brand gesteckt und können sie nicht mehr retten. Sie haben wie ein aufgeregter Kartenspieler das „Va banque“ gesprochen und sind nun gezwungen, im Falle Sie nicht verlieren und abtreten wollen, Ihre Haut, ja Ihre Seele aufs Spiel zu setzen“. Und er hat beide aufs Spiel gesetzt und mit ihnen das Loos seines verblendeten Volkes, seines beklagenswerthen Vaterlandes. Durch das Gebaren der Opposition isolirte sich Széchenyi’s Stellung mit jedem Jahre mehr, aber sein Antagonismus gegen Kossuth und dessen Partei verschärfte sich auch mit jedem Jahre, und keine Gelegenheit ließ der Graf vorübergehen, wo er nicht ihr Vorgehen in rücksichtsloser, leider wenig erfolgreicher Weise geißelte. Es schien, als wäre die Nation, die in den Jahren nach 1790 allmälig die Sehkraft verloren hatte und nach Széchenyi’s Auftreten im Jahre 1825 wieder geschärften Blickes zu schauen begann, mit einem Male geblendet von dem vielen Lichte, das man über sie ergoß. Und wenn Széchenyi noch so klar und eindringlich eine verkehrte Maßregel der Opposition darstellte, diese erhielt dennoch den Sieg. So geschah es, als Kossuth die Vukovár-Fiumaner Eisenbahn befürwortete, welche Széchenyi mit schlagenden Einwänden wohl energisch, aber vergeblich bekämpfte. Der Graf machte geltend, daß diese Bahn gar nicht den universellen Interessen entspreche, da sie nicht ein einziges ungarisches Dorf berühre; daß [263] sie ferner nicht vom Centralpunkte des Landes, von Pesth-Ofen ausgehe, sondern nur zu dem Zwecke projectirt worden zu sein scheine, die Südslaven mit einander und mit dem Meere eng zu verbinden und die schnelle Zusammenziehung der Grenzregimenter zu ermöglichen. Und er hatte richtig vorausgesehen und behielt Recht. Die Ereignisse des Jahres 1848 haben es bewiesen. Aber trotz aller Vorstellungen und Einwendungen, so sachlich, so überzeugend sie waren, erzielte er keinen Erfolg. Kossuth und seine Partei blieben in dieser Frage Sieger. Im Jahre 1846 wurde der Graf Präsident der Communicationsabtheilung bei der Statthalterei. Nun war ihm wohl ein ansehnlicher Wirkungskreis geboten, aber dagegen fehlte es auch nicht an Beschwerlichkeiten, wie sie gerade dieses Amt begreiflicher Weise mit sich bringt. Zudem war er vor einen leeren Tisch gestellt, es galt, alles erst schaffen, denn es fehlte geradezu alles. Aber seine Energie erlahmte nicht, alle Hindernisse aus dem Wege räumend, ging er entschlossen an seine lohnende Aufgabe, denn hier konnte er dem Lande ein Wohlthäter werden, und er würde es sicher auch geworden sein, wenn nicht die Ereignisse seinen Absichten vorausgeeilt wären. Zunächst arbeitete er seinen Theißregulirungsplan aus, durch welchen nicht weniger denn hundertfünfzig Quadratmeilen, ein Areal, größer als manches deutsche Fürstenland, dem Vaterlande gewonnen wurden. Jetzt schien es wieder, als wären dem Volke mit einem Male die Schuppen von den Augen gefallen, denn als er die Theißgegenden bereiste, gewann er in überraschender Schnelligkeit die alte Popularität. Während in Pesth die Parteien ungehalten waren, oder gar ihn verdächtigten, wurde in der großen Ebene Ungarns der Edle überall mit Jubel und lauter Begeisterung empfangen. In seiner Stellung in der Communicationsabtheilung der Statthalterei war ihm auch Gelegenheit geboten, seine Ideen, und in diesen war er nicht nur unerschöpflich, sondern auch der Mann, das, was er in Antrag brachte, auszuführen, in großartigen Umrissen zu fassen, und es entstand damals sein so interessanter Plan über die Organisation des Communicationswesens in Ungarn, der auch kurz vor Ausbruch der Revolution die Presse verließ. Nach diesem Plane sollte die Eisenbahn mittels vier Hauptlinien, der Pesth-Wiener, Pesth-Fiumaner, Pesth-Arader und Pesth-Kaschauer, das Land in vier beinahe gleiche Theile schneiden und so die Basis des gesammten Landesverkehrs bilden. Kurz vorher aber hatte er noch, durch die Aufsätze Kossuth’s im „Heti lap“, d. i. Wochenblatt, veranlaßt, in seinen politischen „Programmfragmenten“ die denkwürdigen Worte gesprochen, die uns ihn immer als den politischen Seher seines Vaterlandes erscheinen lassen. „Der Organismus des Vaterlandes wird erschüttert werden, das Herz der einflußreichsten Patrioten wird qualvoll bluten bei dem Gedanken, welch schöner Zukunft das Vaterland ohne diese unbesonnene Umwälzung hätte entgegengehen können, dann werden sie gezwungen sein, zum äußersten Mittel zu greifen, und allein im eifrigen Gebete Staatsweisheit zu suchen und wieder zum Gott der Ungarn zu flehen, daß er sich unserer Unmündigkeit erbarmen und uns helfen möge.“ Geradezu zerschmetternd aber lautet eine in seiner Schrift: „Programm“ gegen Kossuth gerichtete Prophezeiung, die sich ihrem ganzen Wortlaute [264] nach erfüllt hat. Auf dem bald daraus sich versammelnden Landtage, für welchen Kossuth zum Deputirten des Pesther Comitates gewählt worden war, verließ Széchenyi seine angesehene Stelle im Oberhause, um sich zum Deputirten Wieselburgs wählen zu lassen, und nun beginnt der tragische Wendepunkt seines Lebens, wofür das Verständniß erst jener Pistolenschuß eröffnen sollte, den er nach Jahren in seinem Döblinger Asyl gegen sich abfeuerte. Auf dem Landtage suchte er eine Centrumspartei zu bilden, welche einerseits den traurigen Starrsinn der Rechten brechen, andererseits den leidenschaftlichen und ungestümen Forderungen der Linken ihr dräuendes Halt, bis hieher und nicht weiter, entgegenrufen sollte. Aber die Ereignisse, die sich kopfüber stürzten, vereitelten jede ruhige Discussion, die Dinge gingen, liefen nicht mehr, sie rannten und rannten unaufhaltbar dem Verderben zu. Und so sah der gewaltige, einst vergötterte und jetzt nicht mehr verstandene Mann die Märztage des Jahres 1848 herankommen. Um die gemäßigten Elemente im ungarischen Ministerium zu verstärken, übernahm er das Portefeuille der Communicationsangelegenheiten. Kossuth saß in diesem Ministerium als Finanzminister. Anfangs standen sich die Gegner friedlich gegenüber. Der Graf vertiefte sich in die Vorarbeiten zur Regulirung der für das Land nothwendig gewordenen Communicationsmittel. Der Finanzminister hielt mit Maß und Ziel an seiner Partei. Da trat im Juli das erste, den Grafen auf das tiefste erschütternde Ereigniß ein. Am 18. Juli Nachmittags sollte die Spannung der Tragkette zwischen den beiden Strompfeilern der stabilen Brücke vor sich gehen. Viele hundert Menschen hatten sich zu diesem Schauspiele auf dem zwischen beiden gelegten Brückensteg eingefunden. Der Graf selbst mit seiner Familie befand sich zum Glücke auf dem Brückenkopfe. Schon war die Kette gegen halb acht Uhr Abends beinahe völlig aufgezogen, da sprang ein Ring der Aufzugsvorrichtung, ein donnerähnliches Krachen folgte – die Kette ist zerrissen – die Pontons sind zertrümmert und der Stromspiegel – ein furchtbarer Anblick – scheint mit Menschen, die mit den Wellen ringen und mit ihren Hilferufen die Luft erfüllen, überdeckt. Die hinabtreibenden Wracks zerrissen die Schiffsbrücke im Nu, und das ganze Stück vom Ofner bis zum Pesther Schildwachposten wurde stromabwärts getrieben. Wagen und Menschen hatten sich vor dem Schreck in wilder Hast gerettet. Der Graf aber, wie bekannt die Seele des schönen großartigen Unternehmens, fuhr in höchst aufgeregter Stimmung nach Hause. Aus den Parlamentsverhandlungen sind bezüglich Széchenyi’s nur etliche Momente hervorzuheben. So erklärte er in der Debatte über die gemeinschaftlichen Schulen mit milder, ruhiger Stimme: er sei nie ein Freund des Zwanges gewesen und billige ihn auch jetzt nicht. In der Sitzung vom 21. August erklärte der damalige Kriegsminister Mészáros, er habe das Avancement der Officiere an das Verständniß der im Regiments herrschenden Sprache geknüpft. Da fiel Széchenyi ein: man möge sich keiner Täuschung hingeben, zur Hauptbedingung könne man die Kenntniß der ungarischen Sprache nicht machen, es gebe Viele, welche dieser Sprache nicht mächtig und doch bessere Patrioten seien, als so mancher Zungenheld. Am folgenden Tage kam es zur Debatte über die Stockstrafe in der Armee. Széchenyi [265] betrat die Tribüne mit den Worten, Vielen werde sein Erscheinen bei einer solchen Frage sonderbar dünken. Jedoch glaube er in dieser Frage, in welcher er gewiß competent sei, mitsprechen zu sollen. Wenn wir uns aufrecht erhalten wollen, so kann dies nur mit einem disciplinirten Heere der Fall sein. Es ist, wie sein Vorredner Szentkirályi treffend bemerkte, unmöglich, mit bloßer Begeisterung zu siegen. Selbst das freie Nordamerika erkenne, daß man gewisse, dem lieben Viehe ähnliche Menschen nur durch Prügel zu leiten vermöge. Schiffscapitain Mailland, welcher Napoleon nach Elba führte, habe ein neues System versprochen, und zwar mit Abschaffung einer jeden körperlichen Züchtigung, aber seine eigenen Matrosen hätten es mißbilligt. Wenn man die Schlechten nicht bestrafe, so würden die Guten dafür büßen müssen. Man dürfe den Heerführern nicht dieses letzte Mittel, die Disciplin aufrecht zu erhalten, aus den Händen nehmen. Anders sei es unter dem alten System gewesen, doch sei jetzt keine Willkür, kein Mißbrauch zu fürchten. Da trat Patay auf und meinte, er wundere sich über Széchenyi, der früher die Fahne des Fortschrittes getragen und jetzt die des Rückschrittes schwinge. Der Debatte folgte ein Pistolenduell, in welchem Patay den Grafen fehlte, dieser, bekanntlich ein ausgezeichneter Schütze, seine Kugel neben Patay durch die Luft pfeifen ließ. Indessen gingen die Ereignisse ihren verhängnißvollen Gang weiter, Kossuth in der Kammer loyal, spann heimlich mit der Linken Verrath. Die Nachrichten über einen möglichen Einfall Jelacic’s, der die Drauarmee zusammengezogen, riefen allgemeine Bestürmung hervor; die Ansichten über die Politik des Wiener Cabinets regten die Gemüther auf; die Stimmung der Massen wurde täglich gespannter, der Gemüthszustand derselben täglich gereizter, Batthyány und Deák hatten sich in den letzten Tagen des August nach Wien begeben, um zu einem möglichen Ausgleich der Interessen voraus Bahn zu brechen. Dann folgte am 4. September eine aus hundert Mitgliedern bestehende reichstägliche Deputation, um die Sanction der Kriegs- und Finanzvorschläge zu erbitten und Seine Majestät den Kaiser zu bewegen, seinen Sitz in Ofen auszuschlagen, indem dies noch die einzigen Mittel zur Herstellung des Zutrauens wären. In dieser Zeit herrschte in Pesth im Ministerium beinahe gänzliche Anarchie. Während die in der Hauptstadt zurückgebliebenen Mitglieder von Wien irgend ein Resultat erwarteten, das ihnen den Orientirungsfaden in die Hände geben konnte, war Kossuth entgegengesetzter Meinung und hatte schon in den letzten Tagen des August beschlossen, sich auf die Leidenschaften des Volkes zu stützen. Zwei politischen Freunden, denen Széchenyi in diesen gewitterschwangeren Tagen begegnete, erzählte dieser, daß Kossuth die Festung durch plötzlichen Sturm einnehmen oder, wie er sich ausdrücke, „für die Nation sichern“ wolle. Aus diesem Grunde bereite derselbe einen Krawall vor und halte dreitausend Stück Brüsseler Waffen versteckt, die er auf Kosten des Staates angekauft habe; der Palatin sei von dem ganzen Plan in Kenntniß gesetzt und zögere nur einen entscheidenden Schritt zu thun. Während Széchenyi dies erzählte, wuchs seine Gereiztheit mit jedem Worte. Die Pulsadern seiner Hand schwollen an und bildeten beinahe einen Knoten. „Ich lese [266] aus den Sternen“, rief er unter Thränen aus, „Blut und überall Blut. Der Bruder wird den Bruder, der Volksstamm den Volksstamm hinschlachten, unversöhnlich, rasend. Mit Blut wird man Kreuze auf die Häuser malen, welche niedergebrannt werden sollen. Pesth geht der Vernichtung entgegen. Jagende Haufen werden Alles verwüsten, was wir gebaut. Ach! mein in Rauch aufgegangenes Leben! Am Gewölbe des Himmels zieht sich mit flammenden Buchstaben der Name Kossuth hin – flagellum Dei!“ Die beiden Freunde suchten ihn zu beschwichtigen und stellten ihm vor, er sehe die Gefahr für größer an, als sie wirklich sei, dabei aber baten sie ihn, sich sogleich zum Palatin zu begeben, um den Umständen gemäß das Nöthige zu veranstalten. Széchenyi ließ Abend 9 Uhr seinen Wagen bereit halten. Den Freunden versprach er, auf der Rückkehr vom Palatin ihnen den Erfolg seiner Unterredung mit demselben mitzutheilen. Aber er kam nicht zu ihnen zurück; wohl war et gegen Mitternacht heimgekehrt, jedoch in tiefster Aufregung und mit den Ansichten des Palatins unzufrieden. In den nächsten Tagen steigerte sich seine Aufregung. Da erklärte seine Umgebung und der zu Rath gezogene Arzt, der Graf müsse fort, seine Nervenanspannung habe eine bedenkliche Höhe erreicht; zunächst bedürfe er einer Luftveränderung. Ehe er Abschied nahm, ließ er sich – er konnte schon nicht mehr gehen – noch einmal zu seiner geliebten Kettenbrücke fahren. Dann verließ er am 5. September Pesth – und er sah es nie wieder. Mittlerweile spielte der Pöbel seine gewohnte Rolle. Gevatter Schneider und Handschuhmacher stempelten den Grafen zum Verräther, die widrigsten Gerüchte stiegen aus dem Modersumpfe des bekannten Mob an die Oberfläche. Man munkelte von Briefen, welche eine hohe weibliche Hand aufgefangen, man sagte von seinem Leibarzt, daß er einen hochverrätherischen Briefwechsel aufgespürt und denunciirt habe. Auf seiner Fahrt nach Wien bei Gran angekommen, sprang der Graf plötzlich mit dem Aufschrei „Blut! Blut!“ in die Donau. Man setzte ihm nach, man rettete ihn auch, aber gemüthskrank wurde er in die Irrenanstalt zu Döbling bei Wien gebracht. Nun waren die Leidenschaften entfesselt. Der Redacteur des „15. März“, Albert Pálffy [Bd. XXI, S. 199] zog in der Nummer 15 mit einem scandalösen Artikel gegen den unglücklichen Grafen los. Dagegen trat der bereits erblindete Baron Nicolaus Wesselényi, Széchenyi’s politischer Gegner, mit einer Entrüstung ohne Gleichen auf und brandmarkte Pálffy. Er schrieb, daß er ein alter treuer Genosse, mitunter ein Handlanger des Grafen Széchenyi gewesen, ihre politischen Bahnen hatten sich allerdings durchschnitten, aber die Freundschaft sei die alte, warme, treuherzige geblieben. Széchenyi habe Alles gesühnt. „Sein dem Vaterlande treues Herz ist gebrochen im Schmerz um dasselbe“. Wenn der „15. März“ glaube, daß der Graf nicht krank sei, so erkläre er den Redacteur für einen ehrlosen Verräther, wie Jeden, der behaupte, Széchenyi habe feig vor der Gefahr Reißaus genommen. Sei dies nicht der Fall, so habe die cynische Natur des „15. März“ eine rohe, schonungslose, gemeine Bêtise begangen und jeder ehrliche Ungar müsse, Széchenyi’s bei dieser Schmähschrift gedenkend, ausrufen: „Armer Löwe, wie weit ist es mit Dir gekommen!