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RE:Kyros 6a

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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der Jüngere, Sohn des Dareios II., Bruder des Artaxerxes II. ca. 400 v. Chr.
Band S IV (1924) S. 11661177
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7) K. der Jüngere. Hauptquellen: Xenophons Hellenika und Anabasis, sowie die Persika des Ktesias. Xenophon war mit K. persönlich bekannt (anab. III 1, 8. Diog. Laert. II 6, 4ff.) und Teilnehmer an dessen Feldzug gegen den Großkönig (Cic. de. div. I 52. 122. Plut. Art. 8. 1. Paus. V 6, 5. IX l5, 5. Arrian. kyn. 24, 2. Aelian. v. h. XII 1. Georg. Synk. I 485). Die Anabasis des Sophainetos von Stymphalos, der ebenfalls an dem Feldzug teilgenommen hatte, ist bis auf vier belanglose Bruchstücke (FHG II 74f.) verloren. Ktesias war als Leibarzt des Großkönigs auf der Gegenseite Augenzeuge der Entscheidungsschlacht. Diodor XIV 19–31 gibt im wesentlichen die Überlieferung des Ephoros über den Feldzug wieder, die von Xenophon vielfach abweicht. Den Schlachtbericht (c. 22-24) scheint Ephoros aus Ktesias entnommen zu haben. Unbedeutend ist Polyain. II 2, 2ff. Plutach (Alkib. Lysandros. Artax.) hat außer Xenophon und Ktesias vor allen noch Dinon benutzt, ebenso Pompeius Trogus (Iustin. V 11. X 2. Oro. II 16, 9. 18, 1).

K. war der jüngere Sohn des Dareios II. und seiner Gemahlin Parysatis. Sein Geburtsjahr ist unbekannt. Ktesias (p. 169 Gilmore. Plut. Art. 2, 2) behauptet freilich, von Parysatis selbst gehört zu haben, daß sie K. – im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Arsakes (nachmals König Artaxerxes II. Mnemon) – erst βασιλεύουσα geboren habe. Da Dareios ΙΙ. nicht vor Ende 424, wahrscheinlich sogar erst Anfang 423 den Thron bestieg (vgl. ZDMG LXII 646), wäre K. wohl frühestens 423 geboren worden. Dies unterliegt stärksten Bedenken (vgl. Krumbholz Comm. Ribbeck. 197ff. Bünger N. Jahrb. CLI 375ff. 1895). Artaxerxes II. hat 46 Jahre geherrscht (404–358) und soll ein Alter von 86 oder gar 94 Jahren erreicht haben. Allerdings kann von diesen beiden Angaben höchstens eine richtig sein, und wahrscheinlich sind sogar beide falsch. Wenn Plutarch (Art. 30, 5) die Anzahl seiner Regierungsjahre um 16 zu hoch (62 statt 46) angibt, so liegt es nahe, von den 94 Lebensjahren, die er dem Großkönig zuweist, den gleichen Abstrich zu machen, wodurch man der Wirklichkeit wahrscheinlich näher kommt. Danach wäre Artaxerxes um 436 geboren und ungefähr 13 Jahre älter gewesen als sein nächster Bruder, mit dem er doch (nach Xen. anab. I 9, 2) gemeinschaftlich erzogen worden [1167] sein soll. Gewichtiger ist ein anderes Bedenken. Zu Lebzeiten seines Vaters ist K. als Satrap von Lydien, Großphrygien und Kappadokien und als Oberbefehlshaber (κάρανος) aller Truppen, die sich auf der Ebene von Kastolos versammeln, nach Kleinasien gesandt werden (Xen. hell. I 4, 3; anab. I 1, 2. 9, 7). Zwar steht die Zeit dieser Sendung nicht völlig fest; doch können nur die beiden J. 408 (so z. B. Ed. Meyer Gesch. d. Alt. IV § 719; vgl. § 714 Anm. und Busolt Griech. Gesch. III 2, 1572; vgl. 1592ff.) und 407 (so zuletzt Beloch Griech. Gesch.² II 1, 416. II 2, 274) in Betracht kommen. Trotz allem, was über die Frühreife der Orientalen gesagt werden kann, fällt es doch schwer, sich einen Jüngling von l5 oder 16 Jahren auf einem solchen Posten vorzustellen, der einen ganzen Mann erforderte. Die politische Lage war folgende:

Seit 418 standen Athen und Sparta wieder in offenem Kampfe. Persien sah zunächst keinen Anlaß, einzugreifen, da es ihm nur von Vorteil sein mußte, wenn die beiden Gegner, die geeinigt ehemals den Persern furchtbar geworden waren, einander nach Möglichkeit schwächten. Dies änderte sich, als Athen den Aufstand des Pissuthnes, des Satrapen von Sardeis, und nach dessen Tode seines Sohnes Amorges unterstützte. Die Lakedaimonier dagegen, denen Tissaphernes, der Nachfolger des Pissuthnes, die Löhnung für ihre Truppen zahlte, ließen Amorges im J. 412 gefangen nehmen und lieferten ihn den Persern aus. Noch wiederholt schloß Tissaphernes mit den Lakedaimoniern Verträge (v. Scala Staatsverträge d. Altertums I 92) und verpflichtete sich zu Soldzahlungen, wofür ihm die Lakedaimonier gegen die Griechenstädte in Kleinasien freie Hand ließen. Bei Tissaphernes aber befand sich damals Alkibiades, der ihn warnte, die Lakedaimonier allzu stark werden zu lassen. Die Folge davon war, daß Tissaphernes sich in der Erfüllung der von ihm eingegangenen Verpflichtungen recht säumig bewies, bis schließlich den Lakedaimoniern die Geduld riß und sie eine Gesandtschaft an den Hof des Großkönigs schickten, um mit diesem direkt zu verhandeln. Ernster hatte es Pharnabazos, der Satrap von