Herstellung der Potentialfunction im Innern eines vorgeschriebenen Raumes. Werth in der Oberfläche und partielle Differentialgleichung im Innern gegeben.
Der Satz von Green dient zu der Lösung der Aufgabe: die Potentialfunction für jeden Punkt im Innern eines vollständig begrenzten Raumes zu bestimmen, wenn ihr Werth in jedem Punkte der Oberfläche gegeben und im Innern von bekannt ist.
Wir setzen und verstehen unter eine Function von , die der Gleichung von Laplace Genüge leistet, im Innern des Raumes überall endlich und stetig variabel ist und in der Oberfläche den Werth annimmt. Dann soll
(1)
genommen werden. Die Function genügt also im Innern des Raumes der partiellen Differentialgleichung
(2)
Sie ist im Innern dieses Raumes endlich und stetig variabel, ausser im Punkte , wo sie unendlich wird wie , und sie hat in der Oberfläche von den Werth Null. Es soll später (§. 34) bewiesen werden, dass eine solche Function existirt.
Der Punkt ist zunächst zum Mittelpunkt einer Kugel vom Radius zu machen, deren Oberfläche ganz im Innern des Raumes liegen soll. Das Innere dieser Kugel ist der Raum . Ihre Oberfläche und die Oberfläche von bilden zusammen die Begrenzung des Raumes .
Im Innern des Raumes erfüllen und die Bedingungen, unter denen die Gleichung (4) des vorigen Paragraphen Gültigkeit hat. Wir dürfen also von dieser Gleichung hier Gebrauch machen, wenn das Raum-Integral auf das Innere von und das Oberflächen-Integral über seine Oberfläche erstreckt wird. Es handelt sich dann um die Frage, welches Resultat für zu Stande kommt.
Das Raum-Integral
nimmt vermöge der partiellen Differentialgleichung (2) den Werth Null an, man mag es über den Raum oder über den ganzen Raum ausdehnen. Es kömmt also, selbst für , nicht weiter in Betracht.
Hiernach bleibt in der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen von dem Raum-Integrale nur noch übrig
|[75]
Da der Raum völlig begrenzt ist, also seine Begrenzung ganz im endlichen Gebiete liegt, so hat dieses Integral, über den Raum , erstreckt, einen bestimmten, endlichen Werth. Dies gilt noch selbst für . Denn innerhalb der Kugel vom Radius kann man als Raumelement einführen
und da nur die erste Potenz von im Nenner hat, so verschwinden die Beiträge, welche für zu dem Raum-Integral hinzukommen. Man hat dasselbe also für diesen Grenzfall über den ganzen Raum zu erstrecken, und es behält einen bestimmten, endlichen Werth.
Das Oberflächen-Integral in der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen ist aus zwei Bestandtheilen zusammengesetzt. Der erste rührt von der Oberfläche des Raumes her und reducirt sich auf
Der andere ist das über die Umhüllung des Punktes ausgedehnte Integral. Hier fällt die nach dem Innern von gezogene Normale mit der Richtung der wachsenden zusammen. Der zweite Bestandtheil des Oberflächen-Integrals lautet also
wenn mit das Oberflächen-Element einer Kugel vom Radius 1 bezeichnet wird. Dieses letzte Integral lässt sich nun auch so schreiben
|[76]Für bleibt nur das Integral und wenn man
den Werth von im Punkte mit bezeichnet, so ergibt sich
Aus der Gleichung (4) des vorigen Paragraphen erhalten wir also
(3)
und hier ist das dreifache Integral über den Raum das Oberfächen-Integral über seine Begrenzung zu erstrecken.
Dabei ist vorausgesetzt, dass die Function und ihre ersten Derivirten innerhalb des Raumes überall endlich und stetig bleiben.
Es fragt sich noch, welche Modificationen eintreten, wenn der Raum sich ins Unendliche erstreckt. In diesem Falle hat man zu der schon vorhandenen Begrenzung noch eine solche hinzuzufügen, welche alle aus dem endlichen Gebiete austretenden Bestandtheile von ausschliesst. Es fragt sich dann, was aus den Integralen auf der rechten Seite der Gleichung (3) wird, wenn man die neu hinzugefügten Begrenzungstheile so ins Unendliche rücken lässt, dass der gegebene Raum wieder zu Stande kommt. Behalten die Integrale in diesem Falle bestimmte, endliche Werthe, so bleibt die Gleichung (3) in Gültigkeit.
Sind Unstetigkeitsstellen der Function oder der ersten Derivirten vorhanden, so kommen zu dem Oberflächen-Integral noch Beiträge hinzu. Wir unterscheiden die drei Falle, dass die Unstetigkeit in einer Fläche, oder in einer Linie oder in einem Punkte stattfindet.