“ Am 22. September schilderte, der Leibarzt [267] des Grafen, Paul Balogh, in der „Pesther Zeitung“ das Werden und Steigen der Gemüthskrankheit etwa mit den Worten: „Széchenyi, der mit dem Oelzweige des Friedens die Dämonen Ungarns bannen wollte, sah die Stunde ihres Sieges herannahen. Sein Vertrauen auf den Gott der Magyaren ging langsam sterben. Auch hielt er sich für die Quelle des Unheils, das über das Land seiner Anbetung, über Ungarn gekommen, weil er die Nation aus ihrem hundertjährigen Traume aufrüttelte. Am 4. September erklärte ich dem Grafen, die erste unerläßliche Bedingung seiner Genesung sei Entfernung von dem Schauplatze seines Kummers. Er wollte nichts davon hören, da befahl ich, wie es die Pflicht des rechtschaffenen Arztes gebot. Am 5. fuhr der Wagen vor, und der Graf stieg ein, ohne die Fahrroute anzugeben. Doch kaum hatten wir Ofen im Rücken, als er aus dem Wagen sprang und keinen Fuß weiter ziehen, sondern auf seinem Ministerposten als ehrlicher parlamentarischer Soldat mit Ungarn sterben wolle. Mit unendlicher Mühe brachte man ihn wieder in den Wagen. Der finstere Geist der Melancholie wuchs mit jeder neuen zurückgelegten Meile. In dem Spiegel seiner kranken Phantasie sah er den Krieg mit blutiger Mütze durch sein Vaterland rennen, dessen Rosen und Aehren mit eisernem Fuße zertretend; sah er Ungarns achtes und erstes Wunderwerk, die Kettenbrücke in die Wellen versinken, sah er sich selbst als anderen Marius auf den Trümmern von Karthago-Pesth sitzen. Zuweilen verfolgte ihn, jedoch machtlos, der Dämon des Selbstmordes, dieses letzten Asyles schlechter Spieler nach Napoleons Aeußerung. Und so oft der Zorn des Wahnes, wie Esquirol die Wuth nennt, den unglücklichen Grafen erfaßte, rannen bittere Thränen der Verzweiflung über die Furchen seines entstellten Antlitzes.“ So war der Graf endlich in die Privat-Irrenanstalt des Dr. Görgen gebracht worden. Ueber die nächstfolgenden sechs Jahre seines Lebens liegt ein dichter Schleier ausgebreitet, durch welchen selbst der tiefe Blick der Aerzte nicht zu dringen vermochte. Durch mehr als sechs Jahre war Széchenyi völlig von der Welt abgeschlossen, und selbst mit seinen nächsten Angehörigen kam er nur selten in Berührung. Dann schien das Dunkel, das seinen Geist umlagerte, sich allmälig zu zertheilen, er wurde seiner Familie und den intimen Freunden derselben zugänglich; er war aber furchtbar gealtert. Aus dem dichten beinahe weißen Barte traten die Wangen bleich und tiefdurchfurcht hervor, nur den unter den buschigen Brauen hervorleuchtenden Augen entstrahlte in einzelnen Momenten ein Feuer, welches an jene Zeit erinnerte, wo Graf Széchenyi, seiner Gewohnheit gemäß auf- und abgehend, vor seinen lauschenden Zuhörern oft plötzlich stehen blieb, um irgend einen seiner Gedankenblitze unter sie zu schleudern. Seit dem Eintritte in die Irrenanstalt war er nicht mehr über die Schwelle seiner Wohnung daselbst gekommen; jeden Morgen, nachdem er sich die Fenster hatte öffnen lassen, machte er durch seine Zimmerreihe einen Spaziergang und um die Zahl seiner Märsche, die durch gezählte Schritte eine halbe Meile ausmachen sollten, nicht zu verfehlen, warf er jedesmal einen Kreuzer in die Urne, welche am Endpunkte seiner Promenade aufgestellt war. Er kleidete sich einfach, aber elegant. An kleinen Spielereien fand er unendliches Vergnügen. Obwohl [268] es von jedem Ungarn, der nach Wien kam, als heilige Pflicht betrachtet wurde, den größten Patrioten seines Landes in der Einsamkeit aufzusuchen, stand Széchenyi doch nur mit Wenigen in innigem Verkehre. Er las unendlich viel; blies dann die Flöte, die er ziemlich gut spielte, machte eine Partie Schach und warf manchmal seine Gedanken aufs Papier. Da ereignete sich am 8. April 1860 das Schreckliche, es war Ostersonntag; um 10 Uhr Vormittags nahm er sich in seinem Schlafzimmer mittelst eines Pistolenschusses das Leben. Es wurde alles Mögliche über die Ursache dieser That gesprochen und geschrieben, aber die wahren Motive sind nie enthüllt worden und werden es kaum je. Wir haben nur noch einen kurzen Blick auf seine Familienverhältnisse zu werfen. Der Graf vermälte sich am 4. Februar 1836 mit Crescenz geborenen Gräfin Seilern und Aspang (geb. 13. Mai 1799). Die Gräfin war Witwe und in erster Ehe mit Karl Grafen Zichy-Ferraris verheiratet gewesen, den sie am 15. December durch den Tod verlor. Graf Johann Majláth’s „Iris“ bringt uns in einem ihrer Jahrgänge das anmuthige Bildniß dieser Dame nach einer Zeichnung von Barabás, gestochen von Karl Mahlknecht. Nach seiner Vermälung lebte der Graf ganz seinem ehelichen Glücke, das durch die Geburt zweier Söhne nur noch gesteigert wurde. Nach den Strapazen seines öffentlichen Lebens fand er Ruhe in seiner Häuslichkeit, in welcher ihm die Erziehung seiner beiden Söhne Béla [S. 224} und Edmund [S. 237] die freudigste Beschäftigung gewährte. In den Quellen folgen die ausführlicheren Angaben über die schriftstellerische Thätigkeit des Grafen [S. 269], über die militärische Episode seines Lebens [S. 271], seinen Aufenthalt in der Privat-Irrenanstalt zu Döbling [S. 272], über die ihm zum bleibenden Andenken errichteten Denkmäler, als: Standbilder, Büsten, Obeliske, Denksteine, Stiftungen, Stipendien und Preise [S. 274]. über seine Bildnisse in Kupferstich, Lithographie, Holzschnitt, über die auf ihn geprägte Denkmünze [S. 277]. über die ihm sowohl noch zu seinen Lebezeiten als nach seinem Tode dargebrachten poetischen Huldigungen und über die Trauerfeierlichkeiten, die aus Anlaß seines Hinganges statthatten [S. 279]. Daran schließt sich eine Uebersicht der über das Leben und den Tod des Grafen erschienenen Quellenschriften, sowohl der selbstständigen, als der in den Journalen und anderen Werken zerstreuten, der deutschen, wie der magyarischen; den Schluß bilden dann noch einige einzelne Nachrichten über die Memoiren des Grafen, seine hinterlassenen Briefe und Schriften, Urtheile über ihn als Poeten, über den in seinem Auftrage angefertigten Becher, seine Feder, mit welcher er seine letzten Anordnungen niedergeschrieben, einen wenige Tage vor seinem Ableben geschriebenen Brief, die Aussprüche und Charakteristiken Metternichs und Paul Gyulai’s über ihn und dergleichen mehr. Diese Skizze, welche in großen Umrissen ein möglichst ähnliches Bild dieses großen Patrioten zu geben versucht, sei mit den Worten eines geistvollen Schriftstellers geschlossen: Széchenyi war ein glühender Patriot, doch loyal jeder Zoll, Sportsmann mit politischer Arrière-Pensée, gründlich gebildeter Staatsmann, speculativer Kopf, von rascher Auffassung, gußeiserner Ausdauer, Ungarns größter Wohlthäter. Er, der Einzige [269] hatte den Verrath Kossuth’s durchschaut und keinen Augenblick gezögert, es ihm ins Gesicht zu sagen. Er war ein erleuchteter Seher, traurig genug, daß seine Gesichte nur Ungarns Elend erschauten. Seine Rolle war: König Lear an der Donau, Ungarn war seine Cordelia, und dieses vergalt ihm wie Goneril und Regan dem Könige Lear.“
Széchenyi, Stephan (Staatsmann, von seinem Volke als „der große Ungar“ bezeichnet, geb. am 23. September 1791 zu Wien, in dem im Augarten befindlichen Palais, welches- I. Uebersicht der Druckschriften des Grafen Széchenyi. Man hat die Zahl der im Buchhandel erschienenen Schriften Széchenyi’s auf achtzehn festgesetzt. Meine Bemühungen, die bibliographisch genauen Titel derselben zu erlangen, blieben erfolglos. Man versprach mir wohl, meine Anfragen zu beantworten, aber ich warte noch heute darauf. Eine vollständige ungarische Bibliographie fehlt bis zur Stunde. Wenn ich also im Folgenden nicht erschöpfend sein sollte, so ergibt sich dies aus den angeführten Gründen. Ein wichtiges Werk aber wird in der Uebersicht nicht vermißt werden; auch bemühte ich mich, die Uebersetzungen der Titel zu verzeichnen, und da waren meine Erfolge glücklicher, indem ich dem Schlusse dieser Uebersicht ein paar Schriften beifügen konnte, deren Uebertragungen mir bekannt wurden, während sich die Titel der ungarischen Originale meiner Kenntniß entzogen. Die vollständigste, jedoch nicht ganz bibliographisch genaue Uebersicht über Széchenyi’s im Buchhandel erschienene und in anderen Werken zerstreut gedruckte Schriften und Abhandlungen findet sich wohl in Franz Toldy’s „A Magyar nemzeti irodalom története a legrégibb időktől a jelenkorig rövid előadásban“, d. i. Geschichte der ungarischen National-Literatur von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart in kurzem Grundriß (Pesth 1864–1865, Gust. Emich, gr. 8°.) S. 312. Die Titel von Széchenyi’s Schriften sind: „A lovakról“, d. i. Von den Pferden (Pesth 1828, Trattner und Károlyi, 8°., VIII, 4 und 246 S.). Deutsch: „Ueber Pferde, Pferdezucht und Pferderennen. Aus dem Ungarischen übersetzt von J. Vojdisek“ (Pesth 1830, Gust. Heckenast, gr. 8°., VIII u. 180 S. [eigentlich Verlag Otto Wigand’s, des Schwagers von Gustav Heckenast, da dieser erst 1835 das Verlagsgeschäft Wigand’s übernahm]). – „Hitel“, d. i. Der Credit (Pesth 1830; 4. Aufl. 1831). Auch deutsch: „Ueber den Credit. Aus dem Ungarischen übersetzt von Joseph Vojdisek“ (Leipzig 1830 [Pesth, Gust. Heckenast], gr. 8°., 296 S.). – Zweite berichtigte und vermehrte Ausgabe. Nebst Anhang von einem ungarischen Patrioten“ (Pesth 1830, Gust. Heckenast, gr. 8°., XVIII und 344 S.). – „Világ vagy is felvilágosító töredékek némi hiba előítélet eligazítására“, d. i. Licht oder aufklärende Momente zur Berichtigung mancher Irrthümer und Vorurtheile (Pesth 1830; neue Aufl. 1832, gr. 8°. 387 S.). In deutscher Uebersetzung unter dem Titel: „Licht oder aufhellende Bruchstücke und Berichtigungen einiger Irrthümer und Vorurtheile. Aus dem Ungarischen übersetzt von Michael Paziazi (Pesth 1832, Heckenast, gr. 8°., 414 S.). – „A magyar játékszínről“, d. i. Vom ungarischen Schauspiel (Pesth 1832). [Széchenyi brachte darin die Errichtung eines Nationaltheaters und des Conservatoriums in Anregung.] – „Jelentés a Budapesti hidegyesülethez“, d. i. Bericht an den Pesth-Ofner Brückenbau-Verein (Preßburg 1833); gemeinschaftlich mit Georg Grafen Andrássy. Auch davon erschien eine deutsche von Paziazi besorgte Uebersetzung, deren Titel ich aber nirgends verzeichnet fand, wie denn auch in dieser Hinsicht die deutschen Bücherlexika sehr lückenhaft sind. – „Stadium“, I. rész. (Leipzig 1833). Eines der wichtigsten Werke des Grafen, zu „Hitel“ und „Világ“ gleichsam das dritte Blatt des geistigen Kleeblattes seines verdienstlichen Schaffens als volkswirthschaftlicher Schriftsteller bildend. Der seinem Volke weit vorausschreitende Staatsmann zeigt darin, wie seine Forderungen und deren Consequenzen: Gleichheit vor dem Gesetze, gleichmäßige Besteuerung, Aufhebung aller Monopole u. s. w., nicht blos den bisher Unterdrückten, sondern auch Denen zum Vortheil gereichen müßten, welche für den Augenblick aller weiteren Ausübung von Vorrechten zu entsagen hätten. Der Eindruck, den die genannten Schriften in Ungarn hervorgebracht, läßt sich nicht schildern. „Als „Hitel“ (Der Credit) erschien“, erzählt ein ungarischer Schriftsteller, „verbrannten die Väter auf dem Dorfe das Buch, während die Söhne es mit großer Andacht lasen. [270] Mit dem Werke „Stadium“ hatte Széchenyi bereits die Majorität auf seiner Seite“. – „Néhány szó a lóverseny körül“, d. i. Einige Worte über Pferde-Wettrennen (Pesth 1838, Heckenast, 8°., IV und 240 S.). Auch in deutscher Uebersetzung unter dem Titel: „Einiges über Ungarn. Nach dem „Nehány szó a lóverveny körül“. Uebersetzt von Herm. Klein (Pesth 1839, Heckenast, gr. 8°., 240 S.). – „Üdvlelde“, d. i. Der Ort des Heils (Pesth 1843). – „A magyar akadémia körül“, d. i. Ueber die ungarische Akademie (Pesth 1841, 8°., 856 S.). Deutsch: Ueber die ungarische Akademie. 1842. Uebersetzt mit Anmerkungen von Sincerus“ (Leipzig 1843 (Winter], gr. 8°., 80 S.). – „A selyemrűl“, d. i. Von der Seidenzucht (Pesth 1840, Trattner und Károlyi, 8°., 56 S.). – Später ein Anhang dazu (Oedenburg 1840). – „A kelet népe“, d. i. Das Volk des Ostens (Pesth 1841, 8°., 287 S.). – „Pesti kikötő“, d. i. Der Hafen von Pesth (ebd. 1843). – „Adó és két garas“, d. i. Die Steuer und zwei Groschen (Ofen 1843). – „Magyarország kiváltságos lakóihoz“, d. i. An die privilegirten Stände in Ungarn (Pesth 1844, 8°.). – „Üdvlelde“, d. i. Walhalla (Pesth 1844).– „Eszmetöredékek különösen a Tiszavölgy rendezését illetőleg“, d. i. Gedankensplitter über die Organisation des Theißthales (Pest 1846, Trattner und Károlyi, 8°., 73 S.). – „Balatoni gőzhajózás“, d. i. Die Dampfschifffahrt auf dem Plattensee (Pesth 1846, Trattner und Károlyi, 8°., 43 S.). – „Politikai programmtöredekek“, d. i. Politische Programmfragmente (Pesth 1846, 8°.). Uebersetzt unter dem Titel: „Politische Programmfragmente. Aus dem Ungarischen von einem Oppositionellen“ (Leipzig 1847, W. Jurany, gr. 8°., 183 S.). – „Javaslat a magyar közlekedésügy rendezéséről“, d. i. Gutachten über die Regulirung des ungarischen Verkehrswesens (Preßburg 1848, Belnay, 8°., 136 S.). – „Hunnia“ (Pesth 1858). – Von den folgenden zwei Schriften sind mir nur die Titel der deutschen Uebersetzungen bekannt geworden. – „Ueber die Donauschifffahrt. Aus dem Ungarischen von Mich. v. Paziazi“ (Ofen 1836 [Pesth, Kilian], 212 S., gr. 8°.). – „Akademischer Vortrag. Uebersetzt von Jos. von Orosz“ (Preßburg 1843, Schaiba, gr. 8°., 80 S.). – Noch wird Graf Stephan, und mit einer Bestimmtheit, die kaum an der Richtigkeit dieser Angabe zweifeln läßt, als Verfasser der Gegenschrift bezeichnet, welche auf das über Veranlassung des Ministers Bach von Bernhard von Meyer unter dem Titel „Rückblick auf die jüngste Entwicklungsperiode Ungarns“ (Wien 1857) herausgegebene Buch erschienen ist. Diese Gegenschrift führt den Titel „Blick auf den Rückblick u. s. w.“ und wurde in London gedruckt und herausgegeben. Wir erwähnen hier der absurden Behauptung, daß der Graf aus dem Grunde sich erschossen habe, weil die Polizei, wegen dieser Schrift weitere Pläne desselben besorgend, im J. 1860 es gewagt, in sein Asyl einzudringen. Ein Graf Stephan Széchenyi erschießt sich wegen einer polizeilichen Visite!!! – „A minimumról“, d. i. Vom Minimum, in der Zeitschrift „Társalkodó“ (Der Gesellschafter), ein Artikel, welcher bei seinem Erscheinen allgemein großes Aufsehen erregte. Außerdem erschienen in derselben Zeitschrift: „Néhány szó a Dunahajózás körül“, d. i. Einige Worte von der Donauschifffahrt; – „Némely Orosz tárgyakról“, d. i. Von einigen russischen Angelegenheiten. – Aus seinem handschriftlichen Nachlasse wurden herausgegeben: „Töredékek fenmaradt kézirataiból. Közli Török János“, I. és II. kötet, d. i. Fragmente aus Széchenyi’s hinterlassenen Schriften. Mitgetheilt von Johann Török (Pesth 1860, Heckenast, gr. 8°., 246 und 43 S.); – „Politikai iskolája. Saj át müveiből összeállítva“, Első, második és harmadik kötet, d. i. Politische Schule. Aus seinen Werken zusammengestellt, I., II. und III. Band (Pesth 1863 u. f., Heckenast, gr. 8°., 386, 456 und 395 S., 8°.). – „Pesti por és sár. Toldalékul: a budapesti lánchíd s a helytártósági közlekedési osztály genesise“, d. i. Pesther Staub und Koth. Anhang: Die Genesis der Pesth-Ofner Kettenbrücke und die Communications-Section des ungarischen Statthaltereirathes (Pesth 1865, Heckenast, 8°., 264 S.); – „Magyarország sarkalatos törvényei s államjogi fejlődése 1848-ig. Gróf Széchenyi István hagyományaiból. Kiadta Török János“, d. i. Die Grundgesetze und die staatsrechtliche Entwicklung [271] Ungarns bis 1848. Aus dem Nachlasse des Grafen Stephan Széchenyi (Pesth 1865, Eggenberger, gr. 8°. VIII u. 168 S.). – „Gróf Széchenyi munkái korszerü kivonatban“, d. i. Die Werke des Grafen Stephan Széchenyi in zeitgemäßem Auszuge (Pesth 1870, Heckenast, gr. 8°.).
