Zum Inhalt springen

ADB:Werner, Zacharias

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Werner, Zacharias“ von Emil Sulger-Gebing in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 66–74, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werner,_Zacharias&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 13:59 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Werner, Paul von
Band 42 (1897), S. 66–74 (Quelle).
Zacharias Werner bei Wikisource
Zacharias Werner in der Wikipedia
Zacharias Werner in Wikidata
GND-Nummer 118767208
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|42|66|74|Werner, Zacharias|Emil Sulger-Gebing|ADB:Werner, Zacharias}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118767208}}    

Werner: Friedrich Ludwig Zacharias W. wurde geboren in der Mitternachtsstunde des 18. auf den 19. November 1768 zu Königsberg, wo sein Vater Professor der Beredsamkeit und Geschichtskunde war und neben andern Aemtern auch das eines Theatercensors innehatte. Der trotz Kränklichkeit und Pedanterie allbeliebte Mann starb jedoch schon 1782, und der Knabe, der seinem Schmerze in einem wehmüthigen, wenn auch etwas pathetischen Gedicht einen frühreifen Ausdruck verlieh, kam nun ganz unter den Einfluß seiner Mutter, die, eine Nichte des Arztes und Dichters Joh. Valentin Pietsch, des Lehrers Gottsched’s, hochbegabt aber religiös überspannt war. Im Jahre ihres Todes schrieb W. an Karl Regiomontanus (Pseudonym für K. F. Fenkohl) über sie: „diese heilige Kunstseele, die an Geist und Phantasie noch immer das erste Weib ist, das ich gekannt habe“, und noch im Prolog seines letzten Werkes, der „Mutter der Makkabäer“ bezeichnete er sie als Phönix-Pelikan; auch Hippel nannte sie „eine Frau, die jeden Gegenstand mit Adlerblicken durchschaue“. Kaum richtig ist es, wenn E. T. A. Hoffmann ihren späteren religiösen Wahnsinn, in dem sie sich selber für die Jungfrau Maria und den Sohn für Christus hielt, schon in dessen Knabenjahre zurückverlegt, jedenfalls aber werden wir die ganze Erziehung des Dichters, der die feste Männerhand fehlte, als eine unglückliche bezeichnen müssen. Er verkehrte als Knabe viel im Hause eines Oheims, der gegenüber der katholischen Kirche wohnte und besuchte fleißig das Theater, sodaß ihm also frühe schon die beiden schließlich sein ganzes Leben bestimmenden Mächte, Bühne und Katholicismus, nahetraten. Im Herbste 1784 bezog der Jüngling die Universität seiner Vaterstadt als Jurist und hörte auch bei Kant; die stärksten Eindrücke aber empfing er von der Lectüre Rousseau’s, mit dessen Todestag er lange Zeit seine Jahresrechnung begann, wie er auch noch 1808 auf seiner ersten Schweizerreise zu allen durch diesen seinen Heiligen geweihten Städten des Genfersees mit Inbrunst wallfahrtete. 1789 erschien eine erste kleine, von der Kritik nicht unfreundlich empfangene Sammlung Gedichte, die einen ziemlich engen Anschluß an ältere Vorbilder, besonders an Bürger und Claudius zeigen, und deren längstes Stück, eine Blaubartgeschichte „Der Schlüssel“ in zwei Gesängen nach Wieland’s Vorbild den alten Stoff mit wenig Witz und viel Behagen als komische Erzählung behandelt. Im gleichen Jahre schrieb er auch Theaterrecensionen für die Königsberger „Preußische Monatsschrift“. 1790 führte ihn eine kurze Reise nach Berlin und Dresden, wo er sich neben der Kunstbegeisterung insbesondere für Rafael, dessen Namen uns von da an in den Gedichten öfter begegnet, schon einem ziemlich wüsten Leben [67] scheint hingegeben zu haben: ein Schwanken zwischen dem durch die Erziehung genährten frömmelnd mystischen Streben über diese Welt hinaus und der in seiner Natur tief eingewurzelten gemeinen Sinnlichkeit, wie es nun immer mehr sein Leben, dem jeder feste Halt fehlte, bestimmte. 