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MKL1888:Festung

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Festung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 179188
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Festung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 179–188. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Festung (Version vom 15.10.2022)

[179] Festung,[WS 1] ein im Frieden mit allen erreichbaren Mitteln derart befestigter Ort, daß er gegen einen mit allen Angriffsmitteln ausgerüsteten, der Zahl nach überlegenen Gegner nachhaltig verteidigt werden kann (s. Festungskrieg). Die Anlage, die Erbauung einer F. geschieht nach gewissen Grundsätzen, die mit den jeweiligen Waffen und bautechnischen Hilfsmitteln in Wechselbeziehung stehen, und die in der Lehre von der beständigen Befestigung zu einer besondern Wissenschaft ausgebaut sind. Zweck der F. kann sein: eine Schutzwehr für militärische Fabriken (Artilleriewerkstätten, Geschützgießereien, Kriegswerften etc.), für große Niederlagen von Kriegsmaterial für die Landarmee und die Marine, einen Ausgangspunkt für die Angriffsbewegungen eines Heers oder der Flotte zu bilden; wichtige Heeresstraßen, Eisenbahnen, namentlich beim Übergang über große Flüsse und im Gebirge oder beim Überschreiten der Landesgrenze, zu sichern oder zu sperren (Sperrplätze); auch können Festungen als Sammelplätze, Zufluchtsorte für geschlagene Armeen dienen, doch wird ihre Bedeutung in dieser Beziehung häufig überschätzt. In der Regel hat eine F. mehrere dieser Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen, z. B. Köln, Mainz, Straßburg, Thorn, die nicht nur wichtige Depotplätze und Brückenköpfe an Stromübergängen großer Verkehrsstraßen, sondern auch Stütz- und Ausgangspunkte für Operationen und Sammelplätze bei etwanigem Rückzug bilden. Ihrer Lage nach ist eine F. Land- oder Küsten- oder auch Grenzfestung, zu letztern würden auch die Sperrforts zu zählen sein; diese werden auch wohl Defensivplätze, die großen Festungen mit Forts, wie Straßburg, Köln, Posen, Toul, Verdun etc., Offensiv- oder Lagerfestungen genannt, letzteres, weil Armeen unter ihrem Schutz lagern können. Die Festungen werden auch als solche ersten, zweiten etc. Ranges bezeichnet oder in Klassen (Frankreich) je nach ihrem Umfang oder ihrer Wichtigkeit eingeteilt. Solche sorgsame Klassifikation hat wenig praktischen Wert; am bezeichnendsten ist heute die Unterscheidung zwischen [180] F. mit oder ohne Forts und Sperrfort; ihre Wichtigkeit kann durch den Krieg und ihr Verhalten in demselben bedingt werden. In Deutschland werden die Festungen nur in solche mit Armierung erster oder zweiter Ordnung eingeteilt. Die erstern sind zur Verteidigung gegen eine förmliche Belagerung, letztere nur gegen einen gewaltsamen Angriff ausgerüstet; maßgebend hierfür ist die strategische Wichtigkeit der F., die ihrerseits von den Wandlungen der politischen Verhältnisse stark beeinflußt wird. In dieser Beziehung haben die Festungen Schlesiens verloren (Kosel, Schweidnitz, Silberberg sind eingegangen), die in Preußen gewonnen (Posen, Thorn, Lötzen, Königsberg). Die Ansichten über die für die Verteidigung eines Landes erforderliche Anzahl Festungen sind verschieden. Während Deutschland sich für die Anlage weniger, aber großer Festungen, deren strategische Bedeutung durch ihre Grenzlage gegen Frankreich und Rußland augenfällig ist, und welche für die Offensivbewegungen der Feldarmee sichernde und fördernde Ausgangs- und Stützpunkte sind, entschied, hat Frankreich ein vollständiges Absperrungssystem durch die Anlage zahlreicher Sperrforts und großer Festungen längs seiner Ostgrenze und durch eine zweite Reihe großer Festungen in dem Raum zwischen der Grenze und Paris mit dem Kostenaufwand von etwa einer halben Milliarde zur Ausführung gebracht, in welchem Paris, das Zentrum des Systems, für sich ein Komplex von Festungen ist. Abgesehen von den ungeheuern Bau- und Unterhaltungskosten eines solchen Landesverteidigungssystems, erfordert die kräftige Verteidigung so vieler Festungen auch entsprechend große Streitkräfte (in Frankreich gegen 500,000 Mann), die den Feldarmeen zum großen Teil verloren gehen. Dieses System zwingt also zur Führung eines Defensivkriegs. Ein Volk, in welchem offensiver Geist lebt, wird in der Ausdehnung der Befestigungsanlagen, die immer einem gewissen Gefühl der Schwäche entspringen, Maß halten. Viel umstritten ist auch die Frage, ob die Landeshauptstadt zu befestigen ist. Im Altertum war die Hauptstadt jedes größern Reichs (Babylon, Ninive) eine F., mit welcher in der Regel die Selbständigkeit des Volkes stand und fiel (Karthago, Jerusalem). In der Neuzeit hat sich diese Ansicht geteilt. Rom, Paris sind Festungen, Berlin, Wien nicht.

Die verschiedenen Befestigungssysteme.