- II. Graf Széchenyi als Soldat. Aus der Lebensskizze bereits erfuhren wir, daß Graf Széchenyi in der kaiserlichen Armee mit Ruhm gedient. Seine Waffenthaten sind in Kürze folgende: Am Abend des 17. October 1813, als die verbündeten Armeen bei Leipzig standen, war Fürst Schwarzenberg in Ungewißheit, ob er am folgenden Tage darauf rechnen könne, bei dem Angriffe, den er mit der Hauptarmee für den 18. beschlossen hatte, durch den Feldmarschall Blücher unterstützt zu werden, indem man in jenem Zeitpunkte außer Verbindung mit dem schlesischen Heere stand. Fürst Schwarzenberg äußerte sich gegen seine Umgebung, daß es höchst wünschenswerth wäre, wenn sich Jemand fände, der dem Feldmarschall Blücher die Aufforderung zum gleichzeitigen Angriff überbringen möchte, ein gefährliches Unternehmen, weil, um den Feldherrn noch zeitig zu erreichen, es kein anderes Mittel gab, als die französischen Vorposten, vielleicht die Armee selbst zu passiren. Graf Stephan Széchenyi, damals zweiter Rittmeister bei Merveldt-Uhlanen und Ordonnanz- Officier des Feldmarschalls, ein kühner Reiter, prächtig beritten, erbot sich, diesen Ritt zu machen und unternahm ihn wirklich. Glücklich passirte er einige Male, sich auf sein gutes Pferd verlassend, französische Truppen und erreichte gegen zehn Uhr Abends den Feldmarschall Blücher. Dieser, auf der Stelle zwar bereit, der Aufforderung des Fürsten zu folgen, zweifelte doch sehr an der Mitwirkung Bernadotte’s, des Kronprinzen von Schweden, wenn derselbe nicht bestimmt dazu aufgefordert werde, und fragte Széchenyi, ob er nicht auch einen Auftrag an jenen habe. Der Graf verneinte dies, aber schnell gefaßt, erbot er sich, unverzüglich zum Kronprinzen zu eilen und indem er die Verantwortung auf sich nahm, diesem eine gleiche Aufforderung zu bringen, wie an Blücher. Der Feldmarschall ließ ihm gleich frische Pferde vorführen, und Széchenyi eilte, dem Kronprinzen die Einladung des Fürsten Schwarzenberg auf den 18. October zu bringen. Die Erfolge dieses Tages zeigten, daß Széchenyi’s Ritt nicht vergebens war; er selbst machte beim grauenden Morgen des 18. den Weg durch die französische Armee zurück und meldete noch vor dem Beginne der Schlacht dem Feldmarschall Fürsten Schwarzenberg das Resultat seiner Sendung. Der Graf avancirte zum ersten Rittmeister und erhielt den russischen Wladimirorden vierter Classe. – Seine zweite folgenreiche Waffenthat gehört dem Jahre 1815 an. Széchenyi stand mit dem 5. Huszaren-Regimente, zu jener Zeit Prinz Regent von England, in Italien, wo er unter Feldmarschall-Lieutenant Bianchi den Feldzug gegen Murat mitmachte. Am 1. Mai 1815, dem ersten Schlachttage bei Tolentino, war er mit der Oberst zweiten Escadron sammt der ganzen Cavallerie- Batterie, dann zwei Zügen der zweiten Majors ersten Escadron unter Rittmeister von Souvent und zwei Zügen der Oberst ersten Escadron unter Oberstlieutenant Graf Batthyany auf dem äußersten rechten Flügel der Armee, welchen General-Major Graf Starhemberg commandirte, aufgestellt. Dieser Flügel wurde vom Feinde zuerst bedroht. Gegen die geringe Anzahl Huszaren rückte auf der Ebene das ganze feindliche Garde-Huszaren-Regiment en masse nebst einem Infanterie-Regimente vor. Links deckten zwei staffelförmig aufgestellte Lanciers- Schwadronen den Angriff. Der feindliche Reiterkoloß wälzte sich, während unsere Geschütze Verderben in seine Reihen sandten, immer näher und näher. Die Kanonen stellten nun ihr Feuer ein – Todtenstille herrschte in den Reihen der Huszaren; in diesem Augenblicke läßt Rittmeister Graf Széchenyi zur Attake blasen. Souvent in der Fronte, Graf Batthyány in der rechten Flanke thun dasselbe. Mit Jubelgeschrei stürzen unsere Huszaren auf den Feind; der feindliche Anführer Duca di Romano sinkt von einem gewaltigen Streiche des vorausgeeilten Gemeinen Szilágyi getroffen, todt vom Pferde. Wenige Augenblicke später ist das ganze prächtige Garde-Regiment Murat’s vernichtet. Dieser glänzende Erfolg war auf unsere Truppen, welche in bedeutender Minderheit fochten, von großem moralischen Einfluß und hob sichtlich den Muth derselben. Graf Széchenyi aber erhielt aus diesem Anlasse den königlich sicilianischen St. Ferdinand-Verdienstorden [272] und später noch den sardinischen Mauricius- und Lazarusorden. 1819 wurde der Graf zu Hessen-Homburg-Huszaren übersetzt. In diesem Regimente blieb er bis 1826, in welchem Jahre er, der zweite im Range zum Major, den Kriegsdienst quittirte und auf Reisen ging, später seinem Vaterlande in einer Weise dienend, die sein Andenken unvergänglich macht.[Oesterreichischer Soldatenfreund (Wien 4°.) 1853, Nr. 84: „Erinnerung an den 18. October 1813“. – Militär-Zeitung. Herausgegeben von Hirtenfeld (Wien, gr. 4°.) 1860, Nr. 32, S. 254. – Thürheim (Andreas Graf), Die Reiter-Regimenter der k. k. österreichischen Armee (Wien 1862, F. B. Geitler, gr. 8°.) Bd. II: „Die Huszaren“, S. 124; Bd. III: „Die Uhlanen“, S. 36. – Derselbe, Gedenkblätter aus der Kriegsgeschichte der k. k. österreichisch-ungarischen Armee (Teschen 1879 u. f., Prochaska, Lex.-8°.) Bd. II, S. 175.]
- III. Des Grafen Széchenyi Aufenthalt in der Privat-Irrenanstalt des Doctor Görgen und des Grafen Selbstmord. Nicht bald hat ein Ereigniß so großes Aufsehen nicht nur unter der Wiener Bevölkerung, sondern überhaupt in der Monarchie hervorgebracht, wie der plötzliche Selbstmord des Grafen Széchenyi. Man hat dem Dr. Görgen Fahrlässigkeit in der Beaufsichtigung eines seiner Obsorge anvertrauten Irren vorgeworfen. Man hat nun einerseits behauptet, der Graf sei gar nicht irregewesen, sondern habe sich in einem Anfalle von Misanthropie über die Geschicke seines Vaterlandes nach der Katastrophe der Jahre 1848 und 1849 nach Döbling gleichsam in ein freigewähltes Exil, oder richtiger gesagt Asyl, zurückgezogen. Dieses, bestehend in einer gewissen Entfernung oder eigentlich Isolirung von den Ereignissen in seinem Vaterlande, die ihn als begeisterten Patrioten und als einen der Haupthebel der Bewegung, welche einen so unglücklichen Ausgang nahm, tief aufregen und immer wieder aufs neue erbittern mußten, war geeignet, ihn, was getragen werden mußte, leichter ertragen zu lassen. Und in der That, diese Ansicht hat viel für sich, wenngleich andere Umstände ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigen. Andererseits hat man die Behauptung aufgestellt, der Graf sei nach Döbling gebracht worden, damit man sich in einfachster Weise seiner entledige und ihm keinen Hochverrathsproceß machen müsse. Für diese Ansicht spricht aber gar kein Umstand und wird dieselbe, wie auch jene, nach welcher der Graf gar nicht irre gewesen sei, in einem Schreibendes Assistenten der Privat-Irrenanstalt an den damals aus Gesundheitsrücksichten in Baden weilenden Dr. Görgen ausdrücklich durch die Worte widerlegt: „daß der Graf häufig tobsüchtige Anfälle habe“. Was endlich seinen Selbstmord anbelangt, so hat man gar die Scene aus „Von Carlos“ zu Hilfe genommen und behauptet, der Graf sei auf Befehl der österreichischen Regierung durch das Fenster erschossen worden!!! Am 7. September 1848 wurde Széchenyi als Irrer nach Döbling abgeliefert, am 14. Jänner 1849 ordnete die Landesregierung eine Curatel über den „irrsinnigen“ Grafen an, zwölf Jahre später, am 8. April 1860 erschießt sich derselbe, also in einer Zeit, in welcher sich die Verhältnisse seines Vaterlandes im denkbar glücklichsten Umschwunge befanden, und da soll er auf Befehl der Regierung erschossen worden sein!! Es gibt nichts so Unsinniges, was politische Dummseherei nicht für möglich hielte. Der Graf war nicht irrsinnig, wie dies im gewöhnlichen Sinne des Wortes zu verstehen ist. Er war nur von tiefer Schwermuth erfaßt und hatte trotz dieser noch immer hellen Verstand genug, um Ereignisse verstehen und mitfühlen zu können. Wenige Tage vor seinem Selbstmord, am 28. März 1860 hatte er seinen Freund Samuel Freiherrn von Josika in Pesth durch den Tod verloren. Dadurch gewaltig erschüttert, konnte er nicht mehr zur Ruhe kommen, und er verschaffte sie sich in einem durch den Schmerz über den Verlust seines Freundes erhöhten Anfalle seiner Schwermuth auf gewaltsame Weise. Diese Lösung des Räthsels ist nicht unwahrscheinlich. Aber damals in der Erregung der Gemüther machte sich die öffentliche Meinung in der Presse Luft, und es entspann sich über die Zeit des Aufenthaltes des Grafen in Döbling bis zu seinem Ende, über dessen Ursachen und viele andere wichtige und unwichtige Momente theils eine Polemik in den Journalen, theils über die Darstellung der Verhältnisse eine ganze Literatur, welche wir hier mit Vermeidung alles Ueberflüssigen mittheilen, indem wir ihr, da sie einen besonderen Abschnitt im Leben des Grafen bildet, eine eigene Ueberschrift geben. Die ungarischen Artikel darüber [273] sind nur Uebersetzungen der deutschen, welche die eigentlichen Originalquellen über des Grafen Aufenthalt in der Döblinger Privat-Irrenanstalt und seinen Selbstmord bilden. Die Angriffe auf Dr. Görgen waren aber so heftige gewesen, daß sie ihm seine Stellung verleideten und er dieselbe dem Doctor Leydesdorf und dem Dr. Obersteiner pachtweise überließ, Dr. Görgen jedoch überlebte seinen Austritt nur kurze Zeit, denn er starb noch im October desselben Jahres. – Die von der Familie Sz. erstattete Todesanzeige, welche die „Presse“ 1860, Nr. 101, unter den „Wiener Nachrichten“ wörtlich mittheilt, berichtet: „daß der Tod des Grafen am 8. April im 68. Jahre seines thaten- und segensreichen, dem Wohle und Ruhme der Nation und des heißgeliebten Vaterlandes geweihten Lebens zu Döbling in Folge eines Schlaganfalls unerwartet[WS 2] erfolgt sei“. – Ueber das Leichenbegängniß, welches am 10. April in Döbling stattfand und an dem sich in Folge der Verspätung der darüber erlassenen Bestimmungen nur etwa 50–60 Personen betheiligten, meldet der „Pesther Lloyd“ 1860, Nr. 85, unter den „Tagesneuigkeiten“ Ausführliches. – Ueber die Beisetzung der Leiche in Zinkendorf, welche am 11. April vor sich ging, bringt das Abendblatt der „Presse“ 1860, Nr. 102, das Detail. – Endlich berichtet über das Requiem, welches am 26. April 1860 in der Schottenkirche zu Wien abgehalten wurde, ausführlich die „Presse“ 1860, Nr. 116. Daselbst wird auch der Zwischenfall, welcher das Erscheinen von 400 Pesther Studenten zu dieser Wiener Todtenfeier vereitelte, der Wahrheit gemäß dargestellt. – Ueber die Trauerfeierlichkeiten, welche im ganzen Lande stattfanden, folgen S. 279 unter der Rubrik „VII. Trauerfeierlichkeiten“ nähere Angaben. a) Deutsche Quellen. Guszmann (Rudolph Dr.), Graf Stephan Széchenyi im Privat- Irrenhause zu Döbling (Pesth 1860, Heckenast, 39 S., 8°.) [diese Schrift ist zugleich in ungarischer Sprache erschienen (siehe unten).] – Abendbote. Redigirt von Hermann Danner (Linzer Localblatt, 4°.) VI. Jahrg., 8. Mai 1860, Nr. 107; „Széchenyi’s Tod“. – Agramer Zeitung, 1860, Nr. 123 und 126: „Graf Stephan Széchenyi im Privat-Irrenhause zu Döbling“. – Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt, 4°.) 1860, Nr. 87, S. 792, in der Rubrik „Mosaik“: „Graf Stephan Széchenyi“. – Dieselbe, Nr. 88, S. 799: „Graf Széchenyi“ [Berichtigungen mancher Angaben über Széchenyi’s Selbstmord]. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1866, Nr. 251 und 252, I. Beilage: „Graf Stephan Széchenyi in Döbling“. – Dasselbe, Nr. 255: „Aus den letzten Lebenstagen Stephan Széchenyi’s“. – Gratzer Zeitung, 1860, Nr. 84, S. 359: „Ueber den Tod des Grafen Széchenyi“ [aus einem Schreiben aus Wien, welches die Ursachen des Selbstmordes erörtert und die Schuld, die ein Theil des Publicums dem Doctor Görgen aufbürdet, durch Darlegung der Verhältnisse, wie sie in Wahrheit standen, bestreitet]. – Pesther Lloyd 1860, Nr. 107, in der Rubrik „Notizen“: „Aus dem Leben Széchenyi’s während seines Aufenthaltes in Döbling“. – Derselbe, 1861, Nr. 78. [Bringt nähere Nachrichten über die letzten Tage des Grafen und über die muthmaßlichen Ursachen seines Todes, die man im Verdruß über eine am 3. März 1860 bei ihm vorgenommene Hausdurchsuchung, im erschütternden Schmerze über Josika’s Tod, der in Folge eines bei Széchenyi eingenommenen Diners eingetreten sein soll, und in einem rücksichtslosen Briefe des damaligen Polizeiministers Barons Thierry finden wollte. Bei einem leicht erregbaren Gemüthe, wie das Széchenyi’s, Motive genug, um seine That zu erklären.] – Presse, 1860, Nr. 100, in den „Wiener Nachrichten“ [Mittheilungen über die letzten Tage Széchenyi’s und die Ueberführung der Leiche nach Zinkendorf]. – Dieselbe, Nr. 101: „Der Selbstmord des Grafen Széchenyi“ [die Erklärung des Dr. Görgen auf die nach dem Selbstmorde des Grafen gegen ihn erhobenen Beschuldigungen]. – Dieselbe, Nr. 102: „Der Selbstmord Széchenyi’s“. – Ueber Land und Meer (Stuttgart, Hallberger, kl. Fol.) Band XXXVIII (1877), Nr. 48, S. 983: „Ein Krankenheim in Oesterreich“. Von Gustav Rasch. [Berichtet über die Privat-Irrenanstalt in Döbling und gibt interessante Einzelnheiten über Széchenyi’s Aufenthalt und Selbstmord daselbst.] – Der Zwischen-Act (Wiener Theaterblatt, kl. Fol.) III. Jahrg., 13. April 1860, Nr. 94: „Bemerkungen über das tragische Ende des Grafen Stephan Széchenyi“. – b) Ungarische Quellen. Guszmann (Rudolph), [274] Gróf Széchenyi István a Döblingi magántébolydában. Irta...., németból B. J.“, d. i. Graf Stephan Széchenyi in der Privat- Irrenanstalt zu Döbling. Geschrieben von Dr. S. Guszmann, übersetzt von B. J. (Pesth 1860, Heckenast, gr. 8°. 40 S.). – Vasárnapi ujság, 1860, Nr. 24, S. 285: „Gróf Széchenyi István Döblingben“, d. i. Graf Széchenyi in Döbling. [Daselbst auch eine Abbildung des Lehnstuhls, in welchem sitzend der Graf seinem Leben ein Ende gemacht.]