1792 geht er in Königsberg mit einer gewöhnlichen Dirne durch und läßt sich in Warschau mit ihr trauen; er lebt in Rousseau’scher Naturbegeisterung kurze Zeit auf einem kleinen Gut bei seiner Vaterstadt, zieht dann in untergeordneter Stellung als Kammersecretär nach Petrikau und muß von da schon 1794 wegen des Ausbruchs des Madalinsky’schen Aufstandes flüchten. Ueber Berlin und Frankfurt a. O. kommt er wieder nach Königsberg, ohne eine bessere Stellung, die er suchte, erlangt zu haben; er trifft seine Frau, die sich inzwischen mit einem Andern getröstet hatte, in Marienwerder und geht nach Thorn, wo er die Petrikauer Kammer wiederfindet. Zu Johanni 1794 wird er, immer noch ohne Gehalt, an die Kammer zu Plozk versetzt, trennt sich bald darauf von seinem Weibe, das unterdessen in Königsberg mit einem Komödianten gelebt hatte, und führt nun ein freies Junggesellenleben, sodaß er selber noch viel später die zwei Jahre, die er in Plozk verblieb, als „die glücklichsten, frohesten und heitersten seines Lebens“ betrachtete. Unter anderen Gedichten schrieb er im Sommer 1794 einen „Schlachtgesang der Polen unter Kosziusko“, der nach seinem eignen Worte „viel unverdiente Celebrität“ erhielt. 1796 wurde er mit Gehalt nach Warschau versetzt und ergab sich in der liederlichen Stadt, die am besten mit seinen Worten an Regiomontanus „alle Laster zügellos, kein schuldloser Genuß“ charakterisirt wird, erst recht einem liederlichen Leben, ohne doch völlig darin aufzugehen. Auch der Freimaurerei trat er um diese Zeit näher, hauptsächlich unter dem Einfluß des Oberlotterieassessors Joh. Jak. Mnioch (1765–1804), eines hochbegabten, freidenkenden Mannes, der auch litterarisch vielfach thätig war. W. wurde innig mit ihm befreundet und verdankte dem „heiligen Künstler“ nach eignem Eingeständniß viel. Er erhielt in der Loge zum goldenen Leuchter den Meistergrad und das Amt des Redners, schrieb 1798 mehrere Logengedichte und zur selben Zeit die stark katholisirenden Strophen „Maria“. 1799 auf Urlaub in Königsberg ließ er sich mit einer „Demoiselle J. die eine Legion Liebhaber gehabt“ verkuppeln und heirathete sie „aus Tollheit, aus Ekel vor dem Coelibat, halb auch aus Interesse ohne alle Liebe“. Wieder in Warschau fand er in dem jungen, als Auscultator dahin versetzten Hitzig, seinem späteren Biographen, einen getreuen Jünger, und jetzt erst regte sich zum ersten Male der Dramatiker in ihm: 1800 begann er seine „Söhne des Thales“ und gab der besonders im ersten Theile bedeutsam heraustretenden sympathischen Jünglingsfigur des Schotten Robert d’Oredin die Züge seines Freundes, mit dem er allwöchentliche, von ernsten Gesprächen belebte Ausflüge zu der im dichten Walde gelegenen Camaldulenser Abtei Bielany unternahm. Die so leichthin geschlossene Verbindung mit seiner Frau konnte nicht dauern: eine die Gatten etwas näher zusammenführende Schwangerschaft endete bald mit einer Fehlgeburt und im Frühling 1801 wurde nach anderthalbjährigem Bestand auch diese „jämmerliche“ zweite Ehe geschieden. Schon im August des gleichen Jahres ging W. eine ebenso leichtsinnige dritte ein mit einer achtzehnjährigen Polin, die der leicht Entzündliche leidenschaftlich liebte, und von der er später noch schreibt: „außer meiner seligen Mutter kenne ich kein Weib von einer so glühenden Phantasie“. Im folgenden Winter rief ihn seine schwerkranke Mutter nach Königsberg; dort vollendete er sein erstes Drama und kehrte auch im nächsten Sommer nach einigen Monaten in Warschau in seine Heimathstadt zurück, um in immer wieder verlängertem Urlaub der Mutter nahe zu sein. In eifriger Arbeit vollendete er den zweiten Theil seiner „Söhne des Thales“ noch im J. 1803, in dem [68] auch der erste gedruckt erschien. Das ganze Werk predigt in romantischer Verworrenheit Ideen, die W. damals auch im Leben in That umsetzen wollte. Ein Kreis von Jüngern, darunter als begabtester der junge Rafael Bock, hatte sich um ihn gebildet, er stand in eifrigem Verkehr mit einem seltsamen Mystiker, dem Prediger Christian Mayr, und suchte durch den nach Berlin zurückgekehrten Hitzig Anschluß an die Führer der Romantik, insbesondere an A. W. Schlegel, während Friedr. Schlegel, Tieck, Wackenroder und Schleiermacher seine liebste Lectüre bildeten. Jetzt sollte Ernst gemacht werden mit den Ideen, mit welchen die Romantiker bisher nur gespielt hatten, er wollte eine Verbindung aller Edlen zum Zwecke der Vergöttlichung des Menschengeschlechts gründen, die, als eine Art geheimen Ordens gedacht, der in sich einigen Dreiheit Liebe, Kunst und Religion überall zum Siege verhelfen sollte. Diese selben Ideen sind es, die seinem Drama „Die Söhne des Thales“ zu Grunde liegen. Das überlange, in zwei Theile von je sechs Acten (I. Die Templer auf Cypern, II. Die Kreuzesbrüder) zerfallende Werk behandelt, in der Technik sichtlich von Tieck’s Vorbild beeinflußt, den Untergang des Templerordens, dessen