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ADB:Brockhaus

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Artikel „Brockhaus“ von Otto Mühlbrecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 337–340, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Brockhaus&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 17:37 Uhr UTC)
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Band 3 (1876), S. 337–340 (Quelle).
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Brockhaus. Hervorragende Buchhändlerfamilie in Leipzig, aus Westfalen stammend, wo, in Dortmund, 4. Mai 1772 Friedrich Arnold B., der Begründer des heute noch in Leipzig bestehenden großartigen Geschäftes, geboren wurde. Sein Vater, Kaufmann und Rathsherr in Dortmund, ließ ihn das dortige Gymnasium besuchen und von 1788–93 in Düsseldorf die Handlung erlernen; von hier ging B. nach Leipzig, wo er während zweier Jahre durch akademische Studien die Lücken seiner Bildung zu ergänzen sich bemühte. Im J. 1795 errichtete B. in seiner Vaterstadt in Gemeinschaft mit einem Verwandten ein Manufacturwaaren-Geschäft, welches so ergiebige Beziehungen zu dem benachbarten Holland gewann, daß die Besitzer dasselbe 1801 nach Arnheim und 1802 nach Amsterdam verlegten, wo alsdann B. alleiniger Besitzer wurde. Anfangs vom Glücke begünstigt, wirkte später die von Napoleon[WS 1] auch auf Holland ausgedehnte Continentalsperre so nachtheilig auf seine Unternehmungen, daß B. dies Geschäft aufgab und sich früheren Ideen zuwandte. Er hatte von jeher [338] das lebhafteste Interesse für Litteratur, war nur gegen seinen Willen Kaufmann geworden, und hatte in Leipzig jedenfalls tiefen Einblick in den dortigen Buchhandel gewonnen; so errichtete er denn 1805 in Amsterdam zusammen mit dem Buchdrucker J. G. Rohloff eine Sortiments- und Verlagsbuchhandlung unter der Firma „Rohloff & Comp.“, welche er dann aber bald für alleinige Rechnung als „Kunst- und Industrie-Comptoir“ fortsetzte. Bei der Ungunst der Zeitverhältnisse und der Zerstörung von Credit und Vertrauen in der Geschäftswelt entschloß sich B., seine Buchhandlung nach Deutschland zu verlegen; er begab sich 1810 unter Zurücklassung seines Geschäftsführers Bornträger (später in Königsberg etablirt), der den Verkauf der Vorräthe der Buchhandlung an die beiden Amsterdamer Firmen Johannes Müller und J. C. A. Sülpke vermittelte, nach Leipzig und 1811 nach Altenburg, wo er in demselben Jahre die Amsterdamer Firma wieder aufnahm, aber 1814 in die noch heute bestehende „F. A. Brockhaus“ änderte. In Altenburg operirte B. gleich von vornherein mit viel Geschick und besserm Glück als in Holland; in die Jahre seines dortigen Aufenthaltes fällt u. A. das Inslebentreten des Taschenbuches „Urania“, welches während der ganzen Zeit seines Bestehens (1810–1848) sich großer Beliebtheit erfreute, und für welches B. die tüchtigsten Mitarbeiter zu gewinnen wußte, wie z. B. Ernst Schulze, dessen „Bezauberte Rose“ dort zuerst (1818) erschien. Schon in Amsterdam kennzeichneten alle Pläne Brockhaus’ eine kühne großartige Auffassung, ein weiter Blick über das Nächstliegende hinaus, verbunden mit lebhaftem Gefühl für das Edle und Schöne, und eine besondere Vorliebe für wissenschaftliche Unternehmungen. Diese Eigenschaften kamen in Altenburg bei dem Aufschwunge, den das Volksbewußtsein, das ganze geistige Leben der Nation nahm, rasch zur Geltung und verschafften B. große Erfolge. Zu seinen besten Unternehmungen aus jener Zeit zählt das „Handbuch der deutschen Litteratur“ von Ersch, welches B. schon 1809 in Amsterdam vorbereitet hatte, jetzt aber erst (1812–14) zur Ausführung brachte; großes Aufsehen erregten auch die von B. unmittelbar nach der Schlacht bei Leipzig „auf Befehl“ des Fürsten von Schwarzenberg ins Leben gerufenen „Deutschen Blätter“, welche bis 1816 erschienen und heute noch dem Geschichtsforscher eine Fundgrube historischer Thatsachen und interessanter Mittheilungen aus jener bewegten Zeit bieten. Ferner fällt in die Jahre 1812–19 die Umarbeitung des „Conversations-Lexikons“, meist von B. selbst ausgeführt oder doch redactionell geleitet, welches später so bedeutsame Verlagsunternehmen B. in der ersten