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ADB:Hoffmann, Ernst (Dichter)

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Artikel „Hoffmann, Ernst“ von Franz Muncker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 575–583, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hoffmann,_Ernst_(Dichter)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 05:45 Uhr UTC)
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Band 12 (1880), S. 575–583 (Quelle).
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Hoffmann: Ernst Theodor Wilhelm H., der sich selbst in nacheifernder Verehrung Mozart’s E. T. Amadeus nannte, mit gleichmäßig reichen Anlagen für Poesie, Musik und Malerei ausgestattet, wurde am 24. Januar 1776 zu Königsberg in Preußen geboren. Sein Vater, der 1782 als Criminalrath und Justizcommissär an das Oberlandesgericht in Insterburg kam († 1796 oder 97), ein Mann von vielem Geist, aber von unordentlichen Neigungen, trennte sich schon im dritten Lebensjahre des Sohnes von seiner durch strengere Grundsätze geleiteten Gattin. H. blieb bei der Mutter, die, von Kummer gebeugt, ihr krankhaftes Dasein am 15. März 1796 endigte; auf seine Erziehung hatte neben ihr besonders ihre Schwester († 1803, als „Tante Füßchen“ im ersten Bande des „Kater Murr“ verewigt), ihr Oheim, der im October 1795 gestorbene Justizrath Vöthöry, dem H. im „Majorat“ (in den „Nachtstücken“) ein Denkmal setzte, und ihr Bruder, der Justizrath Otto Dörffert († 1811), Einfluß. Während die Tante und der Großonkel dem ungewöhnlichen Geiste des Kindes volles [576] Verständniß und treueste Liebe entgegenbrachten, hielt ihn der an die größte Regelmäßigkeit und äußere Schicklichkeit gewöhnte Oheim zu Ordnung und Fleiß an. Er übernahm seinen ersten Unterricht und brachte ihm die Anfangsgründe der Musik bei; seine weitere Ausbildung hierin wurde dem Componisten und Organisten Podbielsky übertragen. Frühzeitig wurde der lebhafte Knabe, der sich daheim in der Entfaltung seines Naturells fast immer gebunden fühlte, der deutsch-reformirten gelehrten Schule übergeben, unter deren ausgezeichnetem Rector, dem Prediger Dr. Stephan Wannowski, er anfangs langsam, später, als im innigsten Verkehr mit seinem gleichaltrigen, lebenslänglichen Freunde Theodor Gottlieb v. Hippel († 1843, s. o. S. 466), sein Sinn für die Classiker erwachte, auffallend rasch fortschritt. Schon früher hatte sich sein musikalisches und malerisches Talent geregt, letzteres von einem entschiedenen Hang, Caricaturen zu zeichnen, begleitet. Am 27. März 1792 wurde H. an der Universität Königsberg immatriculirt. Von den berühmten Lehrern der Hochschule trat keiner dem Jüngling näher, der ohne innere Neigung, aber mit gewissenhaftem Fleiße Jurisprudenz studirte. Nachdem er am 22. Juli 1795 die erste Prüfung bestanden hatte, arbeitete er als Auscultator bei der Regierung seiner Vaterstadt. Bei der Menge gleichstrebender junger Leute fand er weniger zu thun, als er wünschte; so konnte er sich ganz der Kunst hingeben. Er malte Porträte für den Freund, der Königsberg nunmehr verlassen hatte, studirte mit freudigem Eifer die Meisterwerke der Musik, namentlich Mozart’s Don Juan, den er zeitlebens aufs höchste bewunderte und 1813 in der allgemeinen musikalischen Zeitung in einem tief greifenden Aufsatz geistreich interpretirte, und versuchte sich in eigenen Compositionen sowie in schriftstellerischen Arbeiten. Kaum hatte er 1795 einen dreibändigen Roman „Cornaro“ vollendet, für den er, weil noch namenlos, keinen Verleger fand, als er einen zweiten („Der Geheimnißvolle“) begann. Eine heftige, von der Freundin erwiderte, durch äußere Verhältnisse aber hoffnungslose Liebesleidenschaft verzehrte ihn auch noch, als er sich ihrem unmittelbaren lähmenden Einfluß auf sein Denken und Thun durch die Entfernung