Geschichte W. eingehend studirt hatte, und zeigt in seiner Mischung theatralisch äußerst wirksamer Scenen und mystisch verworrener Auftritte, in denen die ganze Tiefe religiöser Schwärmerei sich aussprechen will, schon die beiden Hauptzüge fast aller seiner Dramen. Die eigentliche Persona agens, eben „das Thal“, das Werner’s eigene Zukunftskirche, einen von ihm geschaffenen „idealisirten Katholicismus“, verkörpert, erinnert an Goethe’s Mächte des Thurmes in dem von den Romantikern so hoch gepriesenen Wilhelm Meister; das Ganze ist eigentlich nur für Freimaurer völlig verständlich, deren Lehre durch romantische Umbildung gereinigt, verjüngt und auf eine höhere Stufe gehoben werden soll. So will das Werk, dem, vom dramatischen Standpunkt aus betrachtet, jede Concentration auf eine Hauptperson mangelt, und das so in einzelne oft nur lose verknüpfte Scenen und Scenengruppen zerfällt, „das Evangelium des neuen Bundes“ predigen und zerfließt schließlich ganz in Mystik. – Am 24. Februar 1804 starb Werner’s Mutter am gleichen Tage wie sein Freund Mnioch, und dies erschütternde Zusammentreffen bestimmte noch Jahre nachher den schon im Titel ausgesprochenen dies fatalis seines einzigen Schicksalsdramas; sie hinterließ ihm ein Vermögen von 12 000 Thalern. Er ging nach Warschau zurück und lernte dort jetzt E. T. A. Hoffmann kennen; auch den alten Freund Hitzig fand er wieder. Aber er fühlte sich ans kalte Dienstjoch festgeschmiedet und suchte mit allen Kräften von Warschau, wo ihm auch die Familie seiner Frau schwer auflag, loszukommen. So schickte er sein Werk an Goethe nach Weimar, an Dalberg nach Erfurt, an Iffland nach Berlin und schrieb Besprechungen für die Litteraturzeitungen von Halle und Jena; aber seine Wünsche und Hoffnungen richteten sich am stärksten auf Berlin: Iffland und das ihm unterstellte Nationaltheater sollten die Träger seiner neuen Kunst werden. In dieser Aussicht hatte er den Stoff seines zweiten schon in Königsberg begonnenen Trauerspiels „Das Kreuz an der Ostsee“ gewählt: die Eroberung des heidnischen Preußens durch die deutschen Ordensherren. Jetzt beendete er dessen ersten Theil „Die Brautnacht“, aber auch hier gerieth ihm die Ausführung durchweg romantisch und mystisch. Die Metren wechseln rasch zwischen Trochäen, Stanzen, Terzinen, Sonetten u. s. f., sodaß E. T. A. Hoffmann, der die dazu nöthige Musik componirte, mit Recht sagen konnte: „dieses Kreuz kreuzige einen wirklich mit allen nur möglichen Formen der neuen Schule“; das Stück rechnet stark auf die Hülfe der Tonkunst und verschmäht auch sonst nirgends äußerliche, opernhafte Effecte. Die eigentlich handelnde Person, der Geist des heiligen Adelbert, ist eine allem Menschlichen entrückte Wunderfigur, deren Walten immer räthselhaft, öfter ganz unverständlich [69] bleibt. Dagegen sind neben wirksamen Bühnenscenen besonders die Frauengestalten, die „einen Cyclus polnischer Weiblichkeit“ geben, und unter ihnen Malgona, das Porträt der dritten Gattin des Dichters, wohlgelungen. Aber die zu Grunde liegende Empfindung ist unrein und führt nach Karoline Herder’s Wort „zu einer krankhaften Mischung von Heilands- und Begattungsliebe“. Vom zweiten Theile, den W. in seinen letzten Lebensjahren noch beendigt haben soll, der aber trotz aller gegentheiligen Angaben nie (auch nicht 1820 bei Wallishauser in Wien) im Druck erschienen ist, waren einige Hauptscenen von großer Wirkung schon damals ausgeführt. An Schiller’s Todestag, 9. Mai 1805, schickte er den ersten an Iffland. Dieser sandte zwar als Zeichen seiner Verehrung für den Dichter 25 Ducaten, lehnte aber die Aufführung in schmeichelhaftester Weise ab. Versagte sich ihm so die Bühne, so suchte er nun Chamisso, der sich an ihn gewandt hatte, und dessen Freundeskreis zur Ausbreitung seiner Ideen zu gewinnen, jedoch ohne Erfolg. – Endlich im Herbste 1805 sollte sich sein Hauptwunsch erfüllen: Geheimerath Kunth, der mit dem Minister vom Stein nach Warschau gekommen war und sich in Werner’s Frau verliebt hatte, verschaffte ihm eine Secretärstelle bei Minister Schrötter, und so traf der Dichter im October in dem heißersehnten Berlin ein. Nach einigen ehelichen Auftritten, bei denen die Gatten abwechselnd die Rollen des Schuldigen und des Großmüthigen spielten, kam es noch vor Jahresschluß zur Scheidung, und bald darauf heirathete