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Gemein-Nachrichten - Beylagen 1774,3: No. VI

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No. V.) Beylage zur 20. Woche 1774 Gemein-Nachrichten - Beylagen 1774,3 (1774) von Herrnhuter Brüdergemeine (Hrsg.)
No. VI.) Beylage zur 26. Woche 1774
No. VII.) Beylage zur 28. Woche 1774
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[573]
No VI.)
Beÿlage zur 26ten Woche 1774
enthaltend folgende
Auszüge aus eingelaufenen Nachrichten
I Lebensläufe

1.) Der in Amsterdam am 9tn Sept. 1773 heimgegangene verheÿrathete Bruder Pieter Arnoe. Aus seinem eigenhändigen Aufsatz ist folgendes zu ersehen: Er war am 3tn April 1713 in Amsterdam geboren. Seine Eltern, welche aus Frankreich vertrieben worden, kannten den Heiland nicht; waren aber in ihrer Religion sehr gesezlich u. eifrig. Sonderlich war sein Vater ein ungemein ernsthafter Mann, der seinen Kindern die Hitze der Hölle fleißig u. lebhaft vorstellte; doch dieses war nicht vermögend unsern seligen Bruder im Zaum zu halten; sondern er gerieth in die ärgsten Ausschweiffungen u. dadurch gar oft in Lebens-Gefahr. Manchmal wurde er dabey so unruhig, als läge er schon in der Hölle; es währte aber nicht lange, so machte er es wieder ärger als zuvor. 1731 begab er sich in Landes-Dienste auf ein Kriegs Schiff, auf welchem er bey Gelegenheit [574] eines erschrecklichen Sturms, wodurch viele Schiffe vor seinen Augen zu Grunde giengen, in die äußerste Herzens-Angst gerieth, sonderlich bey der Erinnerung an die Worte seines verstorbenen Vaters: Der Sand am Meer kan einmal alle werden u. ein Ende haben, wenn ein Vögelgen alle Jahr ein Körngen davon wegträgt; aber so ist es nicht mit den ewigen Höllenstrafen, die haben nie ein Ende. Diese Angst währte fort, bis er wieder nach Hause kam, in welcher Zeit er überhaupt viele quälende Vorstellungen vom Teufel u. von der Hölle hatte. 1735 heyrathete er die nunmehrige Wittwe Dirkje van Berlam, welche ihm 9 Kinder geboren hat, wovon noch eine Tochter in der Gemeine ist. Um diese Zeit befliß er sich fromm zu werden u. hielt so gar geistliche Versamlungen, wodurch er sich bey vielen Leuten großen Ruhm erwarb. 1738 fing seine Bekantschaft mit den Brüdern an, sonderlich mit dem seligen Bruder Leonhard. 1742 konte ihm der Heiland das erste mal ans Herz kommen u. er ward dadurch wahrhaftig verlegen um seine Seligkeit. In demselben Jahr gerieth ein mal in der Nacht [575] sein Bett in Brand, da seine Frau eben träumte, daß jemand zu ihr sagte: Wenn du so fortlebst, so kommst du gewiß in die Hölle. In dem Augenblick fühlte sie die Hitze des Feuers u. schrie noch halb schlafend: Ach! Gott, was ists böse in der Hölle. „Das gab unserm seligen Bruder einen tiefen Eindruck. Dazu kam, daß er, um eben die Zeit, fast alle das Seinige, theils durch Diebe, theils durch Motten verlor, wodurch seine Unruhe u. Angst vermehret wurde; weil er solches, als einen Beweis von Gottes Zorn über ihn, anmerckte. Das Jahr 1743 wurde ihm, durch seine eigene Gerechtigkeit, zu einer besonders schweren Zeit. Bald wolte er mit Gewalt sich selbst fromm machen, bald wolte er sich todt hungern, um sich selbst für seine Sünden zu strafen. So ging er eine Weile ganz verzweifelt herum, u. niemand konte ihn ohne Mitleiden ansehen. Es wurde auch nicht anders mit ihm, bis er von den Brüdern wieder auf gesucht ward, u. in eine ihrer Versamlungen kam, die eben unser lieber Bruder Joseph hielt, deßen Zeugniß von Jesu vollgültigem Verdienst [576] ihm das Herz nahm u. die Gelegenheit war, daß er die Kraft der Versöhnung des Heilands schmeckte.“ Soweit aus seinem eigenen Aufsatz.

Einige Zeit nachher kam er in unsere Gemeinschaft u. gelangte zu den Gemein-Gnaden. Seine Frau, welche auch erweckt u. vom Heiland zu Gnaden angenommen worden war, wurde eben dieses Glückes theil haftig. Er blieb aber nicht treu; sondern ließ sich wieder mit allerley schlechten Dingen ein, in welcher Zeit seine Frau viel bey ihm auszustehen hatte. Indeßen verfolgte ihn der treue Sünderfreund mit Liebe u. ruhete nicht, bis er dieses verirrte Schaaf wieder zu seiner Heerde bringen konte. 1758 wurde er absolvirt u. zum Heiligen Abendmahl readmittirt. Seit dem ist er seinen Gang so fort gegangen, daß man, mancher unangenehmen Abwechselungen u. Vorfälle ohngeachtet, doch immer Ursache behielt, dem lieben Heiland dafür zu dancken, daß er nicht wieder ganz von ihm u. Seinem Volck abkam. Er hatte eine ungemein hitzige u. auffahrende Art u. ließ sich sonderlich in Absicht auf seine äußern Umstände, nicht [577] gern viel sagen. Das machte, daß man seine unverstandige Handelweise in seiner Cattundruckerey u. dem immermehr zu nehmenden Verfall der selben mit Geduld ansehen muste; wie wohl nicht ohne großen Kummer u. Verlegenheit. Es wurde damit immer ärger, bis ihm endlich im lezten Jahre seines Lebens die Augen aufgingen. Deßen bediente sich der heilige Geist, eine besondre Arbeit in seinem Herzen vorzunehmen u. ihn zu einem seligen Heimgang zu zubereiten. Er wurde wie ein Kind, bekante seine Vergehungen gern u. von selbst, ließ sich aber auch rathen u. genoß einen solchen Trost u. Seligkeit, als er noch nicht geschmeckt hatte, so daß wir uns herzlich über ihn freuen konten u. über alles vorige Leyd reichlich getröstet wurden. In diesem seligen Gang blieb er, bis er sich zu Anfang Sept. 1773 kranck legen muste. Er bezeigte ein Verlangen bey dem Herrn daheime zu seyn. Am 8tn Sept. sagte er noch zu seinem Arbeiter: Ich habe einen großen Schuldenberg vor mir; aber ich darf nicht darauf sehen; sondern ich höre auf allen Seiten eine [578] Stimme, die ruft : Wir sind versöhnt! Tags darauf verschied er selig in einem Alter von 60 Jahren.

