Ueber die Dresdner Kunstausstellung (1806)
So mild und duldsam auch Dein ganzes Wesen ist, holdselige Freundin, so magst Du doch jetzt ein wenig Mißgunst gegen mich hegen, daß mir an einem Orte zu leben vergönnt worden, den Natur und Kunst mit mütterlicher Huld durch ihre reichsten Gaben, mit so vielfachem Schmuck und Kleinodien ausgestattet haben. Oft schon, wenn die Wunder der Opernwelt sich vor meinem Auge enthüllten, wenn das Kirchengewölbe von einer majestätischen Hymne, von einem frommen credo, oder einem feurigen sanctus wiederhallte, wenn die reiche Schatzkammer vielfältiger Kunstwerke vor mir aufgeschlossen stand, wenn die romantische Gegend eine Fülle anmuthiger Empfindungen in mein Gemüth zauberte, da wünschte ich von Grund meiner Seele, daß Du Theil nehmen könntest an den Genüssen, in welchen wir hier schwelgen, daß Du nur mindestens den Ort kennen möchtest, der ein so reicher Quell des Kunstwohllebens ist.
Es ist unmöglich, eine Zeit anzugeben, in welcher ich es nicht gewünscht, wohl aber mehrere Momente, wo ich es mehr als sonst begehrt habe. Ein solcher ist die gegenwärtige heilige Zeit, heilig durch ihre religiöse Bestimmung, und heilig durch den vervielfältigten Kunstgenuß, der, gleich einer der köstlichsten Blumen, nur kurze Zeit duftet, um neuen Platz zu machen. – Hieher gehört denn auch die Ausstellung von Gemälden und andern Kunstwerken, welche von vaterländischen Künstlern produzirt worden sind; und da es Deinen Kunstsinn ergötzen wird, sie wenigstens im Wiederscheine kennen zu lernen, wenn Du ihre selbsteigne Anschauung nicht haben kannst, meine süße Freundin, so nimm das Folgende wohlgefällig auf, das nur eine individuelle Ansicht dieser Werke bescheiden entwickeln, keineswegs aber eine kunstgerechte Kritik seyn soll, welche man nur vom Meister fordern kann.
So beginne ich denn mit den Landschaften, und eröffne den anmuthigen Kreis dieser Darstellungen mit einem reizenden Stücke, welches auch Dich, sinnige Freundin, gewiß freundlich anziehen und fesseln wird. Es ist:
in Oel gemalt von Klengel. Den ersten Plan bildet eine kleine Anhöhe mit einem Felsenstücke, hinter welchem sich der Weg heraufzieht, und eine dichte Gruppe von Buschwerk. Hinter diesem hervor zieht sich auf dem zweiten Plane rechts ein schönes Gebirge von mannichfacher Schichtung bis in die Wolken; am Abhange steht eine Ruine, die mit der eines bekannten Tempels in Italien ungemein viel Aehnlichkeit hat; höher herauf liegen noch einige Gebäude, und das Haupt des Berges kränzen zierliche Büsche. Zur Linken auf dem zweiten Plane ein kleines Gewässer in der Tiefe: es ist von niedrigen Felsen umgeben, und die perspektivische Oeffnung schließt eine Wasserleitung, hinter deren Bögen ein Wasserfall [98] herabstürzt. Den dritten Plan bilden wieder schöne Gebirge, die sich perspektivisch hinter dem zur Rechten verlieren. Ueber ihnen ragt in nebelicher Ferne noch ein kahler Berg hervor.
Der Künstler hat den Moment des Morgens ergriffen, wo die Sonne nur eben über den Horizont getreten ist. Der Osten ist rein, klar und farbenlos vom nahen Glanze: die ersten Strahlen haben die leichten, flockigen Wölkchen zerstreut, die sich nach Abend über die Gebirge hindrängen, und wo sie verschwunden, spannt sich das blaue Himmelszelt luftig über die Erde hin. Das Licht fällt nur an einzelnen Stellen in das einsame romantische Thal, dessen Hintergrund noch zart verschleiert ist. Man empfindet selbst die Stille, die noch darinne herrscht: es ist die Natur in den ersten Augenblicken nach dem Erwachen: der junge Tag reibt sich die Augen, um klärer um sich zu schauen, erquickt die Glieder noch einmal durch ein gelindes Dehnen, und spricht noch einzelne abgebrochene Sylben. Die Frische des Morgens weht an seine Wangen: es scheint unten noch feucht und kühl zu seyn, während es oben einen warmen Tag verkündet. Zur Linken hat ein Hirt seine Lämmer hinabgetrieben zum Tränken: das Gewässer ruht vor ihm in unmerklicher Bewegung, erquickend und blinkend. In der Mitte kommt eine größere Heerde herauf: Lämmer und Ziegen gehen voraus, eine junge Hirtin treibt sie: sie ist leicht geschürzt und hält den Arm über die Augen, damit die Sonne sie nicht blende. Neben ihr kommt noch ein Hirt, und aus dem Gebüsche herauf drängt sich ein schönes Rind. Allen scheint der Morgen zu früh gekommen: alles ist wach, aber es ist der unendlich kurze Moment, welcher vor der völligen Munterkeit hergeht. Ruhig steht die stille Waldung: das Laubwerk glänzt in üppiger Grüne, und durch das leichte Gezweig spielt der Morgenwind: die Vegetation auf dem Berge ist reich und lieblich: die Trümmer ist mit wuchernden Zweigen behangen, das Buschwerk mannichfaltig gruppirt, hier und da blitzen Felsen heraus, und die Höhe des Berges verläuft sich sanft. Der Thalgrund zur Linken ist kenntlich, aber noch nicht klar; der Wasserfall zerfacht in einen Staubregen: ein leichter Nebel steigt von der Erde dampfend auf und zieht sich bis in den Hintergrund: dahinter und drüber erhebt sich in lieblicher Bläue das Gebirge, das mit Felsen und Büschen in der lockenden Ferne verschmilzt.
Die Sonne selbst sehen wir nicht, aber wohl ihr sanftes Thun, das die ganze Gegend erfüllt: die wenigen Menschen scheinen die lautlose Stille des Ganzen nicht zu unterbrechen; es ist, als sey die Natur in ihrer Morgenandacht begriffen, und alles schwiege, um sie nicht zu stören.
Im Beschauen verlierst Du Dich selbst mit in das anmuthige Thal, und feierst sinnend das heilige Fest darinne. Du wähnst darinne umher zu wandeln, und Dich durch die Büsche hinaufzudrängen, welchen der junge Tag die Tropfen der Nacht abküßt: legt sitzest Du oben in der bemoosten Trümmer, und verlierst Dich in mannichfaltigen, lieblichen Gedanken und Bildern, und endlich dringst Du hinan zum Gipfel, und wenn Du Dich satt geschaut an den Herrlichkeiten zu Deinen Füßen, wandelst Du still wieder heim mit süßen Empfindungen in der Brust. [101] Folge mir zu:
in Oel gemalt von Mechau. Beide Gemälde stellen zwar Ereignisse vor: indessen ist klar, daß die Gegend in beiden das Hauptwerk ist, die Figuren aber deshalb darein verwebt sind, um vielleicht dem getheilten Interesse einen Punkt zu geben, um welchen her es sich mehr konzentriren und erhöhen könne.
Das eine stellt den Cincinnatus vor, wie er in der Nähe seiner Villa von einem Acker abgeholt wird, den er eben mit seinen Rindern pflügt. Dieser Acker liegt links auf dem ersten Plane, und grenzt berganlaufend an ein schönes Gehölz; rechts größere einzelnstehende Bäume, unter welchen Vieh weidet. Der aus der Mitte des Gemäldes den Hügel heransprengende Reiter scheint dem Cincinnatus zugerufen zu haben: denn dieser feiert einen Augenblick, und sieht sich nach dem Kommenden um; weiter unten naht eine ganze Schaar römischer Männer, noch halb versteckt von dem Thale und halb von den Baumgruppen. Aus dem Gehölze blickt rechts die Villa von einer Anhöhe herab: was man dahinter sieht ist ein fernes weites Thal, von Felsen umgeben.
Die einfache Kleidung des Römers hebt sich sehr in der bunten üppigen Vegetation: das Laubwerk ist sehr mannichfaltig, die fernen, mit Büschen bekränzten Felsen überaus romantisch und pittoresk. Ein Wetter geht unschädlich über die vordern Gruppen weg, und fällt im sanften Regen am blauen Gebirge nieder. Es scheint nicht ohne Bedeutung zu seyn, so wie überhaupt der Ton der ganzen Landschaft ernst dadurch geworden ist.
