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MKL1888:Festungskrieg

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Festungskrieg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 188193
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Festungskrieg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 188–193. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Festungskrieg (Version vom 17.10.2022)

[188] Festungskrieg[WS 1] (hierzu 2 Tafeln), die Kriegshandlungen, welche Angriff und Verteidigung permanent befestigter Plätze mit sich bringen. Bis zum deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurden für den F. im allgemeinen noch die von Vauban, namentlich für den Angriff, aufgestellten Grundsätze als maßgebend angesehen. Die während dieses Feldzugs durchgeführten Belagerungen haben indessen die gänzliche Veraltung jener Lehren erkennen lassen und gezeigt, daß die seitdem vollzogene totale Umgestaltung des Geschützwesens auch eine ganz andre Verwendung der Artillerie, der Hauptwaffe des Festungskriegs, bedingt. War man hierdurch schon gezwungen, andre Normen für den F. aufzustellen, so trat in weiterer Folge des Kriegs als zweites umgestaltendes Moment die Umwandlung unsrer Festungen durch Erbauung von Forts weit außerhalb ihres Hauptwalles hinzu. Diese Bedingungen haben sodann im Verein mit der in den letzten zehn Jahren zur Ausführung gekommenen vollständigen Neugestaltung der Festungs- und Belagerungsartillerie und der außerordentlich fortgeschrittenen Ausbildung der Artillerietruppe im Schießdienst Erfahrungen gezeitigt, die uns auf andre Bahnen verwiesen. Sie machten die Aufstellung einer neuen Lehre für den F. notwendig, die man jetzt als Taktik des Festungskriegs bezeichnet. Sie umfaßt naturgemäß nur allgemeine Grundsätze, die sowohl dem Terrain vor der anzugreifenden Festung als den von dieser getroffenen Verteidigungsmaßregeln sorgsam angepaßt werden müssen. Es läßt sich daher, ohne die Grenzen allgemeiner Gültigkeit zu überschreiten, der Plan einer Belagerung nur schematisch darstellen, wie es auf Tafel I (entworfen vom Ingenieurgeneral v. Bonin für seine Schrift „Festungen und Taktik des Festungskriegs in der Gegenwart“ im Beiheft 8 zum „Militär-Wochenblatt“ 1878) geschehen ist. Auf eine bestimmte Festung übertragen, würde dieser Schemaplan ganz andre Formen annehmen, aber auch dann für diese Festung gelten. Tafel II zeigt eine solche Anwendung, die Belagerung von Straßburg 1870, die jüngste, welche von moderner Belagerungsartillerie durch geführt wurde, allerdings den heutigen Waffen und Grundsätzen nicht mehr ganz entsprechend; doch bietet für diese die Kriegsgeschichte noch kein Beispiel. Die Neuheit der Taktik des Festungskriegs und der Mangel an Kriegserfahrung erklären die sich widersprechenden Ansichten von Autoritäten auf diesem Gebiet, die im nachstehenden thunlichst Berücksichtigung finden werden.

I. Der Angriff.

Die Wahl des zur Eroberung einer Festung anzuwendenden Angriffsverfahrens wird bedingt sein a) durch die hierzu zur Verfügung stehenden Truppen und Kampfmittel, namentlich an Artillerie; b) durch die Art und den Wert der zu belagernden Festung in fortifikatorischer Beziehung, ihrer Armierung und Besatzung sowie durch die Vorkehrungen, welche zu ihrer Verteidigung getroffen sind. Hat man es mit einer Festung älterer Bauart zu thun, eine schwache und nachlässige Besatzung sich gegenüber, so kann ein gewaltsamer Angriff, ein Überfall oder eine Überrumpelung Erfolg versprechen. Es müssen indessen, um diesen zu sichern, so viele günstige Bedingungen zusammentreffen, auf deren schneller Erfassung und kühner Ausnutzung allein das Gelingen beruhen kann, daß ein solcher Fall bei unsern modernen Kampfmitteln zu den größten Seltenheiten gehören wird. Für die Art und Weise, wie der Angriff zunächst am vorteilhaftesten auszuführen ist, lassen sich daher kaum irgend welche Regeln aufstellen, da dieselbe allein von den gegebenen Verhältnissen abhängen wird. Es könnte z. B. unter günstigen Umständen einem kühnen Angreifer wohl gelingen, mit Feldtruppen zwischen zwei Forts hindurchzustürmen und gegen diese im Rücken wie gegen die Stadt einen Stoß auszuführen, dessen Folgen für den Verteidiger verhängnisvoll werden können; ebenso kann aber auch der Angreifer dabei vernichtet werden. Soll ein Überfall nicht gewagt werden, so muß der Angriff mit einer möglichst schnell mit Hilfe vieler Kavallerie auszuführenden Einschließung die Berennung beginnen, die der Festung jede Verbindung nach und Zufuhr [189] von außen abschneidet, welche deshalb bei einer volkreichen Stadt und hinreichender Dauer die Festung wegen Mangels an Lebensmitteln (Aushungerung) zur Übergabe zwingen kann. Hat die Festung keine Forts, eine gedrängt wohnende Bevölkerung, wenig bombensichere Unterkunftsräume für die Besatzung und einen wenig thatkräftigen Kommandanten, so kann ein Bombardement durch seine materielle und moralische Wirkung eine schleunige Übergabe herbeiführen. Bei einer gut ausgestatteten und energisch verteidigten Festung wird nur der förmliche Angriff oder die eigentliche Belagerung, bei der man sich nach und nach der Festung gedeckt nähert und die feindlichen Kampfmittel systematisch zu zerstören sucht, Aussicht auf Erfolg versprechen. Im nachstehenden soll daher ausschließlich der förmliche Angriff auf eine gut verteidigte Festung mit detachierten Forts behandelt werden.