2.) Die in Fullneck am 12tn Nov. 1773 heimgegangene ledige Schwester Hanna Mercer hat folgende Nachricht von ihrem Gang durch diese Zeit hinterlaßen: „Ich bin am 14tn Nov. 1752 zu Hopton im Kirchspiel von Mirfild geboren, u. in der Englischen Kirche getauft worden. Meine Mutter welche mit den Brüdern in Bekantschaft stund, brachte mich, so bald ich etwas verstehen konte, in ihre Versamlungen, wo ich ein mal einen besondern lebhaften Eindruck vom Heiland in Seiner Todes-Gestalt bekam. Ich gieng zu meinem wahren Segen, in die Kinder-Schule welche die Schwestern zu Mirfield hielten. Was ich von der Gemeine hörte u. u. sah, erregte in mir ein großes Verlangen bey derselben zu seyn, welches sich jedoch u. zugleich auch die kindliche Freude am Heiland nach u. nach verlor; da mir bey zunehmenden Jahren andere Dinge zu gefallen anfingen. Der Heiland aber ging mir treulich nach u. ließ sich endlich in einer Chor-Versamlung in Fullneck [579] meinem Herzen so kräftig fühlen, daß ich mich ganz aufs neue völlig Seiner Leitung ergab. Am 17tn Oct. 1767 kam ich auf erhaltene Erlaubniß in das Chor-Haus nach Fullneck. Als mir hier der heilige Geist mein tiefes Verderben mehr aufzudecken suchte, welches ich viel lieber vor mir selbst u. vor andern verborgen hätte, so gerieth ich in große Bekümmerniß, bis ich lernnte mich als eine arme Sünderinn mit alle meinem Elende zum Heilande zu wenden. Am 30tn Jan. 1769 ward ich in die Gemeine aufgenommen. Ich ward gewahr, daß es mir noch an dem völligen Genuß der Gnade im Blute Jesu fehlte, deßen Er mich auch, auf mein Bitten u. Flehen, gar bald theilhaftig werden ließ. In demselben Jahr kam ich in das ledige Schwestern Chor. Am 16tn Jan. 1770 gelangte ich zum heiligen Abendmahl. Von da an ging ich meinen Gang selig fort u. konte mich, bey allem Gefühl meines Elends, an das Verdienst des Heilands halten. Der selige Heimgang meiner Mutter im Jul. 1770 erregte in mir ein Verlangen, auch bald zum lieben Heiland [580] zu gehen; ich ward aber dabey gewahr daß Er Seinen Zweck mit mir noch nicht erreicht hätte u. ich in Seiner Erkentniß u. Liebe u. dem kindlichen Vertrauen zu Ihm noch mehr zu nehmen müste. Besonders war mir der lezte Besuch der lieben Brüder Heinrich u. Latrobe eine gesegnete Gelegenheit, mein Zurückbleiben in vielen Stücken, insonderheit aber in der Liebe u. Anhänglichkeit an den Heiland, mit vielen Sünderthränen zuerkennen, wobey ich zugleich über dem innigen Gefühl der Liebe u. Treue meines Herrn, mit mit Danck u. Schaam erfüllet wurde. Alle Gnade u. Wohlthaten, die Er mir seinem ärmsten Kinde erwiesen hat, beugen mich vor Ihm in den Staub. Möchte Er nur Seinen ganzen Zweck mit mir erreichen!“ So weit die selige Schwester. Man konte deutlich an ihr wahrnehmen, daß sie, als eine arme Sünderinn, mit gläubigem Vertrauen am Heiland hieng. Schon einige Jahre her war sie schwächlich u. im Jun. 1773 bezog sie die Kranckenstube, konte aber doch noch ihre Schwestern besuchen u. in die Versamlungen gehen. Ihr lezter [581] Ausgang war am 4tn Sept. zu der Comunion ihres Chors. Seit dem verbrachte sie ihre Zeit in kindlichem Umgang mit dem Heiland u. in sehnlichem Verlangen, bald zu Ihm heim zu kommen, welches an obbemeldtem Tage seliglig erfüllet wurde, im 21tn Jahr ihres Alters.

3.) Die in Bristol am 10tn Dec. 1773 heimgegangene ledige Schwester Margaretha Owen war am 15tn Aug. 1749 in Carmartenshire in Sout Walis geboren. Ihre Eltern giengen aus der Zeit, da sie noch jung war u. sie kam nach Bristol in Dienste; da sie verschiedene mal im Dienst ihrer Frau zu Geschwister Walthers kam, so glaubte sie an ihnen etwas zu bemercken, daß sie bey andern Leuten nicht fand. Sie kam auf ihr Ansuchen bey ihnen in Dienste u. ward auf die Weise mit den Brüdern bekannt. Von ihrer zartesten Jugend an hatte sie Gnaden-Züge an ihrem Herzen gespürt, wie wohl sie dieselben damals nicht verstund, als sie aber zu mehren Jahren kam, offenbarte sich ihr die Treue ihres Erlösers, mit welcher Er ihrer Seele nachging, deutlicher. Auf wiederholtes Bitten kam sie am 28tn Merz 1769 ein hiesiges Chorhaus [582] der ledigen Schwestern u. am 27tn Merz 1770 ward sie in die Gemeine aufgenommen. Der 13tn Aug. deßelben Jahrs war der Tag, da ihr die Erlösung durch Jesu Blut im Herzen versiegelt wurde. Der Sünderfreund gab ihr einen solchen Eindruck von Seiner Liebe daß sie oft sagte: Ach! könte ich nur jezt zu meinem lieben Heiland gehen, so würde ich selig u. außer aller Gefahr seyn. In dieser Herzens-stellung, blieb sie einige Zeit. Da ihr aber nachmals ihr natürliches Verderben offenbar wurde, u. sie sich nicht als eine Sünderinn zum Heiland wendete; sondern sich auch dabey mit urtheilen über andere einließ, so gerieth sie in einen so mißvergnügten u. trüben Zustand, daß es denen die um sie waren, schmerzlich anzusehen war. Dieses dauerte bey 2 Jahre; bis sie endlich aller ihrer eigenen Wercke u. Bemühungen[WS 1] müde, sich zu ihrem mitleidigen Hohenpriester u. Heiland wandte, der ihr alle ihre Untreuen vergab. Nun liebte sie Ihn u. war als eine Sünderin selig. Am 21tn Merz 1773 ward sie zum ersten mal des heiligen Abendmahls theilhaftig. Um diese Zeit [583] bekam sie verschiedene bedenckliche Zufälle, die in eine Auszehrung ausschlugen. Den Sommer verbrachte sie mit Vergnügen bey den Schwestern in Kingswood. Es schien auch, als besserte sie sich, doch nahm ihre Kranckheit wieder zu, da sie dann hieher ins Chorhaus zurück u. am 10tn Nov. auf die Kranckenstube kam. Sie verbrachte ihre übrigen Tage selig im Umgang mit dem Heiland u. bezeugte mit Thränen, daß sie alle Zeit für verloren achte, da sie mehr auf andere, als auf sich selbst gesehen hätte, Ein mal sagte sie: O wie gnädig ist mein lieber Heiland gegen mich Sein armes Kind; aber ach! wie viel Kumer u. Schmerz habe ich Ihm gemacht, ich bin ein wenig ängstlich, wenn ich daran dencke, daß ich vor Ihm werde erröthen müßen, weil ich nicht mehr zur Freude Seines Herzens gelebt habe. Der Heiland tröstete sie auch in dieser, wie in aller übrigen Absicht u. gab ihr eine solche Versicherung Seiner Liebe, daß sie sich sehnte abzuscheiden u. bey Ihm daheime zu seyn. Am 28tn Nov. wolte sie, wie wohl sie sehr schwach war, das heilige Abendmahl [584] mit der Gemeine in der Capelle genießen, u. sagte: ich werde jezt zum lezten mal die liebe Gemeine beysammen sehen; darum wünsche ich da zu seyn, ich habe den Heiland gebeten, mich dazu zu stärcken u. Er hat es mir versprochen; ich kan in Wahrheit sagen, daß Er mir alles schenckt, was ich von Ihm bitte. Als sie von der Capelle zurück kam, so war sie voller Freude u. Danckbarkeit gegen den Heiland. Ihr Verlangen, zu Ihm heim zugehen, nahm nun mehr täglich zu. Dieses geschah an vorbemeldtem Tage, nachdem sie noch kurz vorher bezeugt hatte, wie nahe sie den Heiland fühle. Ihr Alter war 24 Jahr u. 4 Monate.