entzogen hatte. Am 15. Juni 1796 traf er in Groß-Glogau ein, um bei der dortigen Oberamtsregierung, wo sein zweiter Oheim († in Berlin im September 1803) als Rath angestellt war, seine Laufbahn fortzusetzen. Der Eifer, mit dem er sich seinem Berufe hingab, setzte ihn in den Stand, im Juni 1798 sein zweites Examen zu machen; aber auch für sein Studium der Künste fand er hier manche Anregung. Gleichwol wirkte die Erinnerung an das, was er in Königsberg verlassen, neu geweckt durch eine Reise dorthin im Frühjahr 1797, zu schmerzlich, als daß ihm nicht Glogau unerträglich hätte scheinen sollen, obwol sich hier schon das Verhältniß zu Maria Thekla Michaelina Rorer, die im Frühling 1802 seine Gattin wurde, anknüpfte. Gern folgte er darum, eben noch durch eine Reise in das schlesische Gebirge und nach Dresden heiterer gestimmt, dem Oheim, welcher zum geheimen Obertribunalsrath ernannt worden war, im August 1798 nach Berlin als Referendar beim Kammergericht. In dem Genuß, den die Kunstausstellungen und Musikaufführungen der Hauptstadt reichlich boten, begann für H. ein neues Dasein des hoffnungsfreudigsten Strebens. Mit frischer Liebe gab er sich auch der juristischen Thätigkeit hin, so daß er sich im Sommer 1799 dem letzten, „rigorosen“ Examen mit dem besten Erfolg unterziehen konnte. Schon am 27. März 1800 wurde er zum Assessor der Regierung in Posen mit uneingeschränkter Stimme ernannt. Die kecke Ausgelassenheit des dortigen Lebens, durch ihre Neuheit für H. doppelt verführerisch, riß ihn zu Ausschweifungen und übermüthig-tollen Einfällen hin, die nicht ohne bittere Folgen blieben. Eine Verspottung des Generals v. Zastrow und anderer hochstehender Personen durch caricaturenhafte Zeichnungen gab Anlaß, den zum [577] Rath in Posen Designirten im Frühling 1802 als Regierungsrath nach dem einsamen Plock im damaligen Neuostpreußen zu versetzen. Hier sammelte er sich bald im eben begründeten eigenen Familienleben zu ernster, juristischer und künstlerischer Arbeit jeder Art. Der Musik widmete er sich zumeist. Schon in Posen hatte er Goethe’s Singspiel „Scherz, List und Rache“ componirt und mit Beifall auf die Bühne gebracht; jetzt folgten mehrere Messen und Vespern für Klöster, eine Phantasie und verschiedene Sonaten für das Clavier. Er entwarf (seit dem August 1803) Grundzüge zu einem Aufsatz über Sonaten, übersetzte italienische Canzonetten, begann zwei Singspiele („Der Renegat“ und „Faustine“) zu dichten und bewarb sich um den von Kotzebue 1803 ausgesetzten Preis für das beste Lustspiel, indem er sich diesen selbst als Thema wählte: sein Stück „Der Preis“ wurde 1804 als das zweitbeste unter allen mitbewerbenden von den Preisrichtern gelobt. Gedruckt wurde (im „Freimüthigen“ vom 9. Septbr. 1803) von allen diesen Arbeiten nur ein kleiner, in ironischem Ton gehaltener Aufsatz über die Einführung des griechischen Chores in Schiller’s „Braut von Messina“. Als H. auf die Verwendung seiner Freunde in Berlin im Anfang des J. 1804 als Rath an die Regierung in Warschau versetzt wurde, eröffnete sich seinem künstlerischen Treiben ein weiteres Feld durch neue, litterarisch und musikalisch gebildete Amtsgenossen, von denen er namentlich den damaligen Regierungsassessor Julius Eduard Hitzig (1780–1849) zum Lebensfreunde gewann. Die Begründung einer „musikalischen Ressource“ (1806) gab ihm Gelegenheit zur Ausübung seines mannichfachen Talentes. Er entwarf die Pläne zum Aufbau und zur Ausschmückung des neuen Musikpalastes, er malte selbst in seinen Mußestunden einzelne Zimmer nach seinen originell humoristischen Einfällen aus, er dirigirte die Musikaufführungen, er componirte für Concert, Theater und Kirche. Im December 1804 schrieb er die Musik zu Clemens Brentano’s „Lustigen Musikanten“, die er im folgenden April auf die Bühne brachte, darnach zu dem Trauerspiel „Das Kreuz an der Ostsee“ von Zacharias Werner (1768–1823), dessen näheren Umgang er in Warschau genoß. 