RE:Eunuchen
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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die Eunuchen im Altertum, durch Verstümmelung zeugungsunfähig | |||
Band S III (1918) S. 449–455 | |||
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Eunuchen. Die gewöhnliche Bezeichnung solcher, die durch Verstümmelung zeugungsunfähig gemacht waren, aramäisch saris, ist bei den Griechen εὐνοῦχοι, Haremshüter, wodurch ihre hauptsächliche Bestimmung bei den Orientalen ausgedrückt wurde. Neben diesem mildern, oft zweideutigen Ausdruck (s. u.) finden sich die weniger anständigen ἐκτομίας (Herodot. VI 9. Cass. Dio LXXXVI 14, 5), σπάδων (Plut. Demetr. 25), ἀπόκοποι (Strab. XIII 630). Die römischen Schriftsteller der Kaiserzeit brauchen ebenso häufig das verächtliche spado wie eunuchus auch spöttisch semivir (Plin. XI 263. Claud. in Eutrop. I 171. II 22), das sonst die Dichter auf die Galli und andere entmannte Priester anwendeten (Ovid. met. IV 386. Stat. Achill. II 363. Mart. IX 20, 8. Apul. met. VIII 28; de mund. 17). Auch solche, die von Natur aus oder durch einen Unglücksfall impotent waren, wurden εὐνοῦχοι (Lukian. eun. 6. Strab. XIII 4) und spadones genannt (Dig. L 16, 128). Sie werden im römischen Recht von den castrati (Inst. I 11, 9. Dig. XXIII 3, 39 § 1) und von den thlibiae (Strab. XIII 4), thlasiae (Dig. L 16, 128) unterschieden, die den castrati rechtlich gleichgestellt werden (Dig. XLVIII 8, 5).
Die Verstümmelung männlicher Personen war im Orient als traurige Frucht der Sklaverei, der Polygamie und des mißtrauischen Despotismus seit den ältesten Zeiten heimisch. Nach Ammian. Marc. XIV 6, 17. Claud. in Eutrop. I 339ff. soll Semiramis die E. eingeführt haben oder die Parther (Claud. ebd.). Jedenfalls waren sie in Assyrien schon früh vorhanden, wie die ältesten Denkmäler zeigen, wo sie durch bartloses Gesicht gekennzeichnet sind (Vigouroux Dict. de la Bible I Fig. 312. 314. 321. 326ff.). An den lydischen Hof bestimmte nach Herodot. III 48f. Periander 300 vornehme Knaben von Korkyra zum schimpflichen Lose von E. Dem König Adramys (s. o. Bd. I S. 403) wird zuerst das εὐνουχίζειν τὰς γυναῖκας zu unsittlichem Zwecke zugeschrieben (Athen. XII 515 d = FHG I 39). Ähnliches erwähnt Hesych. Miles. FHG IV 171, 47 von Gyges. Für Ägypten sind E. bezeugt durch Vulg. Gen. XL 1. XXXVII 36. XXXIX ]. Bei den Israeliten, denen die castratio durch das mosaische Gesetz verboten war [450] (Vulg. Deut. XXIII 1. Joseph. ant. IV 8, 40), gab es während der ganzen Königsherrschaft am Hofe E. (Vulg. Reg. I 8, 15 u. ö. Jerem. XXXIV 9. XXXVIII 7. XLI 16). Am persischen Hofe spielen sie eine große Rolle (Vulg. Esth. I 10. 15. VI 2. VII 9), als Hüter des Harems (ebd. II 3. 