Zum Inhalt springen

ADB:Tieck, Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Tieck, Ludwig“ von Wilhelm Bernhardi (Historiker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 251–276, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tieck,_Ludwig&oldid=- (Version vom 1. November 2024, 00:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Tieck, Friedrich
Nächster>>>
Tiedemann, Dietrich
Band 38 (1894), S. 251–276 (Quelle).
Ludwig Tieck bei Wikisource
Ludwig Tieck in der Wikipedia
Ludwig Tieck in Wikidata
GND-Nummer 12989432X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|38|251|276|Tieck, Ludwig|Wilhelm Bernhardi (Historiker)|ADB:Tieck, Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=12989432X}}    

Tieck: Johann Ludwig T. wurde am 31. Mai 1773 zu Berlin geboren, wo sein Vater das Handwerk eines Seilermeisters betrieb. Der Vater war ein verständiger und für seine Verhältnisse gebildeter Mann, der darauf bedacht war, seinen Kindern eine höhere Laufbahn zu erschließen. Er brachte den Sohn 1782 auf das Friedrich-Werder’sche Gymnasium, welches seit 1779 unter der Leitung [252] des bedeutenden Pädagogen Friedrich Gedike stand. Ludwig trat in die Quinta ein, gelangte 1788 im Alter von 15 Jahren nach Prima und blieb in dieser Classe vier Jahre bis Ostern 1792. Das von Gedike eingeführte Abiturientenexamen bestand er genügend, außer in der Mathematik, in welcher er vollständig unwissend war. Frühzeitig entwickelte sich in ihm eine Neigung zur dramatischen Litteratur; schon bevor er in die Schule kam, hatte er Goethe’s Götz gelesen. Alles dramatische, dessen er habhaft werden konnte, eignete er sich begierig an. An Belesenheit übertraf er seine Mitschüler bei weitem, dazu waren ihm schnelle Auffassung und Urtheilskraft eigen, in seinen deutschen Aufsätzen traten stilistische Gewandtheit und eine reiche Phantasie hervor. Doch fehlte es ihm an Methode und Stetigkeit; die Schulaufgaben wurden ihm oft langweilig, und er meinte wohl, seine Lehrer zu übersehen. Der Grund lag darin, daß er zu früh in Verbindungen gerieth, die seine Aufmerksamkeit von den Unterrichtsgegenständen abzogen und seinen Fleiß für die Schularbeiten beeinträchtigten. Ein Schulkamerad, Wilhelm Hensler, führte ihn in das Haus seines Stiefvaters, des Capellmeisters Reichardt ein. Hier wurde nicht nur Musik getrieben, sondern auch Theater gespielt, und bald ging der junge T., der für Schauspiele schwärmte, mit mehr Eifer daran, die Rollen für das Liebhabertheater auswendig zu lernen als die Aufgaben für die Schule. Dazu verschaffte ihm Reichardt ein Freibillet für das damals von Engel und Ramler geleitete Nationaltheater, und so wurde der junge Primaner ein ständiger Besucher des Schauspiels. Kunstgeschichtliche Anregungen, die aber auch der Schule fern lagen, empfing er durch Karl Philipp Moritz, den er ebenfalls durch Reichardt kennen lernte. Unter seinen Mitschülern waren es besonders Wilhelm Heinrich Wackenroder und Wilhelm v. Burgsdorff, mit denen er durch innige Freundschaft verbunden war. Schon auf der Schule begann T. sich in eigenen Dichtungen zu versuchen. Aus dem Jahr 1789 ist ein dramatisches Fragment, die „Sommernacht“, erhalten, welches die hingebende Verehrung des Verfassers für Shakespeare bekundet. Es wurde erst im J. 1851 durch E. v. Bülow im Rheinischen Taschenbuch veröffentlicht und in einem Sonderabdruck 1853 wiederholt (auch Nachgelassene Schriften II, 3–20). In das Jahr 1790 gehört „Das Reh“, ein Feenmärchen in vier Aufzügen, welches 1855 von Köpke in L. Tieck’s Nachgelassenen Schriften I, 21–75 herausgegeben wurde. In demselben Jahr schrieb er „Das Lamm“, Schäferspiel in zwei Acten; „Niobe“, Drama in einem Act; „Der Gefangene“, Dramatische Schilderung in zwei Acten. Außerdem beschäftigte er sich mit einem Trauerspiel „Anna Boleyn“. Alles dies und vieles andere aus den Jahren 1789 und 1790 ist ungedruckt. Einer der jüngeren Lehrer am Gymnasium, Rambach, ermunterte nicht nur den dichterischen Trieb des Primaners, sondern benutzte ihn auch als Gehülfen bei der Anfertigung von Ritter- und Räubergeschichten, die er veröffentlichte. So hat T. an der Geschichte des bairischen Hiesel und an einem Roman: Die eiserne Maske, mitgearbeitet. Doch auch zu einer selbständigen dramatischen Dichtung regte ihn Rambach an: „Allamoddin“, Schauspiel in drei Acten (Schr. XI, 269). Für den Lehrer des Englischen, Seidel, übersetzte er Theile von Middleton’s Leben des Cicero. Viele Lehrer machten sich die Begabung des Schülers nur dienstbar. Eine weit bedeutendere und zugleich fördernde Einwirkung auf seine Bildung und geistige Entwicklung übte A. F. Bernhardi aus, der gleichfalls zu den jüngeren Lehrern des Gymnasiums gehörte, nur vier Jahre älter als sein Schüler war, und bald aus seinem Lehrer sein Freund wurde. Nach Ablauf des Schulzeit, im Frühling 1792, bezog T., der durch Vermittlung des Vaters seines Freundes Wackenroder ein Stipendium erhalten hatte, die Unversität Halle, um dort angeblich Theologie zu studiren, mit der er sich jedoch in keiner Weise beschäftigte. Ueberhaupt [253] besuchte er sehr wenig Vorlesungen, außer bei F. A. Wolf. Die meiste Anziehung besaß wieder für ihn Reichardt, der Berlin verlassen hatte und in Giebichenstein bei Halle wohnte. Nur ein Semester blieb T. in Halle; im Herbst 1792 siedelte er zusammen mit seinem Freund v. Burgsdorff nach Göttingen über. Der Reichthum der dortigen Bibliothek an Werken der älteren englischen Litteratur verschaffte ihm genauere Kenntniß von Shakespeare und dessen Zeitgenossen. Ben Jonson begann ihn lebhaft zu interessiren, und er übersetzte dessen Volpone unter dem Titel „Die Fuchsprelle“ (Schr. XII, 1 unter dem Titel „Herr v. Fuchs“). Von eigenen Dichtungen entstand damals vornehmlich die Erzählung „Abdallah“ (Schr. VIII, 1), in welcher die orientalische Einkleidung nur als Maske für moderne Ideen, die ihren Ursprung aus Goethe’s Werther und Schiller’s Räubern herleiten, benutzt wird. Sie ist der Ausdruck von düsteren, ja verzweifelten Stimmungen, von denen T. öfters in seiner Jünglingszeit, besonders auch in Halle heimgesucht wurde. Auch das Trauerspiel „Der Abschied“ (Schr. II, 273), welches auf Bernhardi’s Wunsch, ein Stück mit nur drei Personen für eine Privataufführung zu besitzen, geschrieben wurde, sowie die Erzählung „Adalbert und Emma“ (Schr. VIII, 279 unter dem Titel „Das grüne Band“) sind im J. 1792 verfaßt worden. „Adalbert und Emma“ machte auf seinen Freund Wackenroder keinen günstigen Eindruck; er fand wenig Vortreffliches darin, wohl aber die deutlichsten Spuren der Flüchtigkeit (Holtei, Briefe an Tieck IV, 226); über den „Abschied“ dagegen schreibt er im Januar 1793 (a. a. O. S. 256): „Es hat mich gerührt, entzückt! Ganz in dem Goethenschen Geist des Werther’s, der Stella gedichtet! Ganz Gemählde, treuestes Gemählde der erhabenen, aetherischen und schwärmerischen Gefühle, die wir so manchesmal in den Stunden der Seligkeit mit einander wechselten.“ Ein Urtheil, welches allerdings zu günstig lautet und höchstens in Bezug auf Stella Gültigkeit beanspruchen dürfte. Von „Alladmoddin“, der „Fuchsprelle“ und dem „Abschied“ hatte Wackenroder Abschrift genommen und diese Stücke 1797 bei einem Verleger untergebracht. So erschienen sie zusammen in Leipzig 1798. Zu den frühesten poetischen Erzeugnissen gehört endlich „Almansur“, ein Idyll (Schr. VIII, 259), welches zu kurz war (18 S.), um besonders gedruckt zu werden, und daher von Bernhardi in seinen Roman Nesseln, den er 1798 unter dem Namen Falkenhayn herausgab, als Episode eingeschoben wurde. Daß sie nicht von dem Verfasser der Nesseln geschrieben ist, wird ausdrücklich hervorgehoben: das Manuscript rühre von seinem Vetter her. T. hatte auch geglaubt, daß Bernhardi den „Abschied“ für sein Werk ausgegeben hätte (so noch Köpke, L. Tieck I, 227), aber Wackenroder schreibt an T. am 5. März 1793 (Holtei, Briefe IV, 263): „Bernhardi hat sich nie der von Dir erwähnten List bedient, es für sein Werk auszugeben.“ – Einige Wochen vor Ostern 1793 verließ T. Göttingen, wo er auch die spanische Sprache erlernt hatte, und begab sich nach Berlin, um seinen Freund Wackenroder abzuholen, der zunächst in Erlangen juristischen Studien obliegen sollte. Sie brachten dort ein Sommersemester zu und besuchten auch fleißig die Umgegend. Vor allem übte Nürnberg auf sie einen nachhaltigen Einfluß aus, insbesondere auf Wackenroder, dessen schwärmerischer Sinn in altdeutscher Art und Kunst lebte und webte, und der seine Begeisterung auch auf seinen Freund übertrug. Im Herbst 1793 brachen beide nach Göttingen auf, wo sie die Universität ein Jahr lang besuchten. T. nahm seine Studien über die englische dramatische Litteratur von neuem auf, noch eindringender als bisher beschäftigte er sich mit Shakespeare; die Idee erfüllte ihn, über diesen größten aller Dichter ein großes Werk zu schreiben, dem eine Geschichte des älteren englischen Dramas als Einleitung vorangehen sollte. Seine Kenntniß des Dichters bewies er durch eine Abhandlung über „Shakespeare’s [254] Behandlung des Wunderbaren“ (Krit. Schr. I, 35), welche er für Schiller’s Thalia einschickte, die dort aber keine Aufnahme fand. Er gab sie dann 1796 mit einer Bearbeitung des Sturms von Shakespeare für das Theater heraus. Doch bemühte er sich später vergeblich, eine Aufführung dieser Bearbeitung in Berlin zu erreichen. Ebenso bezog sich auf Shakespeare die „Beurtheilung der Kupferstiche nach der Shakespeare-Galerie in London“ (Krit. Schr. I, 3), welche durch Heyne’s Vermittlung in der Bibliothek der schönen Wissenschaften 1794 gedruckt wurde. Neben diesen mehr wissenschaftlichen Versuchen beschäftigten ihn dichterische Hervorbringungen. Er arbeitete an einem Trauerspiel „Karl v. Berneck“ (Schr. XI, 1), an dem er jedoch fortwährend änderte und welches erst später (1797) abgeschlossen wurde. Seine Hauptthätigkeit aber galt einem Roman in Briefen: „William Lovell“ (Schr. VI und VII), dessen ersten Band er 1794 vollendet hatte. Den Stoff zu dieser Dichtung hatte er dem Paysan perverti von Rétif de la Bretonne (vgl. über diesen Krit. Schr. II, 385 f.) entnommen. „Das Bestreben“, sagt T. (Vorbericht zum VI. Bd. der Schriften S. XVI), „in die Tiefe des menschlichen Gemüthes hinab zu steigen, die Enthüllung der Heuchelei, Weichlichkeit und Lüge, welche Gestalt sie auch annehmen, die Verachtung des Lebens, die Anklage der menschlichen Natur: diese Aufgaben und finsteren Stimmungen, die nicht oberflächlich hingemalt sind, sondern mit Ernst aufgefaßt, waren wohl die Ursache, warum das Buch bei seinem Erscheinen nur wenige, späterhin aber viele Freunde und Leser fand … Menschenkenntniß, Leidenschaft, seltsame Situationen, große, ergreifende Momente, dies war das, dem der Verfasser fast unbedingt nachstrebte.“ „Lovell“ ist ein düsteres Gemälde, welches vielfach Aehnlichkeit mit „Abdallah“ aufweist und mit diesem denselben Mangel gemein hat, daß es mehr reflectirt als anschaulich geschrieben ist. Ueber seine Stimmung während der Abfassung schrieb T. am 31. März 1815 an Solger (Solger, Nachgel. Schr. I, 342): „Es (das Buch „Lovell“) ist das Denkmal, das Mausoleum vieler gehegten und geliebten Leiden und Irrthümer, aber als es gebaut ward, war der Zeichner und Arbeiter schon von diesen Leiden frei; ich war fast immer sehr heiter, als ich das Buch schrieb, nur gefiel ich mir noch in der Verwirrung.