1805–6 componirte er eine komische Oper „Die ungeladenen Gäste oder der Canonicus von Mailand“, 1807–8 eine romantische Oper „Liebe und Eifersucht“; die Texte dazu schrieb und ordnete er selbst, für den „Canonicus“ nach einem französischen Muster, für die zweite Oper nach Calderon’s „Schärpe und Blume“. Das politische Geschick Deutschlands wurde über diesem Treiben nahezu vergessen, bis die Folgen der Schlacht von Jena entscheidend auch in Hoffmann’s Leben eingriffen. Ende 1806 rückte Murat’s Armeecorps in Warschau ein; schon nach wenigen Tagen wurde im Namen des Kaisers die preußische Regierung aufgelöst, ein aus Polen gebildetes Obergericht trat an ihre Stelle. H., der sonst unter der französischen Occupation verhältnißmäßig weniger litt, verlor dadurch sein Amt und Einkommen. Seine Familie, die sich im Juli 1805 durch eine (schon im August 1807 gestorbene) Tochter Cäcilia vermehrt hatte, sandte er mit der ersten sicheren Gelegenheit nach Posen; er selbst folgte, nachdem er ein hitziges Nervenfieber überstanden, im Sommer 1807. Den Gedanken, als Componist in Wien ein Künstlerleben zu beginnen, konnte er aus Mangel an Geld nicht ausführen; unter den trübsten Umständen verbrachte er ein Jahr in Berlin. Endlich wurde er auf ein Inserat im „Reichsanzeiger“ von dem Reichsgrafen Fr. Julius Heinr. v. Soden (1754–1831) mit der Stelle eines Musikdirectors bei dem unter Soden’s Auspicien stehenden Theater in Bamberg (vom 1. Sept. 1808 an) betraut. Er vollendete noch im Februar die Composition einer (später in Bamberg aufgeführten) Oper des Grafen „Der Trank der Unsterblichkeit“ und begab sich dann mit seiner Gattin nach seinem neuen Bestimmungsorte, wo er am 1. Septbr. 1808 eintraf. Hier sah er sich bitter enttäuscht. Graf [578] Soden hatte sich nach Würzburg zurückgezogen und das ganze Theaterunternehmen dem durch seine Ritter- und Schauerstücke später bekannt gewordenen Heinr. Cuno übertragen, dem alle Mittel und Kräfte fehlten, um die Organisation des Bamberger Bühnenwesens künstlerisch zu betreiben. Nach wenigen Monaten gab H., der auch beim Publicum nicht die wärmste Aufnahme als Capellmeister gefunden hatte, das Musikdirectorat auf und beschränkte sich gegen einen geringen, nicht einmal pünktlich ausbezahlten Gehalt auf die Composition der in den Schauspielen vorkommenden Gelegenheitsstücke. Jedoch schon im Februar 1809 erklärte sich Cuno insolvent. Seine Hauptgläubiger übernahmen die Direction, verfuhren aber nicht nur völlig unkünstlerisch, sondern waren auch „knauserig“ und „grob“ gegen das Personal, so daß H. im Mai 1809 das Theater ganz verließ und durch Unterricht im Clavierspiel und im Gesang, den er auf Empfehlung des musikalisch gebildeten Generalcommissärs Freiherrn v. Stengel in den besten Familien der Stadt ertheilte, seinen Erwerb suchte. Zugleich bot er in einem launigen Briefe dem Herausgeber der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“, Friedr. Rochlitz in Leipzig, seine rein belletristischen oder der Musikwissenschaft dienenden Beiträge an. Gern ging man auf den Vorschlag ein, und schon nach wenigen Tagen übersandte H. die Erzählung „Ritter Gluck“. Zahlreiche Recensionen (von Beethoven’s C-moll-Symphonie, seiner C-dur-Messe etc.) und Aufsätze, die in näherer oder entfernterer Beziehung zur Musik standen, folgten, namentlich die charakteristischen Bruchstücke aus dem Leben und den Ansichten des Capellmeisters Johannes Kreisler. Dazu schrieb H. die Artikel über das Bamberger Theater in der „Zeitung für die elegante Welt“. Neu erwachte die Lust zur Malerei; vor allem aber erlahmte nie der Eifer des Componisten: von seinen zahlreichen Arbeiten dieser Art fand die Musik zu Soden’s Melodram „Dirna“ (am 11. Octbr. 