Ich weiß nicht, ob der Künstler bei diesen beiden Gemälden einem andern Gemälde oder der Natur selbst gefolgt sey, kann also auch nicht entscheiden, ob die Behandlung in dieser und jener Hinsicht treu und geistreich genannt zu werden verdiene. Aber auch ohne das wird ihre Schönheit von mir anerkannt, wiewohl ich Dir nicht verschweigen kann, daß dieses Gemälde an Anmuth und Lieblichkeit doch hinter dem folgenden steht. Indessen, wenn ich die Absicht des Künstlers recht gefaßt habe, so wird dieser scheinbare Tadel nur eben von seiner Weisheit zeugen. Denn das Ereigniß mit der Umgebung in eine harmonische Beziehung zu bringen, ist nöthig, wenn man den Eindruck nicht spalten und trüben will. Dies nun ist in beiden Stücken geschehen: in dem gegenwärtigen ruht ein ernster Himmel über der Erde, der aber baldige Heiterkeit zusagt, die Bäume und Berge verhüllen fast überall so, daß der Blick sich genöthigt fühlt, zu verweilen, selten vordringen kann, und nicht fortgezogen wird in die Ferne. Denn es ist eine wichtige Begebenheit, die sich ereignet, wozu man sich sammlen muß, eine ernste Sache, die unter Männern verhandelt wird; und man könnte wohl sagen, daß sich selbst Geist und Sinn der Landschaft zu dieser Stimmung bequemt [102] haben. Dies gilt nun aber ebenfalls von der zweiten Gegend, in welcher vorgestellt ist, wie Albinus die vor den Galliern flüchtenden Vestalinnen auf den Wagen nimmt, der die Seinigen in Sicherheit bringen sollte. Die Begebenheit hat sich wahrscheinlich bei Castel Gandolfo am Lago d’Albano zugetragen.
Ich möchte dies ganze Stück weiblich nennen, so wie jenes einen mehr männlichen Charakter trug. Die ganze Natur, die Seele dieser Landschaft, ist voll ungemeiner Lieblichkeit, der Ton überaus harmonisch, und der Sinn des Zarten, Gefälligen und Anmuthigen ist nicht zu verkennen. In der Mitte des Vordergrundes erfreut uns die gutgeordnete Gruppe der weißgekleideten Jungfrauen, von denen drei bemüht sind, das heilige Geräth auf den Wagen zu bringen, den Albinus eben leert, und die übrigen sich mit der Frau des Albinus beschäftigen und ihr Kind liebkosen. Sie ruhen am Wege im Schatten der Büsche, rings um die Gruppe herum zieht sich üppige Waldung; den Vorgrund zur Linken füllen größere Bäume, den zur Rechten die bergangehende Straße: im Mittelgrunde erblickt man den See mit seinen romantischen Umgebungen, und weit darüber hin ziehen sich die blauen Nebelberge; oben spannt sich der Himmel klar und wehend aus. – Die Straße zur Rechten verliert sich zwar bald, aber man findet sie wieder am zweiten und am dritten Hügel, an deren Abhange sie sich fortwindet. Einige Reisende wird man schon fern hinter den schönen Bäumen gewahr, die mit sauberm Fleiße gearbeitet sind, und die sehnsuchtsvolle Ferne verschmilzt sanft mit dem Himmel. Die Gruppirung der Gegend, wenn ich so sagen darf, und in ihr die der Figuren ist schön geschlossen, und gleichsam in sich selbst gerundet, und ich finde blos zu tadeln, daß alles bei weitem mehr eine Lustreise zarter, bald zu ermüdender Mädchen, als eine Flucht der Vestalinnen scheint.
In Rücksicht des Sinnvollen schließe ich
an, welche blos in Sepia getuscht sind. Die eine ist die Ansicht von Arkola auf der Insel Rügen im Augenblicke, wo der Mond aus dem Schoose des Ozeans heraufsteigt. Die andre zeigt in der Mitte des Vordergrundes eine gothische Ruine, vor welcher noch ein Monument steht, im Hintergrunde das Meer. Beide Stücke sind äußerst sauber und fleißig in der Ausführung, einfach und erhaben in der Anordnung. Es ist nicht weiche Sentimentalität, die darinne herrscht, es ist düstre, aber große Empfindung, wiewohl nach meinem Gefühl in ihrer Phantasie ein Uebergewicht des Nordischen nicht zu verkennen ist. Die zweite stellt den herannahenden Morgen vor; fast könnte man es, wenn es der Absicht des Künstlers nicht gänzlich zuwider wäre, für einen herannahenden Sturm halten. Denn wiewohl dem Widerspruche, einen Morgen ohne Farben zu malen, durch die verschmolzene Scheidung der Dämmerung und des Lichtes im Voraus begegnet worden, wiewohl ein Käuzchen, das in den Ruinen still sitzt, auf die entwichene Nacht, ein fernes Schiffchen auf dem spiegelglatten Meere, und viele flatternde Vögel unter den zertheilenden Wolken aber auf den kommenden Tag deuten, so kann man die grelle Beleuchtung recht gut für das Heraufziehen eines nahm Wetters, das Flattern der scheuen Vögel für das Vorgefühl desselben, und das ruhige Schifflein auf düsterm, stillen Meere für das ungewisse Ahnen des nahen Sturmes nehmen, der nun bald ungestüm die Wolken vollends zerreißen, die Wogen brausend thürmen, das arme Schifflein an der Küste zerschellen, und nur die ehrwürdige Ruine unerschüttert stehen lassen wird. In diesem, wie in dem obengenannten Stücke, wo der Mond die Häupter der stillen Wellen leis vergoldet, die Felsen kalt und schroff in die ewige See herausstehen, herrscht eine grenzenlose Einsamkeit, eine freudenleere Verödung, die aber weder an Bitterkeit und Herbe, noch an Empfindelei und Weichherzigkeit grenzt.
Die fünf in Oel gemalten
will ich in Eins fassen, und drei zusammenstellen, dir einen mehr prosaischen, zwei, die einen mehr poetischen Sinn haben. Jene sind Meiereien und Bauerhöfe, mit lebendiger Natur und Treue dargestellt, deren leichte Aehnlichkeit durch die schöne Gruppirung der Bäume, durch die mannichfaltige Behandlung des Himmels und durch die sehr fleißige Arbeit erhöht wird. Besonders habe ich das dichte Buschwerk auf der einen, durch welches eine hölzerne Brücke zu Zeiten blickt, und den wolkenreichen Regenhimmel auf demselben Blatte gut behandelt gefunden. Von den andern beiden genannten stellt die eine eine am Ufer eines kleinen Flusses gelegene Fischerhütte dar, vor welcher unter hohen Eichen die Frau des Mannes Rückkehr erwartet, der seinen beladenen [103] Kahn emsig und eilfertig dem Ufer zustößt. Die Sonne ist untergesunken, der Abend röthet sanft den fernen Himmel, und aus den duftigen Uferweiden ragen einzelne Bauerhütten. Auf dem andern Gemälde geht ein Bauersmann mit seiner Flinte und dem Hunde munter in den Wald hinein, aus dem ein kleiner Bach unten am Wege wegrauscht; die Bäume stehen einzeln, wie sie wohl am Eingange des Gehölzes zu stehen pflegen, am fernen Horizonte scheint der Abend herauf zu ziehen.
In der Behandlung habe ich alle gleich gut, fleißig und leicht gefunden; in Lieblichkeit würden Dich die beiden letztern weit mehr anziehen, wiewohl auch ihre Erfindung mir etwas zu einfach dünkt.
Zwei ebenfalls in Oel gemalte
sind anmuthig komponirt, besonders die eine, welche sehr romantisch ist, aber der Behandlung würde ich kein sonderliches Lob ertheilen, indem beide zwar fleißig gearbeitet sind, aber doch nur in gewisser Entfernung den rechten Effekt machen. Nahe gesehen bemerkt man einen unangenehmen Schein der Farben auf beiden Blättern.
Im gleichen Falle befindet sich die Parthie von Bellevüe bei Berlin im Mondschein, in Sepia getuscht von Kleinig, die freilich für Dich, meine Freundin, ein ganz besondres Interesse haben, und flüchtig in der Ausführung recht gut fernt, wiewohl das Gewölk nicht sanft genug vertrieben ist.
Eine andre Sepiazeichnung von Hammer, welche die Ansicht von Kriebstein und Ehrenberg bei Waldheim vorstellt, ist durch[WS 1] die allzuängstliche Behandlung steif geworden.
