Sagen aus der Provinz Sachsen VII
Von Pumput wissen sich Müller und Knappen gar viel zu erzählen; bald hat dieser Knappe dies von ihm gehört, bald jenes, und mancher Müller hat zu seinem Schaden erfahren, dass sein zugewanderter Knappe kein anderer als Pumput gewesen ist, besonders wenn er mit demselben nicht gut umgegangen war oder ihm keine gute Bewirtung hatte angedeihen lassen.
So war Pumput auch einmal bei einem Müller in einem Dorfe nicht weit von Magdeburg zugewandert und dort in Dienst getreten. Der Müller wollte sehen, ob der neue Knappe seine Sache verstehe und hiess ihn die Mühlsteine schärfen. Es war kalt und so kam es, dass dem neuen Knappen die Arbeit nicht recht von statten ging: er klagte, dass ihm die Hände verklammten, ballte dieselben zusammen und blies seinen warmen Atem hinein. Der Müller hielt das für Zeitvergeudung und schalt deshalb auf den Knappen. Allein dieser steckte den Stiel seiner Steinpicke in das Loch des Mühlsteins hinein, nahm die Last über die Schulter und ging damit, als hätte er ein leichtes Bündel zu tragen, wohlgemut ab in die Stube. Hinter dem Ofen setzte er den Stein nieder, wärmte sich nun erst in aller Gemächlichkeit die Hände, und dann schärfte er den Stein. Darauf liess er den Stein ruhig an Ort und Stelle liegen und ging in das Wirtshaus.
Nun ging dem Müller eine Ahnung auf, wer sein Knappe war. Da er den Stein nicht selbst wieder an Ort und Stelle bringen konnte, so musste er dem Knappen nachgehen. Der neue Knappe zeigte sich auch bereit, den Stein wieder an Ort und Stelle zu tragen und einzusetzen, wenn ihm der Müller Lohn für seine Arbeit geben und gute Bewirtung angedeihen lassen wolle. Der Müller war dazu gern bereit. Darauf ging der neue Knappe mit in die Mühle, nahm den Stein, als wäre er ein Stück Holz, und trug ihn an Ort und Stelle.
Nachdem er seinen Lohn erhalten und tüchtig gegessen und getrunken hatte, zog Pumput wieder von dannen.
Eines Tages waren zwei Drescher in einem Dorfe bei Magdeburg in eifriger Arbeit, da geschah es, dass plötzlich über die Tennenwand eine Garbe nach der andern auf die Diele geflogen kam; bald lagen so viel Garben auf der Tenne, dass die Drescher ihre Arbeit einstellen mussten. Das kam den Arbeitern gar sonderbar vor, denn sie wussten, dass niemand in der Scheune war, welcher die Garben hätte werfen können, und von selbst konnten dieselben doch auch nicht auf die Diele gefallen sein, denn die Banse im Tass war niedriger als die Tennenwand; sie sahen auch niemand, als sie auf die Leiter kletterten und in das Tass hinabsahen. Kaum aber waren die Drescher wieder an ihre Arbeit gegangen, so begannen die Garben von neuem aus dem Tass auf die Tenne zu fliegen.
Als die Arbeiter nun ihrer Not keinen Rat wussten, fiel auf einmal einem der Drescher ein, dass er gehört hatte, wenn man nicht aus noch ein wüsste, so müsse man thun, als ob man den Spuk für einen richtigen Menschen halte und ihn darauf anreden. Das that denn auch einer von den Dreschern und sagte nach dem Tass zu: „Here man nu up, Vâder, wi hebben nu enoch Korn up de Dacle.“
Von dem Augenblick an fiel keine Garbe mehr auf die Tenne und die Drescher wollten wieder an die Arbeit gehen; sie machten sich daran, die Garben wegzuräumen.
Indem kam der Bauer auf die Tenne. Die Drescher erzählten ihm alles, was sich zugetragen hatte. Der Bauer hörte ruhig zu, dann sagte er: „Jo, jo, man sollte et gâr nich glöben, wat alles in de Welt passirt. Abber nu sid man stille, nu ward Juch ok nischt mehr tue stöten, droscht man ruig wieder.“
Die Drescher thaten, wie ihnen gesagt war, und es blieb denn auch in der That fortan alles ruhig.
Den Schäfern trägt sich mancherlei zu, wenn sie des Nachts bei ihren Schafen auf dem Felde in ihrer Hortkarre liegen; gewöhnlich geschieht das aber an solchen Stellen, von denen man schon weiss, dass es dort nicht ganz richtig ist. So erzählte ein alter Schäfer, dass er in seinen jungen Jahren als Schafknecht nach einem Dorfe bei Magdeburg gekommen sei. Der Schäfer, für den er zu hüten gehabt, hätte ihm gesagt, bevor er mit seiner Herde ausgetrieben sei, dass er den Abend an einer Stelle seine Hürden aufschlagen müsse, wo es spuken würde. Er solle sich daran nicht kehren. Der Spuk würde sich drei Nächte hintereinander wiederholen, dann aber werde er davor Ruhe haben.