sechsbändigen Auflage 1808 in Leipzig erworben hatte; es schlug in der neuen Bearbeitung gleich so mächtig durch, daß sich B. dadurch pecuniär sehr günstig gestellt sah. Behufs Erweiterung seines Geschäftes entschloß er sich, 1817 nach Leipzig überzusiedeln, wo er 1818 auch eine eigene Druckerei errichtete und nun zu den großartigsten Unternehmungen überging. Neben mehreren kurz auf einander folgenden neuen Auflagen des Conversations-Lexikons waren es namentlich periodische Unternehmungen, denen sich B. zuwandte, wie das „Litterarische Conversationsblatt“ (die heutigen „Blätter für litterarische Unterhaltung“), dann „Hermes oder kritisches Jahrbuch der Litteratur“ u. a. m. Daneben verlegte er Raumer’s „Geschichte der Hohenstaufen“ (1823), Ebert’s „Allgemeines bibliographisches Lexikon“ und viele andere Werke, welche heute noch in verdientem Ansehen stehen. B. war ein umfassender Geist, ein Mann von seltener Thatkraft, die allerdings zuweilen in Schroffheit ausartete, wodurch er sich manchen Widersacher schuf und in lebhafte litterarische Streitigkeiten (namentlich mit Müllner) gerieth. Er war viel auf Reisen und unterhielt mit einer Menge hervorragender Männer einen fortwährenden lebhaften brieflichen Verkehr, aus dem sein beständig anregender fruchtbarer Geist ersichtlich ist; auch trat er gegen den damals in Deutschland wuchernden [339] Nachdruck energisch auf und wirkte für eine entsprechende Regelung der deutschen Preßgesetzgebung; seine freisinnigen politischen Anschauungen, sein unabhängiger Sinn zogen ihm in jener Zeit der Preßmaßregelungen mehrfach Verfolgungen Seitens der Obrigkeit, so im J. 1821 eine Recensur seines ganzen Verlages durch die preuß. Regierung, zu, die ihm seine Thätigkeit sehr erschwerten und die letzten Jahre seines Lebens verbitterten. Er starb 20. Aug. 1823 in Leipzig. Das Geschäft wurde bis 1829 für seine Erben fortgesetzt und ging dann an seine beiden Söhne, Friedrich B. und Heinrich B., über, während der dritte Sohn Hermann B.[1] sich den Wissenschaften zuwandte (gegenwärtig als Professor für altindische Sprache und Litteratur in Leipzig thätig). Friedrich, geb. 23. Sept. 1800 in Dortmund, † 1865, erlernte die Buchdruckerei bei Vieweg in Braunschweig, während Heinrich, geb. 4. Febr. 1804 in Amsterdam, † 15. Nov. 1874, den Buchhandel im väterlichen Hause erlernte; beide gaben dem damals schon blühenden Hause eine fortgesetzt zunehmende Bedeutung und Ausdehnung, sodaß unter ihrer Leitung die Firma einen über Europa hinaus reichenden geachteten Ruf erlangt hat. Im J. 1850 schied Friedrich aus dem Geschäft und Heinrich übernahm dasselbe allein, bald unterstützt von seinen beiden Söhnen Heinrich Eduard (geb. 7. August 1829 in Leipzig)[WS 2] und Heinrich Rudolf (geb. 16. Juli 1838 in Leipzig)[WS 3], an welche nach seinem am 15. Nov. 1874 erfolgten Tode die Firma überging. Heinrich gehörte dem Geschäfte 55 Jahre an und hat dasselbe wesentlich zu seiner Höhe erhoben. Mit eisernem Fleiß wußte er durch Selbststudium seine Bildung zu erweitern, ebenso durch zahlreiche Reisen in fast alle Länder Europa’s (selbst Island), sowie nach Algier, Aegypten, Palästina und Syrien. Er war einer der hervorragendsten Buchhändler seiner Zeit und nahm auch an den allgemeinen Angelegenheiten des Buchhandels regen Antheil. Die Universität Jena ernannte ihn 1858 honoris causa zum Dr. philos. Auch an den öffentlichen Angelegenheiten betheiligte er sich lebhaft und war 1842–48 Mitglied der sächsischen II. Kammer als Vertreter Leipzigs; 1850 weigerte er sich, in die verfassungswidrig reactivirte Ständeversammlung einzutreten. Ein im J. 1837 in Paris unter der Firma „Brockhaus & Avenarius“ gegründetes Zweiggeschäft wurde 1844 wieder aufgegeben, wohingegen die in Wien 1864 und in Berlin 1872 gegründeten Filialen noch bestehen und die Interessen des Leipziger Hauses in Oesterreich und Preußen wahrnehmen. – Die Verlagsthätigkeit der Firma B. ist auf allen Gebieten des menschlichen Wissens eine bedeutsame und fruchtbringende gewesen und ist es noch; an das Hauptunternehmen, das Conversations-Lexikon, reihen sich mehrere ergänzende Werke, wie der „Bilderatlas“ (1844–49, zweite Auflage 1869–75), „Die Gegenwart“ in 12 Bänden (1848–56), „Unsere Zeit“ (1857 und Folge). Das Conversations-Lexikon selbst hat bis jetzt 12 Auflagen erlebt. Von gleicher Bedeutung ist das großartig angelegte Unternehmen, die Ersch und Gruber’sche „Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste“, welches die Firma B. in seinen ersten Anfängen 1832 mit dem übrigen Verlage der Firma J. G. Gleditsch in Leipzig erwarb. Erwähnt sei auch noch das 1830 begründete „Historische Taschenbuch“ von F. v. Raumer (fortgeführt von W. Riehl) und der „Neue Pitaval“ von Hitzig und Häring (seit 1842), das „Illustrirte Haus- und Familienlexikon“ von R. Arendt[WS 4], die „Schiller-, Goethe-, Lessing- und Shakespeare-Galerien“ von Pecht[WS 5] und Ramberg und die „Bibliothek ausländischer Autoren“, welche die bedeutendsten Erzeugnisse der englischen, romanischen und slavischen Litteraturen (bis jetzt etwa 150 Bände) enthält. Ein größeres Unternehmen der letzten Jahre soll die deutsche Nationallitteratur von den Anfängen bis zur Gegenwart in fünf Serien in den besten Werken mit Einleitungen und Anmerkungen reproduciren, wovon (bis 1875) etwa 70 Bände vorliegen; endlich sei noch die 1837 [340] ins Leben gerufene „Leipziger Allgemeine Zeitung“, seit 1843 „Deutsche Allgemeine Zeitung“, genannt, welche heute noch unter den liberalen politischen Blättern einen ehrenvollen Rang behauptet. Der Verlagskatalog enthält nahezu 3000 verschiedene Werke, und es gibt kaum einen hervorragenden Namen der neueren Zeit auf geistigem Gebiet, der hier nicht entweder durch eigene Arbeiten vertreten ist, oder durch Andere Berücksichtigung gefunden hat, sodaß in der That der Verlag der Firma B. als ein Spiegelbild der deutschen culturgeschichtlichen Entwicklung unseres Jahrhunderts angesehen werden kann. Dieser Bedeutung entsprechend, sind mit der Buchhandlung (welche außer dem Verlagsgeschäft auch alle übrigen Zweige des Buchhandels: Commissionsgeschäft, ausländisches Sortiment, Antiquariat etc. in sich vereinigt) alle nöthigen technischen Anstalten (Buchdruckerei, Schriftgießerei, geographische Anstalt, xylographische Anstalt, Buchbinderei etc.) verbunden, um das Verlagsgeschäft bei der Herstellung seiner Werke in jeder Beziehung unabhängig von fremder Hülfe zu machen. Eine eingehende Schilderung dieser verschiedenen Geschäftszweige (13 mit einem Gesammtpersonal von 600 Leuten) findet sich in der 1872 als Manuscript veröffentlichten Festschrift: „Die Firma F. A. Brockhaus in Leipzig“. Eine ähnliche Denkschrift wurde auch schon durch das 50jährige Bestehen des Hauses im J. 1856 veranlaßt; sie enthält unter anderm interessante Mittheilungen über die litterarischen Verbindungen zwischen Deutschland und dem Auslande, welche theilweise von der Firma B. neu gestaltet, oder überhaupt zum ersten Male angeknüpft sind, und welche zur Erleichterung des internationalen wissenschaftlichen Verkehrs wesentlich beigetragen haben. Ferner verweisen wir auf die im J. 1872 bei Gelegenheit des 100jährigen Geburtstages von Friedrich Arnold B. von der Firma veröffentlichten Festschriften: das von Heinrich B. ganz mustergiltig bearbeitete „Vollständige Verzeichniß der von 1805–72 verlegten Werke“, die Biographie des Gründers der Firma: „Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Leben und Wirken geschildert von seinem Enkel Heinrich Eduard B.“ in 3 Theilen (erster 1872, zweiter 1876) und die oben erwähnte (von Rudolf B. bearbeitete) Denkschrift: „Die Firma F. A. Brockhaus in Leipzig“, welche drei Schriften zusammen ein glänzendes Zeugniß ablegen für die bisherigen Leistungen und den heutigen Stand der Firma F. A. Brockhaus.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 339. Z. 9 v. o.: Hermann Brockhaus † 5. Januar 1877. [Bd. 5, S. 794]


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Napoléon Bonaparte (* 15. August 1769 in Ajaccio; † 5. Mai 1821 auf St. Helena), französischer Kaiser
  2. Heinrich Eduard Brockhaus (* 7. August 1829 in Leipzig; † 11. Januar 1914 in Leipzig)
  3. Heinrich Rudolf Brockhaus (* 16. Juli 1838 in Leipzig; † 1898)
  4. Rudolf Arendt
  5. August Friedrich Pecht (* 2. Oktober 1814 in Konstanz; † 24. April 1903 in München), Kunstschriftsteller