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RE:Gades

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt in Südspanien, heute Cadiz
Band VII,1 (1910) S. 439461
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Gades.

I. Name.

G. ist die erste Stadt Hispaniens, die überhaupt in der Geschichte genannt wird; an G. und Tartessos knüpfen sich die ältesten Nachrichten über den Westen Europas. Tartessos ist nur die Bezeichnung für den Strom und die Landschaft, die er durchfließt (s. d.); nur Tartessos, nicht G., war der älteren griechischen Dichtung bekannt. Ob das Vorhandensein der Stadt vorausgesetzt werden muß für die Vermittlung der uralten, mit der Herkunft des Zinns und des Bernsteins verknüpften Nachrichten über die kurzen Nächte des Nordens, von denen die Odyssee weiß (X 81–86; vgl. den Art. Britanni), oder ob diese Kunde von sidonischen und tyrischen Schiffern stammt, oder endlich ob sie auf Landwegen nach Ionien gelangt ist, wird sich niemals mit Sicherheit entscheiden lassen. Mit Rücksicht auf sie ist wohl das Gründungsdatum der Stadt (s. u.) berechnet worden. Die älteste griechische Namensform, τὰ Γάδειρα, ionisch Γήδειρα, steht am nächsten der phönizischen Gadir oder Agadir, die auch sonst im aramäischen Sprachgebiet vorkommt; ihre den griechischen Gelehrten bekannte Bedeutung ,Burg, Feste‘ wird nicht bezweifelt. Als Ethnika erscheinen nebeneinander Γαδειρικός, Γαδειραῖος, Γαδειρεύς und fem. Γαδειρίς, Γαδειρίτης. Die Umbildung des griechischen Gadeir in lateinisch Gadeis, Gades gehört der vorhannibalischen Zeit an; das lateinische Ethnikon Gaditanus (nach der Analogie von Lusitanus, Astigitanus und vielen ähnlichen) hat vielleicht noch etwas von der letzten griechischen Form Γαδειρίτης bewahrt.

II. Tartessos.

Die Stadt Gadeira bildete von alters her den Ausgangspunkt für die Schifffahrt der Phönizier in den Atlantischen Ozean; von ihr aus richteten sich die Fahrten darin nach Nordwest und nach Südwest. Daher ist sie der Angelpunkt in dem alten Periplus des Avien (or. mar. 80–85. 267ff.), wird aber nicht näher beschrieben, wohl weil griechische Schiffer sie mieden; auch der Heraklestempel wird deshalb übergangen, außer in den Zusätzen des Avien. In den Berichten über die Fahrten samischer und [440] phokäischer Schiffer nach Tartessos (Herodot. IV 150ff. und I 163ff.) wird aus demselben Grund oder aus bloßem Zufall die phönizische Stadt nicht genannt. Später ist G. daraufhin mit Tartessos identifiziert worden (Avien. or. mar. 85 hic Gadir urbs est dicta Tartessus prius. 267 Gadir hic est oppidum – ipsa Tartessus prius cognominata est. Sallust. hist. II 5. M. Tartessum, Hispaniae civitatem, quam nunc Tyrii mutato nomine Gaddir habent). Ob König Arganthonios ,der Silbermann‘ (s. d.) von G. aus über Tartessos geherrscht hat, wie Cicero, wohl dem Poseidonios oder Varro folgend, annahm (Cato mai. 69 fuit enim, ut scriptum video, Arganthonius quidam Gadibus qui LXXX regnavit annos, CXX vixit), oder von einer andern Burg aus, wie z. B. der des Geron (Avien. or. mar. 263. 304), ist natürlich nicht zu entscheiden, zumal das fabelhafte Alter und selbst der Name ihn in die Legende weist.

III. Erytheia.

Daß des Hesiodos ,Land des Abendrots‘, Erytheia, nach Tartessos verlegt wurde, und Herakles auf seiner Fahrt zu den Hesperiden und zum Geryoneus, worunter man die drei Mündungen des Baetisflusses verstand (s. d.), nach G. gelangt sei (Diod. IV 18, 2. 56, 3 nach Timaios), hängt nicht zusammen mit der Gründungssage der Stadt (s. u.) und setzt keine oder nur sehr geringe Bekanntschaft mit jenen Gegenden selbst voraus. Diese Vorstellung erscheint in ,Bild und Lied‘ der Griechen etwa seit dem 6. Jhdt. (Preller Griech. Myth. II3 208ff.). Die ältesten Zeugen dafür sind die Dichter Stesichoros, Anakreon, Pindar, Panyassis und die alten Historiker, wie Pherekydes von Leros (Strab. III 5, 4 p. 169 c, frg. 33 h KM.). Ihr folgt noch Platon, wenn er seinen Atlantismythos an die Heraklessäulen und Erytheia anknüpft (Kritias 104 B πρὸς Ἠρακλείων στηλῶν ... ἐπὶ τὸ τῆς Γαδειρικῆς νῦν χώρας κατ' ἐκεῖνον τὸν τόπον ὀνομαζόμενης, ἑλληνιστὶ μὲν εὔμηλον, τὸ δ' ἐπιχώριον Γάδειρον, die Form ἡ Γάδειρος kehrt bei Eratosthenes, das Adjektiv Γαδειρικός bei dem Komiker Eupolis wieder; die Deutung ,schafreich‘ knüpft an gadir ἕρκος, saepes, Schafhürde und an den Herdenreichtum Erytheias an, den wohl mit Rücksicht hierauf Poseidonios schilderte (s. u.). Irgendwie ist damit auch Phorkys, der über die Inseln zwischen dem libyschen Kerne und Gadeira herrscht, zusammengebracht worden (Palaiphatos 32, 10).

IV. Geschichtsquellen.

Etwas genauer berichtete über die Lage der Stadt zuerst das Werk des Hekataios. Zwar fehlt wiederum ihr Name, wohl nur zufällig, unter den erhaltenen Zitaten daraus. Aber er widersprach den Dichtern, die den Kampf des Herakles mit Geryoneus nach dem iberischen Erytheia am Tartessosstrom verlegten, den er vielmehr nach dem akarnanischen Amphilochien setzte (Arrian. Alex. II 16, frg. 349 KM.): er wird in Massalia oder in G. selbst in Erfahrung gebracht haben, daß es dort ein wirkliches Erytheia nicht gab. Ob er selbst bis G. gelangt ist, läßt sich nicht feststellen, obgleich es keineswegs unmöglich ist. Jedenfalls hat er der Stadt in der Reihe der phönizischen Städte im südlichen Iberien, die bei ihm zuerst genannt werden, wie Suel und Sexi, ihren Platz angewiesen; seine Angaben führen sogar noch [441] etwas weiter nach Westen, bis zu dem iberischen Olbia-Huelva (s. d.).

Herodot widersprach der Ansicht des Hekataios, wie auch sonst nicht selten, wenn er den Berichten der Hellenen im Skythenland folgend und vielleicht mit direkter Benutzung des Pherekydes Erytheia und den Geryoneus nach G. setzt (IV 8 ἔξω τοῦ πόντου κατοικημένον τὴν οἱ Ἕλληνες λέγουσι Ἐρύθειαν νῆσον, τὴν πρὸς Γηδείροισι τοῖσι ἔξω Ἡρακλέων στηλέων ἐπὶ τῷ ὠκεανῷ). Wenn Hekataios von dem in das nördliche Meer mündenden Eridanos – später hieß es, die Argonauten seien den Tanais aufwärts gefahren und πλησίον γενομένους Γαδείρων in das innere Meer eingefahren (Diod. IV 56, 3 nach Timaios) – und der Herkunft des Bernsteins sowie von den Kassiteriden und der Herkunft des Zinns berichtet hatte, so richtete sich auch dagegen der Zweifel Herodots (III 115); Hekataios hatte wohl, wie der Periplus, G. als das ἐμπόριον bezeichnet, wohin das Zinn von den Kassiteriden wie das Silber aus Tartessos gelangte, um von da durch die Massalioten weiter verschifft zu werden. Aber wenn Herodot in der Erzählung von den Fahrten der Phokäer den Norden und den Süden der Halbinsel, Iberien und Tartessos, unterscheidet (Ι 163; vgl. IV 36), so ist er darüber von Hekataios belehrt worden, der zuerst diese Unterscheidung gemacht hat. In dem kurzen Bericht des Hekataios wird die inzwischen gewachsene Bedeutung des griechischen Handels gegenüber dem phönizischen zum Ausdruck gekommen sein, die auch von den späteren griechischen Besuchern hervorgehoben wird. Den folgenden griechischen Geschichtschreibern ist G. sicherlich nicht unbekannt gewesen, obgleich es weder bei Thukydides noch bei Xenophon genannt wird. Ephoros folgte in dem, was er vom Westen Europas wußte, wohl nur dem Hekataios und Herodot und etwa älteren massaliotischen Quellen wie Euthymenes. Er hatte Erytheia und das heilige Vorgebirge erwähnt. Bei ihm findet sich die Nachricht von der großen Ausdehnung des Keltenlandes μέχρι Γαδείρων (Strab. IV 4, 6 p. 199, frg. 43 KM.): sie wird nur aus der von Herodot (II 33) berichteten Nachbarschaft der Kelten und Kyneten erschlossen sein, die wiederum auf einer nicht richtig verstandenen oder undeutlich wiedergegebenen Angabe des Hekataios beruht. Aus Ephoros stammen die von Nikolaos von Damaskos erhaltenen Angaben über eigentümliche Sitten der Tartessier (Nicol. παραδόξων ἐθῶν συναγωγή c. 1. 2 p. 166 Westermann. Stob. III 5, 14 Hense), die nicht notwendig allein auf G. zu beziehen sind. Auch sie mag er aus massaliotischen Quellen haben oder dem inzwischen lebhafter gewordenen Verkehr mit G. verdanken, von dem die in der attischen Komödie erwähnten Pökelwaren und anderes aus G. (Eupolis bei Steph. Byz. s. Γαδειρικὸν τάριχος. Nikostrat. bei Athen. III 118 Γαδειρικὸν ὑπογάστριον. Pollux VI 49 ταρίχη Γαδειρικά und die Schol. zu Aristoph. Plut. 586) Zeugnis geben. Das Gedicht des Skymnos, dessen geographische Grundlage aus Ephoros, Timaios und Eratosthenes stammt, wie die Einleitung angibt, beginnt mit den Säulen des Herakles, nennt das massaliotische Mainake, die westlichste aller hellenischen Städte, und nahe dabei Τυρίων παλαιῶν ἐμπόρων [442] ἀποικίαν Γάδειρα (v. 161). Von da eine zweitägige Fahrt entfernt liege der reiche Handelsplatz Tartessos, das ἐμπορίαν εὐτυχέστατον, die berühmte Stadt, die das Zinn, Gold und Silber aus dem Keltenland bewahre (v. 162–166). Die Bezeichnung von Tartessos als ἐμπόριον stammt aus Herodots Bericht über die Fahrt der Samier (IV 152) oder eigentlich wohl aus Hekataios. Herodot hat die Veranlassung dazu gegeben, Tartessos teils mit G. zu identifizieren, teils zu einer besonderen von jenem verschiedenen Stadt zu machen, wie hier. Vielmehr war G. das ἐμπόριον des Tartessosflusses und Landes. Doch unterscheidet Skymnos nachher ganz richtig die Libyphoiniker, d. h. die aus Afrika stammenden Bewohner der phönizischen Städte wie G., von den einheimischen Tartessiern und den nördlichen Iberern (v. 196–198).