Soll eine F. ihre Aufgabe erfüllen können, so muß sie sturmfrei, d. h. gegen einen gewaltsamen Angriff mit Leiterersteigung ohne förmliche Belagerung gesichert sein, sie muß unter den günstigsten Bedingungen den Gebrauch der Waffen, überhaupt die Verteidigung ermöglichen und für alle Streitkräfte, Streit- und Lebensmittel eine gegen feindliche Zerstörung gesicherte Unterkunft bieten. Diese Anforderungen an eine F. waren zu allen Zeiten im großen und ganzen die gleichen, nur war die Art und Weise, wie ihnen entsprochen wurde, verschieden, da hierfür die jeweilige Art der Verteidigungs- und Angriffswaffen maßgebend war. Aus dieser Wechselwirkung gingen nach und nach die vielen Befestigungssysteme hervor. Den einfachen Pfahlwerken, den Erd- und Steinwällen folgten die Mauern, die an Dicke und Höhe mit der Zerstörungskraft der Angriffsmaschinen zunahmen. Die Krone der Mauer diente als Aufstellungsraum für die Verteidiger, auf Pfeilschußweite vorspringende Türme zu ihrer Flankierung. Eine Brüstungsmauer am vordern Rand, später mit Schießschlitzen, Zinnen, versehen, deckte die Verteidiger. Um auch die äußere Mauerfläche bestreichen, den an ihr aufklimmenden Feind bekämpfen zu können, ließ man auf der Krone große Hausteine vorkragen und setzte auf diese die Brüstung, so daß man zwischen ihr und den Kragsteinen hindurch die Mauerflucht bestreichen konnte; so entstanden die Senkscharten oder Maschikulis. Die Erfindung der Widder führte zur Verstärkung der Mauer an der Innenseite durch Strebepfeiler, die anfangs mit Balken überdeckt, später überwölbt wurden, wodurch Bogengänge und Kasematten entstanden. Die Ägypter, Assyrer, Perser haben großartige Befestigungen in dieser Weise ausgeführt. Thapsos an der Nordküste Afrikas hatte im 9. Jahrh. v. Chr. bereits eine dreifache Umwallung, deren innere Mauern schon mehrere Stockwerke in Kasematten

Fig. 1.
Altitalienische Manier.

zeigten (vgl. Jähns „Atlas zur Geschichte des Kriegswesens“, Blatt 9, Berl. 1880). Großartig waren die Befestigungen der Römer, die auch eine kluge Anpassung an das Terrain erkennen lassen, wie z. B. in Pompeji. In Deutschland entwickelten sich aus ihnen, vielfach auf ihren Fundamenten und unter Benutzung ihrer Mauerreste, die Städtebefestigung und die Ritterburg (s. Burg). Beide bestanden aus einer 2–3 m starken frei stehenden Mauer mit Zinnenkrönung, meist ohne Graben davor, aber von solcher Höhe, daß sie sturmfrei war. Etwa im Abstand von 40 m vorspringende Türme gewährten ihnen Flankierung. Vor die Thore legte man häufig halbmondförmige

Fig. 2.
Neuitalienische Fronte.

Waffenplätze, gleichzeitig zur Deckung und als Sammelplätze für Ausfalltruppen dienend. Die Einführung der Geschütze forderte bald bedeutende Umgestaltungen. Um die ungedeckten Festungsmauern der Zerstörung durch Geschützfeuer aus der Ferne zu entziehen, versenkte man sie unter den Bauhorizont, indem man einen breiten und tiefen Graben vor ihnen aushob und die aus ihm gewonnene Erde hinter der Mauer zu einer deckenden Brustwehr mit Wallgang dahinter aufschüttete, um Platz für die Aufstellung der Geschütze zu finden, den die schmale Mauerkrone nicht bieten konnte. Auch die Türme mußten zur Aufnahme von Geschützen erweitert, konnten aber der größern Schußweite wegen weiter auseinander gestellt werden. Sie wurden nun Basteien oder Rondelle genannt, aus denen später nach Entwickelung des Geschützwesens die Bastione hervorgingen. Veranlassung boten die Kriege Anfang des 16. Jahrh., welche die Befestigung [181] zahlreicher Städte in Italien notwendig machten. Es entstand die altitalienische Manier (Fig. 1), in welcher Micheli 1527 Verona befestigte. Die senkrecht zum Mittelwall (Kurtine) stehende Flanke c des Bastions a war zur niedern Grabenbestreichung halb zurückgezogen; das kleine Mittelbastion b deckte die lange Kurtine, diese flankierend. Nächst Micheli war Tartaglia Hauptvertreter dieses Systems, welches gegen das 16. Jahrh. durch Cataneo (1570) und Marchi (1599) dadurch wesentlich verbessert wurde, daß sie die Bastione erheblich vergrößerten, zur Hauptgeschützaufstellung in dieselben einen überhöhenden Kavalier c (Fig. 2), vor die Kurtine das diese deckende Ravelin b und vor die Kontreskarpe den gedeckten Weg g mit den Waffenplätzen w legten, vor denen das 2 m hohe Glacis sich gleichmäßig abböschte. Die Eskarpe erhielt 7,5 m Höhe. Das Bastionärsystem war hiermit in allen wesentlichen Teilen hergestellt.