Daskyleion, mit seiner Aufgabe genommen, die Lakedaimonier zu unterstützen. Nach den für sie unglücklichen Seeschlachten bei Rhoiteion (411) und Kyzikos (410) hatte er sein möglichstes getan, die fliehenden lakedaimonischen Mannschaften gegen ihre Verfolger zu schützen. Auch bei der Belagerung von Kalchedon trat er den Athenern entgegen, sah sich aber genötigt, mit ihnen einen Vertrag abzuschließen, der ihm unter anderem die Verpflichtung auferlegte, eine athenische Gesandtschaft zum Großkönig zu geleiten. Diese Gesandtschaft brach 409 oder 408 mit Pharnabazos auf, überwinterte in Gordion, erreichte aber niemals ihr Ziel. Denn als sie im nächsten Frühjahr weiterreisten, begegneten sie den lakedaimonischen Gesandten, die im Jahr vorher an den Hof gezogen waren. und erfuhren von diesen, daß sie alles, was sie gewünscht, vom Großkönig erlangt hätten, sowie daß K. zum κάρανος τῶν εἰς Καστωλὸω ἀθροιζομένων ernannt worden sei und die Lakedaimonier unterstützen werde. Sie sahen auch K. selbst und erhielten bald Gelegenheit zu [1168] erfahren, daß die Lakedaimonier die Wahrheit gesagt hatten. Denn K. befahl dem Pharnabazos, die athenischen Gesandten entweder ihm auszuliefern oder wenigstens nicht nach ihrer Heimat zu entlassen, damit die Athener nicht erführen, was in Kleinasien im Werke war. Pharnabazos behielt sie längere Zeit, angeblich drei Jahre (Xen. hell. I 4, 7), bei sich und erlangte endlich die Erlaubnis, sie in ihre Heimat zu entlassen. Bald nachdem K. in seiner neuen Residenz Sardeis eingetroffen war, erhielt er den Besuch des Lakedaimoniers Lysandros, der als Nauarchos in Ephesos Station genommen hatte. Lysandros brachte Klagen gegen Tissaphernes vor, dessen Machtbereich jetzt auf Karien und die Küstenstädte beschränkt war, und bat K. um Unterstützung durch Geld. K. ging noch über die Sätze hinaus, die sein Vater bewilligt hatte, und setzte so Lysandros in den Stand, den Sold seiner Mannschaften zu erhöhen, was eine Menge Desertionen von der athenischen Flotte zur Folge hatte (Xen. hell. I 5. Diod. XIII 70. Plut. Lys. 4. Alkib.35. 5; vgl. auch Thuk. II 65. 12). Vergebens versuchten die Athener, durch eine Gesandtschaft bei K. vorstellig zu werden. K. ließ sie gar nicht vor, obwohl Tissaphernes ihn auf die Gefahren, die eine zu ausgiebige Unterstützung der Lakedaimonier im Gefolge haben könne, ausdrücklich hinwies (Xen. hell. I 5, 8f.). Als die Zeit der Nauarchie Lysanders abgelaufen war, bereitete dieser seinem Nachfolger Kallikratidas Schwierigkeiten, unter anderem dadurch, daß er den noch unverbrauchten Rest der persischen Hilfsgelder dem K. zurückschickte. Kallikratidas war genötigt, persönlich nach Sardeis zu reisen, wurde aber von K. aus nichtigen Gründen hingehalten (Xen. hell. I 6, 6ff.) oder gar nicht empfangen und reiste im Unmut nach Ephesos zurück (Plut Lys. 6; apophth. Lak. Kallikratidas 2). Später soll ihm K. die Soldgelder und außerdem ξένια geschickt haben. Es ehrte jedenfalls Kallikratidas, wenn er nur die ersteren annahm, die Geschenke aber mit der echt lakonischen Antwort zurüekwies, persönliche Freundschaft mit K. habe er nicht nötig (Plut. apophth. Lak. Kall. 4). Als Kallikratidas 406 in der für beide Parteien so verlustreichen Seeschlacht bei den Arginusen – die siegreichen athenischen Befehlshaber, soweit man ihrer habhaft werden konnte, überlieferte das dankbare Vaterland dem Henker – ertrunken war, verlangten die Verbündeten der Lakedaimonier und K. selbst von Sparta die Wiedereinsetzung Lysanders. Da eine mehrmalige Nauarchie gesetzlich verboten war, wurde dem neuen Nauarchen Arakos Lysandros als ἐπιστολεύς beigegeben. Dem Namen nach hatte jener, in Wirklichkeit dieser den Oberbefehl (Xen hell. II 1, 6f. Plut. Lys. 7, 2f.; vgl. Diod. XIII 100). Bald darauf wurde K. nach Hause berufen, weil sein Vater Dareios erkrankt war: so Xen. anab. I 1, 1. Nach hell. II 1, 8f. wäre dies nur Vorwand gewesen, der wirkliche Grund dagegen die despotische Hinrichtung zweier Vettern, die K. gegenüber angeblich die Ehrfurcht verletzt hatten. Ehe K. abreiste, kam sein Freund Lysandros noch einmal zu ihm und erhielt wieder eine große Summe Geldes (Xen. hell. II 1, 11). Nach Plutarch (Lys. 9) hätte ihn K. sogar zu seinem Stellvertreter ernannt, ihm [1169] die Einkünfte aus den Städten überwiesen und ihm die ausschweifendsten Versprechungen gemacht. Dann reiste er mit Tissaphernes, den er damals noch (Xen. anab. I 1, 2) als seinen Freund betrachtete, und einer Leibwache von 300 griechischen Hopliten an den väterlichen Hof zurück. Bald darauf, im J. 404, starb Dareios. Der ehrgeizige Prinz hatte sich Hoffnung gemacht, selbst den Thron zu besteigen, und war bei diesem Streben von Parysatis, deren Lieblingssohn er war (Xen. anab. I 1, 4), begünstigt