Von dem verdienstvollen Zingg hat die Ausstellung diesmal nur zwei Stücke, Mariaschein und Millischau in Böhmen, die er mit seiner bekannten Sicherheit und Leichtigkeit behandelt hat. Seine Schüler haben Blätter geliefert, die seiner nicht unwürdig sind; besonders gilt dies von dem einen, einer Brücke mit Ruinen, und dem andern, einer gebirgigen Landschaft nach Ruisdael, beide von J. A. Richter gezeichnet. Die Kontoure sind weniger hart, und die Kolorirung gut verschmolzen.
Nicht minder verdient eine in Kreide gezeichnete Landschaft nach Wehle von Dem. Klengel erwähnt zu werden, die mit bewundernswürdigem Fleiße gearbeitet ist, und für die Zukunft viel verspricht.
Erfreulich ist es, wenn junge Künstler die großen Muster alter Meister zu ihrer Ausbildung wählen, wie dies von Aug. Retzsch geschehen, welcher den unvergleichlichen Claude Lorrain auf unsrer Gallerie, die Seeaussicht, worauf Aeis und Galathea, kopirt hat. Ein solches Meisterstück kann freilich kaum wiedergegeben werden, aber verdienstlich bleibt der Versuch immer, und er würde es noch mehr seyn, wenn die Behandlung weniger hart wäre. Ein andres Blatt von derselben Hand, welches eine Landschaft in der Abendbeleuchtung vorstellt, ist zwar besser gemalt, als die Parthie aus dem Hoflößnitzer Grunde, hat aber, nach meinem Bedünken, einen zu gelben Farbenton.
Von den drei Aussichten aus der Gegend bei Nischwitz in der Oberlausitz von Wizani d. ä., würde Dir die eine vorzüglich gefallen, welche einen See vorstellt, an welchem sich ein schöner Wald hinzieht. Das dunkle Grün der laubreichen alten Eichen giebt mit dem schönblauen Himmel einen für das Auge wohlthätigen Kontrast.
[105] Auch die von Held in Oel gemalten Blätter, eine Landschaft nach Ruisdael, und die Gegend bei der Plauenschen Mühle sind nicht zu übersehen; besonders gut habe ich das Wasser auf beiden gefunden.
Die in Oel gemalte Landschaft mit arkadischen Hirten von Klaß drängt auf einem kleinen Raume viel Anmuthiges zusammen. Die Gegend ist romantisch, die Figuren gut angebracht, und die Arbeit zu loben.
Wie die sanften Kelche des Abends den bunten Stundenkranz des Tages harmonisch und füllend schließen, so will auch ich dieser Kette von Gemälden eine Abendlandschaft als das letzte Glied anreihen, die Dich nicht weniger ansprechen würde.
Sie ist von demselben Künstler in Oel gemalt, mit dessen Muse ich Dich gleich im Anfange zu befreunden gesucht habe. Auf dem ersten Plane sehen wir links Gewässer, in der Mitte zwei hohe, schlanke Bäume, rechts steinigen, mit Stauden und Blumen durchwachsenen Vorgrund. Dahinter erhebt sich zur Rechten ein mäßiger Berg, an welchem man unten Felsengrotten gewahr wird; die gemischte Heerde, welche halb drinnen, halb davor steht, wird nicht ganz gesehen wegen des höheren Vordergrundes; den Hintergrund zur Linken füllen schöne Fernen aus, in welchen Bäume und Wohnungen zerstreut liegen.
Hier ist bei weitem nicht die vielversprechende Fülle und Mannichfaltigkeit des Morgens: es ist ruhige Auflösung, welcher die Natur entgegensieht. Die Sonne ist nur eben hinabgesunken, das Abendroth steigt unvermerkt und allmählig wachsend am Horizonte herauf, und Schweigen fängt an sich über die ganze Flur zu verbreiten. Es muß ein schöner Tag gewesen seyn, der verflossene, und die kühle Dämmerung muß wohlthun auf die warmen Stunden der Arbeit. Ein Hirt sitzt ziemlich müde und verdrossen am Berge, seine Ziegen und Rinder mögen nicht mehr grasen und nicht mehr gehen, ein Esel streckt mit drolliger Faulheit den langen Hals aus der Felsengrotte, vor welcher ein zweiter mit eben so klassischem Phlegma steht. – Das üppiggrüne Laubwerk ist gedämpft, und die Zweige scheinen sich nur gelinde in der Abendluft zu rühren. Im Gewässer spiegelt sich anmuthig das Abendroth und das schilfbewachsene Ufer; oben beginnt der Himmel kaum merkbar zu dunkeln: kurz, die Natur rückt die großen Glieder zum süßen Schlummer zurecht, und alles ist friedliche Ruhe, alles verkündet harmonische Auflösung, mit welcher Du schauend den eignen Sinn zu verschmelzen wähnst.
Möge es mir gelungen seyn, meine Freundinn, Dir von dem einem und dem andern ein klares Bild gegeben zu haben, und könntest Du sie lieber selbst schauen, um mein Urtheil mit den Gegenständen zu vergleichen; denn ich fürchte, daß es nur für den, der sie sah, einige [106] Bedeutung haben kann und wünsche einzig, daß sie es doch auch haben möge.
[107]
Freundlich umfängt mich der Saal, es hat die Kunst mit den Blüthen,
Mit den Früchten des Jahrs heiter die Wände geschmückt;
Knospen und Blätter finden sich auch, den Kranz zu vollenden.
Wie hier in bunten Verein vielfaches Leben sich drängt!
Nicht der Luxus der Großen, es hat die Wahl nicht des Kenners
Seltene Schätze der Kunst voriger Zeiten gehäuft.
Werke strebender Jünger, der Meister unserer Mitwelt,
Stellen schüchtern und stolz hier unserm Auge sich dar.
Drängend füllt sich der Raum mit schauenden Kennern und Laien.
Dieser tadelt, der lobt, jeder nach Launen und Lust:
Mancher schweiget bedächtig, es rufen die heitern Bilder
Wohl ein ernsteres Wort, leis’ und bedeutend, ihm zu.
Wie der erwachende Trieb der Kindheit fröhlich sich übet,
Wie die üppige Kraft sprossend im Jüngling sich zeigt! –
Maas geziemet dem Mann, es reift vollendete Bildung,
Wo sich lebendiger Geist ruhigem Urteil vereint.
Und so erblickst du auch hier des Schüler’s rohe Versuche,
Neben des Meister’s der Kunst schönen Gebilden gestellt.
Noch ist ruhmlos der Jünger, der seine Erstlinge darbringt,
Aber gefeiert und groß schallt einst sein Name vielleicht.
Schonend ehre darum im Keim schon die künftige Blüthe,
Daß dein Tadel sie nicht, rauh wie der Nordwind, zerstört.
Jenen treffe es hart, der lang auf betretenem Pfade,
Frech entweihend die Kunst, falschen Manieren nur fröhnt.
Laßt uns ruhig beschauen, das Treffliche wie das Geringe,
Gütige Nachsicht sey dem, jenem Bewundrung gezollt.
Die Flucht der Vestalinnen, gemalt von Mechau.
Siehe voriges Stück.
Roma umstürmet der Krieg, die rauhen Gallier wüthen.
Jeder sinnet auf Flucht, herben Geschick zu entgehn.
Fort auf die Straße nun zieht mit schüchternen Kindern die Mutter:
Jammergeschrei erschallt, Noth und Verwirrung bedrängt.
Seine Laren verließ auch Albin, die Gattin, den Säugling
Und das beßre Geräth rettend auf schnellen Gespann.
Hastig treibt er die Stiere und schaut nach hinten gewendet,
Ob der wilde Soldat gierig dem Flüchtigen folgt.
„Welche Gestalten fliehen herbei im schimmernden Kleide
„Trieb das Getöse des Kriegs Manen vom ruhigen Ort? –
„Götter stehet uns bei! Es sind die Jungfraun der Vesta,
„Die von des Tempels Altar tobender Lärmen verscheucht.
„Ach, schon ermattet der Fuß, verlassen sinken sie nieder,
„Bald ereilt sie der Tod, oder ein schmachvoll Geschick.
„Steiget, Geliebte, herab: Ich werfe das Gut von dem Wagen,
„Dieser geräumige Sitz nehme die Heiligen auf.
„Hier in der Bäume Umschattung, am kühlen Brunnen erquickt euch.
„Edle Jungfrau’n, euch ist Rettung und Hülfe genaht!
„Aber euch schirme indeß, ihr Meinen, ein Gott des Erbarmens,
„Bis nach vollendeter That, frohe Begegnung beglückt!