Aber auch Deutschland besaß in Albrecht Dürer einen genialen Kriegsbaumeister, der in seinem Werk „Etliche Unterricht zu Befestigung der Stadt, Schloß und Flecken“ (Nürnb. 1527) Festungspläne entwarf, die bereits die Grundzüge enthalten, aus denen sich die deutsche Befestigung des 19. Jahrh. entwickelt hat. Sein Hauptwall von polygonalem Grundriß wurde durch kasemattierte Bastione flankiert, wie er denn auch bombensichere Geschütz- und Wohnkasematten in ausgedehntester Weise, sogar kasemattierte Turmforts (Fig. 3 u. 4) anwendet, deren Gräben durch Galerien a und Kaponnieren b bestrichen werden. Wien, Padua u. a. O. wurden nach seinen Vorschlägen befestigt. Ähnliche Grundsätze unter Anwendung großer Bastione und Ravelins bei vollständiger Deckung des Mauerwerks befolgten Speckle (gest. 1589) und Rimpler (gest. 1683) und der ältere Landsberg (1648), der zuerst den tenaillierten Grundriß anwendet. Durch Anlage von Abschnitten und Reduits suchten sie die innere Verteidigung und durch eine rampenförmige Kontreskarpe die Offensive (Ausfälle) zu begünstigen.

Eine eigenartige Anwendung fand die italienische Manier in den Niederlanden. Während des Kampfes gegen die spanische Herrschaft mußten schnell Befestigungen hergestellt werden. Die Grundwasserverhältnisse des Landes nötigten dazu, hinter breiten Wassergräben Erdwälle ohne Mauerbekleidung aufzuführen und zur niedern Bestreichung des sehr breiten Grabens vor den Hauptwall noch einen Niederwall (Faussebraie) zu legen. In den Hauptgraben legte man noch zahlreiche Außenwerke und vor denselben den gedeckten Weg. Diese Befestigungsmanier wurde von Freitag 1630 beschrieben und unter Festhaltung ihrer Grundzüge von Coehoorn (schrieb 1685) in Rücksicht auf eine offensive und abschnittsweise innere Verteidigung im Sinn seines Zeitgenossen Rimpler wesentlich verbessert. Er gab dem Hauptgraben G (Fig. 5) zwischen dem Hauptwall A und dem Niederwall B eine Breite von 30 m, gemauerte Eskarpe und Kontreskarpe, letzterer eine Reversgalerie S zur niedern Grabenbestreichung, um hier den eingedrungenen Feind noch hartnäckig bekämpfen zu können. Vor den Niederwall B, von ihm durch einen breiten nassen Graben getrennt, legte er die Couvreface C, vor dieselbe abermals einen nassen Graben und davor einen breiten gedeckten Weg W, um so eine stufenweise Verteidigung zu ermöglichen. Das Festsetzen in diesen Werken wurde

Fig. 3.
Dürers System, Turmfort.
Fig. 4.
Querschnitt von A nach B in Fig. 3.

dem Angreifer dadurch erschwert, daß gedeckter Weg und Hauptgraben bis nahe zum Grundwasserspiegel versenkt waren.

Die französische Befestigung, durch das unter Heinrich IV. von Sully begründete Ingenieurkorps entwickelt, hatte im allgemeinen von den Italienern das Profil, von den Holländern den Grundriß entlehnt.

Fig. 5.
Profil nach Coehoorn.

Nach den Ingenieuren Errard de Bar-le-Duc („La fortification démontrée“, 1604) und Graf Pagan trat der vielgefeierte Kriegsbaumeister Vauban auf (gest. 1707), der in langem, thatenreichem Leben 53 Belagerungen leitete (vgl. Festungskrieg), 33 Festungen neu baute und etwa 300 verbesserte. Vauban wählte seine Formen, ohne sich zu sehr an feste Regeln zu binden, stets mit Rücksicht auf das Terrain; im allgemeinen lassen sich aber drei Manieren unterscheiden, nach denen die meisten ältern Festungen gebaut sind. Man nennt die Linie ab (Fig. 6 u. 7) die Polygonseite, gewöhnlich 300–380 m lang; ae und bf die Defenslinien, die Bastionsfacen ag und hb = 2/7 ae; g und h die [182] Schulterpunkte, e und f die Kurtinenpunkte, eh und gf, senkrecht zu ae und bf, die Flanken, ef die Kurtine; vor der letztern, zu ihrer Deckung, das Ravelin i, dessen Facen man nach rückwärts so

Fig. 6.
Bastionierte Fronte.
Fig. 7.
Vauban, erste Manier.