worden (Plut. Art. 2, 2). Erfolg hatte er damit freilich nicht, vielmehr wurde sein Bruder Arsakes nach dem Erstgeburtsrecht Großkönig und nahm den Thronnamen Artaxerxes an. Es ist möglich, daß die geheimen Absichten des K. schon damals von Alkibiades durchschaut worden waren. Dieser soll beabsichtigt haben, durch die Satrapie des Pharnabazos an den persischen Hof zu reisen, um Artaxerxes über die Pläne des K. zu unterrichten. Pharnabazos habe sich aber selbst das Verdienst erwerben wollen, diese Warnung zu übermitteln, und deshalb Alkibiades, der bereits bei ihm Zuflucht gefunden hatte, töten lassen (Ephoros bei Diod. XIV 11. Corn. Nep. Alc. 9, 5). Der Hauptgrund für die Beseitigung des Alkibiades war dies natürlich nicht, aber daß Pharnabazos Artaxerxes vor K. gewarnt habe (Diod. XIV 22, 1), ist an sich nicht unglaublich (vgl. Judeich Kleinasiat. Studien 32f). Sicher ist jedoch, daß Tissaphernes den Großkönig gegen seinen Bruder mißtrauisch gemacht hat. Zwar betrachtete dies Xenophon (anab. I 1, 3) und sogar Ktesias (p. 173 Gilm.) als Verleumdung, aber Plutarch (Art. 3) weiß von einem vollständigen Mordplan zu berichten, den K. bei der Mysterienweihe seines Bruders im Tempel von Pasargadai zur Ausführung bringen wollte, und den Tissaphernes aufgedeckt habe. K. wurde verhaftet und (so Iustin. V 11, 4) in goldene Fesseln geworfen. Als er zur Hinrichtung geführt werden sollte, umschlang ihn seine verzweifelnde Mutter mit ihren Armen und erlangte durch inbrünstiges Flehen und viele Tränen mit Mühe seine Begnadigung und sogar die Wiedereinsetzung in seine Satrapie. Tief gekränkt, wenn auch äußerlich seine Haltung wahrend, kehrte K. nach Kleinasien zurück. Seinen Bruder, den Großkönig, suchte er durch unterwürfige Berichte in Sicherheit zu wiegen, wobei ihn wieder seine Mutter unterstützte. Im geheimen verfolgte er seine Pläne. Durch Freigebigkeit und herablassendes Benehmen suchte er Freunde zu gewinnen. Auch bei seinen Truppen, die er im Kampfe gegen die Pisider und Myser (Xen. anab. I 9, 14. 6, 7) tüchtig eingeübt hatte, war er beliebt. Seinem Haß gegen Tissaphernes ließ er freien Lauf. Die ionischen Küstenstädte, die früher Tissaphernes untertan gewesen waren, fielen von diesem ab und traten auf K.s Seite. Nur Miletos war noch übrig; als es aber Miene machte, dem Beispiel der anderen Städte zu folgen, griff Tissaphernes mit harter Gewalt ein, ließ einen Teil der Bürger hinrichten und vertrieb andere. Die Verbannten nahm K. mit offenen Armen auf, sammelte Truppen und belagerte Milet zu Wasser und zu Lande. Den Befehlshabern der übrigen Griechenstädte befahl er, soviele griechische Söldner als möglich [1170] anzuwerben, um gegen feindliche Absichten des Tissaphernes gerüstet zu sein. Unter dem gleichen Vorgeben ließ er durch seine Gastfreunde Sophainetos von Stymphalos und den Achaier Sokrates Truppen sammeln. Den Großkönig bat er, ihm die ionischen Städte zu lassen, und da es diesem gleich war, von wem er die ihm zustehenden Abgaben erhielt, kümmerte er sich um die Fehden zwischen seinem Bruder und Tissaphernes nicht weiter, sondern fand es in der Ordnung, daß K. sich gegen seinen Mitsatrapen rüstete. Einen Vorwand, weitere Truppen durch seinen boiotischen Gastfreund Proxenos anwerben zu lassen, boten K. wieder die Pisider, die unruhigen Nachbarn im Süden seiner Satrapie. Ferner unterstützte K. seinen Gastfreund Aristippos von Larissa in Thessalien, der sich mit seinen Mitbürgern überworfen hatte; er gab ihm Gelder zur Besoldung von 4000 Mann auf sechs Monate, das Vierfache von dem, was Aristippos gewünscht hatte, befahl ihm aber, sich mit seinen Gegnern nicht eher zu vergleichen, als bis er sich mit ihm beraten hätte. Der eifrigste Parteigänger des K. wurde Klearchos, der als lakedaimonischer Heerführer nach Byzantion geschickt, dann wegen Ungehorsams zum Tode verurteilt worden war und sich Anfang 402 zu K. geflüchtet hatte (vgl. Demosth. XV 24). Von diesem erhielt er 10 000 Dareiken, warb Söldner an und übte sie im Kampfe gegen die kleinasiatischen Thraker. Da dies den Griechenstädten am Hellespont zum Vorteil gereichte, wurde er auch von ihnen mit Geld unterstützt. Aus dem gleichen Grunde scheinen ihm seine heimatlichen Behörden keine Schwierigkeiten mehr bereitet zu haben. Denn als K. Anfang 401 eine Gesandtschaft nach Sparta schickte, um Truppen gegen seinen Bruder zu erbitten, sandten sie Klearchos insgeheim den Befehl, K. auf jede Weise zu unterstützen (Plut. Art. 6, 2; übertreibend Isokrates XII 104). Zugleich ordneten sie den Nauarchen Samios (so Xen. hell. III 1, 1; Diod. XIV 19, 5f. nennt ihn Samos, Xen. anab. I 4, 2 Pythagoras) mit 35 (Diod. 25) Schiffen nach Ephesos ab, wo sich die Flotte mit der des K. vereinigte (vgl. auch Paus. III 9, 1).

