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Seite:Ueber die Dresdner Kunstausstellung (1806).djvu/2

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herabstürzt. Den dritten Plan bilden wieder schöne Gebirge, die sich perspektivisch hinter dem zur Rechten verlieren. Ueber ihnen ragt in nebelicher Ferne noch ein kahler Berg hervor.

Der Künstler hat den Moment des Morgens ergriffen, wo die Sonne nur eben über den Horizont getreten ist. Der Osten ist rein, klar und farbenlos vom nahen Glanze: die ersten Strahlen haben die leichten, flockigen Wölkchen zerstreut, die sich nach Abend über die Gebirge hindrängen, und wo sie verschwunden, spannt sich das blaue Himmelszelt luftig über die Erde hin. Das Licht fällt nur an einzelnen Stellen in das einsame romantische Thal, dessen Hintergrund noch zart verschleiert ist. Man empfindet selbst die Stille, die noch darinne herrscht: es ist die Natur in den ersten Augenblicken nach dem Erwachen: der junge Tag reibt sich die Augen, um klärer um sich zu schauen, erquickt die Glieder noch einmal durch ein gelindes Dehnen, und spricht noch einzelne abgebrochene Sylben. Die Frische des Morgens weht an seine Wangen: es scheint unten noch feucht und kühl zu seyn, während es oben einen warmen Tag verkündet. Zur Linken hat ein Hirt seine Lämmer hinabgetrieben zum Tränken: das Gewässer ruht vor ihm in unmerklicher Bewegung, erquickend und blinkend. In der Mitte kommt eine größere Heerde herauf: Lämmer und Ziegen gehen voraus, eine junge Hirtin treibt sie: sie ist leicht geschürzt und hält den Arm über die Augen, damit die Sonne sie nicht blende. Neben ihr kommt noch ein Hirt, und aus dem Gebüsche herauf drängt sich ein schönes Rind. Allen scheint der Morgen zu früh gekommen: alles ist wach, aber es ist der unendlich kurze Moment, welcher vor der völligen Munterkeit hergeht. Ruhig steht die stille Waldung: das Laubwerk glänzt in üppiger Grüne, und durch das leichte Gezweig spielt der Morgenwind: die Vegetation auf dem Berge ist reich und lieblich: die Trümmer ist mit wuchernden Zweigen behangen, das Buschwerk mannichfaltig gruppirt, hier und da blitzen Felsen heraus, und die Höhe des Berges verläuft sich sanft. Der Thalgrund zur Linken ist kenntlich, aber noch nicht klar; der Wasserfall zerfacht in einen Staubregen: ein leichter Nebel steigt von der Erde dampfend auf und zieht sich bis in den Hintergrund: dahinter und drüber erhebt sich in lieblicher Bläue das Gebirge, das mit Felsen und Büschen in der lockenden Ferne verschmilzt.

Die Sonne selbst sehen wir nicht, aber wohl ihr sanftes Thun, das die ganze Gegend erfüllt: die wenigen Menschen scheinen die lautlose Stille des Ganzen nicht zu unterbrechen; es ist, als sey die Natur in ihrer Morgenandacht begriffen, und alles schwiege, um sie nicht zu stören.

Im Beschauen verlierst Du Dich selbst mit in das anmuthige Thal, und feierst sinnend das heilige Fest darinne. Du wähnst darinne umher zu wandeln, und Dich durch die Büsche hinaufzudrängen, welchen der junge Tag die Tropfen der Nacht abküßt: legt sitzest Du oben in der bemoosten Trümmer, und verlierst Dich in mannichfaltigen, lieblichen Gedanken und Bildern, und endlich dringst Du hinan zum Gipfel, und wenn Du Dich satt geschaut an den Herrlichkeiten zu Deinen Füßen, wandelst Du still wieder heim mit süßen Empfindungen in der Brust.

(Die Fortsetzung folgt.)
Empfohlene Zitierweise:
Unbekannt: Ueber die Dresdner Kunstausstellung (1806). Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1806, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Dresdner_Kunstausstellung_(1806).djvu/2&oldid=- (Version vom 19.3.2025)