richtet, daß sie 8 m über die Schulterpunkte hinweggreifen, um direkte Beschießung der Kurtine zu hindern. Der Hauptgraben erhält 36, der Ravelingraben 24 m Breite. Der gedeckte Weg w wird vor den ausspringenden Winkeln abgerundet und ist mit Traversen t versehen, die Grabenschere k ist in der Richtung der verlängerten Bastionsfacen angelegt. Vauban verringerte zunächst die Grabentiefe; da hierdurch die Eskarpenmauer an Deckung verlor, machte er dieselbe niedriger und verlor damit an Sturmfreiheit. Die wichtigste Änderung im Grundriß der spätern Manieren war Absonderung des Bastions vom Hauptwall, so daß nur ein 11 m hoher Kavalier oder ein sogen. bastionierter Turm mit diesem in Verbindung blieb, das Bastion aber isoliert davorlag. Vauban, hauptsächlich im Angriff erfahren, fand bald selbst die Schwächen seiner Bauten und stellte in seinem Angriffssystem sogar die Zahl der Tage fest, binnen deren jede Festung erliegen müsse. Seine Nachfolger, namentlich Cormontaigne und die Schule von Mézières (gestiftet 1750), suchten das Bastionärtracee zu verbessern durch vollständige Deckung des Mauerwerks, Schaffen von Reduits und Hohlräumen, letztere zunächst als Galerien zur Gewehrverteidigung. In Schweden wurden von Carlberg (1755) und Röök (1766), dann aber vorzüglich vom General Virgin (1781) interessante fortifikatorische Vorschläge, hauptsächlich zur Verbesserung des Bastionärsystems, gemacht. Inzwischen hatte schon 1707 der Niederländer Landsberg der jüngere (die Vorschläge früherer Ingenieure benutzend) das Tenaillensystem durch mehrere Entwürfe begründet. Aber dem Grafen Montalembert (gest. 1800) war es vorbehalten, diesen Ideen zum Durchbruch zu verhelfen. Er will Verwerfung der Bastione, nur Tenaillen- und Polygonalbefestigung, zahlreiche zweckmäßig konstruierte Defensionskasematten, Vereinigung großer, den Angriffsbatterien weit überlegener Geschützmassen an den entscheidenden Punkten, solide permanente Abschnitte (kasemattierte Türme), konstruierte neue Tenaillen-, Polygonal- und Kreisbefestigungen und verschiedene Arten detachierter Forts zur Verstärkung der Plätze. Nachdem Moucé, Bousmard und Chasseloup nochmals Verbesserungen für das bastionierte System vorgeschlagen hatten, brachte Carnot in seinem auf Napoleons I. Aufforderung geschriebenen Werk über die Verteidigung fester Plätze 1810 verschiedene neue Vorschläge. Dieselben bezweckten, zahlreiche starke Ausfälle für den Belagerten namentlich auch dann noch zu ermöglichen, wenn der Feind bereits das Glacis erreicht hat, und Überschüttung der gegen diese Ausfälle vorrückenden feindlichen Trancheewachen mit Wurffeuer. Erreicht sollte dieses werden durch Umwandlung der gemauerten steilen Kontreskarpen in ein rampenartiges Glacis en contrepente und durch Anlage von kasemattierten Mörserbatterien. Auch Vorschläge für Tenaillenbefestigung machte Carnot. Die neuesten französischen Systeme sind die von Haxo (1826) und Choumara (1827) für kasemattierte Bauten. Die seit 1830 vom Generalleutnant Fleury geleitete Befestigung von Lyon und die unter der Direktion des Generals Dode de la Brunerie ausgeführte Befestigung von Paris bestehen aus der bastionierten Stadtenceinte und einer Anzahl detachierter Forts, meist bastionierter Fünfecke. Die Franzosen bedienten sich bei Ausführung ihrer Bauten fast stets des Bastionärsystems, waren bis 1870 entschiedene Gegner der Polygonalbefestigung und haben deshalb die sogen. neupreußische Befestigungsmanier heftig angegriffen (Mangin).

In Preußen wurden schon seit 1715 unter Leitung Wallrawes tenaillierte Anlagen mit niedriger Eskarpen-, aber hoher Kontreskarpenmauer mit schmalen, tiefen, von Reversgalerien flankierten Gräben

Fig. 8.
Hauptfort der Enceinte Friedrichs II.
Fig. 9.
Profil zu Fig. 8.

und mit Blockhäusern im gedeckten Weg sowie Kasematten zur Unterbringung der Truppen gebaut. Nach Wallrawes Tod (1748) ordnete Friedrich d. Gr. die Bauten oft selbst an, so in Neiße, Schweidnitz, Glatz, Silberberg und Graudenz, und im Gegensatz zu den Franzosen überall mit kasemattierter Grabenflankierung, auch kasemattierten Batterien ca. 500 m vom Glacis zur Beherrschung des Vorterrains, ferner mit gedeckten Unterkunftsräumen im Hof der Werke, Abschnitten und Reduits, mehrfach selbständigen Werken in der Hauptumfassung (wie bei Schweidnitz die Hauptforts, Fig. 8) nach tenailliertem Grundriß mit Reverskaponnieren cc, tenaillierter Enveloppe ee, deren Graben als gedeckter Weg dient (Profil, Fig. 9), mit Blockhäusern bb und Konterminensystem mm, [183] zwei solche Forts ca. 1300 m voneinander entfernt, kleinere einfache, fünfseitige Redouten in der Mitte dazwischen zur Bestreichung der langen, geraden Walllinien, ja schon mit detachierten Forts und Unterbringung der Besatzung in Kasematten sowie stets mit Einrichtung des gedeckten Wegs zur aktiven Verteidigung. Die Vorschläge von Montalembert und Carnot sowie die Gedanken der ältern deutschen Ingenieure (Dürer, Speckle etc.) fanden bei fortschreitender Verbesserung der Feuerwaffen die aufmerksamste Beachtung. So entwickelte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrh., hauptsächlich durch die Generale v. Aster,

Fig. 12. Fig. 11.
Detachiertes Fort Ant­werpen. Neupreußisches Fort.
Fig. 10.
Fronte des neupreußischen Systems.