- IV. Denkmäler zu Ehren Stephan Széchenyi’s: Standbilder, Büsten, Obelisken, Denksteine, Stiftungen, Stipendien, Preise. Denkmale zu Ehren Széchenyi ’s. Wenn es ein Land gibt, das die Aufgabe hat, einem großen Manne Denkmäler zu errichten, und einen Mann, der mehr als eines verdient, so ist dieses Land Ungarn und dieser Mann Stephan Széchenyi . Wohin man in Ungarn das Auge wendet, begegnet man den großen Werken dieses schaffenden Geistes, und wenn Erinnerungszeichen von Stein oder Erz das sicherste Mittel sind, künftigen Geschlechtern den Segen zu verkünden, den einer ihrer Vorfahren ihnen schuf, dann fordern für Széchenyi solche Erinnerungszeichen: Oedenburg um der Seidenzucht willen; Debreczin, wo die ersten Unterhandlungen der Theißregulirung stattfanden, deren unterlassene Verwirklichung im Geiste ihres ersten Anregers sich durch die Szegediner Katastrophe von 1879 entsetzlich rächte; Szegedin, wo die Theiß-Dampfschifffahrt begann; die Schiffswerfte auf der Alt-Ofener Insel, von wo aus die segensreiche Donau-Dampfschifffahrt erschlossen ward; die Kettenbrücke, der Tunnel, das Nationalcasino, die Pferderennbahn u. s. w. u. s. w., mit einem Worte, jede der zahlreichen Stellen, wo der schaffende Geist und die opferwillige Vaterlandsliebe Széchenyi’s ein lebensreiches Samenkorn legte, als dereinstige Frucht des nationalen und volkswirthschaftlichen Aufschwungs, von dem man freilich heute noch weit genug ist, weil man die Mahnungen „des großen Ungarn“ vergaß. Noch als der Graf Stephan Széchenyi lebte, im August 1856, wurde zu Füred am Plattensee die Errichtung einer Bildsäule aus Erz zu seinem Andenken geplant. Dieselbe sollte, auf einem zwei Klafter hohen Piedestal ruhend, die Höhe einer Klafter erhalten. Doch schienen die politischen Verhältnisse jener Zeit nicht danach angethan, um den Plan zu verwirklichen. Denn mehr als von einem solchen ward nichts vernommen, auch nicht als nach des Grafen Tode von allen Seiten Denkmalgedanken auftauchten. – Indessen erhob sich bald nach Széchenyi’s Hinscheiden, zunächst als Spende eines Privaten, das erste Széchenyi-Monument. Urheber desselben ist der Metallgießer Ignaz Schlick in Ofen, welcher eine überlebensgroße Büste des Grafen von dem ungarischen Bildhauer Szándház modelliren ließ, dieselbe sodann selbst trefflich goß und ciselirte und ihre Aufstellung im Pesther Museumpark Ende April 1861 veranlaßte. – Darauf brachte der „Pesther Lloyd“ 1862, Nr. 80, im Feuilleton: „Zum Andenken Széchenyi’s“ in Antrag, das Andenken des „großen Ungarn“ in dreifacher Weise: a) durch ein Brunnendenkmal, b) durch eine umfassende quellenmäßige Biographie, c) durch eine unter dem Titel „Széchenyi szelleme“ herauszugebende Anthologie aus seinen Werken, zu ehren, – Im Jahre 1864 trug man sich in Klausenburg mit der Absicht, den Széchenyi-Platz daselbst mit einem öffentlichen Brunnen und einer Statue Széchenyi’s zu schmücken. Bildhauer Izsó der zur Besichtigung der Alabasterbrüche von Torda auf einer Reise dahin begriffen, die Hauptstadt Siebenbürgens berührte, erklärte sich bereit, eine sechs Fuß hohe Statue Széchenyi’s aus weißem Tiroler Marmor gegen ein Honorar von 3500 fl. zu meißeln. Sofort wurde von dem Stadtrichter Friedrich Waidler, dem städtischen Ingenieur Johann Tompa und dem früheren Stadtrichter Johann Pataki zur Verwirklichung des Planes eine Subscription eröffnet. Ob aber die Sache zu Stande gekommen, oder wie weit dieselbe gediehen, ist dem Herausgeber dieses Lexikons nicht bekannt. – Ebenso wurde zu Maria-Theresienpol, wo die öffentliche Promenade wie in anderen Städten Széchenyi’s Namen erhielt, die Aufstellung einer Statue desselben beschlossen. Ob sie bewerkstelligt worden, ist mir gleichfalls nicht bekannt. – Eine Verwirklichung der Absicht, Széchenyi’s Andenken in monumentaler Weise zu ehren, fand aber statt durch das Széchenyi-Denkmal in Pesth. Dasselbe steht auf dem Franz Josephs-Platze vor der Kettenbrücke, welche ja das älteste Denkmal ist, das er sich selbst gesetzt hat. Den Concurs erließ Emil Graf [275] Dessewffy mittels Schreibens ddo. 4. März 1865, welches in sieben Paragraphen die Bedingungen aufstellt. Es ist im „Pesther Lloyd“ vom 6. September 1865, Nr. 207, enthalten. Die Bewerbung stand jedem innerhalb der zur ungarischen Krone gehörigen Länder geborenen, sonst wo immer sich aufhaltenden, ebenso jedem zwar im Auslande geborenen, jedoch in Ungarn wohnhaften Künstler offen. Nur für den Fall, daß die Ideen der zur Bewerbung zugelassenen Künstler den Anforderungen der Kunst nicht genügen sollten, wurde die Ausschreibung eines allgemeinen Concurses vorbehalten. Bis zürn 31. März 1866, mit welchem Tage der Termin der Einlieferung ablief, langten sechszehn Modelle von elf Künstlern ein, und zwar von Baron Nicolaus Vay in Pesth vier, von Dunaiszky und Marschalkó je zwei, von Nicolaus Izsó und Szandhász in Pesth, Joseph Kugler in Rom, Johann Kugler in Güns und Faragó in Eperies, dann von drei Wiener Bildhauern, Benk, Benda und Schäfer je eines. Später gesellten sich noch Entwürfe von dem damals in Rom weilenden ungarischen Bildhauer Joseph Engel, ferner von Wolf und endlich je einer von Bildhauern in Mailand und Brüssel hinzu. Von den eingelangten Modellen genügte keines vollständig den Anforderungen, aber jene von Izsó und Baron Vay wurden mit Preisen honorirt. Schließlich nahm man das Modell des Bildhauers Engel, eines ehemaligen Talmudschülers, für die Aufstellung an. Im Jahre 1875 richtete der Präses des Széchenyi-Denkmal- Comité’s Johann Graf Waldstein an die Pesther Stadtbehörde das Gesuch um die Erlaubniß zum Baue des Sockels für das Monument. Die Pläne für den Fundament, und Sockelbau wurden durch den Architekten Anton Weber ausgeführt. Die 17 Fuß hohe Bronzestatue, im Gewichte von 120 Zollzentnern, steht auf einem 25′ Fuß erhabenen Postament, und beträgt die Höhe des ganzen Monumentes 45 Fuß, was ungefähr jener eines zweistöckigen Hauses gleichkommt. Die an den vier Ecken des Postamentes sitzenden allegorischen Figuren sind gleichfalls aus Bronze, jede 9 Fuß hoch, was einer Höhe von 12 Fuß in aufrechter Stellung entspricht. Die vier Nebenfiguren stellen vor: Neptun (Pferdezucht, Schifffahrt), Vulcan (Eisen, Industrie), Ceres (Ackerbau und Gesetzgebung) und Minerva (die Künste). Jede dieser Figuren hat ein Gewicht von 35 Zollzentnern. Die drei Treppenstufen, auf welchen das eigentliche Postament ruht, sind aus Mauthausener Granit, das letztere selbst aber aus rothem bayrischen Granit. Das Fundament wurde schon 1876 gelegt, um es vollständig sich setzen zu lassen, bis es mit dem Monumente belastet ward. Es besteht aus einer 3 Fuß hohen Betonschichte und aus einem 18 Fuß hohen mit Cement gemauerten Ziegel-Massivbau. Die, wie bereits bemerkt, von Engel modellirte Hauptstatue mit den vier Postamentfiguren wurde in der Wiener Gießerei von Röhlich und Pöninger ausgeführt, welche auch die Enthüllung des Denkmals leiteten. Die Maurerarbeiten, sowie die Legung der Granitbestandtheile übernahm der Architekt Johann Bobula (für circa 11.000 fl.). Von dem rothen bayrischen Granit für das Postament waren 1520 Kubikfuß nöthig, welche 28.000 fl. kosteten. Die Mauthausener Granitbestandtheile lieferte Seb. Hirsch für 1326 fl. Der Gesammtkostenbetrag in der Höhe von 120.000 fl. war 1875 vollständig vorhanden. Die Enthüllung des Denkmals, wurde von dem Comité auf den 23. Mai 1880 festgesetzt und die Feierlichkeit fand auch an diesem Tage in Gegenwart des Erzherzogs Joseph statt. Der Enthüllung folgte als Nachspiel ein Proceß. Graf Waldstein hatte nämlich gemeint, daß das Postament entsprechender aus rothem bayrischen, statt aus Mauthausener Marmor, wie es projectirt worden, auszuführen wäre, und auf die Gegenbemerkung, daß das Denkmal dann um so viel höher zu stehen komme, entgegnet: „Das soll uns nicht hindern, die Differenz zahle ich aus meiner Tasche“. Mittlerweile starb Graf Waldstein. Das Postament wurde aus rothem bayrischen Marmor gemacht, und die daraus sich ergebende Differenz beträgt 5000 fl., welche das Denkmalcomité von der Witwe des Grafen Waldstein fordert. Die Sache ist noch in der Schwebe. [Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 22. Mai 1880, Nr. 140: „Ankunft der beiden Söhne des Grafen Stephan Széchenyi Béla und Ödön zur Enthüllungsfeier; – 23. Mai, Nr. 141, im Leitartikel: „Das Schreiben des Freiherrn von Haymerle an Béla Grafen Széchenyi“; – 24. Mai, Nr. 142: „Die Széchenyi-Feier“; – 28. Mai 1880, [276] 146: „Ein Széchenyi-Denkmal-Proceß“ – Neue Illustrirte Zeitung (Wien, Zamarski) 30. Mai 1880, Nr. 36, Seite 583: „Die Enthüllung des Széchenyi-Monumentes in Budapest]. – In der Zwischenzeit aber ließ die Unter-Szabolcser Theiß-Regulirungsgesellschaft ein kleineres Monument zum Andenken Széchenyi’s errichten, nämlich den Széchenyi-Obelisk, welcher am Theißufer zwischen Tisza-Dob und Polgar in der Nähe der Stelle, an welcher Graf Stephan Széchenyi im Jahre 1845 die Theißregulirung begann, sich erhebt. Die aus dem Atelier des Pesther Bildhauers Gerenday hervorgegangene etwa vier Klafter hohe Denksäule steht auf einer Anhöhe von prächtiger Aussicht. Inschriften in ungarischer Sprache erklären den Zweck des Obeliskes, dessen feierliche Einweihung der Bischof Septemvir Alexander Lévay, Präses der genannten Gesellschaft, vornahm. – Aber auch noch kleinere Denkmäler, wie Büsten, Denksteine, wurden ausgeführt, am sinnigsten jedoch sind die dem Gedächtnisse des Grafen zu Ehren errichteten Stiftungen, Stipendien, Ehrenpreise u. dgl. m. Was nun zunächst Széchenyi’s Büsten betrifft – wir erwähnen hier nur die Originale, von denen freilich zahlreiche Gyps- und andere Copien ins Land gingen – so hat eine treffend ähnliche der Bildhauer Hans Gasser im Jahre 1859 vollendet. Photographien derselben erschienen von Ludwig Angerer in Wien. Durch die Verlagshandlung Werfer in Pesth kam im Jahre 1860 eine Abbildung dieser Büste ins Publicum. Die weiteste Verbreitung aber fand dieselbe durch den trefflichen Holzschnitt, den die „Illustrirte Zeitung“ (Leipzig, J. J. Weber) vom 5. Mai 1860, Nr. 879, brachte. – Im Frühling 1860 modellirte Professor Halbig aus München während seines Aufenthaltes in Pesth eine Büste Széchenyi’s. Der Künstler benützte zu seiner Arbeit die beiden im Gebäude der ungarischen Akademie der Wissenschaften befindlichen Bildnisse des Grafen, wobei noch mündliche Aufklärungen ergänzend ihn beriethen. Das Meisterwerk gibt nach Aussagen Aller, die Széchenyi kannten, die Züge desselben in sprechender Aehnlichkeit wieder. Der Gemeinderath der Stadt Pesth beschloß die Ausführung der Büste, in Carraramarmor und ihre Aufstellung auf einem Sockel aus Mauthausener Granit im Sitzungssaale der Stadtcommune. – Auch die Pesther Sparcassa entschied sich in einer Ausschußsitzung im April 1860 für die Aufstellung der Büste Széchenyi’s in ihrem Sitzungssaale. – Der Bildhauer Marschalkó vollendete im Mai 1860 eine Széchenyi-Büste in Gyps, welche allgemein als ein gelungenes plastisches Bildniß des Grafen bezeichnet wurde. Ein Comitat ließ sofort ein Exemplar in Metall gießen. Guß und Ciselirung führte Meister Vandrák aus. – Ein Denkstein, den zur Erinnerung an Széchenyi Graf Franz Nádasdy und Koloman Thaly im Jahre 1860 bei dem Bildhauer Gerenday anfertigen ließen, konnte in Folge eines Befehles des damaligen Stadtcommandanten von Pesth nicht den für ihn ausersehenen Platz auf dem höchsten Punkte des Széchenyi-Berges einnehmen. Erst im September 1861 gelang es Gustav Emich, dem Eigenthümer jener Bergkuppe, den Denkstein daselbst neben der Marmorbank aufstellen zu lassen, welche auf Anordnung eines Herrn Erkövy für die ermüdeten Besucher des Széchenyi-Berges angebracht worden war. – Auch durch Stiftungen, Stipendien, Preise wetteiferte man, das Andenken des Verewigten zu feiern. Den Reigen eröffnete das Széchenyi-Stipendium, welches der Gemeinderath der Stadt Maria Theresienpol im Jahre 1860 am Gymnasium daselbst stiftete. Es beträgt 200 fl. jährlich und soll für immerwährende Zeiten den Namen „Széchenyi- Stipendium“ führen. – Eine Spitalstiftung zu Ehren Széchenyi’s beschloß in seiner General-Versammlung vom 2. Mai 1860 der Pesther Spitalverein. Derselbe richtete an die Witwe des Grafen ein Beileidschreiben, ließ im Sitzungssaale das Bildniß des Verewigten aufhängen und ordnete zu dessen dauerndem Andenken unter den von Menschenfreunden gestifteten Betten eine Ehrenstiftung unter dem Namen „Széchenyi-Bettstiftung“ an, welche Benennung das betreffende Bett für immerwährende Zeiten führen soll. – Schließlich ist noch zweier Széchenyi-Preise zu gedenken. Den einen stiftete der Casinoverein in Fünfkirchen im Mai 1860. Der Zweck dieses Preises besteht darin, daß alljährlich am 8. April das beste der von Studirenden der Fünfkirchener Hauptschule verfaßten poetischen Werke mit vier Stück Ducaten gekrönt werden soll. – In Klausenburg [277] aber gründete man den Széchenyi-Dramenpreis. Zu diesem Behufe veranstaltete man Sammlungen, aus welchen zum Andenken Széchenyi’s ein Dramenpreis für das Theater in Klausenburg festgestellt wurde. Nachdem im Jahre 1862 die Sammlungen die Höhe von 3000 fl. erreicht hatten, übergab der Redacteur des „Kolosvári Közlöny“ diese Summe der Landes-Commission für dieses Theater und beantragte, daß die Zinsen der Stiftung nur in jedem zweiten Jahre dem Verfasser des besten der eingesendeten Dramen zuerkannt werden möge, so daß der jeweilige Preis 300 fl. betrüge. Bei der Preisvertheilung sollen nicht die relativ besten, sondern nur die absolut guten Dramen, hauptsächlich Volksstücke berücksichtigt werden, und langen keine preiswürdigen Stücke ein, so soll der Preis nicht verabfolgt, sondern zu dem nach weiteren zwei Jahren wieder zu vertheilenden Preise hinzugeschlagen werden. – Auch die Veszprimer hatten anfänglich die Absicht, dem Grafen Széchenyi ein Monument aus Erz zu errichten. Diesen Gedanken aber gaben sie später auf und beschlossen, das Andenken des Grafen durch irgend eine Stiftung zu ehren. Die bereits eingelangten Gaben wurden vorderhand in der Veszprimer Sparcasse hinterlegt. – Schließlich sei noch – zugleich als Zeichen ungarischer Generosität – bemerkt, daß auf einem Pfeiler der Pesth-Ofener Kettenbrücke eine Inschrift zum Andenken Stephan Széchenyi’s eingegraben ist, welche nicht weniger denn 8500 fl. gekostet hat.
