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Jüdische Altertümer/Buch XII

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[58]
Zwölftes Buch.

Dieses Buch umfasst einen Zeitraum von 170 Jahren.

Inhalt.


1. Wie Ptolemaeus Lagi Jerusalem und Judaea mit List eroberte und viele Bewohner nach Aegypten wegführte.

2. Wie sein Sohn Ptolemaeus Philadelphus die Gesetze der Juden ins Griechische übertragen liess, viele Gefangene dem Hohepriester Eleazar zu Gefallen freiliess und Gott sehr reiche Weihgeschenke darbrachte.

3. Wie die Könige Asiens das Volk der Juden ehrten und in den von ihnen gegründeten Städten denselben das Bürgerrecht verliehen.

4. Joseph, des Tobias Sohn, schliesst mit Ptolemaeus Epiphanes Freundschaft und befreit die Juden von dem Unheil, in welches sie geraten waren.

5. Freundschaftsbündnis der Lakedaemonier mit dem jüdischen Hohepriester Onias.

6. Die Machthaber der Juden entzweien sich und rufen die Hilfe des Antiochus Epiphanes an.

7. Wie Antiochus gegen Jerusalem zog, die Stadt einnahm und den Tempel plünderte.

8. Wie Antiochus den Juden untersagte, nach den Gesetzen ihrer Väter zu leben, und wie allein Mattathias der Asamonäer den Befehlen des Königs trotzte und die Feldherren des Antiochus besiegte.

9. Mattathias stirbt in hohem Alter und hinterlässt die Leitung des Staates seinen Söhnen.

10. Wie sein Sohn Judas mit den Feldherren des Antiochus kämpfte, den Juden die Möglichkeit, nach dem Gesetze ihrer Väter zu leben, wieder verschaffte und vom Volke zum Hohepriester erwählt wurde.

11. Wie des Antiochus Heerführer Apollonius in Judaea einfiel, aber besiegt wurde und umkam.

12. Feldzug des Lysias und des Gorgias gegen die Juden; Niederlage und Untergang des macedonischen Heeres.

[59] 13. Wie Judas gegen die Ammaniter und das Land Galaditis, sein Bruder Simon gegen die Syrer und Ptolemaënser zu Felde zog, und wie beide siegreich blieben.

14. Wie Antiochus Epiphanes in Persien starb.

15. Wie Antiochus Eupator zugleich mit Lysias gegen die Juden zog, sie besiegte und den Judas im Tempel belagerte.

16. Wie nach langer Belagerung Antiochus mit Judas ein Bündnis schloss und friedlich aus Judaea abzog.

17. Wie Bakchides, der Heerführer des Demetrius, gegen die Juden marschierte und unverrichteter Sache zum Könige zurückkehrte.

18. Wie Nikanor, der nach Bakchides als Befehlshaber gesandt wurde, nebst seinem Heere umkam.

19. Wie Bakchides abermals gegen Judaea geschickt wurde und den Sieg davontrug.

20. Wie Judas im Treffen fiel.

Erstes Kapitel.
Wie Ptolemaeus Lagi Jerusalem und Judaea mit List eroberte und viele Gefangene nach Aegypten wegführte.

1 Nachdem Alexander, der König von Macedonien, das Reich der Perser unterjocht und die Verhältnisse in Judaea, wie oben erwähnt, geordnet hatte, starb er, und sein Reich ward unter seine Nachfolger geteilt. 2 Antigonus erhielt Asien, Seleukus Babylon und die übrigen Länder jenes Striches, Lysimachus die Länder am Hellespont, Kassander Macedonien, und Ptolemaeus Lagi Aegypten. 3 Da diese jedoch bald unter sich uneins wurden und über ihre Macht in Streitigkeiten gerieten, entstanden langwierige Kriege, die den Städten grosse Drangsal bereiteten und vielen ihrer Einwohner das Leben kosteten. So erlitt auch Syrien von Ptolemaeus Lagi, der sich damals Soter, das ist „Retter“, nannte, das Gegenteil von dem, was sein Beiname bezeichnete. 4 Jerusalem eroberte er durch Betrug und List. Er zog nämlich, als wollte er Opfer darbringen, am Sabbat in die Stadt ein, ohne dass die Juden, die in ihm keinen Feind erblickten und deshalb nichts Schlimmes ahnten, auch des Feiertages wegen in Musse und Sorglosigkeit [60] lebten, ihn davon abgehalten hätten. So bemächtigte er sich der Stadt ohne alle Anstrengung und behandelte sie hart und ungnädig. 5 Das bezeugt auch Agatharchides von Knidus, der die Geschichte der Diadochen, der Nachfolger Alexanders, geschrieben hat und uns den Vorwurf macht, wir hätten wegen unseres Aberglauben die Freiheit verloren. 6 Er sagt: „Es giebt ein Volk, das sich Juden nennt und die grosse und wohl befestigte Stadt Jerusalem bewohnt. Diese liess es ruhig in des Ptolemaeus Gewalt gelangen, weil es nicht zu den Waffen greifen, sondern aus unzeitigem Aberglauben lieber einer grausamen Herrschaft sich unterwerfen wollte.“ 7 So schreibt Agatharchides über unser Volk. Um nun wieder auf Ptolemaeus zurückzukommen, so nahm er in den Gebirgen Judaeas, in der Umgebung von Jerusalem, in Samaria und Garizin viele Menschen gefangen und siedelte sie nach Aegypten über. 8 Und da er aus der Antwort, die Alexanders Gesandte nach der Besiegung des Darius erhalten hatten, ersah, wie sehr sich die Jerusalemer durch treues Festhalten am Eide und durch Zuverlässigkeit auszeichneten, legte er viele von ihnen als Besatzungen in die festen Plätze, gab ihnen mit den Macedoniern in Alexandria gleiche Rechte und verpflichtete sie unter Eid, dass sie auch seinen Nachfolgern treu bleiben würden. 9 Auch von den übrigen Juden zogen nicht wenige freiwillig nach Aegypten, zum Teil mit Rücksicht auf die Fruchtbarkeit des Landes, zum Teil auch im Vertrauen auf die Freigebigkeit des Ptolemaeus. 10 In der Folge jedoch brachen zwischen ihren Nachkommen, die an den Gebräuchen ihrer Väter festzuhalten entschlossen waren, und den Samaritern Streitigkeiten aus, und es kam schliesslich zum Kriege, da die Jerusalemer ihren Tempel als Heiligtum betrachtet und die Opfer dorthin geschickt wissen wollten, die Samariter aber dasselbe für den auf dem Berge Garizin gelegenen Tempel forderten.

[61]
Zweites Kapitel.
Wie Ptolemaeus Philadelphia die Gesetze der Juden ins Griechische übertragen liess, vielen Gefangenen die Freiheit schenkte und Gott eine Menge Weihgeschenke darbrachte.

(1.) 11 Nachdem Alexander zwölf und sein Nachfolger Ptolemaeus Soter vierzig Jahre regiert hatte, bestieg Philadelphus den Thron Aegyptens und behielt die Herrschaft neununddreissig Jahre lang. Er liess die Gesetze der Juden ins Griechische übertragen und setzte die in aegyptischer Knechtschaft schmachtenden Jerusalemer, hundertzwanzigtausend an der Zahl, in Freiheit, und zwar aus folgender Veranlassung. 12 Demetrius Phalereus, der Oberbibliothekar des Königs, bemühte sich, womöglich alle Bücher des Erdkreises zu sammeln, und kaufte alles auf, was nur irgend des Studiums wert war und dem Könige, dem das Bibliothekwesen sehr am Herzen lag, gefiel. 13 Als Ptolemaeus ihn nun einmal fragte, wie viele tausend Bücher er schon zusammengebracht habe, entgegnete er: Einstweilen zweihunderttausend, doch hoffe er es bald auf fünfhunderttausend zu bringen. 14 Er habe auch in Erfahrung gebracht, dass es bei den Juden viele Bücher über deren Gebräuche gebe, die des Studiums wert seien und einen Platz in der königlichen Bibliothek verdienten, die aber, da sie in hebraeischer Sprache und hebraeischen Buchstaben geschrieben seien, der Übersetzung ins Griechische viele Schwierigkeiten bereiten würden. 15 Obgleich nämlich die Schrift der Juden der syrischen ganz ähnlich sei und auch ihre Sprache sich nicht viel von der syrischen unterscheide, sei doch Sprache wie Schrift durchaus eigenartig. Dennoch könne den König, da er die nötigen Mittel zur Bestreitung der Kosten zu gewähren imstande sei, nichts abhalten, diese Bücher übersetzen zu lassen und seiner Bibliothek einzuverleiben. 16 Da nun dem Könige der Eifer des Demetrius für die Vermehrung der Büchersammlung sehr gefiel, schrieb er dem Hohepriester [62] der Juden, er möge die Benutzung der Bücher gestatten.

(2.) 17 Aristaeus, ein wegen seiner Bescheidenheit vom Könige besonders geschätzter Freund desselben, hatte sich früher schon öfters vorgenommen, den König um Freilassung aller in seinem Reiche lebenden Juden zu bitten. 18 Da er nun jetzt einen günstigen Zeitpunkt zur Anbringung seiner Bitte für gekommen erachtete, besprach er die Angelegenheit zunächst mit den Befehlshabern der königlichen Leibwache, dem Tarentiner Sosibius und dem Andreas, und bat diese, sie möchten sein Gesuch beim Könige unterstützen. 19 Er benutzte nun den vorhin erwähnten Plan des Königs für seine Zwecke, begab sich zu Ptolemaeus und redete ihn folgendermassen an: 20 „O König, wir wollen uns nicht betrügen, sondern die Wahrheit zu erforschen suchen. Wenn wir dahin streben, die Gesetze der Juden dir zu Gefallen nicht nur abschreiben, sondern auch übersetzen zu lassen, wie können wir dies ausführen, da so viele Juden in deinem Reiche als Knechte leben? 21 Es kann dir in deiner Hochherzigkeit und Güte doch nicht schwer fallen, sie aus ihrem Elend zu befreien. Durch eifriges Forschen habe ich gefunden, dass derselbe Gott, der den Juden die Gesetze gab, auch dein Reich regiert. 22 Diesen Gott, den Schöpfer des Weltalls, verehren auch wir und nennen ihn den Lebendigen, weil er allen das Leben verleiht.[1] Gieb also zur Ehre Gottes denen, die ihn ganz besonders lieben, ihre Heimat wieder, damit sie im Lande ihrer Väter sich des Lebens erfreuen können. 23 Glaube jedoch nicht, dass ich dir diese Bitte vortrage, weil ich mit dieser Nation verwandt oder aus ihr entsprossen sei. Vielmehr bitte ich dich darum, weil wir alle Geschöpfe Gottes sind, und weil ich weiss, dass er an wohlthätigen Menschen seine Freude hat.“

(3.) 24 Als Aristaeus so geredet hatte, blickte ihn der [63] König mit freundlicher und heiterer Miene an und fragte: „Wie viele tausend, glaubst du denn, werden es sein, die freigelassen werden sollen?“ Da warf Andreas, der zufällig dabei stand, ein, es seien wenig mehr als hunderttausend. „Ist das,“ fragte darauf der König, „also wohl eine Kleinigkeit, um die du, Aristaeus, mich bittest?“ 25 Als aber Sosibius und die übrigen Anwesenden ihm vorhielten, er müsse doch Gott, der ihm die Herrschaft verliehen, einen seiner Freigebigkeit entsprechenden Dank dafür abstatten, sagte der König erfreut zu und befahl, bei der nächsten Auslöhnung der Soldaten auch für jeden Gefangenen, der unter ihrer Aufsicht stehe, hundertzwanzig Drachmen auszuzahlen. 26 In betreff der Bitte des Aristaeus aber versprach er diesem, einen Erlass zu veröffentlichen, der seinem Wunsche und damit auch dem Willen Gottes entsprechen solle. Er erklärte nämlich, er wolle nicht nur die von seinem Vater und dessen Soldaten in Gefangenschaft geführten, sondern auch die schon vorher in seinem Reiche befindlichen und die später noch hinzugekommenen Juden in Freiheit setzen. 27 Und da ihm mitgeteilt wurde, die Freilassung erfordere mehr als vierhundert Talente, bewilligte er diese sogleich. Um nun die Grossmut des Königs gebührend zu ehren, beschloss man, eine Abschrift des Erlasses der Nachwelt zu überliefern. Deren Wortlaut war folgender: 28 „Wer immer mit meinem Vater nach Syrien und Phoenicien zu Felde gezogen ist und nach der Verwüstung von Judaea Gefangene in unsere Städte oder aufs Land mitgenommen hat, soll diesen die Freiheit geben. Desgleichen sollen alle Juden, die schon vorher in meinem Reiche waren, ferner die, welche durch Kauf in anderen Besitz übergegangen sind, freigelassen werden. Die Eigentümer erhalten für jeden einzelnen Kopf hundertzwanzig Drachmen, die den Soldaten zugleich mit der Löhnung, den übrigen aber an der königlichen Kasse als Lösegeld gezahlt werden sollen. 29 Ich bin nämlich der Meinung, dass dieselben gegen meines Vaters Willen und widerrechtlich zu Gefangenen [64] gemacht worden sind, und dass ihr Land von der Willkür der Soldaten schwer bedrängt worden ist, während diese selbst aus der Überführung der Gefangenen nach Aegypten grossen Nutzen gezogen haben. 30 Um der Gerechtigkeit willen und aus Mitleid mit den ungerechterweise Unterdrückten befehle ich hiermit allen denen, welche Juden zu Sklaven haben, dieselben gegen das erwähnte Lösegeld freizugeben, und niemand soll sich unterstehen, diesem Befehle heimtückischerweise zu trotzen. 31 Innerhalb drei Tagen nach Bekanntmachung dieses Ediktes haben sich die Freigelassenen bei den zuständigen Behörden zu melden und dort ihren Freibrief sich ausfertigen zu lassen. Wer diesem Befehle zuwiderhandelt, kann von jedem, der dies will, zur Anzeige gebracht werden, und es soll sein Vermögen für die königliche Kasse eingezogen werden.“ 32 Als dieses Edikt zuerst dem Könige vorgelesen wurde, fand es zwar im allgemeinen seine Billigung, jedoch fehlte noch darin die Bestimmung über die vorher und nachher aus Judaea weggeschleppten Juden, die der König dann in seiner Güte und Hochherzigkeit noch hinzufügen liess. Alsdann gab er Befehl, die ansehnliche zu Lösegeldern bestimmte Summe an die einzelnen Beamten und Zahlmeister zu verteilen. 33 Das geschah sogleich, und so war in nicht mehr als sieben Tagen der Erlass des Königs ins Werk gesetzt. Aufgewendet wurden als Lösegelder mehr denn vierhundertsechzig Talente; die Herren forderten nämlich auch für die Kinder die hundertzwanzig Drachmen, weil das vom Könige angeordnet sei, indem er „für jeden Kopf“ diesen Betrag ausgeworfen habe.

(4.) 34 Als nun alles dies im Sinne des Königs vollzogen war, befahl er dem Demetrius, nunmehr seinen Wunsch hinsichtlich der Bücher der Juden in einem Schriftstücke niederzulegen. Von den Ptolemäern wurde nämlich alles mit grosser Genauigkeit und Umständlichkeit durchgeführt. 35 Ich habe es deswegen für nötig gehalten, nicht nur das Gesuch des Demetrius und die übrigen in der Angelegenheit gewechselten Briefe hier mitzuteilen, [65] sondern auch die Zahl der Weihgeschenke und den für jedes derselben gemachten Aufwand, damit alle die Prachtliebe des Geschenkgebers ermessen und aus der Vortrefflichkeit der Arbeit auf die Geschicklichkeit der Künstler schliessen können. 36 Das Gesuch nun lautet folgendermassen: „Demetrius an den grossen König. Da du mir den Auftrag gegeben hast, o König, die zur Vervollständigung deiner Bibliothek noch erforderlichen Bücher zu sammeln und den etwa abhanden gekommenen mit gebührender Sorgfalt nachzuforschen, so habe ich den grössten Fleiss aufgewandt und zeige dir hiermit an, dass unter anderem auch die Gesetzbücher der Juden uns fehlen. Denn diese sind, weil in hebraeischer Schrift und Sprache geschrieben, für uns unverständlich. 37 Da nun deine königliche Sorgfalt sich bisher auf diese Bücher nicht erstreckt hat, so kann es sein, dass sie dir vielleicht als weniger wichtig bezeichnet worden sind. Indessen ist es notwendig, dass du deine Aufmerksamkeit auch ihnen zuwendest. Denn diese Gesetzsammlung ist so beschaffen, dass sie von höchster Weisheit und unbeflecktester Sittenreinheit Zeugnis ablegt, als käme sie von Gott selbst her. 38 Deshalb haben auch, wie Hekataeus der Abderite bezeugt, sowohl die Dichter wie die Geschichtschreiber ihrer ebensowenig Erwähnung gethan als der Männer, die nach ihren Vorschriften die Verfassung eingerichtet haben. Sie wurde eben immer als so ehrwürdig und heilig betrachtet, dass sie von unheiligem Munde nicht besprochen werden dürfe. 39 Wenn es dir also gut scheint, so schreibe, o König, an den Hohepriester der Juden, er möge dir aus jedem Stamme sechs Älteste schicken, die in den Gesetzen wohlbewandert sind. Von ihnen werden wir dann den genauen und getreuen Wortlaut jener Bücher erfahren und eine authentische Erklärung erhalten, damit wir deinem Wunsche in würdiger Weise entsprechen können.“

(5.) 40 Als Demetrius dieses Schriftstück überreicht hatte, befahl der König, in der Angelegenheit an den jüdischen Hohepriester Eleazar zu schreiben und ihn [66] zugleich von der Freilassung der in Aegypten befindlichen jüdischen Sklaven in Kenntnis zu setzen. Dabei sandte er zum Zwecke der Anfertigung von Bechern, Krügen und Schalen fünfzig Talente Gold und eine unschätzbare Menge von Edelsteinen, 41 und befahl den Hütern der Kasten, welche die Edelsteine enthielten, die Künstler nach Belieben daraus auswählen zu lassen. Ausserdem liess der König Geld zur Darbringung von Opfern und zu anderen Aufwendungen für den Tempel bis zur Höhe von hundert Talenten anweisen. 42 Bevor ich jedoch die einzelnen Weihgeschenke beschreibe, will ich zunächst den Wortlaut des an den Hohepriester Eleazar gerichteten Schreibens erwähnen. Eleazar aber hatte sein Amt aus folgender Veranlassung erhalten. 43 Nach dem Tode des Hohepriesters Onias folgte demselben sein Sohn Simon, der wegen seiner Gottesfurcht und Menschenfreundlichkeit den Beinamen „der Gerechte“ erhielt. 44 Als dieser aus dem Leben schied, war sein Sohn Onias noch unmündig, weshalb sein Bruder Eleazar, von dem hier die Rede ist, die Hohepriesterwürde erlangte. Diesem also liess Ptolemaeus schreiben wie folgt: 45 „Der König Ptolemaeus entbietet dem Hohepriester Eleazar seinen Gruss. In meinem Reiche wohnen viele Juden, die mein Vater, als sie von den obsiegenden Persern gefangen genommen waren, mit Achtung behandelte, indem er sie teils gegen höheren Sold zum Kriegsdienste heranzog, teils und zwar die, welche mit ihm nach Aegypten gekommen waren, zum Schrecken der Aegyptier als Besatzungen in die Festungen legte. 46 Als ich nun zur Regierung kam, habe ich, wie alle meine Unterthanen, so besonders deine Mitbürger freundlich behandelt, indem ich mehr als hunderttausend von ihnen aus Sklaven zu Freien machte und aus meinem Vermögen ihren Herren das Lösegeld entrichtete. 47 Diejenigen nun von diesen Freigelassenen, die ihrem Alter nach zum Waffendienste tauglich waren, habe ich zu Soldaten gemacht; einige andere aber, deren Treue mir dieser Ehre wert zu sein schien, habe ich zum Range [67] von Hofleuten erhoben und dachte so Gott zur Erlangung seiner Gnade ein angenehmes und grossartiges Weihgeschenk zu widmen. 48 Diesen nun sowie allen Juden auf dem Erdkreise will ich einen Gefallen erweisen, indem ich mich entschliesse, euer Gesetzbuch aus dem Hebraeischen ins Griechische übertragen zu lassen und es meiner Bibliothek einzuverleiben. 49 Du wirst mir deshalb einen Gefallen thun, wenn du mir aus jedem Stamme sechs ältere und gesetzeskundige Männer schickst, welche die Gesetzbücher genau erklären können. Durch dieses Unternehmen glaube ich mich mit Ruhm bedecken zu können. 50 Zur näheren Besprechung über die Angelegenheit sende ich dir Andreas, den Befehlshaber meiner Leibwache, und den Aristaeus, beide hochangesehene Männer, durch die ich dir auch hundert Talente Silber als Weihgeschenk für den Tempel und behufs Darbringung von Opfern übermache. Schreibe mir nun auch deine Wünsche, was mir sehr angenehm sein wird.“