14. IV 4f.), als Türhüter des Palastes (ebd. II 21), als Kämmerer, die den Verkehr der Untertanen mit dem König vermittelten (Herodot. III 77; vgl. I 114. 120. III 84. 118), als Adjutanten, σκηπτοῦχοι (Xen. Cyr. VII 3, 17. VΙΙI 1, 38. 3, 15; An. I 6, 11). Manche waren in hohen Vertrauensstellungen (Herodot. VIII 104), bekleideten angesehene Ämter in den Provinzen. Unter schwachen Herrschern übten sie einen verhängnisvollen Einfluß auf die Politik aus, wie Bagoas (s. o. Bd. II S. 2771 Nr. 1), welcher Name geradezu zu einem Appellativ für E. wurde (Ovid. am. II 2, 1. Plin. XIII 41. Lukian. eun. 5. Heliod. aeth. VIII 12, 25). Das aramäische Wort saris erscheint auf Denkmälern auch als Titel, so aus der Perserzelt in Ägypten (Ed. Meyer Gesch. d. Altert. III § 23), wie übrigens schon im Alten Testament, wo die Septuaginta Jerem. XXXIV 19 δυνάστης setzt. Ebenso war wohl Putiphar nur Beamter, da er verheiratet war (Vulg. Gen. XXXVII 36. XXXIX 1 – es gab indes auch verheiratete E., s. u.) – vielleicht auch der Vulg. act. ap. VIII 27ff. genannte Äthiopier. Dem persischen Hofe lieferte Babylon jährlich 500 Knaben als E. (Herodot. ΙΙI 92), von wo der Gebrauch von E. nach Persien gekommen sein soll (Hellanik. frg. 169). Auch Griechen wurden als E. nach dem Osten geliefert, wie die Geschichte des Hermotimos zeigt (Herodot. VIII 104ff.; s. o. Bd. VIII S. 904 Nr. 1). Besonders traf dieses Los Kriegsgefangene im mannbaren Alter (Herodot. VI 32) oder Knaben in eroberten Gebieten (ebd.), oder geraubte Kinder, so noch in später Zeit in Armenien (Claud. in Eutrop. I 47ff. Ammian. Marc. XVI 7, 5). Dabei wurde namentlich auf schöne Gestalt gesehen (Herodot. VI 32. VIII 105). Bei Xen. Cyr. VII 5, 58ff. werden die Gründe hervorgehoben, die den Kyros bewogen, sich mit E. zu umgeben. Der Hauptgrund war, sich die Treue und Ergebenheit dieser verstoßenen, auf ihren Gebieter allein angewiesenen Menschenklasse zu sichern. Das Vertrauen der Perser in die Treue der E. führt schon Herodot. VIII 105 an. Auch andere orientalische Herrscher umgaben sich mit E., so Antiochos d. Gr. (Liv. XXXV 15, 4), Mithridates (Ammian. Marc. XVI 7, 8), Kleopatra (Sen. ep. IV 7. Horat. carm. I 37, 9; epod. IX 13ff.), bei der Mardion und Potheinos regierten (Plut. Ant. 60. Cass. Dio L 5). Zum argwöhnischen Charakter des Herodes I. paßte es, daß er die E. begünstigte, die über Speise und Trank und den Schlaf des Königs wachten, und auch die Reichsangelegenheiten besorgten (Joseph. ant. Iud. XVI 8, 1). Der Günstling der Mariamne war ebenfalls ein E. (ebd. XV 7, 4). Noch spät nahmen im persischen und armenischen Reiche E. hohe Stellungen ein, wie Cylaces die Satrapie von Armenien (Ammian. Marc. XXVII 12, 5; s. o. Bd. II S. 1290, 69).