1809) ungewöhnlichen Beifall. Vollkommen in seinem Element befand sich H., als 1810 Franz v. Holbein (1779–1855), von Glogau her ihm bekannt, die Leitung des Bamberger Theaters übernahm und ihn als Directionsgehülfen annahm, der bald als Architekt, bald als Theatermaler, bald als Compositeur sich versuchte. So brachte er mit dem besten Erfolg einzelne Dramen Calderon’s auf die Bühne – er selbst berichtete über diese Aufführungen 1812 in den von Fouqué und Wilhelm Neumann herausgegebenen „Musen“ – und componirte unter anderem 1811 von Soden die Oper „Aurora“ und das Melodram „Saul“. Gleichwol blieb seine materielle Lage nicht von jedem Druck frei, obgleich ihm das Erbe seines Onkels in Königsberg einige Erleichterung gewährte. Als aber Holbein im Juli 1812 sich von dem Theater zurückzog, wurden seine Umstände immer trauriger. Nur seine schriftstellerischen, malerischen und musikalischen Arbeiten hielten ihn noch aufrecht. Ernstlich beschäftigte ihn der Entwurf eines größeren Werkes über Musik, „Lichte Stunden eines wahnsinnigen Musikers“, dessen Fragmente für die „Kreisleriana“ später verwerthet wurden, und die Composition der Oper „Undine“, zu der Fouqué selbst sein Gedicht für H. dramatisirte. Während er sich (seit dem Juli 1812) mit ganzer Seele dieser Arbeit widmete, erhielt er am 27. Februar 1813 von Joseph Seconda einen (durch die Leipziger Freunde vermittelten) Ruf als Musikdirector nach Dresden. Am 21. April verließ er Bamberg, wo er für sein Leben und sein schriftstellerisches Wirken die nachhaltigsten Eindrücke empfangen hatte. Eine heftige Leidenschaft zu Julia, einer seiner Schülerinnen im Gesang, die 1812 einem unwürdigen Gatten zu Theil wurde, bereitete ihm neben geträumten Wonnen quälende Schmerzen, und wenn er auch schließlich einzusehen glaubte, daß „ein großes Phantasma“ ihn täuschte, so blieb das Andenken an die Entrissene für den Schriftsteller noch Jahre lang fruchtbar. Sie fand als Cäcilia und Julia in die „Phantasiestücke“ und in [579] Kreisler’s Lebensgeschichte Eingang; ihr Idealbild schwebte dem Dichter bei den meisten edlen Frauengestalten vor, die klar und lichtvoll aus den nächtlichen Wirren seiner Darstellung hervorstrahlen. – In Dresden fand H. Seconda noch nicht; nach einigen unter dem Einfluß der Kriegsereignisse wechselvoll durchlebten Wochen folgte er ihm am 20. Mai 1813 nach Leipzig, kehrte aber schon am 25. Juni mit seiner Gesellschaft nach Dresden zurück, wo Seconda unerwartet die Erlaubniß, in dem Hoftheater zu spielen, erhalten hatte. Eifrige Thätigkeit wartete seiner hier. Die Aufführungen fanden vielen Beifall, erhielten aber die Mitglieder der Gesellschaft in beständiger Arbeit, daneben vollendete H. vom Juli bis zum December 1813 seine „Undine“ und schrieb den „Magnetiseur“, das Gespräch „Der Dichter und der Componist“ und daß Mährchen „Der goldene Topf“. Noch einmal traten im Herbst die Schrecken des Krieges bei den Kämpfen um Dresden in furchtbarer Nähe an ihn heran; am 9. Decbr. ging er wieder mit Seconda’s Truppe nach Leipzig. Eine langwierige, mit gichtischen Anfällen verbundene Brustkrankheit und ein Zerwürfniß mit Seconda bewirkten am 26. Februar 1814 seinen Rücktritt vom Theater; die ihm angetragene Stelle eines Musikdirectors in Königsberg hatte er abgelehnt: so war er wieder ohne sicheres Einkommen, bis ihm durch Hippel’s Vermittelung vom preußischen Justizministerium das Anerbieten gemacht wurde, vorläufig ohne festen Gehalt beim Kammergericht zu arbeiten, um später nach seinem Dienstalter als Rath einzurücken. Wie wenig der Vorschlag ihm auch für den Augenblick bot, so ging H. doch darauf ein: am 27. Septbr. 