Kunth die ehemalige Frau Werner’s, mit der dieser übrigens in freundlicher Beziehung blieb, und die er noch in seinem Testamente bedachte. Mit dem Beginn des neuen Jahres begann W. sein bekanntestes und bis heute gelesenstes Drama „Martin Luther oder die Weihe der Kraft“, wozu ihm Johannes v. Müller die geschichtlichen Quellen verschaffte, und vollendete es in wenigen Monaten. Nachdem er noch den Schluß nach einer Anregung des Cabinetsrathes v. Beyme umgearbeitet hatte (erst in dieser neuen Fassung erscheint Luther unter den Bilderstürmern), fand am 11. Juni 1806 die erste Aufführung statt und erzielte einen solchen Erfolg, daß binnen einem Monate vierzehn weitere folgen konnten. Der Dichter erhielt das damals unerhört hohe Honorar von 500 Thalern. In der Titelrolle gab Iffland eine seiner vielbewunderten Glanzleistungen, auch las er noch im selben Sommer das Stück in mehreren Städten vor. Aber wieder erscheint der Held, der bald in den behaglich ausgeführten, häuslichen Scenen an Iffland’sche Lieblingsfiguren, bald, in seinen derben Zügen, an Goethe’s Götz erinnert, in der Hauptsache als ein mystisch-visionärer Heiliger ohne eigene Kraft, als willenloses Werkzeug einer höheren Macht, und ähnlich ist auch das weibliche Gegenstück Katharina von Bora gehalten. Viel Allegorie und Symbolik ist, besonders gegen den Schluß hin, auch in diesen volksthümlichen Stoff hineingeheimnißt, und das Ganze wird unwahr bis zur Verzerrung. Im einzelnen ist manches wahrhaft poetisch herausgearbeitet, und vorzüglich sind wieder die theatralischen Massenscenen, der Reichstag von Worms etwa, aber wieder wird die Musik, gelegentlich mit charakteristischem Effect die beiden Confessionen contrastirend, zur Steigerung der Wirkung in opernhafter Weise herbeigezogen. „Der Eindruck des Ganzen ist widrig religiös“ schrieb Zelter in seinem Bericht an Goethe, und dieser fällte auf Grund der ihm allein bekannten „Söhne des Thales“ das auch hier gültige, scharfe Urtheil: „das sollen nun Ideen heißen und sind nicht einmal Begriffe“. – Nach einem kurzen Ausflug nach Dresden erlebte W. den Einzug Napoleon’s in Berlin, und bald darauf veranlaßte Iffland trotz der ungünstigen Zeitverhältnisse den Dichter zu einer Umarbeitung des ersten Theils der „Söhne des Thales“ für die Bühne, die er mit 75 Thalern honorirte. Aber die erste Aufführung am 10. März 1807 war einem Durchfall verzweifelt ähnlich, was W., [70] der alle Schuld daran nur Iffland’s allzu effectvoller Inscenirung beimaß, zum Entschlusse brachte, nicht mehr für die Bühne zu schreiben; er blieb diesem Entschlusse so wenig treu, als den meisten andern seines Lebens. In Berlin war in dieser politisch so trüben Zeit wenig für ihn zu hoffen, und so begann jetzt die lange Epoche seiner Wanderschaft, seines Unstätseins, die, innerlich abgeschlossen durch den Uebertritt zur katholischen Kirche 1810 in Rom, äußerlich bis zu seiner Festsetzung in Wien (1814) andauerte. Zunächst lockte die Donaustadt zum ersten Male: ein Wiener Schauspieler, der in Berlin neue Kräfte anwerben sollte, machte ihm Hoffnungen, und so reiste er denn Ende April über Dresden und Prag nach Wien. Trotz seines Entschlusses, dem Drama zu entsagen, vollendete er schon in Prag eine neue Tragödie „Attila, König der Hunnen“, worin die Gottesgeißel, zu der ihm doch der „Normaltyrann“ Napoleon zum Vorbilde gedient hatte, bald als unbeugsamer Vertreter des ewigen Rechtes, bald als weich empfindender, unter seiner Mission leidender Mensch dargestellt wird, und das schon im Luther angedeutete mystische Liebessystem, dessen Verkündigung der Dichter nun zu seinem Lebenszwecke machte, zum ersten Mal in voller Breite entwickelt wird; Vorbedeutungen und Wunder spielen auch hier eine große Rolle. Wien mit seinem vielgestaltigen, leichten Leben, von dessen Eindrücken er einige in Sonetten festhielt, behagte ihm ganz besonders, aber die Censur beanstandete den „Attila“, und doch hing die Möglichkeit einer Anstellung von einem Bühnenerfolg ab. So vollendete er rasch seine „Wanda, Königin der Sarmaten“, eine Art Amazonendrama, das im Gegensatz zu allen früheren Werken klar und einfach gebaut ist und besonders zur Aufführung geeignet erscheint, wenn auch im letzten Acte der Mysticismus wieder mächtig durchbricht, und der Geist Libussa’s Werner’s Liebesevangelium in einer