Eingehendere Nachricht über G. wurde dem Pytheas verdankt. Er hat auf seiner Fahrt von Massalia an den iberischen Küsten entlang in G. unzweifelhaft Station gemacht und die νῆσος εὐδαίμων der Dichter Erytheia gesehen, wo Ebbe und Flut ende (Strab. III 148, frg. 122 KM.). Nichts berechtigt zu dem Schluß, daß er G. für identisch mit Erytheia gehalten habe. Wie viel von seinen Beobachtungen bei seinen Nachfolgern Timaios, Eratosthenes, Poseidonios reinlich wiedergegeben ist, wie viel eigene oder anderswoher entnommene Zusätze und Änderungen sie bringen, ist hier wie anderswo in den Zeugnissen über sein Werk schwer zu entscheiden. Die besondere Aufmerksamkeit, die Pytheas dem Phänomen der Gezeiten zuwendete, macht es wahrscheinlich, daß die durch Polybios wohl schon aus Timaios geschöpfte Nachricht über die Süßwasserquelle im Herakleion bei G., die bei der Flut ausblieb und bei der Ebbe sich füllte, auf einer schon von ihm gemachten Beobachtung beruht, die seine Nachfolger kontrolliert haben mögen; Artemidor widersprach ihr (Polyb. XXXIV 9, 5 = Strab. III 172). Auch Silenos, der Geschichtschreiber Hannibals, hatte ihrer erwähnt, den Polybios ebenfalls benutzte (nach Poseidonios bei Strab. a. a. O.). Aus Pytheas hatte Eratosthenes gewiß das Maß der fünftägigen Entfernung von G. bis zum heiligen Vorgebirge entnommen, das Artemidor verbesserte (Strab. III 148 frg. II Stiehle); Polybios kannte es wohl nur aus Timaios. Wenn bei Diodor in einem Exzerpt aus Timaios von den Phoinikern gesagt wird, sie hätten die Stadt, die eine Halbinsel sei, Gadeira genannt (V 20, 2 Φοίνικες ... ἐπ' αὐτοῦ τοῦ κατὰ τὰς στήλας πόρου πόλιν ἔκτισαν ἐπὶ τῆς Εὐρώπης, ἣν οὖσαν χερρόνησον προσηγόρευσαν Γάδειρα; vgl. Steph. Byz. 193, 9 Γάδειρα πόλις καὶ νῆσος ἐν τῷ ὀκεανῷ στενὴ καὶ περιμήκης, ὡς οὖσα ταινία τῆς γῆς δειρά, ἀντὶ τοῦ τράχηλος γῆς. Schol. zu Dionys. perieg. v. 456. Geffcken Timaios 153, 10; doch sieht diese Erklärung des Namens dem Asklepiades ähnlicher als dem Timaios), so hat vielleicht schon Pytheas als Augenzeuge die alte Vorstellung verbessert, daß G. selbst, wie Erytheia, Insel sei; ihm wird Timaios gefolgt sein. Aber die Unterscheidung zwischen Insel und Halbinsel ist hier, worauf die Natur selbst hinführte, nicht festgehalten worden. Die Stadt ist, bis auf die Anlage der Eisenbahn auf dem Isthmus, von den [443] Hauptstraßen des Festlandes aus zur See stets weit besser zu erreichen gewesen, als auf dem großen Umweg über die mehr als eine Meile lange sandige Landzunge, den Hals, die durch die weiten Salzsümpfe und Lagunen der Isla de Leon schon an sich schwer zugänglich ist. Wieviel von den übrigen besonders durch Poseidonios zusammengestellten Nachrichten über G. auf Pytheas zurückgeht, bleibt, wie gesagt, zweifelhaft; es könnte dazu die von der Gründung des Heraklestempels durch die Tyrier gehören.

Timosthenes, der Admiral des zweiten Ptolemaios, hat, wie seinen Büchern περὶ λιμένων die einzige Nachricht über die alte Hafenstadt Kalpe verdankt wird (Strab. III 140. E. A. Wagner Die Erdbeschreibung des Timosthenes von Rhodus, Leipzig 1888, frg. 19 p. 68), wahrscheinlich auch über G. und seine Häfen berichtet. Timaios wird ihn benützt haben. Auch die sizilischen Geschichtschreiber, wie Philistos (Plin. n. h. IV 120), hatten G. erwähnt.

Timaios war, wie bekannt, der erste, der in seinem großen Geschichtswerk die Entwicklung der phönizischen und karthagischen Macht eingehend dargestellt hatte (Müllenhoff D. Altert. I2 429ff. Geffcken Timaios 52ff.). Aus ihm stammt wohl die nachher mitzuteilende Gründungsgeschichte von G., wie sie Poseidonios erzählte (Strab. III 169), angeblich nach Berichten der Gaditaner – das hier angewendete lateinische Ethnikon deutet auf die Vermittlung durch Poseidonios –, sowie das Datum der Gründung bei Velleius (I 2 nach Trogus und Timagenes). Auch die Beziehungen Karthagos zu G., über die nur vereinzelte Nachrichten vorliegen, wird er im Zusammenhang dargestellt haben. In den älteren Berichten wie in den Vorstellungen der Dichter werden, wie wir sahen, Gadeira und Erytheia nicht streng von einander geschieden. Timaios scheint die verschiedenen Ansichten zusammengestellt und eigene Vermutungen darüber geäußert zu haben; einige hielten Gadeira für den Ort der Heraklessäulen (Strab. III 170). Darauf beruht die gelegentlich auftretende Vorstellung, daß mit Gadeira zwei Inseln gemeint seien, auf deren einer die Stadt liege (so im Periplus des Skylax § 1 und 111 und noch bei Oros. I 2, 7. 72 apud Gades insulas und in der Cosmographie Aethici Gades insulae 98, 5 Liber generat. 169, 8 Riese), während die Begrenzung und Bezeichnung von Erytheia, dem Schauplatz des Kampfes des Herakles mit Geryoneus (o. S. 440, 20), vielfach schwankte. Die Insel, auf der Gadeira früher gelegen habe, sei von Ephoros und Philistos Erytheia, von Timaios und Silenos Aphrodisias, von den Eingeborenen die der Hera genannt worden (Plin. n. h. IV 120 altera insula, in qua prius oppidum Gadium fuit, vocatur ab Ephoro et Philisto Erythea, a Timaeo et Sileno Aphrodisias, ab indigenis Iunonis; Geffcken Timaios 153, 7 mit irreführender Abkürzung); so hatte Poseidonios (s. u.) die verschiedenen Meinungen zusammengefaßt. Timaios unterschied als zu Erytheia gehörig zwei Inseln; außer jener Aphroditeinsel eine größere, Cotinusa, von den dort häufigen wilden Ölbäumen (Dionys. perieg. 455 mit dem Kommentar des Eustathios; Geffcken Timaios 153, 10), und hatte wohl auch den Namen Erytheia [444] gedeutet (Mela III 47 in Lusitania Erythia est, quam Geryonae habitatam accepimus, aliaeque sine certis nominibus, d. h. mit den bei Plinius genannten; Plin. IV 120 maiorum Timaeus Cotinusam ab oleis – potinusam a puteis die Plinius-Hss., die glänzende Verbesserung von Jsaac Vossius wird mit Unrecht verschmäht – vocitatam ait, nostri Tarteson appellant, Poeni Gadir ita Punica lingua saepem significante; Erythea dicta est, quoniam Tyri aborigines earum orti ab Erythro mari ferebantur; in hac Geryones habitasse a quibusdam existimatur, cuius armenta Hercules abduxerit; sunt qui aliam esse eam et contra Lusitaniam arbitrentur eodemque nomine quandam ibi appellant – wobei Lusitanien die noch dem Varro geläufige allgemeine Bezeichnung für den Süden der Ulterior ist. Hiernach noch Silius XVI 194 Herculeas Erythia ad litora Gades. 467 Tyria domo patria inclita Gades und Isid. orig. XIII 5, 2. XIV 6, 7). In diesen Zusammenhang gehört die wohl auch schon von Timaios gebrachte Übersetzung des punischen Namens bei dem griechischen Bearbeiter des alten Periplus (Avien. or. mar. 268 nam Punicorum lingua consaeptum locum Gadir vocabat', Plin. IV 120 Poeni Gadir [appellant] ita Punica lingua saepem significante; darnach Solin 105, 6 M.² Γάδειρα τὰ περιφράγματα Hesych. s. v.; Isid. orig. XV 1, 29. 72 Gadir saeptam), wogegen die absurde Erklärung γῆς δειρά (s. o.) ihm schwerlich zuzutrauen ist. Aber der von Timaios verbreiteten genaueren Bestimmung seiner Lage durch Pytheas wird es verdankt, daß seitdem G. einer der entscheidenden Punkte für die Erdmessung ist, in deren dritten Parallelkreis sie fällt (Plin. VI 214), und für die Einteilung der Meere (Plin. VI 176. Solin. 206, 12 M.² ab India usque Gades. Marcian. I 3–6 τὸ κατὰ Γάδειρα στόμα τοῦ ὠκεανοῦ, ὅπερ Ἡράκλειον καλοῦσι πορθμόν). So erscheint G. auch in einem der mathematischen Rätsel der Anthologie (Pal. IX 121 ἑπτάλοφον ποτὶ ἄστυ Γαδείροθεν, ἕκτον ὁδοῖο Βαίτιος εὐμύκους ἄχρις ἐς ἠϊόνας, über die Straße von Rom bis zum Ozean bei G. s. u.); auch Libyen beginnt Γαδείροθεν (Dionys. perieg. 176). Seit Poseidonios und Varro wird das Gaditanum oceani fretum besonders oft genannt (Mela II 97. III 46. Plin. III 3. 74. IV 93. V 9. VI 206. Solin. 38, 1 M2. Florus I 40, 9. Oros. I 2, 74. 94. VII 43, 11. Iul. Honor. 33, 3. Cosmogr. Aethici 78, 15. 98, 10 Riese); in spätester Zeit wird das mare columnas Herculis davon noch unterschieden (Isid. orig. XIII 15, 2) Dennoch bleibt G. wie schon für Pindar (Nem. IV 69 Γαδείρων τὸ πρὸς ζόφον οὐ περατόν) fast sprichwörtlich das äußerste Ende der bewohnten Welt (Apostol. 16, 19); so noch bei Cicero (de domo sua 30, 80). Horaz (carm. II 2, 11 si Libyam remotis Gadibus iungas und II 6, 1 Septimi Gades aditure mecum et Cantabrum) und Silius (I 141 hominum finem Gades. III 3 positos finiti cardine mundi .... populos cognataque limina Gades. XVII 637 terrarum finis Gades).