v. Brese und v. Prittwitz, die sogen. neupreußische Befestigung (Fig. 10). Die großen Neubauten von Koblenz, Köln, Posen und Königsberg (v. Brese), Linz, Verona, Mainz, Rastatt, Ulm (v. Prittwitz), Germersheim und Ingolstadt, zuletzt Spandau (v. Mertens) etc. sind schon zum Teil in der Art angelegt. Grundgedanke des Systems ist: Möglichkeit der Verteidigung durch geringe Besatzung und Begünstigung der Offensive zur Verwendung größerer Truppenmassen auf vorbereitetem Kampffeld. Letzterm diente ein Gürtel von 500 bis etwa 800 m vorgeschobenen Forts. Vermieden wurde ein ängstliches Kleben an bestimmtem System; man bediente sich zwar vorzugsweise des Kaponnieresystems, aber auch des bastionären, wie es gerade für den vorliegenden Fall das Terrain und sonstige Umstände erheischen. Die Grundlage der regelmäßigen Polygonalfronte ist eine Linie von ca. 800 m, mit einer großen mehrstöckigen Kaponniere K als Reduit und Abschnitt in der Mitte, die Linie unter Umständen leicht nach innen oder nach außen gebrochen, die Kaponniere durch ein großes Ravelin R gedeckt, dessen Graben, bestrichen durch kasemattierte Batterien B, im Hauptwall A mit der verteidigungsfähigen, meist frei stehenden Eskarpenmauer EE zusammenhängt. Zur Unterstützung des Geschützkampfes dienen kasemattierte Mörserbatterien MM in den ausspringenden Winkeln. Die Verteidigungseinrichtung der Eskarpenmauer EE dient zur Bekämpfung des Gegners auf dem gedeckten Weg und im Graben. Blockhäuser PP bestreichen den erstern. Die detachierten Forts sollten die Angriffsarbeiten weiter in das Vorfeld hinausschieben. Ihr Grundriß ist meist der einer stumpfen Lünette (Fig. 11), mit Grabenkaponnieren und Reduit, ähnlich den Festungsfronten, ausgestattet. Im Profil ist bei allen Werken vollständige Deckung des Mauerwerks gegen Sicht von außen, jedoch nicht gegen den indirekten Schuß, nötigen Falls durch Vertiefung der Gräben und höhere Anschüttung des Glacis, erreicht. Die gemauerte Eskarpe ist stets sturmfrei. Die Kaponnieren gestatten aus ihren Stockwerken die Grabenverteidigung durch Geschütz- und Gewehrfeuer, während Geschütze auf der obern Erddecke in das Vorterrain wirken. Gleichzeitig bergen sie Besatzung und Ausrüstung und sollen auch nach Wegnahme der vorliegenden Werke noch längere Zeit haltbare Punkte sein. Die Neubauten der Engländer, Russen, Dänen, Schweden, Holländer, Türken etc. gehören fast sämtlich dem Prinzip der deutschen Schule an. Der Umbau der Festung Antwerpen durch Brialmont übertrug die neuen Befestigungsgrundsätze nach den Niederlanden, wo wieder Erdbau mit 60–100 m breiten nassen Gräben die Verteidigungslinie bildet und Mauerwerk nur zu den Kaponnieren und Kasematten verwendet ist. Hier auch fand zuerst Eisenbau in Panzerdrehtürmen bei der Landbefestigung Anwendung. Neben einfachem Grundriß der durch Inundation gedeckten Fronten ist besonders der Grundriß der geschlossenen detachierten Forts (Fig. 12) zu bemerken. In gepanzerter Drehkuppel stehende Geschütze beherrschen das Vorterrain.

Bald indes machte sich der Einfluß der gezogenen Geschütze, namentlich durch die Überlegenheit ihres indirekten Feuers, durch welches alles bisher erbaute Mauerwerk schon aus größerer Ferne zerstört werden konnte, geltend; die Erfolge der deutschen Belagerungsartillerie im Krieg 1870/71 lieferten den Beweis hierfür und riefen eine neue Epoche im Festungsbau hervor. Die Zwecklosigkeit kleiner Festungen ohne vorgeschobene Forts, wenn ihre Verteidigungsfähigkeit nicht durch ihre Lage auf Höhen etc. sich gründete, war ebenso erkannt wie die Unentbehrlichkeit großer Festungen mit weit von der Hauptumwallung abliegenden Forts als Stützpunkte für die Operationen großer Armeen. Die Forts sollen durch ihre vorgeschobene Lage ein Bombardement der Stadt erst dann möglich machen, wenn der Angreifer dieselben genommen hat oder bis in ihre Nähe vorgedrungen ist. Anfänglich ging man, in der Furcht vor der Möglichkeit eines Bombardements, hierin sehr weit. Die Franzosen haben viele Forts 6–7 km, bei Paris sogar bis 15 km vor die Hauptenceinte vorgeschoben. Man [184] hat dieses Maß später wieder auf 4–5 km vermindert, sowohl in Rücksicht auf die einheitliche Leitung der Verteidigung, als darauf, daß für eine nachhaltige Verteidigung so großer Festungen selten die erforderlichen Feldtruppen und Fußartillerie zur Verfügung stehen werden. Die Forts sollen gewissermaßen die Kernpunkte für eine zweite Enceinte bilden, deren Zwischenräume erst bei der Verteidigung durch Armierungswerke u. Zwischenbatterien (s. Festungskrieg) geschlossen werden. Der Hauptwall soll unter Fortfall aller Vor-, Außen- u. innern Werke (Reduits) aus möglichst wenig gebrochenen, unter stumpfen Winkeln zusammenstoßenden Fronten, die ihre Flankierung durch Kaponnieren erhalten, bestehen und durch gemauerte Eskarpen und Kontreskarpen Sturmfreiheit erhalten. Die auf 4–7 km vorgeschobenen Forts werden auf Punkten erbaut, die für die Verteidigung besonders wichtig und günstig sind. Sie haben (Fig. 13) die Form einer stumpfwinkeligen Lünette mit einer durch ein Kehlkasernement in Form einer bastionierten Fronte geschlossenen Kehle, so daß sie von allen Seiten sturmfrei sind. In dem Fort müssen die ganze Besatzung sowie das gesamte Verteidigungsmaterial bombensichere

Fig. 13.
Detachiertes Fort.
a Kriegspulvermagazin; b Geschoßladestelle; c Verbrauchspulvermagazin; d Speziallaboratorium; e Vorratsräume oder Kriegspulvermagazin; f Kehlkaserne; g Saillantkaponniere; h Schulterkaponnieren; i Flankenbatterie; k Reversgalerie; l Kapital- oder Mitteltraverse; m Traversen; n Dechargen-Kontreskarpe; o freistehende Eskarpenmauer; p Rondengang; q Kehlwaffenplatz; r Blockhaus; s Mittelpoterne; t Geschützbänke.
Fig. 13a.
Querschnitt von A nach B durch die rechte Face eines Forts.
Fig. 13b.
Querschnitt von J nach K durch die Kapitaltraverse eines Forts. r Erdanschüttung; s Kapitalpoterne; e Vorratsräume oder Pulvermagazine.