“ Von „Lovell“ war 1813 eine 2. Auflage erschienen. – Mit dem Schluß des Sommersemesters 1794 verließ T. Göttingen und die Universität. Ein Fachstudium hatte er nicht getrieben, einzig die Interessen der Litteratur hatten ihn erfüllt, er war entschlossen, sich der schriftstellerischen Laufbahn zu widmen. Den Wünschen der Eltern war dies ganz entgegen, der Vater hätte gern gesehen, daß der Sohn wenigstens einen akademischen Grad erlangt hätte. Aber schon von Göttingen aus hatte sich T. mit dem Haupt der von ihm so verachteten Berliner Aufklärung, mit Ch. F. Nicolai in Verbindung gesetzt, so daß er hoffen durfte, in Berlin von dem Ertrag seiner Feder leben zu können. Im Herbst 1794 befand er sich wieder in seiner Heimathstadt. Nicolai zeigte sich nicht nur bereit, den „Abdallah“ sowie andere Dichtungen von ihm in Verlag zu nehmen, sondern er überwies ihm auch eine Aufgabe, die ihn auf Jahre hinaus zu beschäftigen versprach. T. sollte die „Straußfedern“ fortsetzen, ein periodisch erscheinendes Buch voll neuer Erzählungen, welches von Musäus 1787 begonnen und von Johann Gottwerth Müller bis zum 3. Band weitergeführt war. T. ging auf das Anerbieten ein und hat von 1795–1798 fünf Bände dieser Sammlung herausgegeben. Anfänglich arbeitete er nach französischen Vorlagen die Erzählungen: „Das Schicksal“, „Die männliche Mutter“, „Die Rechtsgelehrten“. Da ihm aber diese Thätigkeit zuwider war und eigene Schöpfungen ihm weniger Mühe machten, so gab er, zuerst ohne Nicolai’s Wissen, fortan nur eigene Dichtungen. So erschienen in den Straußfedern: „Die Brüder“, „Der Fremde“, „Die beiden [255] merkwürdigsten Tage aus Siegmund’s Leben“, eine Erzählung, die Nicolai so gut gefiel, daß er an Tieck’s Autorschaft nicht glauben wollte, „Ulrich der Empfindsame“, „Fermer der Geniale“ (wurde 1837 ins Englische übersetzt), „Der Naturfreund“, „Die gelehrte Gesellschaft“, „Der Psycholog“, „Die Theegesellschaft“, „Die Freunde“, „Ein Roman in Briefen“, „Ein Tagebuch“, „Merkwürdige Lebensgeschichte Sr. Majestät Abraham Tonelli“. Mehrere Beiträge lieferte seine Schwester Sophie, einen Bernhardi. Obgleich Tieck’s Erzählungen in den Straußfedern meist nachlässig behandelte, leicht hingeworfene Geschichten ohne tieferen Gehalt sind, in denen vornehmlich die Berlinischen Verhältnisse satirisch dargestellt werden, so tritt in ihnen doch bereits das Geschick und die Fruchtbarkeit des späteren Novellendichters deutlich zu Tage. Fast alle diese Erzählungen wurden später in den XIV. und XV. Band der Schriften aufgenommen, nur „Die Brüder“ stehen VIII, 243, „Die Theegesellschaft“ VII, 141 und „Tonelli“ IX, 243. Und dies waren keineswegs die einzigen Arbeiten dieser Jahre. Im Berlinischen Archiv der Zeit und ihres Geschmacks erschien 1795 (Bd. I, 197–203 u. 298–308) ein Märchen: „Die Sühne. Eine Scene aus dem Mittelalter“ (Schr. XIV, 169 unter dem Titel „Die Versöhnung“). Durch die Vermittlung Bernhardi’s, der ein College Rambach’s, des Mitherausgebers des Archivs war, gelangte es in diese Zeitschrift. T. behauptete später (1828, Schr. XI, XXXV), daß ein Freund, d. h. Bernhardi, es für seine eigene Arbeit ausgegeben. Das Märchen ist aber mit F– –b unterzeichnet, während Bernhardi’s Sechs Stunden aus Fink’s Leben (Archiv 1796, I, 194–215 u. 354–372) die Chiffre G k haben. – In demselben Jahre gab T. anonym bei dem jüngeren Nicolai heraus: „Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten“, deren zweiter Theil 1796 erschien (Schr. XIV, 161 u. XV, 1). Den Stoff zu dieser Erzählung, welche dem älteren Nicolai ausnehmend gefiel, entlehnte der Verfasser einer französischen Novelle. Zu derselben Zeit führte er den „William Lovell“ zu Ende, dessen 2. und 3. Band 1796 erschien (der erste war 1794 gedruckt). Ferner arbeitete er an Dichtungen, die 1797 unter dem Titel: „Volksmährchen, herausgegeben von Peter Leberecht“ in 3 Bänden ebenfalls von dem jüngeren Nicolai verlegt wurden. Der erste Band enthielt den „Ritter Blaubart“, ein Märchen in vier Acten (später im Phantasus zu fünf Acten umgearbeitet, zuletzt Schr. V, 1), der zugleich in einer Sonderausgabe mit einem Prolog in Versen erschien. Die Schönheiten dieser Dichtung hob A. W. Schlegel rühmend hervor. Nicht minder pries er die Gewalt der Darstellung im „Blonden Ekbert“, einem von T. frei erfundenen Märchen (Schr. IV, 144). Endlich befand sich im 1. Band noch die „Geschichte von den Heymonskindern in zwanzig altfränkischen Bildern“ (Schr. XIII, 1) nach einem jener alten Volksbücher, die T. als eine Fundgrube der Poesie hochschätzte. Der 2. Band enthielt: „Wundersame Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter aus der Provence“ (Schr. IV, 292), in welcher er indeß den schlichten und treuherzigen Ton der Volksbücher nicht zu treffen vermochte, sowie den „gestiefelten Kater“ (Schr. V, 161). Der 3. Band bringt „Karl v. Berneck“, Trauerspiel in fünf Aufzügen (Schr. XI, 1, doch fehlt hier der Prolog). Die Idee zu dieser modernen Orestes-Tragödie war ihm auf einer Wanderung im Fichtelgebirge aufgetaucht, die er mit Wackenroder 1793 unternommen hatte. Ferner findet sich im 3. Bd. „Die denkwürdige Geschichte der Schildbürger in zwanzig lesenswerthen Capiteln“ (Schr. IX, 1). Zur Zeit ihres Erscheinens erregten die Volksmärchen, insbesondere „Blaubart“ und „Der gestiefelte Kater“ Aufmerksamkeit und fanden reichen Beifall; in einer Recension lobte A. W. Schlegel den Verfasser, der ihm damals persönlich nicht bekannt war, als einen Dichter im eigentlichen Sinn, einen dichtenden Dichter. Jedermann wollte den „gestiefelten Kater“ [256] lesen, der auch in einer Sonderausgabe mit dem Zusatz auf dem Titel: Aus dem Italienischen. Erste unverbesserte Auflage. Bergamo 1797. Auf Kosten des Verfassers, erschien. Binnen kurzer Zeit wurden zwei Auflagen vergriffen, und der Herausgeber der Volksmärchen, dessen wirklicher Name nicht bekannt war, wurde ein berühmter Autor. Heute hat eine Dichtung, wie „Der gestiefelte Kater“, nur noch litterarhistorische Bedeutung, weil ihr eigentlicher Reiz vornehmlich in satirischen Anspielungen auf Verhältnisse der Zeit ihrer Veröffentlichung beruht, es handelt sich um das Theater und die Kritik jener Tage, um vorübergehende Erscheinungen, denen die späteren keine allgemeine Theilnahme mehr abzugewinnen vermögen. Iffland und Kotzebue, und das Gefallen, welches das Publicum an ihren rührseligen Erzeugnissen fand, sind Gegenstand des Spottes. In ähnlicher Weise ist „Die verkehrte Welt“ (Schr. V, 283) geschrieben, deren Verlag sowohl Nicolai wie Unger ablehnten, und die endlich, um nur in die Oeffentlichkeit gelangen zu können, woran dem Verfasser, der gerade diese Dichtung besonders hochschätzte, viel mehr gelegen war, als er später (vgl. Vorbericht zum 1. Bd. der Schriften S. XXIV) zugeben mochte, von Bernhardi in die Bambocciaden II, 103 ff. (1799) als eine Schrift ihres Herausgebers aufgenommen werden mußte. Auch in diesem fünfactigen Stück bildet das damalige Theater den ausschließlichen Mittelpunkt des Interesses. Endlich behandelte T. zu jener Zeit das Märchen vom Blaubart in der Form einer satirisch-humoristischen Erzählung: „Die sieben Weiber des Blaubart, eine wahre Familiengeschichte, herausgegeben von Gottlieb Färber. Istambul bei Heraclius Murusi, Hofbuchhändler der hohen Pforte; im Jahre der Hedschrah 1212“ (Schr. IX, 83). Das Buch wurde auf Anregung des Verlegers, des jüngeren Nicolai geschrieben und sollte, wie der Verfasser später erörterte (Vorbericht zum 6. Bd. der Schriften, S. XXV), „ein Tummelplatz für Schalkheit, Spaß, seltsame Begebenheiten, ja Kritik in dieser bizarren Form und Selbstparodie des Dargestellten werden. Aber jene Laune, die die Fäden eingeschlagen hatte, ermattete, und statt des bunten Teppichs, den er sich vorgesetzt hatte, war der Weber nachher zufrieden, wenn nur ein schlichtes und ziemlich einfaches Muster herauskam“. Der Humor ist oft gesucht und künstlich, so z. B. wenn eines der Weiber eine Theegesellschaft für Damen gibt u. dgl. m. Aber wenngleich es nicht an Mängeln in dieser und in den vorher erwähnten Schriften fehlt, der Scherz bisweilen frostig, das Tragische nur gräßlich erscheint und die Ausführung nicht selten überhastet ist, so muß doch die Fülle der Phantasie, der Reichthum der Erfindung, die Leichtigkeit der Hervorbringung, die Flüssigkeit der Sprache, trotz einiger Incorrectheiten, die mit unterlaufen, das Geschick in der Anordnung des Stoffes, welches in mehreren Erzählungen hervortritt, Ueberraschung und Bewunderung eines so fruchtbaren Talents hervorrufen. Auch muß man sich gegenwärtig halten, daß der Verfasser diese zahlreichen Schriften in dem jugendlichen Lebensalter seines 21.–25. Jahres veröffentlichte. Außderdem arbeitete er während dieser Zeit an Werken, die erst später herauskamen, und betheiligte sich zugleich an der litterarischen Thätigkeit seines Freundes Wackenroder, dem der juristische Beruf keinerlei Befriedigung gewährte. Auf diesen hatte die ältere deutsche Kunst, wie er sie in Nürnberg kennen gelernt hatte, den tiefsten Eindruck gemacht, und er hatte den Empfindungen seines tiefen und innigen Gemüths in einigen Abhandlungen Ausdruck verliehen, welche 1797 von T. anonym unter dem von Reichardt vorgeschlagenen Titel: „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ mit einer Vorrede herausgegeben wurden. Eine spätere Titelausgabe nennt als Verfasser T. und Wackenroder, weil ersterer einige Abschnitte und Gedichte von sich eingefügt hatte. Ferner veröffentlichte T. aus Wackenroder’s Nachlaß, der 1789 starb, „Phantasien über die Kunst [257] für Freunde der Kunst“ 1799. Die größere Hälfte der Aufsätze gehört T., der sie aber ebensowenig wie die Beiträge zu den „Herzensergießungen“ später in die Sammlung seiner Schriften aufnahm, weil sie fast ausschließlich auf Wackenroder’s Anregungen beruhen. Im Geiste Wackenroder’s und unter dessen Einwirkung schrieb T. den Roman „Franz Sternbald’s Wanderungen, eine altdeutsche Geschichte“ (Schr. XVI), die 1798 erschien. Er selbst sagt im Nachwort: „Nach diesem Buche (den „Herzensergießungen“) hatten wir uns vorgenommen, die Geschichte eines Künstlers zu schreiben, und so erstand der Plan zu gegenwärtigem Roman. In einem gewissen Sinn gehört meinem Freunde ein Theil des Werkes, ob ihn gleich seine Krankheit hinderte, die Stellen wirklich auszuarbeiten, die er übernommen hatte. Der Leser verliert gewiß viel dabei, daß ich es ohne seine Beihülfe zu Ende führen muß.“ Bei der vielfach veränderten Ausgabe in den Schriften (1843) ließ T. dies Nachwort weg und fügte ein anderes hinzu, in dem er sagt: „Aus jener Nachrede haben viele Leser entnehmen wollen, als wenn mein Freund Wackenroder wirklich theilweise daran geschrieben hätte. Dem ist aber nicht also. Es rührt ganz, wie es da ist, von mir her, obgleich der „Klosterbruder“ hie und da anklingt. Mein Freund ward schon tödtlich krank, als ich daran arbeitete.“ Schon bei seinem ersten Erscheinen fehlte dem Roman der Schluß, und T. hat ihn auch nicht in der neuen Ausgabe hinzugefügt, sondern nur mit wenigen Worten die weitere Entwicklung angedeutet. Die Aufgabe des Romans war, die Ideen des „Klosterbruders“ lebendig in die Anschauung treten zu lassen. Auf die Anlage des Ganzen hat Goethe’s Wilhelm Meister in unverkennbarer Weise eingewirkt. Noch verdient hervorgehoben zu werden, daß T. mit diesem Werk zuerst – abgesehen von der Bearbeitung Shakespeare’s „Sturm“ für das Theater – als Verfasser unter seinem eigenen Namen auftrat. – Im J. 1799 erschien eine Dichtung, die ihn drei Jahre hindurch beschäftigt hatte: „Prinz Zerbino oder die Reise nach dem guten Geschmack. Gewissermaßen eine Fortsetzung des „gestiefelten Katers“. Ein deutsches Lustspiel in sechs Aufzügen.