In Griechenland waren E. als Sklaven wohl selten. Wenn auch kein Gesetz die Kastration verbot, so war sie doch nach allgemeinem Urteil als etwas Unwürdiges betrachtet (Herodot. VIII 105f.). [451] Die zynische Beschönigung des persischen E.-Wesens bei Xen. Cyr. VII 5, 58ff. bildet eine Ausnahme. Indes gab es auch Griechen, wie Paionios von Chios, die sich durch das scheußliche Gewerbe, schöne Knaben als E. nach dem Osten zu liefern, viel Geld verdienten (Herodot. a. a. O.). Erst durch den gesteigerten Verkehr mit dem Morgenland und dem wachsenden Luxus regte sich das Bedürfnis nach E., wie Ter. eun. 168 zeigt, der das gleichnamige Stück des Menander benutzte. Alexander d. Gr. selber soll mit dem Lieblings-E. des Dareios unsittlichen Verkehr gepflegt haben (Curt. VI 53. X 1, 25; b. o. Bd. II S. 2772 Nr. 2). In Rom fanden sie am Ende der republikanischen Zeit Eingang. Die Römer hegten gegen sie großen Abscheu (Hor. carm. I 37, 9f.; epod. IX 13. Liv. XXXV 15, 4. Sen. ben. V 16, 6; ep. LXVI 53. Iuven. XIV 91. Suet. Tib. 7. Tac. hist. II 71. Hist. aug. XVIII 23, 5ff.). Curt. III 3, 23 hebt die verschiedene Auffassung der Orientalen und Römer hervor. Trotzdem nahmen sie mit dem Beginn der Kaiserzeit rasch überhand. Maecenas ließ sich in der Öffentlichkeit von zwei E. begleiten, was Ärgernis erregte (Sen. ep. CXIV 6). Unter dem Gesinde des Claudius, Nero, Vitellius (Tac. hist. II 71), des Titus (Suet. Tit. 7) ,und vornehmer Persönlichkeiten, wie Seian (Plin. VII 129), Fabius Valens, des Heerführers des Vitellius (Tac. hist. III 40), waren E. zahlreich vertreten. Auch die vielen Erwähnungen bei Martial II 60, 3: VI 2, 67. III 82, 15. VIII 44, 15. X 91 zeigen ihre starke Verbreitung in Rom an. Domitian, Nerva und Hadrian sahen sich infolge der sittlichen Exzesse (s. u.) und bei der Habsucht der Sklavenhändler (Mart. IX 6, 4. Anth. lat. I 1, 109 Riese. Dig. IX 2, 27 § 28. XLVIII 3 § 4), die bei den enormen Preisen (Plin. VII 129. Suet. Domit. 7) viele E. auf den Markt brachten, gezwungen, die Kastration als schweres Verbrechen zu verbieten (s. o. Bd. III S. 1772).
In der Kaiserzeit brauchte man die E. als cubicularii (Claud. in Eutrop. I 98. 419. Ammian. Marc. XVIII 4, 4), zur Bewachung der Frauen zu Hause oder beim Ausgehen, wobei sie sich Geld verdienen konnten, wenn sie ihr Amt nicht zu strenge nahmen (Ovid. am. II 2, 39f.), und zu ihrer Bedienung (Hist. aug. XVIII 23, 4. 7), besonders bei der Toilette und im Bade (ebd. 23, 5. Claud. in Eutrop. I 106ff.). Sie trugen den Frauen Sonnenschirm und Flabellum nach (Terent. eun. 595. Claud. I 109. 463; s. o. Bd. VI S. 1960). Plautianus, der Gardepraefect des Septimius, gab seiner Tochter Plautilla E. zu Lehrern in der Musik und anderen Künsten und Wissenszweigen (Cass. Dio LXXVI 14, 4ff.). Aus Grausamkeit ließ er nicht bloß Kinder, sondern auch Jünglinge und selbst verheiratete Männer verstümmeln. Die E. wurden auch zum Dienste der Männer verwendet (Petron. 