Das Belagerungskorps besteht aus der Belagerungsartillerie mit einer der Größe der Festung entsprechenden Anzahl Sektionen des Artilleriebelagerungstrains, mit etwa 400–500 Geschützen für eine Festung mit Forts, einer oder mehreren Sektionen des Ingenieurbelagerungstrains und einer entsprechenden Anzahl Pionierkompanien sowie einer oder mehreren Truppendivisionen oder, je nach der Größe des Platzes, Armeekorps, die in der Regel ihre taktische Zusammensetzung behalten. Die Kavallerie wird zunächst auf den Hauptstraßen gegen die Festung zu deren Beobachtung und zum Schutz der behufs Feststellung der Angriffsfronte und der besondern Maßregeln zur Einschließung auszuführenden Rekognoszierung vorgeschoben. Sie soll zwar der Festung den Verkehr jeder Art nach außen abschneiden, muß jedoch hierbei vermeiden, diejenigen Verkehrswege, die für die Heranführung des Belagerungsmaterials notwendig sind, unbenutzbar zu machen. Durch Rekognoszierung an der Hand eines bereits bearbeiteten Angriffsentwurfs wird der Angriffsplan festgestellt. In diesem werden die Angriffsfronte, ein etwaniger Nebenangriff, der Gang des Angriffs und die Grenzen des Angriffsfeldes unter Einteilung desselben in Abschnitte, die Parkplätze, auch die ungefähre Lage der ersten Artillerieaufstellung etc. bezeichnet. Die Wahl der Angriffsfronte wird sich der großen Materialtransporte wegen meist nach den zu Gebote stehenden rückwärtigen Verbindungen richten. Man wird deshalb grundsätzlich den Belagerungspark in möglichster Nähe der Eisenbahn etablieren, auf der sein Material herbeikommt, und bei entsprechender Entfernung Förderbahnen von der Entladestation zum Park und von hier zu den Batterien anlegen. Es muß dies unter dem Schutz der Einschließungstruppen geschehen, nötigen Falls sind Feldverschanzungen mit Geschützemplacements zum Zurückweisen von Ausfällen aus der Festung zum Schutz der Parke, die etwa 7–10 km von den Forts ab bleiben, anzulegen.

Im F. ist die Artillerie die Hauptwaffe, da nur sie im stande ist, den Verteidiger aus seinen befestigten Stellungen im Vorterrain zu vertreiben sowie ihn zu zwingen, seine Kampfthätigkeit auch in den Forts und Zwischenbatterien und schließlich auf der Hauptenceinte einzustellen; es muß deshalb immer die Aufgabe aller andern Waffen sein, die Artillerie in der Erreichung dieser Ziele nach Kräften zu unterstützen und sich selbst diesem Zweck unterzuordnen. Zunächst ist der Verteidiger soweit wie möglich und für die Einschließung erforderlich aus dem Vorterrain zurückzudrängen, wobei in der Regel nur Feldartillerie, gegen verschanzte Ortschaften aber stets schwerere Geschütze mit überwältigender Wirkung in Thätigkeit kommen werden, da auch der Verteidiger solche Positionen mit Aufbietung aller verfügbaren Mittel zu behaupten suchen wird. Nach Besitznahme solcher vorgeschobenen Positionen des Verteidigers müssen dieselben zu hartnäckiger Verteidigung eingerichtet und in offenem Gelände gedeckte Verbindungen nach rückwärts, Schützengräben und Schützenlöcher für die Vorposten, Geschützeinschnitte für Feldgeschütze etc. hergestellt werden. So entstehen bei den einleitenden Kämpfen des Fernangriffs oft Stellungen hintereinander, die man allgemein als Vorpositionen (z. B. Tafel II die Batterien 6, 9, 11, 12, 13) bezeichnet, und die den Zweck haben, des Terrains sich zu bemächtigen, in dem unter dem Schutz der Infanterie die Batterien der ersten Artillerieaufstellung (Tafel I und II etwa die Batterien 5, 15, 16 bis hinüber nach 25) erbaut werden sollen. Diese sollen die Artillerie in den Forts und deren Zwischenstellungen bekämpfen, feindliche Kampfmittel vernichten, die Ausführung weiterer Verteidigungsarbeiten verhindern und so der eignen Infanterie das Vorgehen und Festsetzen auf dem Angriffsfeld ermöglichen. Diese Batterien werden daher meist nicht näher als 3000, in einzelnen Fällen bis 2000 m an die Forts herangehen können und müssen daher mit weittragenden, wirkungsvollen Geschützen, 15 cm Ringkanonen, schweren 12 cm Kanonen und 21 cm Mörsern, und bei geringern Entfernungen auch mit kurzen 15 und 21 cm Kanonen armiert werden. Sie werden in möglichst umfassender Ausdehnung gruppenweise angelegt und müssen alle in das Angriffsfeld wirkenden feindlichen Geschützaufstellungen bekämpfen. Können sie nicht in die Nähe von Straßen gelegt werden, so sind für die Armierung und den Munitionsersatz Wege dorthin anzulegen. Alle Batterien sollen möglichst in Einer Nacht erbaut werden und gleichzeitig ihr Feuer am nächsten Morgen eröffnen. Dem Vorschreiten der Infanterie werden auch Batterieanlagen folgen und zum Teil mit den Geschützen rückwärts liegender Batterien armiert werden, so daß bei einer hartnäckigen Verteidigung der Übergang von der ersten zur zweiten Artillerieaufstellung (Tafel I hinter der 1., Tafel II an und dicht hinter der 2. Parallele) sich allmählich, Schritt für Schritt vollzieht. Grundsatz des Angriffs ist, daß das Artilleriefeuer niemals ins Stocken kommen darf; die Batterien der zweiten Artillerieaufstellung werden daher auch unter dem Schutz der rückwärtigen Batterie und der ersten Infanteriestellung (Tafel I als 1. Parallele bezeichnet) auf etwa 1500–1000 m von den feindlichen Batterien, auf welchen Entfernungen ein Niederkämpfen der letztern möglich wird, erbaut. Die Erfolge der zweiten Artillerieaufstellung sind für den weitern Verlauf des Angriffs entscheidend, da auf diesen Entfernungen eine der beiden Parteien durch Niederkämpfung der gegnerischen Artillerie die Oberhand gewinnen muß; jetzt entbrennt daher der eigentliche Artilleriekampf. Die Sicherung der Angriffsartillerie in dieser Stellung gegen Ausfälle wie gegen vorgeschobene Infanterie in vorbereiteten Stellungen muß daher von der Infanterie aus einer den feindlichen Werken auf schon wirksame Gewehrschußweite naheliegenden Stellung, der ersten Infanteriestellung, übernommen werden. Diese tritt also etwa an die Stelle der frühern ersten Parallele und wird auf etwa 700 m von der vordersten feindlichen Stellung (den Forts), ob als ein zusammenhängender Laufgraben (Tranchee) oder stückweise durch Ausbau der für die Vorposten aufgeworfenen Schützengräben, darüber