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Schöner, heitrer Natur, die schöne That zu vermählen,
Dachte der Künstler, und so schuf er dies treffliche Bild.
Ferne schimmert der See, es lacht Italischer Himmel,
Und das Neblegebirg steiget im Osten empor.
Hohn Kastanien-Schatten gewährt den Fliehenden Obdach,
Auf dem dunkelnden Grün glänzt der Vestale Gewand.
Eine koset den Säugling, indeß der wackere Vater
Eilig des Wagens Geschäft endet mit rüstigem Arm.
Wohl gelungen ist Dir’s, Dein Bild ist die Freude des Kenners,
Und es verweilet dabei jeder Empfindende gern. L.
[109] Zu jenem Kranze, meine geliebte Freundinn, den ich als ein noch ungeübter Gärtner auf diesen Blumenbeeten der Kunst ordnend zu flechten versucht, haben sich noch einige Spätblumen gefunden, die ich Dir weihend hier öffentlich niederlege. Ich meine damit zwei Landschaften von Friedrich[1], mit dessen gut gedichteten und gedachten Gemälden ich Dich oben zu befreunden gesucht habe. Du lerntest dort seinen Geist unter düstern Umgebungen kennen, und sollst ihn hier nun auch unter heitern und gefälligern schauen; aber wähne nicht, daß der erhabne Ernst von ihm gewichen ist. Hier wie dort offenbart er sich in Einfalt und Größe, und nur das freundliche Licht des Tages hat ihn verklärt. Beide Blätter sind in seiner gewohnten Manier, und geben die Ansicht von schwedischen Seeufern. Der Norden hat ihn nun einmal mit ernster Beständigkeit gefesselt, und den erhabenen Anblick des Oceans will er nicht missen. Das eine Blatt, auf welchem ein dunkler Vordergrund, hat wir weniger gefallen, als das zweite: wiewohl ein Hirt nachdenklich auf seinen Stock gestützt steht, und rechts eine kleine reichbebuschte Anhöhe sich erhebt, so dünkt mich dieser Vordergrund doch gar zu leer, zumal da man dahinter nichts sieht, als das glatte Meer, und die schmale helle Zunge vom Kreidefelsen, die sich in die See hinausstreckt. Der Himmel ist mit außerordentlicher Leichtigkeit und Lebendigkeit behandelt, und die Abstufungen des Tons kontrastiren allenthalben gut. Weit mehr hat sich mein Auge an dem zweiten geweidet: hinter einem niedrigen Vordergrunde verlaufen sich rechts himmelanstrebende nackte Felsen in die Ferne, zur Linken spiegelt sich wieder das Meer. Ganz im Vordergrunde und fast im Mittelpunkte des Gemäldes sitzt eine Figur, einsam und verloren, und schaut mit einem Fernrohre weit in die todte See hinaus. Die Vegetation der Felsen ist unglaublich arm, und deshalb war es um so schwerer, die weißen kahlen Massen gut anzubringen. Der dunklere Himmel und das düstre stille Meer, das in gelinden Wellen an die Küste spült, haben auch hier den Kontrast gefördert, und je länger man vor dem Gemälde steht, je stiller wird es um uns, bis man am Ende das leise Rauschen der Wellen zu vernehmen glaubt, und das Verlangen theilt mit der Figur, die so unabläßig in das Weltmeer hinaus blickt.
Wir wenden uns jetzt von dem Kreise der Landschaften zu den historischen Gemälden und Portraits, zuerst zu
gemalt von Hr. v Kügelchen.
[113] Nicht achtend des treffenden Bogens und der zauberischen Lyra, fern von seinem spruchreichen Delos, lebte einst Apoll an den herrlichen Gestaden des Eurotas bey seinem Liebling Hyacinth und erging sich, diesem zu Liebe in Jagd und mancherlei Uebung, die er sonst verschmähte. An einem schönen, sonnigen Tage waren sie auch beisammen, und begannen den Kampf mit dem Diskus. Apoll warf ihn mit göttlicher Gewalt hoch in die Lüfte, und glühend von der Begierde des Spiels eilte Hyacinth heran, um ihn aufzuheben, aber da prallte er von dem harten Boden zurück und traf unglücklich das theure, geliebte Haupt.
Da erblaßte mit Einmal
So wie der Knabe, der Gott. Die wankenden Glieder emfängt er;
Und bald wärmet er dich und trocknet die klägliche Wunde
Bald dann leget er Kraut, die entfliehende Seele zu halten.
Nichts ach frommet die Kunst; unheilbar blutet die Wunde,
Wie wenn einer Violen und Mohn im gewässerten Garten
Oder die Lilie knickt auf hellgrün prangendem Stengel,
Wie dann plötzlich verwelkt ihr lastendes Haupt sie herabneigt,
Und nicht länger sich hält, und erdwärts schaut mit dem Gipfel:
Also hängt das Gesicht, das sterbende, welk und entkräftet
Ist sich selbst der Nacken zur Last und ruht auf der Achsel.
Voß nach Ovid.
Der Gott unterlag dem gewaltigern Willen des Schicksals; denn
Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.
Schillers Nänie.
Er erweckte, erzählt die sinnreiche Mythe seinen Geliebten, indem er aus dem Blute, das er vergossen hatte, die Hyacinthe aufblühen und jeden werdenden Frühling sein Andenken erneuern ließ. – Auch die Spartaner begingen dem gefeierten Knaben zu Ehren ein jährliches Fest.
Dieß war der Stoff, welchen Ovid und andere dem Künstler darboten. Lassen Sie uns sehen, was er damit gethan, welchen Moment er sich für sein Bild gewählt hat. Stellen wir uns, die Handlung kennend, davor hin, so fallen uns unwiderstehlich die Ideen ein: Apoll hat den Diskus geworfen, er ist niedergefallen und hat zurückprallend das Haupt des herzueilenden Knabens getroffen. Der Gott sah ihn wanken, eilte vom Kampfe erhitzt, jeden Muskel glühend und angespannt, hinzu, faßte ihn unter die Arme und sank auf ein danebenstehendes Felsstück. Mit sehnsüchtiger Liebe, voll Begier gleich die leiseste Regung wiederkehrenden, frischen Lebens zu erhaschen und den hinwelkenden Knaben wieder zu erwecken, sieht er ihm mit starren Blick in das verlöschende Auge und strebt die flüchtige Seele zu halten. – Hieraus erhellt, daß der Künstler den Moment seines Bildes verständig in einen frühern Augenblick versetzt hat, als der ist, welchen der erwähnte Dichter in seinem Gemälde wortreich heraus hob – in einem Augenblick, der ihm das schwierige Problem aufgab, einen ausgebildeten, schon in der Antike gegebnen idealischen Götterkörper neben einen jugendlichen, menschlichen zu stellen, dessen reiche Kraft und Schönheit dahin schwindet und erblaßt. Vortrefflich ist dazu auch die gewählte Stellung, die das Auge des Beschauers durch die schönsten Theile des nackten Menschenkörpers ergötzt. Apoll, den Oberleib etwas gebogen, den Kopf starr vorgebeugt, umfaßt mit beiden Händen seinen Liebling, der vor ihm auf die Knie gesunken ist. Hyacinths linker Arm hängt erstarrt an der Seite herab, der rechte ruht auf der linken Schulter des Gottes und das braun umlockte Haupt, an dessen rechter Schläfe man die blutigen Spuren des Wurfs sieht, ist nach der linken Schulter zu, zurückgebogen; sein braunes Gewand ist zu seinen Füßen gesunken, so wie Apoll, dessen blondlockiges Haupt von einer weißen Binde gehalten wird, seinen herrlichen, in der Färbung wahrhaft göttlichen Purpurmantel, sammt dem goldnen Köcher noch auf den Schultern hängen hat. Hinter letztern links grünt ein Lorbeerbaum und rechts verliert sich der Blick in eine Landschaft, die wenig sichtbar, bedeutsam mit einem düstern Gewölk umgeben ist. Vor der Gruppe liegt in der Mitte des Bildes der Diskus, und rechts sehn wir das anmuthige Denkmal des Hyacinths empor wachsen. So ist das Ganze, auch ohne die Mythe zu wissen und zu berücksichtigen, geschlossen, und jeder Blick, den ein lebendiger Sinn, ein empfindendes Herz und reges Gefühl für das Schöne darauf richtet, erkennt und fühlt sogleich den Gegenstand in lebendiger Fülle und spricht ein Urtheil aus, wie wir es von zwei Beschauern hörten, die jene Eigenschaften zur Betrachtung des Bildes brachten: „Sieh, wie der Jüngling hier stirbt“ „und jener um ihn besorgt ist.“
Die ganze Idee des Bildes, die wir auseinandergesetzt haben, so wie die einzelnen Theile der Ausführung, [114] Anordnung, Zeichnung, Kolorit, Drapperie, Ausdruck geben uns deutlich den denkenden Künstler zu erkennen. Und würfe uns jemand ein, daß z. B. das Fleisch des Apollo zu glühend gehalten, die Muskulatur zu kräftig und ringerartig hervorgehoben sey, so verweisen wir auf den oben entwickelten Moment des Bildes und gestehen, daß wir uns den Körper des Apolls, wie ihn uns das Alterthum in dem schönsten Reste hinterlassen hat, kaum anders vorzustellen wissen. Und wie beleidigend blaß würde der Leib des Erblichenen aussehen müssen, wenn der Apoll blässer gehalten wäre, um wie viel leiser würde der herrliche Contrast, der das Bild so ansprechend und lebendig macht, hervor getreten seyn? – Und heißt die Kunst nicht schön? Soll sie nichts als getreue Kopie der Natur seyn? –
Zudem müssen wir noch bekennen, daß uns jetzt, wo die Künstler so äußerst selten Gelegenheit haben, schöne bloße Körper zu sehen und die Kenntniß des Nackten – die Seele der griechischen und aller Kunst – fast ganz untergegangen ist, ein Bild doppelt schätzenswerth seyn muß, welches das wahre Verständniß desselben so deutlich ausspricht und einen gebildeten Geist ankündigt, der entfernt von den plastischgezierten Stellungen und antiken Drapperien der Franzosen, so wie von dem unbedeutenden Ausdruck ihrer Bilder, lebenswarm und mit deutscher Kraft seinen Gegenstand aufzufassen weiß, und dem wahren ernsten Ziele seiner Kunst nacheifert.