überlangen, bei späteren Aufführungen in Weimar durch ein Sonett ersetzten Rede verkündigen muß. Auch mit Berlin knüpfte er wieder an und sandte einen größtentheils schon früher gedichteten scenischen Prolog zur Friedensfeier an Iffland, aber dieser lehnte in höflichster Weise ab, und die Wanda wurde in Wien zurückgewiesen. So verließ er denn Ende September die ihm liebgewordene Stadt und ging zunächst nach München, wo er Friedr. Jacobi und Schelling kennen lernte. Auf den nun folgenden Reisen, die im einzelnen zu verfolgen hier zwecklos wäre, zeigt sich uns überall dasselbe Bild: während W. einerseits mit den Vornehmen in regem geistigen Verkehr steht, überall sein mystisches Liebesevangelium verkündet und damit besonders bei den Damen Erfolge erzielt, läßt er andrerseits seiner Sinnlichkeit freien Lauf und notirt in seinem Tagebuch mit cynischer Offenheit die verschiedenen Abenteuer mit gemeinen Dirnen. Seine mit Vorliebe in Sonettenform gefaßte Wanderlyrik besingt nur die erste Seite, aber im Leben mischen sich ihm Himmlisches und Irdisches fortwährend, und haltlos schwankt er zwischen sublimer Mystik und thierischer Wollust hin und her: den harmonischen Ausgleich wahren, echten Menschenthums, wie ihn in schönster Weise der von ihm so hochgepriesene Dichter der Iphigenie verkörperte, hat er nie gefunden. Von München ging er über Stuttgart, wo ihn die mimischen Darstellungen der Hendel-Schütz zu einem Sonette begeisterten, nach Frankfurt und weiter nach Thüringen. In Jena trat er am 1. December 1807 im Frommann’schen Hause zum ersten Male Goethe gegenüber, dem er seine Reisesonette vortrug. Noch 1822, als er längst auf ganz andern Bahnen wandelte, und der Olympier sich schweigend von ihm abgewandt hatte, gedenkt er in seiner Selbstbiographie dieses Tages in folgenden Worten: „… Größeres stand ihm bevor, als er im December 1807 zu Jena das erste Mal den universellsten und klarsten Mann seiner Zeit (den Mann, dessen Gleichen Niemand der ihn sah, jemals wiedersehen wird), den großen, ja einzigen Goethe [71] und sodann an dessen Hand zu Weimar den deutschen Normalfürsten erblickte“. Damals feierte er ihn aufs begeistertste in seinen Sonetten als Helios und Sonnenkoloß, und gab durch ein Charadensonett auf Minna Herzlieb den Anlaß zu Goethe’s eigenen Dichtungen in gleicher Form. Auch in Weimar machte er sich als „Liebesgesell“ durch anschmiegsames Wesen rasch beliebt und gewann selbst Herder’s Gattin, obgleich ihr seine Mystik gar nicht behagte; er trug in Anwesenheit der Herzogin bei Goethe sein „Kreuz an der Ostsee“ und später auch den „Attila“ vor und schloß einen hohen Freundschaftesbund mit Sophie v. Schardt, ohne doch daneben auf die niedere Minne zu verzichten. Zum Geburtstag der Herzogin Luise ließ Goethe am 30. Januar 1808 die „Wanda“ aufführen, und diese Vorstellung, die durch ein Gebet Werner’s eröffnet und mit seiner Bekränzung durch junge Mädchen geschlossen wurde, fand großen Beifall. Aber wie es scheint, wurden seine „Attacken auf hübsche Mädchen“ in der Gesellschaft bekannt und machten ihn, wenigstens für den Augenblick, unmöglich; so dichtete er denn sein Abschiedslied und zog nach Berlin, Iffland lehnte jedoch die „Wanda“ trotz des Weimarer Erfolges ab. Er wanderte also weiter von Stadt zu Stadt, an den Rhein, den er bis Köln bereiste, dann in die Schweiz, die er großentheils zu Fuß und als Begleiter des Kronprinzen von Baiern durchzog, nach Oberitalien bis Mailand und Genua, und wieder in die Schweiz, wo er nun Pestalozzi in Yverdon aufsuchte, am Genfersee Wallfahrten nach allen von Rousseau geweihten Orten unternahm und endlich bei Frau v. Stael in Coppet, die er in Interlaken kennen gelernt hatte, eine dreiwöchentliche Rast hielt. Da traf er A. W. Schlegel und Oehlenschläger, Benjamin Constant und Sismondi, und Alle, vor allen aber seine geistvolle Wirthin suchte er in schlechtem Französisch zu seinem mystischen Religions- und Liebessystem zu bekehren. Anfang November ging er nach Paris, kehrte aber schon nach vier Wochen in die Heimath zurück und wandte sich wieder nach Weimar, vielleicht in der stillen Hoffnung, dort am Theater Goethe’s Nachfolger zu werden, da dessen Stellung schon damals durch die Intriguen der Jagemann erschüttert war. Weihnachten 1808 traf er ein und brachte wahrscheinlich sein neues Trauerspiel „Kunegunde, die