1814 langte er schon in Berlin an. Mannichfach hatte er sich wieder in Leipzig in verschiedenen Künsten versucht, Caricaturen auf die politischen Ereignisse der letzten Tage gezeichnet, vom 8. bis 10. Mai auf Bestellung ein großes Musikstück „Die Schlacht bei Leipzig“, unter dem Namen Arnulf Vollweiler componirt, vor allem „sich fleißig in literis bewegt“. Noch im December 1813 hatte er einen Aufsatz über die Schlacht bei Dresden geschrieben, von dem nur der Schluß, die „Vision auf dem Schlachtfelde bei Dresden“ dem Druck übergeben wurde; im März und April 1814 verfaßte er den ersten Theil der „Elixiere des Teufels“, im Mai das (als das schwächste seiner Producte später unterdrückte) romantische Schauspiel „Prinzessin Blandina“ und die düstere Novelle „Ignaz Denner“; beständig schrieb er für die „Allgemeine musikalische Zeitung“, Recensionen, skizzenhafte Erzählungen. Mehrere seiner Beiträge zu dieser Zeitschrift sammelte er mit vielen noch ungedruckten novellistischen Versuchen zu den vier Bänden der „Phantasiestücke in Callots Manier. Blätter aus dem Tagebuche eines reisenden Enthusiasten“, welche mit einer humoristischen Vorrede Jean Pauls, den H. schon am 30. März 1811 in Bayreuth besucht hatte, 1814–15 bei seinem Bamberger Freunde C. F. Kunz erschienen und so günstig aufgenommen wurden, daß bereits 1819 eine zweite und 1825 eine dritte Auflage davon veranstaltet werden konnte. Die letzten Aufsätze zu diesem Sammelwerke (die Abenteuer der Sylvesternacht, Kreisler’s Correspondenz mit dem Baron Wallborn) schrieb er erst in Berlin unter dem Eindruck, den des hier wiedergefundenen Hitzig Freunde, unter ihnen Chamisso und Fouqué, auf ihn gemacht hatten. Für Hitzig’s Kinder dichtete er das Mährchen „Nußknacker und Mäusekönig“, für das von Fouqué und Rückert herausgegebene „Frauentaschenbuch“ die Erzählung „Die letzte Fermate“, für die „Urania auf das Jahr 1817“ den „Artushof“; ferner vollendete er bis zum Schluß des J. 1815 den zweiten Theil der „Elixiere des Teufels“, die sogleich (1815–16) gedruckt wurden. Das ansehnliche Honorar, das er von den Berliner Verlegern derselben, Duncker & Humblot, bereits im Sommer 1815 erhielt, befreite ihn von augenblicklicher Verlegenheit. Gleichzeitig wurde er als Expedient im Bureau des Justizministers mit 800 Thalern [580] Gehalt vom 1. Juli an angestellt; am 1. Mai 1816 rückte er als Rath in eine vacante Stelle am Kammergericht ein. Andere Ehren warteten des Künstlers H., als am 3. August 1816 seine „Undine“ mit großer Pracht und bestem Erfolg auf die Berliner Bühne gebracht wurde. So getheilt die Stimmen über das Textbuch waren, das Fouqué geliefert, so allgemein und uneingeschränkt lobte man die Musik: Karl Maria v. Weber, der H. am 5. März 1811 in Bamberg kennen gelernt hatte, rühmte 1817 in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ die Oper als eine der geistvollsten aus der neuesten Zeit, als ein Werk aus einem Gusse, mit dem er durchaus einverstanden sei. H. wußte das Glück nicht so gut zu ertragen, als zuvor das Unglück. Mit unermüdetem Eifer erfüllte er zwar die Pflichten seines Berufes und widmete sich der Pflege der Künste; die Nächte aber brachte er im an- und aufregenden Verkehr mit übermüthigen Genossen beim Weine zu, wobei er seine körperlichen wie geistigen Kräfte allmählich aufrieb. So gelangten von seinen Werken gerade die, welche am großartigsten angelegt waren, nicht zur Vollendung, neben einer 1817 begonnenen Oper nach Calderon’s El galan fantasma vor anderen die „Lichten Stunden eines wahnsinnigen Musikers“. Ein Theil der 1816–17 verfaßten Erzählungen wurde zusammen mit dem völlig umgearbeiteten „Ignaz Denner“ 1817 zu den beiden Bänden der „Nachtstücke“ vereinigt, während gleichzeitig „Das fremde Kind“ im zweiten Bande der „Kindermährchen“, die H. mit Karl Wilh. Salice-Contessa und Fouqué herausgab, erschien. Im folgenden Jahre entwarf er, in der Form sich an „Rameau’s Neffen“ anlehnend, wie ihn Goethe nach Diderot bearbeitet hatte, den