4.) Der in Gnadenberg am 5 8tn Jan. 1774 selig verschiedene ledige Bruder Andreas Benzen hat folgende Nachricht von seinem Lebenslauf schriftlich hinterlaßen: „Ich bin am 17tn Jan. 1713 zu Coppenhagen geboren. Mein Vater, ein Becker daselbst, verkaufte im Jahr 1717 sein Haus, kaufte ein Schiff u. wollte in dem damaligen Kriege, zwischen Dännemarck u. Schweden, sein Glück durch die Kornhandlung machen; allein es kam ein Sturm, so daß [585] mein Vater, zur genauen Noth, mit seinem Schiff sich an der Schwedischen Küste retten konte, woselbst er, als ein Gefangener, 2 Jahre bleiben muste. Da es nun meiner Mutter schwer war mich u. meine Geschwister zu versorgen, so nahm mich mein Vetter zu sich, bey dem ich aber schlecht erzogen u. sehr hart gehalten wurde, welches bey mir eine Blödigkeit verursachte, davon ich in meiner übrigen Lebenszeit immer etwas behalten habe. Nachdem mein Vater aus der Gefangenschaft entlaßen worden war, kam ich wieder zu meinen Eltern die mich mit vieler Sorgfalt u. in der Furcht Gottes erzogen. Ich las viel in der Bibel u. der Umgang der Patriarchen mit Sorgfalt dem lieben Gott, war mir besonders ein drücklich. Auch hatte ich an Weÿnachten u. in der Passions-Zeit manche Rührungen an meinem Herzen, 1726 kam ich in die Lehre zu zu einem frommen Meister, der sich täglich eine besondere Stunde zum Beten nahm, u. so lebte, daß ich große Achtung vor ihm hatte. Doch fieng sich nun auch mein Verderben an zu regen [586] u. ich ward zu manchen Ausschweiffungen verleitet. Als ich aber einsmal mein Bein zerbrach, so kam ich darüber zum Nachdencken. Ich versprach dem lieben Gott mein Leben zu beßern, u. brachte es auch, durch eigne Bemühung so weit, daß ich für tugendhaft gehalten wurde. 1732 ging mein Vater aus der Zeit; da ich dann nicht anders konte, als meine Mutter, bey der Erziehung meiner jüngern Geschwister, nach Vermögen zu unterstützen. Um diese Zeit ward ich über meinen bisherigen Gang unruhig u. der Geist Gottes fieng an, an meinem Herzen zu arbeiten. Ich hörte zu eben der Zeit viele Schmähungen u. Verläumdungen der Pietisten u. besonders des Pastor Ewalds; welches mich veranlaßete, in seine Predigten zu gehen. Sobald ich ihn hörte, so wurde mein Herz vom Heiland kräftig angefaßt. Ich ging aber noch einige Jahre unter vielen Abwechselungen so fort, in dem die Lust zur Welt u. die Unruhe meines Herzens, darüber immer mit einander stritten, welches mich oft sehr niedergeschlagen machte. [587] Als ich einstmals so bekümmert aus ging, so hörte ich, auf der Straße ein paar Leute mit einander von ihrem Herzenszustand reden, von welchen der Eine dem Andern rieth, eben so auf den gekreuzigten Heiland hin zu blicken, wie die Israeliten auf die eherne Schlange Mosis. Diese Geschichte schlug ich mir zu Hause in der Bibel auf, u. ich sah gleich ein, daß ich in einem eben so jämmerlichen Zustand wäre, als die gebißenen Israeliten. Da ich nun über mich seufzete, so trat der liebe Heiland in Seiner Creuz-Gestalt vor mein Herz u. Gemüth u. es wurde mir zugleich aus gemacht, daß ich Ihn so anschauen solte; u. als ich dieses that, ward mein Herz leicht u. ich war wie neu geboren. Jedoch nach einigen Wochen, machte mich mein Elend wieder muthlos. Da ich bey den erweckten Seelen, zu denen ich mich bisher gehalten hatte, verschiedene anstößige Dinge wahr nahm, gedachte ich mich derselben ferner zu enthalten. Jedoch änderte ich diesen Vorsatz, da zu eben der Zeit Brüder von Herrnhut kamen. Der [588] Heiland that mir die Gnade, daß Er mein Herz u. Ohr öfnete, u. alles, was die Brüder redeten, das wurde mir im Herzen als Wahrheit ausgemacht u. war mir lieb zu hören, Diese erste Bekantschaft mit den Brüdern, war etwan im Oct. 1739 u. seit dem haben sie mich mit vieler Langmuth, Liebe u. Geduld getragen, u. wenn ich im Glauben schwach worden, so bin ich immer wieder getröstet u. aufgerichtet worden.

Nach einigen Jahren bekam ich in meinem Herzen eine Anforderung zur Gemeine zu gehen. Die Brüder riethen mir es ab, ich konte aber, bey den Gedancken in Coppenhagen zu seyn, nicht ruhig seyn. 1744 am 8tn July des Morgens, kam ein Bruder zu mir u. fragte: Ob ich zur Gemeine gehen wolte, er würde gehen, u. habe auch schon ein Schiff gedungen. Ich wurde ganz bestürzt, nahm die Loosungen u. bekam, im Aufschlagen, gerade die deßelbigen Tages: Dis ist der Weg denselben gehet, sonst weder zur Rechten noch zur Lincken. Dieses bewog mich zu gehen, u. am [589] 15tn Aug. kam ich in Marienborn u. noch denselbigen Tag in Herrnhaag an. In der Abend-Versammlung wurde über den Vers geredet: Ich bin Dein Geschöpfe, ich steh u. weine u. bin doch ein mal in der Gemeine. Dieses ist mir nicht nur damals, sondern auch seit dem, wenn Umstände vor gekommen, wo ich gedacht, es würde nicht mit mir gehen, immer zu meinem Trost ein gedruckt geblieben. Am 8tn Nov. deßelben Jahrs wurde ich, zu meiner herzlichen Freude, nebst meinen 7 Reise-Gefährten in die Gemeine aufgenommen u. am 13tn Aug. 1745 gelangte ich zum heiligen Abendmahl. 1746 kam ich zur Pilgergemeine nach Marienborn, woselbst mir aufgetragen wurde, nach Lindheim in die Anstalt zu den Kindern zu kommen. Ich fand mich sehr ungeschickt dazu u. glaubte, ich würde nicht 14 Tage bey denselben seyn können. Allein der liebe Heiland hatte mich aus Gnaden dazu aus ersehen u. ich bin seit 1746 /: nur etwa ein Jahr dazwischen ausgenommen :/ beständig am Dienst bey den Kinder-Anstalten in der [590] Wetterau; in Barby, in Niesky in Hennersdorf u. in Gnadenberg gewesen. 1756 wurde ich in Herrnhut zur Acoluthie angenommen. Ich versprach dem Heiland am Dienste Seiner Unmündigen treu zu seyn u. Er hat mir auch Gnade dazu verliehen. Nun dancke ich meinem lieben HErrn für alle Wohlthaten, die Er mir Armen erzeigt hat. Er hat mich in meinem Geschäfte gestärckt, u. in meinem Alter unterstüzt, u. nun bitte ich mir nichts mehr von Ihm aus, als an Seinen Wunden selig auszuruhen.“ . . . So weit des seligen Bruders eigenhändige Nachricht. – Sein Wandel unter uns zeigte von einem an dem Heiland hangenden u. Ihm ganz ergebenem Herzen. Er dachte klein u. gering von sich, liebte seine Brüder u. war nicht ruhig, wenn er darinn eine Störung bemerckte. Er wurde als ein treuer Gehülfe im Chor, mit Segen gebraucht. In seinem Amte bey Kindern, welches er beynahe 27 Jahr lang bedient hat, ist er als ein treuer Diener Jesu bekennt. Der Heiland hat ihn auch, wenn es [591] ihm, bey zu nehmendem Alter etwas schwer werden wollte, so getröstet u. gestärckt, daß er seinen Dienst, bis wenige Tage vor seinem Ende, auf eine recht liebliche u. erbauliche Weise, besonders bey den kleinen Kindern, verrichten konte. Sein Verlangen beym HErrn daheim zuseÿn welches er in der lezten Zeit gar oft geäußert hat, wurde in seiner lezten Kranckheit, die sich am 28tn Dec. 1773 anfing, gar sehr vermehrt. Er verbrachte seine Zeit im kindlichen Umgang mit dem lieben Heiland. Noch wenige Stunden, vor seinem Ende, sang er laut, mit gefaltenen Händen: Ach! laß nur meine Seele nie aus Deinen treuen Armen p. u. so entschlief er am 8tn Jan. 1774 sanft u. selig, in einem Alter von 61 Jahren weniger 10 Tage.