“ Ein sehr umfangreiches Stück, welches in den Schriften den ganzen 10. Band (381 S.) füllt. Es ist, abgesehen von einer idyllischen Episode, die, wie Goethe sogleich bemerkte, sich leicht herausschälen läßt, eine Satire gegen die Aufklärung und ihre Vertreter. „Was wir mit dem Worte Aufklärung bezeichnen“, bemerkte T., indem er von der Entstehung des „Zerbino“ Nachricht gibt (Vorbericht zum 6. Band der Schriften S. XXXI ff.), „im schlimmen oder tadelnden Sinn, war von Berlin aus vorzüglich verbreitet worden, jene Seichtigkeit, die ohne Sinn für Tiefe und Geheimniß alles, was sie nicht fassen konnte und wollte, vor den Richterstuhl des sogenannten gesunden Menschenverstandes zog.“ Die Häupter der Aufklärung in Berlin treten darum besonders hervor; wenigstens die Zeitgenossen erkannten in Nestor den Buchhändler Nicolai, obwohl T. 30 Jahre nachher (1828 im Vorbericht zu Bd. 6, S. XXXIX) bestritt, daß es seine Absicht gewesen sei, Nicolai oder irgend ein Individuum bestimmt nachzuzeichnen. Stallmeister, der Hund (Tieck’s Freund v. Burgsdorff besaß einen Hund dieses Namens), wurde für Gedike gehalten, Polykomicus für Kotzebue, Jeremias für Iffland; Gines bedeutete Gentz, Schalk den Satiriker Falk, ein Poet den Versemacher Schmidt-Werneuchen, Veit ist Veit-Weber, der große Geselle ist Große, Fontaine ist Lafontaine, der Müller ist Gottwerth Müller, Cramer, Spieß, Starcke, Feßler, Püster u. a. werden genannt, Herder’s Parabeln und Engel’s Philosoph für die Welt u. a. werden verspottet. Es ist klar, daß man beim Lesen des „Zerbino“ eines Commentars bedarf, und schon bei Tieck’s Lebzeiten wurde dies nothwendig, wie dies daraus erhellt, daß er selbst in dem Vorbericht um 6. Bd. eine Anzahl Stellen erläutert. [258] Die Dichtung hat nur noch für den Litterarhistoriker Interesse. Sie wurde einzeln und zugleich im ersten Band der „Romantischen Dichtungen“ herausgegeben, welcher außerdem noch den „getreuen Eckart“ und den „Tannenhäuser“ (Schr. IV, 172) enthielt. Die „Romantischen Dichtungen“ erschienen 1799 u. 1800 bei Frommann in Jena, da sich T. mit Nicolai überworfen hatte. Seine persönlichen Verhältnisse hatten sich überhaupt geändert. Nicht lange nach seiner Ankunft in Berlin hatte er das elterliche Haus verlassen und mit seinem Bruder Friedrich, der sich zum Bildhauer ausbildete, und seiner Schwester Sophie, die sich als Schriftstellerin versuchte, eine eigene Wohnung gemiethet. Doch lebten die Geschwister nur einige Jahre zusammen, da sich Ludwig T. im J. 1798 mit Amalie Alberti, der Tochter eines Predigers in Hamburg, vermählte, welche er schon als Gymnasiast in Reichardt’s Hause, dessen Verwandte sie war, kennen gelernt hatte. Um ihrer willen war er von Göttingen über Hamburg nach Berlin zurückgekehrt und hatte sich mit ihr bereits 1796 verlobt. Aus dieser Ehe hatte er in der zweiten Hälfte des Jahres 1799 eine Tochter, Dorothea. Kurz darauf, im October 1799 übersiedelte er mit seiner Familie nach Jena. Sein Bruder Friedrich war 1797 nach Paris gegangen, und seine Schwester 1799 an Bernhardi verheirathet. Außerdem bestimmte ihn zu dieser Ortsveränderung auch die Freundschaft, die er mit den beiden Schlegel geschlossen hatte. Den jüngeren, Friedrich, hatte er bereits 1796 kennen gelernt, der ältere, der für Tieck’s poetische Erzeugnisse die lebhafteste und anerkennendste Theilnahme bewies, war 1798 auf einige Zeit nach Berlin gekommen und mit dem Dichter alsbald in den innigsten Verkehr getreten. Er meinte in ihm einen zweiten Goethe zu finden. So sagt er in einem Brief, der noch vor der persönlichen Bekanntschaft geschrieben ist (Holtei, Briefe an Tieck III, 226): „Im blonden Ekbert fand ich ganz die Erzählungsweise Goethe’s in seinem Märchen im W(ilhelm) M(eister) u. s. w. Sie haben sich diesen reizenden Ueberfluß bei gleicher Klarheit und Mäßigung auf eine Art angeeignet, die nicht bloß ein tiefes und glückliches Studium, sondern ursprüngliche Verwandtschaft der Geister verräth. So auch mit den Liedern. Man hätte mich mit einigen davon täuschen können, sie wären von Goethe.“ Und bei Besprechung der „Magelone“ meint er in demselben Brief (S. 227): „Doch sind die Lieder allerliebst, und auch einige Stellen der Erzählung, z. B. den Traum S. 185, 186 könnte Goethe ebenso geschrieben haben.“ Schlegel wünschte für sein Athenaeum Beiträge von T., die dieser auch versprach, aber nie lieferte. Nur ungern beschäftigte er sich mit kritischen Arbeiten, und wenn er Recensionen schrieb, scheute er sich doch, sein Urtheil öffentlich zu vertreten. So erschien im Berlinischen Archiv der Zeit 1796 I, 194–215 eine Recension: „Die neuesten Musenalmanache“ mit G k unterzeichnet, und 1798 I, 301–336 eine zweite: „Die diesjährigen Musenalmanache und Taschenkalender“ mit Morose unterzeichnet. Sie sind beide von T., und von ihm in die Krit. Schr. I, 75 und 98 aufgenommen. Er behauptet dort S. 90: „Uebrigens nahmen Mayer und Rambach … diese Aufsätze als von Bernhardi kommend in ihr Journal auf.“ Und Schr. XI, S. XXXVI sagt er: „Für jenen Freund und im Namen desselben habe ich nachher noch einige kritische Aufsätze in jener Monatsschrift (dem Archiv) gegeben.“ Man hat daraus geschlossen, daß Bernhardi diese Recensionen für seine Arbeit ausgegeben hätte, was aber mit nichten der Fall war. Diese Artikel sind anonym erschienen, kein Leser konnte auf Bernhardi fallen, dessen Vermittlung T. wünschte, um nicht genannt zu werden. – In Jena fand T. die vielseitigste Anregung. Seine Familie und die Schlegel’sche bildeten gleichsam einen Hausstand. Er lernte Fichte, Schelling, Brentano kennen. Von Bedeutung wurde die Freundschaft mit dem jungen Hardenberg (Novalis), in welchem er einen Ersatz für Wackenroder [259] gewann. Gleich nach der ersten Begegnung wurden ihre gegenseitigen Beziehungen sehr inniger Natur. T. veranlaßte den Freund, sich mit Jakob Böhme’s Morgenröthe zu beschäftigen, auf die er selbst vor kurzem gestoßen war, und die einen tiefen Eindruck in ihm hinterließ. In Jakob Böhme meinte er einen tiefsinningen Philosophen, der zugleich von Poesie erfüllt sei, gefunden zu haben. Auch mit Herder, Goethe und Schiller trat er in persönliche Berührung, ohne daß sich indeß ein näheres Verhältniß gebildet hätte. Herder blieb kühl und ablehnend. Goethe zeigte sich nachsichtig und ermunternd. Als ihm T. seine neueste Dichtung „Leben und Tod der heiligen Genoveva“, ein Trauerspiel (zuerst Romantische Dichtungen II, 2 ff., 2. Ausgabe Berlin 1821, zuletzt Schr. II, 1), zu der ihm das Volksbuch von der Pfalzgräfin Genoveva die Idee gegeben hatte, vor dem Druck an zwei Abenden vorlas, empfing Goethe einen günstigen Eindruck. Er sagt (Tag- und Jahreshefte 1799): „Tieck las mir seine Genoveva vor, deren wahrhaft poetische Behandlung mir sehr viel Freude machte und den freundlichsten Beifall abgewann.“ Schiller äußert sich mehrmals über T. in seinen Briefen an Körner. So sagt er einmal (IV, 151): „Er (Tieck) hat einen angenehmen romantischen Ton und viele gute Einfälle, ist aber doch zu hohl und dürftig. Ihm hat die Relation zu den Schlegel’s viel geschadet.“ – Und ein anderes Mal (IV, 201), nachdem er Körner’s günstiger Meinung über Genoveva zugestimmt hat, in der dieser echtes poetisches Talent fand, sowie Phantasie, inniges Gefühl und ziemliche Gewandtheit in Sprache und Versification, fährt er fort: „Er ist eine sehr graziöse, phantasiereiche und zarte Natur; nur fehlt es ihm an Kraft und an Tiefe und wird ihm stäts daran fehlen. Leider hat die Schlegel’sche Schule schon viel an ihm verdorben; er wird es nie ganz verwinden.“ In einem dritten Brief (IV, 211) heißt es: „Genoveva ist als das Werk eines sich bildenden Genies schätzbar, aber nur als Stufe; denn es ist nichts Gebildetes und voll Geschwätzes wie alle seine Producte. – Es ist schade um dieses Talent, das noch so viel an sich zu thun hätte und schon so viel gethan glaubt: ich erwarte nichts Vollendetes mehr von ihm … Tieck besitzt übrigens viel litterarische Kenntnisse, und sein Geist scheint mir wirklich genährter zu sein, als seine Werke zeigen, wo man das Bedeutende und den Gehalt noch so sehr vermißt.“ Hätte T. diese Ansichten Schiller’s gekannt, so wäre er wohl schwerlich zu dem Glauben gelangt, er hätte durch seine „Genoveva“ Schiller beeinflußt. So schrieb er am 30. Januar 1817 an Solger (Solger, Nachgel. Schr. I, 501): „Vielleicht haben Sie die Genoveva später gelesen, wie manches, was durch sie gewissermaaßen entstanden ist; denn Maria Stuart, die Jungfrau von Orleans, die Werner’schen Thorheiten und das Heer jener katholischen Dichter, die nicht wissen, was sie wollen, sind alle später.“ Und im Vorbericht zum 1. Band seiner Schriften sagt er (S. XXXII): „Und ich irre wohl nicht, wenn der Dichter dieses Werks (Wallenstein) zu einigen Stellen der Maria Stuart, die bald darauf erschien, sowie zu der Jungfrau von Orleans zum Theil durch die Genoveva ist angeregt worden.“ – Trotz des freundschaftlichen Umgangs mit A. W. Schlegel hegte dessen Frau Caroline keine große Verehrung für T. So schreibt sie an ihren Mann am 6. Juli 1801 (Caroline, Briefe herausg. von Waitz II, 121): „Er gehört zu der Classe der Nebler und Schwebler“ (ein Ausdruck Goethe’s in: Der Sammler und die Seinigen, Brief 8, Abth. 2). Und am 10. December 1801 schreibt sie an denselben (Briefe II, 151), daß Friedrich Tieck nichts von den Nücken und Tücken des anderen hätte. – Außer der „Genoveva“ enthielt der 2. Band der Romantischen Dichtungen noch „Leben und Tod des kleinen Rothkäppchens“ (Schr. II, 327) und „sehr wunderbare Historie von der Melusina“ (Schr. XIII, 67). Ferner gab er in Jena bei Fromman 1800 ein „Poetisches Journal“ [260] heraus, von welchem jährlich vier Lieferungen erscheinen sollten. Aber schon nach der zweiten ging es aus Mangel an Abnehmern ein. In dieser Zeitschrift nahm T. einen Anlauf zu seinem Werke über Shakespeare, indem er „Briefe über Shakespeare“ (wiederholt Krit. Schr. I, 133) drucken ließ, welche jedoch über ihren eigentlichen Gegenstand sehr wenig enthalten. In demselben Journal veröffentlichte er eine Uebersetzung von Ben Jonson’s „Epicoene oder das stumme Mädchen“ (Schr. XII, 155), sowie einige satirische Stücke: „Das jüngste Gericht, eine Vision“ (Schr. IX, 339) und „Der neue Hercules am Scheidewege“ (Schr. XIII, 267 unter dem Titel: „Der Autor“). Diese Dichtung, welche wiederum gegen die Aufklärung gerichtet ist und in der Nicolai unter der Maske des alten Mannes auftritt, enthält Tieck’s poetisches Programm. Altfrank, als Vertreter und Verkündiger des Edlen der verkannten alten Zeit, sagt zum Autor, d. h. zu Ludwig T. (Schr. XIII, 323):

Und willst mal recht in die Tiefe schauen,
In allen Sinnen dich erbauen,
Den Wein des Lebens schlürfen ein,
So recht im Frühling heimisch sein,
Wo aus allen Blüthen Nachtigallen
Und tausendfach Gesänge schallen,
Unendlichfach die Geister quallen,
So hab’ ich dir ja ein Buch erschlossen,
Wo schon manch Himmelsstunde hast genossen,
So gab ich dir außer Goethe
Auroram, jene Morgenröthe
Von jenem tief verkannten Helden,
Der in sich trug so viele Welten,
Des heilger unentweihter Mund
Der Gottheit Tiefe hat verkundt,
Den großen Deutschen Jacob Böhme.

Und weiter räth Altfrank dem Autor (S. 327):

Wenn dir die neue Zeit nicht gefällt,
So gedenk der braven alten Welt.
Mit Andacht geh zu den alten Ruinen,
Die auf den hohen Bergen verwittern,
Sie schaun dich an mit wehmüthigen Mienen,
Und erzählen dir von Thaten und Rittern:
Besuche zumal die Wald Capellen,
Wo sich heilge Geschichten vor dich stellen,
Die alte katholische Religion,
Als sie noch schmückte ihren Thron,
Als schöner Eifer die Welt durchströmte,
Ein seelger Tod die Märtyrer krönte,
Als deutsche Freiheit noch stolzierte,
Vor ganz Europa hell prachierte,
Das alles magst du kühnlich preisen,
Verkündigen in vollen Weisen,
… Willst du ein Deutscher sein geacht’t.