[115]
Die engen Grenzen unsers Blattes hielten uns ab, bei der Anzeige des Gemäldes im vorigen Stück noch der achtenden Keuschheit zu gedenken, die dem neuern Künstler, der Gegenstände aus den Göttergeschichten des Alterthums darstellen will, nöthig ist, wenn er nicht oft mit rauher Hand die heilige, sinnvolle Bedeutsamkeit zertrümmern will, die dem gefühlvollen Gemüthe aus ihnen begeisternd entgegenstrahlt. Unsre Leser werden uns gewiß beistimmen, wenn wir auch dieses unerläßliche Erforderniß in jenem Gemälde erkannt und erfüllt finden. Wir treten also gleich zu dem Gemälde des Hrn. Pochmann.
Die Geschichte, daß die jungfräuliche Diana, die nur zu den rauheren Uebungen der Jagd Lust und Liebe hatte, und mit ihrem Nymphengefolge in Waldgebirgen umherstreifte, endlich von dem Anblicke des schönen Endymions gerührt wurde, ist bekannt; so wie jeder weiß, daß die keusche Göttin noch oft den Schlummer über seine Augenlieder breitete und seinetwegen von ihrem nächtlichen Wagen herabstieg. Auf alten Marmorsärgen finden wir mehrmals die Vorstellung dieser sinnreichen Mythe. Hr. Pochmann läßt den Endymion unter einem Baume dem Beschauer fast gerade gegenüber schlummern. Ein Schäferstab ruht in seiner Rechten, ein Hund liegt vor ihm. Von der rechten Seite naht Diana, legt ihre rechte Hand um seine Schulter und bewegt die linke gegen das Kinn; aus dunklem Gesträuche grinzt auf der linken Seite eine Faungestalt. Jedem, dem, was ich oben erwähnte, der zarte Sinn der Göttergeschichten werth ist, wird diese Behandlung wehe thun, und das Auge, das sich an der keuschen Grazie des Alterthums ergötzt, wird sich abwenden. Anstatt, daß wir die Diana hätten sehen mögen, wie sie glücklich in bewundernder Anschauung vor dem geliebten Jünglinge steht, sehen wir sie mit blinzelnden unjungfräulichen Blicke, der allenfalls einen lüsternen röm. Elegiendichter bezaubern kann, nach den Endymion hingekehrt. Ihr Oberkörper ist gegen ihren Geliebten gebogen, der rechte Fuß steht auf, der linke ist noch nicht niedergesetzt und hinter ihnen dampft Gewölk. Unmöglich kann man in dieser Darstellung die keusche Diana erkennen; man sieht nichts als eine Dirne, die ihren Geliebten auf den Raub küssen will, und einen Jüngling, der nur scheinbar zu schlummern und den entgegenkommenden Kuß der Göttin voraus zu fühlen scheint. Zu dieser Unzufriedenheit träge noch das schwarze in einen Bausch aufgebundene Haar, und das zwischen den Füßen und über die rechte Schulter unstatthaft flatternde und auf dem gelblich grünen Unterkleide beleidigende violette Gewand nicht wenig bei. Und was soll man zu dem grünen Bändchen sagen, das statt eines antiken Schmuckes um die Füße gewunden ist? Was zu dem Faun, der durch das Gesträuch fletscht? [117] Ein Glück, daß die Diana nicht mehr die Macht übt, die sie einst an Aktäon, dem freventlichen Verletzer ihrer jungfräulichen Keuschheit übte!
Mit dieser mangelhaften Erfindung hätte uns der Künstler einigermaßen durch eine vollendete mechanische Behandlung des Bildes aussöhnen können, aber auch hier verläßt er uns. Die Umrisse snd nicht bestimmt genug, das Fleisch zu leblos und unkräftig, die Formen nicht edel und der Ausdruck des Ganzen zurückstoßend; das Spiel der Farben ist nicht harmonisch, und das schwarze Haar der Göttin macht in dem Bilde einen widrigen Fleck. – Es schmerzt uns über dieses Produkt des Hrn. Pochmann, in dem wir jedoch eine fertige Gewandtheit des Pinsels anerkennen, kein andres Urtheil sprechen zu können, da wir sonst für seine anerkannten Verdienste die aufrichtigste Hochachtung haben. Und um ihn selbst davon zu überzeugen, daß wir nicht unüberlegt und partheiisch abgesprochen haben, deuteten wir unsre Meinung über sein Bild etwas ausführlicher an.
Das Süjet ist aus dem 28sten Kapitel des ersten Buchs Samuelis genommen, und dort mit anziehender Einfachheit und ergreifender Kraft erzählt. Der Moment ist: wie auf die Beschwörungen der Hexe von Endor Samuels Geist erschienen, und Saul erschreckt auf sein Angesicht gefallen ist. Wir hätten gewünscht, daß sich der Künstler mehr an die schriftliche Darstellung gehalten hätte. So würde es nach unserm Bedünken besser gewesen seyn, wenn der von oben herabfallende Lichtstrahl anders motivirt und es bestimmter angedeutet worden wäre, daß der Geist von unten heraufgekommen sey, so wie wir glauben, daß es die Wirkung des Bildes verstärkt haben würde, wenn Samuel nach der Schrift ein glänzendes, seidnes Gewand bekommen hätte. Daß Saul seitwärts, gleichsam aus dem Bilde herausfällt, und nicht vorwärts auf sein Angesicht (wie es seyn müßte, wenn wir annehmen, daß sein Blick auf den Geist gerichtet war) läßt sich nicht anders erklären, als daß Saul über die Erscheinung erschrocken, im Fliehen niedersank. Aber was hat der Bedeutsamkeit des Bildes so viel Abbruch gethan, daß es unser Gemüth so wenig anregt und ergreift? – Wir meinen, daß der Künstler, außer andern Ursachen, vorzüglich dadurch die Wirkung seines Bildes aufhob, daß er unserm Auge die Hauptgestalt desselben, den Saul entzog, und statt dessen den Geist den Haupttheil des Gemäldes einnehmen ließ. Lobenswerth finden wir in dem Bilde die Drapperie, welche der Künstler nach einer guten Schule studirt hat.
Wir haben noch mehrere Beschreibungen antiker Kunstwerke und auch neuere Gemälde, wo eine Hauptempfindung, die sich darin ausspricht, unter mehrere Personen vertheilt ist. Ohne Zweifel gedachte auch hier Hr. Prof. Schubert die Empfindung des Schmerzes über den Tod des sterbenden Adams in verschiednen Abstufungen nach Alter und Geschlecht darzustellen, aber wir müssen bekennen, daß die Ausführung diesem lobenswerthen Ziele nicht beigekommen ist. Das Ganze ist nicht organisch gedacht, und daher fehlt es der Gruppirung an Einheit, Leben und wahrem Zusammenhang. Die nebeneinander gelegten Figuren, die herabhängenden Füße beleidigen das Auge, und Zeichnung und Colorit entsprechen der Erwartung nicht, wozu die verzögerte Anschauung des Bildes die Kunstfreunde zu berechtigen schien.