5.) Die in Ebersdorf am 9tn Jan. 1774 heimgegangene ledige Schwester Ulrica Johanna Ackeleÿ war am 23tn Jan. 1709 geboren, auf einem Land Guthe bey Christiania in Norwegen, all wo ihr Herr Vater in Königlich Dänischen Diensten als Major, bey der Infanterie [592] stund. Sie war von Jugend auf unruhig u. von einer bedencklichen Gemüths-Art. Als sie zu mehrern Jahren kam, so wurde sie sehr bekümmert, um das Heil ihrer Seele. Sie begab sich des wegen auch bald aus ihres Vaters Haus u. zu frommen Leuten u. suchte so wohl im Lesen geistlicher Bücher als im Umgang redlicher Pfarrer u. anderer erweckten Seelen, Ruhe für ihr Herz zu finden. Da sie aber auf eine gesezliche Weise, ein heiliges Leben zu führen angewiesen wurde, kam sie noch mehr in ein eigenes Würcken u. in ein ängstliches Wesen. Endlich fügte es der Heiland, daß sie nach Gothenburg zu einer frommen Dame kam, die den Heiland von Herzen lieb hatte. Sie wurde daselbst mit Geschwistern bekannt. Das Evangelium von der Versöhnung u. daß ein jeder so, wie er ist, mit alle seinem Elend zum Heiland kommen dürfe, kam ihrem bekümmerten Herzen recht zustatten. Es war ihr auch gleich ausgemacht, daß sie zu dem Brüder Volck gehöre. 1744 reiste sie mit ihrer Herrschaft [593] nach Hamburg. Wiewohl nun ihre liebe Frau sie inständig bat, bey ihr zu bleiben, so beharrete sie doch in ihrem gefaßten Vorsatz zur Gemeine zu gehen u. kam am 28tn May desgedachten Jahrs in Gesellschaft der jezigen Schwester Ostergreeninn in Herrnhut an, wo sie bald Erlaubniß zum Bleiben erhielt. Ihr ganzes Herz war auf den Heiland gerichtet, u. ihr Anliegen war als eine arme Sünderinn Gnade durch sein Blut zu finden. Er offenbarte sich auch bald ihrem Herzen u. schenckte ihr den Glauben an Sein Verdienst. Von da an hielt sie sich mit alle ihrem Elend u. Verderben, welches sie von Zeit zu Zeit immer mehr kennen[WS 2] lernnte, kindlich u. zuversichtlich an den Heiland. Am ersten Febr. 1745 ward sie in die Gemeine aufgenommen u. am 1tn Jan. 1746 zum ersten mal mit derselben des heiligen Abendmahls theilhaftig. Im Schwesternhause zu Herrnhuth richtete sie die Schneiderey ein. Sie war zu eben dem Zweck, einige Monate in Gnadenberg u. kam in gleicher Absicht im Jahr 1748 nach Ebersdorf [594] Sie wurde daselbst Stubenaufseherin[WS 3] u. Mitarbeiterinn in ihrem Chor, der liebe Heiland bekante sich zu aller ihrer innern u. äußern Arbeit u. ihr 26 jähriger Aufenthalt in dieser Gemeine, war allen die mit ihr zuthun hatten, zum wahren Segen. Sie that herzliche Fürbitte für das ganze Volck des Heilands u. insonderheit für Seine Diener unter Christen u. Heiden; Ueber jede Nachricht von der Ausbreitung des Reiches, freuete sie sich aus nehmend, so wie sie sich hingegen von Herzen betrübte, wenn sie hörte, daß in der Gemeine etwas vorkäme das dem Sinne des Heilandes zuwider u. Ihm zur Schmach wäre. Sie liebte alle Menschen u. wünschte, daß sie alle der Seligkeit theilhaftig würden, daher sie auch jedermann mit dem sie Gelegenheit um zu gehen hatte, die Liebe des Sünderfreundes, nach ihrer treuherzigen u. einfältigen Art, anprieß. Sie war, bey ihrem langen Aufenthalt in Ebersdorf, in der Gegend umher, sehr bekannt worden; Auch natürliche Leute hatten Liebe u. grosses [595] Vertrauen zu ihr u. bedienten sich gerne ihres Raths. In ihrem Herzens-Gange war sie treu u. hielt sich, als eine arme Sünderinn, mit kindlicher Zuversicht, an den Heiland. Seit etlichen Jahren nahmen ihre Kräfte sehr mercklich ab, u. sie sehnte sich von Herzen, bey dem Herrn daheime zu seyn. Am 27tn Nov.–73 war sie zum lezten mal auf dem Saal beym heiligen Abendmahl. Gleich darauf muste sie sich kranck nieder legen, u. es war ihr gewiß, daß sie nicht wieder auf kommen würde. Bey den heftigen Schmerzen, die sie in den lezten Tagen bekam, tröstete sie sich mit den Schmerzen des Heilands u. ihre Schlaflosen Nächte verbrachte sie meistentheils in Unterredung mit Ihm. Am 8tn Jan. 1774 wurde sie zu ihrer Freude gewahr, daß ihr seliges Ende heran nahete, welches auch am Abend des folgenden Tages erfolgte, in ihrem 65tn Jahr. Sie war sich dabey ganz gegenwärtig u. hatte noch zuvor gebeten, daß man ihr singen möchte u. selbst in den Gesang eingestimmt: O wie wirds [596] so wohl thun an Jesu Wunden . . . sanft aus zuruhn.

6.) Das in Niesky am 12tn Jan. 1774 heimgegangene Knäblein Joh. Friedrich Sohlinger war am 19tn Aprill 1764 in Ebersdorf geboren. Es war ein besonderes munteres Kind, das allen Geschwistern, die mit ihm zuthun hatten, viel Vergnügen machte. In seinem 2tn Jahr kam er von Ebersdorf, nach einem 10 Wöchigen Aufenthalt in Herrnhut, mit seinen Eltern nach Niesky. Dieselben liessen ihn bald in der damaligen Orts-Knäbgen-Anstalt, im Brüderhause, den Tag über die Schule besuchen. Der Aufenthalt unter seinen Gespielen war ihm sehr angenehm u. in dem, was er zu lernen hatte, war er auch fleissig; Auch nahm[WS 4] man schon damals eine Arbeit des heiligen Geistes an seinem Herzen wahr. Als aus dieser Anstalt im Jahr 1769 der kleine Sedin heim ging, den er unter seinen übrigen Gespielen besonders lieb hatte, so bezeugte er, mit einiger Furcht, daß nun wohl auch an ihn die Reyhe [597] kommen u. er seinem Freunde /: wie er ihn selbst nennte :/ folgen würde u. wie wol ihm dieser Gedancke damals nicht angenehm war, so äusserte er dieses dennoch öfters, besonders wenn er mit den andern Kindern auf dem Gottes Acker spazieren gieng u. fügte hinzu: Er werde wol noch ein mal sein Pläzgen neben dem kleinen Sedin bekommen, welches nun auch eingetroffen ist. Uebrigens war er bey seiner muntern u. flüchtigen Gemüths-Art, die zu manchem Versehen Gelegenheit gab, ein gehorsames Kind, daß sich bald wieder bedeuten ließ. Es that ihm schmerzlich wehe, als die Orts-Knäbgen-Anstalt nach Herrnhut versezt wurde. Desto mehr aber freuete er sich, da im Jan. 1771 die Kinder-Anstalt von Herrnhut wiederum nach Niesky ins Paedagogium zog, wo er so wol in den Lectionen, als außer denselben den Tag über, wie er sichs wünschte, die Zeit verbringen konte. Am 1tn Febr. deßelben Jahrs merckte man ganz unvermuthet [598] eine deutliche Veränderung seines bisherigen Herzens-Ganges. Am Abend deßelben Tages, ging er in seiner Eltern Hause, in tiefem Nachdencken in der Stube herum, kniete endlich nieder u. vergoß häufige Thränen. Darauf kam er zu seinen Eltern u. klagte, daß er fühle, wie wenig er bis her den Heiland geliebet u. viel mehr ihn oft recht sehr betrübet habe u. daß er in diesem Zustande, da er den Heiland. nicht kenne u. nicht Vergebung seiner Sünden habe, verloren sey. Dabey bediente er sich solcher Ausdrücke, die man von einem 7 jährigen Kinde nicht vermuthete, die aber deutlich zu erkennen gaben, daß Er um die Gnade des Heilands von Herzen verlegen war. Seine Eltern wiesen ihn zum Sünderfreund der gewiß sein armes Herz so schlecht es sey, doch nicht verschmähen werde. Er redete dann nochmals unter vielen Thränen, mit dem lieben Heiland aus, kam hernach wieder zu seinen Eltern u. sagte: Nun fühle ich die Vergebung des Heilandes in meinem Herzen, ich habe [599] Ihn nun kennen gelernt u. habe Ihn herzlich lieb u. will von nun an sein Eigenthum seyn u. bleiben. Er bat seinen Eltern u. andern Geschwistern, die ihn zu besuchen pflegten, mit großer Zärtlichkeit, alles ab, womit er ihnen bis her Betrübniß verursacht habe u. versprach aufs neue, mit Hülfe des Heilands, ein folgsames Kind zu seyn. Seine Mamma bat er, ihm verschiedene Verse, unter andern: Ach mein Herr Jesu wenn ich dich nicht hätte p. Ich wüste nicht wo ich vor Jammer bliebe p. Vor zusingen, u. ihm einige Sprüche aus der Bibel vor zu lesen, die auf seine gegenwärtige Herzensstellung paßeten. Verschiedene Stellen aus dem neuen Testament, die ihm gelesen wurden, gefielen ihm sehr wohl; schienen ihm aber doch nicht ganz mit seiner Herzensstellung überein zu kommen. Als man ihm aber aus dem 51tn Psalm las: Die Opfer die Gott gefallen sind ein geängsteter Geist, ein geängstetes u. zerschlagenes Herz, wirst du o Gott nicht verachten, so sagte er: Das paßt auf mich; also wird der Heiland auch mein Herz nicht verachten. Von [600] da an war er außerordentlich vergnügt u. bezeugte verschiedene mal; Er fühle jezo eine solche Liebe zum Heiland, daß er am liebsten gleich zu Ihm heimgehen möchte; damit er ewig sicher wäre, nie wieder von Ihm abzukommen. Er behauptete auch von der Zeit an, der Heiland werde ihn nicht gar lange hienieden laßen. Dieser ganze Vorgang machte seinen Eltern einen tiefen Eindruck u. wird ihnen in unvergeßlichem Andencken bleiben. Man sah ihn seit dem öfters mit dem Heiland alleine reden u. Ihm unter vielen Thränen, sein Anliegen ans Herz legen. Am 1tn Febr. 1772 erinnerte er sich mit inniger Freude, an das was der Heiland an dem Tage vor einem Jahr an ihm gethan hatte, brachte es auch seinen Eltern ins Andencken u. sezte hinzu: Die Nachricht davon solte einmal in seinen Lebenslauf kommen. Als ihm seine Eltern am 1tn Jan. 1773 ein seliges Neujahr wünschten, sagte er zuversichtlich: Dieses Jahr werden die Blattern kommen u. bey der Gelegenheit werde ich zum Heiland gehen. Es war damals nicht der geringste [601] Anschein dazu u. wie wohl er im Sommer – '73 eine schmerzliche Kranckheit bekam, so erholte er sich doch völlig wieder. Seine ungemeine Fähigkeit, sein Fleiß u. seine Aufmercksamkeit war den Brüdern, die ihm Unterricht ertheilten, zu besonderer Freude u. Aufmunterung. So oft er was versehen hatte, bat er mit Thränen um Vergebung. Er war zutraulich gegen seine Vorgesezten, u. man konte fühlen, daß er die Erinnerungen, die man ihm gab, mit Danck annahm. Am Kindergemeintage d. 20tn Nov. schenckte ihm der Heiland, mit den andern Kindern, einen besondern Anblick seiner Gnade, welches er noch denselben Abend bezeugte. Seit dem wurde er ganz besonders liebhabend u. herzlich. Kurz vor den Weÿnachtsfeyertagen, erzehlte er in seiner Gesellschaft, seinen Gespielen, daß er mit einem derselben in diesen Tagen einen Bund gemacht habe, für die unaussprechliche Liebe des Heilandes, Ihm alleine zur Freude zu leben u. daß sie darum den Heiland fleißig für [602] einander bitten wolten. Die Weÿnachtsfeyertage, verbrachte er in einem seligen Gefühl, welches er durch verschiedene liebliche Aeußrungen zu erkennen gab. Als ihn zum Schluß des Jahrs seine Eltern an dasjenige erinnerten, was er zu Anfang deßelben gesagt habe u. hinzu thaten, der Heiland habe ihn doch noch den Eintritt in das 1774te Jahr wollen erleben laßen, so erwiederte er: Die Blattern sind schon da u. das übrige könte auch noch werden. Um ihn vor den Blattern so viel möglich zu bewahren, welche sich schon seit dem 13tn Dec. im Paedagogio gezeigt hatten, nahmen ihn seine Eltern zu sich nach Hause. Es kostete ihn viele Thränen, seine lieben Stubenbrüder u. Gespielen zu verlaßen, jedoch erkante er die Liebe u. Sorgfalt seiner Eltern, bezeugte aber dabey, der Heiland würde dennoch seine Hofnung erfüllen u. ihn den ersten seyn laßen, den Er im neuen Jahr zu sich nähme. Am 1tn Jan. 1744 schrieb er noch an einen seiner Gespielen folgendes: „Der liebe Heiland ist mir gestern recht [603] nahe gewesen u. ich habe ihm mein Herz ganz zum Eigenthum hingegeben u. mir in meinen Umständen die Loosung aufgeschlagen: Siehe ich bin bey euch alle Tage bis an der Welt Ende. Unser Gottes Lämmelein ist in unsrer Mitte. Ich habe mit dem Heiland u. mit meinen lieben Eltern aus geredet u. bin über alles getröstet worden“. Am 7ten fing er an, sich zu klagen u. sagte so gleich mit Gewißheit, er würde die Blattern bekomen u. zum Heiland gehen. Am 9tn kamen die Blattern zum Vorschein, u. am 11tn wurde er so kranck, daß man seinen Heimgang vermuthete. Bey allen Schmerzen war er sehr vergnügt. In der Phantasie erinnerte er sich an seine Stuben-Gespielen u. an die selige Feyer des Weynachtfestes. Gegen Abend verlor er die Sprache u. war sich dann auch nicht mehr gegenwärtig. Am 12tn früh gegen 2 Uhr verschied dieses von Gott u. Menschen geliebte Kind, sanft u. selig, als man ihm eben sang: Schlaf liebes Kind mit der Gemeine Jesu Segen. Sein Alter war 9 Jahr, 8 Monate u. 22 Tage.