Polybios hat, als er auf den Schiffen, die ihm Scipio gegeben, an der afrikanischen Küste entlang fuhr (Plin. n. h. V 9), ebenfalls G. besucht. Denn den Reichtum an Gemüsen und Blumen, [445] die Masse und Güte der Fische dort, die er schildert, die Marktpreise von Getreide und Fleisch, die ungemeine Billigkeit des Wildes lernte er sicher auf dem Markt von G. kennen (XXXIV 8, 2–10 = Athen. VIII 330). Auch den von Pytheas beobachteten angeblichen Zusammenhang der Gezeiten mit dem Süßwasserquell im Herakleion (s. o.) kann er darnach selbst kontrolliert haben (XXXIV 9, 5–7 = Strab. III 172).

Etwa fünfzig Jahre nach Polybios hat Artemidor von Ephesos die Südküste Iberiens, also gewiß auch G. besucht und eine besondere Meinung über die Säulen des Herakles geäußert, sowie dem Berichte des Pytheas und Polybios über die Süßwasserquelle im Herakleion widersprochen (Strab. III 170. 172; vgl. 168, frg. 10 u. 14 Stiehle). Auch behauptete er, daß in G. mit dem Untergang der Sonne plötzlich Nacht einträte (Strab. 138), was Poseidonios aus eigener Erfahrung bestritt. Von den gaditanischen Kaufleuten – es müssen damals schon zahlreiche griechische Kaufleute dort gewohnt haben – ließ Artemidor sich erzählen, daß auch nach Libyen Hellenen gekommen seien und daß dort wirklich die Lotophagen wohnten (Strab. III 157; vgl. XVII 829; fehlt bei Stiehle p. 28). Auf ihn wird zurückgehen, obgleich Pytheas und Timaios Ähnliches berichtet haben könnten, und von G. in erster Linie zu verstehen sein, was von den Turdetanern gesagt wird: daß sie sich als die gebildetsten der Iberer erwiesen hätten, Schrift besäßen und aus alter Zeit Aufzeichnungen, Gedichte und Gesetze von 6000 Jahren in Versmaßen, wie sie angäben, und daß auch die übrigen Iberer Schrift hätten, aber nicht von einer Art, da sie auch nicht eine Sprache sprächen (Strab. III 139. Mon. ling. Iber. LXXVIII). Doch bedienten sich die in den Küstenstädten wohnenden Iberer schon lateinischer Schrift (Steph. Byz. 324, 14 Ἀρτεμίδωρος ἐν δευτέρῳ τῶν γεωγραψουμένων ,γραμματικῇ δὲ χρῶνται τῇ τῶν Ἰταλῶν οἱ παρὰ θάλατταν οἰκοῦντες τῶν Ἰβήρων‘ frg. 22 Stiehle); auch dies wird auf G. wie vielleicht auf Tarraco und Neukarthago gehen. Daß Eratosthenes, dem Pytheas folgend, die Insel Erytheia in das Land der Tartessier bei Kalpe setze, tadelte Artemidor(Strab. III 148. frg. 11 Stiehle); zu seiner Zeit wußte natürlich niemand dort etwas von Erytheia. Von G. aus hat er dann das heilige Vorgebirge (s. d.) besucht.

Wenig später, etwa um das J. 70 v. Chr., hat der Grammatiker Asklepiades von Myrlea in Bithynien griechische Grammatik in Turdetanien, d. h. in G., gelehrt (K. Lehrs Herodiani scripta tria minora, Königsberg 1848, 428ff., darnach K. Müller FHG III 1849, 298) und eine Periegese jener Völker verfaßt. Seine geschmacklosen Versuche, überall in Iberien griechische Namen und Sagen nachzuweisen, lehren für G. nichts.

Was von gelehrter Kunde über G. vorlag, war unzweifelhaft dem Poseidonios wohlbekannt, als er auf seinen Fahrten im Westen Europas das Material für sein großes Geschichtswerk sammelte. Was er von mathematisch-astronomischem Wissen aus phönizischen Lehren geschöpft haben soll, könnte er zum Teil in G. erfahren haben, wo er etwa um das J. 90 v. Chr. einen dreißigtägigen Aufenthalt nahm (Strab. III 138 frg. 97 KM.), und von wo er dann an der Küste von Libyen entlang [446] in kaum drei Monaten über die Gymnesischen Inseln und Sardinien nach Italien gelangte. Seitdem ist kein Zweifel mehr darüber, daß G. nur eine Insel sei (Ptolem. II 4, 13 παράκειται τῇ Βαιτικῇ Ἱσπανίᾳ νῆσος ἐν τῇ ἐκτὸς θαλάσσῃ καὶ πόλις ἐν αὐτῇ Γάδειρα. Marcian. II 4, 9 epit. Artemid. 7. Isid. orig. XIV 6, 7). Aus seinem Werk haben Varro und Strabon geschöpft, aus Varro Mela und Plinius; auch was bei Trogus-Iustin und Velleius aus der Geschichte von G. berichtet wird (s. u.), geht, wenn auch indirekt, auf ihn zurück. Ebenso liegt der Periegese des Dionysios seine Lehre zugrunde (v. 64–69. 450–456 mit dem Kommentar des Eustathios). Aus ihm oder aus Varro entnahm noch Silius vielleicht durch Vermittelung des Livius seine Schilderung der Ebbe und Flut bei dem Heraklestempel von G. (III 45–59). Selbst in der konfusen Mischung von Allegorie und Phantasie über die Säulen und über G. in der Schilderung vom Aufenthalt des Apollonios von Tyana in G. zu Neros Zeit nach den angeblichen Memoiren des Damis bei Philostratos (vita Apoll. V 1, 86ff. Kayser) läßt sich die von Poseidonios gesammelte Gelehrsamkeit in den Hauptzügen noch erkennen.

Aus allen diesen Berichten, die seit der römischen Eroberung verschiedene Ergänzungen erfuhren, besonders durch Varro, der zu drei verschiedenen Malen längere Zeit in Hispanien gewesen ist, läßt sich von der Geschichte der Stadt etwa folgendes ermitteln.

V. Gründung.

Einige Zeit nach dem Einfall der Herakliden in den Peloponnes, der in das J. 1100 v. Chr. gesetzt wird, etwa gleichzeitig mit dem Tode des Kodros und der Gründung von Megara, habe, so glaubte man annehmen zu können, eine Flotte von Tyros G. und wenige Jahre später Utica in Afrika gegründet (Velleius I 2, 4), dessen Gründungsjahr (Plin. n. h. XVI 216) damit und mit den Angaben über die Gründung von Karthago in Afrika (s. d.) (814 v. Chr.) ungefähr zusammenstimmt. Diesen Daten liegt eine gleichmäßige Berechnung zugrunde (Meltzer Gesch. d. Karthager I 98ff.), die teilweis unzweifelhaft auf Timaios zurückgeht (Meltzer ebd. 106ff. 459). Die Gründung geschah darnach auf folgende Weise. Durch einen Orakelspruch wurden die Tyrier veranlaßt, Ansiedler nach den Säulen des Herakles zu senden, d. h. der Nutzen der Anlage eines ἐμπόριον an jener Stelle trieb sie dazu. Ihre Kundschafter gelangen zuerst an eine Stelle vor dem Sund bei Kalpe, da wo man die Säulen und das Ende des Herakleszuges ansetzte, wo jetzt, d. h. zur Zeit des Poseidonios, die Stadt Sexi liege (s. d.); d. i. Almuñecar zwischen Abdera und Malaca, noch sehr weit östlich vom Sund. Daraus ist fälschlich geschlossen worden, daß Sexi eine ältere phönizische Gründung sei, als G. Die tyrischen Kundschafter kehren wegen ungünstiger Opferzeichen um. Eine zweite Aussendung gelangt etwa 1500 Stadien westlich über die Säulen hinaus bis zur heiligen Insel des Herakles bei Onoba (s. d.) in der Nähe des von Hekataios (s. o.) erwähnten Olbia; sie glaubten, dies sei eine der Säulen des Herakles. Aber auch von hier treiben ungünstige Opferzeichen sie zurück. Endlich beim dritten Zuge gründen sie Gadeira; auf der östlichen Seite erbauen sie den [447] Heraklestempel, auf der westlichen die Stadt (Poseidonios bei Strab. IIIΙ 69f.). Dieser wohl von Timaios aufgezeichneten Erzählung (in kürzerer Fassung bei Diodor. V 20) setzte Poseidonios Zweifel entgegen: er erklärte τὸν χρησμὸν καὶ τοὺς πολλούς ἀποστόλους für ein ψεῦσμα Φοινικικόν (Strab. III 170). Doch mag in ihr die Erinnerung daran erhalten sein, daß die Gründung nicht sogleich erfolgreich war. Schwerlich beruht ihr Ansatz auf einer einheimischen Tempelära; Timaios hatte wohl aus den Angaben des Pytheas über das hohe Alter des Tempels seine Gründung mit der Datierung des Troischen Kriegs in Einklang gebracht (Iustin. XLIV 5, 2 nam cum Gaditani a Tyro ... sacra Herculis per quietem iussi in Hispaniam transtulissent urbemque ibi condidissent. Velleius I 2 anno octogesimo post Troiam captam, centesimo et vicesimo quam Hercules ad deos excesserat, Pelopis progenies, quae omni hoc tempore pulsis Heraclidis Peloponnesi imperium obtinuerat, ab Herculis progenie expellitur ... Peloponnesii digredientes finibus Atticis Megara ... condidere. Ea tempestate et Tyria classis plurimum pollens mari in ultimo Hispaniae tractu in extremo nostri orbis termino, in insula circumfusa oceano perexiguo a continenti divisa freto Gades condidit. Mela III 46 annorum quis manet [templum] ab Iliaca tempestate principia sunt; bei Plinius in der parallelen Stelle fehlt diese Angabe, doch vgl. V 76 Tyros clara Gadibus extra orbem conditis). Natürlich wird man dieses Datum jetzt nicht mehr, wie einst Movers tat (Die Phönizier II 2, 148), für historisch beglaubigt ansehen; aber daß die Gründung von G. der von Karthago in Afrika, die auf das J. 814 v. Chr. berechnet wurde, um einige Jahrhunderte vorangegangen sei, wird Timaios nicht ohne Grund behauptet haben.