[Ξ]

FESTUNGSKRIEG I.
SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DES ANGRIFFS AUF EINE MODERNE FESTUNG UND DER VERTEIDIGUNG DERSELBEN.
(Nach „Beiheft VIII“ zum Militär-Wochenblatt 1878.)

[Ξ]

FESTUNGSKRIEG II.
BELAGERUNG von STRASSBURG
Vom 13. Aug. – 27. Sept. 1870
Maßstab = 1 : 33 000
[Nebenkarte:] Krönung des Glacis.

[190] sind die Ansichten geteilt, angelegt und erhält von rückwärts her gedeckte Zugänge durch Laufgräben, die, um sie der Längsbeschießung zu entziehen, in Zickzackform geführt werden. In der zweiten Artillerieaufstellung werden 12 cm und kurze 15 cm, in besondern Fällen auch wohl noch 15 cm Ringkanonen Verwendung finden, nächstdem aber zum Bewerfen des Innern von Festungswerken namentlich 15 cm Mörser und zum Einwerfen von Hohlbauten auch noch 21 cm Mörser. In neuerer Zeit ist man nach Schießversuchen zu der Ansicht gekommen, daß indirektes Feuer, namentlich in Rücksicht auf die große Treffsicherheit der gezogenen Mörser, viel schneller zum Ziel führen wird als das Feuer der besten weittragenden Kanonen. Während daher in der ersten Artillerieaufstellung die langen Kanonen überwiegen, werden in der zweiten kurze Kanonen und Mörser vorherrschen. Auch sind die Ansichten darüber geteilt, ob es zweckmäßiger ist, 6–8 oder nur 2–4 Geschütze batterieweise zu vereinigen oder gar unter Umständen Geschütze einzeln aufzustellen. Wenn auch letztere Aufstellungen den Vorzug der bessern Anpassung an das Terrain und weniger durch das feindliche Feuer zu leiden haben, so ist doch bei dieser Vereinzelung der Geschütze die Munitionsversorgung, namentlich aber die Feuerleitung und damit das Konzentrieren des Feuers einer Anzahl Geschütze zur systematischen Niederkämpfung feindlicher Geschützaufstellungen, die z. B. der Infanterie das Behaupten wichtiger Terrainpunkte unmöglich machen, sehr erschwert. Aus den Batterien der zweiten Artillerieaufstellung müssen auch die für den Sturm erforderlichen Breschen geschossen, Kaponnieren etc. demoliert werden, wozu die kurzen 15 und 21 cm Kanonen und Mörser, zum Beschießen der Scharten von Panzertürmen oder Panzerbatterien 9 cm Kanonen und, um verdeckte feindliche Stellungen zu bekämpfen, 9 cm Mörser in vorgeschobenen Batterien oder in der ersten Infanteriestellung Verwendung finden. Ein weiteres Vorschieben von Batterien wird nicht erforderlich sein, da die Treffsicherheit der langen Kanonen durch näheres Herangehen nicht vermehrt, der Gebrauch der kurzen Kanonen aber der dadurch bedingten Herabsetzung der Ladung wegen ungünstiger wird. Von den Artilleristen wird allgemein angenommen, daß, wenn es dem Angreifer möglich wird, seine Batterien bis auf 1000 oder 900 m an die Forts heranzubringen, die beschossenen Forts in nicht langer Zeit derart in Trümmerhaufen verwandelt werden, daß es dem Verteidiger nicht möglich wird, sich darin zu halten, geschweige denn Geschütze innerhalb derselben noch ins Feuer zu bringen, so daß ihre Übergabe von selbst erfolgen muß. Es wird wahrscheinlich auch möglich sein, durch einige Geschütze aus der zweiten Artillerieaufstellung die Stadt zu beschießen, unter Umständen sogar ein erfolgreiches Bombardement zu eröffnen, hierdurch aber wie durch die Beschießung der von den Forts zur Stadt führenden Kommunikationnen die Übergabe der Forts zu beschleunigen. Von andern wird dagegen angenommen, daß auch in Zukunft der von den Ingenieuren auszuführende Nah- oder Ingenieurangriff (Sappenangriff) nicht wird entbehrt werden können, der auch bei Straßburg (Tafel II, Nebenkärtchen) noch zur Ausführung gekommen ist. Zu diesem Zweck wird unter dem Feuer der Belagerungsbatterien und dem Schutz der ersten Infanteriestellung auf halber Entfernung zwischen dieser und dem Fort die zweite Infanteriestellung und demnächst auf 150–200 m eine dritte Infanteriestellung eingerichtet, die, unter sich durch Laufgräben in gedeckter Verbindung stehend, der Infanterie die Bekämpfung des Verteidigers durch gezielte Schüsse gestatten und den Pionieren als Basis zum Vorgehen mit der bedeckten Sappe bis zur Krönung des Glacis, Anlage des Grabenniedergangs bis zur Grabensohle oder bis zum Wasserspiegel bei nassen Gräben und Herstellung des Grabenübergangs zur Bresche dienen, die von der zweiten Artillerieaufstellung geschossen wird. Kommt es zu einem solchen Vorgehen der Pioniere, so ist zu erwarten, daß auf dem Glacis der Minenkrieg beginnen wird; der Angreifer sucht durch tief liegende überladene Minen sowohl die Konterminen zu zerstören, als gleichzeitig oberirdisch einen Trichter auszuwerfen, um in ihnen gedeckt neue Angriffsminen vorzutreiben und so schließlich bis in die Nähe der Glaciskrete zu gelangen, diese zu krönen und den Grabenniedergang herzustellen, durch welche die in den Laufgräben gesammelten Sturmkolonnen zum Grabenübergang gelangen. Sollte es dem Angreifer nicht gelungen sein, die Grabenkaponnieren zu zerstören, und der Verteidiger im stande sein, hier gegen den Sturm Geschütze ins Feuer zu bringen, so wird bei der heutigen Geschützwirkung ein Gelingen des Sturms sehr in Frage gestellt. Gelang der Sturm, und ist der Verteidiger zu weiterm Widerstand durch eine inzwischen eingerichtete Zwischenstellung rückwärts der Forts vorbereitet, so muß der Angriff gegen dieselbe in ähnlicher Weise wie gegen die Forts mit ihren Zwischenbatterien begonnen und bis zum Sturm der in den Hauptwall gelegten Bresche nach gleichen Grundsätzen fortgeführt werden.