Als K. sich genügend gerüstet glaubte, zog er den größten Teil seiner Truppen in Sardeis zusammen unter dem Vorwande, einen neuen Feldzug gegen Pisidien ausführen zu wollen. So Xen. anab. I 1, 11. 2. 1: Diod. XIV 19, 3 nennt Kilikien, § 6 Kilikien und Pisidien. Noch ehe K. aufgebrochen war, eilte der argwöhnische Tissaphernes mit 500 Reitern nach dem persischen Hof, um dem Großkönig von den auffälligen Rüstungen seines Bruders schleunigst Kunde zu bringen. Im Frühjahr 401 setzten sich die Massen von Sardeis an in Bewegung. Der Tag des Aufbruchs ist nicht näher zu bestimmen.

Zwar verzeichnet Xenophon mit anscheinender Genauigkeit nicht nur alle Hauptstationen des Heereszuges, sovceit sie ihm wichtig erschienen, sondern auch die Entfernungen zwischen ihnen nach Tagereisen und meist auch nach Parasangen, sowie die Anzahl der jeweiligen Rasttage, wenn Aufenthalt genommen wurde, sodaß sich nach den Angaben der Anabasis z. B. ohne weiteres berechnen läßt, daß zwischen dem Tage des [1171] Aufbruchs von Sardeis und dem Tage der Entscheidungsschlacht 84 Marsch- und 96 Rasttage, zusammen genau 180 Tage lagen. Aber zu einer genauen Bestimmung der Kalenderdaten – etwa 9. März und 3. September, wie man gewöhnlich und selbst in streng wissenschaftlichen Arbeiten liest – fehlt es durchaus an festen Anhaltspunkten. In Wahrheit beruhen diese anscheinend so genauen Datierungen nur auf Berechnungen nach allgemeinen klimatischen Erwägungen, z. B. daß der erste Übergang über den Euphrat, so wie ihn Xen. anab. I 4, 17 schildert, nur bei ganz niedrigem Wasserstand möglich war, und daß der tiefste Wasserstand des Stromes im August beobachtet zu werden pflegt. Man schließt ferner aus Xenophons Angaben II 3, 14f., daß damals eben die Zeit der Dattelernte in Babylonien gewesen sein müsse – an sich schon ein unsicherer Schluß – endlich aus den Angaben über den ersten Schneefall, der 86 Tage nach der Schlacht von den heimwärts ziehenden Griechen in Armenien beobachtet wurde (IV 4, 8), daß es inzwischen November oder Dezember geworden sein müsse. In dieser Allgemeinheit wird die Folgerung richtig sein, aber ein bestimmtes Kalenderdatum läßt sich daraus natürlich nicht gewinnen. Unter der Voraussetzung, daß Xenophons Angaben über die Zahlen der Marsch- und Rasttage richtig sind, wird man annehmen dürfen, daß der Aufbruch von Sardeis im Laufe des März 401 erfolgt ist. (Über die Chronologie der Anabasis vgl. Rennell Illustrations of the history of the expedition of Cyrus 275ff., Lond. 1816. Mit Recht haben Ed. Meyer a. a. O. V 183 und Beloch III 1, 32 auf ‚genaue‘ Datierung verzichtet.) Auch die topographischen und geschichtlichen Angaben in Xenophons Anabasis sind nicht so zuverlässig, wie gewöhnlich angenommen wird. Ob Xenophon während des mühseligen und, später wenigstens, sehr gefahrvollen Zuges imstande war, ein genaues Tagebuch zu führen, ist doch recht zweifelhaft. Andererseits ist es aber auch so gut wie undenkbar, daß er einige Jahrzehnte nach der Rückkehr rein aus dem Gedächtnis den Zug auch nur in der Weise hätte beschreiben können, wie sein Werk ihn jetzt darstellt. Einige kurze Notizen, besonders über die Namen und die Entfernungen der Stationen, die, wenn keine amtlichen Quellen vorlagen, nach rohen Schätzungen bemessen wurden, müssen wohl angenommen werden.