VI. Lage.

Die flache Felseninsel aus Muschelkalk, deren höchste Erhebung über das Meer nur etwa 12 m beträgt, ist nach Poseidonios 750 Stadien oder etwa 93 Millien von Kalpe entfernt (Strab. III 168. Mela III 46 fretum ... attingit; ,nahe der Baetismündung‘, nach der römischen Messung vom Anfang des Sundes 25 Millien Plin. IV 119 in ipso capite Baeticae ab ostio freti XXV m. p. Gades). Sie bildet eine zusammenhängende Masse, im Westen vom Dünensand umsäumt. Ausgeschlossen ist dadurch die Annahme Müllenhoffs (D. Altert. I2 136f.), daß einst ein fünf Stadien breiter Meeresarm sie geteilt habe; er wollte die im Periplus des Avien (v. 304) erwähnte ,Burg des Geron‘ auf der westlichen Spitze der Insel selbst ansetzen, während sie vielmehr viel weiter westlich am rechten Ufer des Baetis zu suchen ist (Avien. or. mar. v. 263). Die wohl zuerst von Polybios, dann von Poseidonios gegebenen Maße der Insel (Strab. 169 οὐ πολὺ μείζων τῶν ἑκατὸν σταδίων τὸ μῆκος, πλάτος δ' ἔσθ' ὅπου καὶ σταδιαῖον. Plin. IV 119 Gadis longa, ut Polybius scribit, XII m., lata III m. p., abest a continente proxima parte minus p. DCC, reliqua plus VII m. p.) stimmen, den Isthmus mitgerechnet, mit der Wirklichkeit ungefähr überein (Länge etwa 2,4 km, Breite 1,6 km). Der Isthmus (Mela III 46 angusto spatio et veluti flumine a continente abscissa, qua terris [448] propior est, paene rectam ripam agit) ist eine sandige Nehrung von 8 km Länge und an einigen Stellen kaum 50 m breit; auf ihr führt jetzt die Bahn zur Stadt. An ihren Anfang setzt der alte Periplus (Avien. or. mar. v. 316) ein Heiligtum der Aphrodite mit einer Orakelhöhle. Damit hat jedoch die Notiz bei Strabon nichts zu tun, wonach zwei kleine Inseln, die eine der Hera geweiht, bei den Säulen des Herakles lagen und von einigen für diese selbst gehalten wurden (III 168. Müllenhoff D. Altert. I2 137). Die Lage entspricht mithin vorzüglich den Bedingungen, die von den Phoinikern für ihre Niederlassungen gesucht zu werden pflegten. Der Felsen hat zwei flache Erhebungen, die größere im nördlichen Teil. Die niedrige nordöstliche Spitze, die Punta de San Felipe mit der weit hinausreichenden Mole, umschließt den großen, nach Norden und Osten geschützten Hafen; die südwestliche, jetzt durch einen schmalen Kanal getrennt, mit dem Kastell von San Sebastian und dem Leuchtturm, den kleineren, la Calcta, der nach Westen geöffnet ist (Mela III 46 quo oceanum spectat duobus promunturiis evecta in altum medium litus abducit, worin das ῥητορεύειν des Poseidonios noch zu erkennen ist). Die Stadt nahm den westlichen Teil der Insel ein (Poseidonios bei Strab. III 169 κεῖτα ἐπὶ τῶν ἑσπερίων τῆς νήσου μερῶν ἡ πόλις. Mela III 46 fert in altero cornu eiusdem [atque insula] nominis urbem opulentam). Von ihren Bauwerken im Innern hat sich nichts Sichtbares erhalten. Von der Stadtmauer jedoch sollen kolossale Fundamentstücke herrühren, die man auf den Felsen der Küste von den Meereswogen umtost sieht (Hübner Arqueologia de España 222. 248). Weder der Zug der Mauern noch die Lage der Burg, entweder im nördlichen Teil der Stadt oder auf der Spitze von San Sebastian, sind bisher ermittelt worden.

VII. Tempel.

Am Ende des westlichen Teils der Insel, auf dem die Stadt lag, befand sich ein Tempel des Kronos (Strab. III 169 προσεχὲς δ' αύτῇ, nämlich der Stadt, ἐστι τὸ Κρόνιον πρὸς τῇ νησῖδι, Mela und Plinius erwähnen ihn nicht), gegenüber der Insel vor dem Festland, d. i. auf dem Trocadero, der προκειμένη νησίς, auf der viele Gaditaner wohnten (s. u.). Er muß also in der Nähe, vielleicht auf der Stelle der ,alten‘ Kathedrale oder Parroquia del Sagrario gelegen haben; nach Überresten ist niemals gesucht worden. Möglich ist, daß Poseidonios wie an der Hafenmole so an der κρηπίς des Kronion die Flutwelle in G. beobachtete, nicht an der des weit entfernten Herakleion, die der Flut in viel geringerem Maße ausgesetzt gewesen sein muß. Groskurd wollte daher den Namen des Tempels ändern (zu Strab. 175); aber vielleicht ist es Strabon, der die Tempel verwechselte (vgl. die Siliusstelle o. S. 444, 18). Auf der entgegengesetzten östlichen Seite der Insel, wo sie am nächsten mit dem Festland zusammenhängt, von dem nur ein Meeresarm von der Breite etwa eines Stadions sie trennt, lag der Heraklestempel (Strab. a. a. O. τὸ δ' Ἡράκλειον ἐπὶ θάτερα τέτραπται τὰ πρὸς ἕω, καθ' ὁ δὴ μάλιστα τῇ ἐπείρῳ τυγχάνει συνάπτουσα ἡ νῆσος ὅσον σταδιαῖον πορθμὸν ἀπολείπουσα. Mela III 46 in altero [cornu] templum Aegyptii Herculis conditoribus religione vetustate opibus inlustre; [449] Tyrii constituere, cur sanctum sit ossa eius ibi sita efficiunt ..., opes tempus aluit), in dem die Gebeine des Herakles beigesetzt sein sollten. Hiermit ist deutlich das Ende der Nehrung bezeichnet, weit außerhalb der Stadt auf der Isla de León, wie auch Varros Vorsichtsmaßregeln zur Sicherung der Schätze des Tempels im Krieg zwischen Pompeius und Caesar beweisen (bell. civ. II 18). Die Entfernung von der Stadt betrug zwölf Millien, die man, also erst in römischer Zeit, mit den zwölf Taten des Herakles verglich (Strab. a. a. O. λέγουσι διέχειν τῆς πόλεως δώδεκα μίλια τὸ ἱερόν, ἴσον ποιοῦντες τὸν τῶν ἄθλων καὶ τὸν τῶν μιλίων ἀριθμόν · ἔστι δὲ μεῖζον, καὶ σχεδόν τὶ τοσοῦτον ὅσον ἐστὶ τὸ τοῦ μῆκους – lies ἐστιν ὁ τοῦ μήκους, nämlich ἀριθμός, oder ὅσον ἐστὶ τὸ μῆκος – τῆς νήσου, μῆκος δ' ἐστὶ τῆς νήσου τὸ ἀπὸ τῆς δύσεως ἐπὶ τὴν ἀνατολήν). Auch die Itinerarien verzeichnen zwölf Millien als die Entfernung von G. ad Herculem (Itin. Ant. 408, 3); der Tempel ist also nicht weit von dem heutigen Chiclana und Fuente Amarga – der Bitterquelle – zu suchen. Doch braucht er nicht gerade auf der Insel vor dem Kanal Sancti Petri gelegen zu haben, wie die einheimischen Autoren annehmen (Müllenhoff D. Altert. I2 135). Reliefbilder mit den zwölf Taten des Herakles, wie sie nur Silius beschreibt (III 32ff. in foribus labor Alcidae) können sehr wohl in der Vorhalle oder auf den Torflügeln angebracht gewesen sein. Im Tempel standen zwei acht Ellen hohe Säulen oder vielmehr Stelen, Pfeiler, auf denen die (ursprüngliche?) Stiftungsurkunde mit der Angabe der Kosten des Baues, natürlich in phönizischer Schrift, verzeichnet war (τὰς στήλας ἐν τῷ Ἡρακλείῳ τῷ ἐν Γαδείροις χαλκᾶς ὀκταπήχεις, ἐν αἷς ἀναγέγραπται τὸ ἀνάλωμα τῆς κατασκευῆς τοῦ ἰεροῦ und III 172 ἡ ἐπιγραφή, ἣν φασιν, οὐκ ἀφίδρυμα ἰερὸν δηλοῦσα, ἀλλὰ ἀναλώματος κεφάλαιον, von Strabon mißverständlich hervorgehoben zur Widerlegung der Ansicht, daß diese Stelen ,die Säulen des Herakles‘ seien). Schwerlich wird sie das Datum der Gründung angegeben haben, auch wenn sie, wie wahrscheinlich, jünger als dieses war. Ägyptisch statt tyrisch wird der hier verehrte Herakles wohl nur nach einer auch sonst vorkommenden Vermischung genannt (Preller Griech. Mythologie II2 169): nach seinem Zuge nach Ägypten sollte Herakles ἐπὶ τὸν πρὸς Γαδείροις ὠκεανόν gekommen sein, dort die Säulen errichtet, einen Teil der Rinderherde zurückgelassen und von den Eingeborenen durch Opfer geehrt worden sein (Diodor. IV 18 nach Timaios?). Bei Philostratos werden zwei daraus, der ägyptische und der thebanische, die beide im Tempel nebeneinander an verschiedenen Altären verehrt worden seien. Was ferner Silius allein vom Tempel berichtet, daß er noch die alten Balken von der Gründung her zeige – es war also wohl ein Holzbau mit Fachwerk – (wie der in Utika), daß Frauen und Schweine ihn nicht betreten durften, daß den Opfernden eine bestimmte Tracht vorgeschrieben sei, daß ein ewiges Feuer auf den Altären erhalten werde und daß es kein Bild des Gottes darin gebe (III 14–31) – alles das braucht nicht auf Erfindung des Dichters zu beruhen, sondern könnte ebenfalls Angaben des Poseidonios oder Varro entnommen sein, die er vielleicht bei [450] Livius fand. Eine Besonderheit des Tempels bildete die von Polybios, Artemidor und Silenos beobachtete Süßwasserquelle darin (s. o.). Poseidonios berichtigte seiner Vorgänger Angaben dahin, daß – zu seiner Zeit – zwei Brunnen im Tempel seien, und erklärte das Ausbleiben und Steigen des Wassers in ihnen auf sehr natürliche Weise (Strab. III 172). Er bemerkte dabei, daß es eine dritte Quelle in der Stadt gebe; dies könnte die noch vorhandene in der alten Kathedrale sein, auch genannt ,zum heiligen Kreuz über den Wassern‘. Auf diese Süßwasserquelle bezieht sich möglicherweise die Notiz bei Plin. II 227 dulcis haustus in mari plurimis locis, ut ... in Gaditano oceano; wenn sie nicht von einer Quelle im Meer selbst zu verstehen ist. Außerdem, fügte Poseidonios hinzu, befänden sich Quellen in den Gärten vor und in der Stadt; doch sammle man, weil das Wasser brakig sei, Grubenwasser in Behältern (Strab. III 173ff.); wie noch heute. Das hohe Ansehen, in dem der Tempel bei den Karthagern wie bei den Römern stand, beweist die ihm von Hannibal, Mago, Scipio und andern römischen Feldherrn bis auf Caesar gezollte Verehrung (Priapea 75, 8 tutela Rhodos est beata Solis, Gades Herculis umidiumque Tibur). Auf Münzen des Hadrian ist, wie es scheint mit Rücksicht auf die hispanische Herkunft des Kaisers, die Tempelcella mit der Statue des Herakles zwischen zwei Hesperiden dargestellt (Florez Medallas Taf. LXII 7–9. Eckhel D. N. VI 504), und auf solchen des Postumus der Kampf mit dem dreileibigen Geryoneus (Cohen Monnaies de l’empire, Postumus n. 53). In Neukarthago war ihm eine Statue gesetzt (CIL II 3409);[1] auch in Carteia und Epora wurde er verehrt (CIL II 1927.[2] 1929. 2162). Unsicher ist, was es damit auf sich hat, wenn arabische Schriftsteller wie Almakari eine Statue des Herakles auf hohem Piedestal in Cadiz schildern (Castro Historia de Cadiz I 1860, 84). Ebensowenig wird es wörtlich zu nehmen sein, wenn Aelian, seiner stoischen Quelle folgend, in der Schrift περὶ προνοίας (frg. 22 Hercher) von G. berichtet, es habe dort Altäre des Jahres, des Monats, des Greisenalters, des Todes, der Armut und der Kunst gegeben (Eustathios zu Dionys. perieg. v. 456).