Verkünd der Deutschen Stolz und Macht. –

Endlich befinden sich im peotischen Journal 20 Sonette an verwandte und befreundete Personen, die später zum größten Theil in die Sammlung seiner Gedichte aufgenommen wurden. Auch arbeitete er in Jena die Uebersetzung von Cervantes’ Don Quixote (4 Theile, Berlin, Unger, 1799–1801) zu Ende, die er bereits 1798 angefangen hatte. Von dieser Uebersetzung berichtete er später am 1. September 1815 an Solger (Solger, Nachgelassene Schr. I, 374): „Mit der unbrauchbarsten Ausgabe, dem schlechtesten Wörterbuch, nachdem ich seit vielen Jahren kein Spanisch gelesen, unternahm ich damals diese Uebersetzung“. – Ende 1800 verließ er Jena und begab sich zunächst nach Hamburg, wo er ein ihm bisher unbekanntes Volksbuch über den Kaiser Octavian auffand. Er [261] ging dann wiederum nach Berlin, wo er einen ärgerlichen Streit mit Iffland hatte. Schon 1798 hatte er Grund gehabt, mit ihm unzufrieden zu sein, weil er eine Oper Tieck’s „Das Ungeheuer und der verzauberte Wald“ (Bremen 1800, Schr. XI, 145) für die Aufführung angenommen hatte, sobald sie von Reichardt componirt wäre, später indeß wieder ablehnte. Jetzt aber machte Iffland ihn und seine Freunde auf der Bühne lächerlich. T. verfaßte hierüber eine polemische Schrift, ließ sie aber nicht drucken. Es sind dies die nicht ganz abgeschlossenen „Bermerkungen über Parteilichkeit, Dummheit und Bosheit“ (Nachgel. Schr. hsg. v. Köpke II, 35, wo aber S. 77 Walker für Walter und S. 78 Bilderstürmer statt Sittenstürmer, sowie Clorinde statt Lorraine zu lesen ist). Es ist erklärlich, daß unter solchen Umständen ihm der Aufenthalt in Berlin nicht gefiel; er wechselte wiederum und zog im Frühjahr 1801 nach Dresden. Aber er fühlte sich unglücklich und vermochte wenig zu arbeiten. Am 25. März desselben Jahres starb sein Freund Hardenberg, dessen litterarischen Nachlaß er mit Fr. Schlegel unter dem Titel „Novalis’ Schriften“ (2 Bde., 1802) herausgab. T. schrieb die Vorrede und gab als Anhang zum 1. Bande eine Uebersicht davon, wie Novalis die Forstsetzung des Ofterdingen geplant hatte. Diese Ausgabe fand vielen Beifall, 1837 erschien die 5. Auflage. Einen 3. Band mit Nachträgen ließ T. 1846 durch E. v. Bülow besorgen. – Außer Novalis’ Tod hatte er im J. 1801 noch einen anderen Verlust zu tragen; innerhalb einer Woche starben beide Eltern, erst die Mutter, dann in der Nacht vom 23. auf den 24. April (vgl. Caroline, Briefe II, 215) der Vater. – In Dresden schrieb er die düstere Erzählung „Der Runenberg“ (Schr. IV, 214), welche aus den naturphilosophischen Anregungen, die er damals durch den Umgang mit Steffens erhielt, hervorgegangen ist und 1802 in dem zu Köln erschienenen Taschenbuch für Kunst und Laune gedruckt wurde. In demselben Jahr gab er mit A. W. Schlegel, der die Hauptarbeit leistete (vgl. Schlegel’s Briefe an Tieck bei Holtei III, 262 bis 272), einen Musenalmanach bei Cotta in Tübingen heraus. T. lieferte als Beiträge eine schon früher verfaßte Romanze „Die Zeichen im Walde“ und „Lebenselemente“ (Gedichte I, 22 u. 122). Mehr gaben die beiden Schlegel; auch Bernhardi, dessen Frau Sophie und Schelling (Bonaventura) waren vertreten. T. war damals mit einem Werk beschäftigt, an welchem er 2 Jahre arbeitete. Es war auf Grund jenes Volksbuchs entstanden, welches er in Hamburg gefunden hatte. „Kaiser Octavianus, ein Lustspiel in 2 Theilen“ (Schr. I, 1) erschien zuerst 1804 in Jena. Was er und seine Freunde unter romantischer Poesie oder vielmehr Poesie überhaupt verstanden, zeigte sich in dieser Dichtung verkörpert. Die Poesie muß in der Welt des Mittelalters lebendig gemacht werden. „Von Calderon für die allegorische Poesie begeistert“, sagt T. (Vorbericht zu den Schr. Bd. I, XXXVIII f.), „versuchte ich es in diesem wundersamen Mährchen zugleich meine Ansicht der romantischen Poesie allegorisch, lyrisch und dramatisch niederzulegen. Der Prolog (der Aufzug der Romanze) war bestimmt, diese Absicht deutlich anzukündigen und die Romanze hier und im ersten Theil des Gedichtes, sowie Felicitas und die schöne Türkin in der zweiten Hälfte, sollten in Poesie und als lebende Personen, umgeben von anderen poetischen Charakteren, außer ihren Schicksalen zugleich die dichterische Ansicht der Poesie und Liebe aussprechen. Ebenso zieht sich die Allegorie und das Bild der Rose und Lilie durch das Gedicht.“ Die Romanze wird dargestellt als das Kind des Glaubens und der Liebe, letztere wieder als ein Sproß eines Eremiten und der Venus, welche jedoch keinen Einfluß auf die Erziehung der Liebe gewinnen sollte und darum in der Felsenklüfte Spalten eingeschlossen wurde. Glaube und Liebe haben als Diener und Dienerin den Scherz und die Tapferkeit. Der Prolog schließ mit der bekannten Strophe:

[262] Mondbeglänzte Zaubernacht,
die den Sinn gefangen hält,
wunderbare Märchenwelt
steig’ auf in der alten Pracht.

Diese Strophe wird am Schluß des ganzen Werks glossirt. Das Stück selbst besteht aus zwei Theilen, deren erster einen einzigen Aufzug bildet (nicht fünf Acte, wie Haym, Romantische Schule, S. 855, irrig bemerkt), während der zweite Theil in fünf Aufzüge geschieden ist. Alle möglichen Versarten, besonders spanische nach Calderon’s Vorbild und italienische, Sonette, Terzinen und Ottaven werden angewendet, auch der Reimvers des Hans Sachs fehlt nicht. „Es schien mir gut“, sagt T. im Vorbericht zum 1. Band seiner Schriften (S. XXXIX), „fast alle Versmaaße, die ich kannte, ertönen zu lassen bis zu der Mundart und dem Humor des Hans Sachs, so wie mir auch die Prosa unerlaßlich schien, um den ganzen Umkreis des Lebens und die mannichfaltigsten Gesinnungen anzudeuten“. Weiterhin (a. a. O. S. XLI) gibt er den Grund, aus dem Octavian die erste Stelle in seinen Werken einnimmt: „Ich stelle dieses Gedicht darum an die Spitze der ganzen Sammlung (meiner Schriften), weil es meine Absicht in der Poesie am deutlichsten ausspricht“. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß Octavian nicht minder wie Blaubart, Zerbino, Genoveva und andere Dichtungen eine hervorragend poetische Begabung, reiche Phantasie, zartes Empfinden, erhebliche Gewandtheit in der Behandlung der Sprache bekunden. Wie die übrigen Dichtungen ist auch Octavian reich ausgestattet mit vielen einzelnen schönen Stellen, durch die der Leser betroffen und gerührt wird, auch die komischen Scenen sind oft vorzüglich gelungen, allein ebenso wie im Zerbino oder in der Genoveva werden die Schönheiten gleichsam erstickt durch eine Fülle des Unnöthigen; die fortwährenden Veränderungen des Schauplatzes, die zu absichtlich hervorgehobenen Gegensätze, die zu zahlreichen Personen, von denen man eine über der anderen vergißt, lassen es zu einem wirklichen Genuß, in welchem man sich trotz aller Einzelheiten doch des Ganzen bewußt bleibt, gar nicht kommen. Es ist, möchte man sagen, eine künstliche Unordnung darin. Der Leser wird in einzelne Stimmungen der Sehnsucht, Trauer, Reue, Ergebung versetzt, aber die ganze Handlung erfaßt ihn nicht, weil der Fortschritt beständig unterbrochen wird. Dies scheint aber auch der wohlüberlegte Wille des Dichters zu sein, der sich die Ansichten Fr. Schlegel’s über das Wesen der Poesie angeeignet hatte oder wenigstens nach dessen Methode zu verfahren scheint. In diesem Sinne traf Schiller gewiß das Richtige, wenn er sagte, daß die Beziehungen Tieck’s zu den Schlegel ihn ungünstig beeinflußt hätten. Was dagegen die Anhänger der Romantik als das eigentlich Charakteristische der Poesie angesehen wissen wollten, war im Octavian deutlich zur Anschauung gebracht. Man kann daher den Octavian gleichsam als das Evangelium der romantischen Schule bezeichnen. Obgleich er in der dramatischen Form abgefaßt ist, überwiegt das lyrische, allegorische, ja epische bei weitem, so daß er zu einer Aufführung auf der Bühne völlig ungeeignet ist. Es ist in der That auffallend, daß T., der sich so eingehend mit Shakespeare beschäftigt und einen erheblichen Theil seiner Thätigkeit dem Theater gewidmet hat, nicht im Stande gewesen ist, ein zur Aufführung geeignetes Drama zu dichten. Und doch trug er sich beständig mit Plänen dazu, ja 1813 kam ihm der Gedanke, eine ganze Reihe geschichtlicher Schauspiele zu schaffen. So schreibt er im Februar 1813 an Solger (Solger, Nachgel. Schr. I, 269): „Doch sind Plane zu vielen Schauspielen aus der deutschen Geschichte in meiner Seele fertig, und ich werde diese mit besonderer Liebe ausarbeiten, um meinen Landsleuten zu zeigen, daß ich mich wohl zu ihnen rechne. Hab’ ich doch fast zuerst mit Liebe von der deutschen [263] Zeit gesprochen, als die meisten noch nicht an das Vaterland dachten oder es schalten“. (Vgl. auch Schr. XI, LXXVII.) Es blieb indeß bei der Absicht. – Schon oft hatte es T. unangenehm empfunden, daß er ohne feste Lebensstellung von einem Ort zum andern wandere. Häufig befand er sich in Geldverlegenheit und mußte seine Freunde in Anspruch nehmen. Hardenberg schreibt ihm einmal (Holtei, Briefe an Tieck I, 309): „Das schlimmste, lieber Tieck, ist, daß Du keinen bestimmten Aufenthalt hast. Du könntest viel leichter Geld kriegen, wenn Du an einem Orte einheimisch wärest … Ich versichere Dich, wenn Du nur eine kleine Stelle hättest, so wüßt’ ich eine Menge Leute, die Dir Kredit geben würden, aber so darf ich nicht dran denken“. Jetzt im J. 1801 versuchte er am Theater in Frankfurt a. M. die Stelle eines Regisseurs und Dramaturgen zu erlangen. Brentano und auf Frommann verwendeten sich für ihn. Aber Goethe, dessen wichtige Fürsprache T. nachsuchte, schrieb zurück (Holtei, Briefe an Tieck I, 239): „Was eine Empfehlung betrifft, so darf ich damit wohl nicht hervortreten, weil ich auf verschiedene an mich geschehene Anträge verweigert habe, an jenem Geschäft irgend einigen Antheil zu nehmen“. Da kam ihm sein Jugendfreund v. Burgsdorff zu Hülfe. Er lud ihn ein, sich mit Frau und Tochter auf unbestimmte Zeit in Ziebingen niederzulassen, seinem Gute in der Neumark zwischen Frankfurt a. O. und Crossen. Bereits im Herbst 1802 begab sich T. mit Weib und Kind dorthin. Burgsdorff führte ihn in die Familie seines Oheims ein, des Grafen Finkenstein, welcher Madlitz bei Frankfurt a. O. besaß und von Burgsdorff auch noch Ziebingen kaufte. Er war Verehrer von Litteratur und Musik und kam dem Dichter und seiner Familie mit väterlichem Wohlwollen entgegen. – Schon seit einiger Zeit hatte sich T. mit der mittelhochdeutschen Dichtung vertraut gemacht, soweit es die damaligen Hülfsmittel erlaubten. Aus Bodmer’s Ausgabe der Pariser Liederhandschrift (der sog. Manessischen Handschrift) veröffentlichte er im J. 1803 unter dem Titel: „Minnelieder aus der schwäbischen Vorzeit“ die Bearbeitung von 220 Liedern. In der Vorrede (auch Krit. Schr. I, 185) zeigte er eine bedeutende Kenntniß des Stoffs. Hier sprach er S. VI aus, daß es ebenso vergeblich sein möchte, nach einem einzigen Verfasser der Nibelungen zu fragen, als der Ilias und Odyssee, und S. XXV meint er, daß sich der Leser des Zweifels nicht erweheren kann, ob diese Handschrift (die Pariser) auch wirklich von Manesse herrühren sollte. Lachmann, Vorrede zu Walther v. d. Vogelweide, hat diesen Zweifel bekräftigt. – So große Mängel Tieck’s Bearbeitung der Minnelieder auch aufweist, so ist doch gewiß, daß sie außerordentlich fruchtbringend gewirkt hat; J. Grimm wurde durch sie zu seinen germanistischen Studien angeregt (vgl. Tieck, Krit. Schr. I, IX; L. Ranke, Nekrolog auf J. Grimm; Scherer, J. Grimm S. 12). Tieck’s Buch ist gleichsam eine der Quellen des reichen Stromes der germanistischen Wissenschaft geworden, es ist auch das Vorbild der allerdings wissenschaftlich vollendeten Sammlung: Des Minnesangs Frühling von Lachmann und Haupt gewesen. Nur fehlte es T. sowol an gründlicher Gelehrsamkeit wie an kritischer Methode, aber er fand mit genialem Blick ein Gebiet, welches der Forschung die reichste Ausbeute gewährt hat, und dies Verdienst muß ihm gewahrt bleiben. In ähnlicher Weise wie die Minnelieder beabsichtigte er auch die Nibelungen zu bearbeiten, indeß kam er über den ersten Gesang nicht hinaus (v. d. Hagen, Neues Jarhb. d. berlin. Gesellsch. f. deutsche Sprache X, 1) und unterließ die Fortsetzung, da v. d. Hagen das Vorhaben ausführte. Während der Jahre 1804–1808 hat T. nichts veröffentlicht. Er verließ im J. 1804 Ziebingen für längere Zeit, um seiner Schwester Sophie zur Seite zu stehen, welche sich in der Ehe mit Bernhardi nicht glücklich fühlte und ihrem Mann heimlich entfloh, indem sie ihre beiden Söhne [264] mitnahm. Sie gingen zunächst nach München; da sich aber Sophie hier nicht sicher fühlte, reiste sie weiter nach Rom. T. konnte sie nicht begleiten, weil er schwer an der Gicht erkrankt darniederlag. Erst im Januar 1805 vermochte er ihr zu folgen. Auch sein Bruder Friedrich, die Brüder Riepenhausen, und ein in München neu gewonnener Freund, der Freiherr v. Rumohr, nahmen an der Reise theil. T. verweilte fast ein ganzes Jahr in Rom. Die dichterischen Früchte des italienischen Aufenthalts sind jedoch äußerst gering. Nur die „Reisegedichte eines Kranken“ (Gedichte III, 98–280) hat er in Italien geschrieben. In Rom verwandte er einen erheblichen Theil seiner Zeit auf das Studium der mittelalterlichen deutschen Dichtung und fertigte viele Abschriften aus den Codices der Vaticanischen Bibliothek. Doch hat er von diesen Arbeiten litterarisch sehr wenig verwerthet; von dem Heldengedicht „König Rother“, welches er ganz copirt hatte, ließ er ein Bruchstück der Bearbeitung in Arnim’s Zeitschrift Trösteinsamkeit 1808 drucken (Schr. XIII, 171). Als T. im Sommer 1806 nach Deutschland zurückkehrte, glaubten viele, er sowol wie seine Schwester wären in Rom zur katholischen Kirche übergetreten. Jahre hindurch herrschten hierüber in den Kreisen selbst seiner nächsten Bekannten Zweifel, welche dadurch Unterstützung erhielten, daß später seine Frau und seine Tochter (Dorothea) sich zur katholischen Religion bekehrten, und auch dadurch, daß sich in Tieck’s Dichtungen Stellen fanden, die auf eine Neigung zum Katholicismus schließen ließen. Selbst Caroline Schelling war noch im J. 1809 ungewiß. Sie schrieb damals im März, als T. und seine Schwester sich zum zweiten Male in München aufhielten (Caroline, Briefe II, 363): „Ob sie katholisch geworden sind oder nicht, kann ich nicht bestimmt beantworten, ist aber auch nicht nöthig, was den förmlichen Uebertritt betrifft“. Das Gerücht war jedoch falsch, T. ist niemals Katholik geworden, obwol er der römischen Kirche vielfach in auffallender Weise Anerkennung gezollt hat. Im übrigen war er in kirchlicher Beziehung durchaus tolerant (vgl. hierüber besonders Köpke, L. Tieck II, 283 f.). Ebensowenig ist seine Schwester katholisch geworden. – Die Zeit vom Herbst 1806 bis zum Sommer 1808 brachte T. meist auf den Gütern seiner Freunde zu, bei Burgsdorff in Sandow und beim Grafen Finkenstein in Ziebingen, wo seine Familie auch während seiner italienischen Reise geblieben war. Da er nach einer festen Stellung strebte, begab er sich im Sommer 1808 über Dresden nach Wien, wo er eine solche beim Hofburgtheater zu finden hoffte. Aber es wurde nichts daraus. In Wien vollendete er den ersten Act eines Schauspiels, welches er in Dresden begonnen hatte, „Das Donauweib“, führte aber diese Dichtung nicht weiter. Dieser erste Act wurde 1818 von C. Förster in der Sängerfahrt für Freunde der Dichtkunst und Mahlerei S. 7 ff. herausgegeben (zuletzt Schr. XIII, 193). – T. reiste dann wieder nach München, wo sich wieder seine Schwester aufhielt. Sie war 1807 von Bernhardi geschieden, der nur um seine Söhne zu holen, nach München kam. Er überließ ihr aus Mitleid den jüngeren, Felix, zur Erziehung, der sich später Theodor v. Knorring nannte, den älteren nahm er mit nach Berlin. T., der bei diesen Auseinandersetzungen seiner Schwester zur Seite stand, blieb in München bis zum Sommer 1810. Von neuem wurde er 1809 von gichtischen Leiden ergriffen, die lange andauerten und eine bleibende Krümmung des Oberkörpers verursachten. Von Arbeiten oder Studien war in München unter solchen Umständen nicht viel die Rede. Er lernte Baader, Wiebeking und H. F. Jacobi kennen und fand bei letzterem vielfache Uebereinstimmung mit seinen Ansichten über Philosophie. Auch dem Freund aus dem ersten Münchener Aufenthalt, Rumohr, begegnete er wieder. Sein Bruder Friedrich war ebenfalls in München angekommen. Dieser sowie seine Schwester Sophie und Bettina, die Schwester Brentano’s, nahmen sich seiner in seiner Krankheit an. [265] Ueber die persönlichen Verhältnisse Tieck’s und seiner Geschwister in jener Zeit finden sich Nachrichten in den Briefen Caroline’s, die von Schlegel geschieden und mit Schelling verheirathet war. Ihr Urtheil ist noch ungünstiger als in Jena. So schreibt sie am 1. März 1809 (Briefe hsg. v. Waitz II, 360 f.): „Hier (nach München) kam sie (Bettina Brentano) … her, um singen zu lernen und Tieck zu pflegen, der seit Weihnachten an der Gicht kläglich darnieder liegt und viel zartes Mitleid erregt … Mit den Tieck’s ist überhaupt eine närrische Wirthschaft hier eingezogen. Wir wußten es wohl von sonst und hatten es nur vor der Hand wieder vergessen, daß unser Freund Tieck nichts ist als ein anmuthiger und würdiger Lump, von dem einer seiner Freunde ein Lied gedichtet hat, das anfängt:

Wie ein blinder Passagier
Fahr’ ich auf des Lebens Posten,
Einer Freundschaft ohne Kosten
Rühmt sich keiner je mit mir.