[604] 7.) Der in Herrnhut am 14tn Jan. 1774 heimgegangene verheÿrathete Bruder Johannes Wagner war am 17tn Apr. 1715 zu Langenschwalbach im Hessen Rheinfelsischen geboren. Als er zur Erlernung des Schuhmacherhandwercks nach Franckfurt am Mayn ging, bat er, ehe er in die Stadt kam, den lieben Gott auf den Knien; daß er mit ihm seyn u. ihm zu einem guten Meister verhelfen möchte; und seine Bitte ward ihm gewährt; denn er kam zu einem alten, frommen gesezlichen Meister, der die Mÿstischen Schriften liebte; u. dieser war die Gelegenheit zu seiner Erweckung. Als er ein mal in großer Verlegenheit war, bat er den Heiland auf den Knien, daß wenn es an dem wäre, daß Er die Sünder so gern an nähme, Er sich doch auch an ihm, als einem grossen Sünder beweisen möchte u. der große Sünderfreund that es auch u. schenckte ihm Gnade u. Vergebung seiner Sünden und den Trost aus seinem[WS 5] Verdienste, so daß er vergnügt wurde. Er war von der [605] Gnade so über nommen, daß er nach der Zeit die Stunde, darinn ihm solche Barmherzigkeit wiederfahren war, nie vergeßen hat; u. wenn er davon redete, so geschah es immer, mit einem gerührten Herzen. Noch in demselben Jahr 1735, wurde er mit den übrigen Erweckten daselbst bekant u. besonders mit Bruder Schick, der in gedachtem Jahre in ihrer aller Namen an den seligen Ordinarium schrieb u. von ihm auch Antwort erhielt. Als nun bald darauf der selige Ordinarius nach Franckfurth am Maÿn kam u. unter dasigen Erweckten eine Einrichtung machte, so wurde der selige Bruder zum Aeltesten der dasigen ledigen Brüder eingesegnet, unter welchen er bis 1740 im Segen gearbeitet hat, wie solches aus einem Liede zu ersehen ist welches der selige Bruder Schick 1764 gemacht hat, darinn es unter andern heißt:

Wie war dir beym Handauflegen
Unsers Leonhards? Da mir auch
Ward ertheilt der Aeltsten-Segen
Nach des Brüder-Volckes Brauch

[606]

Ich gedenck mirs oft mit Beugen
Wie du da in Kraft gingst her,
Der Gnad must Respect bezeugen
Ehvolck u. das ledge Heer.
Ich verließ Franckfurth mit Beugen
Und du bliebst daselbst zurück
Fuhrst fort in der Kraft zu zeugen,
hieltst die Sach da im Geschick.

Weiter heist es:

O daß dir zum Jahrestage,
Unser Freund aufs neu erschein,
ganz aufs neu im blutgen Rocke
zu dem vorgen Zeugen-Muth.
Und ehrwürdgem Pilgerstocke,
Wahrlich dieser stund dir gut.
An Arbeitern will es fehlen,
Denn die Erndte ist sehr gros,
Und dich pflegt Er sonst zu zählen
Unter die vom Zeugen-Loos.