VIII. Nekropolis.

Die einzigen Reste der phönizischen Stadt, die sich erhalten haben, sind außer den Münzen (s. u.) ein anthropoider Sarkophag aus Sandstein mit Malerei, und zwei, wie es scheint, gleichzeitige Gräber, die im J. 1887 in einer zuerst von den Phoinikern, dann von den Römern benützten Nekropolis vor der Stadt gefunden worden sind, an der Punta de la Vaca vor dem südöstlichen Stadttor am Ende des Isthmus (Berlanga Revista archeologica II, Lissabon 1888, 37ff. und Nuevo bronzo de Italica, Malaga 1891, 289ff. mit Tafeln). Der große steinerne Sarkophag eines bärtigen Mannes, in dem sich ein zweiter hölzerner mit dem wohl erhaltenen Skelett befand, entspricht in der dem menschlichen Körper sich anschließenden Form und Bemalung den bekannten sidonischen und soluntischen Sarkophagen und wird etwa dem 5. Jhdt. angehören. Die beiden anderen Gräber eines Mannes und einer Frau enthielten neben den Skeletten Waffen und Goldschmuck und sind für die [451] der einheimischen Diener des phönizischen Kaufherrn angesehen worden (über die Reste phönizischer Kunst in Iberien siehe meine Ausführungen über die Büste von Ilici. Jahrb. des deutschen archäol. Instituts XIII 1898, 18ff. und über Elfenbeinarbeiten in der Revista de Archivos IV 1900, 338–351).

IX. Fischfang.

Das Münzwappen von G. – über die Münzen s. u. – ist neben dem Herakleskopf mit Löwenfell, wie ihn manche griechische Münzen zeigen, der Thunfisch, einer oder zwei; seltener ein Delphin oder beide Arten von Fischen, ähnlich wie auf den Münzen anderer Küstenstädte. Schon Timaios hatte, vielleicht dem Pytheas folgend, berichtet, die Phoiniker seien mit Ostwind vier Tagereisen weit über die Säulen hinausgesegelt und hätten auf von der Ebbe trocken gelassenen Sandbänken – wohl an der Küste von Afrika – so viel und so große Thunfische gefangen, daß sie sie getrocknet und nach Karchedon gesandt hätten; von da habe man sie ihrer besonderen Güte wegen nicht weiter ausgeführt, sondern am Orte selbst genossen (Θαυμάσια ἀκούσμ. 136. Geffcken Timaios 157, 5). Dann haben Polybios und Poseidonios den Thunfischfang und die Fischpökeleien als eine Hauptreichtumsquelle von G. eingehend beschrieben. Die reichliche Eichelmast, die von den Wäldern von Steineichen an den südlichen Küsten Iberiens ins Meer fiele und durch die Meeresströmung bis an die Küsten von Latium gelange – von naturwissenschaftlicher Seite wird mir bemerkt, daß die Sache aus neuerer Zeit zwar nicht bekannt, aber nicht ganz unmöglich sei –, wäre den Fischen besonders zuträglich gewesen (Polyb. XXXIV 8, 1 = Strab. III 144. 145. Athen. VII 302 c, der auch den Vers des Dichters Theodoridas anführt θὐννοι τε διοιστρήσοντι Γαδείρων δρόμον). Eine besonders große Art von Thunfischen, ὄρκυνος genannt, kam häufig bei den Säulen und bei G. vor nach den von Athenaios angeführten Schriftstellern Dorion und Hikesios (VII 315 c). Noch im 17. Jhdt. trug der Thunfischfang den Herzögen von Medina-Sidonia, die ihn gepachtet hatten, jährlich 30 000, später nur noch 14 000 Duros ein (Concepción Cadiz emporio del orbe, Amsterdam 1690 fol., 86). Bis in dieses Jhdt. war der Thunfischfang bei Cadiz ein beliebtes, wenngleich blutiges und grausames Volksschauspiel. Bekannt ist die Verbreitung des garum, das durch phönizische Handelsgesellschaften gewiß auch von G. aus versendet wurde (s. o.).

X. Macht.

Über die allmähliche Entwicklung von Gadeiras Macht und Reichtum und über ihr Verhältnis zu der jüngeren Schwesterstadt Karthago in Afrika liegen nur vereinzelte, meist auf Timaios zurückzuführende Nachrichten vor. Denn was aus dem Schweigen oder den teilweis interpolierten Angaben des alten Periplus erschlossen worden ist, kann nicht als sicher beglaubigt gelten. Dem Timaios wird die Nachricht verdankt von der Eroberung von Ebusos (s. d.), 160 Jahre nach Karthagos Gründung, also etwa 654 v. Chr., und von der sich daran schließenden Eroberung der Balearen (s. d.) durch den älteren Mago (Diodor. V 16f. Geffcken Timaios 154, 15. Meltzer Gesch. d. Karthager [452] I 192ff.). Nicht in diesen Zusammenhang aber gehört die fabulos klingende Erzählung, die Macrobius aus einer griechischen Quelle, wie Porhyrios oder Iamblichos, diese aber vielleicht aus Timaios schöpften oder aus einem seiner Ausschreiber. Theron, so heißt es, ein König des diesseitigen Hispaniens – der Name mag auf einer Angleichung an den des Tyrannen von Akragas beruhen (vgl. auch Geron) –, greift wutentbrannt den Heraklestempel an und wird nach zuerst unentschiedenem Kampfe durch die Kriegsschiffe der Gaditaner in die Flucht geschlagen. Seine Schiffe – der Angriff war natürlich zur See erfolgt – geraten in Brand, da, wie die wenigen am Leben gebliebenen Kriegsgefangenen aussagen, Löwen vom Bugspriet der gaditanischen Schiffe auf die des Königs Feuerstrahlen ausgesendet hätten, wie man sie um das Haupt des Helios zu malen pflege (Macrob. Sat. I 20. 12). Man könnte an die Naturerscheinung des St. Elmsfeuers denken. In dieser Erzählung aus unbestimmt alter Zeit – sie erinnert an die von den Königen der Kyneten (s. d.) Habis und Gargoris bei Trogus-Iustin (XLIV 4, 1–4), die Timagenes (C. Wachsmuth Rh. Mus. XLVI 1891, 465ff.) auch aus Timaios entnommen haben mag – ist G. wohl noch als ganz unabhängige Macht gedacht. Kämpfe mit einheimischen Fürsten und Völkerstämmen, wie die im Periplus des Avien von den Kempsern berichteten (s. d.), werden der Kolonie zu keiner Zeit gefehlt haben. Oft ist neuerdings die bei den griechischen Kriegsschriftstellern erhaltene Nachricht besprochen worden, wonach die Karthager G. belagert und bei der Gelegenheit den Sturmwidder erfunden haben sollen (Athen. περὶ μηχανημ. 9 Wescher und Vitruv. X 19). Die Zeit dieser Belagerung ist ebenfalls nicht überliefert; Müllenhoff sah darin eine Folge des Einbruchs der Kelten in Iberien um 500 v. Chr. (D. Altert. Ι² 109). Der beginnende Widerstand der Westphoiniker gegen die vorschreitende griechische Seemacht im 7. Jhdt. (Meltzer I 152ff.) und der Sturz der Macht von Sidon und Tyros in der zweiten Hälfte des 7. Jhdts. sind mit größerer Wahrscheinlichkeit damit in Verbindung gebracht worden. Die ebenfalls neuerdings oft erörterte Frage, seit wann und in welcher Eigenschaft Karthago Söldner für sein Heer aus Iberien bezogen habe, kann hier unerörtert bleiben, da die Bewohner phönizischer Städte dafür wohl kaum in Betracht kommen. Daß Schiffe von Gadeira an Karthagos Unternehmungen zur See freiwillig oder gezwungen teilgenommen haben, wird nicht geleugnet werden können; seit wann es geschehen ist, dafür fehlen alle Nachrichten. Das einzige annähernd sichere Datum für den Beginn von Karthagos Einfluß auf G., wenn auch nicht für seine Unterwerfung, bilden die nach dem karthagisch-sizilischen Fuß geschlagenen Münzen von Ebusos und G.

XI. Münzen.

Bis etwa in das 6. Jhdt. hinauf reichen die Silberdrachmen und Kupferstücke mit phönizischer Aufschrift von G., von denen über 80 Varietäten bis zu den kleinsten Fraktionen der Obole herab in Mengen vom Meere ausgespült und sonst in und bei der Stadt gefunden werden (Mon. ling. Iber. nr. 154. Delgado Medallas autónomas II Sevilla 1876, 33ff. [453] Taf. XXV–XXIX), übrigens mit ihnen auch zahlreiche fast aller griechischen Kolonien am Mittelmeer, besonders der italischen und sizilischen (vgl. Emporion), sowie jüdische Schekel. Leider liegen über die Funde fremder Münzen keine Aufzeichnungen vor; aber einer der eifrigsten Sammler in Cadiz, Hr. Manuel Ruiz Clull, versicherte, daß ihm viele der Art durch die Hände gegangen seien. Die Aufschrift der Münzen von G. lautet in phönizischer Schrift agdr oder gdr; voran geht öfter ein Wort, das auch auf phönizischen Münzen aus Afrika vorkommt und wahrscheinlich Stadtgemeinde oder Magistrat bedeutet, aber noch nicht sicher erklärt ist, während über Lesung und Deutung des Stadtnamens kein Zweifel herrscht (s. o.). Die Goldprägung behielt sich, wie bekannt, Karthago vor; die ältesten Silberdrachmen sind die von Ebusos mit dem hockenden Baal (Mon. ling. Iber. nr. 112). Dann folgen die von G., die 10 g (Doppelstücke), 5 g, 2,50, 0,40, 0,20, 0,10 g wiegen, mit dem dazu gehörigen Kupfer (Mon. ling. Iber. p. 4 und nr. 154 a, b; die kleinsten schriftlos). Die jüngeren darunter reichen herab bis auf die Punischen Kriege. In der oben erwähnten Nachricht, daß die Phoiniker von G. ihre Thunfische nach Karchedon zu schicken unterließen, liegt nur ein Hinweis auf Handelsbeziehungen, die selbstverständlich sind, nicht auf Abhängigkeit. Auch das Münzsystem schließt eine solche nicht in sich (über die römischen Münzen s. u.).