Dialog „Seltsame Leiden eines Theaterdirectors“ (Berlin 1819), das Mährchen „Klein Zaches, genannt Zinnober“ (Berlin 1819) und – ebenso auch in den nächsten Jahren – mehrere Erzählungen für das von Stephan Schütze zu Frankfurt a. M. herausgegebene „Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet“ (so für 1819 „Doge und Dogaressa“, für 1820 „Das Fräulein v. Scuderi“), für das Leipziger „Taschenbuch zum geselligen Vergnügen“ („Meister Martin der Küfner und seine Gesellen“ 1819, „Signor Formica“ 1820 etc.), für die „Urania“, den „Berlinischen Taschenkalender“ etc. Diese Novellen sammelte er nebst früheren Aufsätzen 1819–21 in den vier Bänden der „Serapionsbrüder“, vermehrte sie mit neuen und verband sie durch einen fortlaufenden Dialog einiger Freunde, worin er die von Hitzig gestifteten wöchentlichen Zusammenkünfte mit wenigen edleren Genossen in Berlin getreu schilderte, äußerlich zu einem Ganzen. Zur selben Zeit wurde, während H. im Sommer 1819 das schlesische Bad Warmbrunn besuchte, bereits an dem erst 1820 erschienenen ersten Band der „Lebensansichten des Katers Murr“ gedruckt, dem 1822 ein zweiter folgte; von dem dritten, großartig entworfenen Theile, an den sich unmittelbar die „Lichten Stunden eines wahnsinnigen Musikers“ anschließen sollten, erschien nach des Verfassers Tode 1826 nur ein Bruchstück. Obwol die Ernennung zum Mitgliede der Immediatuntersuchungs-Commission zur Ermittelung geheimer staatsgefährlicher Verbindungen (1819) und gewisse Nebenarbeiten, wie die Uebersetzung des französischen Textes der „Olympia“ von Spontini, die H. auf den Wunsch des Königs und des im Sommer 1820 nach Berlin berufenen Componisten unternahm, seine Muße sehr beschränkten, behielt er noch Zeit zu neuen schriftstellerischen Arbeiten. Er plante eine Fortsetzung von Tieck’s „Merkwürdiger Lebensgeschichte des Abraham Tonelli“ im achten Bande der „Straußfedern“; 1820 verfaßte er, durch echte Zeichnungen von Callot’s Hand, die ein Freund ihm geschenkt, angeregt, das im folgenden Jahr zu Breslau erschienene Mährchen „Prinzessin Brambilla“, 1821 auf Andringen der Frankfurter Buchhandlung von Frd. Wilmans den „Meister Floh“, bei dessen Druck 1822 jedoch eine [581] Episode wegfiel, welche lächerliche Verhältnisse, theilweise von localem Interesse, die dem Verfasser auf amtlichem Wege bekannt geworden waren, persiflirte. Im Herbst 1821 rückte H., dessen Gehalt sich kurz vorher beträchtlich vermehrt hatte, in den Oberappellationssenat des Kammergerichts als Mitglied ein. Nur wenige Monate genoß er die bequemere und freiere Lage, welche ihm diese Beförderung ermöglichte. Nachdem er im folgenden Winter noch einmal fast alle seine näheren Freunde um sich versammelt hatte – auch Hippel weilte vom Herbst 1821 bis zum April 1822 in Berlin –, erlag er am 25. Juni 1822 einer langwierigen Krankheit, der Rückenmarksdarre, deren entsetzliche Schmerzen, mit stets zunehmender Lähmung des Körpers verknüpft, ihn jedoch nicht abhielten, noch in den letzten Wochen eine Reihe der nach seinem Tod herausgegebenen Erzählungen zu dictiren, „Meister Wacht“, „Des Vetters Eckfenster“, „Die Genesung“ und das Fragment „Der Feind“, die theilweise ein völlig neues, aus der phantastischen Richtung der unmittelbar vorausgehenden Mährchen in das reale Leben zurückführendes Streben bekundeten. –