Von Sardeis zog K. nach Kolossai, wo der Thessaler Menon mit 1500 Mann zu ihm stieß, dann nach Kelainai, wo sein Vertrauter Klearchos ihm 2000 Mann. zuführte und noch zwei andere Heerführer mit zusammen 1300 Mann eintrafen. Hier war die pisidische Grenze nahezu erreicht. Aber K. änderte nach einem Aufenthalt von einem Monat die Marschrichtung, indem er nordwestlich nach Peltai und Κεράμων ἀγορά abbog, von wo es in östlicher und südöstlicher Richtung weiterging. In Καΰστρου πδίον empfing er den Besuch der kilikischen Königin Epyaxa mit ihrer kilikischen und aspendischen Schutzwache. Er erhielt von ihr eine größere Summe Geldes, so daß er in der Lage war, den Soldaten nicht nur den Rückstand von drei Monaten, sondern auch noch den Sold für einen Monat im voraus zu zahlen. [1172] Über Thymbrion, Tyrtaion, wo auf Wunsch der Kilikerin eine Truppenschau abgehalten wurde, Ikonion und Dana gelangte das Heer an den Paß, der nach Kilikien hineinführte. Hier blieb K. einen Tag, weil er glaubte, daß der Herrscher von Kilikien‚ der Syennesis, die anstehenden Höhen besetzt halte. Das Lager des K. passierte 78 Jahre später Alexander d. G. (Arrian. anab. II 4, 3. Strab. XII 2, 9; Curt. III 4, 1 hat die castra Cyri irrtümlich auf den großen K. bezogen). Epyaxa war von Menon und seinen Truppen schon vorher auf dem kürzesten Wege nach Kilikien geleitet worden und fünf Tage früher eingetroffen. Als der Syennesis erfuhr, daß Menon bereits in seinem Lande stehe, räumte er die Paßstellung, so daß K. ungehindert nach der Hauptstadt Tarsos gelangte. Die Mannschaften Menons hatten bei ihrem Einzug in Kilikien geplündert und dabei hundert Mann eingebüßt, die von den Eingeborenen niedergemacht worden waren. Hierüber erbittert plünderten die Griechen auch Tarsos. Der Syennesis hatte sich mit den meisten Einwohnern seiner Hauptstadt in eine schwer zugängliche Gebirgsgegend zurückgezogen und wollte auch auf K.s Befehl nicht erscheinen. Schließlich vermittelte Epyaxa eine Zusammenkunft und die Aussöhnung der beiden Männer. K. erhielt wieder eine große Geldsumme für sein Heer und machte dem Syennesis wertvolle Geschenke. Nach Diod. XIV 20, 3 hätte dieser sogar einen seiner Söhne dem K. mitgegeben, den anderen aber heimlich zu Artaxerxes gesandt, um dem Großkönig mitzuteilen, daß er nur gezwungen Heeresfolge leiste und bei erster Gelegenheit wieder zum Großkönig übergehen werde. K. blieb 20 Tage in Tarsos, da die Hellenen sich weigerten weiter mitzuziehen, weil sie argwöhnten, es solle gegen den Großkönig gehen. Mit Mühe beschwichtigte sie K., indem er vorgab, er wolle seinen Feind Abrokomas, der l2 Tagereisen weiter am Euphrat stehe, züchtigen, und vor allem, indem er eine Solderhöhung zusagte. Von Tarsos aus erreichte das Heer Issos, wo die Flotte eintraf und noch 700 (nach Diodor 800) Mann unter Cheirisophos mitbrachte. Dazu kamen noch 400 griechische Söldner, die von Abrokomas desertiert waren. Das meistgefürchtete Hindernis, die kilikisch-syrischen Tore, die K. von dem Satrapen Abrokomas besetzt geglaubt hatte, wurde wider Erwarten frei gefunden, da Abrokomas mit seinen angeblich 300 000 Mann abgezogen war. So gelangte K. ohne Schwierigkeit nach dem Hafen Myriandros in Nordsyrien, von wo die Flotte zurückgesandt und der Marsch nach dem Euphrat zu angetreten wurde. Die Beschreibung Xenophons wird von hier an ziemlich ungenau. Er erwähnt weder den Anstieg über das Amanosgebirge (Diod. XIV 21, 4 spricht wenigstens von dem Gebirge, das er freilich ungenau Libanos nennt) noch die Überschreitung der nördlichen Zuflüsse des Sees von Antiocheia, sondern erst den fischreichen Chalos (Fluß von Halab, Kuaik) und den Daradax, der wahrscheinlich dem Steppenfluß Nahr eḏ ḏeheb entspricht. 12 (Diod. 20) Tage brauchte das Heer, um von der Küste aus Thapsakos am Euphrat zu erreichen. Hier wurde ein Aufenthalt von fünf Tagen genommen und dem Heere endlich eröffnet, daß es in der [1173] Tat gegen den Großkönig gehe. Der Unmut der Soldaten wurde durch neue große Versprechungen beschwichtigt. Nach Durchschreitung des Stromes zog das Heer am Ostufer des Euphrats abwärts, angeblich mit möglichster Beschleunigung (Xen. anab. I 5, 9. Diod. XIV 21, 4), in Wirklichkeit sehr langsam. Denn während eine Karawane – allerdings am Westufer – die Strecke Meskene-Fellūǧa, die der von K. am andern Ufer zurückgelegten Strecke ungefähr entspricht, durchschnittlich in 16 Tagen zurücklegt, brauchte das Heer des K. 31 Marsch- und 6 Rasttage dazu. Etwas schwieriger ist das Gelände östlich vom Euphrat schon deshalb, weil dort zwei bedeutende Nebenflüsse des Euphrats, der Balīḫ und der Ḫābūr, zu überschreiten sind. Aber Xenophon nennt diese beiden Flüsse nicht, sondern dafür den Araxes und den Maskas. Auch seine Ortsnamen auf dieser Strecke: Korsote, Pylai, Charmande (dieses am Westufer) sind topographische ἅπαξ λεγόμενα und kaum zu identifizieren. Xenophons Araxes kann allerdings hier kein anderer Fluß sein als der Ḫābūr. Der Balīḫ ist also völlig übergangen, und da der Euphrat unterhalb des Ḫābūr überhaupt keinen Nebenfluß von links mehr empfängt, kann der Maskas, der die verlassene Stadt Korsote (s. d.) umfloß, nur ein Kanal oder Flußarm gewesen sein. Unrichtig ist es auch, wenn Xenophon die Gegend von Thapsakos bis zu seinem Araxes als Syrien, die Gegend von da bis Pylai als Arabien bezeichnet. Beide Namen passen nur für die Landschaften an der Westseite des Euphrats. Den Namen Mesopotamien für das Land zwischen dem mittleren Euphrat und dem mittleren Tigris kennt Xenophon nicht.