XII. Herrschaft über das Festland.

Leichter ist es, festzustellen, wie weit sich der Einfluß von G. auf das iberische Festland erstreckt hat. Die Verschiffung des Silbers den Tartessosfluß abwärts gab wohl den ersten Anlaß zum Betreten des Festlandes überhaupt; in G. erfuhr Pytheas zuerst Genaueres über die Gewinnung und die Herkunft des tartessischen Silbers (s. o.). Die ausdrückliche Angabe des Periplus, daß Erytheia den Phoinikern gehöre (Avien. or. mar. 310 iuris olim Punici, habuere quippe eam Carthaginis priscae coloni, ἄνδρες Καρχηδόνιοι – wenn der Ausdruck nicht dem Avien zur Last fällt –, wie 114 Carthaginis coloni), ist ein Beweis dafür, daß zur Zeit der Abfassung des Periplus die Griechen keinen Unterschied machten zwischen tyrischen und karthagischen Phoinikern. Dazu stimmt, daß man den Herdenreichtum der Stadt sogar zur Deutung des Namens verwendete (s. o.); ebenso, daß Polybios auf dem Markt von G. neben den Fischen Wild und Feldfrüchte in so großer Menge sah (o. S. 451). Manches von dem über die punische Landwirtschaft aus den Schriften des Hamilkar und Mago Berichteten bezieht sich vielleicht gerade auf das Gebiet von Tartessos. Des aus G. gebürtigen Columella Oheim war ein doctissimus et diligentissimus agricola provinciae Baeticae (Col. II 16, 4. V 5, 15) im municipium Gaditanum (VII 2, 4). Poseidonios schilderte die fetten Weiden auf dem Gelände von Erytheia, die zur Erfindung des Mythos von den Rinderherden des Geryoneus geführt hätten; die Milch der dort weidenden Schafe gäbe keine Molken und müsse zur Käsebereitung mit Wasser gemischt werden; das trockene Futter mache die Schafe so fett, daß sie nach fünfzig Tagen erstickten, [454] wenn man nicht zur Ader lasse (Strab. III 169). Durch Mela – Plinius hat diese Angaben übergangen – wird aus gleicher Quelle der Reichtum an Getreide bezeugt (III 47 Erythia ... aliaeque [insulae] adeo agris fertiles, ut cum semel sata frumenta sint, subinde recidivis seminibus segetem novantibus septem minime, interdum plures etiam messes ferant). Es ist sehr wahrscheinlich, daß die weiten Niederungen des Tartessosdeltas für Feldwirtschaft, Jagd, Holzschlag zum Schiffsbau und Salzgewinnung für die Pökeleien den reichen Handelsherren von G. seit alter Zeit dienstbar waren (s. o. S. 441). Darauf bezieht sich wohl die etwas dunkle Bemerkung bei Strabon (a. a. O.) κοινῇ συνώκισται πᾶς ὁ αἰγιαλός; Groskurd nahm vorher eine Lücke an, worin der Privatbesitz einzelner Bürger dem gemeinsamen Weideland gegenübergestellt worden sei.

XIII. Abhängigkeit von Karthago.

Die bekannte Politik der Barkiden, die zu der Gründung des iberischen Kolonialreichs führte, setzt eine mehr oder minder feste Abhängigkeit von G. den Karthagern gegenüber voraus; sie muß wenigstens im 3. Jhdt. als erreicht angesehen werden. Es ist nur ein Zufall, daß G. in den erhaltenen Teilen von Polybios Geschichtswerk nicht genannt wird außer in dem geographischen Buch XXXIV. Aber auch in seiner auf Fabius Pictor und Silen beruhenden Darstellung der römisch-karthagischen Kriege ist G. gewiß als Ausgangspunkt von Hamilkars Unternehmungen (Diodor. XXV 10, 1 Ἁμίλκας ... ἐς τὰ Γάδειρα ... κατέπλευσεν · ἔστι δὲ τὰ Γάδειρα πόλις ἄποικος Φοινίκων · κεῖται μὲν εἰς τὰ ἔσχατα τῆς οἰκουμένης κατὰ αὐτὸν τὸν ὠκεανόν, ὅρμον ἔχουοα; Appian. Hisp. 5; Hannibal. 2) und von Hannibals Heereszug im J. 536 d. St. = 218 v. Chr. bezeichnet worden, wie bei Livius (XXI 21, 9); Hannibal stellt sein Unternehmen unter den besonderen Schutz des Herakles von G. Nachher ist G. Rückzugsort des Hasdrubal im J. 548 d. St. = 206 v. Chr. und des Mago (Liv. XXVIII 16, 8. 13 aus Polybios. Appian. Hisp. 28. 31). Schon damals aber trat der Gegensatz der Interessen zwischen G. und Karthago hervor. Überläufer aus G. erbieten sich, den Mago und die punische Besatzung auszuliefern (Liv. XXVIII 23, 6). Marcius und Caelius brechen dahin auf; auch Masinissa kommt aus Afrika herüber (Liv. XXVIII 35, 2. Appian. Hisp. 37). Mago plündert darauf, ehe er mit der Flotte nach Karthago zurückkehrt, den Schatz und die Tempel von G. und legt den Bürgern eine hohe Kriegssteuer auf (Liv. XXVIII 36, 1), wird nachher nicht wieder in die Stadt hineingelassen, lockt die Sufeten heraus und läßt sie kreuzigen (37, 1–3) – die einzige erhaltene Andeutung über die der karthagischen analoge Verfassung der Stadt –, und gibt so den unmittelbaren Anlaß zu ihrer Unterwerfung unter die römische Herrschaft bald nach dem J. 548 d. St. = 206 v. Chr. (Liv. XXVIII 37, 10).

XIV. Unterwerfung durch Rom.

So gelangt der ältere Scipio als der erste römische Feldherr siegreich ad Gades et oceani ora (Flor. I 33, 7). Das wohl schon damals stark vertretene griechische Element in G. wird zu der Annäherung an Rom als Schutzmacht gegen die Punier [455] beigetragen haben. Dennoch war es wohl hin und wieder nötig, oder von der Stadt weniger günstigen Proconsuln verfügt worden, daß ein römischer Praefect sie mit Truppen besetzt hielt. Denn nach dem Bericht bei Livius vom J. 555 d. St. = 199 v. Chr. wird den Gaditanern auf ihre Bitte die römische Besatzung erlassen als der Bestimmung des foedus widersprechend (XXXII 2, 5 Gaditanis petentibus remissum ne praefectus Gades mitteretur adversus id quod iis in fidem populi Romani venientibus cum L. Marcio Septimo convenisset). In den Feldzügen des Lucullus in den J. 603/4 d. St. = 151/50 v. Chr. wird G. nur nebenher erwähnt (Appian. Hisp. 59). Q. Fabius Maximus Aemilianus beginnt den Feldzug gegen Viriat vom J. 609 d. St. = 145 v. Chr. von G. aus, wie sein Vorfahr Scipio, nach Opfern für den Herakles (Appian. Hisp. 65). Auch Sertorius scheint von G. aus seine Fahrt nach den Inseln der Seligen angetreten zu haben (Plut. Sertor. 8 διεκβαλὼν τὸν Γαδειραῖον πορθμόν). Dann erscheint G. wiederum in Caesars Kriegen mit Pompeius in hervorragender Bedeutung. Wir erfahren durch Caesar selbst, daß Varro, im J. 705 d. St. = 49 v. Chr. Legat des Pompeius in der Ulterior, obgleich erst dem Caesar freundlich gesinnt, dann eifrig gegen ihn rüstete, als sich das Glück auf die Seite des Pompeius zu neigen schien. Er läßt von den Gaditanern zehn Kriegsschiffe bauen, alles Geld und die ornamenta aus dem draußen liegenden Heraklestempel in die Stadt schaffen, setzt den C. Gallonius mit sechs Cohorten als Praefecten ein, in dessen Haus alle Waffen aus privatem wie öffentlichem Besitz gebracht werden müssen. Nach starken Kontributionen, die er der überwiegend dem Caesar günstig gesinnten Provinz auferlegt, beabsichtigt er, sich mit zwei Legionen, allen Vorräten und Schiffen in G. festzusetzen, da er sich dort mit den nötigen Vorräten halten und den Krieg hinziehen zu können glaubte (bell. civ. II 18 in insula frumento navibusque comparatis bellum duci non difficile existimabat). Aber die Gaditaner nötigen im Einverständnis mit den Tribunen der Garnison den Gallonius, sie zu verlassen, da sie die Stadt und die Insel dem Caesar ausliefern wollen. Als nun die eine der beiden Legionen des Varro, die vernacula, ihm ins Angesicht den Gehorsam kündigt und nach Hispalis zieht, so muß er sich und die andere Legion nebst allem, was er sonst an Truppen, Geld und Schiffen hatte, dem Caesar übergeben (20). Caesar dankt in Corduba den Gaditanern für ihre Treue und geht selbst nach G., wo er Geld und Schätze in den Heraklestempel zurückbringen läßt (21).