(6.) 51 Als dieser Brief des Königs an Eleazar gelangt war, beantwortete er denselben mit möglichster Freundlichkeit: „Der Hohepriester Eleazar entbietet dem Könige Ptolemaeus seinen Gruss. Wenn du mit der Königin Arsinoë und deinen Kindern dich wohl befindest, so sind wir zufrieden. 52 Nach Empfang deines Briefes habe ich mich über deine Absicht sehr gefreut und den Brief alsbald in öffentlicher Versammlung vorgelesen, um dem Volke deine Gottesfurcht kundzumachen. 53 Die von dir gesandten zwanzig goldenen und dreissig silbernen Schalen, die fünf Krüge, den zur Aufnahme von Weihgeschenken bestimmten Tisch, sowie die zur Darbietung von Opfern und zum Besten des Tempels gespendeten hundert Talente, die deine vertrauten Freunde, die hochachtbaren, edlen, gelehrten und tugendhaften Männer Andreas und Aristaeus uns gebracht haben, habe ich dem Volke gezeigt. 54 Wisse nun, dass ich dir alles, was zu deinem Nutzen dienen kann, gern gewähren will, soweit es in meinen Kräften [68] steht, um dir den schuldigen Dank für die meinen Landsleuten bewiesenen Wohlthaten zu erstatten. 55 Deshalb habe ich sogleich für dich, deine Schwester, deine Kinder und deine Freunde Opfer dargebracht, und das Volk hat mit mir zu Gott gefleht, damit dir alles nach Wunsch gelinge, dein Reich sich des Friedens erfreue, und auch die Übertragung der Gesetze den von dir gewollten glücklichen Erfolg aufweise. 56 Ich habe aus jedem Stamme sechs ältere Männer ausgewählt, die ich mit den Gesetzbüchern dir zuschicke. Von deiner Frömmigkeit und Gerechtigkeit aber erwarte ich, dass du mir nach Fertigstellung der Übersetzung die Bücher wieder zuschickst und auch für das Wohlergehen derjenigen sorgst, die sie dir überbringen. Lebe wohl.“

(7.) 57 Das war das Antwortschreiben des Hohepriesters. Ich habe es nun nicht für nötig gehalten, die Namen der siebzig Greise mitzuteilen, die Eleazar mit den Gesetzbüchern schickte; in dem Schreiben waren diese Namen indes enthalten. 58 Dagegen will ich die Pracht und Kostbarkeit der Weihgeschenke, die der König Gott dem Herrn stiftete, beschreiben, weil ich das für passend halte, damit des Königs Frömmigkeit allgemein bekannt werde. Er spendete nicht nur reichliche Mittel zu diesen Weihgeschenken, sondern ging auch zu den Künstlern hin und besichtigte die Arbeiten, damit nichts davon nachlässig oder oberflächlich ausgeführt würde. 59 Ich will nun jedes einzelne Stück schildern, nicht weil die Geschichte gerade eine solche Beschreibung erforderte, sondern damit ich meinen Lesern einen Begriff von dem Schönheitssinne und der Hochherzigkeit des Königs geben kann.

(8.) 60 Zunächst wende ich mich zur Beschreibung des Tisches. Diesen wollte der König in gewaltigen Massen anfertigen lassen. Er befahl also, Erkundigungen darüber einzuziehen, welche Dimensionen der Tisch zu Jerusalem habe und ob es möglich sei, einen noch grösseren herzustellen. 61 Als er nun erfuhr, wie gross dieser sei, und dass nichts im Wege stehe, den neuen [69] Tisch noch grösser zu machen, meinte er, er wolle ihn wohl fünfmal so gross machen lassen, doch fürchte er, dass er dann seiner grossen Masse wegen beim Gottesdienst nicht gebraucht werden könne. Da er nun wünsche, dass seine Weihgeschenke nicht bloss Schaustücke darstellten, sondern auch beim Gottesdienste Verwendung finden möchten, 62 halte er es für richtig, den neuen Tisch nicht grösser als den anderen, der übrigens wohl aus Mangel an Gold in so bescheidener Grösse angefertigt worden sei, aber aus kostbarerem Material herstellen zu lassen. 63 Da er nun eine scharfe Beobachtungsgabe besass und geschickt im Erdenken von allerhand neuen und wundervollen Formen war, so entwarf er selbst mit grossem Fleiss die Zeichnungen, legte sie den Künstlern vor und hiess sie danach arbeiten, da sie nun die Ciselierungen zur Herausarbeitung der Formen leichter würden vollenden können.

(9.) 64 Nachdem die Künstler diese Anleitungen sich zu nutze gemacht, fertigten sie den Tisch ganz aus Gold an, zweiundeinehalbe Elle lang, eine Elle breit, einundeinehalbe Elle hoch. Der Rand des Tisches, der die Platte handhoch überragte, war an den Ecken umgebogen und hier mit getriebener, Stricke darstellender Arbeit versehen, sodass er an drei Stellen wundervolle Verzierungen zeigte. 65 Der Tisch war nämlich dreieckig, und jede Ecke wies dieselbe Anordnung auf, sodass man von allen Seiten immer die nämliche Verzierung erblickte. War nun schon die innere, nach dem Tische zu gewandte Seite des Randes schön ausgearbeitet, so zeigte sich die äussere Seite, die hauptsächlich ins Auge fiel, doch noch herrlicher. 66 An den drei Ecken, wo man die in Form von Stricken getriebene Arbeit angebracht hatte, waren in wechselnder Ordnung Edelsteine befestigt, die von goldenen, durch Löcher der Steine laufenden Schnüren zusammengehalten wurden. 67 An der Seite des Randes, die sich dem Anblick darbot und schräg stand, waren in Eiform kostbare Steine angebracht, die zu einer rings um den Tisch laufenden stabförmigen [70] Anordnung verbunden waren. 68 Unterhalb dieser ovalen Medaillons schlang sich ein Kranz von allerhand Früchten, hängenden Trauben, aufragenden Ähren und dazwischen versteckten Granatäpfeln. Edle Steine gaben bei jeder der genannten Früchte die natürliche Farbe wieder und wurden rings um den Tisch von goldener Einfassung gehalten. 69 Unterhalb des Kranzes befanden sich wieder die eiförmigen Medaillons und die stabförmige Anordnung wie oberhalb desselben, sodass, selbst wenn man den Tisch umkehrte, keinerlei Verschiedenheit in der Arbeit bemerkbar wurde. 70 Dazu kam dann noch eine goldene, vier Finger breite Platte, in welche die Füsse des Tisches eingelassen waren. Die letzteren waren mit Klammern und Stiften neben der Platte des Tisches befestigt, sodass man stets dieselbe kunstvolle Arbeit vor sich hatte, wie man auch den Tisch drehen und wenden mochte. 71 Oben auf der Tischplatte war eine Maeanderverzierung angebracht, in die kostbare Steine gleich Sternen in verschiedenen Farben eingelassen waren: Karfunkel und Smaragde, die das Auge des Beschauers durch ihren herrlichen Glanz entzückten, sowie noch andere Edelsteine, die wegen ihrer Kostbarkeit hochgeschätzt sind. 72 Neben der Maeanderverzierung lief ein strickförmiges Flechtwerk, sodass in der Mitte eine rautenförmige Figur entstand. Das Flechtwerk war besetzt mit Krystallen und Bernstein, die in reicher Abwechselung den Beschauer wunderbar ergötzten. 73 Die oberen Enden der Füsse wiesen die Form von Lilien auf, deren Blätter unter die Tischplatte zurückgebogen waren, sodass die inneren Blütenteile sich dem Auge darboten. 74 Die Basis der Füsse bildete je ein handbreiter und acht Finger dicker Karfunkel, in welche die Füsse wie in Postamente eingelassen waren. 75 Die einzelnen Füsse waren aufs feinste und sorgfältigste ausgearbeitet und bestanden aus Epheu, Rebzweigen und Trauben, die so täuschend gemacht waren, dass man sie von wirklichen nicht unterscheiden konnte. Denn sie waren so ausserordentlich zart gearbeitet, dass sie [71] vom Winde bewegt wurden, und schienen so eher ein Werk der Natur als der Kunst zu sein. 76 Der ganze Tisch war aus drei Teilen zusammen gefügt, die so genau ineinander passten, dass man die Verbindungsstellen nicht wahrnehmen konnte. Die Dicke der Tischplatte betrug nicht weniger als eine halbe Elle. 77 So herrlich, kostbar, reich an Verzierungen und natürlich in der Ausführung war dieses Weihgeschenk des Königs, und wenn es auch den anderen Tisch an Grösse nicht überragte, so that es dies doch sicher an kunstvoller Ausstattung, Originalität und Pracht der Verzierungen.

(10.) 78 Ausserdem liess Ptolemaeus zwei goldene Krüge anfertigen, die vom Fusse bis zur Mitte schuppenförmig getriebene Arbeit zeigten, auf den Rippen aber mit verschiedenartigen Edelsteinen besetzt waren. 79 Darüber erhob sich eine Maeanderverzierung von der Höhe einer Elle, zusammengesetzt aus mannigfaltigen und kunstvoll geformten Steinen, an die sich eine stabförmige Anordnung anschloss. Von da bis zum Rande des Gefässes war ein netzförmiges Muster in Rauten angebracht. 80 In der Mitte des Kruges befanden sich Schilde, welche aus Steinen in der Grösse von vier Fingern hergestellt waren und nicht wenig zum Glanze und zur Zierde des Gefässes beitrugen. Den Rand des Kruges umgaben Lilienblätter, Blumen und Rebzweige, die sich als Kranzgewinde rings um denselben schlangen. 81 So waren die beiden goldenen Krüge beschaffen, deren jeder zwei Amphoren[2] hielt. Die silbernen wetteiferten an Glanz mit dem Spiegel, sodass man in ihnen sein Bild noch deutlicher als in einem solchen erblicken konnte. 82 Ausserdem liess der König auch noch dreissig Schalen anfertigen, die, soweit sie von Gold waren, mit Epheu und Weinlaub in getriebener Arbeit verziert, jedoch nicht mit Edelsteinen besetzt waren. 83 Diese Kunstgegenstände waren nicht nur ein Beweis für die grosse Geschicklichkeit der Künstler, welche sie verfertigt hatten [72] sondern auch und zwar in noch höherem Grade für den Eifer und die Freigebigkeit des Königs, dem es zu verdanken war, dass die Arbeiten eine so hohe Vollkommenheit aufwiesen. 84 Denn er hatte nicht nur den Künstlern die Mittel reichlich und freigebig gewährt, sondern auch mit Hintansetzung seiner Regierungsgeschäfte die Arbeiten persönlich beaufsichtigt. Dadurch wurden die Künstler zu regem Fleisse angespornt und widmeten sich im Hinblick auf das Beispiel des Königs ihrem Werke mit grösserer Hingabe.

(11.) 85 Das waren also die Weihgeschenke, die Ptolemaeus nach Jerusalem sandte. Der Hohepriester Eleazar liess sie im Tempel aufstellen, bewies den Überbringern die grösste Aufmerksamkeit und entliess sie mit Geschenken für den König. 86 Als sie nach Alexandria gekommen waren und Ptolemaeus ihre wie der siebzig Ältesten Ankunft erfuhr, beschied er sogleich seine Gesandten Andreas und Aristaeus zu sich. Diese überbrachten ihm das Schreiben des Hohepriesters und erklärten ihm alles, worüber er Aufschluss verlangte. 87 Da er nun sehnlichst wünschte, die von Jerusalem zur Erklärung der Gesetze gekommenen Ältesten zu sprechen, entliess er alle übrigen, die sich zur Erledigung laufender Geschäfte bei ihm befanden, ohne auf Gebrauch und Sitte zu achten. 88 Wer nämlich aus diesem Grunde zu ihm kam, hatte an jedem fünften Tage Zutritt, Gesandte jedoch nur jeden Monat. Damals nun entliess er alle anderen, um die Gesandten Eleazars zu empfangen. 89 Sobald die Greise eingetreten waren mit den Geschenken, die der Hohepriester ihnen für den König übergeben, und mit den Rollen, auf denen in goldenen Buchstaben die Gesetze verzeichnet standen, fragte der König sogleich nach den Büchern. 90 Und da sie ihm dieselben nach Entfernung der Hülle zeigten, bewunderte er längere Zeit die Feinheit des Pergamentes und die Geschicklichkeit, mit der die Bücher aneinandergefügt waren. Dann dankte er den Greisen dafür, dass sie gekommen seien; noch grösseren Dank aber stattete er [73] dem ab, der sie gesandt, und dem allerhöchsten Gott, von dem diese Gesetze herrührten. 91 Als nun die Greise samt den übrigen Anwesenden dem Könige einstimmig ihre Segenswünsche darbrachten, brach er vor übergrosser Freude in Thränen aus. So ist es ja von der Natur angeordnet, dass die höchste Freude wie der tiefste Schmerz sich in denselben Zeichen äussern. 92 Darauf liess er die Bücher seinen Beamten übergeben und umarmte dann die Greise, indem er sagte, es sei billig gewesen, zuerst von dem Zwecke ihrer Anwesenheit zu reden, bevor er sie begrüsst habe. Den Tag ihrer Ankunft aber versprach er zu einem Festtage zu machen und denselben jedes Jahr, so lange er leben werde, zu feiern. 93 Der Zufall wollte es, dass der Tag der Ankunft der Greise derselbe war, an welchem der König den Seesieg über Antigonus davongetragen hatte. Er lud alsdann die Greise ein, mit ihm zu speisen, und liess ihnen in der Nähe der Königsburg die beste Herberge anweisen.

(12.) 94 Nikanor, dem der Empfang der Gastfreunde oblag, liess gleich den Dorotheus, der für ihre Bequemlichkeit zu sorgen hatte, kommen und befahl ihm, den Gästen alle erforderlichen Lebensmittel zu verabreichen. Diese Angelegenheit hatte nämlich der König in folgender Weise geordnet. 95 In jeder Stadt, die nicht selbst eine gleiche Einrichtung besass, befand sich ein königlicher Beamter, der für die ankommenden Fremden zu sorgen und ihnen alles zu liefern hatte, dessen sie nach ihren Lebensgewohnheiten bedurften. Der Zweck dieser Einrichtung war der, dass die Fremden bei ihrer gewohnten Lebensweise bleiben konnten und nicht unter dem Gefühl, in der Fremde zu sein, leiden sollten. So geschah es auch mit den siebzig Greisen, für die Dorotheus, da er ihre Lebensart gut kannte, in bester Weise sorgte. 96 Er selbst leitete alle Anstalten zur Bewirtung der Gäste und liess dem Befehle des Königs gemäss den Tisch auf beiden Seiten decken. Ptolemaeus hatte nämlich angeordnet, dass die eine Hälfte der Greise neben ihm, die andere aber ihm gegenüber Platz nehme, da er [74] nichts unterlassen wollte, wodurch er sie ehren konnte. 97 Nachdem sie nun Platz genommen, befahl er dem Dorotheus, seinen Gästen das Mahl ganz nach der Art vorzusetzen, wie sie es in Judaea gewöhnt waren. Aus diesem Grunde liess er auch die Opferdiener, Opferer und Gebetsrufer sich entfernen und bat einen der Gäste, den Priester Elissaeus, das Gebet zu sprechen. 98 Dieser trat darauf in die Mitte und betete für den König und seine Unterthanen. Alsdann klatschten alle vor Freude in die Hände und riefen dem Könige zu, worauf sie sich zum Mahle wandten. 99 Nach hinreichender Pause begann der König ein philosophisches Gespräch und legte jedem einzelnen Fragen aus der Naturgeschichte und Philosophie vor. Und da sie alle über die aufgeworfenen Themata genauen Bescheid wussten, freute der König sich sehr und liess das Gastmahl zwölf Tage lang wiederholen. 100 Wer sich über die bei den Mahlzeiten geführten Gespräche genauer unterrichten will, mag das Buch lesen, welches Aristaeus darüber geschrieben hat.

(13.) 101 Die Greise erregten nicht nur die Bewunderung des Königs, sondern auch des Philosophen Menedemos, welcher gestehen musste, es gebe ein Wesen, das in seiner weisen Fürsorge alles lenke und leite, und von dem die Greise die überzeugende Kraft ihrer Rede erhalten hätten. 102 Damit nahmen dann die philosophischen Untersuchungen ein Ende, und der König erklärte, die Ankunft der Greise gereiche ihm zum höchsten Vorteil, da er von ihnen gelernt habe, wie er seinen Herrscherpflichten nachkommen müsse. Dann befahl er, jedem der Greise drei Talente einzuhändigen und Männer zu bestimmen, welche sie in ihre Herberge geleiten sollten. 103 Nach drei Tagen holte Demetrius sie ab, führte sie sieben Stadien weit über einen in das Meer nach einer Insel hin sich erstreckenden Damm, schritt mit ihnen über die Brücke nach dem nördlichen Teile der Insel und liess sie hier in ein nahe beim Strande erbautes Haus eintreten, welches die zum Studium erwünschte Stille darbot. 104 Dann bat er sie, sie möchten, [75] da alles zur Übertragung Notwendige vorhanden sei, nunmehr mit dem Werke beginnen. Die Greise gaben sich hierauf mit grösstem Fleisse daran, eine genaue Übersetzung anzufertigen, und arbeiteten täglich bis zur neunten Stunde. 105 Dann sorgten sie auch für ihre leiblichen Bedürfnisse, hinsichtlich deren ihnen alle erforderlichen Lebensmittel reichlich zur Verfügung standen. Denn Dorotheus musste ihnen auf Geheiss des Königs vieles von dessen eigener Tafel bringen. 106 Täglich kamen sie in der Frühe zur Königsburg, begrüssten den Ptolemaeus, kehrten dann desselben Weges zurück, wuschen ihre Hände im Meer und begaben sich wieder an die Arbeit. 107 Im ganzen nahm die Abschrift und Übertragung der Gesetze zweiundsiebzig Tage in Anspruch.[3] Alsdann liess Demetrius an der Stelle, wo die Übersetzung stattgefunden hatte, alle Juden sich versammeln und las die Arbeit in Gegenwart der Übersetzer vor. 108 Die Menge bezeigte darauf den Übersetzern ihren Beifall und lobte auch den Demetrius wegen seines vortrefflichen Einfalles, wodurch er ihnen vieles Gute erwiesen habe. Sie baten ihn dann, auch ihren Vorstehern das Gesetz zur Lesung zu übergeben, und alle, sowohl die Priester und Ältesten aus den Übersetzern als auch die Vorsteher der Gemeinde, drückten den Wunsch aus, die Übersetzung möge, weil sie so gut ausgefallen sei, nun auch unverändert bleiben. 109 Diesem Wunsche traten alle Anwesenden bei und bestimmten, dass, wenn jemand bemerke, dass etwas Überflüssiges sich in das Gesetz eingeschlichen habe oder etwas weggelassen worden sei, er sich nochmals gründlich davon überzeugen und dann auf Verbesserung bedacht sein solle. Daran thaten sie klug; denn nachdem die Übersetzung nun einmal als richtig befunden war, sollte sie es auch bleiben.

(14.) 110 War nun der König schon sehr erfreut, als er [76] seinen Plan verwirklicht sah, so stieg seine Freude noch höher, als ihm die Gesetze vorgelesen wurden. Er staunte ob der Weisheit und dem Scharfsinne des Gesetzgebers und fragte den Demetrius, wie es möglich sei, dass eine so wunderbare Gesetzgebung weder von den Geschichtschreibern noch von den Dichtern erwähnt werde. 111 Demetrius entgegnete darauf, niemand habe das Gesetzbuch zu berühren gewagt, weil es ehrwürdig und göttlich sei, und weil schon manche, die sich dessen unterfangen, von Gott bestraft worden seien. 112 Er erzählte ihm, wie Theopompos, der etwas aus dem Gesetz habe abschreiben wollen, länger als dreissig Tage in Geistesstörung versunken gewesen sei und in seinen lichten Augenblicken Gott mit Bitten zu versöhnen gesucht habe, weil er richtig geahnt habe, dass dies die Ursache seines Wahnsinns sei. Aus einem Traume habe er dann auch wirklich erkannt, dass er von dem Unglück betroffen worden sei, weil er Göttliches anzutasten und es dem gemeinen Volke mitzuteilen im Sinne gehabt habe. Sobald er nun von seinem Vorhaben abgekommen sei, habe er seinen Verstand wiedererlangt. 113 Ferner berichtete er ihm von dem Trauerspieldichter Theodektas, der, wie man sage, in einer Dichtung des Inhaltes der heiligen Bücher habe Erwähnung thun wollen und dafür von einer Augenkrankheit, die man Star nenne, heimgesucht worden sei. Darauf habe er die Ursache seines Leidens erkannt und sei durch Gottes Gnade wieder gesund geworden.

(15.) 114 Als der König von Demetrius die Gesetzbücher erhalten hatte, bezeigte er ihnen seine Verehrung und befahl, die grösste Sorgfalt darauf zu verwenden, dass sie unversehrt blieben. Dann lud er die Übersetzer ein, recht oft aus Judaea zu ihm zu kommen, 115 da er sie nicht nur stets mit offenen Armen empfangen, sondern auch reichlich beschenken werde. Jetzt sei es allerdings billig, sie zu entlassen. Kämen sie aber aus eigenem Antrieb wieder, so könnten sie sicher sein, alles bei ihm zu finden, was ihre Weisheit verdiene und seine Freigebigkeit [77] ihnen zu gewähren imstande sei. 116 Darauf entliess er sie, nachdem er ihnen noch drei prachtvolle Gewänder, zwei Talente Gold, einen Becher im Werte von einem Talente, und das Gedeck, dessen sie sich beim Mahle bedient, als Geschenke verehrt hatte. 117 Für den Hohepriester Eleazar gab er ihnen zehn Ruhebetten mit silbernen Füssen und allem Zubehör sowie einen Becher im Werte von dreissig Talenten mit, ferner zehn Gewänder, Purpur, eine herrliche Krone, hundert Ellen Byssusgewebe, sodann Schalen, Teller, Becher und zwei Krüge zur Aufstellung im Tempel. 118 Endlich bat er den Eleazar noch in einem Briefe, er möge, falls einer von den Greisen ihn wieder besuchen wolle, dazu seine Erlaubnis geben, weil es ihm das höchste Vergnügen bereite, sich mit gebildeten Männern zu unterhalten, und es ihm stets eine Freude sei, seine Reichtümer mit ihnen zu teilen. Das sind die Ehrenbezeugungen und Wohlthaten, die Ptolemaeus Philadelphus den Juden erwiesen hat.

Drittes Kapitel.
Wie die Könige Asiens das Volk der Juden ehrten und in den von ihnen gegründeten Städten ihnen das Bürgerrecht verliehen.

(1.) 119 Die Juden wurden auch von den Königen Asiens, unter denen sie Kriegsdienste geleistet hatten, ehrenvoll behandelt. Seleukus Nikator verlieh ihnen in den Städten, die er in Asien und im unteren Syrien gegründet hatte, sowie in der Hauptstadt Antiochia selbst das Bürgerrecht und stellte sie den dort wohnenden Macedoniern und Griechen völlig gleich. 120 Dieses Recht geniessen sie auch heute noch, wie daraus hervorgeht, dass den Juden, die kein fremdes Öl[4] gebrauchen wollen, [78] von den Gymnasiarchen statt des Öles eine bestimmte Geldsumme gezahlt wird. Als im letzten Kriege das Volk von Antiochia diesen Gebrauch abschaffen wollte, hielt Mucianus, der damals Statthalter von Syrien war, ihn aufrecht. 121 Und als später Vespasianus und dessen Sohn Titus den Erdkreis beherrschten und die Bewohner von Alexandria und Antiochia verlangten, dass den Juden das Bürgerrecht genommen werde, konnten sie die Erfüllung dieses Verlangens nicht erreichen.[5] 122 Man kann daraus ersehen, wie edel und grossmütig die Römer und besonders Vespasianus und Titus waren. Denn obwohl diese Fürsten im Kriege gegen die Juden viel Ungemach zu ertragen hatten und ihnen zürnten, weil sie sich nicht ergeben wollten, sondern bis zum letzten Augenblicke Widerstand leisteten, 123 so wollten sie doch die vorgenannten Rechte der Juden nicht geschmälert wissen. Vielmehr widerstanden sie sowohl ihrem eigenen Zorn, als auch dem Verlangen der Bewohner von Alexandria und Antiochia, 124 und liessen sich weder aus Wohlwollen gegen die letzteren noch aus Hass gegen die Unterjochten dazu verleiten, in ihrer Grossmut gegen die Juden nachzulassen. Denn sie meinten, die, welche die Waffen gegen sie erhoben und im Kampfe den kürzeren gezogen hätten, seien dadurch schon genug gestraft, und diejenigen, die nichts verbrochen, dürften billigerweise auch ihrer Rechte nicht beraubt werden.

(2.) 125 Von gleicher Gesinnung gegen die Juden war bekanntlich auch Marcus Agrippa beseelt. Denn als die Ionier sich gegen die Juden erhoben hatten und den Agrippa baten, ihnen das Bürgerrecht, welches Antiochus, der Enkel des Seleukus, der bei den Griechen „Gott“ genannt wird, ihnen verliehen, allein zu belassen, indem sie zugleich verlangten, 126 die Juden müssten, wenn sie mit ihnen gleichgestellt würden, auch ihre Götter verehren, gewannen die Juden den deswegen anhängig gemachten Prozess unter dem Rechtsbeistand des Nikolaus [79] von Damaskus und durften bei ihren Gebräuchen bleiben. Agrippa erklärte nämlich, er dürfe daran nichts ändern. 127 Will jemand Genaueres hierüber erfahren, so lese er im hundertdreiundzwanzigsten und hundertvierundzwanzigsten Buche der Geschichten des Nikolaus von Damaskus nach. Über die Entscheidung des Agrippa aber darf man sich nicht wundern, da unser Volk damals mit den Römern nicht im Kriege lag. 128 Dagegen verdient die Grossmut des Vespasianus und des Titus die höchste Bewunderung, da sie trotz so vieler mit uns geführten Kriege in ihrer Leutseligkeit gegen uns nicht nachliessen. Doch ich will den Faden der Erzählung wieder aufnehmen.

(3.) 129 Als Antiochus der Grosse in Asien regierte, traf die Juden einschliesslich derjenigen, die in Coelesyrien wohnten, viel Unglück. 130 In dem Kriege nämlich, den der genannte König gegen Ptolemaeus Philopator und dessen Sohn Ptolemaeus Epiphanes führte, wurden sie von Unheil verfolgt, mochte der König nun siegen oder geschlagen werden, sodass sie nicht unähnlich einem Schiff im Sturme waren, das auf beiden Seiten von den Fluten bedrängt wird. Sie lagen gleichsam zwischen des Antiochus Glück und Unglück in der Mitte. 131 Als unterdessen Antiochus den Ptolemaeus endgiltig besiegt hatte, eroberte er Judaea. Nach dem Tode des Philopator sandte dessen Sohn ein grosses Heer gegen die Coelesyrer unter Skopas; der ausser vielen Städten dieses Landes auch unser Land besetzte. 132 Nicht lange nachher jedoch schlug Antiochus den Skopas bei den Quellen des Jordan und vernichtete einen grossen Teil seiner Streitmacht. 133 Als nun infolgedessen Antiochus die Städte Coelesyriens, welche Skopas erobert hatte, sowie Samaria in seine Gewalt brachte, unterwarfen sich ihm die Juden freiwillig, liessen ihn in die Stadt einziehen, versahen sein Heer und seine Elefanten mit Lebensmitteln und halfen ihm die von Skopas in der Burg von Jerusalem zurückgelassene Besatzung belagern. 134 Antiochus, der es für billig hielt, die Treue und das Entgegenkommen der [80] Juden zu belohnen, schrieb nun an seine Heerführer und Freunde, gab den Juden das Zeugnis, dass sie sich um ihn sehr verdient gemacht hätten, und zeigte ihnen an, welche Geschenke er ihnen dafür zugedacht habe. 135 Von diesem Briefe möchte ich eine Abschrift hier beifügen; zunächst aber will ich erzählen, wie Polybius von Megalopolis diese meine Angaben bestätigt Er sagt nämlich im zehnten Buche seiner Geschichten: „Skopas, der Feldherr des Ptolemaeus, griff die höher gelegenen Gegenden an und unterwarf im Winter das Volk der Juden.“ 136 In demselben Buche berichtet er weiter: „Als Antiochus den Skopas besiegt hatte, eroberte er Batanaea, Samaria, Abila und Gadara. Bald darauf unterwarfen sich ihm die Juden, so viele ihrer um das Jerusalem genannte Heiligtum herum wohnten. Hierüber sowie über die Gegenwart der Gottheit im Heiligtum hätte ich noch vieles zu sagen, doch will ich das auf eine andere Zeit verschieben.“ 137 Soweit Polybius in seiner Geschichte. Kehren wir nun wieder zum Gange der Begebenheiten zurück. Es folgt also zunächst der Brief des Antiochus. 138 „Der König Antiochus entbietet dem Ptolemaeus seinen Gruss. Sowie ich das Land der Juden betrat, haben sie mir sogleich ihre Treue bewiesen, mich glänzend aufgenommen, meine Soldaten und Elefanten mit Lebensmitteln versorgt und mir bei der Vertreibung der aegyptischen Besatzung aus der Burg geholfen. 139 Ich habe es nun für billig gehalten, mich ihnen hierfür erkenntlich zu beweisen und zunächst ihre von manchem widrigen Geschick heimgesuchte Stadt wiederherzustellen und durch Zurückberufung der zerstreuten Bewohner wieder zu bevölkern. 140 Vorläufig habe ich beschlossen, ihnen um ihrer Gottesfurcht willen den Bedarf für die Opfer zu liefern, nämlich Vieh, Wein, Öl und Weihrauch für zwanzigtausend Sekel, sechs Artaben Weizenmehl nach dem Gebrauche ihres Landes, tausend vierhundertsechzig Scheffel Weizen und dreihundertfünfundsiebzig Scheffel Salz. 141 Das alles ist ihnen genau zu verabfolgen, wie ich befehle; imgleichen sollen [81] auch die Arbeiten am Tempel, an den Säulenhallen und wo sonst Bauten nötig sind, in Angriff genommen werden. Das Material dazu soll aus Judaea selbst, aus den anderen Bezirken und vom Libanon entnommen werden, ohne dass irgend eine Abgabe dafür erhoben werden darf. Dasselbe bestimme ich hinsichtlich aller übrigen Arbeiten, die zur Verschönerung des Tempels notwendig sind. 142 Allen Angehörigen des Volkes soll gestattet sein, nach den Gesetzen ihrer Väter zu leben, und es sollen die Ältesten, die Priester, die Tempelschreiber und die Sänger von der Kopfsteuer, der Abgabe für die Krone und jeder anderen Steuer befreit sein. 143 Damit nun die Stadt desto eher wieder bevölkert werde, bewillige ich den Bewohnern derselben und allen, die sich bis zum Monat Hyperberetaios dort niederlassen, Steuerfreiheit für drei Jahre. 144 Auch will ich ihnen den dritten Teil aller Abgaben erlassen, damit sie sich von ihrem Elend erholen können. Ferner setze ich hiermit alle, die aus der Stadt in die Sklaverei geschleppt worden sind, samt ihren Kindern in Freiheit und befehle, dass ihnen ihr Vermögen zurück gegeben werde.“

(4.) 145 Das war der Inhalt dieses Briefes. Weiterhin liess er auch im ganzen Reiche folgende Vorschriften zum Besten des Tempels bekannt machen: „Kein Fremder darf das Innere des Tempels betreten, was ja auch den Juden nach dem Gesetze ihrer Väter nur erlaubt ist, wenn sie entsprechende Reinigungen vorgenommen haben. 146 Niemand darf ferner Fleisch von Pferden, Maultieren, wilden oder zahmen Eseln, Pardeln, Füchsen, Hasen oder anderen Tieren, deren Genuss den Juden verboten ist, in die Stadt einbringen, imgleichen auch die Häute dieser Tiere nicht einführen noch ein derartiges Tier in der Stadt halten, sondern es dürfen nur die zu den Opfern verwendeten Tiere, durch deren Darbringung Gott versöhnt werden soll, in der Stadt vorhanden sein. Wer diese Vorschriften übertritt, hat den Priestern dreitausend [82] Silberdrachmen zu entrichten.“ 147 In einem weiteren Briefe stellte er unserer Gottesfurcht und Treue ein gutes Zeugnis aus, als er sich in den höher gelegenen Satrapien Persiens befand und vernommen hatte, in Lydien und Phrygien sei ein Aufstand ausgebrochen. In diesem Schreiben befahl er seinem Feldherrn Zeuxis, der sein vertrauter Freund war, eine Anzahl der Unseren aus Babylon nach Phrygien zu schicken. 148 Der Wortlaut des Schreibens war folgender: „Der König Antiochus entbietet Zeuxis dem Vater seinen Gruss. Wenn es dir gut geht, soll es mich freuen; mir geht es gleichfalls gut. 149 Da ich vernommen habe, dass in Lydien und Phrygien Unruhen ausgebrochen sind, glaube ich denselben die grösste Beachtung schenken zu müssen. Ich habe mich nun mit meinen Freunden beratschlagt, was zu thun sei, und beschlossen, in den Festungen und den am meisten gefährdeten Plätzen zweitausend jüdische Familien aus Mesopotamien und Babylonien mit der nötigen Ausrüstung anzusiedeln. 150 Ich glaube nämlich, dass die Juden treue Besatzungen bilden werden, einmal wegen ihrer Gottesfurcht, dann aber auch, weil ich weiss, dass meine Vorfahren ihnen wegen ihrer Zuverlässigkeit und Bereitwilligkeit das beste Zeugnis erteilt haben. Obwohl nun ihre Übersiedlung immerhin sehr mühsam sein wird, will ich doch mein ihnen gegebenes Versprechen halten, dass ihnen erlaubt sein soll, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben. 151 Wenn du sie in die angegebenen Orte geführt hast, so gieb einem jeden von ihnen einen Bauplatz sowie einen Acker zum Anbau von Feldfrüchten und Wein, und erlasse ihnen für zehn Jahre die Abgaben von dem Ertrage. 152 Solange sie noch nicht selbst geerntet haben, sollen sie wie meine Diener eine bestimmte Menge Getreide erhalten. Desgleichen soll auch für alle, welche ihnen dienen, das Notwendige angewiesen werden, damit sie durch solches Wohlwollen veranlasst werden, noch eifriger für mich zu wirken. 153 Trage auch Sorge dafür, dass das Volk von niemand [83] belästigt werde.“ Das mag zum Beweise der guten Gesinnung, welche Antiochus gegen die Juden hegte, genügen.

Viertes Kapitel.
Wie Antiochus mit Ptolemaeus ein Bündnis einging und wie Onias den Zorn des Ptolemaeus Euergetes erregte. Wie Joseph mit Ptolemaeus Freundschaft schloss, und was er sonst noch that. Von seinem Sohne Hyrkanus.

(1.) 154 Darauf schloss Antiochus mit Ptolemaeus ein Freundschaftsbündnis, gab ihm seine Tochter Kleopatra zur Ehe und trat ihm Coelesyrien, Samaria, Judaea und Phoenicien in Form einer Mitgift ab. 155 Da nun die Steuern sich unter die beiden Könige verteilten, kauften die Vornehmsten in jeder Stadt die Abgaben an, trieben die ganze Steuer ein und zahlten den Königen die ihnen zukommende Summe aus. 156 In dieser Zeit belästigten die Samariter, denen es gut ging, die Juden sehr, indem sie deren Ackerland verwüsteten und die Bewohner wegschleppten. Das ereignete sich unter dem Hohepriester Onias. 157 Als nämlich Eleazar gestorben war, folgte ihm in der Würde sein Oheim Manasses, nach dessen Tod Onias, der Sohn Simons des Gerechten, Hohepriester wurde. Dieser Simon war, wie schon erwähnt, ein Bruder Eleazars. 158 Onias war schmutzigen Charakters und habgierig, weshalb er die Abgabe von zwanzig Talenten, die seine Vorfahren den Königen für das Volk entrichtet hatten, nicht mehr zahlte. Hierdurch erbitterte er den König Ptolemaeus Euergetes, den Vater des Philopator. 159 Dieser schickte einen Gesandten nach Jerusalem und liess dem Onias Vorwürfe machen, weil er den Tribut nicht gezahlt habe, sowie auch drohen, er werde, wenn das Geld nicht bezahlt würde, das Land verteilen und seine Soldaten dort ansiedeln. Als die Juden diese Drohung vernahmen, gerieten sie in [84] Schrecken; Onias aber kümmerte sich in seinem Geize nicht darum.

(2.) 160 Nun wohnte damals zu Jerusalem ein gewisser Joseph, der Sohn des Tobias und einer Schwester des Hohepriesters Onias, der wegen seiner Besonnenheit Klugheit und Gerechtigkeit bei den Jerusalemern in hohem Ansehen stand. Als dieser von seiner Mutter die Ankunft des Gesandten erfuhr (er befand sich nämlich damals gerade in dem Weiler Phichola, aus dem er gebürtig war), 161 begab er sich in die Stadt und warf dem Onias vor, es liege ihm nichts an der Sicherheit seiner Mitbürger, sondern er wolle lieber das Volk ins Verderben stürzen, als sich von seinem Gelde trennen, um dessetwillen er auch, wie man sage, die Regierung und die Würde des Hohepriesters erstrebt habe. 162 Wenn er so geldgierig sei, dass er um des Mammons willen sein Vaterland in Gefahr und seine Mitbürger im Elend sehen könne, so wolle er ihm den Rat geben, sich an den König zu wenden und diesen zu bitten, dass er ihm das ganze Geld oder wenigstens einen Teil desselben schenken möge. 163 Onias entgegnete, er sei nicht im mindesten herrschbegierig und auch bereit, wenn es möglich wäre, die Hohepriesterwürde niederzulegen. Zum Könige aber werde er nicht gehen, weil er sich um diese Dinge nicht kümmere. Darauf bat ihn Joseph, er möge ihm gestatten, sich für das Volk bei Ptolemaeus zu verwenden. 164 Als Onias hierzu seine Einwilligung gab, stieg Joseph sogleich zum Tempel hinauf, berief eine Volksversammlung und ermunterte die Bürger, sie möchten sich nicht in Verwirrung oder Furcht versetzen lassen, weil sein Oheim sich so wenig um sie kümmere. Die trüben Gedanken sollten sie fahren lassen, denn er werde zum Könige gehen und ihm zureden, dass er den Juden nicht zürne. 165 Für diesen Trost stattete das Volk dem Joseph seinen Dank ab. Dieser verliess sodann den Tempel, nahm den Gesandten des Ptolemaeus gastfreundlich auf, beschenkte ihn reichlich und bewirtete ihn viele Tage lang glänzend. Hierauf liess er ihn [85] zum Könige vorausreisen und sagte, er werde ihm bald folgen. 166 Denn er verlangte jetzt um so mehr danach, zum Könige zu kommen, weil der Gesandte ihn zu der Reise nach Aegypten ermuntert und versprochen hatte, er werde ihm alles erwirken, was er von Ptolemaeus erbitten wolle. Josephs freigebiges und besonnenes Wesen hatte ihn nämlich mit grosser Freude erfüllt.

(3.) 167 Als der Gesandte nach Aegypten kam, erzählte er dem Könige von des Onias schmutzigem Geize sowie von Josephs Herzensgüte und fügte hinzu, der letztere wolle selbst zu ihm kommen, um für das Volk, dessen Sachwalter er sei, Fürbitte einzulegen. Er lobte dann den Jüngling so sehr, dass der König und seine Gemahlin Kleopatra schon im voraus für diesen eingenommen wurden. 168 Joseph lieh sich unterdessen von seinen Freunden in Samaria Geld, verschaffte sich alles, was zur Reise erforderlich war, Kleider, Becher und Maultiere, und begab sich nach diesen Vorbereitungen, die einen Aufwand von zwanzigtausend Drachmen nötig gemacht hatten, auf den Weg nach Alexandria. 169 Es traf sich nun, dass um jene Zeit die Vornehmsten aus den Städten Syriens und Phoeniciens ebenfalls dorthin zogen, um die Erhebung der Steuern zu pachten, die der König alljährlich an die angesehensten Männer jeder Stadt ausbieten liess. 170 Als diese unterwegs den Joseph trafen, verspotteten sie ihn wegen seiner Dürftigkeit. Joseph aber ging, als er nach Alexandria kam und hörte, der König befinde sich in Memphis, demselben dorthin entgegen. 171 Der König sass gerade mit seiner Gemahlin und seinem Freunde Athenion, der eben jener von Joseph so gastfreundlich aufgenommene Gesandte war, im Wagen, als Athenion den Joseph erblickte und den König darauf aufmerksam machte, das sei der gefällige und edle Jüngling, von dem er ihm nach seiner Rückkehr aus Jerusalem erzählt habe. 172 Da begrüsste Ptolemaeus ihn sogleich und lud ihn ein, in seinen Wagen zu steigen. Kaum sass Joseph darin, als der König über das Benehmen [86] des Onias zu klagen anfing. Joseph aber entgegnete ihm: „Du musst ihm das mit Rücksicht auf sein Alter nachsehen. Es kann dir ja nicht unbekannt sein, dass die Greise genau so denken wie die Kinder. Wir Jüngeren dagegen werden dir in allem so entgegen kommen, dass du nichts zu tadeln haben wirst.“ 173 Über diese Höflichkeit und Liebenswürdigkeit hocherfreut, fasste der König jetzt, da er Joseph persönlich kennen gelernt hatte, eine noch grössere Neigung zu ihm, sodass er ihn im Palaste wohnen liess und täglich zur Tafel zog. 174 Als nun der König wieder nach Alexandria kam, sahen die syrischen Vornehmen den Joseph an seiner Seite sitzen, was sie sehr verdross.

(4.) 175 Am Tage der Steuerverpachtung boten nun die Vornehmsten jeder Stadt auf die Steuern derselben. Achttausend Talente waren schon auf die Abgaben von Syrien, Phoenicien, Judaea und Samaria geboten, 176 als Joseph hinzukam und den Bietern Vorwürfe darüber machte, dass sie so wenig für die Steuern geben wollten. Er selbst versprach dann das Doppelte zu geben und dem Könige noch dazu die Güter derjenigen auszuliefern, die sich gegen sein Haus vergehen würden. Denn das wurde ebenfalls zugleich mit den Steuern vergeben. 177 Der König vernahm dieses Gebot mit Freuden und gab dem Joseph, der seine Einkünfte so gewaltig vermehren wollte, den Zuschlag, nachdem er ihn noch gefragt hatte, ob er auch Bürgen stellen könne. Joseph beeilte sich, hierauf zu erwidern: „Ich will euch so gute und ehrenwerte Bürgen stellen, dass ihr kein Misstrauen zu hegen braucht.“ 178 Als der König ihn nun ersuchte, dieselben zu nennen, sagte er: „Dich selbst, o König, und deine Gemahlin stelle ich als Bürgen, jeden für eine Hälfte.“ Hierüber lachte Ptolemaeus und schlug ihm die Steuern ohne Bürgen zu. 179 Das war nun den anderen, die aus den Städten nach Aegypten gekommen waren, gar nicht recht, da sie sich benachteiligt glaubten, und sie kehrten beschämt nach Hause zurück.

(5.) 180 Joseph bat sich sodann vom Könige Hilfe aus, [87] um diejenigen, welche die Abgaben verweigern würden, zwingen zu können, worauf der König ihm zweitausend Fusssoldaten zur Verfügung stellte. Hierauf lieh Joseph sich von den Freunden des Königs zu Alexandria fünfhundert Talente und brach nach Syrien auf. 181 Als er aber nach Askalon kam und von den Bewohnern der Stadt die Steuern forderte, verweigerten diese nicht bloss die Zahlung, sondern lästerten ihn auch noch obendrein. Joseph liess darauf gegen zwanzig ihrer Vornehmen verhaften und hinrichten, ihr Vermögen aber, welches fast tausend Talente betrug, sandte er an den König und erstattete ihm zugleich Bericht über den Vorfall. 182 Ptolemaeus wunderte sich über seine Ehrlichkeit, billigte das Geschehene und gab ihm in allem unbegrenzte Vollmacht. Als die Syrer das hörten, erschraken sie gewaltig, und da sie an der Hinrichtung der Askalonier ein Beispiel dafür hatten, was den Widerspenstigen bevorstand, öffneten sie die Thore, nahmen den Joseph bereitwillig auf und entrichteten die Steuern. 183 Nur die Bewohner von Skythopolis wagten es, ihn zu schmähen und die Abgaben zu verweigern, die sie sonst ohne Anstand entrichtet hatten. Joseph aber liess auch ihre Vornehmen hinrichten und schickte deren Vermögen dem Könige ein. 184 Als er nun so eine Menge Geld zusammengebracht hatte, verblieb ihm nach Bezahlung des Pachtpreises noch ein ansehnlicher Gewinn, den er zur Befestigung seiner Macht verwandte, da er es für klug und vorteilhaft hielt, mit seinem Reichtum sich sein Glück zu begründen. 185 Er sandte also heimlich Geschenke an den König sowie an dessen Gemahlin, Freunde und Günstlinge, um sich ihr Wohlwollen zu erhalten.

(6.) 186 Dieses Glück genoss Joseph zweiundzwanzig Jahre lang. Er hatte von einer seiner beiden Gattinnen sieben Kinder, zu denen von seiner anderen Frau, der Tochter seines Bruders Solymius, noch ein Sohn mit Namen Hyrkanus hinzukam. 187 Die letztere heiratete er aus folgender Veranlassung. Als er sich einst in Begleitung seines Bruders, der seine heiratsfähige Tochter bei sich [88] führte, um sie in Alexandria einem vornehmen Juden zu vermählen, dorthin begeben hatte, wurde er zur königlichen Tafel gezogen und sah bei dieser Gelegenheit eine Tänzerin, die so schön war, dass er in Liebe zu ihr entbrannte. Davon machte er seinem Bruder Mitteilung und bat ihn inständig, er möge, da es den Juden nicht erlaubt sei, sich mit einem fremden Weibe abzugeben, dieses sein sündiges Verlangen geheim halten und ihm behilflich sein, dasselbe zu stillen. 188 Solymius versprach ihm auch, seinen Wunsch zu erfüllen, führte ihm aber zur Nachtzeit seine eigene Tochter im Brautschmuck zu und liess sie bei ihm ruhen. Joseph merkte die Täuschung nicht, da er berauscht war, und umarmte seines Bruders Tochter. Und als er dies zu wiederholten Malen gethan, liebte er sie nur noch heftiger. Seinem Bruder aber gestand er, er werde sich aus Liebe zu der Tänzerin das Leben nehmen, wenn der König sie ihm vielleicht nicht geben wolle. 189 Dieser beruhigte ihn und sprach ihm zu, er solle sich deswegen nicht grämen, weil er dafür sorgen werde, dass Joseph das geliebte Weib als Gattin heimführen könne. Alsdann gestand er, dass er ihn getäuscht habe, weil er lieber seine Tochter habe entehren, als ihn einen Verstoss gegen das Gesetz begehen lassen wollen. Joseph dankte ihm für diesen Beweis brüderlicher Liebe und heiratete seine Tochter, mit der er, wie gesagt, den Hyrkanus zeugte. 190 Als dieser, der sein Jüngster war, erst dreizehn Jahre zählte, bewies er schon eine solche Körperkraft und so hervorragende Geistesanlagen, dass er die Eifersucht seiner Brüder erregte. 191 Joseph wollte nun wissen, wer von seinen Söhnen der tüchtigste sei, und sandte sie daher alle ausser Hyrkanus zu den geschicktesten Lehrern jener Zeit. Doch sie kamen alle wegen ihrer Trägheit und ihres Leichtsinnes unerfahren und, ohne etwas gelernt zu haben, nach Hause zurück. 192 Darauf sandte er seinen jüngsten Sohn Hyrkanus mit dreihundert Joch Ochsen zwei Tagereisen weit in die Wüste, um Land zu bestellen, verbarg aber die Jochriemen. 193 Als [89] nun Hyrkanus an die ihm angegebene Stelle kam und die Riemen vermisste, rieten ihm die Ochsentreiber, er solle einige von ihnen zu seinem Vater schicken, um die Riemen zu holen. Er aber verwarf diesen Rat, weil er nicht so viel Zeit verlieren zu dürfen glaubte, als mit dem Warten auf die Boten versäumt würde, und ersann dafür etwas recht Schlaues, das eines viel älteren Mannes würdig gewesen wäre. 194 Er liess nämlich zehn Joch Ochsen schlachten und verteilte das Fleisch an die Arbeiter, die Häute aber zerschnitt er zu Riemen, schirrte damit die Joche an, bestellte dann nach dem Auftrage seines Vaters das Land und begab sich heim. 195 Der Vater gewann ihn nun seines Scharfsinnes wegen noch lieber, lobte ihn, dass er das Werk ebenso rasch ausgeführt als ersonnen habe, und zeichnete ihn aus, als sei er sein einziger leiblicher Sohn, was den Brüdern natürlich gar nicht recht war.

(7.) 196 Um diese Zeit erhielt Joseph die Nachricht, dem Ptolemaeus sei ein Sohn geboren worden, und alle Grossen Syriens und des zugehörigen Gebietes zögen zur Feier dieses Ereignisses mit grossem Aufwand nach Alexandria. Da er nun durch sein hohes Alter verhindert wurde, gleichfalls dorthin zu reisen, fragte er seine Söhne, ob einer von ihnen zum Könige sich begeben wolle. 197 Die älteren Söhne weigerten sich dessen, weil sie für den Verkehr am Hofe zu unbeholfen seien, und rieten ihm deshalb, den Hyrkanus dorthin zu senden. Joseph hörte das gern, rief den Hyrkanus zu sich und fragte ihn, ob er zum Könige gehen könne und dazu bereit sei. 198 Hyrkanus versprach sogleich, reisen zu wollen, und erklärte, er bedürfe nicht viel Geld, da er sparsam leben werde, sodass zehntausend Drachmen hinreichend seien. Über diese Bescheidenheit freute sich Joseph sehr. 199 Alsdann riet Hyrkanus seinem Vater, er solle ihm keine Geschenke für den König von Hause aus mitgeben, sondern eine Anweisung an seinen Verwalter in Alexandria, damit dieser ihm so viel Geld auszahle, als er zum Ankauf der schönsten und kostbarsten [90] Geschenke, welche er finden könne, nötig habe. 200 Der Vater meinte, zehn Talente würden zu Geschenken für den König genügen, lobte den Hyrkanus wegen des vernünftigen Rates und schrieb an seinen Verwalter Arion, der sein ganzes Geld, nicht weniger als dreitausend Talente, in Verwahr hatte. 201 Joseph schickte nämlich seine ganzen Einkünfte aus Syrien nach Alexandria, und wenn der Tag kam, an welchem die Abgaben an den König entrichtet werden mussten, gab er dem Arion schriftlichen Auftrag, dies zu thun. 202 An diesen Arion erbat sich also Hyrkanus von seinem Vater ein Schreiben, nach dessen Empfang er nach Alexandria abreiste. Kaum war er fort, so schrieben seine Brüder an alle Freunde des Königs, sie sollten ihn umbringen.

(8.) 203 Als nun Hyrkanus in Alexandria ankam, übergab er dem Arion den Brief. Dieser fragte ihn, wie viele Talente er haben wolle, und dachte, er werde deren zehn oder etwas mehr verlangen. Als er aber tausend begehrte, brauste Arion auf und warf ihm vor, er wolle wohl wie ein Verschwender leben. Er erinnerte ihn daran, unter welchen Mühen und Entbehrungen sein Vater dieses Vermögen zusammengebracht habe, und bat ihn, sich den Vater zum Muster zu nehmen. Er werde ihm nicht mehr als zehn Talente geben und auch die nur zu Geschenken für den König. 204 Darüber geriet der Jüngling in Aufregung und liess Arion ins Gefängnis werfen.[6] Arions Gattin zeigte dies sogleich der Kleopatra an, bei der ihr Mann in hohem Ansehen stand, und bat sie, den Jüngling bestrafen zu lassen. 205 Kleopatra meldete den Vorfall dem Könige, der dem Hyrkanus durch Boten sagen liess, er wundere sich, dass er als Abgesandter seines Vaters bei ihm noch nicht erschienen sei und dazu auch noch den Verwalter habe einkerkern lassen. Er solle ihm unverzüglich den [91] Grund angeben, weshalb er das gethan habe. 206 Darauf soll der Jüngling dem Boten erwidert haben, der König sei ja selbst im Besitze des jüdischen Gesetzes, welches jedem jungen Manne verbiete, vom Opfer zu kosten, bevor er den Tempel betreten und Gott geopfert habe. Aus diesem Grunde sei er auch noch nicht zum Könige gekommen, sondern habe warten wollen, bis er dem Wohlthäter seines Vates Geschenke mitbringen könne. 207 Was aber den Sklaven betreffe, so sei er gegen ihn eingeschritten, weil er seinem Befehl nicht gehorcht habe. Es komme nämlich gar nicht darauf an, ob der Gebieter gross oder klein sei. Wenn solche Frevler nicht bestraft würden, so brauche sich der König auch nicht zu wundern, wenn er von seinen Unterthanen verhöhnt werde. Als Ptolemaeus dies hörte, brach er in helles Gelächter aus und konnte dem Mute des jungen Mannes seine Anerkennung nicht versagen.

(9.) 208 Als Arion vernahm, dass der König so gesinnt sei und er von niemand Hilfe zu erwarten habe, gab er dem Jüngling die tausend Talente, um aus seinen Fesseln erlöst zu werden, und drei Tage darauf machte Hyrkanus dem Königspaare seine Aufwartung. 209 Er wurde von diesem freundlich empfangen und aus Rücksicht auf seinen Vater glänzend bewirtet. Alsdann begab er sich heimlich zu den Sklavenhändlern und kaufte von ihnen hundert wohlgestaltete und gebildete Sklaven, jeden für ein Talent, und ebensoviele Sklavinnen um denselben Preis. 210 Als er aber mit den Vornehmsten des Landes zur königlichen Tafel gezogen wurde, erhielt er den niedrigsten Platz, da er wegen seiner Jugend von den Platzordnern verächtlich angesehen wurde. 211 Alle seine Mitgäste häuften nun die Knochen, von denen sie das Fleisch gegessen hatten, vor Hyrkanus auf, sodass sein Tisch ganz damit bedeckt wurde. 212 Dann trugen sie dem Hofnarren Tryphon, der bei den Gelagen für Witz und Gelächter zu sorgen hatte, auf, zum Könige zu gehen. Dieser that also und sprach: „Siehst du, o Herr, die vielen Knochen, die vor Hyrkanus liegen? So wie [92] er die Knochen vom Fleische entblösst hat, also hat sein Vater ganz Syrien geschunden!“ 213 Über diese Worte Tryphons lachte der König herzlich und fragte den Hyrkanus, weshalb so viele Knochen vor ihm lägen. „Das ist gar nicht wunderbar, Herr“, entgegnete der Jüngling, „denn die Knochen mit dem Fleische zu verschlingen, wie diese hier (dabei blickte er seine Mitgäste an), die nichts von Knochen vor sich liegen haben, ist Hundeart; die Menschen dagegen pflegen das Fleisch zu essen und die Knochen wegzuwerfen, und das habe auch ich gethan, da ich mich zu den Menschen rechne.“ 214 Über diese witzige Antwort erstaunte der König und hiess alle ihm dafür Beifall klatschen. 215 Am folgenden Tage nun ging Hyrkanus zu allen Freunden des Königs und den Mächtigen bei Hofe, begrüsste sie und erkundigte sich gleichzeitig bei den Dienern, welche Geschenke ihre Herren dem Könige aus Anlass der Geburt seines Sohnes machen würden. 216 Wenn er nun hörte, einige würden zwölf Talente geben, andere, höher Gestellte, ihrem Range entsprechend mehr, drückte er sein Bedauern aus, dass er sich so hoch nicht versteigen könne, da es ihm nicht möglich sei, mehr als fünf Talente zu geben. 217 Die Diener berichteten das sogleich ihren Herren, die sich schon darüber freuten, dass Joseph seines ärmlichen Geschenkes wegen beim Könige Anstoss erregen und in Ungnade fallen würde. Als nun der Tag kam, brachten die Reichsten höchstens zwanzig Talente; Hyrkanus aber gab den hundert von ihm gekauften Sklaven sowie den hundert Sklavinnen ebenso viele Talente in die Hände und führte die Sklaven dem König, die Sklavinnen aber der Königin zu. 218 Und während alle, auch der König und die Königin, sich über das unerwartet reiche Geschenk verwunderten, gab er den Freunden und Dienern des Königs ebenfalls Geschenke im Wert von vielen Talenten, um sich vor ihren Nachstellungen zu sichern. Denn es war ihm bekannt geworden, dass seine Brüder den Auftrag erteilt hatten, ihn zu töten. 219 Ptolemaeus hiess darauf in seinem [93] Staunen über des Jünglings Freigebigkeit diesen sich ein beliebiges Geschenk wählen. Hyrkanus aber bat ihn nur darum, er möge seinem Vater und seinen Brüdern über ihn schreiben. 220 Der König erwies ihm sodann die höchsten Ehrenbezeugungen, beschenkte ihn reichlich und entliess ihn mit Briefen an seinen Vater, seine Brüder und an alle königlichen Statthalter und Beamten. 221 Als nun die Brüder vernahmen, wie freundlich Hyrkanus vom Könige aufgenommen worden sei und dass er so ehrenvoll heimkehre, zogen sie ihm entgegen, um ihn zu töten, und zwar mit Wissen ihres Vaters. Denn dieser grollte ihm wegen des ungeheuren Geldaufwandes zu den Geschenken, und es lag ihm deshalb nichts an seiner Rettung; doch durfte er mit Rücksicht auf den König seinen Unmut nicht merken lassen. 222 Als aber Hyrkanus mit seinen Brüdern zusammenstiess, brachte er ausser vielen anderen ihrer Begleiter auch zwei von ihnen selbst um; die übrigen entflohen nach Jerusalem zu ihrem Vater. Hyrkanus zog darauf auch selbst nach der Stadt; als aber niemand ihn aufnehmen wollte, geriet er doch in Angst, zog sich über den Jordan zurück und blieb daselbst, indem er die dort ansässigen Barbaren sich tributpflichtig machte.

(10.) 223 Damals herrschte in Asien Seleukus mit dem Beinamen Philopator, ein Sohn Antiochus’ des Grossen. 224 Um dieselbe Zeit starb des Hyrkanus Vater Joseph, der durch seine Tüchtigkeit und seine glänzenden Geistesgaben das Volk der Juden aus Armut und Unansehnlichkeit zu glücklicheren Verhältnissen erhoben und zweiundzwanzig Jahre lang die Einziehung der Steuern in Syrien, Phoenicien und Samaria besorgt hatte. 225 Auch sein Oheim Onias schied bald danach aus dem Leben und hinterliess das Hohepriesteramt seinem Sohne Simon. Nach dessen Tod wurde Hohepriester sein Sohn Onias, an den Areios, der König der Lakedaemonier, Gesandte mit einem Schreiben folgenden Inhalts schickte: 226 „Areios, König der Lakedaemonier, entbietet dem Onias seinen Gruss. Wir sind auf eine Schrift gestossen, in der geschrieben [94] steht, dass die Juden mit den Lakedaemoniern eines Stammes seien und sich vom Hause Abrams herleiteten. Da ihr nun unsere Brüder seid, ist es billig, dass ihr uns eure Wünsche kundthut. 227 Wir werden dasselbe thun, wollen euer Besitztum als das unsere betrachten und ebenso alles, was uns gehört, mit euch gemeinsam haben. Dieses Schreiben überbringt unser Briefbote Demoteles. Es ist viereckig, und das Siegel zeigt einen Adler, der einen Drachen hält.“

(11.) 228 Diesen Inhalt hatte der Brief des Lakedaemonierkönigs. Als nun Joseph gestorben war, entstand durch seine Söhne Uneinigkeit unter dem Volke. Denn die älteren von ihnen zogen gegen Hyrkanus, welcher der jüngste war, zu Felde, und so teilte sich das Volk. 229 Der grössere Teil hielt zu den älteren Söhnen, was auch der Hohepriester Simon aus verwandtschaftlichen Rücksichten that. Hyrkanus wagte daher nicht mehr, nach Jerusalem zurückzukehren, sondern setzte sich jenseits des Jordan fest und lag beständig mit den Arabern im Kriege, von denen er viele niedermachte oder gefangen nahm. 230 Er erbaute sich eine feste Burg, die er bis zum Dache aus weissem Marmor aufführte und rings mit Tiergestalten von ungeheurer Grösse versah. Um dieselbe zog er einen breiten und tiefen Graben. 231 An dem gegenüberliegenden Gebirge liess er die vorspringenden Felsgräten durchbohren und stadienlange Höhlen daselbst anlegen. Letztere dienten teils zur Abhaltung von Schmausereien, teils zu Wohn- und Schlafstätten. In sie hinein leitete er kräftige Quellen, die der Anlage zum Schmucke und zur Bewässerung dienten. 232 Die Eingänge zu den Höhlen liess er nicht grösser machen, als dass ein Mann eben eintreten konnte, und zwar mit Rücksicht auf seine Sicherheit. Sollte er nämlich von seinen Brüdern einmal belagert werden, so dachte er ihnen auf diese Weise zu entschlüpfen. 233 Dazu legte er auch noch Höfe von grosser Ausdehnung an und schmückte sie mit weiten Gartenanlagen. Die ganze Ansiedlung nannte er Tyrus. Sie liegt zwischen Arabien [95] und Judaea, jenseits des Jordan und nicht weit von Essebonitis. 234 Hier herrschte Hyrkanus sieben Jahre lang, die ganze Zeit hindurch, während welcher Seleukus in Syrien regierte. Als dieser gestorben war, bestieg sein Bruder Antiochus mit dem Beinamen Epiphanes den Thron. 235 Inzwischen starb auch Ptolemaeus, der König von Aegypten, der ebenfalls Epiphanes hiess und zwei noch jugendliche Söhne hinterliess, von denen der ältere Philometor, der jüngere Physkon genannt wurde. 236 Da nun Hyrkanus die grosse Macht des Antiochus erkannte und befürchten musste, wegen seiner Kriegszüge gegen die Araber von ihm gefangen und hingerichtet zu werden, tötete er sich selbst. Seine sämtlichen Besitzungen aber zog Antiochus ein.

Fünftes Kapitel.
Uneinigkeit unter den Juden. Des Antiochus Zug gegen Jerusalem. Die Samariter weihen ihren Tempel auf dem Garizin dem griechischen Zeus.

(1.) 237 Da um diese Zeit auch der Hohepriester Onias starb, übertrug der König die Hohepriesterwürde an dessen Bruder Jesus. Denn der Sohn, welchen Onias hinterlassen hatte, war noch ein Kind. Das Nähere über diesen Knaben will ich später berichten. 238 Übrigens nahm der König im Zorn bald darauf dem Jesus, Bruder des Onias, die Hohepriesterwürde wieder ab und verlieh sie dessen jüngstem Bruder, der gleichfalls Onias hiess. Simon hatte nämlich drei Söhne, die alle Hohepriester wurden; 239 davon nahm Jesus den Namen Jason und Onias den Namen Menelaus an. Als nun zwischen dem früheren Hohepriester Jesus und dem später zu der Würde gelangten Menelaus Streitigkeiten entstanden, und das Volk sich in zwei Parteien spaltete, 240 standen nur des Tobias Söhne auf seiten des Menelaus, während der grössere Teil des Volkes sich dem Jason anschloss, von dem Menelaus und die Söhne des Tobias so [96] bedrängt wurden, dass sie zu Antiochus flohen und ihm erklärten, sie wollten sich von ihren heimischen Sitten und Gebräuchen lossagen und nach griechischer Weise und der Verfassung des Königs leben. 241 Deshalb baten sie ihn, er möge ihnen gestatten, in Jerusalem eine Turnschule zu erbauen. Als der König ihnen diese Erlaubnis gegeben, verhüllten sie die Beschneidung ihrer Schamteile, sodass sie sich auch bei entblösstem Körper von den Griechen nicht unterschieden, gaben ihre heimischen Gebräuche auf und nahmen heidnisches Wesen an.

(2.) 242 Antiochus, dem übrigens alles nach Wunsch gelang, beschloss inzwischen, einen Feldzug gegen Aegypten zu unternehmen, um dasselbe zu erobern. Die Söhne des Ptolemaeus achtete er, da sie noch jung und zum Widerstand nicht fähig waren, gering. 243 Er zog also mit grosser Kriegsmacht nach Pelusium, täuschte den Ptolemaeus Philometor und bemächtigte sich Aegyptens. Und als er in die Gegend von Memphis gekommen war und dieses eingenommen hatte, wandte er sich gegen Alexandria, um diese Stadt und den daselbst residierenden Ptolemaeus in seine Gewalt zu bringen. 244 Doch musste er bald nicht nur von Alexandria, sondern auch aus ganz Aegypten abziehen, weil die Römer dies von ihm verlangten, wie ich schon früher anderswo berichtet habe. 245 Ich will jetzt eingehend beschreiben, wie dieser König Judaea eroberte und sich des Tempels bemächtigte. Denn da ich in meinem früheren Werke[7] diese Begebenheiten nur kurz berührt habe, halte ich es für notwendig, dieselben hier ausführlicher und genauer zu erzählen.

(3.) 246 Als der König Antiochus aus Furcht vor den Römern aus Aegypten abzog, wandte er sich gegen Jerusalem und rückte vor die Stadt im hundertdreiundvierzigsten Jahre der seleukidischen Königsherrschaft.[8] [97] Er nahm die Stadt ohne Kampf ein, da seine Anhänger ihm die Thore öffneten. 247 Sobald er Jerusalem in seiner Gewalt hatte, liess er viele Angehörige der gegnerischen Partei töten, raubte eine Menge Geld und kehrte dann nach Antiochia zurück.

(4.) 248 Zwei Jahre später jedoch, im hundertfünfundvierzigsten Jahre der Seleukiden, am fünfundzwanzigsten Tage des Monats, der bei uns Chaslev, bei den Macedoniern aber Apellaios heisst, in der hundertdreiundfünfzigsten Olympiade,[9] kehrte der König mit grosser Heeresmacht nach Jerusalem zurück und nahm, indem er eine friedliche Gesinnung heuchelte, die Stadt mit List ein. 249 Diesmal schonte er aber nicht einmal diejenigen, die ihn in die Stadt eingelassen hatten, denn es war ihm in seiner Habgier nur um die Schätze des Heiligtums zu thun. Hatte er doch eine grosse Menge Gold und die prachtvollen Weihgeschenke im Tempel gesehen. Um das alles rauben zu können, verletzte er selbst den Vertrag, den er mit seinen Anhängern geschlossen hatte. 250 Er plünderte also den Tempel völlig, sodass er die heiligen Gefässe, die goldenen Leuchter, den goldenen Altar, den Tisch und die Weihrauchfässer fortschleppte und nicht einmal die aus Byssus und Scharlach verfertigten Vorhänge zurückliess. Desgleichen leerte er die verborgene Schatzkammer und liess überhaupt nichts Wertvolles an Ort und Stelle, sodass er die Juden in den tiefsten Gram versetzte. 251 Ja, er verbot ihnen sogar die Darbringung der täglichen Opfer, plünderte die ganze Stadt, tötete einen Teil der Bürger und schleppte den anderen samt Weib und Kind in die Gefangenschaft, im ganzen gegen zehntausend Menschen. 252 Die schönsten Stadtteile liess er in Brand stecken und die Mauern schleifen, und in der Unterstadt errichtete er eine Burg, welche sehr hoch war und den Tempel beherrschte. Diese Burg befestigte er mit hohen Mauern und legte [98] eine macedonische Besatzung hinein; auch hielten sich in ihr die Gottlosen und Verruchten aus dem Volke auf, die ihren Mitbürgern viel Leids anthaten. 253 An der Stelle des Altars liess der König einen anderen errichten, schlachtete Schweine auf demselben und brachte so Opfer dar, die weder gesetzmässig noch beim Gottesdienste erlaubt waren. Dann zwang er die Juden, die Verehrung ihres Gottes aufzugeben, seine eigenen Götter anzubeten, ihnen in jeder Stadt und in jedem Dorfe Altäre zu erbauen und täglich Schweine zu opfern. 254 Weiterhin verbot er ihnen, ihre Söhne zu beschneiden, und bedrohte die Zuwiderhandelnden mit Strafe. Um aber das Volk zur Befolgung seiner Befehle zu zwingen, stellte er besondere Beamten an. 255 Leider kamen denn auch teils freiwillig, teils aus Furcht vor der angedrohten Strafe viele Juden den Geboten des Königs nach. Die Vornehmsten und Edelmütigsten jedoch kümmerten sich nicht um ihn und hielten ihre väterlichen Gesetze höher als die Strafen, welche den Widerspenstigen angedroht waren. Deshalb wurde tagtäglich eine Anzahl von ihnen unter grausamen Martern hingerichtet: 256 man geisselte und verstümmelte sie und schlug sie dann noch lebend ans Kreuz. Die Weiber aber und die beschnittenen Knaben wurden auf Geheiss des Königs erwürgt, und die letzteren am Halse ihrer gekreuzigten Eltern aufgehängt. Fand sich ein heiliges Buch oder eine Gesetzesrolle, so wurden sie verbrannt, und diejenigen, bei denen sie gefunden worden waren, wie Übelthäter hingerichtet.

(5.) 257 Als die Samariter diese schrecklichen Leiden der Juden sahen, leugneten sie wieder einmal jede Verwandtschaft mit ihnen und erklärten, der Tempel auf dem Berge Garizin sei kein Heiligtum des höchsten Gottes. Vielmehr gaben sie sich, getreu ihrem früher schon geschilderten Charakter, für Abkömmlinge der Meder und der Perser aus, was sie ja auch wirklich sind. 258 Sie schickten daher Gesandte an Antiochus mit einem Schreiben folgenden Inhalts: „Die Sidonier von [99] Sikim an den erhabenen Gott und König Antiochus Epiphanes. 259 Unsere Vorfahren haben infolge häufiger Heimsuchung ihres Landes durch Seuchen mit Rücksicht auf einen alten Aberglauben die Sitte eingeführt, den Tag zu feiern, welchen die Juden Sabbat nennen, und haben in dem Tempel, den sie, ohne ihn einem bestimmten Gotte zu weihen, auf dem Berge Garizin erbauten, feierliche Opfer dargebracht. 260 Weil es dir nun gefallen hat, die Juden für ihre Nichtswürdigkeit nach Verdienst zu züchtigen, belegen uns die königlichen Beamten mit denselben Strafen, da sie glauben, wir seien mit ihnen verwandt und ebenso verrucht. 261 Wir sind jedoch unserer Abstammung nach Sidonier, was aus unseren Archiven hervorgeht. Wir bitten dich deshalb, du wollest als unser Wohlthäter und Erretter deinem Statthalter Apollonius und deinem Geschäftsträger Nikanor befehlen, uns nicht derselben Verbrechen wie die Juden zu zeihen, von denen wir uns in unserer Lebensweise und unserer Abstammung nach so sehr unterscheiden, und uns in Frieden zu lassen. Zugleich bitten wir darum, unseren Tempel, der noch auf den Namen keines Gottes geweiht ist, dem hellenischen Zeus zu Ehren benennen zu dürfen. Dadurch werden wir von ferneren Belästigungen verschont bleiben, können unsere Arbeiten ohne Furcht erledigen und werden dann imstande sein, dir einen grösseren Tribut zu entrichten.“ 262 Auf diese Bitten der Samariter schickte der König folgendes Antwortschreiben: „Der König Antiochus an Nikanor. Die zu Sikim wohnenden Sidonier haben uns die beigefügte Bittschrift überreicht. 263 Da nun in dem Rate, den wir mit unseren Ratgebern abgehalten, die von den Sidoniern geschickten Gesandten bewiesen haben, dass die den Juden zur Last gelegten Vergehen von ihnen nicht begangen worden, sondern dass sie nach griechischem Muster leben wollen, so befreien wir sie von aller Schuld und befehlen, dass ihr Tempel ihrer Bitte gemäss den Namen des hellenischen Zeus tragen soll.“ 264 Dasselbe liess er unter dem achtzehnten des [100] Monats Hekatombaion des hundertsechsundvierzigsten Jahres auch dem Statthalter Apollonius schreiben.

Sechstes Kapitel.
Wie Mattathias der Asamonäer allein den Geboten des Antiochus trotzte und dessen Heerführer überwand. Vom Tode des Mattathias, und von seinem Nachfolger Judas.

(1.) 265 Um diese Zeit wohnte in Modiim, einem Dorfe Judaeas, ein Mann mit Namen Mattathias, ein Sohn des Joannes, des Sohnes Simeons, des Sohnes des Asamonaeus. 266 Er war Priester nach der Ordnung des Joarib, stammte aus Jerusalem und hatte fünf Söhne, Joannes mit dem Beinamen Gaddes, Simon mit dem Beinamen Matthes, Judas mit dem Beinamen Makkabaeus, Eleazar mit dem Beinamen Auran, und Jonathas mit dem Beinamen Apphus. 267 Dieser Mattathias bejammerte vor seinen Söhnen das Elend des Volkes, die Plünderung der Stadt, die Beraubung des Tempels und die Änderung der Verfassung und erklärte ihnen, es sei besser, für die Gesetze der Väter den Tod zu erleiden, als ein so schmähliches Leben zu führen.

(2.) 268 Als nun die Beamten, die vom Könige angestellt waren, um die Juden zur Befolgung seiner Befehle zu zwingen, auch nach Modiim kamen und die Bewohner des Dorfes zur Darbringung der vom Könige angeordneten Opfer anhalten wollten, verlangten sie von Mattathias, der seiner Gelehrsamkeit wegen in hohem Ansehen stand, er solle mit den Opfern beginnen; 269 seine Mitbürger würden sich dann nach ihm richten und er dem Könige besonders wohlgefällig werden. Mattathias aber weigerte sich dessen und erklärte, wenn auch andere Familien, sei es aus Furcht, sei es aus Kriecherei den Befehlen des Antiochus folgten, so werde doch er mit seinen Söhnen nie dahin zu bringen sein, dass sie dem [101] Gotte ihrer Väter untreu würden. 270 Kaum hatte er dies gesprochen, da trat ein Jude hervor und brachte das Opfer nach des Königs Vorschrift dar. Als Mattathias das sah, griff er mit seinen Söhnen zum Schwerte, tötete den Juden am Altar, machte den königlichen Beamten Apelles, der ihn dazu gezwungen, nebst einigen Soldaten nieder, 271 stürzte den Altar um und rief aus: „Jeder, der noch für die Gebräuche unserer Väter und die Verehrung Gottes eifert, folge mir nach!“ Darauf zog er mit seinen Söhnen unter Zurücklassung seiner ganzen Habe in die Wüste, wohin gleich ihm noch viele andere flohen und in Höhlen sich ansiedelten. 272 Als dies die Heerführer des Königs vernahmen, riefen sie die ganze Besatzung der Burg zu Jerusalem unter die Waffen und setzten den Juden in die Wüste nach. 273 Nachdem sie dieselben eingeholt hatten, versuchten sie zunächst, ihnen zuzureden, sie sollten zur Einsicht kommen, auf ihren Vorteil bedacht sein und die Gegner nicht in die Notwendigkeit versetzen, nach Kriegsrecht mit ihnen zu verfahren. 274 Die Juden aber achteten nicht auf ihre Vorstellungen, sondern beharrten bei ihrer Meinung. Hierüber erbittert, griffen die Soldaten sie an einem Sabbat an und verbrannten sie in ihren Höhlen, ohne dass sie Widerstand geleistet oder auch nur die Eingänge versperrt hätten. Sie enthielten sich nämlich wegen des Feiertages jeder körperlichen Thätigkeit und wollten den Sabbat selbst in ihrer gefahrvollen Lage nicht entheiligen, da uns an diesem Tage die strengste Ruhe geboten ist. 275 So wurden sie also samt Weib und Kind in den Höhlen erstickt, im ganzen gegen tausend Menschen. Doch gelang es auch vielen, zu entkommen; diese schlossen sich an Mattathias an und erwählten ihn zu ihrem Anführer. 276 Mattathias belehrte sie nun zunächst, dass sie auch am Sabbat kämpfen müssten. Denn wenn sie auch in diesem Punkte so streng am Gesetz festhalten wollten, würden sie sich selbst den grössten Schaden zufügen, weil die Feinde sie nun stets an dem Tage angreifen würden, an dem sie sich nicht [102] wehren könnten, und dann müssten sie alle samt und sonders ohne Verteidigung ihr Leben lassen. 277 Das leuchtete ihnen ein, und so kommt es, dass noch bis heute bei uns die Sitte besteht, auch am Sabbat zu kämpfen, falls dies erforderlich ist. 278 Mattathias sammelte nun allmählich eine grosse Schar um sich, zerstörte die Altäre und liess die Abtrünnigen, deren er habhaft werden konnte, umbringen. Viele nämlich hatten sich aus Furcht zu den umwohnenden Völkerschaften geflüchtet. Alle noch nicht beschnittenen Knaben liess er sodann beschneiden und die Beamten des Königs verjagen.

(3.) 279 Er hatte nur erst ein Jahr lang den Oberbefehl innegehabt, als er in eine Krankheit fiel. Da versammelte er seine Söhne um sich und sprach zu ihnen: „Ich muss nun, liebe Kinder, den Weg gehen, den wir alle betreten müssen. Ich lasse euch deshalb meinen Geist zurück und beschwöre euch, demselben nicht untreu zu werden, 280 sondern den Willen eures Erzeugers und Ernährers im Andenken zu behalten, dem Gesetze eurer Väter treu zu bleiben und unsere bedrohte Verfassung zu retten. Lasst euch nicht von denen verleiten, die, sei es freiwillig, sei es gezwungen, dieselbe preisgegeben haben, 281 sondern bleibt meiner wert und trotzt aller Gewalt und allem Zwange, indem ihr euch bereit zeigt, selbst den Tod zu erleiden, wenn dies nicht zu vermeiden ist. Bedenkt, dass Gott, wenn ihr in dieser Gesinnung verharrt, euch nicht verlassen, sondern euch eure verlorene Selbständigkeit und Freiheit wieder verleihen wird, damit ihr in Sicherheit nach euren eigenen Gebräuchen leben könnt. 282 Sind auch eure Leiber sterblich und hinfällig, so wird doch das Andenken an eure Thaten euch Unsterblichkeit verschaffen. Im Hinblick darauf begeistert euch zu ruhmvollen Unternehmungen, scheut selbst vor dem Schwierigsten nicht zurück und gebt, wenn es notwendig ist, gern euer Leben dahin. 283 Ganz besonders aber ermahne ich euch zur Eintracht: übe ein jeder von euch seine Tugenden, ohne die [103] Vorzüge des anderen zu verkennen! Euren Bruder Simon, der ein verständiger Mann ist, betrachtet als euren Vater und folgt seinem Rate. 284 Den Makkabaeus aber wählt um seiner Tapferkeit und Stärke willen zu eurem Heerführer im Kriege. Denn er ist der Mann, der die Schmach seines Volkes rächen und die Feinde züchtigen wird. Zum Schlusse noch eins: Zieht alle gerechten und frommen Männer an euch heran; denn dadurch werdet ihr eure Macht verstärken.“

(4.) 285 Darauf flehte Mattathias zu Gott, dass er seinen Söhnen beistehen und dem Volke seine Selbständigkeit wieder verleihen möge. Nicht lange danach verschied er und ward zu Modiim begraben. Das ganze Volk trauerte schmerzlich um ihn, und es folgte ihm im Oberbefehl sein Sohn Judas mit dem Beinamen der Makkabäer, im einhundertsechsundvierzigsten Jahre der Seleukidenherrschaft. 286 Da dieser von seinen Brüdern und allen anderen bereitwillig unterstützt wurde, vertrieb er den Feind aus dem Lande, liess diejenigen von seinen Landsleuten, welche die heimischen Gesetze übertreten hatten, hinrichten und reinigte das Land von jeglicher Befleckung.

Siebentes Kapitel.
Wie Judas die Truppen des Apollonius und des Seron schlug, und wie die beiden Feldherren fielen. Wie er kurz darauf Lysias und Gorgias überwand, nach Jerusalem zog und den Tempel reinigte.

(1.) 287 Als Apollonius, der Befehlshaber von Samaria, die Kunde von diesen Vorgängen erhielt, bot er sein Heer auf und zog gegen Judas zu Felde. Dieser marschierte ihm entgegen und besiegte ihn in einem Treffen, machte eine Menge Feinde, darunter auch den Apollonius selbst nieder (sein Schwert nahm er an sich und trug es von da an beständig), verwundete viele von ihnen und zog sich mit reicher Beute zurück. 288 Als nun Seron, der Befehlshaber [104] von Coelesyrien, vernahm, dass des Judas Anhang so gewachsen sei und er schon eine bedeutende Truppenmacht zusammengebracht habe, beschloss auch er, sogleich gegen ihn ins Feld zu ziehen, weil er es für geboten hielt, mit aller Kraft gegen die einzuschreiten, die des Königs Gebote übertraten. 289 Er bot also die ganze Truppenmacht auf, die ihm zur Verfügung stand, zog auch die jüdischen Überläufer an sich heran, rückte gegen Judas aus und schlug bei Bethoron, einem Dorfe Judaeas, sein Lager auf. 290 Judas zog ihm entgegen, und da er im Begriffe war, ihn anzugreifen, und die Seinigen wegen ihrer Minderzahl und infolge von Erschöpfung (sie waren noch nüchtern) wenig Lust zum Kampfe zeigten, ermutigte er sie mit dem Hinweise darauf, dass es bei dem Siege nicht auf die Zahl, sondern auf das Vertrauen zu Gott ankomme. 291 Das leuchtendste Beispiel hierfür seien ihre Vorfahren, die, weil sie für Recht, Gesetz und Herd gekämpft, oft viele Tausende ihrer Feinde niedergeworfen hätten. Denn wer für die Ungerechtigkeit streite, könne keine Macht entfalten. 292 Nach dieser Ermunterung riet er ihnen, ungeachtet der vielen Feinde insgesamt auf Seron einzudringen. Und so gelang es ihm, die Syrer in die Flucht zu schlagen. Denn sobald ihr Anführer gefallen war, sahen sie in der Flucht ihr einziges Heil. Judas verfolgte sie bis in die Ebene und tötete noch gegen achthundert von ihnen, während der Rest an die Meeresküste entkam.

(2.) 293 Diese Niederlagen versetzten den König Antiochus in den heftigsten Zorn. Er zog sogleich alle seine Truppen zusammen, warb noch eine Menge Söldner von den Inseln[10] an und rüstete sich, mit Frühlingsanfang in Judaea einzufallen. 294 Als er aber den Söldnern den Lohn auszahlen wollte, fand er, dass seine Mittel nicht langten. Denn abgesehen davon, dass bei den fortwährenden Unruhen die Abgaben nicht vollständig eingingen, war der König auch bis zur Verschwendung freigebig und verstand mit [105] seinen Mitteln nicht zu rechnen. Er beschloss deshalb, zunächst nach Persien zu ziehen, um dort die Steuern einzutreiben. 295 Einem gewissen Lysias aber, der bei ihm in hohem Ansehen stand, überliess er die Verwaltung des Landes vom Euphrat bis zu den Grenzen Aegyptens und des unteren Asien, sowie einen Teil des Heeres und der Elefanten 296 und befahl ihm, seinen Sohn Antiochus bis zu seiner Rückkehr sorgfältig zu erziehen. Dann werde er Judaea verwüsten, seine Bewohner in die Sklaverei schleppen, Jerusalem zerstören und das Volk der Hebräer ausrotten. 297 Nachdem er dem Lysias diese Aufträge erteilt hatte, zog Antiochus im einhundertsiebenundvierzigsten Jahre nach Persien, überschritt den Euphrat und rückte gegen die höher gelegenen Provinzen vor.

(3.) 298 Lysias ernannte nun Ptolemaeus, den Sohn des Dorymenes, ferner Nikanor und Gorgias, die mächtigsten von des Königs Freunden, zu Feldherren und schickte sie mit vierzigtausend Mann Fussvolk und siebentausend Reitern nach Judaea. Sie rückten bis Emmaus vor und schlugen in der dortigen Ebene ihr Lager auf. 299 Hier stiessen noch Hilfstruppen aus Syrien und den angrenzenden Ländern, sowie eine Menge jüdischer Überläufer zu ihnen. Auch fanden sich, um die Gefangenen zu kaufen, Händler bei ihnen ein, welche die Fesseln sowie den Kaufpreis in Gold und Silber gleich mitbrachten. 300 Als nun Judas das Lager und die Menge der Feinde erblickte, ermunterte er seine Leute zur Zuversicht und riet ihnen, nach Art ihrer Väter von Gott den Sieg zu erflehen. Sie sollten also Säcke anlegen und in der Weise flehen, wie es zu Zeiten grosser Gefahr geschehe, um sich Stärke zur Überwindung der Feinde zu erbitten. 301 Dann teilte er sie nach alter Sitte in Abteilungen unter Obersten und Hauptleuten und entliess alle Neuvermählten sowie die, welche erst kürzlich Besitztum erworben hatten, damit sie nicht aus Verlangen danach allzusehr am Leben hängen und im Kampfe sich furchtsam erweisen möchten. 302 Darauf redete er die Seinigen also an: „Noch nie sind die Zeiten, ihr Waffengefährten, [106] so geeignet gewesen, euch zur Tapferkeit und Verachtung von Gefahren anzuspornen, als jetzt. Nunmehr gilt es, durch mutiges Kämpfen die Freiheit zu erringen, die zwar allen ein erstrebenswertes Gut, uns aber um so teurer ist, als von ihr die Möglichkeit abhängt, der Verehrung Gottes wieder obzuliegen. 303 Die Sachen stehen also jetzt so, dass ihr entweder die Freiheit und ein glückliches Leben erringt, wie wir es unter den alten väterlichen Einrichtungen gehabt haben, oder aber dass ihr, wenn ihr im Kampfe euch feige benehmt, das Schimpflichste erleidet und mit eurem ganzen Geschlechte zu Grunde geht. 304 Bedenket ihr nun, dass ihr auch ohne Kampf dem Tode verfallen seid, und habt ihr die Überzeugung, dass euch als Lohn Freiheit, Heimat, Schutz der Gesetze und freie Ausübung eurer Gottesverehrung winkt, so werdet ihr euch mutig zum Kampfe rüsten und bereit sein, morgen mit Tagesanbruch den Feind zu erwarten.“

(4.) 305 Mit diesen Worten flösste Judas seinen Streitern Mut ein. In der Nacht nun sandten die Feinde den Gorgias mit fünftausend Fusssoldaten und tausend Reitern ab, um unter Führung einiger jüdischen Überläufer das Lager der Juden anzugreifen. Als des Mattathias Sohn davon Kunde erhielt, beschloss er, sogleich seinerseits in das feindliche Lager einzufallen, um so mehr, da die Kräfte der Feinde jetzt geteilt waren. 306 Nach dem Abendessen liess er daher viele Feuer im Lager anzünden und marschierte die ganze Nacht hindurch gegen die Abteilung der Feinde, welche im Lager bei Emmaus zurückgeblieben war. Als nun Gorgias niemand im feindlichen Lager antraf, vermutete er, die Feinde seien aus Furcht abgezogen und hätten sich im Gebirge versteckt. Er brach daher sogleich wieder auf und beschloss, sie zu suchen. 307 Judas aber kam in der Morgenfrühe mit dreitausend schlecht bewaffneten Streitern in den Bereich der bei Emmaus lagernden Abteilung. Und da er sah, dass die Feinde sich gut verschanzt und das Lager geschickt befestigt hatten, ermunterte er die [107] Seinigen, sie sollten sich vor dem Kampfe nicht fürchten, selbst wenn sie diesen völlig wehrlos bestehen müssten, und bedenken, dass Gott schon oft Kriegern, die sich in einer solchen Lage befunden, als Lohn ihrer Tapferkeit den Sieg über eine viel grössere und besser bewaffnete Masse von Feinden verliehen habe. Darauf liess er die Trompeter das Signal blasen 308 und fiel unerwartet über die Feinde her, jagte ihnen Schrecken und Bestürzung ein, tötete viele von denen, die sich zur Wehr setzten, und verfolgte die übrigen bis nach Gadara und in die Gefilde von Idumaea, Azot und Jamnia. Es fielen vom Feinde gegen dreitausend Mann. 309 Judas aber ermahnte die Seinigen, jetzt nicht an Beute zu denken, da ihnen noch der Kampf mit Gorgias und dessen Heer bevorstehe. Sobald auch diese besiegt seien, könnten sie in Ruhe und unbesorgt sich an die Beute machen. 310 Während Judas diese Worte an seine Krieger richtete, erblickten des Gorgias Leute von einer Anhöhe herab die im Lager zurückgebliebene Abteilung in voller Flucht und das Lager in Flammen, sodass sie sich schon denken konnten, was geschehen war. 311 Als sie nun auch noch die Schar des Judas zum Kampfe bereit stehen sahen, gerieten sie ebenfalls in Schrecken und wandten sich zur Flucht. 312 So besiegte Judas die Krieger des Gorgias ohne Schwertstreich. Dann kehrte er zurück, um die Beute zu holen und zog mit einer Menge Gold und Silber, Hyacinth und Purpur voll Freude nach Hause zurück, indem er Gott für das ihm zu teil gewordene Glück dankte. Zur Erlangung der Freiheit aber trug dieser Sieg nicht wenig bei.

(5.) 313 Lysias, der über die Niederlage des von ihm abgesandten Heeres in Bestürzung geriet, zog im folgenden Jahre sechzigtausend auserlesene Krieger und fünftausend Reiter zusammen, fiel mit ihnen in Judaea ein und schlug, nachdem er das Gebirge erreicht hatte, bei Bethsura, einem Dorfe Judaeas, sein Lager auf. 314 Ihm zog Judas mit nur zehntausend Mann entgegen, und als er die ungeheure Menge der Feinde sah, bat er Gott, ihm [108] beizustehen. Dann griff er die Vorhut des Feindes an, schlug sie, tötete gegen fünftausend Mann und setzte die übrigen dadurch in Schrecken. 315 Weil aber Lysias einsah, dass die Juden entschlossen seien, entweder zu sterben oder ihre Freiheit zu erringen, und allen Grund hatte, sich vor ihrer Verzweiflung zu fürchten, sammelte er die Reste seiner Truppen und kehrte nach Antiochia zurück, wo er verblieb und Aushebungen unter den Fremden veranstaltete, um mit einem grösseren Heere abermals in Judaea einfallen zu können.

(6.) 316 Da nun die Heerführer des Antiochus so oft geschlagen worden waren, berief Judas eine Volksversammlung und erklärte, nach den vielen Siegen, die Gott ihnen verliehen, sei es jetzt an der Zeit, nach Jerusalem zu ziehen, den Tempel zu reinigen und die gewohnten Opfer wieder darzubringen. 317 Als er aber mit dem ganzen Volke sich Jerusalem näherte und den Tempel verlassen, die Thore verbrannt und in dem öden Heiligtum Strauchwerk alle freien Stellen bedecken sah, brach er bei dem trostlosen Anblick samt den Seinigen in Wehklagen aus. 318 Zunächst wählte er nun eine Schar seiner Krieger aus und befahl ihnen, in der Zeit, da er den Tempel reinige, die Besatzung der Burg zu belagern. Nachdem er dann den Tempel gesäubert hatte, beschaffte er neue Gefässe, Leuchter, Tisch, Altar, alles aus Gold, und liess an den Eingängen neue Vorhänge anbringen sowie neue Thürflügel einsetzen. Darauf liess er den Altar zerstören und einen neuen aus behauenen Steinen errichten. 319 Am fünfundzwanzigsten Tage des Monats Chaslev, den die Macedonier Apellaios nennen, zündete man die Lampen auf dem Leuchter wieder an, brachte Räucherwerk dar, legte die Brote auf den Tisch und opferte zum erstenmal auf dem neuen Altare. 320 Das geschah genau an demselben Tage, an welchem drei Jahre früher der Tempel entheiligt worden war. Denn da Antiochus ihn verwüstet hatte, blieb er drei Jahre lang in diesem unwürdigen Zustande. 321 Im einhundertfünfundvierzigsten Jahre, am fünfundzwanzigsten Apellaios, [109] in der einhundertdreiundfünfzigsten Olympiade brach das Unglück über den Tempel herein, und an demselben Tage, dem fünfundzwanzigsten Apellaios des einhundertachtundvierzigsten Jahres, in der einhundertvierundfünfzigsten Olympiade, ward er wieder eingeweiht. 322 Diese Verwüstung des Tempels geschah gemäss der Prophezeiung des Daniel, welche dieser vierhundertundacht Jahre früher verkündigt hatte, als er weissagte, der Tempel werde von den Macedoniern zerstört werden.

(7.) 323 Judas feierte mit seinen Mitbürgern die Wiedereinrichtung der Opfer im Tempel acht Tage lang unter lautem Jubel. Kostbare und herrliche Opfer lieferten die Speisen zum Mahle, und man ehrte Gott durch Lobgesänge und Psalmen, während das Volk in Freuden lebte. 324 So grosses Frohlocken erregte die Wiedereinführung der freien Ausübung des Gottesdienstes, dass man ein Gesetz machte, wonach in Zukunft jährlich acht Tage lang die Erneuerung des Tempels gefeiert werden sollte. 325 Dieses Fest feiern wir von jener Zeit an bis heute und nennen es das Fest der Lichter, weil, wie ich glaube, die freie Ausübung unserer Religion uns unerwartet wie ein Lichtstrahl aufgegangen ist. 326 Alsdann umgab Judas auch die Stadt wieder mit Mauern, errichtete zum Schutz gegen feindliche Überfälle hohe Türme, in welche er Wachtposten legte, und befestigte auch die Stadt Bethsura, um sie, falls ein Feind ihn dazu zwingen würde, als Vorwerk benutzen zu können.

[110]
Achtes Kapitel.
Wie Judas die benachbarten Völkerschaften unterwarf und Simon die Tyrier und Ptolemaïter schlug. Wie Judas den Timotheus in die Flucht trieb. Joseph und Azarias erleiden eine Niederlage.

(1.) 327 Diese Stärkung der jüdischen Macht war den Nachbarvölkern ein Dorn im Auge, sodass sie sich gegen die Juden zusammenthaten und durch Hinterlist und heimliche Nachstellungen viele von ihnen umbrachten. Wollte also Judas sie von feindlichen Einfällen und der Beunruhigung der Seinigen abhalten, so war er genötigt, beständig mit ihnen im Streit zu liegen. 328 Zunächst griff er die Idumäer, die Nachkommen Esaus, bei Akrabatta an, machte eine Menge von ihnen nieder und belud sich mit reicher Beute. Dann schloss er die Söhne des Baan, die den Juden einen Hinterhalt gelegt hatten, in ihren festen Plätzen ein, steckte deren Festungswerke in Brand und tötete die wehrfähigen Männer. 329 Ferner rückte er gegen die Ammaniter aus, die unter dem Oberbefehl des Timotheus eine starke und zahlreiche Kriegsmacht versammelt hatten, schlug sie, eroberte ihre Stadt Jazor, steckte dieselbe in Brand und zog mit den Weibern und Kindern der Ammaniter, welche er in die Gefangenschaft schleppte, nach Judaea zurück. 330 Als nun die benachbarten Völkerschaften von seiner Rückkehr Kunde erhielten, griffen sie die im Galaditerlande lebenden Juden an. Diese jedoch retteten sich in die Festung Dathema und liessen dem Judas melden, Timotheus rücke gegen ihren Zufluchtsort heran, um ihn einzunehmen. 331 Noch während der Vorlesung des Meldeschreibens erschienen auch aus Galilaea Boten mit der Nachricht, die Bewohner von Ptolemaïs, Tyrus und Sidon sowie die in Galilaea ansässigen Fremden hätten sich zusammengeschart.

(2.) 332 Um nun den von beiden Seiten drohenden Gefahren zu begegnen, gab Judas seinem Bruder Simon [111] den Auftrag, mit dreitausend auserlesenen Streitern den in Galilaea wohnenden Juden Hilfe zu bringen, 333 während er selbst mit seinem anderen Bruder Jonathas und achttausend Mann nach Galaditis zog. Zu Befehlshabern der zurückgebliebenen Mannschaft ernannte er Joseph, den Sohn des Zacharias, und Azarias, denen er ans Herz legte, Judaea sorgfältig zu bewachen und sich mit niemand in einen Kampf einzulassen, bevor er zurückgekehrt sei. 334 Als nun Simon in Galilaea anlangte, traf er gleich mit den Feinden zusammen, schlug sie in die Flucht und verfolgte sie bis zu den Thoren von Ptolemaïs, wobei er gegen dreitausend von ihnen niedermachte. Dann liess er den Gefallenen die Rüstungen ausziehen und kehrte mit den aus der Gefangenschaft befreiten Juden und dem erbeuteten Gepäck in die Heimat zurück.

(3.) 335 Unterdessen überschritt Judas Makkabaeus mit seinem Bruder Jonathas den Jordan und stiess nach dreitägigem Marsch auf die Nabatäer, die ihm friedlich begegneten 336 und ihm erzählten, was sich in Galaditis ereignet habe und was die zu leiden hätten, die in die festen Plätze dieses Landes eingeschlossen seien. Sie baten dann den Judas, er möge gegen die Fremden ziehen und seine Landsleute aus deren Händen befreien. Daraufhin marschierte Judas durch die Wüste, nahm Bosora im ersten Anlauf und liess alle waffenfähigen Männer der Besatzung niedermachen und die Stadt einäschern. 337 Und obgleich die Nacht inzwischen hereingebrochen war, setzte er doch sogleich seinen Marsch fort auf die Festung zu, in welcher die Juden sich eingeschlossen hatten, und die von Timotheus mit Aufbietung aller Kraft belagert wurde. 338 Beim Morgengrauen kam er hier an, und da er die Feinde schon dicht an die Stadtmauer herangerückt und mit Leitern und Belagerungsmaschinen sich zum Sturm rüsten sah, liess er in die Trompeten stossen, ermahnte die Seinigen, für ihre Brüder der Gefahr wacker zu trotzen, und fiel mit seinen in drei Haufen geteilten Streitkräften dem Feinde [112] in den Rücken. 339 Als die Krieger des Timotheus den Makkabäer erkannten, von dessen Tapferkeit und Kriegsglück sie so manches erfahren hatten, wandten sie sich alsbald zur Flucht. Judas aber setzte ihnen nach und machte achttausend Mann von ihnen nieder. 340 Dann wandte er sich gegen die sogenannte Fremdenstadt Malle, nahm auch diese ein und liess die wehrfähigen Männer umbringen und die Stadt anzünden. Weiterhin zerstörte er darauf noch die Städte Chasphoma, Bosor und eine ganze Reihe anderer Orte in Galaditis.

(4.) 341 Kurz darauf aber brachte Timotheus wieder eine grosse Streitmacht zusammen, bewog ausser anderen Hilfstruppen auch einige Araberstämme, gegen entsprechenden Sold mit ihm zu Felde zu ziehen, und rückte mit seinem Heere über einen Bach bis in die Nähe von Raphon, das damals eine Stadt war. 342 Dann ermahnte er seine Soldaten, wacker zu kämpfen, wenn sie mit den Juden handgemein würden, und ihnen vor allem den Übergang über den Bach zu wehren. Denn wenn dem Feinde dieser Übergang gelinge, werde ihre Niederlage besiegelt sein. 343 Als nun Judas vernahm, dass Timotheus sich zum Kampfe rüste, eilte er mit seiner ganzen Streitmacht dem Feinde entgegen, überschritt den Bach, drang auf des Timotheus Krieger ein und machte die, welche ihm Widerstand leisteten, nieder, während er die anderen derart in Schrecken versetzte, dass sie die Waffen von sich warfen und ihr Heil in der Flucht suchten. 344 Von den letzteren entkamen indes nur wenige; die meisten, die sich in das Karnaïn genannte Heiligtum geflüchtet, wo sie sicher zu sein wähnten, wurden niedergemacht. Judas nahm den Ort ein, liess das Heiligtum in Flammen aufgehen und bereitete so seinen Feinden auf mannigfache Art den Untergang.

(5.) 345 Nach diesen Erfolgen versammelte Judas alle in Galaditis wohnenden Juden mit ihren Weibern und Kindern und ihrer gesamten Habe, um sie nach Judaea zurückzuführen. 346 Als er nun unterwegs an eine Stadt mit Namen Ephron kam und keine Möglichkeit sah, [113] einen anderen Weg einzuschlagen, aber auch nicht zurückkehren mochte, liess er die Bürger ersuchen, ihm die Thore zu öffnen und ihm den Durchmarsch durch die Stadt zu erlauben. Die Thore waren nämlich mit Felsblöcken versperrt und machten somit den Durchzug unmöglich. 347 Da aber die Ephroniter sich dessen weigerten, feuerte Judas die Seinigen an, schloss die Stadt ringsum ein und belagerte sie. Nachdem er das einen Tag und eine Nacht lang gethan, erstürmte er Ephron, machte alle wehrfähigen Bürger nieder und äscherte die Stadt ein, bevor er weiterrückte. Und so gross war die Zahl der Gefallenen, dass der Weg mit Leichen wie besät war. 348 Nun zogen sie über den Jordan, kamen in die grosse Ebene,[11] in deren Bereich die Stadt Bethsana, welche die Griechen Skythopolis nennen, lag, und rückten bald darauf in Judaea ein. 349 Dort feierten sie ihre Siege mit Jubelgesängen und den üblichen Spielen, brachten auch Gott zum Danke für ihr Kriegsglück und die Erhaltung des Heeres Opfer dar. Denn von den Juden war in allen diesen Kämpfen auch nicht ein Mann gefallen.

(6.) 350 Während nun Simon in Galilaea gegen die Ptolemaïter und Judas mit seinem Bruder Jonathas in Galaditis Krieg führte, wollten des Zacharias Sohn Joseph und Azarias, die Judas als Befehlshaber zurückgelassen hatte, sich gleichfalls den Ruhm ausgezeichneter Feldherren erwerben und zogen daher mit ihrer Abteilung gegen Jamnia. 351 Gorgias aber, der Befehlshaber von Jamnia, rückte ihnen entgegen, schlug sie und trieb sie mit einem Verluste von etwa zweitausend Mann bis zur Grenze Judaeas in die Flucht. 352 Diese Niederlage war die Folge davon, dass sie den Befehl des Judas, vor seiner Rückkehr sich mit niemand in einen Kampf einzulassen, missachtet hatten. Und so muss man ausser den sonstigen weisen Plänen des Judas auch noch die Sicherheit bewundern, mit der er den Kriegern des [114] Joseph und des Azarias ihre Niederlage für den Fall voraussagte, dass sie seinem Befehle zuwiderhandelten. 353 Judas und seine Brüder standen nun aber keineswegs von weiteren kriegerischen Unternehmungen ab, sondern setzten nach wie vor den Idumäern hart zu, nahmen die Stadt Chebron, schleiften deren Befestigungen, steckten die Türme in Brand und verwüsteten das Land ringsum. Ebenso verfuhren sie mit Marissa und Azot. Reich mit Waffen und anderer Beute beladen, kehrten, sie alsdann nach Judaea zurück.

Neuntes Kapitel.
Des Antiochus Epiphanes Tod. Wie Antiochus Eupator den Judas im Tempel belagerte, aber abziehen musste. Alkimus. Onias.

(1.) 354 Um diese Zeit hörte der König Antiochus, als er sich auf einem Zuge in das Oberland befand, in Persien gebe es eine reiche Stadt, Elymaïs geheissen, mit einem prachtvollen Tempel der Artemis, der Weihgeschenke aller Art berge, darunter auch Panzer, welche der Macedonierkönig Alexander, des Philippus Sohn, dort zurückgelassen haben sollte. 355 Der König, dessen Habsucht hierdurch mächtig gereizt wurde, brach sogleich nach Elymaïs auf und belagerte die Stadt. Da aber die Bürger sich weder durch sein Anrücken, noch durch die Belagerung in Schrecken jagen liessen, vielmehr tapferen Widerstand leisteten, sah er sich in seiner Hoffnung getäuscht. Ja, es gelang denselben sogar, bei einem Ausfalle den König von der Stadt zu vertreiben und ihn derart zu verfolgen, dass er nach Babylon fliehen musste und einen grossen Teil seines Heeres verlor. 356 In seinem Missmut über diese Niederlage erhielt er nun noch die Nachricht, dass seine Heerführer, welche er gegen die Juden gesandt hatte, geschlagen seien und die Macht der Juden einen gewaltigen Aufschwung genommen habe. 357 Das war zu viel für ihn, und er zog sich aus Ärger eine [115] Krankheit zu. Als dieselbe sich sehr verlängerte und ihm immer grössere Qualen verursachte, sah er ein, dass er sterben müsse. Er berief daher seine Freunde zusammen, teilte ihnen mit, dass seine Krankheit ihnen schweres Leid bringen werde, und gestand ihnen, dass er seine schrecklichen Leiden nur der von ihm verübten Misshandlung der Juden, der Beraubung des Tempels und der Verachtung Gottes zuzuschreiben habe. Alsdann gab er den Geist auf. 358 Man muss sich nun billig über den Polybius von Megalopolis verwundern, der, obgleich er ein ehrenwerter Geschichtschreiber ist, erzählt, Antiochus sei gestorben, weil er den Artemistempel in Persien habe plündern wollen. Es ist aber doch klar, dass etwas, was man nur beabsichtigt, jedoch nicht zur Ausführung gebracht hat, keine Strafe verdienen kann. 359 Will also Polybius darin die Ursache von Antiochus’ Tod finden, so ist es doch viel wahrscheinlicher, dass der König wegen der Beraubung unseres Tempels hat sterben müssen. Doch ich mag über diese Sache nicht mit denen streiten, welche die Ansicht des Megalopoliters der meinigen vorziehen.

(2.) 360 Ehe Antiochus verschied, hatte er den Philippus, einen seiner Vertrauten, zu sich rufen lassen und ihn als Reichsverweser eingesetzt. Ihm hatte er auch das Diadem, den Königsmantel und seinen Siegelring übergeben und ihm aufgetragen, das alles seinem Sohne auszuhändigen, für dessen Erziehung zu sorgen und ihm die Herrschaft zu sichern. 361 Antiochus starb im hundertneunundvierzigsten Jahre seleukidischer Zeitrechnung. Lysias machte dem Volke von seinem Tode Mitteilung, rief seinen Sohn Antiochus, dessen Erziehung er leitete, zum Könige aus und gab diesem den Beinamen Eupator.

(3.) 362 Um diese Zeit fügten die Besatzung der Burg zu Jerusalem und die jüdischen Überläufer den Juden viel Ungemach zu. Kam nämlich jemand in den Tempel, um zu opfern, so machten ihn die Soldaten nieder: denn die Burg beherrschte den Tempel. 363 Diesem Unwesen [116] beschloss Judas durch Vertreibung der Besatzung ein Ende zu machen; er berief daher sein Kriegsvolk zusammen und belagerte die Burg nachdrücklich. Das geschah im hundertfünfzigsten Jahre der seleukidischen Aera. Judas liess also Belagerungsmaschinen anfertigen und Wälle aufwerfen, und betrieb überhaupt die Belagerung unter Anspannung aller Kräfte. 364 Doch gelang es vielen in der Burg befindlichen Überläufern, bei Nacht zu entweichen. Diese sammelten eine Anzahl ihres Gelichters[WS 1], begaben sich zum Könige Antiochus und baten ihn, sich ihrer anzunehmen, da sie von ihren Landsleuten hart bedrängt würden. Und zwar geschehe dies, weil sie ihre eigene Religion verlassen und die seines Vaters angenommen hätten. 365 Es sei jetzt zu befürchten, dass, wenn er nicht für Entsatz sorge, Judas und seine Anhänger die Burg samt den königlichen Truppen in die Hände bekämen. 366 Bei dieser Kunde geriet der König in Zorn, beschied seine Heerführer und Ratgeber zu sich und hiess sie Söldner werben und alle wehrfähigen Männer im Reiche aufbieten. Auf diese Weise wurde ein Heer von etwa hunderttausend Fusssoldaten, zwanzigtausend Reitern und zweiunddreissig Elefanten zusammengebracht.

(4.) 367 Mit dieser Streitmacht brach der König in Begleitung des zum Oberbefehlshaber ernannten Lysias von Antiochia auf. Und als er nach Idumaea gekommen war, wandte er sich gegen Bethsura, eine stark befestigte und schwer einnehmbare Stadt, und fing an sie zu belagern. 368 Die Bethsuraner aber leisteten tapferen Widerstand und steckten bei ihren Ausfällen seine Maschinen in Brand, sodass die Belagerung sich sehr in die Länge zog. 369 Als nun Judas von dem Feldzug des Königs Kunde erhielt, hob er die Belagerung der Burg auf, zog dem Antiochus entgegen und schlug sein Lager bei einem Engpasse in Bethzacharia auf, siebzig Stadien vom Feinde entfernt. 370 Der König verliess darauf Bethsura und rückte gegen den Engpass und das Lager der Juden vor. Beim Morgengrauen stellte er seine [117] Truppen in Schlachtordnung auf 371 und liess die Elefanten, weil sie des Engpasses wegen sich nicht in der Breite entfalten konnten, hintereinander aufmarschieren. Jeden Elefanten umgaben tausend Fusssoldaten und fünfhundert Reiter, und auf ihrem Rücken trugen die Tiere hohe, mit Bogenschützen besetzte Türme. Den Rest des Heeres liess er in einzelnen Abteilungen unter dem Kommando seiner Freunde sich auf den Bergspitzen aufstellen. 372 Alsdann liess Antiochus das Heer den Schlachtruf erheben, auf den Feind eindringen und die goldenen und ehernen Schilde schwingen, sodass dieselben im Sonnenlicht glitzerten, und die Berge von dem Getöse wiederhallten. Judas aber liess sich nicht einschüchtern, sondern erwartete tapfer den feindlichen Anprall und erschlug gleich gegen sechshundert von der Vorhut. 373 Unterdessen hatte sein Bruder Eleazar mit dem Beinamen Auran den Elefant erspäht, der gewaltiger als die anderen war und den Königspanzer trug. Da er nun vermutete, auf diesem Elefant befinde sich der König, drang er mutvoll auf denselben ein. Und nachdem er von den den Elefant begleitenden Kriegern eine beträchtliche Anzahl erschlagen und die übrigen zerstreut hatte, schlich er sich unter den Bauch des Tieres und verwundete es tödlich. 374 Leider stürzte aber der zusammenbrechende Koloss auf Eleazar und erdrückte ihn unter seiner Last. So kam der wackere Kämpfer ums Leben, der so vielen Feinden den Untergang bereitet hatte.

(5.) 375 Judas aber sah ein, dass er der Übermacht des Feindes nicht gewachsen war; er zog sich deshalb nach Jerusalem zurück und machte sich auf eine Belagerung gefasst. Antiochus sandte nun den einen Teil seines Heeres zur Erstürmung von Bethsura ab, während er mit dem anderen gegen Jerusalem rückte. 376 Die Bethsuraner gerieten ob der gewaltigen Menge der Belagerer in Schrecken, und da ihnen auch die Lebensmittel auszugehen drohten, ergaben sie sich, nachdem sie die eidliche Zusage erhalten hatten, dass der König ihnen [118] nichts Schlimmes zufügen werde. Wirklich that Antiochus nach Einnahme der Stadt ihnen auch nichts anderes zuleide, als dass er sie wehrlos aus der Stadt auswies und von seinen eigenen Truppen eine Besatzung hineinlegte. 377 Was aber Jerusalem angeht, so kostete den König die Belagerung des Heiligtums doch eine ungleich längere Zeit, da die im Tempel eingeschlossenen Juden sich mit zäher Ausdauer verteidigten. Jeder Maschine des Königs nämlich stellten sie eine andere entgegen. 378 Bei den Belagerten aber trat sehr rasch Mangel an Lebensmitteln ein, weil das vorrätige Getreide verzehrt war und das Land in diesem Jahre nicht bebaut werden durfte. Das Jahr war nämlich gerade ein siebentes Jahr, in welchem nach dem Gesetze der Boden brach liegen musste. Viele der Belagerten entflohen daher aus Mangel am Notwendigsten, und nur wenige blieben zurück.

(6.) 379 So erging es den Juden, die im Tempel belagert wurden. Auf einmal aber erhielten der Heerführer Lysias und der König Antiochus die Nachricht, Philippus sei aus Persien gekommen und erhebe selbst Anspruch auf den Thron. Das veranlasste sie, die Belagerung aufzuheben und sich gegen Philippus zu wenden. Doch beschlossen sie, den Anführern und dem Heere den wahren Grund ihres Abzuges zu verheimlichen. 380 Vielmehr trug der König dem Lysias auf, den Führern wie den Soldaten, ohne von des Philippus Absichten zu sprechen, mitzuteilen, die Belagerung nehme doch zu viel Zeit in Anspruch, und der Platz sei zu stark befestigt. Auch stelle sich schon Mangel an Lebensmitteln ein, und im Reiche sei noch vieles zu erledigen, 381 sodass es besser sei, mit den Belagerten und dem ganzen Volke Frieden und Freundschaft zu schliessen, indem man sie ruhig nach ihrem Gesetze, dessen Vernichtung der Zweck des Krieges gewesen sei, leben lasse und in die Heimat zurückkehre. Diese Worte des Lysias fanden den Beifall sowohl der Anführer als auch des ganzen Heeres.

[119] (7.) 382 Der König liess also dem Judas und den übrigen Belagerten sagen, er wolle mit ihnen Frieden schliessen und sie nach dem Gesetze ihrer Väter leben lassen. Das hörten die Juden mit Freuden und kamen, nachdem sie eine eidliche Versicherung erhalten hatten, aus dem Tempel hervor. 383 Als aber Antiochus in denselben eingezogen war und bemerkte, dass der Platz so vortrefflich befestigt sei, brach er seinen Eid und befahl den Seinigen, die Mauer zu schleifen und sie dem Erdboden gleich zu machen. Darauf kehrte er nach Antiochia zurück und führte den Hohepriester Onias, der auch Menelaus genannt wurde, mit sich fort. 384 Lysias hatte nämlich dem Könige geraten, er solle den Menelaus umbringen lassen, wenn er Ruhe vor den Juden haben wolle. Denn von ihm komme alles Unheil her, weil er den Vater des Königs veranlasst habe, die Juden zum Abfall von der Gottesverehrung ihrer Väter zu zwingen. 385 Demgemäss schickte der König den Menelaus nach Beroea in Syrien und liess ihn dort hinrichten, nachdem er zehn Jahre lang in Frevel und Gottlosigkeit die Hohepriesterwürde innegehabt und, um seine Herrschsucht zu befriedigen, das Volk hatte zwingen lassen, von den Gesetzen abzufallen. Nach dem Tode des Menelaus wurde Alkimus, der auch Jakim hiess, Hohepriester. 386 Um übrigens auf Antiochus zurückzukommen, so traf er den Philippus schon im Besitze der Regierung an. Er überzog ihn daher mit Krieg und liess ihn, nachdem er sich seiner bemächtigt hatte, hinrichten. 387 Als nun Onias, der Sohn des Hohepriesters, der, wie oben erwähnt, beim Tode seines Vaters noch ein Kind war, sah, wie der König nach der Hinrichtung seines Oheims die Hohepriesterwürde dem Alkimus übertrug, der nicht aus hohepriesterlichem Geschlechte war, und auf den Rat des Lysias das Amt von seiner Familie auf eine andere übergehen liess, floh er zu Ptolemaeus, dem Könige von Aegypten. 388 Dort fand er sowohl von seiten des Königs als auch bei dessen Gemahlin Kleopatra ehrenvolle Aufnahme und erhielt von dem Königspaar [120] ein Grundstück im Bezirke von Heliopolis, auf welchem er einen Tempel nach dem Muster des zu Jerusalem befindlichen erbaute. Ich werde darauf noch später zurückkommen.

Zehntes Kapitel.
Wie Bakchides, der Feldherr des Demetrius, gegen die Juden zog, aber unverrichteter Sache heimkehren musste. Wie Nikanor gegen Judas geschickt wurde und mit seinem ganzen Heere umkam. Des Alkimus Tod.

(1.) 389 Um diese Zeit floh des Seleukus Sohn Demetrius von Rom weg, nahm die Stadt Tripolis in Syrien ein und setzte sich die Königskrone auf. Dann warb er noch eine Anzahl Söldner und zog in die königliche Residenz ein, wo er freudig aufgenommen und als Herrscher anerkannt wurde. 390 Den König Antiochus und den Lysias liess er sodann festnehmen, vor seinen Thron führen und sogleich hinrichten. Antiochus regierte also, wie ich schon anderswo bemerkt habe, nur zwei Jahre. 391 Zu Demetrius kamen nun viele gottlose jüdische Überläufer, darunter auch der Hohepriester Alkimus, und klagten das ganze Volk und besonders den Judas sowie dessen Brüder an, 392 sie hätten sämtliche Freunde des Königs und alle im Reiche, die ihm treu geblieben seien, umgebracht. Sie, die Ankläger, seien aus ihrer Heimat vertrieben worden, sodass sie in der Fremde Gastfreundschaft in Anspruch nehmen müssten, und sie bäten ihn daher, einen von seinen Vertrauten hinzuschicken, damit dieser sich erkundige, was Judas anfange.

(2.) 393 Demetrius sandte darauf in hellem Zorne Bakchides, den Freund des Antiochus Epiphanes, einen rechtschaffenen, damals mit der Statthalterschaft von ganz Mesopotamien betrauten Mann, an der Spitze eine Heeres ab, gab ihm den Hohepriester Alkimus bei und befahl ihm, den Judas samt seinen Anhängern umzubringen. [121] 394 Bakchides brach demgemäss mit seinem Heere von Antiochia auf, und als er nach Judaea gekommen war, schickte er Boten an Judas und dessen Brüder, um mit ihnen über Frieden und Freundschaft zu unterhandeln. So hoffte er den Judas mit List in seine Gewalt zu bekommen. 395 Doch dieser traute ihm nicht, weil er ein Heer bei sich habe, das man zum Kriegführen, nicht aber zum Friedensschluss brauche. Nur einige aus dem Volke schenkten den Vorspiegelungen des Bakchides Glauben und gingen in der Hoffnung, Alkimus werde als ihr Landsmann nichts Böses gegen sie im Schilde führen, zu ihm über. 396 Dort erhielten sie die eidliche Zusage, dass weder ihnen noch denen, die ihnen etwa folgen würden, ein Leids geschehen solle, worauf sie sich vertrauensvoll ergaben. Bakchides aber brach den Eid und liess sechzig von ihnen umbringen, wodurch er die anderen, die noch vorhatten, nachzufolgen, abschreckte. 397 Dann zog er von Jerusalem weg zu einem Dorfe, welches Bethzetho hiess, liess eine Menge Überläufer und einige von den Bewohnern des Dorfes ergreifen und niedermachen, und befahl, dass alle Bewohner der Gegend dem Alkimus Gehorsam zu erweisen hätten. Nachdem er sodann dem letzteren eine Abteilung Soldaten dagelassen, die ihn bei der Verwaltung der Provinz schützen sollten, kehrte er nach Antiochia zum Könige Demetrius zurück.

(3.) 398 Alkimus suchte nun um jeden Preis seine Herrschaft zu befestigen, und da er einsah, er werde viel sicherer regieren, wenn er die Zuneigung des Volkes besitze, schmeichelte er jedem seiner Untergebenen mit freundlichen und gefälligen Worten. 399 In kurzer Zeit jedoch umgab er sich mit einer starken und wohlgeübten Kriegerschar, die grösstenteils aus Frevlern und Überläufern bestand. Mit ihnen durchzog er das Land und schlachtete alles hin, was Neigung zu Judas offenbarte. 400 Als Judas die rasche Zunahme der Macht des Alkimus bemerkte und viele edle und gerechte Männer morden sah, streifte auch er durchs Land und machte die Anhänger [122] seines Gegners nieder. Alkimus aber sah nun wohl ein, dass er dem Judas nicht gewachsen war, und beschloss daher, sich zum Könige Demetrius zurückzuziehen. 401 Als er in Antiochia ankam, reizte er den König gegen Judas auf, indem er sich beklagte, dieser habe ihm schon viel Unheil zugefügt und werde ihm wohl noch mehr schaden, wenn er nicht zeitig festgenommen und bestraft würde. Zu diesem Zweck aber sei es notwendig, ein starkes Heer gegen ihn ins Feld zu schicken.

(4.) 402 Demetrius, der auch schon seinerseits überlegt hatte, eine wie grosse Gefahr des Judas zunehmende Macht für ihn sei, schickte seinen besten und vertrautesten Freund Nikanor, der auch mit ihm aus Rom geflohen war, ab, gab ihm ein Heer mit, das nach seiner Meinung zur Besiegung des Judas hinreichend war, und befahl ihm, niemand aus dem ganzen Volke zu verschonen. 403 Als Nikanor nach Jerusalem gekommen war, wollte er den Judas nicht sogleich offen angreifen, sondern dachte ihn durch List in seine Gewalt zu bekommen und liess ihm daher Frieden anbieten. Er sehe keinen Grund, liess er ihm mitteilen, weshalb sie miteinander kämpfen sollten, und sei bereit, ihm die eidliche Zusage zu geben, dass ihm nichts Schlimmes widerfahren würde. Denn er sei in Begleitung seiner Freunde nur gekommen, um ihnen zu verkündigen, wie der König Demetrius gegen ihr Volk gesinnt sei. 404 Diesen Versprechungen glaubten Judas und seine Brüder trauen zu dürfen, und da sie nicht im entferntesten an eine List dachten, liessen sie den Nikanor mit seinem Heere ein. Als dieser aber den Judas begrüsst hatte, gab er, während er sich mit ihm unterhielt, den Seinigen ein Zeichen, ihn zu ergreifen. 405 Judas jedoch hatte rechtzeitig die ihm drohende Gefahr erkannt, sprang auf und entkam zu den Seinigen. Als Nikanor seinen Anschlag vereitelt sah, beschloss er, offen mit Judas zu streiten. Er rüstete sich daher sogleich zum Kampfe, lieferte dem Judas bei dem Dorfe Kapharsalama eine Schlacht, besiegte [123] ihn und zwang ihn, nach Jerusalem in die Burg zu fliehen.

(5.) 406 Als er nun von der Burg aus sich zum Tempel begab, begegneten ihm einige Priester und Älteste, grüssten ihn und zeigten ihm die Opfer, die Gott für das Wohl des Königs dargebracht würden. Er aber stiess gotteslästerische Worte aus und drohte, wenn sie ihm den Judas nicht auslieferten, bei seiner Rückkehr den Tempel zu zerstören. 407 Alsdann verliess er Jerusalem; die Priester aber brachen aus Trauer über seine Drohung in Thränen aus und flehten zu Gott, er möge sie doch aus den Händen der Feinde befreien. 408 Nikanor also verliess Jerusalem und schlug bei dem Dorfe Bethoron, wo noch eine andere syrische Heeresabteilung zu ihm stiess, sein Lager auf. Judas dagegen lagerte sich mit seiner kaum tausend Mann zählenden Schar bei dem Dorfe Adasa, dreissig Stadien von Bethoron entfernt. 409 Hier ermunterte er die Seinigen, sich nicht durch die Überzahl der Feinde in Furcht jagen zu lassen, noch daran zu denken, mit wie vielen Feinden sie kämpfen müssten, sondern zu erwägen, wer sie selbst seien und was für sie auf dem Spiele stehe, und demgemäss wacker auf die Feinde einzudringen. Darauf führte er sie zur Schlacht, griff den Nikanor an und überwand nach heissem Kampfe seine Gegner, von denen viele umkamen. Zuletzt fiel auch Nikanor selbst nach heldenmütigem Ringen. 410 Nach seinem Tode hielt das Heer nicht länger stand, sondern warf, seines Führers beraubt, die Waffen weg und wandte sich zur Flucht. Judas verfolgte sie, richtete ein gewaltiges Blutbad unter ihnen an und liess den benachbarten Dörfern durch Trompeten Zeichen seinen Sieg bekannt geben. 411 Als die Bewohner diese Signale hörten, rückten sie in Wehr und Waffen aus, traten den Fliehenden entgegen und töteten sie Mann für Mann, sodass von den neuntausend an der Schlacht Beteiligten auch nicht einer entkam. 412 Diesen Sieg errang Judas am dreizehnten Tage des Monats, den die Juden Adar und die Macedonier Dystros nennen. [124] Alljährlich werden seitdem an jenem Tage Opfer dargebracht und der Tag aus Dankbarkeit für den Sieg festlich gefeiert. Das Volk der Juden aber genoss nun eine Zeitlang Ruhe und erfreute sich des Friedens, bis es dann wieder von neuem unter den Gefahren des Krieges zu leiden hatte.

(6.) 413 Als nun der Hohepriester Alkimus die Mauer des Tempels, welche schon alt und noch von den heiligen Propheten erbaut war, niederreissen wollte, traf ihn plötzlich die Hand Gottes, sodass er sprachlos zur Erde stürzte und nach mehrtägigen Qualen starb; vier Jahre lang war er Hohepriester gewesen. 414 Nach seinem Tode übertrug das Volk dem Judas die hohepriesterliche Würde. Da dieser vernahm, dass die zu grosser Macht gelangten Römer Galatien, Iberien und Karthago in Afrika erobert, Griechenland sich unterworfen und die Könige Perseus, Philippus und Antiochus den Grossen besiegt hätten, nahm er sich vor, mit ihnen ein Bündnis zu schliessen. 415 Er sandte daher seine Freunde Eupolemos, den Sohn des Joannes, und Jason, den Sohn des Eleazar, nach Rom und liess dort bitten, die Römer möchten Bundesgenossenschaft mit ihm schliessen und an Demetrius schreiben, dass er die Juden nicht weiter mit Krieg behellige. 416 Der römische Senat nahm die jüdischen Gesandten ehrenvoll auf, verhandelte mit ihnen in betreff ihres Auftrages und sagte die Bundesgenossenschaft zu. Von diesem Senatsbeschlusse wurde eine Abschrift nach Judaea geschickt, das Original aber auf eherne Tafeln eingraviert und im Kapitol niedergelegt. 417 Der Beschluss lautete folgendermassen: „Senatsbeschluss in betreff des Bündnisses und der Freundschaft mit dem Volke der Juden. Kein römischer Unterthan darf mit dem jüdischen Volke Krieg führen, noch andere, welche dies thun, mit Getreide, Schiffen oder Geld unterstützen. Werden die Juden angegriffen, so sollen die Römer ihnen jede mögliche Hilfe leisten, wie die Juden auch ihrerseits Hilfe zu leisten haben, wenn die Römer angegriffen werden. Will das jüdische Volk zu [125] diesem Vertrage Bestimmungen hinzusetzen oder solche davon streichen, so kann das nur mit Zustimmung des römischen Volkes geschehen. Die Zusätze sollen dann ebenso giltig sein wie der frühere Vertrag. 419 Unterzeichnet wurde dieser Senatsbeschluss jüdischerseits von Eupolemos, dem Sohne des Joannes, und von Jason, dem Sohne des Eleazar, unter dem Hohepriestertume des Judas und der Heerführerschaft seines Bruders Simon.“ Dies war das erste Mal, dass die Römer mit den Juden Bündnis und Freundschaft schlossen.

Elftes Kapitel.
Wie Bakchides wiederum gegen Judas zu Felde zog. Judas fällt nach heldenmütigem Kampfe.

(1.) 420 Als Demetrius von dem Tode Nikanors und der Niederlage seines Heeres Meldung erhielt, sandte er abermals den Bakchides an der Spitze eines Heeres nach Judaea. 421 Dieser brach von Antiochia auf und schlug, als er Judaea erreicht hatte, bei Arbela, einer Stadt Galilaeas, sein Lager auf. Hier hatten sich in den dort befindlichen Höhlen viele Juden verbarrikadiert, sodass er gezwungen war, sie förmlich zu belagern. Nachdem er sie dann gefangen genommen hatte, zog er in Eilmärschen nach Jerusalem. 422 Unterwegs erhielt er Kunde davon, dass Judas bei dem Dorfe Bethzetho lagere, und brach daher mit zwanzigtausend Fusssoldaten und zweitausend Reitern gegen ihn auf. Judas dagegen hatte nur tausend Mann zu seiner Verfügung. Als diese die Übermacht der Truppen des Bakchides sahen, entsetzten sie sich so, dass viele das Lager verliessen und nur achthundert zurückblieben. 423 Obgleich nun Judas von seinen eigenen Kriegern im Stich gelassen wurde, und ihm bei dem Drängen des Feindes keine Zeit zur Aushebung neuer Streitkräfte blieb, beabsichtigte er doch, mit den achthundert den Kampf gegen Bakchides aufzunehmen. 424 Er ermahnte daher die Seinen zu mutigem [126] Verhalten und hiess sie dann in Schlachtordnung aufmarschieren. Sie aber erklärten, es sei unmöglich, dass sie mit einer solchen Masse den Kampf wagen könnten, und baten ihn, für jetzt von seinem Plane abzustehen, auf ihre Rettung bedacht zu sein und später mit stärkeren Streitkräften den Feind anzugreifen. Judas jedoch entgegnete ihnen: „Das soll die Sonne nicht sehen, dass ich dem Feinde den Rücken zuwende. 425 Wäre mir auch bestimmt, im Kampfe zu fallen, so werde ich dennoch tapfer streiten und lieber meinem Untergang entgegen sehen, als durch schimpfliche Flucht meinen bisherigen Kriegsruhm beflecken.“ Mit solchen Worten feuerte er die ihm treugebliebenen Krieger an, der Gefahr zu trotzen und den Kampf zu wagen.

(2.) 426 Unterdessen hatte Bakchides seine Truppen aus dem Lager geführt und sie in Schlachtordnung so aufgestellt, dass die Reiterei die beiden Flügel einnahm und die Plänkler mit den Bogenschützen vor der eigentlichen Heeresmasse standen. 427 Er selbst befand sich auf dem rechten Flügel. In dieser Schlachtordnung liess er sein Heer gegen den Feind anrücken, hiess die Trompeter zum Angriff blasen und befahl den Seinigen, mit lautem Kriegsruf sich in die Schlacht zu stürzen. 428 Dasselbe that Judas, und so stiessen die Heere zusammen. Auf beiden Seiten wurde ausdauernd gekämpft, sodass sich die Schlacht bis Sonnenuntergang hinzog. Um diese Zeit merkte Judas, dass Bakchides sich mit dem Kern seines Heeres auf dem rechten Flügel befand, und drang sogleich mit den tapfersten seiner Leute nach dieser Seite hin vor, griff den Flügel an und brachte ihn zum Wanken. 429 In gewaltigem Ansturm trieb er die Gegner alsdann in die Flucht und verfolgte sie bis zum Berge Aza. Kaum aber hatten die Krieger des linken Flügels bemerkt, dass der rechte Flügel geworfen war, als sie dem Judas nachsetzten und ihn von rückwärts umzingelten. 430 Als dieser nun keine Möglichkeit zu entkommen sah, da er rings von Feinden umgeben war, schloss er sich mit den Seinigen fest zusammen und [127] focht unter Anspannnng aller Kräfte. So machte er noch eine Menge seiner Gegner nieder. 431 Endlich aber ermattete er und fiel, im Tode nicht minder ruhmvoll wie im Leben. Als Judas niedergemacht war, suchten die Seinigen ihr Heil in der Flucht, da sie ohne seine Führung alle Hoffnung aufgeben mussten. 432 Seine Brüder Simon und Jonathas liessen sich seinen Leichnam von den Feinden ausliefern, brachten ihn nach Modiim, wo ihres Vaters Grabstätte war, und bestatteten ihn daselbst. Das Volk betrauerte ihn viele Tage lang und erwies ihm die üblichen Ehrenbezeugungen. 433 So schied Judas, der heldenhafte Kriegsmann, aus dem Leben, der den Geboten seines Vaters Mattathias treugeblieben und bereit war, für die Freiheit seiner Volksgenossen alles zu thun und alles zu leiden. 434 Durch seine Tapferkeit befreite er sein Volk aus der macedonischen Knechtschaft und erwarb sich dadurch hohen Ruhm und ein ewiges Andenken. Bei seinem Ableben war er drei Jahre lang Hohepriester gewesen.


  1. Im Texte lautet das Wortspiel: Ζῆνα (nichtattischer Akkusativ von Ζεῦς) καλοῦντες ἀπὸ τοῦ ἐμφύειν τὸ ζῆν.
  2. Eine Amphora = etwa 26 Liter.
  3. Nach der Zahl der Uebersetzer heisst die Uebersetzung die „Septuaginta“.
  4. Bei den Leibesübungen in den Gymnasien (Turnschulen) zum Einreiben der Glieder.
  5. Vergl. Jüd. Krieg VII, 5, 2.
  6. Arion war leibeigener Sklave, und darum ein solches Verfahren selbst im Auslande gegen ihn zulässig.
  7. Jüd. Krieg I, 1.
  8. Die im Jahre 312 vor Christi Geburt ihren Anfang nahm.
  9. Die Rechnung nach Olympiaden (Zeiträumen von 4 Jahren) begann im Jahre 776 vor Christi Geburt.
  10. Gemeint sind die Ionischen Inseln.
  11. Vergl. Anmerkung zu V, 1, 22.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Veraltet für 'Gesindel'. Menschen übereinstimmender Art oder Sippe; mit verächtlichem Sinn.
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Buch XIII »
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