Unterhalb von Pylai bemerkte das Heer die ersten Spuren des Feindes. Es war eine Reiterschar, die auf dem eingeschlagenen Wege vorauszog und alles Futter und sonst Brauchbare verbrannte. Ein Verwandter des K. namens Orontes erbot sich, mit 1000 Reitern dem feindlichen Trupp nachzusetzen und der Verwüstung Einhalt zu tun. In Wirklichkeit plante er Verrat, wurde aber alsbald überführt, abgeurteilt und beseitigt. In der kriegsgerichtlichen Verhandlung, die Xenophon (anab. I 6, 4ff.) ausführlich mitteilt, erhob K. gegen Orontes den Vorwurf, daß er ihn bereits zweimal früher verraten hätte, das erstemal, als er ihm als Untergebener von seinem Vater nach Kleinasien mitgesandt worden war. Damals habe Orontes, von Artaxerxes angestiftet, gegen K. gekämpft und die Burg von Sardeis besetzt gehalten, bis er von K. überwunden worden sei. K. habe ihm damals und noch ein zweitesmal verziehen. Wenn diese Darstellung richtig wäre - eine anderweitige Kontrollmöglichkeit fehlt uns – würde die Hauptschuld an dem Bruderzwist auf Seite des Artaxerxes zu suchen sein. Nach einem weiteren Vormarsch von drei Tagen wurde eine Zählung der Mannschaften vorgenommen, wobei 12 800 Griechen, 100 000 Barbaren und ungefähr 20 Sichelwagen festgestellt wurden (Xen. anab. I 7, 10). Nach Diod. XIV 19, 7 hätte die Zahl der Asiaten nur 70 000 betragen. Auch hinsichtlich der Feinde weichen die beiderseitigen Angaben stark voneinander ab. Xenophon nennt 900 000 Mann (diese Zahl hat auch [1174] Plut. Art. 7, 2) mit 150 Sichelwagen und 6000 Reitern, Ephoros (bei Diod. XIV 22, 2; vgl. Ktes. bei Plut. Art. l3, 2) zusammen 400 000 Mann. Am vierten Tage rückte das Heer des K. noch drei Parasangen vor, wobei es auf dem halben Weg auf einen neu angelegten breiten und tiefen Graben traf, der sich landeinwärts 12 Parasangen weit bis zur Medischen Mauer erstrecken sollte (andere Maße bei Diod. XIV 22, 4. Plut. 10 Art. 7, 1). Am Euphrat selbst war ein schmaler Durchgang zwischen dem Strom und dem Graben gelassen, so daß das Heer ungehindert hinter den Graben gelangte. Von den Feinden selbst war keiner sichtbar, wohl aber Fußstapfen zahlreicher Rosse und Menschen, deren Richtung zeigte, daß sie sich auf dem Rückzug befanden. K. marschierte am folgenden Tag mit größerer Sorglosigkeit, am dritten Tag fuhr er sogar auf dem Wagen, als gegen Mittag das Herannahen des großköniglichen Heeres gemeldet und bald darauf auch in der Ferne bemerkt wurde. Eilends wurde die Schlachtordnung aufgestellt, die Griechen unter Klearchos auf dem rechten Flügel, der sich an den Euphrat anlehnte, dabei 1000 paphlagonische Reiter, in der Mitte K. mit 600 Panzerreitern, auf dem linken Flügel die übrigen Perser unter Ariaios. Nach Diodor (XIV 22) hatte K. im Mitteltreffen 1000 Panzerreiter, hinter diesen ungefähr 10 000 Barbaren. Die feindliche Front war bedeutend länger und ragte weit über den linken Flügel des K. hinaus. Selbst der Großkönig in der Mitte seines Heeres befand sich noch dem linken Flügel des K. gegenüber. Den Angriff eröffneten die Griechen, die den Schlachtgesang anstimmten und erst langsam, dann im Laufschritt dem feindlichen linken Flügel entgegenrückten. Die Feinde flohen rückwärts und wurden von den Griechen weithin verfolgt. Nur Tissaphernes, der die Panzerreiter auf dem äußersten linken Flügel des Großkönigs befehligte, hielt nicht nur stand, sondern drang selbst in die Stellung der griechischen Peltasten am Flußufer ein. Diese wichen aber unter der umsichtigen Führung des Episthenes geschickt auseinander, so daß sie, ohne selbst Schaden zu erleiden, dem Feinde Verluste beibrachten und ihn zur Umkehr zwangen. K. wartete zunächst den Erfolg des griechischen Angriffs ab. Als er aber bemerkte, daß der Feind vor ihm eine Schwenkung beabsichtigte, um den Griechen in den Rücken zu fallen, stürmte er mit seinen Panzerreitern gegen die feindliche Reiterei, deren Anführer Artagerses von seiner Hand gefallen sein soll, und schlug sie in die Flucht. Als er seines