XV. Verfassung.

Daß bald nach der Vertreibung der Karthager aus Hispanien ein besonderes foedus mit G. geschlossen worden (s. das oben angeführte Zeugnis bei Liv. XXXII 2, 5), geht auch aus Ciceros Rede für den älteren Balbus hervor (8, 19ff.). Er ist der von Cicero in einem Brief an Atticus erwähnte Gaditaner, der von Theophanes von Mitylene, dem Freund des Pompeius, sich adoptieren ließ (ad Att. VII 7, 6). Über den älteren Balbus und das Stadtrecht von G. handeln mehr oder weniger eingehend nach Drumann (II 574ff.) J. Hoche (De L. C. B. I, Roßleben 1882), E. Jullien (De L. C. B. maiore, [456] Paris 1886) und A. Gasquy (De Ciceronis pro L. C. B. oratione sive de civitatis iure ex Ciceronis libris, Paris 1886). Ihm, der schon lange Patron der Gemeinde gewesen, war von dem großen Pompeius, unter dem er in Hispanien gedient hatte, de consilii sententia singillatim (pro Balbo 18, 41) das römische Bürgerrecht verliehen worden (Plin. n. h. V 36 Cornelio Balbo, dem jüngeren, Gadibus genito civitas Romana cum Balbo maiore patruo data est). Sein Gegner, ein unbekannter Gaditaner, bestritt die Gültigkeit dieser Bürgerrechtserteilung (negat ex foederato populo quem potuisse, nisi is populus fundus factus esset, in hanc civitatem venire). Cicero führt aus, daß schon nach dem Tode der beiden älteren Scipionen L. Marcius ein Bündnis mit G. geschlossen haben solle – er meint damit das oben erwähnte Bündnis vom J. 548 d. St. = 206 v. Chr. – und daß dies Bündnis unter Sulla im J. 676 d. St. = 78 v. Chr. erneuert worden sei (pro Balbo 15, 34 quod foedus – nämlich das ältere – cum magis fide illius populi, iustitia nostra, vetustate denique ipsa quam aliquo publico vinculo religionis teneretur – eine Urkunde darüber fehlte also wohl –, sapientes homines et publici iuris periti Gaditani M. Lepido Q. Catulo cos. a senatu de foedere postulaverunt; tum est Gaditanis foedus vel renovatum vel ictum). Von diesem Jahre erst, in dem manche foedera geschlossen worden sind, datiert das Recht von G. als eine civitas foederata; ob auch libera, ist nicht gesagt, aber wahrscheinlich. Cicero erwähnt dabei, daß schon Sulla einem Bürger von G. das römische Bürgerrecht verliehen habe, dessen einheimischer oder griechischer Name verderbt überliefert ist (pro Balbo 22, 50 erosnovem die Hss., Herogenem? Herosigenem?), und ebenso P. Licinius Crassus einem Hasdrubal aus G., also wohl einem Karthager (22, 51 Gaditamem Asdrubalem ex bello illo Africano). Besonders hebt er hervor, daß Caesar, dessen Praefectus fabrum Balbus wiederholt gewesen – er wird als reicher Rheder auch für die Flotte des Caesar gesorgt haben (28, 63) – während seiner Praetur in der jenseitigen Provinz die Stadt G. vielfach ausgezeichnet habe (19, 43 quantis ornamentis ... adfecerit, controversias sedarit, iura ipsorum permissu statuerit – er wird ihnen vielleicht ein Stadtrecht gegeben haben – inveteratam quandam barbariem – d. h. punische Sprache und Sitte – ex Gaditanorum moribus disciplinaque delerit, summa in eam civitatem huius – des Balbus – rogatu studia et beneficia contulerit). Damals blieb G. also noch eine civitas libera ac foederata. Aber nach Beendigung des Krieges gegen Pompeius verlieh Caesar der Gemeinde durch ein besonderes Gesetz das römische Bürgerrecht (Liv. epit. CXI Varrone cum exercitu in potestatem suam redacto Gaditanis civitatem dedit. Flor. II 13, 29 ultro cedente Varrone Gades fretum oceanus omnia felicitatem Caesaris sequebantur. Dio XLI 24, 1 τοῖς Γαδειρεῦσι πολιτείαν ἅπασιν ἔδωκεν, ἣν καὶ ὁ δῆμός σφισιν ὕστερον ἐπεκύρωσε); was nicht unbedingt ein Vorteil war. Im letzten Kriege des Caesar gegen die Söhne des Pompeius verfolgt Caesars Legat C. Didius von G. aus mit der Flotte den nach der Schlacht bei Munda fliehenden [457] Cn. Pompeius, der in der Nähe von Carteia im Kampf mit einheimischen Gegnern seinen Tod findet (bell. Hisp. 37, 2. 40). Caesar selbst hat damals im J. 709 d. St. = 45 v. Chr. in G. geweilt (bell. Hisp. 39, 3. 40, 7. 42, 1).

In den Kommentarien des Agrippa erscheint daher G. als oppidum civium Romanorum, qui appellantur Augustani urbe Iulia Gaditana (Plin. IV 119); Augustus hatte ihr also außer dem väterlichen auch noch seinen Namen gegeben, wie anderen hispanischen Städten (Col. VIII 16, 9 in nostro Gadium municipio). Dies bestätigen die römischen Münzen der Stadt und die dort gefundenen inschriftliehen Denkmäler. Auf den römischen Kupferassen erscheint zunächst noch der alte Herakleskopf (s. o.) und der Name des jüngeren Balbus als Pontifex mit den Abzeichen des Pontificats; dann der des Augustus divi f. und ein Donnerkeil als Zeichen der Apotheose und der des Agrippa cos. III mit der Beischrift municipi parens oder patronus und dem Schiffsschnabel; G. scheint darnach durch Agrippa Flottenstation geworden zu sein. Dann folgt der Kopf des Augustus und ein viersäuliger Tempel – wahrscheinlich ein ihm selbst errichteter – nebst den Köpfen der beiden Caesaren Gaius und Lucius, und endlich der des Tiberius, noch vor der Adoption mit dem simpulum; damit endet die Münzprägung von G. (Mon. ling. Iber. nr. 154 a). Es entspricht der Bedeutung der Stadt, daß sie nach der Augusteischen Einteilung zugleich Hauptstadt des einen der vier Gerichtsbezirke der Provinz Baetica ist (Plin. III 7. 15). Die Inschriften nennen das municipium Augustum Gaditanum – der Name urbs Iulia erscheint nicht wieder – und die üblichen Magistrate mit dem Augustalencollegium (CIL II p. 229.[3] 873. Index p. 1145. Ephem. epigr. VIII p. 392). Daß König Iuba von Mauretanien einmal Duovir in G. war, wie Ptolemaios in Carthago nova (s. d.), erfahren wir von Avien (or. mar. 277–283).

XVI. Blüte.

Auf die Augusteische Zeit geht Strabons Schilderung der Stadt, obgleich in ihr auch Älteres, aus Poseidonios Entlehntes eingemischt ist (III 168–175). Gegen das Ende der Republik und im Anfang der Regierung des Augustus scheint G. den Höhepunkt seiner Blüte erreicht zu haben, ein paar Jahrhunderte wenigstens hat sie gedauert. Strabon hebt hervor, daß die Gaditaner, obgleich sie nur eine kleine Insel bewohnten und nicht viel vom Festland oder von anderen Inseln besäßen, die größten Schiffsrheder seien auf dem inneren wie auf dem äußeren Meer; daher er G. τὰ μέγιστα τῶν ἐμπορίων nennt (Strab. III 160). Karthagos Fall wird der alten Rivalin besonders zugute gekommen sein. Doch lebten die Gaditaner – er gebraucht hier wohl schon nach Poseidonios Vorgang überall das lateinische Ethnikon – meist auf dem Meer, wenige hielten sich in Rom auf. An Bevölkerungszahl aber stehe G. keiner Stadt nach außer Rom; in einem Census seiner Zeit seien 500 von ihren Bewohnern mit dem Rittercensus eingeschätzt worden, so viele wie selbst in keiner italischen Stadt, außer in Patavium. Zu der kleinen alten Stadt habe Balbus der Triumphator, d. i. der jüngere Balbus, die Neustadt hinzugefügt, die wohl den nördlichen Teil der Nehrung umfaßte, da wo jetzt der Bahnhof [458] liegt. Beide zusammen bildeten die Doppelstadt, nicht mehr als zwanzig Stadien im Umfang, aber ausreichend, weil eben viele ihrer Bewohner stets auf der See seien, einige aber auch auf dem Festland wohnten. Und zwar werde dafür die der Doppelstadt gegenüberliegende kleine Insel, gleichsam eine ἀντίπολις, bevorzugt, wegen ihrer Annehmlichkeit und Fruchtbarkeit (διὰ τὴν εὐφυίαν): damit kann nur die zwischen der Lagune von Puerto Real und der Guadaletemündung weit vorspringende Landspitze gemeint sein, auf der sich der Trocadero befindet, d. h. der Platz für den Warenaustausch, nach dem der Pariser seinen Namen führt. Doch wohnten verhältnismäßig nicht viele dort und auch nicht an dem Hafenplatz, dem ἐπίνειον, den Balbus ihnen auf dem jenseitigen Ufer des Festlandes erbaut habe (ἐν τῇ περαίᾳ τῆς ἐπείρου). Damit ist der portus Gaditanus des Mela (III 4, bei Plinius übergangen, der dafür das sonst nicht bekannte litus Curense an jener Stelle nennt) und der Itinerarien bezeichnet (Itin. Vicarell. ad portum. Itin. Ant. 409, 3 portu Gaditano. Geogr. Rav. 306, 4 Caditana portum).

Über den jüngeren Balbus, der sich zumeist in seiner Heimatstadt aufgehalten zu haben scheint, seinen Quaestor in der Ulterior, enthält der zornige Brief des Asinius Polio an Cicero vom J. 711 d. St. = 43 v. Chr. auch manches für G. Lehrreiche (ad fam. X 32, 1–4). So z. B., daß er bei den Spielen, die er mit großer Pracht in G. gab, am letzten Tag den gallischen Schauspieler Herennius in den Ritterstand erhob – wie Caesar einst den Laberius –, indem er ihm den goldenen Ring gab und ihn auf die XIV gradus führte; er hatte also ein Theater erbaut, wohl nur aus Holz, mit vierzehn Sitzstufen, wie in Rom, für die in G. ja so zahlreichen Ritter. Ferner wie er einen Soldaten Fadius, der als Gladiator hatte auftreten müssen, grausam getötet und, als man ihn deshalb mit Steinen warf, gallische Reiter gegen das Volk habe einreiten lassen. Die gallischen Reiter werden also zu einer, wiederum, wie früher, wenn auch nur zeitweise dort liegenden Besatzung gehört haben, der er noch dazu den Sold vorenthielt. Die dritte gallische Cohorte wird später noch in Italica und Hispalis erwähnt (CIL II 1127.[4] 1180). Wie er einen römischen Bürger, einen circulator auctionum, bloß weil er häßlich war, den Tieren in der Arena habe vorwerfen lassen. Wie er das Amt als Quattuorvir, das er bekleidete, willkürlich verlängert und andere Ungesetzlichkeiten begangen habe, endlich dann mit seinen Schätzen zum König Bogud nach Numidien entflohen sei. Später lebte er dann in Rom, erreichte das Consulat (im J. 714 d. St. = 40 v. Chr.) und den Triumph und hinterließ dem Volk ein Legat von je 25 Denaren (Dio XLVIII 32, 2).