27), bei Tische (Mart. III 82, 15), im Bade (Sen. ep. LXVI 53) und in der Blüte der Jahre als Pagen (Anth. lat. I 1, 298 Riese). Noch im 4. Jhdt. gehörte in Rom eine Schar E. zum Haushalt einer reichen Familie (Ammian. Marc. XIV 6, 17). Sie waren beim Zusammenleben so vieler Sklaven und Sklavinnen mit ihren Herren und Herrinnen bevorzugt. Beim Verfall der Sitten wurden sie von Männern (Iuven. X 306. Plin. VII 129. Lukian. am. 21. Claud. in Eutrop. I 61) und Frauen vielfach zur Unzucht mißbraucht, namentlich von den [452] letzteren, die so verborgen ihren Lüsten frönen konnten (Iuven. VI 366ff. Mart. VI 2. 5. 67, 1. Sen. frg. 51. Hieron. in Iovin. I 1, 47. Anth. lat. I 1, 108 R.). Junge Leute ließen sich sogar verstümmeln, um mit vornehmen Frauen ungehindert verkehren zu können (Iuven. VI 366ff.). Der Chirurg Heliodor machte sich mit der Kastration solcher Jünglinge ein Gewerbe (Iuven, a. a. O.; s. o. Bd. VIII S. 41). Auch Kaiser ergaben sich dem unnatürlichen Verkehr mit E., wie Nero mit Sporos, den er entmannen ließ und mit dem er sich vermählte (Suet. Ner. 28), Titus (Suet. Tit. 7. Cass. Dio LXVII 2. 3), Domitian mit seinem Mundschenk Earinus (s. o. Bd. VI S. 2597 Nr. 81). Cass. Dio a. a. O. legt ihm deshalb sein Verbot der Kastration nur als Hohn auf Titus aus. Am Kaiserhofe überhaupt gewannen die E. durch ihre Stelle als Kammerdiener, die sie in den steten Verkehr mit dem Herrscher brachte, und durch ihr einschmeichelndes Wesen einen verhängnisvollen Einfluß, wie ehedem an den orientalischen Höfen (Ammian. Marc. XVIII 4, 4). So war Claudius in den Händen des Posides (Suet. Claud. 28; s. o. Bd. III S. 2797, 25. 2819, 55) und des Halotus (s. o. Bd. VII S. 2283), denen er die höchsten Auszeichnungen verlieh. Nero stellte den E. Pelago an die Spitze einer Soldatenabteilung zur Ermordung des Rubellius Plautus (Tac. ann. XIV 59). Unter Caracalla trieb ein spanischer E., Sempronius Rufus, der schon von Septimius wegen Giftmischerei und Zauberei verbannt worden war, zum Ärger des Senates und des Volkes sein Unwesen (Cass. Dio LXXVII 17, 2). Antonius Elagabal war ganz in den Händen der E., die unter ihm zu Verwaltungsstellen gelangten (Hist. aug. XVIII 23, 5f. 34, 3). Sie schalteten auch unter dem jungen Gordian III. nach Willkür, vergaben Offiziersstellen (ebd. XX 23, 7. 24, 3. 25, 2; vgl. o. Bd. I S. 2625, 30). Eine Reaktion gegen die E. trat unter Alexander Severus ein, der sie verachtete, aus seiner Umgebung und ihren Beamtungen entfernte, ihre Zahl verminderte und sie für Vergehen streng bestrafen ließ (Hist. aug. XVIII 23, 4. 34, 3. 66, 3). Auch Aurelian beschränkte die Zahl der E., deren Preise maßlos gestiegen waren, indem er den senatorischen Census als Maßstab wählte (Hist. aug. XXVI 49, 8; s. o. Bd. V S. 1413, 24). Die E. unterlagen übrigens, wie die andern orientalischen Luxusartikel, einem Einfuhrzoll (Dig. XXXIX 4, 16 § 7).