- V. Porträte und Denkmünze: Kupferstiche, Lithographien, Holzschnitte, a) Von genannten Künstlern nach der alphabetischen Ordnung ihrer Namen. 1) Unterschrift: „Gróf Széchenyi István“. Amerling után rajz. Staub. Metsz. Schuler, d. i. Nach Amerling gez. von Staub, gest. von Schuler (Creuzbauer’s Verlag in Karlsruhe, 4°.). – 2) Unterschrift: „Gróf Széchenyi István 1860-ban“. Barabás (lith.) 1860. Gedruckt bei Reiffenstein und Rösch (in Wien), Verlag von Ferdinand Pfeifer, Fol., Kniestück. Der Graf mit umgehängtem Ungarmantel, die Linke auf den Säbel gestützt, in der Rechten die Handschuhe haltend. – 3) Unterschrift: „Graf Stephan Széchenyi“, Nach der Büste von Hans Gasser photographirt von Ludw. Angerer in Wien. In der „Illustrirten Zeitung“ (Leipzig, J. J. Weber, Fol.) Bd. XXXIV, 5. Mai 1860, Nr. 879. – 4) Brustbild in Lebensgröße. Lithographie nach der Büste Gasser’s und einem sehr ähnlichen Bildnisse, in C. Werfer’s Kunstanstalt in Pesth im Jahre 1860 verlegt. – 5) Unterschrift: „Széchenyi István“. Lithographie von R. Hoffmann (Wien, bei Paterno, Fol.). [Lebensvolle, sehr ähnliche Lithographie. Kniestück. Der Graf ist im einfachen Ungarkleide, beide Hände auf den Griff des ungarischen Säbels gestützt, dargestellt.] – 6) Stahlstich. Ohne Unterschrift. N. d. Min. von Daffinger gez. und gest. von J. Jacoby. Druck von F. Kargl, Wien, gr. 8°., auch einzelne Blätter, 4°. Ursprünglich in der „Oesterreichischen Revue“ 1861, Bd. IV, [Herrliches Blatt von Jacoby’s Meisterhand; voll Charakter und Wärme und sehr ähnlich.] – 7) Holzschnitt. Unterschrift: „Graf Stephan Széchenyi“. Kollarz (gez.). Im Wiener illustrirten Blatte „Feier-Abend“ 1862, Nr. 21. – 8) Unterschrift: seitwärts neben dem Wappen mit dem Széchenyi’schen Wahlspruche: „Deus pro nobis, quis contra nos?“ das Facsimile des Namenszuges „Széchenyi István“, Kriehuber nach Gasser (lith.). Druck von Stoufs (Wien, bei L. T. Neumann, Fol.). Brustbild. – 9) Unterschrift: „Graf Széchenyi“. Daffinger gem. Kriehuber lith. Gedruckt bei Jos. Stoufs in Wien. – 10) Graf Stephan Széchenyi. Stahlstich. Zugleich mit Grafen Joseph Teleki, [Ludovico Ariosto|Ludovico Ariosto]], Calderon, Radowitz und Freiherrn von Manteuffel auf einem Blatte (Verlag von C. A. Hartleben in Pesth, Stahlstich von Karl Mayer’s Kunstanstalt in Nürnberg kl. 8°.). – 11) Unterschrift: „Gróf Széchenyi István“. Holzschnitt von Pollak in „Vasárnapi ujság“ 3. Jänner 1855. Der Graf ist zu Roß dargestellt. [Copie eines Bildes in Emanuel Andrássy’s „Vadász albuma“.] – 12) Farbendruckbild. Unterschrift: „Gróf Széchenyi István és fia“. Széchenyi in einem Schiffe auf der Donau, im Hintergrunde die Pesther Kettenbrücke und der Donauquai mit seinen Palästen. Széchenyi steht im Schiffe, einen Fuß auf die Schiffsbank gestützt, vor ihm sitzt sein Söhnlein. Ein Matrose im Strohhut rudert das bewimpelte Fahrzeug. Fest. Sterio K. Farbendruck von Reiffenstein und Rösch in Wien [278] (4°.). – 13) Unterschrift: „Gróf Széchenyi István“. Nicolaus Izsó. Standbild, gezeichnet von B. Székely. Im Pesther Journal „Magyarország és a nagy világ“, d. i. Ungarn und die große Welt. 1860? – 14) Holzschnitt von K. v. H. Zeichnung von (Toller). Im Journal „Die Glocke“, 1860, Nr. 73. – b) Von ungenannten Künstlern. Lithographien. 15) Der Graf zu Pferd. Großes Farbendruckbild in dem von Manó Andrássy 1858 herausgegebenen bei Geibl in Pesth erschienenen „Vadász albuma“, d. i. Jagdalbum. – 16) Im Jänner 1861 brachte das Pesther illustrirte Blatt „Vasárnapi ujság“, d. i. Sonntagszeitung, ein aus einem Bogen bestehendes Gedenkblatt mit einem allegorischen Bilde „Széchenyi’s Auferstehung“. Ueber dem aus der Gruft steigenden verklärten Patrioten steht sein in Ungarn zum geflügelten Worte gewordener Ausspruch: „Magyarország nem volt, hanem lesz“, d. i. Ungarn war nicht, sondern wird erst. Den übrigen Inhalt des Gedenkblattes bildet der schwunghaft geschriebene erläuternde Text zu dem allegorischen Bilde und das „Szózat“ im ungarischen Originaltexte, dann in französischer, italienischer, englischer, deutscher, slovakischer, slovenischer, wendischer, serbischer und rumänischer Uebersetzung. Die letzte Seite aber enthält den Hymnus von Franz Kölcsey im ungarischen Originaltexte. – 17) Unterschrift: „A nemzet legelső napszámosa. (Gróf Széchenyi István született 1792, Sept. 20, meghalt 1860, April 8)“, Ursprünglich im Journal „Képes ujság“ vom 15. April 1860. Der Graf ist in ganzer Figur in aufrechter Stellung abgebildet, umgeben von den Hauptmomenten seiner volkswirthschaftlichen Thätigkeit, über seinem Kopfe die Ansicht der Pesther Kettenbrücke, zu beiden Seiten eine Locomotive und ein Dampfschiff, dann Ungarn als weibliche Gestalt, in der hocherhobenen Rechten den Kelch, auf den aus den Lüften ein Adler zufliegt, die Linke auf den Ungarschild gestützt; reitende Csikós, Embleme des Ackerbaues und der Landwirthschaft und Ansicht der Donau. Um die mittleren Embleme schlingt sich ein Band, worauf links die Worte: „Hitel. Kelet népe. Lovakról“, rechts: „Stadium. Programm. Világ“ (Titel seiner vorzüglicheren Schriften) zu lesen sind. – 18) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges „Gr. Széchenyi István“. Nyomt. Rohn Pesten 1860 (gr. 8°.). – 19) In ganzer Figur. Im ungarischen illustrirten Blatte „Képes családi lap“, d. i. Bilder-Familienblatt (Pesth, 4°.) 19. April 1860, Nr. 2. – 20) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges „G. Széchenyi István“. Nyomt. Rohn Pesten 1858. [Ganz verschieden von der Lithographie vom Jahre 1860 im gleichen Verlage.] – 21) Auf dem Gruppenbilde „Magyar irók arczképcsarnoka 1857“ in Medaillon, mit der Ueberschrift: „Gr. Széchenyi István“. [Der Graf in reicher Magnatentracht.] – 22) Unterschrift: „Magyarország nem volt, hanem lesz“ (Ungarn war nicht, sondern wird erst), darunter das Facsimile des Namenszuges „Széchenyi István“. Kriehuber 1860 (lith.). Gedruckt bei Reiffenstein und Rösch. Verlag von S. Vereby, Fol., Brustbild. – c) Von ungenannten Künstlern. Holzschnitte. 23) Im „Neuen Blatt“, 1872, S. 521. [Geistvolles Profilporträt und trefflich ausgeführt.] – 24) Im illustr. Journal „Von Haus zu Haus“ (Prag, bei Kober, gr. 4°.) 1861, S. 68. [Offenbar eine Copie des Jacoby’schen Stahlstichs.] – 25) Unterschrift: „Graf Stephan Széchenyi“. Holzschnitt von R. von H. In der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ vom 25. Mai 1844, Nr. 48, S. 340. – 26) In der „Neuen illustrirten Zeitung“ (Wien, Zamarski, kl. Fol.) 30. Mai 1850, Nr. 36, S. 564. – 27) Széchenyi’s Brustbild in einfacher ungarischer Tracht mit umgeschlagenem Hemdkragen, in Bertalan Ormódi’s „Magyar Akademia könyve“, 1860, S. 1. – 28) Unterschrift: „Gróf Széchenyi István | (1791–1860)“. Kommt auch ohne die Jahreszahlen vor. [Schöner, kräftiger, ungemein charakteristischer Holzschnitt aus dem Werke „Magyar irók arczképei és életrajzai“, d. i. Ungarns Schriftsteller in Bildern und Biographien (Pesth 1858, Heckenast). – 29) Széchenyi’s Brustbild in Wolken. Im „Bolond miska“, Pesth, 4. Juni 1860. – 30) Unterschrift: „Gr. Széchenyi István | Plank Antalnál Máriahilf nagy Templom Utza Bécsben 134“. Gedruckt von Stoufs (kl. Fol.) – 31) Unten bezeichnet: „Brown“. Brustbild. In „Vasárnapi ujság“, 3. September 1854, Nr. 27. – 32) Unterschrift: „A katholikus legényegylet terme Pesten“. Im Journal „Képes ujság“, 1860, S. 221. Stellt eine Ansicht des Saales des katholischen Gesellenvereins mit der Büste Széchenyi’s dar. – 33) Im [279] (Wiener) „Kikeriki“, 1867, Nr. 20. Ueberschrift: „Temperaments-Unterschied“. Unterschrift: „Nachdem Graf Széchenyi, der große ungarische Patriot, durch eine Anzahl Jahre vergebens gewartet hatte, daß die Wünsche seines Heimatlandes erfüllt werden, wurde er geistesverwirrt, zehrte ab, ward schwächer und schwächer und griff in einem unbewachten Augenblicke zur Pistole, um sein unbehagliches Dasein zu vollenden!“ [Der Graf ist nach vollbrachtem Selbstmord im Lehnstuhl sterbend, mit zurückgeworfenem Haupte und herabhängender Rechten, welcher die Pistole entfallen ist, dargestellt. Vor ihm auf einem überdeckten Tische liegt neben dem Leuchter ein aufgeschlagenes Buch mit der Ueberschrift: „Ungarns Zustand“.] – 34) In F. I. Singer’s „Fünf Kreuzer-Bibliothek“, V. Jahrg., Wien, 20. November 1873, Nr. 33. [Der Graf vor einem Tische mit einem Schachbrett, nach vollbrachtem Selbstmord in den Lehnstuhl zurücksinkend, die herabhängende Rechte hält noch die eben abgeschossene Pistole.] – Denkmünze auf Széchenyi. Die Ausführung einer solchen wurde im Jahre 1860 dem Pesther Graveur Ignaz Schneider übertragen, demselben Künstler, welcher auf der ungarischen allgemeinen Industrie-Ausstellung 1846 die große Preismedaille errang. – Schließlich sei hier noch eines Albums gedacht, welches sich im sogenannten Széchenyi-Saale des ungarischen Nationalmuseums in Pesth befindet. Dasselbe enthält Gedenkblätter, bestehend aus Handarbeiten der vornehmsten Damen Ungarns, welche es sich zur Aufgabe gestellt, in denselben mehrere Episoden aus dem inhaltreichen Leben Széchenyi’s in dieser zarten Form der Nachwelt zu überliefern.
- VI. Gedichte auf Széchenyi. Arany (János), Széchenyi emlékezete. Olvastatott az akademiai Széchenyi-ünnepélyen october 13-án 1860, d. i. Erinnerung an Széchenyi. Gelesen aus der Széchenyi-Feier der ungarischen Akademie der Wissenschaften am 13. October 1860 (Pesth 1860, Verlag der Akademie, gr. 4°., 16 S.). Das Gedicht enthält fünfundzwanzig achtzeilige Strophen. – Außer dieser selbständigen Ausgabe brachte darauf einen Abdruck nebst einer bildlichen Darstellung der Vorlesung des Gedichtes am 13. October 1860 im Pesther Nationalmuseum „Vasárnapi ujság“, 1866, Nr. 44, S. 533. Das Gedicht selbst wurde dann noch oft nachgedruckt, so z. B. im „Nefelejts“, d. i. Vergißmeinnicht (Pesth, 4°.) 21. October 1860, Nr. 30; im „Hölgyfutár“, d. i. Damen-Courier, 16. October 1860; im „Debreczeni Közlöny“, d. i. Debrecziner Zeitung, 23. October 1860, Nr. 34, und in andern. A. D. (wohl A. Dux) brachte eine treue und gut lesbare Uebersetzung des Gedichts im „Pesther Lloyd“, 1860, Nr. 238. – Von anderen aus diesem Anlasse selbstständig erschienenen oder sonst an Széchenyi gerichteten Dichtungen erwähnen wir noch: Illésy (György), Széchenyi emlékezete irta és a Debreczeni casinó által 1860. April 26-ban rendezett Széchenyi gyászünnepély alkalmával felolvasta, d. i. Erinnerung an Széchenyi, ein Gedicht, verfaßt und vorgelesen bei der am 26. April 1860 von dem Casino zu Debreczin veranstalteten Széchenyi-Gedächtnißfeier (Debreczin 1860, Csáthy und Comp., 8°., 15 S.). – Mészáros (Károly), A legnagyob magyar Gróf Széchenyi István életleirása 12 énekben, d. i. Graf Stephan Széchenyi’s, des größten Ungarn, Lebensbeschreibung in zwölf Gesängen (Debreczin 1860, Telegdi, 8°., 31 S.). – Dann in Journalen: das im „Bolond Miska“ am 4. Juni 1860 erschienene, und nachstehende in deutscher Sprache: „Graf Stephan Széchenyi“, von Karl Horschetzky in der „Pannonia“, Bd. I (1860), S. 49; – „Die Széchenyianer“, von Paul Gyulay, deutsch von Adolph Dux, im „Pesther Lloyd“. 1863, Nr. 128, und „Széchenyi“ von Ad. Dux, im nämlichen Blatte, 1860, Nr. 88. – Compositionen erschienen aber von Mosonyi: „Gyászhangok Széchenyi István halálára zongorára szerzé“, d. i. Trauerklänge auf den Tod Széchenyi’s, für das Pianoforte (Pesth 1860, Rózsavölgyi), und von Robert Volkmann: „Széchenyi sirjánál, ábránd zongorára. (Au tombeau du Comte Széchenyi.) Fantaisie“, Op. 44 (Pesth, G. Heckenast) [vergleiche über Volkmann’s Composition die „Arader Zeitung“, 1860, Nr. 50). – Von älteren an Széchenyi gerichteten Huldigungen sei nur erwähnt: An Stephan Grafen Széchenyi. Gedicht eines Ungenannten. In der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ vom 25. Mai 1844, Nr. 48, S. 342, welches dem „Siebenbürger Boten“ entnommen ist.