Als es nun Abend geworden sei, habe er an der betreffenden Stelle die Hürden aufgeschlagen, die Schafe in dieselben hineingetrieben, dann sei er in seine Karre gekrochen und habe die Klarinette gespielt, um sich die Zeit zu vertreiben. Endlich sei er eingeschlafen.
Da, es möge wohl um die elfte Stunde gewesen sein, wäre er plötzlich aufgeschreckt, denn die Schafe seien unruhig geworden und der Hund [384] habe laut gewinselt. Sofort sei er aus der Karre gekrochen, um zu sehen, was es gäbe. Da habe er denn gesehen, wie die Schafe erst ängstlich hin und her gelaufen seien. Sie hätten dabei vor Angst gestöhnt und geprustet. Er habe den Hund angerufen, aber obschon er den bissigsten Hund in der ganzen Gegend gehabt hätte, so habe dieser gar nicht auf ihn gehört, sondern nur um so lauter gewinselt und sich tiefer unter der Karre verkrochen. Darauf habe er sich an der Karre aufgestellt und die Schafe gelockt. Der Lockhammel hätte sich auch an ihn gedrängt, und diesem hätten sich die Schafe angeschlossen, aber in langen Reihen, und dann hätten diese Reihen immer hin und her gewogt, als sei jede Reihe eine grosse Schlange gewesen, welche sich hin und her winde. Das habe so eine ganze Weile gedauert. Schliesslich habe er gewettert und geflucht, um den Spuk zu verscheuchen, aber auch das habe nichts genützt. Endlich habe es auf dem Turme des Dorfes zwölf geschlagen. Sobald der letzte Schlag verhallt sei, wäre der Spuk vorbei gewesen, die Schafe wären ruhig geworden und der Hund sei unter der Karre hervorgekommen. Da habe er noch ein Weilchen still bei den Horten gewartet, dann sei er wieder in seine Karre gekrochen und endlich auch eingeschlafen.
Am folgenden Tage habe er alles einem Knechte aus dem nächsten Dorfe erzählt. Der Knecht habe an keinen Spuk geglaubt und über seine Erzählung gelacht, endlich aber gesagt, wenn sich doch dort ein Spuk zeigen solle, so werde er ihn schon vertreiben. Zu dem Zwecke sei der Knecht am Abend wieder zu ihm gekommen, um die Nacht bei den Horten in der Karre zu verbringen. Sie hätten sich erst etwas erzählt, dann seien sie müde und still geworden. Aber richtig, um die elfte Stunde habe der Spuk wieder angefangen sein Wesen zu treiben, genau wie in der vorigen Nacht. Er sei wieder zu den Schafen gegangen und auch der Knecht habe die Karre verlassen gehabt; diesmal habe er kein Wort mehr gesagt, und der Knecht sei so ängstlich geworden, dass er selbst da, als der Spuk mit dem Glockenschlag zwölf sein Ende gefunden, nicht gewagt habe, nach Hause zu gehen; derselbe sei während der ganzen Nacht bei ihm in der Karre geblieben.
Auch die dritte Nacht habe sich der Spuk wiederholt, dann aber sei Ruhe gewesen, so oft er auch später noch auf der Stelle gehürdet habe.
Der Knecht habe aber in seinem ganzen Leben nicht wieder über einen Spuk zu lachen gewagt, wer ihm auch von einem solchen erzählt habe.
Auf dem Wege von Loburg nach der Freiheit zu liegt ein Teich, von dem man erzählt, dass es in demselben spukt. Dass es mit dem Spuke dort seine Richtigkeit hat, haben auch einmal drei Knechte erfahren. Einstmals waren sie nämlich gegen Abend auf ihrem Wege bis an den Teich gekommen. Als sie am Rande des Teiches waren, fing es an im Wasser zu prusten und zu schnaufen und dann kam es brausend auf sie zugefahren. Da hätte die Knechte nichts zu halten vermocht; eilig liefen sie davon und erzählten allen, was ihnen mit dem Spuk im Teiche geschehen war.
In einem Dorfe bei Magdeburg ist ein grosser Schatz zu heben. Derselbe liegt unter der Tenne einer Scheune, welche einem reichen Bauer gehört. Um den Schatz wissen viele Leute im Dorfe und gar mancher hat schon den Versuch gemacht, denselben zu heben, aber das Vorhaben ist bis jetzt noch niemand geglückt. Das kommt aber davon, dass die Leute nicht wissen, wie es eigentlich um den Schatz steht. Denselben kann nämlich nur eine nackte Jungfrau heben, wenn sie in der Nacht zwischen elf und zwölf Uhr auf einem schwarzen Bock auf die Tenne reitet.