1740 erhielt er einen Ruf nach Hanau, sich der dasigen Erweckten anzu nehmen. Noch in eben dem Jahre kam er nach dem Herrnhaag, wo er in eine harte Kranckheit verfiel, so daß alle Aerzte glaubten: Er würde heimgehen; der selige Jünger aber sagte, er würde wieder genesen u. dieses geschah auch zu jeder mans Verwunderung. Am 13ten Aug. 1741 wurde er zu Marienborn mit [607] der ledigen Schwester Philippina Elisabeth Borninn zur heiligen Ehe verbunden. Sie waren bestimmt, mit andern Geschwistern nach Pilgerruh zu gehen; es änderte sich aber u. sie zogen mit noch 6 Paaren Geschwistern in die Burg nach Gelnhausen. Als aber daselbst eine Unruhe entstand, so kamen sie wieder nach Marienborn; Er kam dann mit seiner Frau nach Römhild, um sich der Erweckten in dortiger Gegend an zunehmen, von da nach Gotha u. dann wieder auf den Herrnhaag, wo er sein Handwerck trieb. Daselbst gieng am 10tn Dec. 1744 seine Frau selig heim. Die 2 Kinder, die er mit ihr gehabt hatte, sind auch beyde schon beym Herrn daheim. 1745 im Jan. ging er nach der Horst, im Holsteinischen, um sich der dortigen Seelen an zunehmen. Er war daselbst im Segen u. hatte auch für sich eine gesegnete Zeit. Im Jun. reiste er von da nach Marienborn zum Synodus. Am 28tn Merz 1746 ward er mit der nunmehrigen Wittwe, Regina Margaretha Löfflerin auf dem Herrnhaag [608] getraut. 1750 holte er seiner Frauen alten Vater nebst deßen andern 5 Kindern aus dem Würtembergischen nach dem Herrnhaag. Als dasige Gemeine auseinander gieng, kam sein Schwieger Vater u. deßen Kinder nach Herrnhuth, er aber mit Frau u. Kindern erst nach Niesky u. nach 3 Vierteljahren ebenfalls nach Herrnhuth, wo er sich, seit dem Heimgang seines Schwieger-Vaters 1753 der Löfflerischen Familie, als Vormund, treulich an nahm. Er war damals Herzlich u. lieb habend u. gewann, durch seine Offenherzigkeit, das Vertrauen der Geschwister. Er dachte gering von sich, war oft über sich selbst verlegen u. ruhete nicht, bis er mit einem Bruder aus geredet u. Trost vom Heiland erlangt hatte. Er verrichtete etliche Jahre das Saaldiener-Amt, mit aller Treue u. Munterkeit. Den Antrag zur Gehülfenschaft bey der Arbeit unter der hiesigen Diaspora, nahm er mit Vergnügen an. Es blieb ihm auch dieses Geschäfte bis an sein seliges Ende, wichtig; indem er für sein eigen Herz viel Segen dabey genoß. Er fieng allhier, [609] mit der Zeit, neben seinem Handwerck, einen anfänglich kleinen Lederhandel an, welcher unter seiner Hand im Segen fortging, bis derselbe 1762 von der Gemeine übernommen u. bis 1769 hier durch den seligen Bruder Böttger fortgeführt wurde. Als Bruder Böttger um seine Erlassung aus diesem Geschäfte anhielt, so wurde dem Bruder Wagner von der Gemeine angetragen, den Lederhandel wieder für eigne Rechnung zu übernehmen, welches er aber abschlug. Jedoch übernahm er es endlich, auf vieles Zureden, denselben für die Gemeine zuführen. Nach dem lezten General Synodus 1769 wurde ihm nebst dem Bruder Reich, das Gemein-Diener-Amt allhier aufgetragen, welches er auch, mit aller Treue u. Sorgfalt bedienen half. Es ereigneten sich aber verschiedene[WS 6] Umstände, worüber er so aus einander kam, empfindlich u. mißvergnügt wurde, daß er so wohl den Leder-Laden aufgab, als auch das Vorsteher-Amt niederlegte. Dieses gab zu seiner bekannten nachherigen Confusion viel Gelegenheiten [610] es blieb ihm etwas übrig, worüber er sich nicht zufrieden geben konte, ja es ging mit der Zeit so weit, daß er auch 1772 unter die Zahl der Irrgewordenen kam u. in schwere Schwindelstunden gerieth. Gegen Weynachten aber gedachten Jahrs fieng er an ein zu sehen, daß er sich sehr vergangen hätte. Er besann sich u. gieng aus eigenem Triebe, zur Freude seiner Frau u. Kinder, in die Christnachtwache. Da kam ihm der Heiland so ans Herz, daß er in Thränen zerfloß. In den Feyertagen die Versamlungen der Gemeine wiederum fleißig besuchte u. sehr weich war, so daß sich die Geschwister freuten, ihm wieder in ihrer Mitte zu sehen. Nach den Weÿnachtfeyertagen bezeugte er seiner Frau, wie er von dem Jesus Kindlein, welches der Gemeine mit holden Lippen zu ruffe: Laßt doch fahren lieben Brüder, was euch quälte – überwunden worden sey. Dabey konten sie sich beyde der Thränen nicht enthalten vor Freude über dieser Gnade. Darauf redete er mit seinem Chorhelfer aus u. schrieb hernach einen Abbitte Brief an die [611] Gemeine. An demselben Tage, da sein Brief verlesen wurde, ward er kräncklich, erholte sich wohl wieder so weit, daß er auf die Leipziger Oster-Messe 1773 reisen konte; kam aber sehr schwach wieder nach Hause, u. kränckelte den ganzen Sommer hindurch. Am Feste des Ehechors d. 7tn Sept. war er zum lezten mal auf dem Saale, bey dem Chor-Abendmahl. Am 29tn deßelben Monats überfiel ihn eine solche Ohnmacht, daß es schien, als würde er gleich verscheiden. Er erholte sich zwar nach einigen Stunden, wurde aber von der Zeit an immer schwächer. Zu Anfang Nov. ward er wieder so entkräftet, daß man stündlich seinen Heimgang vermuthete; er erholte sich aber wiederum so, daß er auf seyn konnte. Jedoch nach einigen Tagen, schlug es wieder um u. er dachte nun selber, daß er seinen Erbarmer bald schauen würde, Er unterredete sich des wegen herzlich mit seiner Frau, ließ darauf seine Kinder kommen u. ermahnte sie angelegentlich, beym Heiland u. Seinem Volcke zu bleiben, worauf sie ihm [612] die Hand geben musten. Auch ließ er sich öfters den Text an seinem Geburtstage vorlesen: Wenn dis Verwesliche wird anziehen das Unverwesliche p. 1. Cor 15. Nachher redete er nochmals mit seinem Chorhelfer dem Bruder Kohler, wie auch mit andern Brüdern aus, u. da Ersterer ihn versicherte, daß niemand mehr etwas wieder ihn hätte; so wurde er von da an recht lichte u. ruhig, u. allen die ihn besuchten zur Freude, Man konte ihm den wieder gefundenen Frieden Gottes abfühlen u. er wurde von Tag zu Tage vergnügter, Als ihn im Dec. Bruder Gregor besuchte, freuete er sich gar herzlich, kam mit ihm in eine Herzens-Bande, u. bezeugte, mit vielen Thränen gegen ihn, den Trost seines Herzens, daß er das große Wort: „So ist nun nichts verdamliches an denen, die in Christo Jesu sind“ auch auf sich deuten könne. Er rief mehrmalen recht beweglich, aus: Ach! ich hab es schlecht, sehr schlecht gemacht; u. wie ist Seine Gnade, Seine unverdiente Gnade so groß! Hierauf bat er den [613] Bruder Gregor, die Unitaets Aeltesten Conferenz aufs aller herzlichste von ihm zu grüssen, mit der Bitte, daß dieselbe ihm alles vergeben möchte, worüber sie seinetwegen betrübt zu seyn, Ursach gehabt hätte; damit keine Blödigkeit, bis zum Wiedersehen, beym Heiland übrig bleiben dürfte. Er wurde dann von besagtem Bruder im Namen aller Brüder der Unitaets Aeltesten Conferenz der herzlichsten Vergebung versichert. Von da an verblieb er in einem vertraulichem u. sünderhaften Umgange mit dem lieben Heilande u. wartete auf sein seliges Ende. Kurz vor Weynachten besuchte ihn Bruder Clemens, u. unterhielt sich lange u. sehr vergnügt mit ihm, von der Geduld unsers HErrn Jesu Christi, die unsre Seligkeit ist. Hierbey brach er unter andern in diese Worte aus: Ach! ich war schon im Hinfallen; Jesus aber hat mich im Hinstürzen wieder aufgefangen. O! unaussprechliche Geduld! Zu Anfang des Jahrs 1774 war seine Kranckheit ziemlich erträglich; allein am 8tn Jan. bekam er einen Schlagfluß, wobey seine [614] rechte Seite gelähmt wurde u. er die Sprache verlor; wie wohl er sich gegenwärtig blieb. Doch beßerte es sich wieder so weit, daß er etwas reden konte. Wenn man ihn tröstete, er würde bald zum lieben Heiland kommen, so sagte er: Es währt mir so lange, Am 13tn besuchten ihn die Brüder Kohler u. David Hans, u. da ihm Ersterer sagte sagte: Es wäre heute so eine schöne Loosung vom Segen des Herrn, ob er wolle eingesegnet werden? antwortete er: Ja, u. entblößte selber sein Haupt. Bruder Kohler ertheilte ihm den Segen des HErrn, im Namen der Gemeine u. seines Chors; worauf er noch sagte: Ich dancke, ich dancke! Am 14tn morgens gegen 8 Uhr verschied er sanft u. selig, da die Umstehenden sangen: Offne Arme, nehmt ihn. Von seinen Kindern 2te Ehe ist ein Sohn heimgegangen u. 2 Söhne u. 3 Töchter sind noch am Leben. Von der ältesten Tochter, der Schwester Düppelin hat er ein Enckelgen erlebt. Sein Alter hat er gebracht auf 59 Jahre, weniger Drey Monate.