H. war körperlich wie geistig ungemein beweglich, von Natur aus gut, aber leidenschaftlich angelegt, pünktlich im Beruf, unordentlich im Privatleben, nicht ohne Eitelkeit und Egoismus, der sich bis zum momentanen Haß einer ihn störenden Individualität steigern konnte, überhaupt von der stets wechselnden Laune beherrscht. Die fratzenhaften Verzerrungen und die verborgenen Tiefen der menschlichen Natur zogen ihn am meisten an; seine exaltirt-humoristische Stimmung trieb ihn bald zu den ausgelassensten Sprüngen des tollen Scherzes, bald zu den krankhaften Ideen des Wahnsinns, so daß er beständig geheime Schrecknisse ahnte und Gespenster sah; fast zum fixen Gedanken wurde ihm der Glaube an „die tiefe Ironie, die die Natur in alles menschliche Treiben gelegt“, die Ueberzeugung, „daß der Teufel auf alles seinen Schwanz lege“. Seine eigenen verworrenen Geschicke, die er, der verfehlten Bestimmung seines Lebens sich bewußt, in seiner zu düsterer Färbung neigenden Phantasie vollends wüste und unlösbar verwickelte, bekräftigten ihn in dieser Anschauung; in seinen Dichtungen, die mit seinem Leben identisch waren, lieh er ihr den mannichfachsten Ausdruck. Das autobiographische Element waltet in allen seinen Erzählungen vor. Nicht nur weitaus die meisten seiner Novellen und Romane knüpfte er an einen Vorgang aus seiner eigenen Erfahrung an, sondern in vielen schilderte er im poetischen Gewande geradezu sich selbst und seine Umgebung überhaupt oder in bestimmten Perioden seines Lebens. Namentlich enthalten die „Kreisleriana“, sowol die ersten unter diesem Namen den „Phantasiestücken“ einverleibten Aufsätze als die dem „Kater Murr“ beigegebene fragmentarische Biographie Kreisler’s, die eigene Geschichte Hoffmann’s, seines musikalisch-künstlerischen Treibens, seines menschlichen Seins und Empfindens namentlich unter dem Einfluß der Bamberger „Marterjahre“, die zugleich als „Lehrjahre“ den Charakter seines gesammten Dichtens bestimmten. Sie spiegeln sich vornehmlich in den „Phantasiestücken“ wieder; aber bei aller schmerzlich-ingrimmigen Ironie, die sich besonders in den Cervantes nachgebildeten „Neuesten Schicksalen des Hundes Berganza“ kundgiebt, läßt die kräftig-muntere Darstellung auch ein so sonnig-heiteres Gebilde wie das Mährchen „Der goldene Topf“ zu, nach Hoffmann’s eigenem Urtheil sein poetisches Meisterwerk. In düstre, schreckhafte Regionen führen dagegen schon die Stoffe der meisten „Nachtstücke“, in denen der Dichter Eindrücke verwerthete, die er theilweise in der Jugend zu Königsberg und Glogau, theilweise erst in Bamberg und Berlin empfangen hatte. Alle Schauer eines dämonisch über der Freiheit des Menschenlebens waltenden und sie vernichtenden Zufalles, die „geheimnisvollen Verknüpfungen des menschlichen Geistes mit diesen höheren Principien“ enthüllt Hoffmann’s einziger vollendeter Roman, „Die [582] Elixiere des Teufels“, incongruent in seinen beiden Hälften, gleichwol nach einem auf das kunstvollste verwickelten Plane in beständig spannenden Scenen mit sicherer Klarheit und üppiger Kraft dargestellt. Auch zu diesem Werke wie zu den didaktisch-satirischen „Leiden eines Theaterdirectors“ erhielt H. durch Bamberger Erinnerungen den ersten Anstoß. Aeußere Zufälle und innere Stimmungen regten ihn zu seinen Mährchen an, und hier begab er sich, wenn gleich sein Thema meist dasselbe blieb, die Verherrlichung des Lebens in der Poesie, immer mehr in eine phantastische Welt, deren Personen und Gegenstände sich jedoch mit denen der wirklichen vermengen und darum in nebelhafte Schemen zerfließen; der reine Humor, der sich, wie „Prinzessin Brambilla“ allegorisch darstellt, auf den Flügeln der Phantasie aufschwingt, macht immer mehr einer aus Rührung, Skepsis und toller Lust gemischten ironischen Empfindung Platz, in der die grellsten Contraste unvermittelt neben und durch einander wirken. Aehnliches begegnet bei den novellenhaften Erzählungen der „Serapionsbrüder“, die H. theilweise wieder an Erinnerungen aus früherer Zeit anknüpfte, theilweise aber die Stoffe nach den Andeutungen alter Chroniken und Sagenwerke sich bildete. Nicht selten sind es Bruchstücke ohne erklärenden Abschluß, fast immer ohne befriedigende Lösung; die „Nachtseite der Naturwissenschaft“, das Verhältniß des physischen und psychischen Princips in der Natur