Unterkunft finden und alles Mauerwerk gegen Artilleriefeuer unter 15° Fallwinkel gedeckt sein (Fig. 13a). Die Besatzung wohnt in der zweistöckigen Kehlkaserne, das Artilleriematerial lagert im Saillantkasemattenkorps, [185] wo auch das Laboratorium eingerichtet ist; die Pulvermagazine liegen in der großen Kapitaltraverse (Fig. 13b) oder unter den Flanken. Die Geschosse werden durch Hebevorrichtungen aus den unter dem Walle liegenden Geschoßmagazinen nach Hohltraversen gehoben, die auf dem Wallgang liegen und die zwischen ihnen stehenden Geschütze gegen Rikoschettfeuer decken. Vom Kehlthor führt durch die Kapitaltraverse eine Poterne bis zur Saillantkaponniere, wie denn überhaupt der gesamte Verkehr innerhalb der Hohlräume des Forts durch Poternen, Galerien und Treppen vermittelt wird. Die Forts sind mit 24–36 Geschützen armiert, die Kampfgeschütze stehen auf offenem Wall, die zur Grabenbestreichung in der Saillantkaponniere und der Flankenbatterie der Kehle; die Gräben vor den Flanken werden von den beiden Schulterkaponnieren durch Infanterie verteidigt. Die neuern Forts haben, namentlich in Frankreich, in der Regel noch einen Niederwall für Infanterieverteidigung. Die frei stehende Mauer am Fuß der Eskarpe (Fig. 13a) ist nur Hindernismauer, nicht verteidigungsfähig. Der gedeckte Weg bildet nur noch einen schmalen Rondengang. Häufig ist das Glacis vor den Flanken in der Richtung der Kehle zum sogen. Anschlußglacis verlängert, in dem bei der Armierung eine Anschlußbatterie erbaut wird. Bei besonders wichtigen Forts werden letztere im Frieden schon vorbereitet und erhalten ein permanentes Verbrauchs-Geschoß- und Pulvermagazin mit Geschoßhebevorrichtung und Munitionsfördertraverse in der Batterie. Zu den Magazinen führt eine in der Höhe der Kehlgrabensohle liegende Galerie, so daß die Munitionsversorgung auf einem von der Kehlkaserne ausgehenden Fördergeleise geschehen kann. Panzertürme stehen meistens in den Schulterpunkten der Forts. An besonders wichtigen Punkten werden bei großem Abstand der Forts in dem Intervall Zwischenwerke (Fig. 14) in Form breit abgestumpfter Fleschen, permanent und sturmfrei, erbaut, die, mit einigen (meist 4) leichten Kanonen armiert, nur Stützpunkte für die Infanterie bilden, aber nicht am Geschützkampf sich beteiligen sollen. Nur unter besondern Verhältnissen werden sie auch mit Kampfgeschützen ausgerüstet. Die Forts sind mit der Hauptfestung und unter sich durch chaussierte Wege (Ringstraße) und telegraphisch durch unterirdische Kabel verbunden. In neuerer Zeit hat man in Frankreich Reims und Dijon, in Rußland Kowno und Warschau, in Italien Rom nur mit einem Gürtel

Fig. 14.
Grundriß eines Zwischenwerks.
a Graben, k Kaponnieren, g Glacis, p Poternen, c Wohnkasematten.
Fig. 15.
a Graben
b Hauptwall
c Traversen
d Saillanttraversen
e Kaponnieren
f Kasematten
g Hofraum
h Poternen

Grundriß eines Sperrforts.

Fig. 15a.
Schnitt von A nach B eines Sperrforts.
d Saillanttraverse, g Hofraum.
Fig. 15b.
Schnitt von C nach D eines Sperrforts. a Hauptgraben, b Hauptwall, c Traversen.

[186] von Forts befestigt, die eigentliche Stadtumwallung aber ganz fortgelassen. Man ist dort der Ansicht, daß der Verteidiger einer Festung moralisch und physisch

Fig. 16.
Offene Küstenbatterie. a Munitionsräume, b Schutzhohlraum, c Mauerwerk, d Traversen, e Geschützstände (Betonbettung), f Schwenkschienen für die Rahmenräder der Lafetten, g Schienengeleise für den Geschoßwagen, p Pivot.

zu erschöpft und zu einem weitern Widerstand nicht mehr befähigt sein wird, wenn der Belagerer die Forts genommen hat; an eine Verteidigung der Stadtumwallung

Fig. 17.
Gepanzerte Küstenbatterie. c Wagerechter Querschnitt des Stirnpanzers aus Hartguß, d Panzerdecke, e Schwenkschienen für die Rahmenräder der Lafette, f Treppe.
Fig. 17a.
Gepanzerte Küstenbatterie. Profil von a nach b.