Erstens. Wenn die Unstetigkeit in einer Fläche auftritt, so legen wir ihr unendlich nahe zwei Flächen, welche auf der positiven und auf der negativen Normale der Unstetigkeitsfläche
überall die constante Strecke und resp. abschneiden. Wir wollen dann unendlich klein werden lassen. Diese beiden Flächen und ein Cylinder von der unendlich kleinen Höhe welcher dem Rande der Unstetigkeitsfläche unendlich nahe liegt,
|[77]bilden die vollständige Begrenzung eines Raumes, der die Unstetigkeitsstelle in sich enthält (Fig. 12). Ueber diese Begrenzung ist das Oberflächen-Integral noch zu erstrecken. Die Cylinderfläche kann dabei ausser Betracht bleiben, weil über sie ausgedehnt das Integral unendlich klein ist. Wir bezeichnen mit und resp. einen Abstand, der von der Unstetigkeitsstelle aus auf der positiven und resp. auf der negativen Normale genommen wird. Dann ist auf der Seite der positiven Normale
und auf der Seite der negativen Normale
Der angehängte Index drückt aus, dass die Derivirte an der Stelle genommen und der Null unendlich angenähert werden soll. Erstreckt man nun das Oberflächen-Integral über die beiden Hüllen der Unstetigkeitsfläche, so erhält man auf der Seite der positiven Normale
und auf der Seite der negativen Normale
Es ist aber und . Zu dem Oberflächen-Integral auf der rechten Seite der Gleichung (3) kommt
also in diesem Falle der Beitrag hinzu:
|[78]
(4)
und dieses Integral ist über die Unstetigkeitsfläche zu erstrecken.
Wenn zweitens die Unstetigkeit in einer Linie auftritt, so machen wir diese zur Axe einer cylindrischen Fläche. Die Querschnitte rechtwinklig zur Axe seien Kreise vom Radius , deren Mittelpunkt auf der Axe liegt. (Fig. 13.) Ein solcher Querschnitt wird dadurch festgelegt, dass man den Bogen angibt, der auf der Unstetigkeitslinie zwischen ihrem Anfangspunkte und dem Mittelpunkte des Querschnittes liegt. In dem Querschnitte selbst nehmen wir für einen Punkt seiner Begrenzung Polar-Coordinaten . Die cylindrische Fläche und die beiden Endflächen (der erste und der
letzte Querschnitt: ) bilden dann die Begrenzung des Raumes , der bei Anwendung des Satzes von Green zunächst aus dem Integrationsgebiete auszuschliessen ist. Wir nehmen das Verhältniss unendlich klein, so dass der Inhalt der Endflächen gegen die cylindrische Mantelfläche vernachlässigt werden kann. Das Oberflächen-Integral ist dann nur über die letztere zu erstrecken. Für sie fällt die nach dem Innern des Raumes gerichtete Normale mit der Richtung der wachsenden zusammen. Es ist also hier
Auf der rechten Seite der Gleichung (3) ist demnach zu dem Oberflächen-Integral der Beitrag
für
hinzuzufügen. Wir haben im §. 17. gesehen, dass die Function in einer Linie unstetig wird, wenn über diese Linie eine endliche Masse vertheilt ist. Es ist dann
|[79]und es bleiben für die Functionen und endlich und stetig. Daraus folgt
Betrachten wir in einem und demselben Querschnitte zwei einander diametral gegenüberliegende Punkte der cylindrischen Fläche, so zeigt sich, dass in ihnen gleiche Werthe besitzt, dagegen entgegengesetzte Werthe, wenn unendlich klein genommen wird. Also heben sich in dem Integral
je zwei Elemente auf, und man erhält
für
Demnach bleibt von dem Oberflächen-Integral nur noch der Bestandtheil
übrig. Beachtet man also, dass
ist, so ergibt sich
(5)
als der Beitrag, welcher auf der rechten Seite der Gleichung (3) zu dem Oberflächen-Integral hinzukommt. Die Integration in (5) ist über die Linie zu erstrecken, in welcher die Function unstetig wird.
|[80]
Es werde endlich drittens die Function in einem Punkte unstetig. Dies tritt ein, wenn in dem fraglichen Punkte eine endliche Masse concentrirt ist. Wir machen ihn zum Mittelpunkte einer Kugelfläche vom Radius . Mit soll das Flächenelement auf einer Kugel vom Radius 1 bezeichnet werden. Dann lautet der Beitrag, welcher jetzt zu dem Oberflächen-Integral hinzukommt:
Es ist aber hier
und es bleiben und endlich und stetig für . Folglich erhalten wir
wenn mit der Werth von in dem Unstetigkeitspunkte der Function bezeichnet wird. In diesem letzten Falle hat man also auf der rechten Seite der Gleichung (3) zu dem Oberflächen-Integral den Beitrag