- VII. Trauerfeierlichkeiten. Requiem zu Ehren Széchenyi’s. Dasselbe fand am [280] 30. April 1860 in der Pesther Pfarrkirche unter glänzender Betheiligung des Publicums aus allen Ständen statt. Der General-Gouverneur Feldzeugmeister von Benedek in Begleitung eines Adjutanten wohnte in Person der Feier bei, welche der Fürst-Primas von Ungarn trotz seines leidenden Zustandes abhielt. Graf Emil Dessewffy richtete nach beendeter Ceremonie im Namen der Akademie Worte des innigsten Dankes an den hochwürdigen Prälaten, der hierauf unter Anderem auch Folgendes entgegnete: „Als das unwürdige Oberhaupt der katholischen Kirche Ungarns betrachte ich es für meine Pflicht, dem großen Todten die letzte Ehre zu erweisen“. [Neueste Nachrichten (Wiener polit. Blatt) II. Jahrg., 2. April 1860, Nr. 122: „Das Requiem für den Grafen Stephan Széchenyi in Pest“. – Tagespost (Gratzer Blatt) 3. Mai 1860, Nr. 102: „Das Pesther Requiem für Széchenyi“. – Die Glocke (Leipzig, 4°.) 1860, Nr. 72, S. 313: „Das Requiem für den Grafen Széchenyi in Pest“.] – Von anderen Kundgebungen der öffentlichen Theilnahme bringt der „Pesther Lloyd“, 1860, Nr. 106, das Beileidschreiben von Seite des Präsidiums des Nationalmuseums an die verwitwete Gräfin Stephan Széchenyi [unter den „Tagesneuigkeiten“]; ebenda das Schreiben der Pesther Handelsstände an die ungarische Akademie aus gleichem Anlasse. Dasselbe Blatt berichtet in der nämlichen und in vielen späteren Nummern auch über die Trauerfeierlichkeiten, welche zu Ehren Széchenyi’s an anderen Orten Ungarns stattfanden. – Derselbe, 1860, Nr. 138, veröffentlicht die Beileidsadresse der Kumanier an die verwitwete Gräfin. – Ueber einzelne Trauerfeste erschienen selbständige Schilderungen so z. B.: „A legnagyobb magyar gyászünnepélye a főiskolai tanuló ifjúságnál. Sárospatakon, a főisk. imatermében máj. 17-én 1860, d. i. Die Trauerfeier des Grafen Széchenyi, des größten Ungarn, in Sárospatak abgehalten am 17. Mai 1860 (Sárospatak, gr. 8°., 28 S.); – „Borsod vármegye szivében Miskolcon 1860[WS 3] april hóban“, d. i. Széchenyi-Trauer im Herzen des Borsoder Comitats, abgehalten in Miskolcz im April 1860 (Miskolcz 1860, Adam Rácz, 8°., 32 S.). – Einen erhöhten Charakter gewann die Todtenfeier in Gran, indem Dechant Martin Miskolczy in der nach dem Requiem in der Franciscanerkirche abgehaltenen Comitatscongregation in seiner Gedächtnißrede beantragte, Széchenyi’s unsterbliche Verdienste durch einen Gesetzartikel zu verewigen. Sodann wurde die Errichtung der Walhalla (Üdvlelde), welche Széchenyi selbst noch angeregt, in Antrag gebracht, und der erste Platz in derselben sollte dem Todten vorbehalten bleiben. – Bei so viel Licht fehlte auch der Schatten nicht. Und ein solcher ist das demonstrative Verhalten des damaligen Bischofs von Kaschau, das bei der allgemeinen Begeisterung der Wehmuth, welche über Széchenyi’s Tod im ganzen Lande sich kundgab, nicht geringes Aufsehen erregte. Der erwähnte Bischof untersagte nämlich die Abhaltung eines solennen Trauergottesdienstes für den Grafen. Er erzielte aber damit eine gewiß nicht beabsichtigte Wirkung. Eine zahlreiche Menschenmenge versammelte sich in der Domkirche zur sogenannten „stillen Messe“ und stimmte nach Beendigung derselben, ohne vorausgegangene Verabredung, in der Kirche das Szózat und Kölcsey’s Hymne an, dann begab sie sich sofort aus dem Dome in die evangelische Kirche, in welcher eben Pastor Skultety eine ergreifende Trauerrede auf den Dahingegangenen hielt, und nach den letzten Worten des Geistlichen sang sie auch hier das Szózat und die Hymne ab.
- VIII. Biographie. A. Selbständige Schriften. a) In deutscher Sprache. Im Jahre 1860 bereits, also unmittelbar nach des Grafen Stephan Széchenyi Tode, schrieb die bekannte, um Förderung ungarischer Literatur so verdiente Pesther Verlagshandlung von Moriz Ráth einen Preis von 100 Ducaten für die beste im populären Styl gehaltene Biographie Széchenyi’s aus und dachte den Reinertrag dem zum Gedächtniß Széchenyi’s zu errichtenden Denkmal zu. – Erinnerungen an Grafen Stephan Széchenyi (Genf 1860, Fick, gr. 8°., 52 S.; zweite Ausgabe Basel 1860, H. Georg, 8°., 148 S.). Eine französische Uebersetzung dieser Schrift, deren Verfasser K. M. Kertbeny ist, erschien unter dem Titel: „Notice sur le comte Széchenyi. Traduit par G. Revilliod“ (Genève 1860, George, gr. 8°., 47 S.). – Gedächtnißrede des Barons Joseph Eötvös über Stephan Széchenyi, gehalten im Nationalmuseum am 13. October 1860. (Pesth 1860, Emil Müller, gr. 8°., S. 16) [281] [Beilage zum Abendblatte des „Pesther Lloyd“ Nr. 239]. – Kecskeméty (Aurel von), Stephan Széchenyi’s staatsmännische Laufbahn, seine letzten Lebensjahre in der Döblinger Irrenanstalt und sein Tod (Pesth 1866, Hornyansky und Hummel, gr. 8°. 136 S.) [eine sehr befangene, ja an manchen Stellen sehr gehässige Schrift, wozu K. am wenigsten berechtigt war, da er eben jenem System diente, welches er darin beschimpft]. – Lónyay (Melchior Gf.), Graf Stephan Széchenyi und seine hinterlassenen Schriften. Deutsch von Dr. Adolph Dux (Budapesth 1875, Ráth, 8°., 82 S.). – Wigand (Otto), Briefe von und an Stephan Széchenyi (Leipzig 1861). – b) In ungarischer Sprache. Arany (János), Széchenyi Emlékezete, d. i. Erinnerung an Széchenyi (Pesth, 4°.), auch in den „Denkschriften der ungarischen Akademie“, 1860. – Ballagi (Mórtól Dr.), Gróf Széchenyi István. Emlékbeszéd, d. i. Graf Stephan Széchenyi. Gedächtnißrede von Dr. Moriz Ballagi (Pesth 1860, Engel und Mandello, gr. 8°., 16 S.). – Illesy (György), Széchenyi emlekezete (Pest 1860, 8°.). – Boros (Mihály), A dicsőült Gróf Széchenyi István életrajza, d. i. Biographie des verewigten Grafen Stephan Széchenyi (Pesth 1860, Heckenast, gr. 8°., 100 S. mit Porträt). – Falk (Miksa), Széchenyi István és kora, d. i. Stephan Széchenyi und seine Zeit (Pesth 1867). – Ferencz (Jozéf), Széchenyi Gróf a nemzeti bölcs emléke egy könyörgésben és egyházi beszédben melyet az erdélyi unitáriosok kolosvári templomában 1860 Aprilis 29-kén tartott gyász istenitisztelet alkalmával mondott, d. i. Gedächtnisfeier Graf Stephan Széchenyi’s, des Weisen der Nation, in Gebet und Predigt gehalten in der Klausenburger Unitarischen Kirche am 29. April 1860 durch Jos. Ferencz (Klausenburg 1860, Stein, 8°., 24 S.). – Gróf Széchenyi István „Blick“je. Közli Papp Miklós. 1–5 füzet, d. i. Des Grafen Széchenyi „Blick“. Mitgetheilt von Nicolaus Papp. 1. bis 5. Heft (Pesth 1870, Mach und Stein, gr. 8°., 112, 192, 162 und 80 S.). – Mészáros (Károly), Életleirása, d. i. Lebensbeschreibung (Debreczin 1860, 8°.). – Szász (Károly), Széchenyi emlékezete, d. i. Erinnerung an Széchenyi (Pesth 1860, Verlag der Akademie, 8°., 15 S.). – Szeki (Béla), Egyházi Emlékbeszéd, melyet a nagy hazafi Gr. Széchenyi István végteszteletére a Pápai ev. ref. szentegyházban 1860 máj. 6 tartott gyászünnepély alkalmával elmondott Széki Béla...., d. i. Kirchliche Denkrede zum Andenken des großen Patrioten Grafen St. Széchenyi, gehalten in der evangelischen Kirche zu Pápa.... (Pápa 1860, 8°.). – Teleki (Domokos Gr.) Emlékbeszéd Gróf Széchenyi István felett. Irta és elmondotta – – Kiadta a kolosvári Casinó, d. i. Gedächtnißrede auf Stephan Grafen Széchenyi. Geschrieben und vorgetragen von Dominik Grafen Teleki. Herausgegeben von dem Casino in Klausenburg (Klausenburg 1860, 8°., 1 S.) [Graf Teleki hielt diese Rede im Klausenburger Casino am 29. Juli 1860; sie ist auch abgedruckt im „Budapesti Szemle“, IX. Jahrgang (1860), S. 169]. – Végrendeletének fő pontjai. Kiadta Török János, d. i. Die Hauptpunkte des Testaments des Grafen Széchenyi. Herausgegeben von Johann Török (Pesth 1860, Karl Werfer, gr. 8°., 8 S.); – Verse anyjához Gr. Festetics Juliánához. Megelőzi Széchenyi nekrológja Toldy Ferenc által, d. i. Széchenyi’s Gedicht an seine Mutter, Gräfin Juliana Festetics. Nebst einem Nekrolog von Franz Toldy (Pesth 1860, Gust. Emich, gr. 8°., 15 S.). – Gróf Széchenyi István napjaink történelmében. Népszerüen előadja az „Irodalmi szemle“ szerkesztéje, d. i. Graf Stephan Széchenyi in der Geschichte unserer Tage. Populär dargestellt vom Redacteur der „Literarischen Revue“ (Pesth 1868, Aigner und Rautmann, gr. 8°., 42 S.). – B. In Journalen und Werken Zerstreutes. a) In deutscher Sprache. Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1860, S. 1713, 1708, 1720, 1741–1742, 1737, 1751, 1752, 1779–1780, 1773, 1788 bis 1789, 1849, 2168, 2173–2175, 2445 bis 2446, 2633. – Augsburger Postzeitung, 13. September 1860, Beilage Nr. 108 und 109: „Graf Stephan Széchenyi der Reformator Ungarns“. – Biographisch-literarisches Lexikon der Thierärzte aller Zeiten und Länder, sowie der Naturforscher, Aerzte, Landwirthe, Stallmeister u. s. w., welche sich um die Thierheilkunde verdient gemacht haben. Gesammelt von G. W. Schrader. Vervollständigt und Herausgegeben von Med. Dr. Eduard Hering (Stuttgart 1863, Ebner und Seubert, gr. 8°.) S. 416 [nach diesem [282] geb. 21. September 1792 zu Wien, gest. ebenda (Döbling) 9. April 1860). – Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt, 4°.) XXXIII. Jahrg. (1860) Nr. 86 und Nr. 245, in der politischen Tageschronik. – Croquis aus Ungarn (Leipzig 1843, Otto Wigand, kl. 8°.) S. 105: Graf Stephan Széchenyi (bekanntlich ist Albert Hugo Verfasser dieser „Croquis“, zu denen sich schon im folgenden Jahre „Neue Croquis“ hinzugesellten, und einer der Ersten, die Széchenyi’s große Bedeutung für Ungarn erkannten]. – Csengery (Anton), Ungarns Redner und Staatsmänner. Herausgegeben von – – (Leipzig und Wien 1852, Fr. Manz, 8°.) Bd. II, S. 1–274: „Stephan Széchenyi“ [wohl das Beste und Zutreffendste, was bisher über Széchenyi ungarischerseits geschrieben worden]. – Europa. Chronik für die gebildete Welt. Von Gustav Kühne (Leipzig, schm. 4°.) 1860, Nr. 17. – Der Fortschritt (Wiener polit. Journal) 1860, Nr. 101, im Feuilleton: „Stephan Graf Széchenyi“. – Frankl (Ludwig Aug.) Sonntagsblätter (Wien, 8°.) II. Jahrg. (1843) S. 699: „Donauhafen in Pest“; S. 866: „Ungarische Nationalanleihe“ [Nachricht über zwei Projecte des Grafen Széchenyi]. – Gartenlaube (Leipzig, Ernst Keil, gr. 4°.) Seite:Die Gartenlaube (1860) 511.jpg|Jahrgang 1860, S. 511]]; – Die Glocke (Leipzig, Payne, 4°.) 1860, Nr. 73 und 74: „Graf Stephan Széchenyi“. – Die Grenzboten (Leipzig, gr. 8°.) 1847, I., S. 177–178. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, Kl.-Fol.) Bd. II, 25. Mai 1844, Nr. 48, S. 339, im Artikel „Preßburg und der ungarische Landtag“ [enthält neben einer ausführlichen Darstellung der Landtagsangelegenheiten unter den Lebensskizzen der hervorragenden Größen des Landtages S. 341 und 342 auch jene Széchenyi’s]. – Dieselbe, Band XXXIV, 5. Mai 1860, Nr. 879, S. 318: „Graf Stephan Széchenyi“. – Dieselbe, Nr. 881, 19. Mai 1860, S. 354: „Széchenyi und die ungarische Akademie der Wissenschaften“ von A(dolph D(ux). – Kertbeny (K. M), Silhouetten und Reliquien. Erinnerungen an Albach, Bettina, Grafen Louis und Casimir Batthyány u. s. w. (Prag 1863, I. L. Kober, 8°.) Bd. II, S. 154–193. [Wie Herr Kertbeny dazu kommt: die auf S. 194 u. f. enthaltenen zwei Gedichte: „Hymne“ von Franz Kölcsei und „Szózat“ von Vörösmarty kurzweg „Zwei Széchenyi-Lieder“ zu taufen, hat er zu erklären unterlassen]. – Derselbe, Bibliographie ungarischer und internationaler Literatur 1441–1876. In zwölf Fachheften redigirt (Budapesth 1876, P. Tettey und Comp., gr. 8°.) S. 55, Nr. 104 [daselbst schreibt Kertbeny die Zeile: „simulirte aber 1849 den Wahnsinn, um den Verfolgungen zu entgehen“. Woher denn Herr Kertbeny das so bestimmt weiß?]. – Komers (A. E.), Jahrbuch für österreichische Landwirthe, (8°.). Jahrg. 1862, S. 323. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) Bd. I, S. 218–227. – Literarische Berichte aus Ungarn über die Thätigkeit der ungarischen Akademie der Wissenschaften u. s. w. Herausgegeben von Paul Hunfalvy (Budapesth, gr. 8°.) Bd. I (1877), S. 74, 138, 165, 175, 180, 181, 182, 185, 198, 368 und 375. – Lugoser Anzeiger, III. Jahrg. (1860) Nr. 21: „Graf Stephan Széchenyi“. – Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig 1862, Karl B. Lorck, 4°.) II. Serie S. 292. – Magazin für die Literatur des Auslandes. Red. von J. Lehmann (Leipzig, 4°.) 1860, Nr. 35; 1863, S. 318; 1865, S. 571–572. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände u. s. w. (Hildburghausen, Bibliographisches Institut gr. 8°.). Zweite Abheilung, Bd. X, S. 1240. [Nebenbei sei hier noch bemerkt, daß es unglaublich ist, wie ein Name von dem Klange und der Bedeutung Stephan Széchenyi’s in Meyer’s „Handlexikon des allgemeinen Wissens“ (Hildburghausen 1872, Bibliographisches Institut) fehlen kann, da man doch Namen von ungleich geringerer Bedeutung darin findet]. – Mußestunden (Wien, bei Waldheim, 4°.) 1860, S. 190: „Ein großer Ungar“. Von Warhanek. – Das Neue Blatt (Leipzig, Payne, 4°.) Jahrg. 1872, S. 521. – Neuer Plutarch, oder Biographien und Bildnisse der berühmtesten Männer und Frauen aller Nationen und Stände u. s. w. Vierte Auflage. Mit Verwendung der Beiträge des Freiherrn Ernst von Feuchtersleben neu bearbeitet von Aug. Diezmann (Pesth, Wien und Leipzig 1858., C. A. Hartlebens Verlags-Expedition [283] 8°.) Bd. IV, S. 222. – Neueste Nachrichten (Wiener politisches Blatt) 11. und 12. April 1860, Nr. 102 und 103: „Graf Stephan Széchenyi“. – Oesterreichische Revue. Redigirt von J. B. A. Meyer [vergleiche über den Herausgeber Bd. XVIII, S. 123, Nr. 53] (Wien, Gerold, gr. 8°.) Jahrg. 1866, Bd. I, S. 1 u. f.; Bd. II, S. 39; Bd. III, S. 1; Bd. IV, S. 1; Bd. V, S. 12; Bd. VI, S. 47; Bd. VII, S. 55; Bd. VIII, S. 1: „Graf Stephan Széchenyi und seine Zeit“. Von Max Falk. [Diese umfassende Darstellung, welche abgesondert gedruckt, einen stattlichen Band gäbe, ist vereint mit Csengery’s Essai über Széchenyi wohl das Beste, was über den Grafen bisher erschienen, und die reichste biographische Fundgrube für einen künftigen Biographen Széchenyi’s]. – Pannonia. Herausgeber Karl Groß (Pesth, gr. 8°.) 