kann also nicht mehr gedacht werden, weshalb sie entbehrlich ist. Dem wird in Deutschland entgegengesetzt, daß die Forts allein die F. nicht sturmfrei machen, denn einem mutigen Angreifer kann es wohl gelingen, zwischen Forts hindurch in die Stadt einzudringen. Erfahrungen stehen hierüber noch nicht zur Seite. Aber auch in andrer Beziehung scheint eine abermalige Umwälzung dadurch in Aussicht gestellt, daß bei dem außerordentlich wirksamen Feuer aus gezogenen Mörsern und kurzen Kanonen eine Verteidigung auf offenem Wall nicht lange durchzuführen sein wird, und daß gegen die Sprengwirkung unserer heutigen schweren Granaten sämtliche Hohlbauten unserer Forts nicht standhalten, also nicht mehr hinreichenden Schutz gewähren. Welche Formen und Einrichtungen ein Fort der Zukunft aber hiernach erhalten wird, läßt sich jetzt noch nicht absehen.

Einen eigentümlichen Charakter haben die französischen Sperrforts (Fig. 15 u. 15a, b) erhalten, um ihre besondern Aufgaben erfüllen zu können. Sie sollen aus dem Nachbarland, namentlich Deutschland, kommende Eisenbahnlinien derart unter Geschützfeuer nehmen, daß sie vom Feind nicht eher benutzt werden können, bevor er nicht Herr der Forts geworden. Da es Frankreich, wie man dort meint, niemals gelingen wird, die Mobilmachung seiner Armee ebenso schnell zu vollenden wie Deutschland, so sollen die Sperrforts das Vordringen der deutschen Armeen aufhalten und dadurch der französischen Armee Zeit verschaffen, ihre Mobilmachung und ihren Aufmarsch ungestört durchführen zu können. Die Sperrforts liegen isoliert in Abständen von etwa 7–9 km längs der deutschen Grenze, sind also nicht auf die Unterstützung einer dahinterliegenden F., sondern auf sich selbst angewiesen, müssen somit nach allen Richtungen hin verteidigungsfähig sein und haben deshalb die Form eines regelmäßigen Sechsecks erhalten. Die ganze Besatzung von 400 bis 600 Mann findet in ihnen gedeckten Wohnraum, das ganze Verteidigungsmaterial, alle Lebensmittel u. sonstigen Vorräte sind im Fort selbst bombensicher untergebracht. Der Hofraum, eigentlich nur ein Lichthof, vermindert durch seine Kleinheit die Gefahr für die ihn begrenzenden Kasernen, durch feindliches Geschützfeuer frühzeitig zerstört zu werden. Auch die Gräben sind möglichst schmal, 10–12 m breit und 8–10 m tief, um das Breschieren der Eskarpenmauer durch den indirekten Schuß möglichst zu erschweren. Die meisten Forts haben im gefährdetsten Schulterpunkt einen Panzerdrehturm erhalten, der mit einer [187] oder zwei 15 oder 21 cm Kanonen armiert ist. Sie sind im ganzen mit 30–40 Kampfgeschützen, außerdem zur Grabenbestreichung mit Mitrailleusen ausgerüstet. Größere Sperrforts an besonders wichtigen Punkten haben noch eine oder zwei permanente Annex- (Anschluß-) Batterien, auch eine Armierung bis zu 60 Geschützen u. etwa 1000 Mann Besatzung erhalten.

Befindet sich eine F. bei ausbrechendem Krieg noch im Neubau, und bleibt keine Zeit, sie nach den Grundsätzen der permanenten Befestigung zu vollenden, so wird man die angefangenen Werke mit einfachern Mitteln, statt in Mauerwerk unter Verwendung von Eisen, Holz, Beton und Erde, in möglichst gleicher Weise zu Ende führen. In derselben Art wird man noch nicht begonnene Forts oder überhaupt solche Punkte, deren Besitz dem Angreifer von großem Wert sein könnte, die aber im Frieden aus ökonomischen oder andern Gründen unbefestigt blieben, befestigen. Solche Anlagen heißen provisorische Befestigungen; sie sollen in Bezug auf Verteidigungsvermögen und Widerstandsfähigkeit permanenten Bauten möglichst nahekommen und müssen deshalb sturmfrei sein. Da dies durch Tiefe und Mauerbekleidung des Grabens nicht erreicht werden kann, so müssen Hindernismittel, namentlich Drahtgeflechte und Verhaue, Ersatz bieten. Auf die Grabenflankierung aus Kaponnieren in Holzbau mit derselben Verteilung wie bei permanenten Forts wird man jedoch heute noch nicht verzichten können, obgleich ein zweckmäßigerer Ersatz für dieselben erwünscht wäre. Vielleicht bietet ihn die Zukunft durch Eisenbau und Revolverkanonen. In der Regel wird man auch den provisorischen Forts und Zwischenwerken im Grundriß die Form einer Lünette geben. Im übrigen muß die ganze Besatzung und Munition auch bombensichere Unterkunft erhalten. Es kann sogar notwendig werden, im Rücken einer Armee in dieser Weise festungsähnliche Stützpunkte (Positionsbefestigungen oder provisorische Festungen) herzustellen, wie es 1813 und 1866 bei Dresden und im russisch-türkischen Krieg 1877–1878 um Plewna, hier mit großem Erfolg, geschehen.

Küstenbefestigungen.