[615] 8.) Die in Herrnhuth am 16tn Jan. 1774 selig entschlafene verwittwete Schwester Mar. Sophia v. Damniz geborne v. Muelich, war am 24tn April 1712. zu Grosbokedra, in Thüringen geboren. Ihr HErr Vater war der Weyland Hochwohlgeborne HErr Hans, Wilhelm v. Muelich auf Grosbokedra und Rauschdorf, der lezte dieses Geschlechts u. ihre Frau Mutter eine geborne v. Wangenheim. Sie war noch kaum 7 Wochen alt, als ihr Herr Vater verstarb u. 12 Jahre darnach verlor sie auch ihre Frau Mutter. Von da an, über nahm ihr Vormund der HErr Ober-Forstmeister v. Beust, ihre Erziehung. 1729 heyrathete sie unsern seligen Bruder v. Damniz damaligen Fürstlichen Schwarzburgischen Cammerrath zu Rudelstadt. Sie war an ein stilles eingezogenes Leben gewöhnt u. den Eitelkeiten der Welt, nie von Herzen ergeben. 1734 zog sie mit ihrem seligen Mann, auf das ihrem HErrn Schwieger-Vater dem General v. Damniz bey Gelegem gehörige Guth Gutta in der Oberlausiz, [616] wobey sie zu gleich die Absicht hatten, sich der Welt noch mehr zu entziehen, da auch unser seliger Bruder v. Damniz bey Gelegenheit des Todes seines Groß-Oncle, des bekannten frommen geheimen Raths v. Metternich kräftig vom Heiland angefaßt worden war. Nach dem Absterben ihres Herrn Schwieger-Vaters, über nahmen sie die Güter selbst, u. kamen endlich durch die genaue Freundschaft mit dem seligen Ober-Amts-Hauptmann v. Gersdorf mit vielen rechtschaffenen Seelen u. Männern Gottes, worunter sich auch unser Bruder Clemens befand, u. durch dieselben auch mit der Gemeine in Bekanntschaft. Unsere selige Schwester war anfänglich mehr dawieder, als dafür, bis endlich im Jahr 1742 der heilige Geist ihr das Herz kräftig rührte u. ihren Sinn gänzlich änderte, u. sie beym Heiland Gnade erlangte. Am 12tn Nov. –45 zog sie mit ihrem seligen Mann u. jüngern Kindern, ganz in die Gemeine, nach Herrnhut, nachdem bereits die älteren Söhne u. Töchter schon in die dasige Anstalten gebracht worden waren. Am 6tn May 1746 [617] wurde sie in die Gemeine aufgenommen u. am 25tn Febr. 1747 genoß sie zum ersten mal mit derselben, das heilige Abendmahl. In diesen Jahren that sie mit ihrem seligen Manne etliche für ihr Herz sehr gesegnete Reisen in die Gemeinen nach Herrnhaag, Holland u. Barbÿ, wo selbst sie in des seligen Jüngers Hause einen sehr vergnügten Aufenthalt hatte. Der lezte Krieg u. die Last der nach u. nach erlangten Güter machten ihr, da sie eine sehr treue u. geschäftige Gehülfin ihres Mannes war, viel Noth u. Plage. Sie hielt sich aber in allen Umständen, unverrückt an den Heiland, u. sie erinnerte sich auch nachher in ihren Ruhestunden öfters, mit Danckbarkeit, Seines gnädigen Beystandes. Der 1761 erfolgte geschwinde Heimgang ihres lieben Mannes, war ihr sehr schmerzlich u. vermehrte auch, da sie die höchstbeschwerliche Vormundschaft ihrer 6 unmündigen Kinder übernehmen muste, um ein gros Theil ihre Sorge u. Kummer. Von der Zeit an, verspürte [618] man eine tägliche Abnahme ihrer Leibes-Kräfte. – Im Jun. 1772 hatte sie eine harte Kranckheit zu überstehen, wobey sie so wohl selbst, als jederman ihr Ende vermuthete. Sie erholte sich aber wieder; jedoch bezeugte sie, von da an beständig, daß ihr Aufenthalt in diesem Leben, ihrem Wunsch u. Sehnen nach, nur noch kurz seyn werde. Ihre lezte Zeit verbrachte sie in der Betrachtung des Leidens u. Todes Jesu selig u. vergnügt. Ihre lieben Kinder waren ein Haupt-Anliegen ihres täglichen Gebets vor dem Heiland, u. sie wünschte sehnlich, daß sie sich dereinst, mit ihnen allen, vor dem Throne des Lammes, in der Zahl der Erlösten freuen, u. dem Heiland, für die unbeschreibliche Gnade u. Barmherzigkeit, ewiglich dancken könne, die Er so, wie an ihr, auch an ihrer Familie beweisen wolle. Sie danckte dem Heiland oft mit Thränen für ihre Gnadenwahl, in gläubiger Zuversicht, daß Er dieselbe seliglich, nach Seinen Frieds-Gedancken, an ihr vollenden werde. [619] Sie hatte den Character einer wahren Wittwe u. die Liebe Jesu, die in ihr Herz ausgegoßen war, drang sie auch zur herzlichen Liebe gegen ihre Chor Schwestern. Alle Gnaden, die ihr in der Gemeine u. ihrem Chor zu Theil wurden, genoß sie mit einem danckbaren u. gebeugtem Herzen u. so lange es ihre Kräfte erlaubten, versäumte sie nicht leicht eine Gemein u. Chor-Gelegenheit. Sie wohnte noch der Nacht-wache beym Eintritt in das Jahr 1774 u. den übrigen Versamlungen am Neuen-Jahr, zu ihrer großen Freude bey, u. bezeugte nachher, es sey ihrem Herzen so wohl gewesen, als sie sich kaum von irgend einer vorigen Zeit zu erinnern wüste, sie fügte auch hinzu, es würde vielleicht das lezte mal seyn. Auf ihre selige Vollendung freuete sie sich u. sagte: Sie werde, bey aller Armuth ihres Herzens getrost als eine durch Christi Blut u. Gerechtigkeit selig gemachte Sünderin[WS 7] zu Ihm gehen. Am 12 Jan. klagte sie über große Mattigkeit u. am 14tn nahm ihre Kranckheit [620] mercklich zu. Ihre lezte Worte waren, als sich ihre Chorhelferin am 15tn Abends nach ihrem Befinden erkundigte: Ein Arzt ist uns gegeben, der selber ist das Leben, Christus für uns gestorben hat uns das Heil erworben. Sie blieb sich gegenwärtig bis an ihr Ende, welches am 16tn früh um 1 Uhr seliglich erfolgte. Ihr Alter war 61 Jahr 8 Monate u. 3 Wochen. Von ihren 7 Söhnen u. 6 Töchtern sind[WS 8] ihr 3 Söhne u. eine Tochter zum Heiland vorangegangen, 5 Töchter u. 1 Sohn sind in der Gemeine. Sie hat erlebt 4 Schwieger-Söhne 5 Schwieger-Töchter u. 5 Enckel, welche leztere alle in der Gemeine sind.