… Der arme Tieck erscheint in seiner doppelten Qualität als Kranker und Armer in seiner Unfähigkeit sich selbst zu helfen, weichlich, ohnmächtig, aber immer noch aimable – wenn Leute dabei sind. Bettina sagte ihm einmal, da von Goethe die Rede war, den T(ieck) gar gern nicht so groß lassen möchte wie er ist: Sieh, wie Du so da liegst, gegen Goethe kommst Du mir wie ein Däumling vor – was für mich eine recht anschauliche Wahrheit hatte.“ Im Sommer 1810 gebrauchte T. eine Cur in Baden-Baden und kam im Herbst in Ziebingen an, wo er seine Familie gelassen hatte und nun selbst bis zum Sommer 1813 blieb. Nach langer Pause ließ er im J. 1811 „Alt Englisches Theater oder Supplemente zum Shakspear“ in 2 Bänden erscheinen. Das Buch enthält die Uebersetzung von 6 Schauspielen, welche nach Tieck’s Ansicht, für die er aber statt des Beweises auf sein künftiges Werk über Shakespeare verweist, von diesem Dichter herrühren. In demselben Jahre gab er die „Werke Friedrich Müller’s“ in 3 Bänden heraus, ohne jedoch seinen Namen zu nennen, weil der Pfarrer Le Pique, ein Bekannter Müller’s, die eigentliche Arbeit übernommen hatte. Es lag T. daran, hierdurch zu beweisen, daß er für seine Genoveva nicht die Dichtung Müller’s benutzt habe, wie mehrfach behauptet war. Im J. 1812 veröffentlichte er als eine Weiterführung seiner Beschäftigung mit der deutschen Litteratur des Mittelalters „Frauendienst oder Geschichte und Liebe des Ritters und Sängers Ulrich von Lichtenstein von ihm selbst beschrieben. Nach einer alten Handschrift bearbeitet“. Wissenschaftlichen Werth hat dieses Werk nicht, aber es diente, wie die Minnelieder dazu, die Aufmerksamkeit auf die deutsche Litteratur des Mittelalters zu lenken. Auch mit einem eigenen dichterischen Product trat er jetzt hervor. Schon seit längerer Zeit hatte er den Plan gefaßt, nach dem Muster von Boccaccio’s Decamerone eine Sammlung herauszugeben, welche aber nicht nur Novellen, sondern Dichtungen der verschiedensten Gattungen enthalten sollte. Statt der zehn Personen nahm er sieben, von denen jede sieben Dichtwerke vortragen sollte, an welche die übrigen ihre Erörterungen zu knüpfen hätten. Die Geschichte der sieben Personen selbst sollte eine eigene Erzählung bilden, die als die fünfzigste den Rahmen zu den neunundvierzig vorgelesenen bildete. Das ganze Werk bekam den Titel „Phantasus“. Es blieb aber unvollendet, von den neunundvierzig Dichtungen sind nur zwölf erschienen in drei Bänden 1812 bis 1817. Der größte Theil des Inhalts war bereits in den Volksmärchen oder in Einzelausgaben erschienen, so im 1. Band der blonde Ekbert, der getreue Eckart, der Runenberg, Liebesgeschichte der schönen Magelone, im 2. Band der Blaubart, die verkehrte Welt und der gestiefelte Kater. Neu waren im 1. Band die kleineren Erzählungen „Liebeszauber“ (Schr. IV, 245), „Die Elfen“ [266] (Schr. IV, 365) und „Der Pokal“ (Schr. IV, 393), im 2. Band „Leben und Thaten des kleinen Thomas genannt Däumling“ (Schr. V, 487), im 3. Band endlich die dramatische Dichtung „Fortunat“, ein Märchen in zwei Theilen von je fünf Acten (Schr. III, 1). Ueber letzteres Werk sagt T. (Vorbericht zum 1. Bd. der Schriften S. XLIII): „In diesen Schauspielen vom Fortunat habe ich mir wieder das Theater und dessen Wirkungen ganz gegenwärtig erhalten, und wäre unsere Bühne freier, die bei aller Ungezogenheit oft vielen Vorurtheilen fröhnt und eher frech als heiter sein darf, so würden mit Abkürzungen diese beiden phantastischen Dramen ihre Wirkungen gewiß nicht verfehlen“. Aber T. selbst hat eine Darstellung dieser Dichtung nie erreichen können, und es besteht wol kein Zweifel, daß selbst für die Zeit, in welcher er diese Ansicht aussprach (1828), die Aufführung Fortunat’s ein vollständiger Mißerfolg geworden wäre. Ueber seine eigene Werthschätzung der beiden Theile Fortunat’s schreibt T. an Fr. v. Raumer 1817 (Lebenserinnerungen und Briefwechsel von Fr. v. Raumer II, 79): „Ich gestehe Ihnen unter uns, daß ich den zweiten Theil dieses Gedichts über den ersten setze, doch wird der erste die gewöhnlichen Leser mehr befriedigen“. – Der Phantasus wurde 1844–1845 zum zweiten Male aufgelegt, ohne daß er einen Abschluß erfahren hätte. – Als im J. 1813 die Mark Brandenburg zum Kriegsschauplatz wurde, begab sich T. nach Prag, wo er wieder mit Brentano zusammentraf. Auch Niebuhr’s Bekanntschaft wurde erneuert. Erst nach der Schlacht bei Leipzig kehrte er nach Ziebingen zurück, wo er, abgesehen von einigen Unterbrechungen, seinen dauernden Wohnsitz bis zum Jahre 1819 aufschlug. Neben der Arbeit am Phantasus beschäftigten ihn in dieser Zeit litterarhistorische Studien über die Entwicklung des deutschen Theaters, als deren Frucht er im J. 1817 zwei Bände unter dem Titel „Deutsches Theater“ herausgab. Es ist eine Sammlung älterer deutscher Schauspiele, der 1. Band enthält zwei Fastnachtsspiele, sechs Stücke von Hans Sachs, fünf von Ayrer und den den englischen Comoedianten entlehnten Titus Andronicus. Im zweiten Band finden sich je ein Stück von Rosenplüt, Opitz und Lohenstein und vier von Andreas Gryphius. In den Einleitungen zu jedem Band (später in den Krit. Schr. I, 323) geht der Verfasser auf den Ursprung des deutschen Theaters ein, gibt einige Notizen über die Dichter und bemüht sich, den Einfluß der englischen Schauspiele auf die deutschen nachzuweisen. – Der Aufenthalt in Ziebingen wurde nur vorübergehend unterbrochen, wenn sich T. einmal nach Frankfurt a. O. oder Berlin begeben mußte. Doch im J. 1817 unternahm er eine größere Reise. Sein Freund Burgsdorff, der viel im Auslande gewesen und stets reiselustig und reisefertig war, hatte schon im Sommer 1803 dem Dichter das Vergnügen einer gemeinsamen Fahrt durch Böhmen und Franken nach der Pfalz und zurück durch Thüringen gewährt (dargestellt in der Novelle: Eine Sommerreise), jetzt machte er ihm den Vorschlag, ihn nach England zu begleiten. Mit Freuden nahm T. das hochsinnige Anerbieten an, welches ihm die Erfüllung eines lange gehegten, aber bei seinen beschränkten Mitteln unerfüllbar erscheinenden Wunsches brachte, das Vaterland Shakespeare’s aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Anfang Mai 1817 wurde die Reise angetreten. In London, welches Burgsdorff aus einem früheren Aufenthalt wohl bekannt war, besuchte T. fleißig die Theater und schrieb auf dem Britischen Museum alte englische Dramen aus seltenen Druckwerken und Handschriften ab. Die Freunde besuchten auch den Geburtsort Shakespeare’s, Startford am Avon. Anfang Juli traten sie die Heimreise an, welche sie über Paris nahmen. Hier verweilten sie einige Wochen und kehrten dann mit vielen Umwegen über Berlin nach Ziebingen zurück, wo sie im September wieder eintrafen. In seinen Reiseberichten an Freunde hatte [267] T. besonders eingehend von seinen Besuchen der Londoner Theater gesprochen. Viel später im J. 1826 benutzte er diese Briefe für eine Sammlung von Aufsätzen: „Ueber das englische Theater“, welche er in den Dramaturgischen Blättern (2 Bdchn. Breslau, zuletzt Krit. Schr. IV, 315) veröffentlichte. – Nach der Rückkehr aus London und Paris empfand T. die Einsamkeit des Lebens in Ziebingen mehr als früher; er war im Umgang auf seine Angehörigen und auf die Familien Finkenstein und Burgsdorff beschränkt, dazu kamen noch Wilhelm v. Schütz, ein alter Schulfreund und Kadach, der Prediger des Ortes. Außerdem unterhielt er einen freilich nicht immer lebhaften Briefwechsel mit alten und neuen Freunden. Zu den letzteren zählten insbesondere Solger, Professor der Philosophie in Frankfurt a. O., später in Berlin, und Fr. v. Raumer, mit denen er durch wechselseitige Achtung und Neigung verbunden war. Ersteren hatte er 1808, letzteren 1810 kennen gelernt. Durch Solger wurde ihm die systematische Philosopie, gegen die er stets Abneigung gefühlt, etwas näher gebracht, durch Raumer gewann er Interesse an der geschichtlichen Entwicklung der Völker, das ihm bisher gleichfalls fern gelegen hatte. Dem Einfluß des letzteren, der seit 1811 Professor in Breslau war, hatte er es unzweifelhaft zu danken, daß ihm diese Universität 1816 die Würde eines Dr. phil. verlieh. – Nicht lange nach der Heimkunft aus England und England verlor T. seinen Gönner und väterlichen Freund. Der alte Graf Finkenstein starb am 19. April 1818 zu Madlitz. Die Verhältnisse für T. und seine Familie, welche aus der Frau und zwei Töchtern bestand, deren jüngere, Agnes, einige Jahre nach Dorothea geboren war, wurden durch diesen Todesfall wesentlich geändert. Obwol ihm Ziebingen, wo wenigstens seine Familie seit fünfzehn Jahren ansässig gewesen, zur Heimath geworden war, fand er nunmehr angemessen, es doch zu verlassen. Das Nächstliegende schien Berlin, aber hier mochte er damals nicht leben. Er wählte Dresden, welches ihm bereits bekannt war. Im Sommer 1819 fand die Uebersiedlung dorthin statt; die älteste unverheirathete Tochter des Grafen Finkenstein, Henriette, schloß sich seiner Familie an. In Dresden wurde T. bald der Mittelpunkt des litterarischen Lebens, dessen Kreislinie allerdings wenig ausgedehnt war. Die Dresdener Schriftsteller waren sämmtlich mit der Mittelmäßigkeit zufrieden, in der sie sich bewegten. Unter ihnen besaß Tiedge den bedeutendsten Namen, zu ihnen gehörte Friedrich Schulze, der unter dem Pseudonym Laun seine Romane veröffentlichte, ferner Friedrich Kind, Theodor Hell, Böttiger, den T. im gestiefelten Kater verspottet hatte, bald aber mit ihm auf freundschaftlichem Fuß verkehrte. Einige jüngere Schriftsteller brachten ihm eine Art schwärmerischer Verehrung entgegen, so v. d. Malsburg, der Calderon übersetzte, Graf Loeben, der als Isidorus Orientalis schrieb, Karl Förster, Uebersetzer des Petrarca und Tasso, Wilhelm Müller und andere. In der von Böttiger und Hell herausgegebenen Dresdener Abendzeitung ließ T. Besprechungen der Aufführungen der Dresdener Bühne drucken, die später (1826) in den „Dramaturgischen Blättern“ gesammelt wurden. – Tieck’s Bestreben war ursprünglich darauf gerichtet gewesen, nicht nur ein volksthümlicher Dichter zu werden, sondern auch die Poesie dem Volk nahe zu bringen, indem er Stoffe wählte, die nach seiner Meinung mit dem Volksgeist verwachsen waren. Aus diesem Grunde hatte er auf die Volksbücher und Märchen zurückgegriffen und das deutsche Mittelalter zu verherrlichen und zu beleben gesucht. Aber sein Streben hatte den erwarteten Erfolg in keiner Weise erreicht. Schiller war ein volksthümlicher Dichter geworden, T. wurde nur von einem kleinen Kreis gelesen, ja er zählte, als er nach Dresden ging, für das nicht ausschließlich litterarische Publicum fast zu den Vergessenen. Andere hatten die Richtung, welche er mit zuerst eingeschlagen, weiter verfolgt und boten der Lesewelt in allen möglichen [268] Versarten und in der Prosa anstatt der Poesie willkürliche Phantasien, Visionen und Träume der übertriebensten Art. Mit T. selbst war ein Wandel vorgegangen, er wollte versuchen, die Gegenwart an Stelle des Mittelalters poetisch aufzufassen, und wählte hierzu das Gebiet der Novelle. Seine Ansicht über diese Gattung der Dichtkunst legte er eingehend dar im J. 1829 im Vorbericht zum 11. Bande seiner Schriften (Schr. XI, LXXXIV–XC). „Die Novelle, sagt er, sollte sich dadurch aus allen anderen Aufgaben hervorheben, daß sie einen großen oder kleinen Vorfall ins hellste Licht stelle, der, so leicht er sich ereignen kann, doch wunderbar, vielleicht einzig ist. Diese Wendung der Geschichte, dieser Punkt, von welchem aus sie sich unerwartet völlig umkehrt, und doch natürlich, dem Charakter und den Umständen angemessen, die Folge entwickelt, wird sich der Phantasie des Lesers um so fester einprägen, als die Sache, selbst im Wunderbaren, unter anderen Umständen wieder alltäglich sein könnte. … Bizarr, eigensinnig, phantastisch, leicht witzig, geschwätzig und sich ganz in Darstellung auch von Nebensachen verlierend, tragisch wie komisch, tiefsinnig und neckisch, alle diese Charaktere läßt die ächte Novelle zu, nur wird sie immer jenen sonderbaren auffallenden Wendepunkt haben, der sie von allen anderen Gattungen der Erzählung unterscheidet. Aber alle Stände, alle Verhältnisse der neuen Zeit, ihre Bedingungen und Eigenthümlichkeiten sind dem klaren dichterischen Auge gewiß nicht minder zur Poesie und edlen Darstellung geeignet, als es dem Cervantes seine Zeit und Umgebung war“. Und am Schluß der Auseinandersetzung meint er unzweifelhaft im Hinblick auf mehrere seiner eigenen Schöpfungen, „daß es dieser Form der Novelle auch vergönnt sei, über das gesetzliche Maaß hinweg zu schreiten, und Seltsamkeiten unparteiisch und ohne Bitterkeit darzustellen, die nicht mit dem moralischen Sinn, mit Convenienz oder Sitte unmittelbar in Harmonie stehen.