Eine eigentümliche Art permanenter Befestigung bilden die Küstenbefestigungen und zwar deshalb, weil sie gegen die See wirken und von Kriegsschiffen angegriffen werden, daher sich nicht gegen Belagerungen mit allmählich näher rückendem Angriff, wie Landfestungen, zu verteidigen haben. Als befestigte Küstenpunkte sollen sie feindlichen Schiffen die Benutzung von Häfen, Reeden, das Einlaufen in Flußmündungen, Meerengen etc. verwehren; da sie nur eine Beschießung von Schiffen, keinen förmlichen Angriff (Belagerung) zu erwarten haben, so werden sie meist als offene Erdwerke, Strand- oder Küstenbatterien, aber grundsätzlich nur für schwere Geschütze, Küstengeschütze, deren kleinstes Kaliber die 15 cm Kanonen sind, derart erbaut, daß jedes Geschütz zwischen zwei Traversen steht (Fig. 16). Wo aber ein enges Fahrwasser mit geringster Geschützzahl und Besatzung beherrscht werden soll und nur ein beschränkter Bauplatz zur Verfügung steht, kommen Panzerwerke zur Verwendung. Die auf Mauerbauten ruhenden Panzerungen (in England aus Walzeisen, in Deutschland aus Hartguß) sind entweder Batteriepanzer (Fig. 17 und 17a) oder Panzerdrehtürme (Fig. 18). Die Geschütze hinter Panzerungen liegen in Minimalschartenlafetten. Die Werke müssen so angelegt sein, daß sie gegen Hochflut, Seiten- und Rückenfeuer gesichert sind. Als befestigte Kriegshäfen sollen die Küstenbefestigungen mit einer vor der Hafeneinfahrt liegenden feindlichen Flotte den Kampf aufnehmen, um entweder das Auslaufen der eignen Schiffe zu begünstigen, oder eine Annäherung des Gegners behufs Beschießung des Hafens und der Marineanlagen, wie Arsenale, Werften, Docks, Magazine etc., zu verhindern. Diese Festungswerke werden, da sie auch gegen einen Angriff vom Land gesichert sein müssen, geschlossen, als Küstenforts, erbaut. Zahl und Lage derselben richten sich nach der Örtlichkeit, die es auch, wenn in der Nähe des Hafens größere Landungen ausführbar sind, erfordern kann, an die Küstenbefestigungen eine Landfestung anzuschließen, wie es z. B. bei Kiel geschehen soll. Diese Befestigungen allein sind aber nicht ausreichend, sie bedürfen noch einer Absperrung des Fahrwassers durch Seeminen (s. Torpedos), feste oder schwimmende Barrikaden, z. B. versenkte Schiffe, schwimmende, durch Ketten verbundene und verankerte Balken, Taue,

Fig. 18.
Panzerdrehturm für Küstenbefestigungen. a Vorpanzer aus Hartguß, b Panzerkuppel aus Hartguß, c Deckplatte aus Walzeisen, d Drehvorrichtung.

Netzwerk, Ketten etc., die innerhalb des Wirkungsbereichs der Geschütze liegen müssen.

Den militärischen Dienst in jeder F. leitet im Krieg und Frieden ein Kommandant, in größern Festungen (Koblenz, Köln, Mainz, Straßburg, Metz, Ulm, Germersheim, Ingolstadt) auch Gouverneur genannt, dem dann meist noch ein Kommandant unterstellt ist. Ihm beigegeben ist ein Festungsstab, bestehend aus einem Artillerie- und einem Ingenieuroffizier vom Platz, die im Krieg Chef des Stabes beim Kommandeur der Artillerie und der Ingenieure werden, u. dem Platzmajor (Büreauvorsteher); außerdem haben die Gouverneure und der Kommandant von Posen noch einen Adjutanten, Straßburg, Metz, Königsberg und Thorn noch einen Generalstabsoffizier. Sonstige Behörden s. Garnison. – Vgl. außer Werken der genannten Fortifikatoren: Aster, Unterricht in der Festungsbaukunst (Dresd. 1787–93, 2 Bde.); Struensee, Anfangsgründe der Kriegsbaukunst (Kopenh. 1797–98, 2 Bde.); Hoyer, Wörterbuch (Berl. 1815–17, 3 Bde.); Derselbe, Lehrbuch der Kriegsbaukunst (das. 1816–18); Blesson, Große Befestigungskunst (das. 1830); Zastrow, Geschichte der beständigen Befestigung (3. Aufl., Leipz. 1854); Mangin, Abhandlung über die Polygonalbefestigungskunst in Deutschland (a. d. Franz., das. 1855); H. Müller, Widerlegung Mangins (Berl. 1856); Fesca, Handbuch der Befestigungskunst (das. 1852 bis 1853, 2 Bde.); Blumhardt, Die stehende Befestigungskunst [188] (Darmst. 1864–66, 3 Bde.); Brialmont, Études sur la défense des états et sur la fortification (Brüssel 1863, 3 Bde. mit Atlas); Derselbe, Traité de fortification polygonale (das. 1869); Derselbe, La fortification du temps présent (das. 1885, 2 Bde. mit Atlas); v. Prittwitz und Gaffron, Lehrbuch der Befestigungskunst (das. 1865); Wagner, Fortifikatorischer Atlas (das. 1872); Tunkler v. Treuimfeld, Permanente Fortifikation (Wien 1874); Scheibert, Die Befestigungskunst (Berl. 1880–81, 2 Bde.); Brunner, Leitfaden zum Unterricht in der beständigen Befestigung (3. Aufl., Wien 1880); Schüler, Leitfaden für den Unterricht in der Befestigungskunst (4. Aufl., Berl. 1884); weitere Litteratur bei Festungskrieg.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch im Supplement: Festung und Festungskrieg (Band 17) sowie Festungen u. Festungskrieg (Band 18).