1860, S. 116: „Graf Stephan Széchenyi“. – Pesther Lloyd, 11. und 12. April 1860, Nr. 84 und 85: „Stephan Széchenyi I und II“. [In vielen Journalen nachgedruckt]. – Derselbe, Nr. 86, im Feuilleton: „Széchenyi’s letzte Lebensjahre“ [oft nachgedruckt, so in der „Kronstädter Zeitung“ 1860, Nr. 61 und in anderen]. – Derselbe, 1865, Nr. 207: „Die patriotische Lyrik in Ungarn“. Von Paul Gyulai. – Presse 1860, Nr. 99 in der kleinen Chronik: „Stephan Széchenyi“. – Reisinger (Dr.), Politische Bilder aus Ungarns Neuzeit (Hamburg 1849, Hofmann und Campe, 8°.) S. 21: „Széchenyi und der Kossuth’sche Schutzverein“ [auch eines jener feilen Pamphlete, welche Széchenyi zum höheren Ruhme Kossuth’s herabsetzen und verunglimpfen. Die Stelle auf S. 75, Széchenyi betreffend, klingt heute als hätte ein Irrer sie geschrieben; oder was soll man zu einer Stelle wie die folgende sagen: „Die Zeit und ihr großer Mann Kossuth haben das Flämmchen der politischen Größe Széchenyi’s ausgeblasen“ (!!!)]. – Schlesische Zeitung (Breslau) 1860 Nr. 217 im Feuilleton. – Siebenbürger Bote (Hermannstadt, Theodor Steinhauser, gr. 4°.) Redacteur Dr. Sentz, 1860, Nr. 80, Seite 320: „Ueber Grafen Széchenyi“. – Stimmen der Zeit. Herausgegeben von Ad. Kolatschek, 1860, I., S. 580–615. – Der Tagesbote aus Böhmen (Prager Blatt) IX. Jahrg. (1860) Nr. 103: „Graf Stephan Széchenyi“. – Der Ungar. Redigirt von Hermann Klein (Pesth, schm. 4°.) 1. Jahrg. (1842) Nr. 1 und 14: „Graf Széchenyi in seinem „Kelet пéре“, d. i. Volk des Orients“. – Ungarns politische Charaktere. Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 10–22. [Das ist keine Charakteristik Széchenyi’s, sondern die Herabsetzung eines ehrlichen Edelmannes gegenüber einem gewöhnlichen politischen Schwindler, wie Kossuth es war]. – Unsere Zeit, Bd. IV, 1870, S. 315–335. – Unsere Tage, Bd. II, 1860, S. 106–112. – Vehse (Eduard Dr.), Geschichte des österreichischen Hofes und Adels und der österreichischen Diplomatie (Hamburg, Hoffmann und Campe, kl. 8°.) Bd. XI, S. 189. – Von Haus zu Haus (Illustrirtes Blatt, Prag bei Kober, 4°.) 1860, Nr. 6, S. 67: „Graf Stephan Széchenyi“. Von Wilhelm Siegmund. [Dieser sonst gute Artikel ist durch die zahlreichen Druckfehler in den ungarischen Titeln der Schriften des Grafen in störendster Weise entstellt]. – Zur Geschichte des ungarischen Freiheitskampfes. Authentische Berichte (Leipzig 1851, Arnold’sche Buchhandlung, 8°.) S. 91–98. – b) in ungarischer Sprache. Hajnik (Károly), Visszaemlékezések, jelenetek és dómak a magyar életből, d. i. Rückerinnerungen, Scenen und Anekdoten aus dem ungarischen Leben (Pesth 1856, Landerer und Heckenast, 8°.). [Dieses köstliche Buch enthält eine Fülle biographischen Materials und auch manches Ergötzliche über Széchenyi. Umfassende Auszüge in deutscher Sprache brachte seinerzeit der „Pesther Bote. Kalender für 1857“ (Pesth, Landerer und Heckenast, schm. 4°.) S. 46–58 und auf 46, 48, 50, 58 und 59 insbesondere Züge aus Széchenyi’s Leben]. – Hazánk. Szerkezt. Török János, d. i. Die Heimat. Redigirt von Johann Török (Pesth, gr. 8°.) Jahrg. 1858, S. 81: Magyar Pantheon. Gróf Széchenyi István emlékezete, d. i. Ungarns Pantheon. Erinnerung an Stephan Grafen Széchenyi. – Hölgyfutár, d. i. Der Damencourier (Pesth, gr. 4°.) 1860, Nr. 46, S. 365; Nr. 124, S. 989. – Kelet Népe, 1856, Band I, Seite 31. Von Baron Sigmund Kemény. – Képes ujság, d. i. Bilder-Zeitung (Pesth, gr. 4°.) 15. April 1860, S. 26: „Nehány óra Gróf Széchenyi Istvánnál. Vas Gerebentől“, d. i. Einige Stunden mit Stephan Grafen [284] Széchenyi. Von Vas Gereben. – Magyar irók arczképei és életrajzai, d. i. Ungarns Schriftsteller in Bildern und Biographien (Pesth 1858, Gust. Heckenast, kl. 4°.) S. 1. [Graf Széchenyi eröffnet den Reigen der 40 Schriftsteller, welche sämmtlich dem 19. Jahrhunderte angehören und die Koryphäen ihrer Nation sind.] – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József. Kiadja a Szent-István-Társulat, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und Joseph Danielik. Herausgegeben vom St. Stephans-Vereine (Pesth 1856, Gustav Emich, 8°.) I. Theil, S. 535. – Magy. Tudomány Akad. évkönyvei, d. i. Jahrbücher der ung. Akademie der Wissenschaften, Band X, 1860: „Denkrede des Baron Joseph Eötvös“. – Pesti Hirnök. Politikai napilap, d. i. Der Pesther Bote. Politisches Tageblatt. 18. April 1860, Nr. 32; 24. April 1860, Nr. 36. – Politikai Ujdonságok, d. i. Politische Nachrichten (Pesth, 4°.) 19. April 1860, Nr. 16. – Szegedi Hiradó, d. i. Der Szegediner Ankündiger, 1860, Nr. 42. – Ujabb kori Ismeretek Tára, d. i. Ung. Convers. Lexikon Bd. VI, S. 267–276. – Toldy (Ferencz), A magyar nemzeti irodalom története a legrégibb időktől a jelenkorig rövid előadásban, d. i. Geschichte der ungarischen National-Literatur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart (Pesth 1864–1865, Gustav Emich, gr. 8°.) S. 251, 288, 308, 311 (Biographie). 318, 328, 365. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntags-Zeitung (Pesth, 4°.) 3. September 1854, Nr. 27 „Gróf Széchenyi István“. – Dieselbe, 3. Jänner 1858, Nr. 1: „Gróf Széchenyi István“, c) in anderen Sprachen. Gazeta Transsilvaniei, 14. April 1860, Nr. 16. – Posel z Prahy. Tydennik, d. i. Der Bote aus Prag. Wochenblatt 1863, Nr. 6. – Sokol, d. i. Der Falke (Schemnitz, 4°.) 1860, S. 25 und 183. – C. Quellen über einzelne Züge aus Széchenyi’s Leben. Abendblatt der Pesth-Ofner Zeitung (gr. 4°.) 1856, Nr. 61: „Aus den Rückerinnerungen Karl Hajnik’s“. [Ein höchst interessanter Zug aus Széchenyi’s Leben; enthält auch dessen denkwürdigen Ausspruch über die Besteuerung eines Landes: „Der Sattel ist eine kleine Last und das Pferd fühlt ihn kaum, wenn er gut und gleichmäßig auf seinem Rücken befestigt – ich sage gut und gleichmäßig, denn wenn der Sattel schlecht sitzt, nicht am rechten Orte und ungleichmäßig angebracht ist, dann wird die gering scheinende Last dem armen Thiere unerträglich und reibt ihm den Rücken wund“. Ein eines Römers würdiger Ausspruch]. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1863, Nr. 31: „Realistische Engel“. – Neue illustrirte Zeitung (Wien, Zamarski, kl. Fol.) 6. Juni 1880, Nr. 37, S. 586: „Széchenyi und Kürnberger“. Von K. M. Kertbeny. – Neuigkeiten (Brünn, polit. Blatt) 1860, Nr. 111: „Aus dem Leben Széchenyi’s“. – Pesther Lloyd, 1860, Nr. 90: „Anekdote aus Széchenyi’s Leben“. – Derselbe, Nr. 106: „Ueber die Entstehung des Baja’er Dammes“. – Derselbe, Nr. 227 [aus der Zeit des Aufenthaltes des Grafen Széchenyi in Paris im Jahre 1840]. – Pesth-Ofner Zeitung, 1861, Nr. 32 unter den Tagesneuigkeiten: „Ein Schreiben Széchenyi’s“. Dasselbe ist an den Fürst-Primas Scitowsky, anläßlich der Feier dessen 50jährigen Priesterjubiläums (1859) gerichtet und trägt das Datum des 28. September 1859. Das Original war in ungarischer Sprache geschrieben. Obige Zeitung gibt eine treue deutsche Uebersetzung]. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1860, Nr. 104 im Feuilleton [über seinen plötzlichen Umschlag aus dem leichtlebigen Huszarenofficier in den glühenden Patrioten]. – Schlesische Zeitung (Breslau, Fol.) 21. April 1860, Nr. 187: „Aus dem Leben des Grafen Széchenyi“. – Tagespost (Gratzer Localblatt) 1860, Nr. 90, im Feuilleton: „Eine Erinnerung“. Vom Grafen Karl Vetter. – Werschetzer Gebirgsbote, 1861, Nr. 13: „Aus einem Gespräche des Grafen Stephan Széchenyi vom 2. April 1860“.
- IX. Einzelnes. Memoiren des Grafen Széchenyi. Unter den nachgelassenen Schriften des Grafen fanden sich auch mit großer Gewissenhaftigkeit geführte Tagebuchblätter, deren Veröffentlichung jedoch der Umstand verbietet, daß viele Persönlichkeiten, über welche sie höchst interessante Bemerkungen enthalten, sich derzeit noch am Leben befinden. Dagegen brachte der „Pesti Napló“ im December 1874 die Nachricht, daß im [285] Verlage des Pesther „Athenäums“ ein nachgelassenes Werk Széchenyi’s, das den Titel „Selbsterkenntniß“ führe, zwölf Druckbogen stark, erscheinen werde. Der Graf schrieb es in den Fünfziger-Jahren während seines Aufenthaltes in der Privat-Irrenanstalt zu Döbling bei Wien. [Mit Bezug auf das eben Gesagte verweisen wir auf die S. 269 u. f. mitgetheilte „I. Uebersicht der Druckschriften des Grafen Széchenyi“, unter welcher auch die aus seinem handschriftlichen Nachlasse herausgegebenen aufgenommen sind.] – Des Grafen Stephan Széchenyi hinterlassene Briefe und Schriften. Fünfzehn Jahre nach dem Tode des Grafen, 1875, brachten die Journale eine Nachricht über die Briefe, Tagebücher und Gedenkschriften, welche derselbe seinem Secretär Anton Taschner zur Redaction und Veröffentlichung hinterlassen hatte. Nun aber starb Letzterer schon ein Jahr nach Széchenyi’s Hingange, so daß der ihm gewordene Auftrag nicht zur Ausführung kam. Da erstand Graf Melchior Lonyay, als Präsident der Akademie, die Schriften von der Familie Taschner um 20.000 fl., welche durch Subscription hereingebracht werden sollten. Als jedoch im Jahre 1876 die erforderliche Summe noch nicht beisammen war. forderte das Pesther Journal „Egyetértés“ die Hinterbliebenen Taschner’s auf, sich mit dem bis dahin eingelaufenen Gelde zu begnügen, da, strenge genommen, ohnehin das Legat seine Giltigkeit verloren habe, weil der Auftrag des Testators nicht erfüllt sei. Nach einer Meldung des Journals „Ellenőr“ wurden der Familie Taschner, in deren Besitze sich noch immer die Briefe befanden, dieselben im Mai 1877 Schulden halber mit Beschlag belegt. Den Werth dieser Briefe 587 Stück, für deren Ankauf im Wege der öffentlichen Sammlung ein Betrag von 10.000 fl. eingegangen war, taxirte das Gericht auf 2600 fl. [Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1876, Nr. 351, und 1877, Nummer vom 13 Mai.] – Von Széchenyi’s hinterlassenen Schriften kündigte Johann Török im Jahre 1860 das Erscheinen des Werkes „Hunnia“ im Verlage von Gustav Heckenast an. Der Autor hatte sich darin die Aufgabe gestellt, die Rechte und Anforderungen der ungarischen Sprache gegenüber der lateinischen klar zu präcisiren. – Mehrere Jahre später, 1864, hatte Johann Török, damals Redacteur des „Pesti Hirnök“, mit Zuhilfenahme der hinterlassenen Schriften Széchenyi’s eine von diesem für das deutsche Publicum in deutscher Sprache entworfene Broschüre redigirt, welche unter dem Titel: „Die Fundamentalgesetze und die staatsrechtliche Entwicklung Ungarns bis 1848“ erschienen ist. Eine Uebertragung in die ungarische Sprache stellte der Herausgeber J. Török in Aussicht – Auch wurde schon im Jahre 1862 der berechtigte Wunsch ausgesprochen, daß aus Széchenyi’s Schriften eine Anthologie zusammengestellt werde, und bei dieser Gelegenheit gemeldet, daß der bekannte ungarische National-Oekonom Doctor Julius Kautz seit längerer Zeit mit einer solchen Arbeit sich befasse, deren baldiges Erscheinen unter dem Titel: „Gróf Széchenyi István mint államférfiú, politikai bölcselő és nemzetgazda“, d. i. Graf Stephan Széchenyi als Staatsmann, Politiker und National-Oekonom, in Aussicht stehe. Das Publicum wartet noch heute darauf. [Ungarische Nachrichten, 1864, Nr. 247: „Literarischer Nachlaß des Grafen Széchenyi“. – Pesther Lloyd, 1862, Nr. 81; 1864, Nr. 72 und 247, unter den „Tagesneuigkeiten“.] – Graf Széchenyi ein Poet. Auch über den Grafen kam die Stunde, in welcher ihm die Prosa nicht genügte, das auszusprechen, was seine Seele erfüllte. Das Gedicht, welches das Datum 1. Mai 1817 trägt, hat der Graf im Alter von 26 Jahren geschrieben und damit die Ansicht, die sich hie und da kundgab, als sei er, bevor er die politische Laufbahn betrat, in der ungarischen Sprache schwach beschlagen gewesen, am besten widerlegt. Das Gedicht ist in choriambischen Versen geschrieben, also in einer den Kunstpoeten der Zeit, in welcher er dasselbe verfaßte, noch unbekannten Form, die aber gerade das Charakteristische der ungarischen Volkspoesie. Es ist das einzige Gedicht, welches Széchenyi geschrieben, und befindet sich in dem Album der Mutter des Grafen, Julie geborenen Gräfin Festetics de Tolna. Dieses Album wird als Reliquie im Oedenburger Archive der Grafen Széchenyi aufbewahrt. Das Gedicht lautet in wörtlicher, von Dr. Franz Toldy bewerkstelligter Uebersetzung: „Könnt’ ich den Drang | All’ des Gefühls | Schildern in dank- | glühenden| Würdigen Reih’n, | Könnte mein Geist | Widmen Dir Sang, | Blühenden, | Wär’ beglückt, | Kummer entrückt. || Aber wer kann | Zählen die Müh’n | Alle, die Du | Mir geschenkt, [286] | Würdigen die | Weisheit, mit der| Du mich gelehrt | Und gelenkt; | Wer unterm Tag | Solches vermag? || Deines Gebets | Schützende Macht| Hielt mich im Krieg |Unverletzt; | Lag ich erkrankt. | Hast Du dem Weh, | Pflegend mich, sein | Ziel gesetzt,| Du hast belehrt | Stets und bewährt || Mich mit dem Rath, | Welchen Du gabst. | Was an mir gut. | Wirktest Du. | Was ich für Gott, | Was für den Herrn | That und für’s Land | Einstens thu’. | Alles ist Dein | Werk allein. | – Möge Dich nebst | All meinem Dank | Segnen dafür | Gottes Hand; | Mögest Du seh’n, | Daß Dein Bemüh’n | Würdigen Lohn | Hier schon fand“. Am 1. Mai 1817. Graf Stephan Széchenyi. – Der Széchenyi-Becher. Graf Széchenyi hatte seinen Erben testamentarisch aufgetragen, nach seinem Tode einen Pocal verfertigen zu lassen, welcher in seinem Namen dem Pesther National-Casino mit dem Wunsche übergeben werden möge, daß derselbe alljährlich bei Gelegenheit größerer Versammlungen des Vereins zur Erinnerung an den Testator geleert werde. Gewissenhaft vollzogen die Erben diesen Auftrag. Im Jahre 1863 wurde der nach einem der schönsten Modelle der Ambraser Sammlung angefertigte Becher in Begleitung eines Schreibens von dem ältesten Sohne Széchenyi’s an das National-Casino übersendet. Bei dem üblichen Festessen der Casino-Mitglieder am 1. Februar 1864 fand die Einweihung des Pocals durch einen vom Grafen Béla Széchenyi gesprochenen Toast statt. Der Becher, auf das kunstvollste aus massivem Silber gearbeitet und stark vergoldet, trägt die Inschrift: „Nem halt meg, a ki honosinak emlékezetében él“ (Wer in dem Andenken seiner Freunde fortlebt, ist nicht gestorben), dann die Devise: „Borura derű 1831“ (Nach Regen Sonnenschein 1831). Ferner das Familienwappen mit dem Wahlspruche: „Si Deus pro nobis, quis contra nos?