und im Menschenleben, die Welt der Ahnungen und Träume, die wundervollen Erscheinungen des Magnetismus bilden den Inhalt der meisten dieser Erzählungen, die nicht minder durch diese krankhaft aufregenden Stoffe als durch die H. eigenthümliche Kunst der pikanten Darstellung und den Zauber einer bei aller idealen Phantastik mit sinnlicher Kraft und Klarheit begabten Sprache fesseln. Am stärksten tritt diese äußerste subjective Art der Hoffmannischen Dichtung im „Kater Murr“ hervor, in dem sich alle Eigenarten des Verfassers zusammenfinden, der Hang zur fragmentarischen Darstellung, die Kunst des Contrastes, hier schon äußerlich wirkend durch die Gegenüberstellung der Erfahrungen des philisterhaft gebildeten Katers und der Ereignisse, die das Leben des wahrhaft genialen Kreisler erschüttern und zerstören, die wirre Verschlingung der Fäden der Erzählung, die Lust am Scurrilen, an absonderlichen, schauervollen Abenteuern, die tiefe Ironie, mit welcher die Betrachtung der Welt den Geist des Edlen erfüllt, der unverstanden aus ihr entflohen ist, dem reinen höchsten Genuß der Kunst sich hinzugeben. Von den letzten Erzählungen Hoffmann’s gehören einzelne allerdings auch noch ganz diesem Kreise an; in andern aber bezwang der Dichter die wilde Kraft seiner ausschweifenden Phantasie und seines ungezügelten Humors und schilderte objectiv mit ruhiger Kunst natürliche Vorgänge der wirklichen Welt. Wiederholt faßte H. in seinen Schriften die Musik als Vertreterin der Kunst überhaupt; in ihr, zu der er von früher Jugend auf einen natürlichen Beruf erkannte, gelangte er auch öfter und eher zu heiterer Klarheit als in der Poesie und in der bildenden Kunst, deren Studium ihn freilich zunächst zur Porträtmalerei, schließlich aber – und erst hier verrieth sich sein originelles Talent – zur Caricaturzeichnung führte. Mozart und Beethoven waren die Meister, die H. grenzenlos verehrte, für die er durch Wort und That überall zu wirken suchte, daneben Haydn in der Kammermusik, Händel und Bach im Oratorium, in Kirchensachen die alten Italiener, in der Oper Gluck, Cherubini und Spontini. An seinen eigenen Compositionen rühmte die gleichzeitige Kritik die leicht fließenden, aber innig gedachten und sorgfältig verschlungenen Melodien, die effectvolle, technisch vollendete Begleitung, überhaupt die charakteristische und bedeutende Ausführung der einzelnen, namentlich der breiter und voller angelegten Nummern; die künstlerische Abrundung zu einem in allen Theilen mit gleicher Liebe und gleichem Glück behandelten Ganzen sowie die dramatische Haltung [583] wurde von einzelnen Recensenten vermißt, während Weber gerade den einheitlichen Guß der Musik zur „Undine“ lobte, deren Componist ohne Rücksicht auf den momentanen Beifall stets den Blick auf das Ganze gerichtet habe. Hoffmann’s Recensionen und Aufsätze über Musik zeigen nicht blos den mit allen Mitteln und Geheimnissen seiner Kunst vertrauten Musikgelehrten, sondern mehr noch den Dichter, der als poetischer Seher das Wesen der Musik in wunderbarer Tiefe erfaßt und deutet. – Von Hoffmann’s Compositionen und Zeichnungen wurden nur unbedeutende, kleinere Stücke durch den Druck und Stich allgemein bekannt; seine dichterischen Schriften erschienen 1827 zu Berlin in einer Auswahl in 10 Bänden, 1827–31 zu Stuttgart in 18 Bändchen, gesammelt in 12 Bänden zu Berlin 1844–45 und 1856–57.

Aus Hoffmann’s Leben und Nachlaß (von Hitzig), 2 Theile, Berlin 1823. Neu aufgelegt 1827 und 1839 mit einigen Nachträgen in „E. T. A. Hoffmanns Erzählungen aus seinen letzten Lebensjahren, sein Leben und Nachlaß“, herausgegeben von Micheline Hoffmann, Band 3–5. – Z. Funck (C. F. Kunz), Erinnerungen aus meinem Leben, Band 1, Leipzig 1836. – Mittheilung aus den Acten der Königsberger Universität durch die Güte des Herrn Professors Dr. Friedländer.