Verhängnisvoll wurde der Einfluß der E., als Diokletian sie in Nachahmung der orientalischen Herrscher offiziell am Hofe einführte und sie zu hohen Würden erhob. So war der Praepositus s. cubiculi in der Folgezeit gewöhnlich ein E. (Friedländer Sittengesch. I8 85. Böcking Not. dign. 322ff.). Unter den E. Diokletians gab es auch Christen (Lact. de mort. persec. 14), von denen mehrere den Märtyrertod erlitten (Euseb. hist. eccl. VIII 6, 2). Die Grabschrift eines christlichen E. findet sich bei de Rossi Inscr. Christ. I 1, 1121. Durch Constantin wurden die E. wieder etwas zurückgedrängt (Cod. Iust. IV 42, 1. 2), sie schwangen sich aber unter seinen Nachfolgern zu allmächtigen Ministern empor. Iulian fand im kaiserlichen Haushalt Schwärme von Tafeldienern und E. vor (Liban. I 565 ed. R.). Die berüchtigtsten byzantinischen E. sind: Eusebius (s. o. Bd. VI S. 1367 Nr. 5. Bd. II S. 1370 Nr. 20), von dem Ammian. Marc. XVIII [453] 4, 3 mit Bitterkeit sagt, daß Constantius II. bei ihm viel vermochte. Eutropius (s. o. Bd. VI S. 1520 Nr. 6). Amantius (Bd. I S. 1725 Nr. 3), Hof-E. der Kaiserin Eudoxia, und Amantius, der Praepositus s. cubiculi unter Anastasius und Iustinus (ebd. Nr. 4). Chrysaphios (Bd. III S. 2485). Unter Iovian wird der Hof-E. Euzonius erwähnt (Bd. VI S. 1540). Außer mit dem Amt eines Oberstkämmerers wurden E. auch mit dem eines Comes «. vestis, des Aufsehers über die kaiserliche Garderobe, betraut, der seit 412 dem Praepositus s. cubiculi unterstellt war (Cod. Theod. IX 18; s. o. Bd. IV 5. 681 Nr. 83), und dem eines Comes castrensis, des kaiserlichen Quartiermachers (s. o. Bd. III S. 1775f.). Selbst das Consulat maßten sich gewalttätige E. wie Eutropius an, worüber Claud. I 8. 296f. sich, entsetzt. Wenn man ihre Tyrannei in Betracht zieht, die sie auf die schwachen Fürsten und das zerrüttete Reich ausübten (vgl. zu den oben zitierten Art. Bd. II S. 1139, 10ff. 1141, 10ff. 1143, 63ff.), bedeutende Männer gewaltsam beseitigten, sich unermeßliche Reichtümer durch Verkauf von Staatsämtern an Unwürdige und den Schutz, den sie ungerechten Statthaltern und Beamten zukommen ließen, erwarben, so versteht man den Haß und die Verachtung, die Ammian. Marc. XVI7, 14 und Claud. in Eutrop. I 233. 332ff. u. ö. beweisen. Da sich die E. auch in die kirchlichen Streitigkeiten mischten und teils die Arianer begünstigten (Socrat. II 2. Sozom. III 18. Theodoret. hist. eccl. II 13) oder den Eutyches, wie Chrysaphios (s. o. Bd. III S. 2485), oder die Manichäer, wie der o. Bd. I S. 17. 25 Nr. 4 genannte Amantius, machten sie sich auch die Kirchenväter, wie Athanasius (ap. c. Arian. 33. 57. 89), Chrysostomus (hom. 84 in Matth.) und Gregor von Nazianz (or. XLIII 47) zu Gegnern. Der o. Bd. I S. 1725 Nr. 3 erwähnte Amantius war ein Freund des Patriarchen Chrysostomus.