Sehnsucht.
Der Jüngling jagt durch die Felsenkluft,
Ihm brennen die Lippen, die Wangen,
Und rastlos sucht er, und schaut, und ruft,
Kein Wesen enthüllt sein Verlangen.
Die Echo giebt ihm sein Wort zurück,
Doch flieht er ihr leeres Gewimmer;
Die Ferne tritt nicht vor seinen Blick,
Und hört den Bittenden nimmer!
Er nimmt die Laute mit leiser Hand,
Sein Busen wird weiter und freier,
Und Himmelstöne, ihm unbekannt,
Entlockt er der zitternden Leier.
Und nicht mehr schweifet der Blick so wild,
Die Qualen des Tiefsten entweichen:
Er schaut der Fernen verklärtes Bild –
Nur kann er sie hier nicht erreichen.
O. H. Gr. v. Loeben.

Ein gesunder, herrlicher Bube von 8–10 Jahren sitzt schlummernd auf einem schlafenden Tiger, überhangen von Reben und Epheugewinden. Das schalkische, heitre Köpfchen ist auf die rechte Hand gestemmt, und die blonden Locken quellen anmuthig hindurch. Es ist Bacchus, Bacchus der erfreuende, segenspendende, der durch die Gewalt einer zarten, verklärten Sinnlichkeit die rohe Wildheit bändigt und sänftigt, die düstern Sorgen verscheucht, und, wie Weinranken, die Freude durch das dürre Geländer des Lebens zieht. – Gewiß hat ihn der Künstler in diesem reizenden Charakter, den uns das Alterthum von ihm giebt, gedacht; denn wir fühlen entzückt die Zaubermacht, welche der unschuldigreizende Blick, selbst durch die geschloßnen Augenlieder auf uns macht. Um so lieber hätten wir es gesehen, wenn er uns nicht beide Gestalten schlafend, sondern z. B. den Tiger so dargestellt hätte, daß er den schlummernden Knaben zuschmeichelte, vielleicht selbst die Füße leckte. Diese Vorstellung hätte die gewaltigste Bändigung des wildesten Thieres ausgesprochen, und das Bild würde gewiß bei weitem lebendiger, bedeutsamer, ergreifender geworden seyn.
Ein braungelockter Jüngling sitzt einsam, die Füße seitwärts vor sich hingestreckt, an einem schattigen Orte, und horcht den Tönen, welche die Lyra, aus einfachen Stäben zusammengebunden, von seiner linken Hand gehalten und mit der rechten gerührt, ihm zulispelt. In dem schöngeformten, auf den Beschauer zugewandten Kopfe sehen wir deutlich die rege, lauschende Aufmerksamkeit. Aber wäre es nicht schicklicher gewesen, den aus dem Bilde herausgehenden Blick auf die Lyra zu richten? Nach unserer Meinung hätte dann der Ausdruck, weit zarterer, unschuldiger und liebenswürdiger, den Schein verdrängt, als rechnete der Jüngling auf den Beifall der Zuhörer, als spiele er mit um ihrentwillen.
Was die Zeichnung und das Kolorit betrifft, so ist freilich noch mancherlei auszusetzen, und scheint selbst bei dem Bacchus eine Folge der flüchtigen Ausarbeitung zu seyn; doch haben wir das innigste Vertrauen zu dem jungen, strebenden Talent, was schon früh an den reizenden, zarten Allegorien des Alterthums das Gefühl und den Geschmack bildet, und – was besonders das Kolorit dieser Bilder, verglichen mit denen der vorhergehenden Ausstellung zeigt – eignen, reichen Kräften und der Natur vertrauend einen eignen Weg zur Vervollkommnung einschlägt. Bleibt es unabläßig der Kunst treu, so werden gewiß alle die schönen Hoffnungen erfüllt, die wir uns erfreut von ihm machen dürfen!
[120]
Was wir eben im Allgemeinen über die Bilder des vorhergehenden Künstlers gesagt haben, gilt auch von dem, was dieser junge Maler ausgestellt hat. Der Ausdruck in dem Gesicht des Amor-Jünglings ist freilich zu unbedeutend, und Zeichnung und Kolorit noch mangelhaft, aber aus dem Ganzen spricht viel Talent, reiner Sinn für Schönheit und Anmuth, und ein rühmliches Streben nach Vervollkommnung. Fleißige Uebung, sorgfältige Anschauung der schönen, lehrenden Natur, und fortgesetztes Studium alter Kunstwerke werden den muthigen Jugendschritt zum Ziele fördern.
Jeder, der das Wesen der verschiednen Künste kennt, stimmt uns darin bei, daß die Mythe: wie der liebende Zeus als goldner Regen der schönen Danae genießt, schlechterdings nicht für die malerische Darstellung passe. Das Bild ist also schon in der Idee verfehlt, und der Künstler hätte, wenn es ihm um einen schönen, nackten weiblichen Körper, im Geschmack der Titianschen zu thun war, ein weit geschickteres Süjet wählen können. Wir vermissen übrigens, was nach unserm Bedünken bei Bildern der Art unerläßlich ist, ein schönes Ideal, besonders in dem Gesichte der Danae, und das braune Kolorit des Amor muß nebst dem sonderbaren Pas, womit er zu ihren Füßen steht, jedem an reine Schönheit gewöhnten Auge mißfallen.
Die Idee dieses Bildes ist ebenfalls ein Mißgriff und gehört in das Gebiet der Poesie, nicht der Malerei. Ueberdem trifft die Erfindung, die sich der Künstler zueignet, sonderbar genug fast ganz mit einem Bilde von van Dyk zusammen, wovon wir den Kupferstich gesehen haben. Und wie läßt es sich entschuldigen, daß der Greis Saturn und der Knabe Amor gleiches Kolorit im Fleisch haben?
Von dieser Betrachtung der vorzüglichern historischen Gemälde wenden wir uns zu den Portraits. Wer, der Graffs und Grassis Namen kennt, könnte fragen, zu welchen zuerst? Die vier in Oel gemalten Bilder des letztern zeigen insgesammt die Weichheit, Lieblichkeit und Anmuth, die als lobenswürdige Eigenthümlichkeiten dieses Meisters schon bekannt sind; einen sanften Lebensathem, der uns freundlich anzieht. Am wenigsten genügt unsrer Ansicht das Bildniß des D. Gall. Er ist vorgestellt, wie er mit nachdenklichem zur Erde gesenkten Blick neben einem Tische steht, worauf wir die Symbole seines Hauptstudiums, einige Vogelschädel, eine Büste, und auf einem Blatte Papier den Aufriß eines Menschenschädels erblicken. Wir suchen in dem Ausdrucke des Gesichts, das hier eine freundliche Gutmüthigkeit andeutet, den etwas spöttelnden Zug, der in Galls Mienen lag, und die schlauen, funkelnden Augen, mit einem Worte den wahren Charakter des Originals, der sich im Leben so deutlich ausdrückte, vergebens. Und sollte das Bild nicht an Wirkung und Sprache gewonnen haben, wenn der Künstler, statt Galln mit übereinandergeschlagenen Armen und zur Erde gesenktem Kopfe vorzustellen, ihm selbst einen Schädel in die Hand gegeben und den nachdenklichen Blick darauf gerichtet hätte? Was übrigens die Arbeit selbst an dem Bilde betrifft, so hat sie die obengenannten Eigenschaften der Grassischen Werke mit den andern Bildnissen gemein, und nur die hervortretende, frische Lebendigkeit der Bilder des wackern Schweizers Graff kann ihrem anmuthigen Glanze Abbruch thun. Wir sehen von diesem diesmal ebenfalls 4 Portraits in Oel gemalt. Besonders anziehend ist sein eignes. Die Brille auf der Nase, schaut es uns offen und edel entgegen, und in jedem treuen Zuge erkennen wir den achtungswürdigen Charakter des Künstlers und seiner Werke, Biederkeit und Offenherzigkeit, sinnigen, rastlosen Fleiß und geistvolles Auffassen der Wirklichkeit. Nächst diesen verdient das Bild eines Offiziers in Lebensgröße vorzügliche Aufmerksamkeit. Kunstvoll und überlegt läßt er einen Sonnenstrahl auf die rechte Seite des Gesichts fallen, und macht, daß es in wundersamer Lebendigkeit auf uns zutritt. Sollten wir vielleicht nicht ganz mit dem Kolorit in dem Bilde zufrieden seyn, so wird ein Blick auf das eigne Portrait des Künstlers jeden Tadel sogleich zum Schweigen bringen. Die Brille, die er sich zugegeben hat, flößt uns vielmehr für das, was wir sehen, die innigste Achtung und Dankbarkeit ein, und, indem wir froh an das lebensvolle Farbenspiel seiner früheren Werke gedenken, wünschen wir ihm zu seiner lobenswerthen Thätigkeit noch das beste Geschenk der Götter: reiche, dauernde Fülle von Gesundheit!