“, endlich die Titel der achtzehn Werke, welche Széchenyi geschrieben hat. Die von Waldheim in Wien herausgegebene „Illustrirte Zeitung“ brachte in Nr. 1 des Jahrganges 1862 die Darstellung eines Széchenyi-Pocals nach Franz Springer’s Entwurf, welcher jedoch nicht ausgeführt worden, sondern Entwurf geblieben zu sein scheint. [Pest-Ofner Zeitung, 1863, Nr. 129. – Constitutionelle österreichische Zeitung (Wien, Fol.) 1863, Nr. 256: „Der Becher des Grafen Széchenyi“. – Ungarische Nachrichten, 1864, Nr. 26, in der Rubrik „Locales“.] – Széchenyi’s Feder. Die Feder, mit welcher Széchenyi kurz vor seinem Ende noch einige Anordnungen niedergeschrieben, erhielt sein ältester Sohn. Es ist eine gewöhnliche Stahlfeder mit einem Stiele von Mahagonyholz. Der Besitzer dieses Kleinods legte dasselbe in ein kostbares, von dem rühmlichst bekannten Hofgraveur Jauner gearbeitetes Behältniß von Elfenbein und ordnete dessen Aufbewahrung als bleibende Reliquie unter den Familienkleinodien an. – Széchenyi’s letzter Brief. Sechs Tage vor seinem gewaltsamen Ende (am 2. April 1860) schrieb der Graf an einen seiner politischen Freunde, wie folgt: „Sagen Sie Deák und den anderen Freunden, sie sollen die Gewalt, die sie über die öffentliche Meinung haben, nicht unbenutzt lassen, bis der Sturm so laut wird, daß man ihre Stimmen nicht hört, wie man die meine im Jahre 1848 nicht hören wollte. Wenn der besitzende Adel nicht an der Spitze der Bewegung bleibt, die alle Geister ergriffen hat, wird Ungarn von der Emigration in ein Blutbad gesetzt, dann verrathen und verkauft. Die vor 300 Jahren stattgefundene Verbindung Ungarns mit Oesterreich war vielleicht nicht glücklich, doch auch eine unglückliche Ehe kann kräftige Kinder erzeugen; trennen sich aber die Gatten, haben beide keine Nachkommen, keine Zukunft. Ungarn kann nur in Oesterreich bestehen; in deutschen Armen mag es sich gedrückt fühlen, in slavischen wird es jedenfalls erdrückt. Täusche man sich nicht mit der Erwartung auswärtiger Hilfe! England verblutet sich nie für fremdes Unglück; es bezahlt nur seine eigene Freiheit und wird darum Ungarn trotz aller Phrasen von Sympathie nicht beistehen. Rußland kann einen Sieg der Nationalitätstheorie an der Grenze Polens nicht dulden. Mein Rath ist Versöhnung auf der Basis von 1847 mit den nothwendigen und nützlichen Aenderungen, ohne den Versuch, den Kaiser zu demüthigen, den man als König groß haben will. Deák und Genossen müssen wohlerwogen den nationalen Grenzen mögliche, billige Grenzen stecken. Sonst werden in kurzer Zeit aus dem Schlamm Männer ihr Haupt erheben und die Bewegung leiten wollen, und das wäre eine Erneuerung oder [287] gar eine blutige Fortsetzung von 1848. Der ist kein Patriot, der das abwarten will. Ungarn datirt nicht von 1848, sondern vom Jahre 1000. Wenn Ungarn Oesterreich zum Kampfe herausfordert, so wird letzteres dem Auslande jedes Zugeständniß machen, alle seine Kräfte sammeln und Ungarn in Departements theilen, dann ist aber finis Hungariae.“ So schrieb der Graf sechs Tage vor seinem Tode. Und doch gibt es Leute, die es sich nicht nehmen lassen, den Grafen für irrsinnig zu halten. Nun, dann ist mir der Irrsinn des Grafen Széchenyi lieber als die gesunde Vernunft der gewöhnlichen Menschen. – Graf Széchenyi und die Bezeichnung „Buda-Pesth“. Der Gesetzartikel IV vom Jahre 1848 bestimmt Pesth ausdrücklich zum Sitze des Landtages. Ebenso bezeichnet aber auch der Artikel III d. J. Buda- Pesth als Sitz der ungarischen Regierung. Diese Eigenthümlichkeit der verschiedenen Benennung, einmal Pesth und einmal Buda-Pesth, in den aufeinanderfolgenden Gesetzartikeln d. J. erregte die Aufmerksamkeit des „Pesti Napló“, der denn nun, seinem kritischen Bedenken nachgebend, den ursprünglichen Entwurf einsah und fand, daß auch in der Stelle des Artikels IV Buda-Pest gestanden, und daß Stephan Széchenyi als Mitglied der Commission es war, der aus diesem Binom das erste Glied (Buda) weggestrichen. Als man den Grafen später um den Grund dafür fragte, gab er ausweichend zur Antwort: „Weil es sonst nie dazu kommen dürfte, daß man in Pesth ein monumentales Repräsentantenhaus baut“. Mit dieser Antwort, die für den Augenblick galt, stellte man sich aber nicht zufrieden, und Baron Kemény ging der Sache tiefer auf den Grund und legte den ganzen Hintergedanken Széchenyi’s klar auseinander. Wir können hier nicht des Näheren auf diesen nicht uninteressanten Vorgang eingehen, der darin gipfelt, daß Széchenyi es für bedenklich hielt, daß der Landtag in einer Festung (Buda-Pesth ist eine solche) tagen solle, was in Tagen des Friedens von geringem Belange, während in jenen einer revolutionären Volksbewegung der gesetzgebende Körper innerhalb der Festungsmauern nicht frei sei. Die folgende Quelle gibt eine ausführliche Darstellung des Széchenyi’schen Gedankenganges. [Bohemia (Prag, 4°.) 17. Februar 1861, Nr. 42 S. 367: „Aus Pesth“.] – Der Széchenyi-Hügel. Der frühere sogenannte „Schwabenberg“ in Pesth wurde im Jahre 1860 in „Széchenyi-Berg“ umgetauft. Die Pesther Jugend hat nun daselbst einen Steinhaufen zusammengetragen, welcher sich bald zu einer ansehnlichen Höhe erhob und der eigentliche Széchenyi-Hügel ist. Neben demselben befindet sich eine Steinbank, auf deren Pesth zugekehrter Seite eine ungarische Inschrift steht, welche übersetzt folgendermaßen lautet: „Wanderer, den der Weg herbeigeführt – zu diesem zusammengetragenen Steinhügel – wisse, des „großen Ungarn“ Namen – des herrlichsten unter den herrlichen – des großen Széchenyi – trägt dieser Hügel – jetzt und immerdar. – Getauft hat ihn patriotische Pietät – ehrend, segnend das hohe Verdienst“. Auf der Rückseite steht: „Széchenyi hegye ülöke, 1861, Sept. 2“. Auf einem neben dem Steinhaufen angebrachten Ruhesitze ist Széchenyi’s Bild, von einem Immortellenkranze eingefaßt, angebracht. Zur Bezeichnung dieses Ortes ließen Franz Graf Nádasdy und Coloman Thali bei dem Pesther Bildhauer Garay eine Gedenktafel anfertigen, auf welcher der Tag der Umtaufe des Schwabenberges: „Széchenyihalom 1860, Majus 20“ eingemeißelt ist. Der Grund, auf welchem die Széchenyi-Bank steht, war im Jahre 1861 Eigenthum des Herrn Gustav Emich. – Das Széchenyi-Album. Im Jahre 1861 wurde die Anlegung eines Széchenyi-Albums beschlossen, welches im ungarischen Nationalmuseum aufbewahrt werden sollte. Bald nach erlassenem Aufrufe fanden sich 60 protokollirte Theilnehmer, deren Reihe der damalige Nestor der ungarischen Akademie Andreas von Fay eröffnete. Nun folgten prosaische Aufsätze, Gedichte, Seidenstickereien von Damen, Duplicate der an die Gräfin Witwe gerichteten Condolenzbriefe. Auch Beiträge für den Einband des Albums liefen alsbald ein, und für die geschriebenen Beiträge lagen in der Museumbibliothek eigene Bogen (Széchenyi-Papier) bereit. Von Zeit zu Zeit wurden Berichte über den Fortgang des Albums veröffentlicht. – Metternich über Széchenyi. Als Fürst Metternich Nachricht erhielt, daß Graf Stephan schwer leidend nach Ober-Döbling zu Dr. Görgen gebracht worden, sprach er die denkwürdigen Worte: „Dieser Mann war aus jenem Holze geschnitzt, aus welchem die Vorsehung die großen Staatsmänner [288] erschuf, er hatte nur einen großen Fehler, ein zu großes Herz. Staatsmänner mit großen Herzen werden stets unglücklich [vide Franz Stadion Bd. XXXVII, S. 1]; ich fühlte mich zu dem Manne nie sehr hingezogen, denn zu einem Diplomaten war er zu empfindsam, zum Administrator zu weitblickend. Die Vorsehung hat sich vergriffen, als sie diesen Mann schuf, sie wollte zwei große Männer schaffen, und sie knetete Einen aus den Stoffen.“ – Paul Gyulai über Széchenyi. Ganz anders als die landläufigen Urtheile über den „großen Ungarn“, von denen das eine mutatis mutandis der Abklatsch des anderen ist, lautet das Urtheil des genialen Paul Gyulay über Széchenyi, den er, obgleich von demselben nur ein Gedicht bekannt ist, unter die Poeten seines engeren Vaterlandes aufnimmt. „Széchenyi“, schreibt Gyulay, „ist in seiner ersten wie in seiner letzten Flugschrift ebenso sehr Staatsmann als Dichter, ein Vates, wie die Alten den Dichter zu nennen pflegten. Seine tiefe Einsicht, seine glühende Begeisterung erhoben sich zur Prophezeiung. Was er von der großen Zukunft der Ungarn weissagte, fand Glauben, erweckte Begeisterung, wurde sogar zum Losungsworte einer ganzen Epoche. – Sein „Programm-Fragment“ (1847) verklang, Niemand glaubte der Weissagung, daß das Land am Rande eines Abgrundes stehe und in der Fluth der Revolution Alles, was wir bis dahin errungen, verlieren werde; die Ereignisse aber bestätigten sie. Eine Nation, die sich endlich aus der Verzweiflung zum Glauben an sich emporgehoben, entsagt diesem nicht leicht und noch dazu auf das Wort desselben Mannes, der ihr zuerst den Glauben eingeflößt hat. Als Széchenyi in seinem „Hitel“ die neuen europäischen Ideen verkündend, von ihrer Bildnerkraft die Neugeburt der Verfassung, der Nationalität und der Gesellschaft erwartend, nicht zögerte, es auszusprechen, daß Ungarn nicht war, sondern erst sein werde, da regte es jedes Ungarherz auf. In seiner Begeisterung lag etwas Heiliges, aber auch Entweihendes, ein gewisses Gemisch von Enthusiasmus und Spott, das zwar verschiedenartig, aber doch auf Jedermann wirkte. Széchenyi schmähte die Vergangenheit, den einzigen Stolz des Ungarn, und versprach ihm dafür eine Zukunft, von welcher dieser nicht einmal zu träumen gewagt; Széchenyi verspottete den nationalen Schmerz, dies einzige treue Gefühl des Ungarn, und forderte von diesem kühnes Hoffen und Glauben auf den Trümmern eines Landes, an dessen Zerfall schon jedes Auge gewöhnt, und forderte einen großen Entschluß, dessen jedes Herz schon entwöhnt war. Ein Aufschrei der Begeisterung und des Hasses begrüßte den Seher, den Reformator, den Agitator und die Nation betrat die Bahn der Reform. Der Erfolg brachte den Haß zum Schweigen, Schwierigkeiten erstickten das Jauchzen, aber der Glaube erlosch nun nimmermehr!“ So schreibt Gyulay. Aber er hat Eines hinzuzusetzen vergessen: Der edle Seher, der diese Prophezeiung verkündet, hat dieselbe mit seinem Herzblute besiegelt. So sprang Curtius in den Abgrund, um sein Vaterland zu retten – Széchenyi ein Heiliger. Dem „Journal des Débats“ passirt in einer der Mai-Nummern des Jahres 1848 etwas Menschliches – wie denn dergleichen Menschlichkeiten den französischen Journalen in Schilderung fremdländischer Zustände und Personalien gerade nicht selten unterlaufen. Also gedachtes „Journal des Débats“ macht den Grafen Stephan Széchenyi zu einem Heiligen, verführt durch das vor dessen Namen stehende St. (Stephan, Étienne) nennt es ihn Saint-Széchenyi. Näher betrachtet sieht die Sache gar nicht so schlimm aus, da die Vorsilbe Szent sich vor vielen ungarischen Familiennamen befindet, wie: Szent-Györgyi, Szent-Ilonay, Szent-Iványi, Szent-Jóbi, Szent-Király, Szent Mártoni, Szentpetere, Szent-Simonyi u. s. w., wie es denn auch in Frankreich viele Namen gibt, denen das Saint vorangeht, wie Saint-Aulaire, Saint-Julien, Saint-Genois, Saint-Georges, Saint-Hilaire, Saint-Just, Saint-Marc, Saint-Severin, Saint-Simon und noch viele andere. – Sectionsbefund der Leiche Széchenyi’s. Die „Wiener medicinische Wochenschrift“ theilte über die Section der Leiche Széchenyi’s folgenden Befund mit: „Der Schuß wurde an dem inneren Winket des rechten Auges angebracht und verursachte vollständige Zertrümmerung des Schädeldaches, linkerseits herabreichend bis zum Oberkiefergerüste; die Trümmer des Schädels lagen zerstreut im Zimmer, die Hirnsubstanz [289] bedeckte zum Theil die linke Gesichtshälfte, zum Theil ward sie an den Wänden und Möbeln klebend gefunden; in der Gehirnmasse fand man als Schußmaterial feinkörnige Schrote; beide Augäpfel waren aus ihren Höhlen herausgetrieben; die Lungen blutreich, ödematös, das Herzfleisch schlaff und mürbe; unterhalb der Cardia auf der Magenschleimhaut aufsitzend, befand sich ein kirschgroßes Fibroid; die rechte Niere bedeutend hypertrophirt, ihre untere Hälfte mit zahlreichen nuß- bis eigroßen Cysten besetzt; endlich fand sich außer der beiderseitigen Hernia libera nichts Abnormes vor; die linke Hand war vom Pulver geschwärzt. – Széchenyi’s Schloß und Gruft. Abbildungen des Schlosses Zinkendorf im Oedenburger Comitate, wo Graf Széchenyi vor seiner Uebersiedlung in die Privat-Irrenanstalt zu Döbling wohnte, wie der daselbst befindlichen Familiengruft, brachte das Pesther illustrirte Journal: „Vasárnapi ujság“ 1858, Nr. 45, S. 533. – Aus einem Condolenzschreiben über Széchenyi’s Tod. Eine ungarische Celebrität richtete nach Széchenyi’s Tode an die Familie desselben ein Condolenzschreiben, in welchem eine Stelle lautet: „Trauernd steht das Vaterland vor dem Grabe eines so ausgezeichneten Patrioten, dem es so unendlich viel zu danken hat, dem es aber nie das Verbrechen verzeihen kann, einen Széchenyi erschossen zu haben“. – Széchenyi’s Schlafstuhl in der Döblinger Privat-Irrenanstalt. Eine Zeichnung desselben brachte „Vasárnapi ujság“ 1860, Nr. 24, S. 285 mit der Unterschrift: „Gróf Széchenyi István hálószobája Döblingben“. – Der Secretär des Grafen Széchenyi. Der Secretär Namens Kiss stand dem Grafen schon vor 1848 nahe und genoß dessen ganzes Vertrauen. Im Sturme der darauf folgenden Ereignisse aber verlor er die Gunst seines Herrn, in Folge dessen er sich als Erzieher, sowie als Corrector bei dem „Budapesti Hirlap“ forthelfen mußte. Wenige Monate vor der Katastrophe, welche über den Grafen hereinbrach, beschied ihn derselbe wieder zu sich. So freudig er im ersten Augenblick diese Berufung aufnahm, so kurz war dieses Gefühl, das bald dem Eindrucke trüber Ahnungen wich, deren er sich nicht erwehren[WS 4] konnte und die ihn auch nicht mehr verließen. In der That verwirklichten sich dieselben: denn durch den Selbstmord Széchenyi’s wurde der Secretär so erschüttert, daß er bald darauf in Wahnsinn verfiel und der Obhut des Irrenarztes anvertraut werden mußte. [Pesther Lloyd, 1860, Nr. 90, in der Rubrik „Tagesneuigkeiten“. – Presse, 1860, Nr. 106]. – Die Tobsüchtige in der Matratzenburg. Diese Unglückliche, das Kind armer Eltern, verliebte sich als Mädchen in den als junger Huszarenofficier nach der Schlacht bei Leipzig heimgekehrten Grafen. Gezwungen heiratete sie dann den reichen Pesther Kunsttischler Vogel. In einer glänzenden Abendversammlung, wie sie ihr Gatte öfter zu geben pflegte, kam bei ihr der Wahnsinn, und zwar gleich in Form von Tobsucht, zum Ausbruche. Der Graf hatte bis zu ihrer Erkrankung keine Ahnung von der Liebe dieser Frau, welche er nun, wie die poetisirende Fama erzählt, selbst nach jenem Döbling geleitet haben soll, in welchem er viele Jahre später sein tragisches Ende fand. Frau Vogel starb am 29. December 1874, 80 Jahre alt, in ihres Gatten Haus, in welchem das von ihr bewohnte Gemach ganz mit Matratzen austapezirt war, damit sie bei den Ausbrüchen ihrer Tobsucht nicht Schaden litt. Dieses Zimmer führte deshalb den etwas auffälligen, doch immerhin zutreffenden Namen der „Matratzenburg“. [Neue Freie Presse, 31 December 1874, Nr. 3716.]