“ Aus diesen Gesichtspunkten will er seine Novellen beurtheilt wissen, deren er während seines Dresdener Aufenthaltes in den Jahren 1822–1841 40 veröffentlichte. Sie zeichnen sich aus durch eleganten Stil, durch geistvolle und sinnige Betrachtungen, durch Anmuth in Schilderung und Erzählung. Störend wirken in ihnen die langen Gespräche, in denen vornehmlich ästhetische Kritik einen allzu breiten Raum einnimmt. Auf eine Beurtheilung im einzelnen kann hier nicht eingegangen werden. Veröffentlicht wurden sie zum großen Theil zuerst in Taschenbüchern, so in Wendt’s Taschenbuch für geselliges Vergnügen, im Berliner Kalender, im Dresdner Merkur, in den Rheinblüthen, im Novellenkranz, in der Helena und besonders in der Urania. Einige sind einzeln herausgegeben. Die vollständigste Sammlung erschien 1852 bis 1854 in Berlin bei Reimer in zwölf Bänden. – Gleich die erste Novelle: „Die Gemälde“ (1822), fand großen Beifall; die zweite: „Die Verlobung“ (1823), welche den damals in der vornehmen Welt häufigen Pietismus geißelte, erfuhr sogar durch Goethe eine freundliche Besprechung (vgl. Werke XXVI, 240 und Zahme Xenien V, Werke III, 109 der 30-bändigen Ausgabe von 1857 bis 1858). In demselben Jahre erschienen auch „Die Reisenden“ und „Der Geheimnißvolle“. 1824 brachte „Musikalische Leiden und Freuden“, 1825 „Die Gesellschaft auf dem Lande“ und „Pietro von Abano“, 1826 „Dichterleben“, welches von Shakespeare handelt, und „Aufruhr in den Cevennen“. Die letztere erregte großes Aufsehen, und begierig sah man der versprochenen Fortsetzung entgegen, welche aber niemals erfolgte, so oft ihn auch Freunde und Verehrer daran erinnerten. Man erblickte in ihr lange Zeit das Muster der geschichtlichen Novelle. 1827 lieferte T. nur eine Novelle: „Glück giebt Verstand“. 1828 erschienen: „Der Gelehrte“, „Der funfzehnte November“, „Das Fest zu Kenilworth“, „Der Alte vom Berge“; 1830: „Das Zauberschloß“; 1831: „Dichterleben, 2. Theil“, „Die Wundersüchtigen“, „Der wiederkehrende griechische Kaiser“; [269] 1832: „Der Jahrmarkt“, „Der Hexen Sabbath“, „Der Mondsüchtige“; 1833: „Die Ahnenprobe“; 1834: „Eine Sommerreise“, „Tod des Dichters“; 1835: „Die Vogelscheuche“, „Das alte Buch“, „Der Wassermensch“, „Der Weihnachtsabend“; 1836: „Eigensinn und Laune“, „Uebereilung“, „Der junge Tischlermeister“. Die letztere, eine Nachahmung von Wilhelm Meister, hatte ihn schon 1800 beschäftigt. Jugenderinnerungen aus dem eigenen Leben sind eingeflochten. Im J. 1837 erschienen: „Wunderlichkeiten“ und die „Klausenburg“. Das Jahr 1839 brachte fünf Novellen: „Des Lebens Ueberfluß“, „Liebeswerben“, „Der Schutzgeist“, „Abendgespräche“ und „Die Glocke von Aragon“. 1840 erschien der berühmte Roman „Vittoria Accorombona“, welcher bereits 1841 eine zweite Auflage erlebte. Schon im J. 1792 war ihm diese Geschichte aufgefallen und immer hatte er sich seitdem mit ihr getragen. Auch eine Märchennovelle „Der Hüttenmeister“ hatte er 1840 in Arbeit, doch kam er über einen kleinen Theil nicht hinaus. (Nachgel. Schr. II, 19–32.) Den Schluß bildete 1841 die kurze Novelle „Waldeinsamkeit“. Die staunenswerthe Fruchtbarkeit, welche T. auf dem Gebiet der Novellendichtung entwickelte, überraschte ebensosehr seine alten Freunde, wie sie ihm neue Anhänger zuführte, welche mit der Richtung seiner älteren Poesien nicht immer einverstanden gewesen waren. Man fand, daß seine früheren dramatischen Dichtungen und Erzählungen im Vergleich zu den Novellen so von einander geschiedene Welten waren wie das Mittelalter und die neue Zeit (vgl. Braniß, L. Tieck und sein neuester Roman im Anhang zur 2. Auflage der Vittoria Accorombona II, 308). Für die öffentliche Meinung galt er neben Goethe als großer deutscher Dichter, nach dessen Tod als der einzige, in dem die Poesie gleichsam verkörpert sei. Indeß erfuhr er auch vielseitige Angriffe, die er auf seine Weise nicht unerwidert ließ. Insbesondere enthalten mehrere seiner Novellen polemische Ausfälle gegen das junge Deutschland und die Radicalen, so der Mondsüchtige, die Ahnenprobe, das alte Buch, die Vogelscheuche, Liebeswerben, Eigensinn und Laune. Die neueren Schriftsteller werden in der Novelle Liebeswerben z. B. deutlich als Lumpe und Gauner dargestellt. Es ist dieselbe Richtung, die im gestiefelten Kater und im Zerbino nur auf eine andere Art sich geltend gemacht hatte. – Tieck’s litterarische Thätigkeit in Dresden blieb indeß keineswegs auf die Novellen beschränkt. In den Jahren 1821–1823 gab er eine Sammlung seiner „Gedichte“ in drei Bänden heraus (eine zweite Titelausgabe erschien 1834, zuletzt Neue Ausgabe 1841). Verhältnißmäßig wenig neue oder wenigstens bisher ungedruckte Gedichte finden sich in dieser Zusammenstellung; die zahlreichen lyrischen Ergüsse, im Lovell, im Blaubart, in der Bearbeitung von Shakespeare’s Sturm, im Zerbino, in der Magelone, in den Herzensergießungen, in den Phantasien über die Kunst, im Sternbald, in der verkehrten Welt, in der Genoveva, im Donauweib, im Octavian, im poetischen Journal, im Musenalmanach finden sich hier vereinigt. Bisher ungedruckt waren vornehmlich die Reisegedichte eines Kranken. Im J. 1821 gab er „Heinrich v. Kleist’s hinterlassene Schriften“ heraus. Er hatte den unglücklichen Dichter, der 1811 durch Selbstmord endete, im J. 1808 in Dresden kennen gelernt. Der Prinz von Homburg und die Hermannschlacht wurden dadurch wol der Vergessenheit entrissen. Im J. 1826 veröffentlichte er „Heinrich v. Kleist’s gesammelte Schriften“ in 3 Bänden. In der Einleitung gab er eine Wiederholung und Erweiterung des Abrisses über Kleist’s Leben und Schriften, den er der Ausgabe der hinterlassenen Schriften vorausgeschickt hatte (wiederholt Krit. Schr. II, 1). In demselben Jahre gab er in Gemeinschaft mit Fr. v. Raumer „Solgers nachgelassene Schriften und Briefwechsel“ mit Einleitung und Nachwort in 2 Bänden heraus. Solger gehörte zu den eifrigsten Bewunderern Tieck’s und hat ihn öfter in Ziebingen besucht. In sehr ausführlichen [270] Briefen tauschten sie ihre Ansichten über Philosophie und Poesie aus. Oft ermuntert Solger den Dichter zum Schaffen, denn, wie er ihm am 28. Juli 1816 schreibt (Solger, Nachgel. Schr. I, 428) „auf Ihnen ruht das Heil der deutschen Kunst, Sie sind der einzige, der mitten in dem gefälschten Zeitalter in reiner poetischer Klarheit dasteht; Ihr Treiben ist das wahre und göttliche, denn es ist immer reiner und reiner aus dem ganzen Gewirre hervorgegangen.“ In T. erkannte er einen großen dramatischen Dichter. So schreibt er am 23. November 1816 (a. a. O. I, 468): „In anderen Ihrer Werke finde ich dagegen weit mehr den eigentlichen dramatischen Nerv, die wahre praktische Kraft. Unter allen dramatischen sind mir Blaubart und der gestiefelte Kater die liebsten; die verkehrte Welt würde ich diesen ganz an die Seite setzen, wenn sie mehr zusammengedrängt wäre und die vollendete Rundung des Katers hätte. Ich möchte fast sagen, jene meine beiden Lieblingsstücke seien die vollkommensten Dramen im eigentlichen Sinne des Worts.“ Solger war bereits 1819 gestorben. Im J. 1822 nahm T. die Aufgabe in Angriff, dem Freund durch die Herausgabe des Briefwechsels und einiger Abhandlungen ein Denkmal zu setzen, welches zugleich auch ihn selbst verherrlichte. Waren diese Arbeiten aus den perönlichen Beziehungen hervorgegangen, welche T. zu Kleist und Solger besaß, so war es vornehmlich das Interesse an der Jugendepoche Goethe’s, welches ihn veranlaßte, sich mit dem unglücklichen Dichter J. M. R. Lenz zu beschäftigen. Als Ergebniß seiner Bemühungen erschienen im J. 1828: „Gesammelte Schriften von J. M. R. Lenz, herausgegeben von L. Tieck“, 3 Bde., Berlin. Man muß zugestehen, daß diese Ausgabe den nothwendigen Anforderungen in keiner Weise entspricht, weil T. zu wirklich wissenschaftlichen Arbeiten nicht geeignet war. Nicht einmal das gedruckte Material über Lenz ist ausreichend benutzt. Dramatische Dichtungen, die anderen Verfassern, insbesondere Klinger, angehören, hat er irrig Lenz zugeschrieben. Die Einleitung (Bd. I, S. I–CXXXIX) erweist deutlich, daß er außer Stande war, seine Aufgabe in kritischer Methode zu behandeln. Er sagt S. II, daß Shakespeare und Goethe die Gegenstände seiner Liebe und Verehrung gewesen seien. „Wie ich seit vielen Jahren an einem Werke über den großen englischen Dichter arbeite, dessen Herausgabe nur noch durch Zufälle, Reisen, Krankheiten und andere Arbeiten ist verzögert worden, so habe ich auch seit mehr als zwanzig Jahren … meine Kräfte an einer Darstellung des deutschen Genius versucht … und ich hoffe auch dieses Werk nach jenem angekündigten noch beenden zu können … Für den jetzigen Zweck sei es mir erlaubt, einiges aus jenem angedeuteten Werke … als leichte Skizze … vorzuführen.“ Es folgt nun in der Form der Eineitung zum Phantasus ein Gespräch zwischen fünf Freunden, die als der Orthodoxe, der Paradoxe, der Historiker, der Vermittelnde und der Fromme bezeichnet werden. Sie unterhalten sich über Goethe und seine Schriften, indem ein jeder von seinem Standpunkt aus seine ästhetischen Gedanken entwickelt. Dies Gespräch währt von S. II–CXIII; dann folgen S. CXIII–CXXIV etwas dürftige Nachrichten über Lenz, den Schluß S. CXXV–CXXXIX bildet ein Brief eines Freundes (Rehberg) „an Herrn L. Tieck“, in welchem dessen voraufgehende Einleitung mit Lobsprüchen überhäuft wird. Und doch war gerade aus dieser Einleitung klar zu ersehen, daß T. jenes Werk über Shakespeare, welches seine Freunde und Verehrer so sehnsüchtig erhofften, niemals schaffen würde und auch nicht schaffen konnte. Allerdings beschäftigte er sich fortwährend mit Shakespeare und den älteren englischen Dramatikern, allein trotz aller Notizen, trotz aller Versicherungen, die er öffentlich und privatim fort und fort wiederholte, daß das Werk nur noch der Herausgabe bedürfe, brachte er es doch nicht über zwei einleitende Capitel hinaus, die er um das Jahr 1820 schrieb und die sich in seinem Nachlaß [271] fanden (Nachgelassene Schriften hrsg. von Köpke II, 94), in denen aber gerade von Shakespeare wenig die Rede ist. Es fehlte ihm vor allem an Stetigkeit. Er kannte diesen Fehler seines Charakters sehr wohl, schon im J. 1817 schrieb er an Fr. v. Raumer (Lebenserinnerungen u. Briefwechsel II, 77 f.): „Könnte ich doch nur Ihren oder unseres Solger stetigen und ruhigen Fleiß gewinnen: allein seit meiner frühsten Jugend ist dies eins meiner größten Leiden, daß ich nur selten meiner Laune gebieten kann, in Träumen, Plänen, Wünschen und oft unfruchtbaren Studien lebe und dann plötzlich wie im Sturme und zu viel arbeite. Wenn Sie einen Sohn haben, erziehen Sie ihn zur Ordnung. Aber es hilft auch nicht immer; denn bei mir ist von der Seite, von meinen Eltern und Vorgesetzten das Hinlängliche geschehen, und doch ist es der Mangel dieser Fähigkeit, welcher mir so oft mein Leben verkümmert hat.