II. Die Verteidigung.

In den Festungen werden die für ihre Verteidigung erforderlichen Geschütze nebst Zubehör sowie die Munitionsteile für eine gewisse Anzahl Schüsse im Frieden bereit gehalten. Für die verteidigungsfähige Aufstellung der Geschütze und die gegen feindliches Artilleriefeuer gesicherte Unterbringung aller Kampfmittel muß gesorgt sein. Die Armierung einer Festung hat den Zweck, letztere aus dem Friedenszustand in den der Verteidigungsfähigkeit überzuführen; sie zerfällt in die fortifikatorische, artilleristische, ökonomische und Sanitätsarmierung. Erstere betrifft die Vervollständigung der Sturmfreiheit, der gesicherten Unterkunft der Garnison und ihrer Vorräte, Herstellung von Befestigungen im Vorterrain, Stauung der Gewässer zur Inundation (s. d.) des Vorterrains, Vorbereitung des Minenkriegs etc. Die artilleristische Armierung soll die Geschütze der ersten Geschützaufstellung oder der Sicherheitsarmierung an den Stellen, an denen die Geschütze nach dem bereits im Frieden bearbeiteten Armierungsentwurf Aufstellung finden sollen, kampfbereit fertig machen sowie die Munition anfertigen und die artilleristischen Streitmittel, z. B. Pulver etc., kriegsmäßig lagern. Die ökonomische Armierung soll die Lebens- und Quartierbedürfnisse der Besatzung bereit stellen und unterbringen und die Sanitätsarmierung alle Mittel zur Handhabung des Sanitätsdienstes in Bereitschaft stellen. Eine größere Anzahl von Geschützen wird als Reserve bereit gehalten, um auf der Angriffsfronte dann Verwendung zu finden, sobald diese entschieden ist. Als Grundsatz für eine aktive Verteidigung gilt, daß dem Angreifer das Vorterrain solange wie möglich streitig gemacht und das Festsetzen in demselben erschwert werden muß. Zu diesem Zweck müssen solche Punkte, die der Verteidigung günstig, und deren Besitz dem Angreifer Vorteile bringen würde, bei [191] der Armierung durch den Bau von Armierungswerken, Schanzen, Batterien, Emplacements etc., zur Geschützverteidigung eingerichtet werden. Im Unterstützungsbereich der Forts oder Festung liegend und ausschließlich mit leichten Geschützen (9 cm oder Feldkanonen, ausnahmsweise auch 12 cm) armiert, bilden sie die Stützpunkte für die Vorpostenstellungen, welche 1500–2000 m vor die Festung vorgeschoben werden, wie bei Ausfällen zur Aufnahme der zurückweichenden Ausfalltruppen. Ortschaften, die für die Verteidigung von Wichtigkeit sind, werden zu einer hartnäckigen Behauptung fortifikatorisch durch Schützengräben und Geschützemplacements (s. Feldbefestigung), an besonders wichtigen Punkten durch Feldschanzen eingerichtet. Während in den Forts die schweren Geschütze von großer Tragweite, die das Vorterrain 7–8 km weit unter Feuer nehmen können, aufgestellt sind, werden für die Spezialgeschützreserve der Forts die Anschlußbatterien auf deren Flanken ausgebaut, sofern nicht hierfür die Anlage der Angriffsbatterien abgewartet werden muß, um ihr die bestimmte Frontrichtung geben zu können. In den Zwischenräumen der Forts aber werden, sobald die Angriffsrichtung erkannt ist, die Zwischenbatterien erbaut, mit den Geschützen der Generalgeschützreserve der Festung armiert und, wo es erforderlich, Zwischendepots für die Munitionsversorgung dieser Batterien angelegt. Bringt der Angreifer seine mit schweren Geschützen armierten Batterien gegen die Verschanzungen im Vorterrain ins Feuer, so werden deren Geschütze nach den Zwischenbatterien zurückgezogen, da sie zu einem Geschützkampf nicht befähigt sind. Der Schwerpunkt der Verteidigung muß in die in Höhe der Forts eingerichtete erste Verteidigungsstellung (Tafel I) gelegt werden, weshalb für die Lage der Zwischenbatterien in erster Linie die Wirkung, demnächst erst die Deckung bestimmend ist. Gruppenweise ebenso wie die Angriffsbatterien erbaut, bilden sie mit den Forts, zwischen denen sie liegen, gewissermaßen eine äußere Enceinte, die als geschlossene Umwallung herzustellen zu kostspielig, in mancher Beziehung auch nachteilig für die Verteidigung sein würde. Der Verteidiger darf den Angreifer vom ersten Augenblick an niemals und nirgends zur Ruhe kommen lassen. Überall, wo er festen Fuß fassen will, muß er durch Beschießung daran verhindert werden; es muß dies bei der Etablierung seines Belagerungsparks schon beginnen. Der Verteidiger muß deshalb einen weit hinausgeschobenen, sorgfältig organisierten Beobachtungsdienst unterhalten. Bei künftigen Belagerungen werden zu diesem Zweck ohne Zweifel gefesselte Luftballons zur Verwendung kommen, die als permanente Stationen Tag und Nacht unterhalten werden, des Nachts mittels elektrischen Lichts das Terrain absuchen und ihre Beobachtungen telegraphisch oder durch Terrainskizzen nach unten mitteilen. So wird es möglich, den Feind auch in solchen Terrainfalten zu entdecken, die sich jeder andern Beobachtung entziehen, und rechtzeitig Maßregeln zu ergreifen, ihn von dort wieder zu vertreiben.