Die Gruppe von drei portraitirten Figuren in Oel [121] gemalt von dem Prof. Tischbein ist in der unkräftigen Manier, die der Künstler seit einigen Jahren angenommen zu haben scheint, und die so sehr gegen die Energie seiner frühern Portraite absticht. Sonderbar fällt der nur im höchsten Sonnenlicht mögliche Schlagschatten von den Kirschen auf, die ein kleiner Knabe in der Hand hält. Das Kind hat dadurch einen Schmuzfleck aufs Knie bekommen. Vorzüglich zu tadeln sind die grünen Tinten, die wir am stärksten an dem Brustbilde der Erbprinzessin von Weimar aufgetragen finden. An diesem letztern fallen auch die Spitzen an der linken Brust auf, die unanständig herausgerissen zu seyn scheinen.
Aus den Kinderportraits des Hrn. Vogel, Mitgl. d. Akademie, sieht man allerdings, daß er den raschen, lieben Kinderblick und überhaupt den ganzen freundlichen, lebendigen Charakter dieses Alters mit Gefühl aufzufassen und darzustellen weiß; aber in Rücksicht der Ausführung ist manches zu wünschen übrig. Die Umrisse snd zu schwankend und unbestimmt, und die Farben zu unrein, wie mit einem Nebel überzogen, welches wir auch ganz besonders an einer historischen Komposition desselben Meisters wahrnehmen.
Der Künstler und die Schnitterin.
S. Wer der schlanke Jüngling,
der im wallenden Thal
durch der Felsen Steilpfad
mühsam klettert?
Schmiegend bewegen seine zarten,
lieblichen Glieder sich;
durchs luftige Ringelhaar
blickt das lose Auge,
wie durch Wolkengekraus
äugelnd der Mond sieht.
K. Lebendige, grünenden Fluren,
euch hab’ ich im stillen Grund
treuen Herzens bewahrt.
Fühlend redet das rege Bret!
O! Dank, euch Götter,
daß ihr die Kunst verlieht,
eure schönste Gabe.
S. Wenn er heraufstieg’
aus der bergenden Tiefe
der Zarte, daß ich mich satt säh’
am schlanken Leib’
am klaren Blick!
Gern reicht’ ich ihm, gern
die letzte Labe des Steinkrugs,
gern die dürftige Vesper.
K. Wie alles lebt und webt,
glückliche Mutter Natur!
Ueberall ist dein blühendes Haus,
deine zarte Jugend
regt sich überall
in voller Lust.
Noch räuschelt die Saat,
bald geht sie zum Menschen
ins todte Haus;
aber, ewigsäugende Natur,
ewig ziehst du frische
blühende Kinder!
S. O! wie glücklich bin ich!
hinter dem Strauch, den roth
fliehender Sonnenglanz malt,
seh ich ihn kommen.
Seh ich recht, seh ich nicht?
Soll ich warten, soll ich fliehn?
K. Heiß floh der Tag,
Frischung lechzt der dürre Mund,
ich steig’ hinauf zur Schnitterin,
Wo die Natur blüht,
wohnet der gute Mensch!
Willkommen, Liebe,
reich’ mir den Labekrug
daß ich Kühlung nehme,
Seelenerquickung.
S. Wie die Stirn dir glüht,
armer, junger Mann!
Hier auf der vollen Garbe,
die ich mühsam band,
setze dich, Fremdling,
neben den Kränzen.
K. O ich ertrag’ es nicht?
das drängende Glück!
Ein Gott seh’ ich die Opfer
rings mich umduften;
Heben, die mir den Nektar reicht!
S. Wie mir das Herz pocht,
wenn er spricht!
K. Holdiges Mädchen,
o, wem wandst du
ordnend den Blumenschmuck?
Ach, er ist glücklich!
S. Ach ich habe keinen,
dem ich sie brächte
von Herzen,
der zum schlagenden Herzen
sie wiedernähm’.
Meines Bruders vollen Knaben
sind sie zum Garbenspiel,
daß die rothe Wange lächle,
der kleine Fuß hüpfe!
K. Wie es mich tief ergreift
und das Herz anweht!
Ihr Götter, was ist mir?
Ist es Furcht, ist es – ?
S. Was ist dir, fremder Mann,
siehst starr auf die Stoppeln hin,
mich nicht an?
Hast du die Erde nicht lieb,
hab’ ich dir Leides gethan,
wohl, so reich ich die treue Hand!
K. Freundlich Geschick!
Aus weitem Felsengeklüft
blüht das Veilchen auf,
mir das zarte Glück,
der Liebe Morgenrose!
O wär’ das Mädchen mein! –
Wer bist du, gutes Kind,
wer, die dich zeugten?
S. Ach sie sind lang entflohn!
Wohin, kann ich nicht sagen,
Jetzt ist mein Vater die Freude
und meine Mutter die Hoffnung.
Arm dien’ ich dem Nachbar,
aber reich wär’ ich
könnte ich dir dienen,
lächelnder, herziger Mann!
K. Komm an die warme Brust
Holde, zum vollen Arm,
komm in das Schattenhaus
wo ich wohne, einsam wohne.
Theile die spärliche Frucht,
theile die ganze Lust,
theile mein Leben!
S. Gern folg’ ich zur Hütte dir,
wo du wohnest, ist Morgen,
wo du wohnest, blüht Segen,
gleich den Blumen hervor.
Komm, komm eilig dahin!
Leb’ wohl, wallendes Feld,
wo ich nicht glücklich war!
Deine Freuden sind gemäht,
aber mir drängt sich
knospend die schönste Frucht!
Z.
[125] Ein weibliches Portrait in Oel gemalt vom Hr. Pochmann ist mit dem, was wir voriges Jahr von seiner Hand gesehen haben, nicht zu vergleichen; besonders fällt die Drapperie des Kleides auf. Aber am meisten täuschten wir uns bei einer in Oel gemalten Dame, gante Figur, vom Hr. Rath Guttenbrun. Wir würden ihm die Mangelhaftigkeit der Zeichnung und Drapperie und die gespreizte, widrige Stellung der Figur nicht vergeben können, wenn uns nicht ein Paar Copien berühmter Correggio’s besser befriedigt hätten. Doch blendete auch bei diesen der spiegelnde Firniß, den er seinen Gemälden zu geben gewohnt ist, nicht so, daß man die Mängel derselben nicht bemerkt hätte. Desto froher traten wir zu den Miniaturgemälden der Mad. Seydelmann. Je seltner es ist, daß es eine Frau in der Kunst zu etwas Lobenswerthen bringt, desto dankbarer müssen wir das Bessere von ihren Händen aufnehmen. Diese beiden Kopien sind gewiß sehr vorzüglich, mit Liebe und gefühlvoller Andacht ausgeführt und in einer edlen Manier, mit bestimmten Umrissen und breiten Flächen gemalt. Besonders gefällt uns die heil. Cäcilia. Der keusche Joseph nach Cignani steht diesem in soweit nach, in so fern das Original selbst jenem des Domenichino nachsteht; denn die grünen Tinten, die uns darin unlieb sind, scheinen nur Folge der getreusten Nachahmung zu seyn.
Die beiden Portraits, welche Demois. Stock, nebst einer fleißigen Copie nach Correggio, in Pastell gemalt, dißsmal ausgestellt hat, kommen den Erwartungen nicht ganz bei, zu denen ihr achtender Ruf im Publikum berechtigt; am wenigsten das weibliche Bildniß. Brav und kräftig ausgeführt und unter Arbeiten der Art vorzüglich zu rühmen, sind die Miniaturgemälde von Schreuel, besonders die Kopien nach van Dyk. Wie sprechend und anmuthig heiter ist der Kopf des Alten, wie zart und lieblich das junge, weibliche Portrait[2]. – Wir treten nun erheitert von diesen kleinen, herrlichen Bildern in dem linken Seitenzimmer sogleich vor das Portrait der Demoiselle Herzog, gezeichnet von Gläser, Schüler des Prof. Tischbein. Wie gern schauen wir in das unschuldigheitre Gesicht, das uns in dem rings umher gepflanzten Frucht- und Blumengarten so willkommen erscheint und danken es den fleißigen Händchen, daß sie um die künstlichen Maschen des Gestrickes zu schlingen, nicht der klaren, lieben Augen bedürfen.