Heilige“, für welches er in Coppet legendare und historische Quellen eifrig studirt hatte, schon fertig mit. Auf ganz verklausulirten Voraussetzungen baut sich aus Zufällen und Eingriffen des geheimnißvoll im Hintergrunde stehenden Klausners Romuald eine an die Genovefa erinnernde legendenhafte Handlung zusammen, in deren mystischer Luft Wunder ganz alltäglich erscheinen, und die trotz einiger Prachtscenen, wie etwa das Turnier des Gottesgerichtes, nirgends dauernd zu fesseln vermag; denn Alles geschieht außerhalb der Schranken wirklichen Menschenthums, und die Hauptfigur, die Poppenberg mit Recht „eine hysterische Heilige“ nennt, bleibt uns völlig gleichgültig. Mit Goethe, der sich kurz nach Werner’s Ankunft über dessen „schiefe Religiosität“ tüchtig erzürnt hatte, stellte sich nochmals ein leidliches Verhältniß her, ja er dichtete auf Goethe’s Veranlassung und vielleicht sogar im Wettstreit mit ihm den Einacter des Fluches „Der 24. Februar“, während Goethe in gleicher Form den Segen behandeln wollte, den Plan aber nicht ausführte, und auch Werner’s Stück erst 1810 auf die Weimarer Bühne brachte; damals verglich er es dem darob empörten Wieland gegenüber mit Branntwein. Das kleine, wie die „Heilige Kunigunde“ erst 1815 gedruckte Werk, nach dem „Blunt“ von Moritz und Tieck’s „Abschied“ und „Karl von Berneck“ das früheste deutsche „Schicksalsdrama“ im engeren Sinne, hat durch seinen meisterhaften Bau und die gewaltige Bühnenwirkung eine weit über diese Vorläufer hinausgehende Bedeutung erlangt und steht an der Spitze jener ganzen Reihe von Schauerstücken, die unter dem bezeichneten Namen zusammengefaßt zu werden pflegen. Goethe’s [72] Einfluß ist es zuzuschreiben, daß dieses Mal (und es ist das einzige Mal in Werner’s ganzem Schaffen!) alle Mystik bei Seite gelassen wird, und nur die geheimnißvolle Macht des freilich schon hier kleinlich und fratzenhaft erscheinenden „Schicksals“ in das menschliche Geschehen eingreift. Dabei muthet das Drama durch die Kraft der Stimmungsmalerei, die es entwickelt, ganz modern an, und der Dichter gibt der einfachen, aber schaudervollen Criminalgeschichte persönliche Züge, indem er sie nach dem, ihm von seiner Schweizerreise her bekannten, einsamen Wirthshaus Schwarenbach (er selber schreibt Schwarrbach) an der Gemmi verlegt und als dies fatalis den seiner vielgeliebten Mutter und seinem edlen Freunde Mnioch gemeinsamen Todestag wählt. – In Weimar stand damals W. beim Herzog Karl August, den er durch die drastische Erzählung seiner Liebesabenteuer trefflich zu unterhalten verstand, in besonderer Gunst: er bezog als Wohnung das Haus der Primadonna Jagemann und aß oft mit dem Fürsten und dessen Geliebten. Im April 1809 verlieh ihm der Fürst-Primas Dalberg, ebenso wie zu gleicher Zeit Jean Paul, ein Jahresgehalt von 1000 Reichsgulden. Er blieb noch bis Ende Mai in Weimar und ging dann nach Jena zu Goethe, der durch Werner’s Intimität mit seiner Feindin Jagemann schwer gekränkt sich doch völlig mit ihm aussöhnte und sich an dem derben, kräftigen „Ehestandslied: Die drei Reiter“, das ihm W. mehrfach vortragen mußte, baß ergötzte. So schieden sie in voller Herzlichkeit: sie sollten sich nie wiedersehen, und die Bahn des Unstäten führte ihn immer weiter ab von den klaren stetig höher steigenden Wegen Goethe’s. Dalberg, den der Dichter nun dankeshalber in Frankfurt aufsuchte, gab ihm die Wahl des Wohnortes frei, und so wandte er sich nach einer abermaligen Rheinreise wieder in die Schweiz zu seiner „Aspasia“ Frau v. Staël, in deren Salon eine Aufführung des „24. Februar“ veranstaltet wurde, und die ihn im Entschlusse einer Romfahrt bestärkte. Nach achtwöchentlicher Rast in Coppet zog er nach Süden und traf am 9. December in der ewigen Stadt ein. Zunächst ließ er sich behaglich treiben im vollen Strome des römischen Lebens, verkehrte mit dem Prinzen Friedrich von Sachsen-Gotha und mehreren Künstlern und suchte daneben seine sinnliche Lust in gewohnter Weise zu befriedigen, nach seinen eigenen Worten „gehetzt von Reu zu Gier, von Gier zu Reu“. Aber auch seine letzte, innerlich wie äußerlich wichtigste Umwandlung sollte ihm von Goethe kommen. Anfangs 1810 las er „die Wahlverwandtschaften“ und eine Stelle darin über Ottiliens Entsagung packte ihn so, daß auch er seinem Sündenleben zu entsagen beschloß. Doch damit