Sobald jedoch die Geschütze aus dem Vorterrain nach den Zwischenbatterien zurückgezogen sind, wird auch der Angreifer das Feuer aus seiner ersten Artillerieaufstellung eröffnen und hiermit der eigentliche Artilleriekampf beginnen. Man ist jetzt der Ansicht, daß derselbe vom Verteidiger unter Heranziehung aller in den nicht angegriffenen Forts entbehrlichen Geschütze mit der größten Energie geführt und reichlich mit Munition versorgt werden muß. Wichtige Angriffsbatterien müssen systematisch und mit Konzentration des Feuers einer überlegenen Anzahl Geschütze bekämpft werden. Da die Wirkung solcher Feuerkonzentration wesentlich davon abhängt, daß alle mitwirkenden Geschütze gleichzeitig mit ihrem Feuer eintreten, um dem Feind bei der Überschüttung mit Geschossen keine Zeit zu lassen, seine Geschütze in Sicherheit zu bringen, so müssen die Ausführungsbefehle telegraphisch gegeben werden. Unterliegt der Verteidiger in diesem Kampf, und wird es dem Angreifer möglich, immer neue Batterien weiter vorzuschieben, so kann er nur noch durch das systematische Bekämpfen dieser Batterien, auch unter Anwendung der Feuerkonzentration, aufgehalten werden. Für den Verteidiger ist diese Periode die Krisis, in der es darauf ankommt, die Anlage der ersten Infanteriestellung zu verhindern, da der Angreifer deren Schutz für die Erbauung seiner Batterien der zweiten Artillerieaufstellung bedarf. Mit Vorteil wird er jetzt vom elektrischen Licht zum Absuchen des Vorterrains und Entdecken von Batteriebauplätzen oder Arbeiten an der Infanteriestellung Anwendung machen und dann die Arbeiter durch Schrapnells oder Ausfälle zu vertreiben suchen. Wie dem Angreifer, wird auch dem Verteidiger das indirekte Feuer aus kurzen Kanonen und Mörsern namentlich gegen solche Batterien den größern Erfolg versprechen, die hinter Terraindeckungen liegen, während gegen Vorpositionen des Angreifers schwere 12 und 15 cm Ringkanonen vom Wallgang der Forts oder den Zwischenbatterien aus den Kampf übernehmen. Zum Beobachten seiner Artilleriewirkung stellt er im Vorterrain Beobachtungsposten aus, die den Forts oder den Batterien mittels des elektrischen Vorposten- oder optischen Telegraphen (Semaphoren und Signaltafeln) ihre Beobachtungen mitteilen. Telephonische Mitteilungen werden im Kampfgetöse schwer verständlich, jedoch bei vereinzelt liegenden Batterien mit Vorteil zu verwenden sein. Unter sich und mit der Stadt sind die Forts durch Telegraphenkabel verbunden. Je aufmerksamer der Verteidiger das ganze Angriffsfeld durch seine Vorposten etc. beobachten läßt, um so eher wird es ihm möglich, den Angreifer in der Ausführung seiner Angriffsarbeiten durch Artillerie zu beschießen und bei dem Mangel an Deckung empfindlicher zu schädigen als nach vorgerücktem Bau und dadurch gewonnener Deckung; ihm kommt hierbei die Kenntnis der Entfernungen zu gute, so daß er keines langen Einschießens bedarf, eine wesentliche Bedingung für den Erfolg. Gelingt es dem Angreifer nicht, der Verteidigungsgeschütze Herr zu werden, so wird ihm der Ausbau der ersten Infanteriestellung und damit auch der unter ihrem Schutz zu erbauenden Batterien sowie das Vortreiben der Sappenteten zur zweiten Infanteriestellung nur unter sehr großen Opfern möglich werden. Gewinnt der Verteidiger aus der zunehmenden Übermacht des Angreifers die Überzeugung, daß er die Forts nicht wird behaupten können, so wird er hinter denselben, also zwischen den Forts und der Hauptenceinte, eine zweite Verteidigungsstellung herrichten und dieselbe mit den aus den Forts und den Zwischenbatterien zurückgezogenen Geschützen so zeitig armieren, daß er nicht gezwungen ist, dem Feind mit den Forts auch noch kampffähige Geschütze zu überlassen. Gelingt es ihm rechtzeitig, kampfbereit in der zweiten Verteidigungsstellung die Besitzergreifung der Forts zu erwarten, so kann er dem Angreifer das Festsetzen in denselben sehr erschweren. Die neuerrichteten Batterien, unterstützt von den auf dem Hauptwall stehenden schweren Geschützen, werden allerdings dann, [192] wenn noch genügend Munition zur Verfügung steht, den Angreifer zu einem langsamen Vorschreiten zwingen, aber kaum noch an einem Bombardement der Stadt verhindern können. Welches Verhalten der Verteidiger in dieser Periode der Belagerung überhaupt zu beobachten hat, und ob das Herrichten einer dritten Verteidigungsstellung auf dem Glacis noch möglich ist, wird sich nach den jeweiligen Maßnahmen des Angreifers und der eignen Kraft richten. Allgemein gültige Vorausbestimmungen lassen sich dafür kaum aufstellen, um so weniger, als gerade über die letzten Stadien der Verteidigung, wenn die erste Verteidigungsstellung nicht mehr zu behaupten ist, die Ansichten am meisten auseinander gehen und auf theoretischem Weg ebensowenig wie durch Belagerungsübungen, wie solche bei Koblenz u. a. O. stattgefunden haben, ein der Wirklichkeit nahekommendes Bild gewonnen werden kann. So lehrreich diese Belagerungsübungen für die praktische Thätigkeit des Ingenieurs auch sind, so unfruchtbar bleiben sie in dieser Beziehung für die Artillerie, weil diese von ihrer Waffe keinen Gebrauch machen kann. Es müssen deshalb willkürliche Annahmen vorausgesetzt werden, auf welche hin der Ingenieur allerdings seine Arbeiten auszuführen vermag; der Artillerie aber fehlt die Möglichkeit, den Kampf der Wirklichkeit ähnlich darzustellen. Im allgemeinen wird man annehmen dürfen, daß ein Verteidiger, der in den Forts und den Zwischenbatterien mit aller Energie gekämpft hat und hier unterlegen ist, zu große Verluste an personellen und materiellen Streitkräften und Streitmitteln erlitten hat, um noch eine rückwärtige, zweite Verteidigungsstellung mit einiger Aussicht auf Erfolg einnehmen zu können. Bislang fand, gestützt auf die Vaubanschen Lehren, allerdings die Ansicht widerspruchslose Anerkennung, daß sich der Angreifer dem Belagerten gegenüber immer im Vorteil befinde und jede Festung einem energischen Angreifer in die Hände fallen müsse; neuerdings aber mehrt sich die Zahl derjenigen, die das Gegenteil behaupten, wobei allerdings die energische und aktive Verteidigung einer modernen und gut vorbereiteten Festung vorausgesetzt wird. Bevor nicht unsre Festungsartillerie in ihrer heutigen Ausbildung und mit den jetzt gebräuchlichen Geschützen Gelegenheit gehabt hat, sich im F. im Ernstfall zu bethätigen, wird eine befriedigende Lösung jener Streitfragen überhaupt nicht zu erwarten sein.

Geschichtliches.

Solange Festungen bestehen, haben Belagerungen stattgefunden; da erstere bis in das frühste Altertum zurückreichen, so erhalten wir auch schon durch die ältesten Schriften und Bildwerke Nachrichten von Kämpfen vor und um Festungen. Dem Verfahren, in eine Festung einzudringen, waren zwei Wege offen, entweder die Festungsmauer zu übersteigen, oder in derselben eine Öffnung herzustellen, durch welche die Stürmenden eindringen konnten, also im allgemeinen die noch heute geltenden Grundsätze; der Unterschied liegt in den Mitteln zu ihrer Durchführung. Von den ältesten Zeiten bis zur Anwendung der Feuerwaffen bedienten sich alle Kulturvölker fast der gleichen Mittel und des gleichen Verfahrens. Ägyptische und assyrische Abbildungen zeigen, daß bei Leiterersteigungen die auf der Mauer stehenden Verteidiger von den Belagerern mit einem Hagel von Pfeilen überschüttet wurden, um den Stürmenden, die sich durch den Schild gegen von oben auf sie heruntergeschleuderte Steine, Feuerbrände etc. zu schützen suchten, ihr Werk zu erleichtern. War die Leiterersteigung nicht durchführbar, so mußte man durch die Mauer hindurch. Die Öffnung wurde entweder durch Untergrabung hergestellt, indem man in einem unterirdischen Gang bis zur Mauer vordrang, diese unterhöhlte, die Decke durch Balken absteifte und letztere entzündete. Mit dem Einbruch der Erddecken stürzte die Mauer, oder man bediente sich der Sturmböcke, Widder, Mauerbrecher, das sind unter einem Schutzdach in Tauen aufgehängte Balken mit metallenem Kopf, mit dem derselbe durch Leute gegen die Mauer gestoßen oder geschlagen wurde. Diese maschinellen Hilfsmittel scheinen den Ägyptern wenig bekannt gewesen zu sein, die Perser dagegen zeigen eine bedeutende Entwickelung der Poliorketik (Städteeroberung, Belagerungskunst), da sie sich schon der Wandeltürme und Geschütze bedienten. Einen hohen Grad der Ausbildung hatte die Poliorketik bei den Griechen bereits im 5. Jahrh. v. Chr. erreicht. Man schloß die Festung allseitig ein und umgab sie auf einer den Fernwaffen der Belagerten entsprechenden Entfernung mit einer Zirkumvallationslinie, teils aus Mauerwerk, Backsteinen, teils als Palissadierung oder Erdwall mit Graben davor aufgeführt (Platää 430, Syrakus 414 v. Chr.), die den Belagerern zur Deckung und als Ausgang für den förmlichen Angriff mit den Belagerungsmaschinen diente. Auf Räder gestellte, also fahrbare Schutzdächer, Schildkröten, je nach ihrem Zweck von verschiedener Form, gewährten den unter ihnen stehenden Arbeitern die Deckung gegen die Fernwaffen des Verteidigers. Unter Schüttschildkröten wurde der Graben vor der Festungsmauer ausgefüllt, damit die Widderschildkröte (Sturmbock), bis 22 m lang, 16 m breit und 12 m hoch, mit entsprechend großem, darunter angehängtem Widder, an die letztere herangefahren werden konnte. Die Breschschildkröte mit Pultdach wurde dicht an die Mauer gefahren und diente außer zur Zerstörung der Mauer auch zu deren Untergrabung; hinter diesen Maschinen dienten bis zum Wall reichende Laufhallen zur gedeckten rückwärtigen Verbindung. Da diese Art des Angriffs sehr zeitraubend war, so baute man Wandeltürme, je nach der Höhe der Mauer bis 50 m und 20 Stockwerke hoch, mit umlaufenden Galerien für die Kämpfenden und in entsprechender Höhe mit Fallbrücke, welche, auf die Zinne der Mauer niedergelassen, den Stürmenden als Brücke diente. Bei niedrigen Mauern begnügte man sich auch mit der einfachen fahrbaren Fallbrücke, ähnlich unsern heutigen Kränen. – Der Verteidiger kämpfte von der Mauer durch Fernwaffen und suchte namentlich die hölzernen Belagerungsmaschinen in Brand zu setzen. Die Mauern suchte er durch Sandsäcke, Matten etc. gegen die Angriffe des Sturmbocks zu schützen oder wendete gegen diesen Gegenwidder an. Die Wandeltürme suchte er durch Unterminierung zu stürzen. Vor allen Dingen aber suchte man durch zahlreiche Ausfälle das Fortschreiten der Angriffsarbeiten zu verhindern und bekämpfte die ungedeckt sich nahenden Angreifer mit den Handfernwaffen und den, ähnlich wie heutzutage, hinter Mauerscharten aufgestellten Geschützen (Katapulten etc.). War das Gelingen der Bresche zu erwarten, so wurde hinter derselben durch Wall und Graben mit Palissadierung und hölzernen Türmen ein Abschnitt hergestellt, der oft durch hartnäckige Verteidigung zu neuer Belagerung zwang. – Diese Art des Festungskriegs wurde auch von den Römern und später von den Deutschen übernommen und hat etwa zwei Jahrtausende überdauert.

Eine Umgestaltung des Festungskriegs trat erst [193] ein mit Anwendung der Feuergeschütze und der durch ihre Verwendung bedingten Entwickelung des Festungsbaues. Solange man in der Festung noch keine Geschütze verwendete, lagerte der Angreifer nahe vor der Mauer seine Geschütze, demolierte ein Stück derselben und stürmte durch die Öffnung den Platz. Als aber auf dem Wall auch Geschütze standen, war man zu gedeckten Aufstellungen gezwungen. Um 1450 warf man zu diesem Zweck schon einen Laufgraben auf und placierte bald darauf die Geschütze 400–600 m der Kurtine gegenüber hinter einer Brustwehr. Diese Generalbatterie von 20 bis 40 und mehr Geschützen war Demontier- und dann Breschbatterie. Als später sich die Bastione auch an der Verteidigung beteiligten, erhielt die Generalbatterie zu deren Bekämpfung zurückgebogene Flügel. Um Mitte des 17. Jahrh. zerlegte man die Generalbatterie in mehrere kleinere, baute auf den Flügeln des Angriffs Enfilierbatterien und auf dem Glacis Konter- und Breschbatterien. Der Sappen- und Minenbau, sowohl beim Angriff als bei der Verteidigung, war bereits um Mitte des 16. Jahrh. in hohem Grad entwickelt. Dieser Angriff war im allgemeinen noch ohne System, die Laufgräben waren noch wenig, die Parallelen erst in ihren Anfängen entwickelt, als Vauban Mitte des 17. Jahrh. auftrat. Er brachte in den Belagerungskrieg ein so festes System, daß dieses bis in die neueste Zeit maßgebend blieb. Nachdem die Einschließung des Platzes durch die Berennung mit Kavallerie eingeleitet, wurden die Zirkum- und Kontravallationslinien, sodann auf 500 bis 600 m von der Festung die erste Parallele zur Zurückweisung der Ausfälle, Verbindung der getrennten Approschenzüge und Anlegung der Rikoschettbatterien erbaut; auf halber Entfernung wurde dann die zweite Parallele mit den Demontierbatterien und die dritte Parallele am Fuß des Glacis angelegt, in der Mörser ihre Aufstellung fanden. Die Krönung des Glacis oder das Couronnement bildete dann die letzte Infanterieposition und nahm die Konter- und Breschbatterien auf, von diesen führte dann der Grabenniedergang durch die Kontreskarpe in den Graben zur Bresche. In dieser Weise wurde der F. von den Franzosen so schematisch betrieben, daß sie eine Belagerung mehr wie die Probe auf ein Rechenexempel als wie eine Kriegsleistung anzusehen schienen. Die Erfahrungen bei der Belagerung von Sebastopol bahnten schon eine Umgestaltung des Angriffs an, die dann durch die Einführung der gezogenen Geschütze und die Lostrennung der Batterien von den Parallelen, deren Ausführung zuerst die Belagerung von Düppel 1864 zeigte, sich fortsetzte, um durch die Belagerungen von 1870/71 den Übergang zu einem neuen Angriffsverfahren als notwendig erkennen zu lassen (s. „Plan der Belagerung von Straßburg“). Die weittragenden gezogenen Kanonen ermöglichten, die Enfilierbatterien 9–13 schon auf 2500–2800 m anzulegen; der Mangel gezogener Mörser aber zwang, mit den Wurfbatterien bis auf 800 m (Batterie 7a) an die Festung heranzugehen und andre Wurfbatterien mit kleinen Mörsern noch weiter vorzuschieben. Es gleicht daher der nähere Angriff mehr dem Vaubanschen Schema, dem zu folgen wir heute durch die gezogenen Mörser mit ihren Schußweiten bis 3000 m überhoben sind. Vgl. Vauban, Traité de l’attaque et de la défense des places (Leid. 1740; deutsch, Berl. 1744, und von v. Clair, 1770); Derselbe, Traité des siéges (das. 1742; deutsch, Potsd. 1747); Derselbe, Traité de la défense de places, herausgegeben von Foissac (Par. 1795); De B. (Bousmard), Essai général de la fortification, l’attaque et la défense des places (Berl. 1798; deutsch von Kosmann, Hof 1805, 2 Bde.); Derselbe, Mémorial de Cormontaigne pour l’attaque des places, etc. (Berl. 1803); Carnot, Von der Verteidigung fester Plätze (a. d. Franz., Stuttg. 1820); Aster, Die Lehre vom F. (3. Aufl., Dresd. 1835); Zastrow, Geschichte der beständigen Befestigung (3. Aufl., Leipz. 1854); Blumhardt, Der F. (Darmst. 1866); W. Rüstow, Die Lehre vom neuern F. (Leipz. 1860, 2 Bde.); Schmölzl, Die artilleristische Verteidigung der Festungen (Berl. 1873); Popp, Vorlesungen über F. (Münch. 1874); Mollik, Angriff und Verteidigung fester Plätze (Wien 1876–77, 2 Bde.); v. Bonin, Festungen und Taktik des Festungskriegs (Berl. 1878); Derselbe, Die Lehre vom F. (das. 1881); v. Brunner, Leitfaden zum Unterricht im F. (5. Aufl., Wien 1884); „Studie über den F.“ (anonym, Berl. 1880–1881, 2 Tle.); H. Müller, Geschichte des Festungskriegs (das. 1880); v. Sauer, Beiträge zur Taktik des Festungskriegs (das. 1882); v. Löbell, Jahresberichte über Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen (das. 1874 ff.); Jähns, Geschichte des Kriegswesens (Leipz. 1880, mit Atlas).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch im Supplement: Festung und Festungskrieg (Band 17) sowie Festungen u. Festungskrieg (Band 18).