Anlaß zur Verachtung und Verspottung der E. überhaupt gab ihre körperliche Entstellung und die Verminderung des Charakters, die die Verstümmelung zur Folge hatte. Der Leib nahm ein fettes, gemeines Aussehen an, wie die alten Monumente die E. darstellen (Vigouroux Dict. de la Bible II Fig. 622 = Mem. de la miss. archiäol. au Caire V Taf. II). Die E. verblühten rasch, aus Knaben wurden sie abgelebte Greise (Lukian. am. 21. Claud. in Eutrop. I 469. Ammian. Marc. XIV (5, 17), waren voll häßlicher Runzeln (Hor. epod. IX 13. Claud. I 110. n 67. Terent. eun. 231. 357. 687), wieselfarbig (Terent. ebd. 687) oder erdfahl (Ammian. Marc. a. a. O.)., bartlos (Cass. Dio LXXVI 14, 5 πωγωνίας, Gegensatz zu zu ἐκτομίας, Iuven. VI 366. Arist. hist. an. IX 50). Die cunuchina facies scheint sprichwörtlich gewesen zu sein (Hieron. ep. XXn 27). Dazu waren sie schwächlich (Iuven. I 22), unfähig zu harter Arbeit (Mart. III 58, 30.V 41, 1. Claud. in Eutrop. 332ff.), unkriegerisch (Iuven. VI 366), wurden nicht kahlköpfig (Arist. bist. an. IX 50. V 3 e), behielten, wenn sie vor der Pubertät verstümmelt wurden, die Knabenstimme bei (ebd. IX 50), durch die sie nach Ammian. Marc. XVIII 4, 4 einschmeichelnd auf die Fürsten wirkten. Überhaupt hatten sie etwas Weibisches an sich (Arist. de gen. anim. TV 1 d. I 3 d. Sen. ep. LXVI 53. Anth. lat. I 1, 108. 109 Riese), weshalb sie sich unter Umständen wie Weiber schmückten [454] (Anth. lat. 1 1, 298). Weichlich wurde auch der Charakter der Verstümmelten und zu boshaftem Wesen und allerlei Lastern geneigt (Hist. aug. XVIII 34, 3. 66, 3. XX 24, 3ff.). Sie waren wollüstig (Terent. eun. 665. Hor. carm. I 37, 9. Iuven. VI 376ff. Claud. in Eutrop. I 109), da die Kastration die Leidenschaft nicht auslöschte (Hieron. ep. CVII 11; vgl. Vulg. Eccl. XX 1. XXX 21). Auch die entmannten phrygischen Priester standen diesbezüglich im schlimmsten Rufe (Mart. III 91). Eine gewisse Treue gegen ihre Gebieter wird ihnen nicht abzusprechen sein (Herodot. VIII 105. Xen. Cyr. VII 5, 58ff. Mart. VÜI 44, 15), wie überhaupt der verminderte Charakter sie zum Sklavendienst geeignet machte (Claud. in Eutrop. I 332ff.). In ihrer Dienstbeflissenheit wurden sie ihren Herren willige Werkzeuge zu Mordtaten und anderen Verbrechen (Liv. XXXV 154. Tac. ann. XIV 39). Zur Macht gelangt, führten sie solche skrupellos in ) ihrem eigenen Interesse aus, wie das Beispiel des Bagoas, Eusebius, Eutropius, Amantius, Chrysaphios (s. o. die zit. Art.) beweisen, oft vergalten sie das Vertrauen der Fürsten mit Verrat und Mord, wie Bagoas und Halotus (Tac. ann. Xn 66). Der Umstand, daß sie von den übrigen Menschen verachtet und ausgeschlossen waren, das Bewußtsein des durch die Verstümmelung erlittenen Unrechtes, das sie zeitlebens unglücklich machte, erregte in ihnen Grausamkeit und Rachsucht (Claud. in I Eutrop. 