XVII. Bauten.

Außer dem Tempel des Augustus auf den Münzen (s. o.) wird auf einer Inschrift einer der Minerva erwähnt (CIL II 1724).[5] Reste eines vielleicht noch im 1. Jhdt. erbauten Amphitheaters sind nach den Lokalhistorikern im 16. Jhdt. im Garten der Kapuziner bei der Kapelle von Santa Catalina und der Casa de Folago, an der Südküste der Insel, gesehen worden. G. erscheint seitdem als Endpunkt der [459] großen römischen Straße, die von dem Tropäum des Pompeius auf den Pyrenäen bis zur Grenze der Ulterior bei Castulo und Obulco und von da nach Corduba und G. führte (Strab. III 160 nach Poseidonios). Vom Ianusbogen auf der Brücke über den Baetis bei Ostigi zählen die Meilensteine der von Augustus vollendeten Via Augusta usque ad oceanum (CIL II 4701.[6] 4703–7415; vgl. den Art. Baetis). G. wird nicht auf ihnen genannt; also endete die Straße wahrscheinlich in dem ἐπίνειον des Balbus gegenüber der Stadt, obgleich die Insel längst durch die Nehrung zu einer χερρόνησος geworden war. Daher werden in den Itinerarien von G. selbst gezählt bis zur Brücke zwölf Millien (Itin. Ant. 409, 1), bis zum Hafen 24 (Itin. Vicarell., das Itin. Ant. 409, 3 zählt zwei Millien mehr, von der Brücke noch 14. Geogr. Rav. 306, 3. 4). Diese Brücke wird an derselben Stelle gesucht, wo sich die moderne, nach ihrem Erbauer Puente de Zuazo genannte befindet, östlich von San Fernando, da sie den einzig möglichen Zugang zur Isla de León bildet; doch ist die Identifizierung unsicher, wenn auch wahrscheinlich. An der Küste entlang führte eine zweite Straße von G. nach Malaca (Itin. Ant. 405, 7), deren erste Station der Herkulestempel war (408, 3). Von den Hafenbauten, dem χῶμα ὃ τοῦ λιμένος πρόκειται τοῦ ἐν Γαδείροις des Poseidonios (Strab. III 175), sollen unter dem Meeresspiegel zwischen dem Tor von San Carlos und der Spitze von San Felipe Fundamente sichtbar sein.

XVIII. Ausfuhr.

Von der Ausdehnung des Handels von G. hatte schon Poseidonios einen Beweis mitgeteilt: Eudoxos von Kyzikos brachte von seiner Fahrt nach Libyen das Bugspriet (ἀκρόπρωρον) eines Schiffes mit, das die Schiffer in Alexandria als herrührend erkannten von einem der aus G. nach Maurusien bis zum Flusse Lixos und darüber hinaus auf Fischfang aussegelnden Schiffe (Strab. III 99). Der Ocean bei G. galt für reich an den größten Meertieren (Avien. or. mar. 204. 410. Skymnos 161 Γάδειρ', ὅπου μέγιστα γίνεσθαι λόγος κήτη). An den oceanus Gaditanus knüpfen sich auch aus späterer Zeit noch Berichte über Walfische, die man nicht ante brumam zu sehen bekomme (Plin. IX 8. 11. 12, zum Teil nach Turranius); auch ein homo marinus fehlt darunter nicht (IX 10). Noch bei Iuvenal ist ein Nachklang davon (14, 283 oceani monstra). Von den Thunfischen und von den seit dem 5. Jhdt. auch in Athen berühmten Fischpökeleien von G. ist schon gesprochen worden (o. S. 441, 58). Columella hebt den faber oder Sonnenfisch hervor, qui et in nostro Gadium municipio generosissimis piscibus adnumeratur eumque prisca consuetudine zeum appellamus (VIII 16, 9; darnach Plin. IX 68).

Einen weiteren Begriff von der Ausfuhr aus Baetica, die natürlich meist über G. ihren Weg nahm, gibt die ungeheure Masse der großen römischen Tongefäße, in denen Getreide, Öl, Wein und andere Erzeugnisse des reichen Landes seit dem 1. und ganz besonders im 2. Jhdt. bis in die Mitte des 3. in steigender Menge nach Rom gelangten. Denn ausschließlich aus den Scherben dieser Amphoren und Dolien ist der ,Scherbenberg‘ am Tiberufer in Rom entstanden, während [460] Verschiffungen gleicher Art auch an die Rhone- und Rheinmündungen, an die Westküste Galliens und bis nach Britannien gingen (H. Dressel Ricerche sul monte Testaccio in den Annali dell’ Instituto archeol. 1878, 118ff.; in den Bonner Jahrb. XCV 1894, 66ff. CIL XV p. 491ff.[7] und meine Abhandlung im Boletin der Madrider Akademie der Geschichte XXXIV 1899, 465–503, XXXVI 1900, 402–408). Eine beträchtliche Zahl von ihnen trägt die Herkunftsbezeichnung Portus, die nur von dem Hafen von G. verstanden werden kann, in Aufschriften (CIL XV 3826[8] Portense. 3976. 4371 at Portu(m). 4384 Portu) und Stempeln (CIL XV 2647.[9] 2870. 2939. 2940. 2990. 3004. 3133. 3172 Portu); auf einigen Stempeln Porto populi (CIL XV 3094[10] a-c, auf anderen gleichartigen Porto allein, 3094 d–l, oder populi allein, 3094 m–p); welcher Hafen damit gemeint sei, ist unbekannt.

XIX. Flora.

In den Gärten von G. ist schon im Altertum, wie noch heute, den Besuchern die üppige Vegetation aufgefallen, die von der milden Seeluft besonders gefördert wird. Poseidonios beschrieb einen Baum daselbst, dessen Zweige oft bis zur Erde niedergebogen seien, mit schwertförmigen, eine Elle langen und vier Finger breiten Blättern; er trage Früchte und aus den abgebrochenen Zweigen quelle Milch hervor, aus der Wurzel, wenn man sie anschneide, ein roter Saft (Strab. III 175 μιλτῶδες ὑγρόν). Die Identifizierung ist den Botanikern, die ich befragte, nicht möglich gewesen. Bei Philostratos ist daraus, wie es scheint, der goldene Ölbaum des Pygmalion entstanden, den er in das Herakleion setzt (Apoll. vit. V p. 87 Kayser). Sehr große und alte Drazänen von angeblich 1000 und 500 Jahren wurden in G. gezeigt. Was es mit dem Gaditanus lapis des Isidor auf sich hat (orig. XIX 10, 7), weiß ich auch nicht zu sagen.

XX. Bekannte Gaditaner.

Gebürtig aus G. von literarisch tätigen Männern, waren außer L. Iunius Moderatus Columella (Teuffel Röm. Lit.5 713; s. o. S. 453, 57) der mit ihm verwandte Pythagoreische Philosoph Iunius Moderatus (Plut. quaest. conv. VIII 7, 1. Steph. Byz. s. Γάδειρα. Porphyr. vit. Plotini 48. Bücheler Rh. Mus. XXXVII 1882, 335), der Dichter Canius Rufus (Martial. I 61, 9. III 20. 64, 6. VII 69. 87, 2. X 48, 5. Hieron. epist. 49. Teuffel Röm. Lit.5 795; ein unbekannter poeta Gaditanus bei demselben Martial. X 102, 3). Wahrscheinlich auch der von Plinius öfter erwähnte Schriftsteller Turranius Gracilis (III 3 a vico Mellaria ..., auctore Turranio Gracile iuxta genito), der über Landbau und Fische geschrieben hatte (Plin. auct. zu III u. IX; IX 11. XVIII 75; vielleicht der Praefectus annonae unter Tiberius. Teuffel Röm. Lit.5 211; vgl. Prosopogr. III 244 nr. 298). Im 1. Jhdt. ist G. wegen seiner üppigen Tänze und Lieder berühmt (Martial. I 61, 9 iocosae Gades. III 63, 5 cantica Gaditana. V 78, 26. VI 71. XIV 203; vgl. I 41, 12 der Tanzmeister; Iuven. 11, 162. Plin. epist. I 15, 2).

XXI. Inschriften.

Die Inschriften von G. sind im übrigen zwar zahlreich, aber von wenig bedeutendem Inhalt, meist kleine Marmortäfelchen aus der oben (S. 450) genannten Nekropole, die in der Weise der stadtrömischen Kolumbarientäfelchen [461] nur den Namen des Verstorbenen mit stets wiederkehrenden Formeln enthalten (carus suis, h. s. e. s. t. t. l.). Ein griechischer Rhetor (CIL II 1738),[11] ein Augenarzt (1737) – die Blendung durch das Sonnenlicht auf dem Meer gilt noch heute für schädlich – ein marmorarius (1724) – sollte schon damals wie heut italischer Marmor aus Genua eingeführt worden sein? –, eine [pur]peraria (1743), ein testamentarius (1734) werden darin genannt. Die kleinen Täfelchen sind zum Teil in größere Blöcke des am Orte brechenden Muschelkalks eingefügt. Bemerkenswert ist, daß die einzige größere Basis einer Statue des Commodus, gesetzt von der res publica Gaditana, auf dem Festland, in Chiclana gefunden ist (CIL II 1725);[12] wohin der große Stein schwerlich über das Meer aus G. selbst gelangte. Auch fand sich in dem ziemlich entfernten Asido die Statuenbasis eines Duovir von G., die ihm zwar in dieser Stadt gesetzt worden sein kann, aber vielleicht auch vom Festland des gaditanischen Gebietes stammt (CIL II 1313).[13] Diese beiden Inschriften scheinen also die uralte Ausdehnung des Stadtgebietes auf das Festland als noch in römischer Zeit bestehend zu bestätigen; das ἐπίνειον des Balbus wird auf städischem Boden angelegt worden sein (s. o.). Noch heute stehen in enger Verbindung mit der Inselstadt die großen Hafenanlagen und Salinen um die weite Bucht von der Isla de León im Südosten bis nach Rota im Nordwesten, San Fernando, San Carlos und La Carraca, der königliche Hafen (Puerto Real) und der Tauschplatz (Trocadero); endlich der große Hafen von Santa Maria an der Mündung des Guadalete, die vielleicht eine der drei alten Baetismündungen ist.

XXII. Verfall.

Im 4. Jhdt. schildert Avien den tiefen Verfall der Stadt (or. mar. 271 nunc egena, nunc brevis, nunc destituta, nunc ruinarum agger est); doch sah er noch den Gottesdienst im Herculestempel (273 Herculaneam sollemnitatem).

Auffällig ist, daß aus christlicher Zeit nicht der geringste Rest in oder bei G. sich erhalten hat. Im J. 420 unter Honorius geht der Westgotenkönig Vallia auf der Überfahrt nach Afrika durch Sturm zugrunde in XII m. p. Gaditani freti (Oros. VII 43, 11). Das ist die letzte Nachricht über G. aus dem Altertum; erst im Mittelalter, seit dem Einfall der Araber in die Halbinsel, gewinnt es erneute Bedeutung.

Anmerkungen (Wikisource)

[Bearbeiten]
  1. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 3409.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1927.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 229.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1127.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1724.
  6. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4701.
  7. Corpus Inscriptionum Latinarum XV, 491.
  8. Corpus Inscriptionum Latinarum XV, 3826.
  9. Corpus Inscriptionum Latinarum XV, 2647.
  10. Corpus Inscriptionum Latinarum XV, 3094.
  11. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1738.
  12. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1725.
  13. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 1313.