Bruders ansichtig wurde, sprengte er mit den Worten ,Ich sehe den Mann‘ gegen ihn an und verwundete ihn durch einen Speerwurf in die Brust. Dabei erhielt er aber selbst von einem anderen einen Speerstich dicht am Auge, stürzte und fand seinen Tod. Die Umstände seines Endes werden verschieden erzählt. Am genauesten konnte Ktesias darüber unterrichtet sein, der hinter der großköniglichen Front war und die Wunde des Artaxerxes behandelte und heilte. Auf ihn beruft sich Xen. anab. I 8, 27, auf ihn gehen Diod. XIV 23f. und Plut. Art. 11ff. zurück, während Plut. Art. 10 den Bericht Dinons wiedergibt. Im Verlaufe der Schlacht erfuhren die Griechen, daß die Feinde in ihr Lager eingedrungen [1175] waren und ihr Gepäck plünderten; sie wollten deshalb zurückgehen. Da sie aber Feinde wieder in Schlachtordnung vor sich sahen, griffen sie von neuem an, schlugen sie wieder in die Flucht und verfolgten sie bis zu einem Dorfe, hinter dem sich die feindliche Reiterei auf einem Hügel sammelte. Als sie auch dorthin vorstießen. räumten die Feinde ihre Stellung. Da die Sonne am Untergehen war, blieben sie stehen und gingen schließlich nach ihrem Lager zurück, das sie ausgeraubt fanden. Den Tod des K., dessen Leiche auf Befehl des Großkönigs Kopf und rechte Hand abgeschnitten worden war, erfuhren sie erst am folgenden Tage. Den Namen des Dorfes nennt Xen. anab. I l0, l2 nicht: wir kennen ihn nur aus Plut. Art. 8, 2 (s. den Art. Κούναξα o. Bd. XI S. 2193f.).

Durch den Tod des K. war nicht nur der Kampf zugunsten des Großkönigs entschieden, sondern auch das ganze Unternehmen gegenstandslos geworden. Die Griechen hatten allerdings das Schlachtfeld behauptet, befanden sich jedoch in einer verzweifelten Lage. Konnte ihnen aber ihr Sieg auch nicht unmittelbar nützen, so hatte er ihnen doch aufs deutlichste die Schwäche des persischen Kolosses offenbart und flößte ihnen den Mut ein, sich den Weg aus dem Lande des Feindes nach der fernen Heimat zu bahnen. Bekanntlich ist es ihnen in der Tat gelungen, wenn auch unter unsäglichen Mühen und Gefahren, so doch ohne allzuschwere Verluste, den Rückzug in Freundesland zu vollenden (vgl. auch Isokr. IV 144. Diog. Laert. II 6, 7).

‚So endete also K.‚ ein Mann. der nach dem übereinstimmenden Urteil aller, die ihn zu kennen glaubten, von allen Persern nach dem alten K. in königlicher Gesinnung am meisten hervorragte und auf das Amt des Herrschers den höchsten Anspruch erheben durfte.‘ Mit diesen Worten beginnt Xenophon (anab. I 9. 1) das Kapitel, das eine Charakterschilderung des toten K. geben sollte und zu einem Panegyrikus geworden ist. Statt des ἀνὴρ βασιλικώτατος hat ihn derselbe Schriftsteller einmal (oik. 4. l4) zum wirklichen εὐδοκιμώτατος βασιλεύς befördert (danach Cic. de sen. 59): Cyrum minorem Persarum regem praestantem ingenio: vgl. auch Hieron. chron. zu 401: Cyri regis ascensus). Soviel ist jedoch gewiß, daß der jüngere Sohn des Dareios Nothos eine starke und über das Durchschnittsmaß hervorragende Persönlichkeit war. Von früher Jugend an war er im Waffenhandwerk und Tummeln des Rosses wohl geübt, auf der Jagd und im Kriege tapfer bis zur Verwegenheit, von gewinnender Liebenswürdigkeit gegen diejenigen, an deren Freundschaft ihm gelegen war, freigebig und dienstfertig gegenüber seinen Freunden, dankbar für jeden geleisteten Dienst. Das waren Tugenden, mit denen er seine Ansprüche auf die Königsherrschaft begründen konnte. Hierzu kam ein hohes, für unsern Geschmack freilich öfter zu hohes Selbstgefühl, so z. B. wenn er den Lakedaimoniern schrieb (Plut. Art. 6, 2, wiederholt apophth.)‚ daß er ein ‚tieferes‘ Herz mit sich trage als sein Bruder, daß er Philosophie und Magie besser verstehe, mehr Wein trinken und vertragen könne als dieser (vgl. auch Plut. quaest. conv. I 4, 2 ὅτι τά τ’ ἄλλα τοῦ ἀδελφοῦ βασιλικώτερος [1176] εἲη, καὶ φέροι καλῶς πολὺν ἄκρατον), und wenn er dann Reitkunst und Mut seines Bruders in Frage zog und herabsetzte. Ob freilich die Überlieferung in diesen Dingen immer zuverlässig ist, darf bezweifelt werden. Die Sache mit der Magie und dem Wein trinken und gut vertragen soll schon in der Grabinschrift des Dareios Hystaspis gestanden haben (Porphyr. de abst. IV 16. Athen. X 434 d), scheint also eine Art Wandermotiv zu sein. Einen Hang zur Großsprecherei beweisen verschiedene Äußerungen, die K. zugeschrieben werden. Er erbietet sich, Lysander (Plut. Lys. 9, 1) all sein Vermögen zu geben, und wenn das nicht reiche, seinen goldenen und silbernen Thron zu zerschlagen. Den spartanischen Hilfstruppen will er, wenn sie zu Fuße kämen, Rosse, wenn sie geritten kämen, Wagen, wenn sie Felder hätten, Dörfer, wenn Dörfer Städte geben, und den Soldaten ihre Löhnung nicht bezahlen, sondern zumessen (Plut. Art. 6, 1). Kurz vor der Schlacht bei Kunaxa fürchtet K. weniger, daß ihm nach glücklichem Ausgang seines Unternehmens nicht genug Besitz bleiben, um all seine Freunde zu belohnen, als vielmehr, daß er nicht genug Freunde haben werde, die er belohnen könne, und verspricht jedem seiner hellenischen Söldner einen goldenen Kranz (Xen. anab. I 7, 7). ‚Es war aber auch bekannt, daß er jeden, der ihm etwas zuliebe oder zuleide getan hatte, zu überbieten suchte‘ (Xen. anab. I 9, 11), und so rächte er auch erlittene Unbill auf das schonungsloseste. In seinem Gebiet hielt er scharf auf Ordnung, so daß der harmlose Reisende darin ungefährdet seine Straße ziehen konnte. Sinn für Natur scheint K. gehabt zu haben. Seine beiden Schlösser in Sardeis und Kelainai waren von prächtigen Parks umgeben, und die Anlegung des Parks von Sardeis soll er persönlich angeordnet, einen Teil der Bäume eigenhändig gepflanzt haben (Xen. oik. 4, 22. Cic. de sen. 59. Aelian. nat. an. I 59). K. war unvermählt, hatte aber auf dem Feldzuge gegen seinen Bruder zwei schöne Griechinnen mit sich. Die jüngere, eine Milesierin unbekannten Namens, rettete sich bei der Plünderung des Lagers unbekleidet zu den griechischen Wachen, die ältere, Milto aus Phokaia, von K. selbst Aspasia genannt, fiel den Feinden in die Hände, kam in den großköniglichen Harem und wurde später die unschuldige Ursache an dem Untergang des Dareios, des ältesten Sohnes Artaxerxes’ II. (Xen. anab. I 10. 2f. Plut. Perikl. 24, 12; Art. 26ff. Athen. XIII 576 d. Aelian. v. h. XII 1. Iustin. X 2). Natürlich bot auch ein so ungewöhnliches Ereignis, wie das Erscheinen der kilikischen Königin bei dem Heere, zu allerlei Gerede Anlaß (Xen. anab. I 12), aber noch üblerer Klatsch heftete sich an die Tatsache, daß K. der Liebling seiner Mutter Parysatis war (Aelian. nat. an. VI 39). Keiner von allen Angehörigen des Achämenidenhauses ist mit dem Hellenentum in so nahe Berührung gekommen, keiner hat auch unter den Hellenen so viele Freunde und Verehrer gefunden wie K. Man hat öfters die Frage aufgeworfen, wie sich wohl die Beziehungen zwischen Persien und Hellas hätten gestalten können, wenn das Los in der Schlacht bei Kunuxa anders gefallen wäre. Aus dem Altertum kennen wir zwei Antworten auf diese Frage. Der Sokrates Xenophons [1177] (oik. 4, 18) vertrat die Ansicht: Κῦρός γε, εἰ ἐβίωσεν, ἄριστος ἂν δοκεῖ ἄρχων γενέσθαι. Erheblich kühler urteilten freilich die asiatischen Griechen: ἡγοῦντο γὰρ Κύρου μὲν καὶ Κλεάρχου κατορθωσάντων μᾶλλον ἔτι δουλεύσειν, βασιλέως δὲ κρατήσαντος ἀπαλλαγήσεσθαι τῶν κακῶν τῶν παρόντων· ὅπερ καὶ συνέπεσεν αὐτοῖς (Isokr. V 95). Der Nachsatz ist um so verwunderlicher, als diese Worte Jahrzehnte nach dem Frieden des Antalkidas geschrieben worden sind.

Eine neuere Monographie über K. den Jüngeren fehlt. Vgl. jedoch G. Cousin Kyros le jeune en Asie mineure, Thèse Paris, Nancy 1904.

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 149
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7) S IV, s. [6a]).

[6a]) (K) K. d. J., Sohn des Dareios II., Bruder des Artaxerxes II. S IV.

Anmerkungen (Wikisource)

Doppelvergabe: Die RE hat zwei Kyros 7, erst Kyros 7 in Bd XII und dann in S IV, im Registerband umnummeriert als Kyros 6a.