187. Ammian. Marc. XVI 7, 8). Herodot. VIII 106 erzählt ein drastisches Beispiel, wie der E. Hermotimus grausame Rache an dem nahm, der ihn verstümmelt hatte. Verrufen war auch ihre Habsucht (Claud. I 190. Ammian. Marc. a. a. O.) und Bestechlichkeit, durch die sie sich gewaltige Reichtümer anhäuften. Schon Cic. de orat. 232 erwähnt den Reichtum der syrischen und ägyptischen E., die sich in Rom niederließen. Manche entfalteten eine verschwenderische Pracht, wie Posides (Iuven. XIV 91. Plin. XXXI 5) und Thessalicus (Plin. XII 12), der die Platane von Kreta auf seine römischen Villen verpflanzte. Andere zogen sich mit den gesammelten Schätzen an stille Orte zurück, aus Furcht vor Rache, um da ruhig ihre Beute zu genießen (Ammian. Marc. XVI 7, 7). Am Hofe waren die E. als cubicularii bemüht, den Kaiser gleich dem Perserkönig von aller Welt abzuschließen, damit er die Wahrheit nicht erfahre und sie nach Willkür schalten könnten (Hist. aug. XVIII 66, 3. XX 24, 3). Gegenüber dem Herrscher waren sie voll kriechender Schmeichelei, gegen andere voll Anmaßung (Ammian. Marc. XVI 7, 8). Als ehrenwerte Ausnahme edler und rechtschaffener E. werden Eutherius (Ammian. Marc. XVI 7, 4; s. o. Bd. VI S. 1500 Nr. 1), Menephilos. der E. des Mithridates (Ammian. Marc. XVI 7, 9), der Philosoph Hermias. der Freund des Aristoteles (Lukian. eun. 9; s. o. Bd. VIII S. 831) erwähnt. Sonst bedeutet die E.-Herrschaft an allen Höfen des Orients, wie in Rom und Byzanz, das Sinken der Dynastie und des Reiches.
Das E.-Wesen gehört zum Dunkelsten in der menschlichen Kultur. Der hohe Preis der E. verlockte zu Menschenraub und grausamer Vergewaltigung, namentlich der Sklaven. Der barbarischen Operation, sofem sie jede Möglichkeit des geschlechtlichen Verkehrs ausschließen sollte, erlag nach Iustinian Nov. 142 die Großzahl der schuldlosen [455] Opfer. Aber kaum erhebt sich im Altertum eine Stimme des Abscheus — Mart. VI 2, 2ff. IX 6, 4. 8, 5f. ist nicht ernst zu nehmen — gegen diese unmenschliche Sitte, die so viele Kinder und Jünglinge einem traurigen Lose anheimlieferte. Bei Lukian. am. 21 wird die Verstümmelung zum Zwecke widernatürlicher Unzucht verurteilt. Sonst richtet sich der Haß und die Verachtung der griechisch-römischen Schriftsteller mehr gegen die Opfer dieser Barbarei. Wohl stempelte das römische Recht seit Domitian die Kastration zum Verbrechen und belegte sie mit den schwersten Strafen (s. o. Bd. III S. 1772), und Dichter wie Martial (II 60, 3f. VI 2), Statius (silv. IV 3, 14f.) rühmen deswegen den Kaiser, aber da aus dem Ausland E. bezogen werden konnten (Cod. Iust. IV 42, 2) und die Kaiser die Gesetze nachlässig handhabten (Ammian. Marc. XVIII 4, 5), ja selbst mit schlechtem Beispiele vorangingen, so richtete sich die ganze Gesellschaft nach dem Hofe. Daher behandelt Hieron. ep. CXXX 13; in Matth. III 19 die Unsitte als selbstverständlich und rät nur mehr auf die guten Sitten der Sklaven und E., als auf deren Schönheit zu sehen, obwohl das Christentum die Verstümmelung verabscheute und Selbstverstümmelte vom Eintritt in den Klerus ausschloß (Conc. Nie. I can. 1). Noch das Konzil von Vaison 442 can. 9 beklagt sich, daß Findlinge zu E. und Schauspielern verstümmelt werden. Daremberg-Saglio I 2, 959. Lenormand Hist. anc. de l’Orient V 41 (1887). Surbled La morale dans ses rapports avec la médecine et l’hygiène, Paris 1892 I 2043. Grupp Kulturgeschichte d. röm. Kaiserz. II 292 u. ö. (1902). Gibbon Gesch. des Verfalls und Untergangs d. röm. Reiches, deutsch von Sporschil 1837.
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