nicht genug, Alles sollte neu werden; er trat zum katholischen Glauben über. Was seine Dichtungen bisher fast ausnahmslos gepredigt, den Bund aller Edlen zur Vergöttlichung der Menschheit, sein mystisches Liebessystem, jenes Aufgehen des Liebenden im Geliebten ohne die irdische Vermischung: all das fand er erfüllt und vollendet in der katholischen Kirche. So legte er nach ernster Vorbereitung schon am 19. April (Gründonnerstag) 1810 (nicht 1811, wie einem spätern Irrthume Werner’s in seinem Testament zufolge fast überall zu lesen steht) sein Glaubensbekenntniß in die Hände seines Lehrers, des Abbate Pietro Ostini vom Collegio Romano, ab, und im Tagebuche, wo er bisher genau seine Ausschweifungen aufzeichnete, finden wir nur noch das Verzeichniß täglicher geistlicher Uebungen und Gebete: der einstige „Liebesgesell“ wird zum „Santo Wernero“, wie man ihn nun in Rom nannte. Ein kurzer Ausflug nach Neapel brachte ihm als Haupterlebniß das Januariuswunder: gerade in dem Augenblick, da er zu Gott gefleht hatte um ein Zeichen, ob er recht gehandelt mit seinem Uebertritt, floß das Blut. Wieder in Rom zeigte er auch in Bekehrungsversuchen den fanatischen Eifer des Proselyten; er rühmte sich später, fünf Deutsche in den Schooß der allein seligmachenden Kirche zurückgeführt zu [73] haben. Selbst bei Marianne Jung, die damals mit ihrem Pflegevater und späteren Gatten Willemer die ewige Stadt besuchte, probirte er es, freilich ganz erfolglos. Sein Entschluß, auch die letzten Consequenzen zu ziehen und Priester zu werden, stand fest, aber theils seine Eigenschaft als Neubekehrter, theils die in den politischen Verhältnissen bedingte Entfernung des Papstes von Rom verzögerte die Ausführung desselben. Werner’s lyrische Dichtung wird jetzt eine fast ausschließlich geistliche, er besingt Italien als das Land des Heils und des Schönen und versucht sich auch in epischen Canzonen, die Rafael’s Leben und seine Stanzen behandeln, aber Fragment geblieben sind. Im Sommer 1811 lebte er längere Zeit bei den Capuzinern in Albano, dann wieder in Rom, wo er in einem nahen menschlich schönen Verhältnisse zu seinen Hauswirthen, ganz einfachen Leuten, stand und deren jüngstes Kind aus der Taufe hob. Im gleichen Jahre erschienen die „Klagen um seine Königin Luise von Preußen“, die er schon kurz nach ihrem Tode (19. Juli 1810) geschrieben, in einem Separatdrucke: ein wahrhaft schönes Gedicht auf die geliebte Fürstin ohne jede aufdringlich katholisirende Färbung. Anfang 1812 suchte er vergeblich den in Rom eingetroffenen Prinzen Bernhard von Weimar zu bekehren; einen größeren Theil des Jahres verbrachte er in Florenz. Als im folgenden Overbeck übertrat, schrieb er sich ein großes Verdienst daran zu. Aber er glaubte sein Ziel in der Heimath rascher erreichen zu können, und so verließ er denn Rom am 22. Juli 1813, suchte bei und durch Dalberg seinem Zwecke näher zu kommen und setzte sich in dessen Sprengel zu Frankfurt a. M. fest. Die Kirche forderte von ihm einen Widerruf seiner Irrthümer, und er schrieb jenes ungeheuerliche Gedicht in Nibelungenstrophen „Die Weihe der Unkraft“, das schon in dieser Ueberschrift gegen den Nebentitel seines populärsten Werkes polemisirte, obgleich wahrlich sein Luther mehr vom katholischen Heiligen, als vom willensstarken Kirchenreformator an sich hatte, und das nach Varnhagen’s Worten „halb faselnd, halb trunken“ den Sieg der Verbündeten besang. Nach heftigen Selbstanklagen trat er darin als Prediger des Glaubens und der Demuth auf, eitel und schwächlich zu gleicher Zeit: ein kläglicher Widerruf eines eigenartigen und reichen, wenn auch nie zu voller künstlerischer Höhe gereiften poetischen Schaffens. Es wurde 1814 als Ergänzungsblatt zur deutschen Haustafel gedruckt; schon im Jahre vorher waren in Frankfurt Werner’s „Kriegslied für die zum heiligen Kriege Verbündeten deutschen Heere“ und bald darauf sein „Tedeum zur Einnahme von Paris“ in gleicher Weise als Separatabdrucke erschienen. Auch mit Goethe suchte er sich sowol in einem Briefe, den fünf Sonette „an Helios“ begleiteten, als in dem damals geschriebenen „Prolog zum 24. Februar“, worin er von Aspasia und Helios Abschied nahm, wie auch später nochmals in der Vorrede zur „Mutter der Makkabäer“ auseinanderzusetzen, nicht ohne selbst hier leise Bekehrungsversuche zu machen; Goethe antwortete