Eines Abends befand sich ein alter Schäfer, welcher in einem Dorfe bei Magdeburg wohnte, auf dem Heimwege. Er hatte nach seinen Schafen gesehen, denn am Tage zuvor war bei ihm ein Schäferknecht in den Dienst getreten, welcher nun die Schafe in der Nacht hürden sollte. Nachdem sich der alte Schäfer überzeugt hatte, dass alles in Ordnung war, befand er sich, wie gesagt, wieder auf dem Wege nach seinem Dorfe. Unterwegs gesellte sich noch ein Arbeiter aus demselben Dorfe zu ihm, welcher über Feld gearbeitet hatte und nun auch erst so spät wieder heimkehrte.
Wie die beiden so miteinander dahingingen und sich etwas erzählten, sahen sie neben dem Wege auf dem Felde ein Feuer brennen. Daran merkten sie, dass dort nicht alles richtig war, deshalb gingen sie schweigend an der Stelle vorüber. Es schickte sich nun aber, dass sie auch am nächsten Abend denselben Weg zu machen hatten. Wieder sahen sie auf derselben Stelle ein Feuer brennen. Diesmal gingen sie darauf zu. Als sie aber an das Feuer kamen, sahen sie, dass ein grosser, schwarzer Hund vor demselben lag. Da sprach der alte Schäfer zu dem Knecht: „Nu kiek mâl det Fier un den Hund an. Dâran kannst Du marken, det dâ en Schatz lieht, abber der is nich for uns, süss lege dort der Hund nich. Kumm un lot uns ruig nâ Huse gân.“
Das thaten sie denn auch und niemand hat jemals erfahren, ob der Schatz gehoben ist oder heute noch an derselben Stelle liegt.
Auf den Feldfluren verschiedener Dörfer bei Magdeburg, und zwar auf dem rechten Ufer der Elbe, sieht man am Wege alte wilde Birnbäume stehen. Die holzigen Früchte derselben nennt man Kodden, die Bäume selbst aber Drachenbäume.
Auf jeder Dorfflur steht aber nur einer dieser Drachenbäume.
Ihren Namen haben die Drachenbäume davon erhalten, dass früher Drachen in denselben zu hausen pflegten. Auch sonst noch sind die Bäume merkwürdig durch die Art ihres Wuchses; wie nämlich jeder Drache sieben Häupter hatte, so hat jeder Drachenbaum sieben grosse Äste.
Unweit des Bahnhofes von Zerbst liegt ein Stein, welcher etwa zwei Fuss hoch über den grasbewachsenen Boden emporragt. Der Stein ist ein Irrblock, feinkörniger Granit, welcher dadurch besonders bemerkenswert ist, dass sich auf der geneigten Oberfläche desselben zwei eiförmige Marken eingeschürft finden, welche durch eine Art von Rinne miteinander verbunden sind.
Wie der Stein an diese Stelle gekommen ist und woher die eiförmigen Marken mit der sie verbindenden Rinne rühren, erzählt man sich folgendermassen. Einst hatte der Teufel mit den Zerbstern den Vertrag abgeschlossen, dass die Stadt Zerbst mit allen ihren Bewohnern ihm gehören solle, wenn er den Block, welcher früher ganz wo anders lag, in einer Nacht um die Stadt schleppen werde. Wenn ihm dies aber nicht gelingen solle, so müsste er fortan die Zerbster zufrieden lassen.
Zur rechten Zeit machte sich der Teufel an die Arbeit. Er schlang eine lange Kette um den Stein und zog wacker darauf los, so dass er schon eine grosse Strecke um die Stadt herum zurückgelegt hatte. Er wäre auch wohl zum Ziele gekommen, wenn nicht einer von den Bewohnern aus Zerbst den Teufel und sein Treiben beobachtet hätte. Als dieser Mann nun sah, dass der Teufel seinen Zug rund um die Stadt fast vollendet hatte, krähte er laut wie ein Hahn.
Da glaubte der Teufel, der Morgen sei angebrochen und floh fluchend von dannen, indem er den Stein an der Stelle liegen liess, bis wohin er denselben geschleppt hatte.
So war fortan Zerbst sicher vor dem Teufel. Von der Kette, welche der Teufel um den Stein geschlungen hatte, sind die Eindrücke geblieben; das sind die eiförmigen Marken und die Rinne, welche dieselben[1] verbindet.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: dielben
Die Sagen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter: