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MKL1888:Festung und Festungskrieg

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Festung und Festungskrieg“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Festung und Festungskrieg“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 17 (Supplement, 1890), Seite 317318
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Festung und Festungskrieg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 17, Seite 317–318. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Festung_und_Festungskrieg (Version vom 17.10.2022)

[317] Festung und Festungskrieg.[WS 1] Die Einführung der Brisanzgeschosse (s. d., Bd. 17) und der Schrapnells bei den Haubitzen und Mörsern hat auf das Festungswesen einen Einfluß ausgeübt, dessen Wirksamkeit noch nicht beendet, dessen Tragweite auch noch nicht abzusehen ist. Noch gehen die Meinungen darüber sehr weit auseinander. Während die einen (Major Scheibert) die allseitig geschlossene Festung nur noch in Ausnahmefällen (z. B. Sperrfort), sonst nur in der Richtung feindabwärts offener befestigter Stellungen (Positionsbefestigung) angewendet wissen wollen, meinen die andern, daß durch die Einführung jener Geschosse und neuer Waffen im ganzen wenig geändert sei, die [318] Festungen behalten nach wie vor ihren Wert, nur die Kampfmittel seien, aber auf beiden Seiten, andre, denen man durch Schutzbauten und taktische Maßnahmen Rechnung zu tragen habe. Während die einen (General v. Sauer) den abgekürzten Angriff als die wirksamste Form des Angriffs auf Festungen für die der Zukunft halten, wird der förmliche Angriff in systematischer Durchführung nach der Ansicht andrer (General Wiebe) auch künftig die Regel bilden. Unbestritten ist. daß der Schrapnellwurf aus Haubitzen (kurzen Kanonen) und Mörsern dazu zwingt, den Geschützbedienungen einen Schutz zu geben, was man durch Schrapnellschirme an der Brustwehr erreicht; gegen Sprengstücke der Brisanzgeschosse reichen so einfache Mittel nicht aus, dagegen lassen sich gegen die Minenwirkung dieser Geschosse die Gewölbedecken der Hohlbauten in genügender Weise verstärken. Zum Schutz der Geschütze mit Bedienung wollen die einen vom Eisenpanzer den ausgedehntesten Gebrauch machen, während die andern meinen, daß man die Geschoßwirkung überschätze und durch ausgedehnte Anwendung von Panzerbauten, weil sie den Aufstellungswechsel der Geschütze unmöglich machen und den Raum für deren Aufstellung beschränken (abgesehen von ihrer großen Kostspieligkeit), auf die Verteidigung einen lähmenden Druck ausübe. Dennoch finden die Panzerlafetten (s. d., Bd. 17) Schumann-Gruson immer mehr Anerkennung und Verwendung, so in den Maasbefestigungen Belgiens und in Rumänien, und es scheint, daß sie auf das Festungsbauwesen doch von bedeutsamem Einfluß sein werden. Man sagt, daß die heutigen Forts durch ihre Höhenlage die Beobachtung und Beschießung derart begünstigen, daß ihre nachhaltige Verteidigung vom Wall aus unmöglich sei. In Frankreich soll deshalb zufolge Dekrets vom 23. Juli 1887 nahe der deutschen Grenze ein unterirdisches Fort nach den Plänen Mougins zur Ausführung kommen. Sämtliche Geschütze verschiedenen Kalibers stehen paarweise in sieben versenkbaren Panzertürmen, deren Aufstellung im Grundriß die Form einer Lünette bildet. Von dem Rand ihrer schwach gewölbten Panzerkuppeln verläuft die Bodenoberfläche ganz allmählich in das Vorfeld, so daß sie sich der Beobachtung ganz entziehen. Alle Wohn-, Vorrats- und Verwaltungsräume liegen mit dem Scheitel ihrer Gewölbedecken 8 m unter der Erdoberfläche. Auch der Zugang zu den Panzertürmen ist von den unterirdischen Kasematten aus, der zum Fort durch eine etwa 200 m hinter demselben zu Tage tretende unterirdische Poterne gesichert. Oberstleutnant Schumann denkt sich in der Mitte seiner Panzerbatterie eine versenkbare 12 cm Panzerlafette, daneben zwei 12 oder 15 cm gepanzerte Kugelmörser, 100 m davor in flachem Kreisbogen sechs Panzerlafetten, mit 5,3 cm Schnellfeuerkanonen armiert, auf jedem Flügel sieben 3,7 cm Schützengrabenpanzer, ebenso sieben dergleichen 300 m davor im Schützengraben, so daß die Batterie mit 30 Geschützen armiert ist. Derartige Panzerbatterien würden wohl zweckmäßig als Zwischenwerke in den Lücken zwischen den eigentlichen Forts liegen. Welche Form und Einrichtung letztere erhalten werden, wird die Zukunft lehren. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die vorhandenen Forts, besonders auf den Flanken und in der Kehle, eine Verstärkung durch Schlnellfeuerkanonen in versenkbaren Panzertürmen erhalten werden, um gewaltsame Durchbruchversuche des Belagerers durch die Zwischenräume der Forts zu bekämpfen. Solcher Durchbruchversuch würde nach vorangegangener allgemeiner, d. h. von allen Seiten erfolgender, Beschießung der Forts und bez. auch der eigentlichen Festung mit Brisanzgeschossen der Entscheidungskampf im abgekürzten Angriff sein, dem der General v. Sauer das Wort redet. Er setzt hierbei voraus, daß die ganze Festung gleichzeitig von allen Seiten eingeschlossen und gleichmäßig allseitig angegriffen wird, und, sollte der Verteidiger der Festung unklugerweise im Vorfeld der Forts sich festgesetzt haben, daß es dann gelingt, ihn in die Fortsstellung zurückzuwerfen, worauf dann sofort die allgemeine Beschießung mit Brisanzgeschossen beginnt. Treffen diese Voraussetzungen zu, sind ferner die alten Forts noch nicht mit Geschützen zur Abwehr solcher Angriffe armiert, und ist die Leitung der Verteidigung nicht wachsam, umsichtig und energisch in der Abweisung des Feindes, dann kann ein solcher Angriff wohl gelingen und die Belagerung sofort beenden. Diese Erwägungen haben die Notwendigkeit erkennen lassen, den Forts auch eine Kehlverteidigung und der befestigten Stadt eine zusammenhängende Hauptumwallung zu geben, die man bei Rom, Reims etc. als entbehrlich fortließ. Durch die Ausbildung des Steilfeuers (aus Haubitzen und Mörsern) glaubt manz von einem umfassenden Angriff auf die zu beschießenden Werke, d. h. zur Anlage von Batterien in der Verlängerung aller zu beschießenden Festungslinien, überhoben zu sein. Der artilleristische Angriff wird dadurch außerordentlich vereinfacht, weil die Anlage der Batterien eine viel geringere Ausdehnung erhalten wird. Die Möglichkeit, normalspurige Eisenbahnen im Vollbau sowie Brücken von hinreichender Tragfähigkeit für dieselben in kurzer Zeit herzustellen, und die hinsichtlich des Auslegens und ihrer Tragfähigkeit sehr vervollkommten schmalspurigen Eisenbahnen befreien den Belagerer von dem Zwang, seinen Angriff auf die der Anmarscheisenbahn zunächst liegende Festungsfronte zu richten. Auch der Angreifer wird gegen Ausfälle als Gefechtsgeschütze sich künftig schnell feuernder Kanonen bedienen. General Prinz Krafft-Hohenlohe und Major Scheibert haben die Idee transportabler Festungen angeregt, welche im Krieg in kurzer Zeit da erbaut werden sollen, wo die Kriegslage ihrer bedarf. Zu diesem Zweck sollen im Frieden Panzerlafetten und die Eisenteile zu sonstigen Panzerbauten an Binnenlandsorten bereit gehalten werden, von wo sie nach dem Bedarfsort per Eisenbahn geschafft werden.

Neuere Litteratur: K. H., Ideen über Befestigungen (Berl. 1888); Scheibert, Die Befestigungskunst und die Lehre vom Kampf. Nachträge zu den „Streiflichtern“; 4. Teil: Vorschläge (das. 1888); Schumann, Die Panzerlafetten und ihre fernere Entwickelung (in „Internationale Revue“, Heft 9, 1886); Wiebe, Gedanken über den Artilleriekampf im Festungskrieg (Berl. 1889); v. Sauer, Über den abgekürzten Angriff gegen feste Plätze (das. 1889); Scholl, Das Befestigungswesen der Neuzeit (das. 1889); Henning, Unsre Festungen (das. 1889); Brialmont, Les régions fortifiées (Brüssel 1889).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Dies ist eine Ergänzung zu den Artikeln Festung und Festungskrieg im Hauptteil. Eine zweite Ergänzung befindet sich unter Festungen u. Festungskrieg in Band 18.