“ Ein ähnliches Bekenntniß legte er demselben Freunde am 6. December 1822 ab (das. S. 141): „Mein Bestreben mag ein nicht unlöbliches gewesen sein; aber wie Weniges und wie Geringes ist geschehen und ausgeführt gegen das, was meine jugendliche Phantasie von meinen Thätigkeiten erwartete. Und warum ist so vieles und vielleicht das Beste unterblieben? Wären es große Ursachen, eigentliche Schicksale, so könnte ich doch beruhigter sein: nein, Launen, Verwöhnungen, Aufschieben, Trägheit, Lust am Lesen, Schwelgen im Geist, Uebermuth im Projectiren, Spielen mit dem Leben, und hauptsächlich jener verächtliche Kleinmuth, von dem Sie vielleicht gar keine Vorstellung haben, der mich immer wieder dahin bringt, mich und mein Leben auf Zeiten platt hinfallen zu lassen.“ Bei seiner Eigenheit, vieles anzufangen und unfertig liegen zu lassen, mit den Vorbereitungen nicht zu Ende zu kommen, ist die Fülle desjenigen, was er wirklich zu Stande brachte um so bewundernswürdiger. Sein hervorragendes Talent befähigte ihn eben nur zu schneller dichterischer Production, die geduldige, unermüdliche Forschung wollte ihm nicht gelingen. Das sind die eigentlichen Ursachen, die es ihm unmöglich machten, das Werk über Shakespeare und seine Zeit zu verfassen, so viel Einzelkenntnisse er auch allmählich sich angeeignet hatte, die sich aber nie zum Ganzen zusammenfügen wollten. Große Hoffnungen regten sich bei seinen Verehrern, als es bekannt wurde, daß er die Durchsicht der bereits von A. W. Schlegel übersetzten Schauspiele Shakespeare’s übernommen habe, die noch fehlenden selbst übersetzen und alle mit Erläuterungen versehen werde, so daß eine mustergültige, vollständige deutsche Ausgabe der Dramen in Aussicht stand. Diese Ausgabe erschien in der That bei Reimer in Berlin in 9 Bänden 1825–1833 (Bd. I 1825, II und IV 1826, III 1830, V und VI 1831, VII und VIII 1832, IX 1833) unter dem Titel: „Shakespeare’s dramatische Werke übersetzt von A. W. v. Schlegel. Ergänzt und erläutert von L. Tieck.“ Die Erläuterungen bestehen in Anmerkungen zu den einzelnen Dramen und sind dem III., IV., V., VII. und IX. Bande beigegeben. Sie sind oft sehr kurz – nur Macbeth (Bd. IX) ist einigermaßen ausführlich erörtert – versuchen die Abfassungszeit der einzelnen Dramen festzustellen und geben Wort- und Sinneserkärungen. Sieht man die einzelnen Bände durch, so fällt es auf, daß bei den Dramen nie bemerkt wird, ob die Uebersetzung von Schlegel oder von T. ist. Der Grund ist sehr einfach; T. hat nicht ein einziges der Stücke übersetzt und darum heißt es auf dem Titel: „ergänzt“ von L. T. Nur die Anmerkungen sind Tieck’s wirkliche Arbeit, während die Uebersetzung der von Schlegel ausgelassenen Dramen theils vom Grafen W. v. Baudissin, theils von Tieck’s Tochter Dorothea herrührt. Von dem Antheil der letzteren sagt T. nichts, nennt aber am Schluß der Anmerkungen zu Bd. IX, S. 417, den Grafen Baudissin als Uebersetzer folgender Dramen: Heinrich VIII., Antonius und Cleopatra, Maaß für Maaß, die lustigen Weiber von Windsor, Othello, Lear, [272] Titus Andronicus, Komödie der Irrungen, Troilus und Cressida. Nicht erwähnt wird, daß Love’s labour’s lost größtentheils von Baudissin übersetzt wurde, einige poetische Stellen, die Sonette, sind von Dorothea Tieck. Mit dieser gemeinsam bearbeitet Baudissin auch Viel Lärmen um nichts, wo ihm nur die Prosatheile angehören, die Verse aber Dorothea. Die bezähmte Widerspänstige übersetzten beide, bei der Feststellung des Textes wurde von jedem das Beste ausgewählt. Ganz selbständig wurden endlich von Dorothea übersetzt: Die beiden Veroneser, Timon von Athen, Coriolan, Macbeth, Wintermärchen und Cymbeline (vgl. Erinnerungen an Fr. v. Uechtritz, hrsg. v. Heinr. v. Sybel S. 177). T. sah diese Uebersetzungen nur durch, der Rest ist von Schlegel. In gleicher Weise theilten sich Dorothea und Graf Baudissin in die Uebertragung von sechs älteren englischen Dramen, welche T. unter dem Titel „Shakespeare’s Vorschule“ in zwei Bänden herausgab (erster Theil 1823, zweiter Theil 1829), deren jedem eine längere Vorrede vorangeht, in denen T. Beiträge zur Geschichte des altenglischen Theaters bietet. Diese Vorreden wurden in den Krit. Schr. I, 240–322 wiederholt. Endlich gab er im J. 1836 heraus: „Vier Schauspiele von Shakespeare, übersetzt von L. Tieck.“ Es sind dies Dramen, welche nach Tieck’s Meinung von Shakespeare verfaßt sind. Die Uebersetzung rührte zum Theil von Baudissin her. T. war überhaupt der Ansicht, daß Shakespeare eine weit größere Anzahl von Schauspielen verfaßt habe, als ihm in den Ausgaben der Werke zugetheilt werden. In einem Brief an Fr. v. Raumer vom November 1821 (Fr. v. Raumer, Lebenserinnerungen und Briefwechsel II, 131–136) gibt er in chronologischer Folge eine Zusammenstellung sämmtlicher Dichtungen, die nach seinem Urteil Shakespeare zugehören. Er bringt hier 67 verschiedene Werke des Dichters zusammen, während die Ausgaben nur 36–37 zählen. Aber den Beweis, daß Shakespeare der Verfasser der streitigen Dichtungen war, hat er nicht gebracht. Von einem dieser Stücke „Mucedorus“ fand sich in seinem Nachlaß eine Uebersetzung, die 1893 (Berlin, Gronau) von Bolte herausgegeben ist. Als Frucht der Shakespeare-Studien sind noch zu erwähnen: „Ueber Lady Macbeth“ (Fr. v. Raumer, Erinnerungen u. Briefwechsel II, 191–195 und Nachgelassene Schr. II, 154 ff.) aus dem Jahre 1825 und „Ueber Shakespeare’s Sonette einige Worte nebst Proben einer Uebersetzung derselben“ (Taschenbuch Penelope 1826, S. 314 ff.). Seine Tochter Dorothea hatte sämmtliche Sonette Shakespeare’s übersetzt, von der hier mehrere ohne Nennung ihres Namens gegeben sind. – In Dresden fand T. endlich eine feste öffentliche Stellung. Schon oft hatten sich seine Freunde bemüht, ihm ein Amt zu verschaffen, insbesondere war Solger in Berlin für ihn thätig gewesen, aber sein Tod brachte die Unterhandlungen zum Stillstand. Im J. 1825, im Alter von 52 Jahren, wurde er nunmehr zum Dramaturgen am Dresdner Hoftheater mit einem Gehalt von 600 Thalern, welches später auf 800 erhöht wurde, und mit dem Titel eines Hofraths ernannt. Um nähere Kenntniß vom Zustand der Schauspielkunst zu gewinnen, unternahm er in demselben Jahre gemeinsam mit dem Intendanten des Dresdener Hoftheaters, v. Lüttichau, eine Rundreise durch Oesterreich und Deutschland. Seine Beobachtungen während derselben veröffentlichte er 1826 im 2. Band der dramaturgischen Blätter unter dem Titel: „Bermerkungen, Einfälle und Grillen über das deutsche Theater“. (Wiederholt Krit. Schr. IV, 1–105.) Seine Stellung in Dresden war angesehen und genügte im allgemeinen seinen Wünschen. Auch äußere Ehre und Anerkennung fehlten ihm nicht, selbst mit den vornehmsten Kreisen, soweit sie litterarische Interessen vertraten, stand er in naher Berührung, der Prinz Johann zog ihn in seine Dante-Gesellschaft. Bald bekam er vortheilhafte Anträge. Der König von Baiern ließ ihm 1826 eine Professur der schönen Litteratur an der neuen Münchener [273] Universität mit 2500–2800 Gulden Gehalt anbieten (Holtei, Briefe an T. I, 7 ff. u. III, 216 ff.). Aber nach einigem Schwanken lehnte T. diesen Vorschlag ab, weil er sich darüber klar geworden war, daß er für einen methodisch auszuübenden Lehrberuf nicht tauglich sei. Er zog es vor die weniger einträgliche, aber doch seinen Neigungen mehr zusagende, unabhängige Stellung in Dresden zu behalten. Zudem knüpften sich an München für ihn viele unerfreuliche Erinnerungen, während er sich in Dresden bereits heimisch fühlte und in einem erfrischenden geselligen Verkehr lebte. Sein Haus war für Einheimische und Fremde ein Anziehungspunkt geworden, besonders seitdem er an einem bestimmten Abend der Woche sich als Vorleser von Dramen, bisweilen auch von Erzählungen und Gedichten hören ließ. Er hatte dies von jeher gethan und so den Trieb befriedigt, der ihm in der Jugend die Kunst des Schauspielers als die für seine Natur allein geeignete hatte erscheinen lassen. Damals hatte nur der entschlossene Widerstand des Vaters ihn genöthigt, der Bühne zu entsagen und sich mit Vorlesen zu begnügen. Nach den übereinstimmenden Zeugnissen der Zeitgenossen besaß er hervorragende schauspielerische Begabung, und seine Meisterschaft im Vorlesen war so bekannt, daß die Fremden, welche Dresden besuchten, sich darum bemühten, einen Vorlesungsabend bei T. zubringen zu dürfen. Auch Caroline Schelling, die sonst seine Freundin nicht war, berichtet über die künstlerische Wirkung seines Vorlesens in München am 23. November 1808 (Briefe, hrsg. v. Waitz II, 355): „Statt des großen Spectacle hätten wir hier ein kleines aber exquisites, T. nämlich, der Lustspiele vorliest und uns schon manchen Abend in die Täuschung versetzt hat, als säßen wir von einer Bühne, auf der alle Rollen aufs auserlesenste besetzt wären. Schon ehemals (in Jena) las er gut, aber jetzt ist es das Beste, was man in der Art genießen kann, und eigentlich etwas ganz einziges. Er macht die Stücke hier, indem er sie so liest.