Ein männliches Portrait in Oel gemalt von Albert befriedigt mehr, als die zwei andern unter den historischen Stücken genannten Bilder desselben Meisters.
Von plastischen Werken sehen wir dießmal blos drei Gypsbüsten von dem Hr. Bildhauer Ullrich, den Kaiser Napoleon nach einer Büste von Canova, den Bergrath Werner und den Prof. Grassi. Alle drei sind lebensgroß, [126] in einem edlen Style, kräftig und wacker gearbeitet. Und sollte uns die äußere Politur und Zierlichkeit nicht genügen, so müssen wir daran gedenken, wie schwer es dem Bildhauer unsrer Zeit ist zu leisten, was wir an den Antiken so schön erfüllt sehen, und uns des verständigen Fleißes freuen, mit dem der Künstler vorzüglich das Portrait des Prof. Grassi vollendet hat.
Arcola, Landschaft von Friedrich. |
Nächtlich und schwer liegt der Himmel auf dunkel wogenden Meere;
Glatt und schroff aus der Fluth hebt sich Arcola der Fels.
Endlich zerreißen die Wolken, und mild in herrlicher Klarheit
Steigt an Okeanos Rand glänzend Selene herauf.
Tiefe heilige Ruhe schwebt über unendlichen Leben,
Und der schattigen Nacht mischt sich das schimmernde Licht.
Flüchtig erglänzt es am Felsen und tanzt auf kräuselnder Welle
Wie im Busen der Schmerz wechselnd die Freude verscheucht,
Welcher Zauber ergreift so mächtig im einfachen Bilde? –
Einfach mit stiller Gewalt rührt, wie Natur, so die Kunst.
L.
Ein schlummernder junger Bacchus, von M. Rezsch gemalt. |
Beschirmt von frischem, leicht verranktem Laube,
ruht auf dem Panther dort ein holder Knabe:
beschlichen von des Schlummers stiller Gabe
ruht er vom Scherz; das Thier vom fetten Raube.
Daß niemand nur des Schlummers Mienen glaube,
und sich zu lange an dem Anblick labe,
im Schlaf lauscht viel, wie Leben in dem Grabe,
Begeistrung in der ungepreßten Traube.
So wehrlos auch die beiden vor Dir liegen,
und schmeichelnd locken, Dich noch zu verweilen,
so träumen sie doch nur von neuen Siegen:
denn Flammen wird das Kind in Dir entfachen,
der Panther Dich im schnellen Lauf ereilen, –
drum flieh geschwind, eh’ beide noch erwachen!
Die Erfindung des Saitenspiels. Von M. Rezsch gemalt. |
Im Wald verloren und in stillen Gründen
läßt hier ein Hirt die sanften Lämmer weiden,
durch Einsamkeit will Leben er verbreiten,
den innern Wohllaut will er laut verkünden.
Der Einklang der Natur mußt’ ihn entzünden,
und stilles Forschen Sinn und Hände leiten,
bis ihm gelang, ein Spiel sich zu bereiten,
an seiner Flamme tausend anzuzünden.
Er hat der Welt, die um ihn lebt, vergessen,
sein leicht Gewand sank unbemerkt zur Erden,
nachläßig ruhen selbst die schlanken Glieder;
ganz lauschend Ohr sieht man ihn prüfend messen,
und daß auch wir des Wohllauts theilhaft werden,
so schweigt nur still und hört die süßen Lieder!
Bruneck.
Blumen- Frucht- und Dornenstücke möchten wir mit Jean Paul und dem Armenadvokaten sagen, wiewohl nur einige dieser Blumen wirklich Früchte bringen, die andern aber desto dürrer und kahler bleiben, und, wie Dornen, den guten Geschmack ewig blutig stechen werden. Von den Blumenstücken nennen wir nur eins von Arnholdt, als das Bedeutende, ob es gleich auch den schönern in Guache, die er sonst geliefert hat, nicht beikommt. Die Blumen sind in ihrer Porzellainmanier ziemlich natürlich, die Farben frisch und lebendig. Derselbe hat sich auch in Landschaften versucht, und ein ganz leidliches Dosen- oder Tassenstück hervorgebracht. Von allen übrigen Blumen sagen wir nichts: denn sie sind bei allem Reichthum des Farbekastens schon verwelkt, oder doch nahe daran. „Aufblühen, Staubwerden ist ja so das Loos des Schönen auf der Erde.“ – Von Lommazsch ist noch ein Blumenstück da, das gewaltig nachlässig gearbeitet ist, übrigens eine Schmeißfliege und einen Stieglitz mit löblicher Treue darstellt.
Auch Fruchtstücke giebt es hier: zwei von Karl Friedrich sind noch die besten; es wird aber dennoch niemanden darnach lüstern, wenn sie gleich verboten zu nennen sind.
Von Dlle. Friedrich, die uns jegliches Jahr einen Straus gereicht, erwarteten wir auch diesmal Blumen, wie wir sie von ihr zu sehen gewohnt sind. Allein ihr Acker hat Dornen getragen, und läßt uns eine magere, schäbige, dünnhaarige Katze sehen, der wir sicher nicht zu nahe kommen werden, da die Bestie ihre Pfote ausstreckt, als ob sie uns eins versetzen wollte.
Zu den Dornenstücken zählen wir noch mit Bedacht den Amor nach Mengs von Mehner, so wie das Pastellportrait von Lindner, Lehrer an hiesiger Akademie. Das prismatische Farbenspiel auf jenem Blatte ist schneidender, als der Pfeil werden kann, welchen der unliebliche Amor eben schärft, und die Inkorrektheit, kalte, nichtssagende Flachheit des zweiten bringt uns blos zu dem Ausrufe: „So das geschieht am grünen Holze, was will am dürren werden,“ wobei zu bemerken, daß wir das eigentlich Dürre aus schonender Inversion grün genannt haben.
Endlich giebt uns dieser Kunstgarten auch ein Distelstück, welches heißt: Mütterliche Liebe nach Gareis von Heuer. Es wäre nicht genannt worden, wenn es nicht gar zu unwürdig wäre. – S. C Müllers Bouquets von künstlichen Blumen sind, einzelne ausgenommen, kunstlos, und so haben sie doch etwas von der Kunst. Es ist zu bedauern, daß Mad. Krämer geb. Besee seit zwei Jahren nichts von ihren so saubern und vollkommnen Arbeiten ausgestellt hat.
[128] Unter der ziemlich bedeutenden Menge architektonischer Zeichnungen und Aufrisse verdient nur das öffentliche Bad von Thieme eine Erwähnung. Es zeugte von einem reinen, gebildeten Geschmack und viel Sinn für schöne Formen, wenn auch die Ausführung noch vollkommner hätte seyn können.
Die Kupferstiche haben uns nicht minder manchen Stich versetzt, und wir wissen in der That nicht, bei welchem wir zuerst verweilen sollen. Die zwei von Wagner radirten Blätter, die von C. Böhme und Schenk wollen wir jedem gern schenken, und, wenn wir die von Böttcher etwas länger angesehen, auch diese hinterdrein geben. Verdienstlicher in ihrer Art sind die Landschaften von C. A. Richter. Lobenswerth die aus dem Augusteum aufgestellten Blätter von W. Böhm, eine Muse, und der junge Bacchus. Brav in der Arbeit, aber etwas rußig fanden wir die schönste Venus der hiesigen Antikensammlung von I. G. Seiffert gestochen. Recht gut auch die von Gottschick gelieferten Büsten des Ulyßes, Antoninus Pius, der Faustina, des Geta und Caracalla. Am vortrefflichsten aber die vom Prof. Müller gestochene Büste des Achilles, ebenfalls aus der hiesigen Antikensammlung. Amor u. Psyche von Stölzel haben weder Liebe noch Seele. Die Familienszene aus Voßens Louise von Schumann nach Ludwig Strack wollen wir nicht stören: die Leute befinden sich wohl, und ein kritischer Fremdling möchte ihnen ungelegen kommen.
- ↑ Es ist sehr dankenswerth, daß dieser Künstler, so wie v. Kügelchen und Mechau, die weder Mitglieder der hiesigen Akademie sind, noch sonst damit in Verbindung stehen, ihre Werke zur Freude der Zuschauer und zur Nacheiferung für junge Künstler mit ausgestellt haben.
- ↑ Jenes hängt auf der linken Seite unten, jenes rechts in der Mitte.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: durch durch