nicht mehr direct, schrieb aber unterm 6. Februar 1814 jene kräftigen, derben, den Nagel auf den Kopf treffenden Verse „Herr Werner ein abstruser Dichter“, die erst in der Weimarer Ausgabe (V1, 195) aus dem Nachlasse veröffentlicht wurden. Ende Januar 1814 trat W. in das Priesterseminar zu Aschaffenburg und empfing am 16. Juni die Weihen. Mitte August traf er in Wien ein, und damit begann eine neue letzte Periode seiner Wirksamkeit: als Prediger erhielt er in der glänzenden Stadt, wo bald darauf der Congreß eröffnet wurde und ganz Europa sich zusammenfand, einen ungeheuren Erfolg. Ein wahrer Abraham a Sancta Clara redivivus verstand er es, Vornehm wie Gering gleichermaßen zu fesseln, sodaß es Mode wurde ihn zu hören; auch auf der Kanzel fratzenhaft bis zur Unanständigkeit, verschmähte er kein Mittel, um Effect zu erzielen. Er verkehrte viel im Hause des Regierungsrathes v. Pilat, dem damaligen Centrum des katholischen [74] Wiens; dort traf er Friedrich Schlegel und den Pater Hoffbauer, dessen Andenken er 1820 ein langes Gedicht weihte. Ein volles Jahr, vom Frühling 1816 bis zum Frühling 1817, verbrachte er in der Familie des edlen Grafen Choloniewsky zu Kamieniec in Podolien, wo er auch zum Ehrendomherr des Cathedralcapitels erwählt wurde. Im übrigen pflegte er den Winter in Wien, den Sommer in verschiedenen Provinzen der österreichisch-ungarischen Staaten zu verleben. Neben der geistlichen Lyrik, die seine letzten Jahre erfüllte und in den fünfundzwanzig Gedichten der „geistlichen Uebungen für drei Tage“ gipfelte, schrieb er noch, durch eine schwere Krankheit im November 1817 unterbrochen, eine letzte Tragödie „Die Mutter der Makkabäer“, ein Märtyrerstück, dessen Helden nur durch Gott stark sind. Die Titelfigur Salome, die weitaus am besten gelungen ist, trägt manche Züge von Werner’s eigener Mutter; aber in der Handlung spielt überall ein directes Eingreifen himmlischer Mächte mit, und in den übrigen Figuren hat die Gestaltungskraft stark nachgelassen. Einzelne scenische Massenwirkungen, wie der opernhafte großartige Triumphzug des Antiochus und Aehnliches, lassen noch den ehemaligen effectsichern Theatraliker erkennen. Seit November 1819 lebte er im Hause des Erzbischofs zu Wien, des Grafen v. Hohenwarth. Im J. 1821 machte er das Noviziat bei den Redemptoristen durch, trat aber nach Vollendung desselben wieder aus, theils weil er sich schon kränklich fühlte, theils und noch mehr aus inneren Gründen: das christliche Ordenswesen entsprach nicht seinem Ordensideale. Er zog wieder zu den Augustinern, in deren Kloster er schon früher gelebt hatte, und predigte in der letzten Zeit seines Lebens eifriger als je bis kurz vor seinem Tode. Noch am 5. Januar bestieg er zum letzten Male die Kanzel. Einer sich zuletzt rasch verschlimmernden Lungenkrankheit erlag er am 17. Januar 1823. Hochbegabt als Dramatiker hat er doch kein bleibendes Werk von künstlerischer Vollendung zu schaffen vermocht, und auch für sein Leben gilt die Bezeichnung, die Goethe 1828 gelegentlich für seine Schriften brauchte: ein „Complex von Vorzügen, Verirrungen, Thorheiten, Talenten, Mißgriffen und Extravaganzen, Frömmlichkeiten und Verwegenheiten“.

Selbstbiographie Werner’s in Felder und Waitzenegger, Gelehrten- und Schriftsteller-Lexikon d. deutschen kathol. Geistlichkeit III. Landshut 1822. – Jul. Ed. Hitzig, Lebens-Abriß Friedrich Ludwig Zacharias Werners. Berlin 1823. – Prof. Dr. Schütz, Zacharias Werner’s Biographie u. Charakteristik (nebst Mittheilungen aus dessen Tagebüchern), 2 Bde. Grimma 1841 (als Bd. XIV u. XV der „Ausgewählten Schriften“). – Heinrich Düntzer, Zwei Bekehrte, Zacharias Werner und Sophie von Schardt. Leipzig 1873. – Friedrich Schubart, Zacharias Werner in Weimar (Erinnerungen an Goethe V) in Schnorr’s Archiv f. Lit.-Gesch. IV. 1875. – Jakob Minor, Die Schicksalstragödie in ihren Hauptvertretern. Frankfurt a. M. 1883. – Jakob Minor, Das Schicksalsdrama (Kürschner’s Deutsche National-Litt. Bd. 151). – v. Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaiserth. Oest. LV, 72–90. 1887. – Felix Poppenberg, Zacharias Werner. Mystik und Romantik in den Söhnen des Thales. Berlin 1893. – Felix Poppenberg, Ein erotischer Mystiker (Magazin f. Litteratur LXII, Nr. 28, 1893). – Goedeke, Grundr. z. Gesch. d. deutschen Dichtg. 2. Aufl. Bd. VI, 90–95. 1895.