“ Ueber das Vorlesen in der Dresdener Zeit bringen Carus (Raumer, Hist. Taschenbuch 1845, N. F. VI, 193 ff.) und der Freiherr v. Friesen (L. Tieck. Erinnerungen, 2 Bde.) ausführliche Erörterungen. So gehören die Jahre, welche T. in Dresden zubrachte, zu den glücklichsten seines Lebens. Er stand auf der Höhe seines Ruhmes, mehrere seiner Novellen wurden ins Englische, Französische und Dänische übersetzt, König Ludwig von Baiern, der als Kronprinz einmal zu ihm gesagt hatte: „Heiße auch Ludwig, große Ehre für mich, auch so zu heißen wie ein ordentlicher Dichter“, ließ ihm durch seinen Gesandten am 31. Mai 1834 als Geburtstagsgeschenk den Civilverdienstorden mit einem eigenhändigen Schreiben überreichen, in dem es hieß: König Ludwig dem Meister Ludwig. Aber mit den Jahren wurde es doch einsam um ihn in Dresden, am 11. Februar 1837 starb seine Frau, am 21. Februar 1841 seine Tochter Dorothea. Auch viele seiner Freunde und Anhänger verlor er im Lauf der Jahre durch den Tod. Dazu wurde ein Theil der Dresdener Gesellschaft mit seiner Einwirkung auf die Theateraufführungen unzufrieden, man fand insbesondere, daß Schiller von ihm nicht gebührend geschätzt wurde. Unter solchen Umständen kam es ihm sehr erwünscht, daß wenige Tage nach dem Tode seiner Tochter Dorothea, König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ihn einlud, den Sommer in Potsdam zuzubringen. Gleich nach dem Regierungsantritt dieses Königs, der für Kunst und Wissenschaft Sinn und Neigung besaß und deren Förderung als eine seiner vornehmsten Aufgaben betrachtete, hatte ihm T. am 2. August 1840 seinen eben vollendeten Roman Vittoria Accorombona überreicht. Huldvoll und großmüthig verlieh ihm der König vom 1. Januar 1841 ab eine Pension von 1000 Thalern, ohne ihm irgend welche Verpflichtung aufzuerlegen. T. begab sich im Sommer 1841 nach Potsdam und blieb dort bis [274] zum November. Als er dann nach Dresden zurückkehrte, stand sein Entschluß bereits fest, nach seiner Heimath ganz zu übersiedeln. Denn König Friedrich Wilhelm hatte großherzig, um den Dichter jeder Sorge zu überheben, zu jenen 1000 Thalern noch 2200 hinzugefügt, die ihm vom 1. Januar 1842 ab als Gehalt bezahlt werden sollten. In demselben Jahre erhielt er den Rothen Adlerorden 3. Classe und den Titel eines Geheimen Hofraths. Auch die Friedensclasse des Ordens pour le mérite wurde ihm zu theil. Sogar für eine Wohnung in Potsdam wie in Berlin wurde Sorge getragen. Sein Amt sollte sein, dem Generalintendanten der königlichen Schauspiele behufs Einstudirung griechischer und Shakespeare’scher Dramen zur Seite zu stehen und die Aufführungen vorzubereiten. Er wurde auf diesem Gebiet Dramaturg der königl. Theater. T. hatte das achtundsechzigste Lebensjahr bereits überschritten, als im Herbst 1842 der Umzug nach Berlin vollendet war. Von einer ausgedehnten litterarischen Thätigkeit konnte nicht mehr die Rede sein, seine Schöpfungskraft war versiegt; nun hatte er im Alter die Fülle, was er in der Jugend gewünscht. Vor allem dachte er jetzt daran, die Sammlung seiner Schriften weiterzuführen. Bereits 1828 und 1829 hatte er von Dresden aus seine Dichtungen in drei Lieferungen von je 5 Bänden in Berlin unter dem Titel „Ludwig Tiecks Schriften“ erscheinen lassen. Dem 1., 6. und 11. Band ging ein Vorbericht voraus, in welchem er Nachricht über Entstehung und Abfassungszeit der einzelnen Dichtungen gab. Diese Nachrichten bilden einen Abriß seiner litterarischen Selbstbiographie und sind darum von Werth, obwohl sie bisweilen nur Andeutungen enthalten, vieles verschweigen und manches unter dem Gesichtspunkt einer späteren Zeit betrachten. Ferner hatte er 1835 in Breslau „Gesammelte Novellen“ in vier Bänden herausgegeben, deren zweite Ausgabe 1838–1842 auf 14 Bändchen angewachsen war. In Berlin setzte er nun 1843 die Sammlung der Schriften fort, indem als 16. Band Sternbald in neuer Bearbeitung erschien. Bis 1846 kamen noch 4 Bände heraus, sodaß die Schriften 20 Bände umfaßten. Nur die Dichtwerke fanden sich hier vereinigt. Seine kritischen Arbeiten stellte er 1848 zusammen unter dem Titel: „Kritische Schriften“ Band 1 und 2 (Leipzig, Brockhaus). Sie enthalten abgesehen von den Aufsätzen aus seiner Jugendzeit die Vorreden und Einleitungen, welche den von ihm herausgegebenen Uebersetzungen und anderen Schriften vorangehen sowie einige Besprechungen von Büchern. Einen dritten und vierten Band fügte 1852 Eduard Devrient hinzu, der darin die bereits im J. 1826 zu Breslau in 2 Bändchen erschienenen „Dramaturgischen Blätter“ wiederholte und alles das hinzufügte, was T. seitdem an Tageskritiken über die Dresdener Bühne und an Bemerkungen über verschiedene hervorragende Unternehmungen des Berliner Hoftheaters geschrieben hatte. Endlich beschloß T. die Sammlung seiner Schriften, deren 17.–20. Band noch den Nebentitel Novellen Band 1–4 führten, durch eine neue Ausgabe seiner sämmtlichen Novellen zu ergänzen. Sie ist auch in 12 Bänden erschienen, Band 5–12 haben den Nebentitel Schriften Band 21–28. Doch hat er die Vollendung dieser Ausgabe nicht erlebt, der I. Band kam 1852 heraus, Band II–IX im J. 1853 und Band X–XII im J. 1854. – Das Leben in der Heimath bot ihm in den ersten Jahren vielen Reiz, er wohnte abwechselnd in Potsdam, wo ihm der König eine Sommerwohnung zur Verfügung gestellt hatte, und in Berlin. Seine Kunst als Vorleser zeigte er vor der Hofgesellschaft, um ihn zu ehren, wurden der gestiefelte Kater und der Blaubart aufgeführt. Aber für diese Dichtungen hatte das Publicum kein Interesse mehr. Seine Häuslichkeit suchte er ähnlich wie in Dresden zu gestalten, und bald hatte sich um ihn ein Kreis von Freunden gesammelt, die seinem Vorlesen zuhörten, das er nicht missen konnte. Aber es wurde immer einsamer um ihn. Seine zweite Tochter [275] Agnes verheirathete sich 1843 nach Schlesien, seine vertraute Freundin, die Gräfin Finkenstein, die ihm auch nach Berlin gefolgt war, starb in seinem Hause im J. 1847. In den letzten Jahren hatte er vielfach von Krankheiten zu leiden, und nur wenige auserwählte Freunde, unter ihnen Rudolf Köpke, der sein Biograph geworden ist, durften ihn täglich besuchen. Das letzte, was er veröffentlichte, war eine Vorrede zu den Märchen von Wahl 1852, wie er deren so viele für die litterarischen Arbeiten seiner Freunde verfaßt hat. So schon 1826 zu einer Bearbeitung von Schnabel’s Roman: Die Insel Felsenburg (Krit. Schr. II, 133), 1827 zu Alexander und Darius, Trauerspiel von v. Uechtritz (Krit. Schr. IV, 98), zu der Gedichtsammlung Braga von Dietrich (Krit. Schr. II, 119), 1827 zu Leben und Begebenheiten des Escudero Marcos Obrégon, übersetzt von Dorothea Tieck (Krit. Schr. II, 59), 1831 zu F. L. Schröder’s dramatischen Werken, herausgegeben von E. v. Bülow (Krit. Schr. II, 313), 1834 zu E. v. Bülow, das Novellenbuch (Krit. Schr. II, 375), 1836 zu Evremont, einem Roman seiner Schwester Sophie, die in zweiter Ehe mit einem Baron v. Knorring verheirathet gewesen und 1833 gestorben war; zu den Novellen und Erzählungen von Franz Berthold, und zwar 1839 zu König Sebastian von Franz Berthold (Krit. Schr. II, 389) und 1841 zu Gesammelte Novellen von Franz Berthold (Krit. Schr. II, 397). Franz Berthold war ein Pseudonym für Adelheid Reinbold, eine Schriftstellerin, die mit dem Tieck’schen Hause in Dresden nahe befreundet war, aber am 14. Februar 1839 nach kurzer Krankheit starb. 1842 schrieb T. ein Vorwort zu Friedrich Laun’s gesammelten Schriften (Krit. Schr. II, 401), und zu Ungewitter, Volkssagen und Volkslieder aus Schweden (Krit. Schr. II, 401), 1843 zu Sämmtliche Tragödien des Sophokles von F. Fritze (Krit. Schr. II, 419), auch gab er in demselben Jahr die Gedichte von Karl Förster heraus. Von 1844 ist Goethe’s ältestes Liederbuch, herausgegeben von Ludwig T., Neue Jahrbücher der berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache VI, 272. Im J. 1846 verfaßte er Vorreden zu den Norwegischen Volksmärchen, gesammelt von Aesbjörnsen und Moe, deutsch von Bresemann (Krit. Schr. II, 416) und zum dritten Theil von Novalis’ Schriften, herausgegeben von T. und E. v. Bülow, 1848 zu Dilia Helena, Lieder und 1851 zu Lehmann, Streit und Friede, Gedichte. Noch im J. 1850 übersetzte er Sheridan’s The Rivals. Diese Uebersetzung befindet sich in seinem Nachlaß. – T. starb zu Berlin am 28. April 1853 fast 80 Jahre alt. Sein Grab befindet sich auf dem Dreifaltigkeitskirchhof vor dem Halleschen Thor in der Nähe der Gräber Schleiermacher’s und Karl Lachmann’s. Sein von Vogel v. Vogelstein gemaltes lebensgroßes Oelbild ist in der National-Galerie zu Berlin, eine von seinem Bruder Friedrich gefertigte Büste steht in der Vorhalle der königlichen Bibliothek. Sein sehr reichhaltiger litterarischer Nachlaß wird in der königlichen Bibliothek zu Berlin aufbewahrt.

Vgl. Rudolf Köpke, Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündlichen und schriftlichen Mittheilungen, 2 Bde. (Das Hauptwerk über T.) Leipzig 1855, F. A. Brockhaus. – J. L. Hoffmann, Ludwig Tieck. Eine litterarhistorische Skizze. Nürnberg 1856, Bauer und Raspe. – Hermann Freiherr v. Friesen, Ludwig Tieck. Erinnerungen eines alten Freundes aus den Jahren 1825–1842, 2 Bde. Wien 1872, Braumüller. – Von den litteraturgeschichtlichen Werken, in denen T. behandelt wird, sind zuverlässig und belehrend: Koberstein, Grundriß der Geschichte der deutschen Nationallitteratur, 5. Auflage 1873, Bd. IV, Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung und Haym, Die romantische Schule. Berlin 1870. – Vgl. auch Hettner, Die romantische Schule, 1850. – In den Denkwürdigkeiten und Tagebüchern der Zeitgenossen z. B. von Steffens, [276] Laun, Oehlenschläger, Karl Förster, Carus, Holtei, Strombeck, Immermann u. a. wird T. häufig erwähnt. Wichtiger sind die in Briefsammlungen zerstreuten Einzelnachrichten: Karl v. Holtei, Briefe an Ludwig Tieck, 4 Bde. Breslau 1864. – Fr. v. Raumer, Lebenserinnerungen und Briefwechsel, 2 Bde. Leipzig 1861, Brockhaus. – Caroline. Briefe herausgegeben von G. Waitz. 2 Bde. Leipzig 1871, Hirzel. – Erinnerungen an Fr. v. Uechtritz und seine Zeit. Mit einem Vorwort von Heinr. v. Sybel. Leipzig 1884, Hirzel. – Ferner sind zu erwähnen über T. als Vorleser: Carus, L. Tieck. Eine Geschichte seiner Vorlesungen in Dresden (Raumer, Histor. Taschenbuch 1845, N. F. VI, 193 ff.); Heinrich Schmidt, Erinnerungen eines weimarischen Verteranen S. 56 ff. Leipzig 1856. – In Zeitschriften: R. E. Hahn, Ein Abend bei Ludwig Tieck (Hackländer, Ueber Land und Meer 1863, Nr. 29); Stern, L. Tieck in Dresden (Dresdner Journal 1873, Mai); H. L. Fischer, Träume und Visionen in Ludwig Tieck’s Leben und Schriften. Nach ungedruckten Briefen Tieck’s (Vossische Zeitung 1866, Nr. 227, 10. Mai, Sonntagsbeilage); H. L. Fischer, Ludwig Tieck in seinem Verhältniß zu Friedrich Wilhelm IV. und zu der Hofbühne in Berlin. Mittheilungen aus den Acten des königl. Geh. Staatsarchivs zu Berlin (Vossische Zeitung 1885, Nr. 295, 28. Juni und Nr. 307, 6. Juli, Sonntagsbeilagen); H. L. Fischer, Ludwig Tieck und die Berliner Hofbühne. Mittheilungen aus den Acten des königl. Geh. Staatsarchivs zu Berlin (Berliner Nationalzeitung 1885, Nr. 470, 18. August und Nr. 482, 25. August); H. L. Fischer, Ein litterarischer Zwist auf der Berliner Hofbühne (Nationalzeitung 1886, Nr. 693, 14. December). – Hettner, Ludwig Tieck als Kritiker (Hettner, Kleine Schriften, nach dessen Tod herausgegeben S. 513 ff. Braunschweig 1884, Vieweg). – Minor, Ludwig Tieck als Novellendichter. Akad. Bil. 1884. I, 129, 193. – H. L. Fischer, Ludwig Tieck und Oehlenschläger nach Tieck’s ungedrucktem Briefwechsel, Voss. Zeitung 1886, Nr. 3, Sonntagsbeilage; H. L. Fischer, Ludwig Tieck und Justinus Kerner, Allg. Zeitung 1886, Nr. 260. – A. Haussen, Zu Ludwig Tieck’s Nachlaß, Archiv f. Litteraturgesch. 1887, XV, 316. – M. O. Kaiser, Der Dualismus Tieck’s als Dramatiker und Dramaturg, Leipz. Diss. 1887. – H. W. B. Zimmer, J. G. Zimmer und die Romantiker. Frankfurt a. M. 1888. – Schack, Ein halbes Jahrhundert Erinnerungen und Aufzeichnungen, 3 Bde. Stuttgart 1888. – B. Steiner, Ludwig Tieck und die Volksbücher. Ein Beitrag zur Geschichte der älteren romant. Schule. Berlin 1893, Vogt. – Aus dem Leben Theodor v. Bernhardi’s, Bd. 1 u. 2. Leipzig 1893, Hirzel. – Gotth. Klee, Tiecks Reise von Berlin nach Erlangen 1793 (Forschungen z. dtschn. Philol. Festgabe f. Rud. Hildebrand z. 70. Geburtstag). Leipzig 1894, Veit. – Gotth. Klee, Tiecks Leben u. Werke, 1894 (Meyers Volksbücher, Leipzig, Bibliograph. Institut). – Steig u. H. Grimm, Achim v. Arnim und die ihm nahestanden. Berlin 1894.