9.) Das in Nieskÿ am 16tn Jan. 1774 heimgegangene Knäblein Johannes Weicht war am 12tn May 1764 zu Groshenersdorf geboren, wo es bis in sein 5tn Jahr, von seinen Eltern erzogen wurde. Dasjenige was man ihm vom Heiland, u. besonders von seinem Gehorsam erzehlte, machte einen tiefen Eindruck in seinem Herzen. Dieses nahm man mit Vergnügen wahr, indem er, wenn man [621] bey einiger Aeusserung des Eigenwillens ihm das Exempel des Heilandes vorhielt, sich so gleich in alles, was man von ihm verlangte, willig ergab. Als ein Bruder seinen Eltern von seinem heimgegangenen Kinde erzehlte, daß es den Vers: O’ mein trauter Herre, gib mir nur was du verdient p. so gern gesungen hätte; so faßte dieses damals 2jährige Kind, welches für sich zu spielen schien, diese Worte so genau, daß es von der Zeit an, immer diesen Vers am liebsten gesungen hat. 1768 kam er in die Orts-Knäbgen-Anstalt nach Herrnhuth, wo er bald ein gewohnte,. Man bemerckte auch an ihm, daß sein Herz einen wahren Eindruck vom Heiland hatte u. daß er ihn zärtlich liebte. Im April 1773 zog er, mit noch 4 Knäbgen, in die Knäbgen Anstalt, nach Nieskÿ. Er ging daselbst seinen Gang in der Stille fort, man ward gewahr, daß er ein weiches u. von Jesu Marter durch drungenes Herz hatte, darüber drückte er sich oft in den schönsten Versen aus u. überhaupt war ihm das Singen ein besonders Vergnügen. Wenn den Kindern in ihren Versamlungen u. sonst zu [622] Herzen geredet wurde, so war er sehr aufmercksam u. gemeiniglich der Erste, der dabey in Thränen zerfloß. Er gab selbst seinen Gespielen manche Erinnerungen, so, daß es erbaulich anzuhören war. In dem, was er zu lernen hatte bewieß er Treue nach seinem Vermögen. Als sich gegen das Ende des Jahrs 1773 die Blattern äusserten, bat er sich vom Heiland aus, ihn doch noch in den Weynachtsfeyertagen u. bis zum Jahres Schluß gesund zu erhalten, welche Bitte ihm auch der Kinderfreund so nach Wunsch gewährte, daß er erst am 1tn Jan. 1774 gegen Abend über Unpäßlichkeit klagte, worauf sich in einigen Tagen die Blattern bey ihm in Menge zeigten. Man hofte Anfangs, er würde die Blattern wohl überstehen; allein am 13tn in der Nacht, nahm die Hitze so überhand, daß er sehr unruhig wurde u. sich von da an wenig mehr gegenwartig war. Es zeigte sich aber auch in seinen Phantasien gar lieblich, daß sein Herz im Heiland lebte. Bald äußerte er ein großes Verlangen [623] nach der Versammlung auf dem Saale, bald hörte man ihn ganz leise, sich mit dem Heiland unterreden. Oft wenn er ein wenig zu sich kam u. seine große Schmerzen fühlte, tröstete er sich selbst mit dem treuen Beystande des Heilandes u. zwar mehrentheils mit Ausdrücken die ihm aus den Versen bekant waren. So rief er einmal aus: Er wird mir zu Hülfe eilen, wenn u. wo mirs nöthig thut p. u. ein andermal: Sey Du mir nur immer freundlich, wenn würcklich oder nur vermeyntlich mir dis und jen’s auch schwer seyn wolt p. Für alle Pflege u. Mühe, die man an ihn wandte, danckte er recht kindlich und sagte: Er könne nichts dafür geben; wolle aber ein geduldiges Kind seyn. Seine Eltern, die am 15tn ihn zu besuchen kamen, konnte er nicht mehr erkennen. Als man des abends verschiedene Verse bey seinem Bette sang, stimmte er mit heller Stimme ein. Er hatte darauf noch viel auszustehen, bis am 16tn frühe um 2 Uhr alle seine Schmerzen ein Ende hatten u. er sanft u. selig entschlief in einem Alter von 9 Jahren, 10 Monaten u. 4 Tagen.

[624] 10.) Die in Herrnhuth am 29ten Jan. 1774 heimgegangene ledige Schwester Anna Salome Lampaterin war am 7tn Dec. 1748 in Haerlem geboren. Sie war ein artiges, liebhabendes Kind, ihren Eltern u. allen Geschwistern zum Vergnügen. Am 13tn May 1753 kam sie mit ihren Eltern nach Herrnhuth, nachdem sie unterwegs auf der See die Masern bekommen, u. deswegen zu Hamburg 3 Wochen hatte bleiben müßen. 1754 kam sie ins Mädgen-Haus. 1761 wurde sie in das Chor der großen Mädgen, u. 1762 in die Gemeine aufgenommen. In ihren Kinderjahren blieb sie den Schwestern, die sie zur Pflege hatten, zur wahren Freude u. Vergnügen. Nachher aber äußerte sich das Verderben mercklich bey ihr, hauptsächlich in einem besondern Eigensinn u. Unerkenntlichkeit.

1763 nahmen ihre Eltern, die wieder in Herrnhuth waren, dieselbe zu sich, damit sie ihre Mutter, in ihren kräncklichen Umständen, unterstüzen möchte. Sie fanden aber nicht mehr das artige Kind an ihr, sondern vielmehr etwas unbeugsames und hartes, [625] welches sonderlich ihrer Mutter vielen Kummer verursachte. Dieselbe nahm auch öfters Gelegenheit, gar beweglich u. rührend mit dieser ihrer Tochter zu sprechen; es fruchtete aber nichts, bis sie selbst von ihrer Unart überzeugt wurde, da sie dan ihre Eltern gar sünderhaft u. demüthig um Vergebung bat. Der Heimgang ihrer lieben Mutter im Jahr 1765 nach welchem sie ins Chorhaus der ledigen Schwestern zog, machte ihr einen tiefen Eindruck u. sie bezeugte oft mit Thränen, wie sie Reue u. Leyd trage, daß sie derselben nicht mehr zur Freude u. zum Vergnügen gewesen sey. Man nahm überhaupt die Gnaden-Arbeit des heiligen Geistes an ihrem Herzen wahr, sie zur armen Sünderin zu machen. Am 16tn Nov. deßelben Jahrs gelangte sie zum heiligen Abendmahl. 1767 ward sie in das ledige Schwestern Chor aufgenommen. Sie suchte angelegentlich der Eigenheiten los zu werden, die ihr selbst u. andern beschwerlich waren. Ihr innerer Gang, war noch sehr Abwechselnd. Sie hatte zwar manche Gnadenbesuche vom Heiland u. ihr Herz [626] zerfloß zu weilen, über Seinen Tod und Leiden; aber am bleibenden Gefühl Seines Friedens u. der Versicherung der Vergebung der Sünden in Seinem Blute, fehlte es ihr noch. Sie war, sonderlich in den lezten Monaten vor ihrer Kranckheit, oft sehr bekümmert, sah sich für verloren an u. bat oft über laut u. mit Ringen der Hände, um den gnädigen Anblick des Heilands. Sie war darüber nicht zu trösten, sondern untersuchte sich gründlich; wo es noch fehle u. beklagte sonderlich, daß sie der kräftigen Erinnerungen, die sie seit etlichen Jahren im Herzen gehabt hätte, ihres Berufs u. Erwehlung gewiß zu werden, nicht treu gewesen sey. Mit dieser Bekümmerniß bezog sie zu Anfang des Jahrs 1774 die Kranckenstube. Wie wohl ihr noch oft um Trost sehr bange war, so konte sie doch von Zeit zu Zeit, immer getroster u. freudiger ihrem Heimgang entgegen sehen. Wenn man mit ihr von dem Versöhner unserer Sünde redete, der auch für sie Sein Leben in den Tod gegeben habe, so hörte sie so begierig zu, als hätte sie [627] es noch nie zuvor gehört. Ein mal sagte sie: „Ach für mich! für mich! Das ist das schöne Wort, das ich so gerne recht gefühlig aussprechen möchte“ Als man sie versicherte, ihre blöde Seele werde gewiß mit Christi Blut u. Gerechtigkeit bekleidet vor Ihm erscheinen, sagte sie: Nun das will ich glauben u. in dem Vertrauen als ein Kind zu Ihm gehen. Nachher redete sie noch ganz laut u. Herz durchdringend mit dem Heiland, u. beschloß damit: Dein Blut hast du vergoßen, für mich armes Würmelein. Dieses war in ihrer lezten Nacht. Sie bezeugte noch mals, wie sie sich freue heimzugehen, u. rief darauf zu wiederholten malen aus: Gieße viel Blutströpfelein in mein Flämmlein; bis ihr nachmitternacht, als am 29ten Jan. der Othem stille stund, u. sie sanft u. selig entschlief, im 26tn Jahr ihres Alters.

11.) Das in Niesky am 30tn Jan. 1774 heimgegangene Kind Johann Christian Wohn war am 27tn Aug. 1767 in Neudietendorf geboren. Er kam in seinem 2ten Jahr, mit seinen lieben Eltern, nach [628] Stettin, u. nach dem Heimgang seiner Mutter ward er am 28tn Juny 1771 von seinem Vater in die Unitäts-Knäbgen-Anstalt zu Niesky gebracht. Er gewohnte bald unter seinen Gespielen ein u. zeigte eine außerordentliche Fähigkeit, etwas zu lernen, darinnen er oft mehr that, als man erwartete. In Ansehung seines Herzensganges aber machte seine Flüchtigkeit u. Neigung zum Leichtsinn u. Vorwitz, daß, wiewol er zuweilen durch herzliches Zureden sehr bewegt wurde, er doch nicht zu einem gründlichen Nachdencken über sich selbst kam. Jedoch suchte der Heiland ihn öfters mehr auf sein Herz zu bringen, u. die Gnaden-Heimsuchung der Kinder an ihrem Bettage d. 20tn Nov. 1773, war gewiß auch für ihn nicht ohne mercklichen Segen. Am 17tn Jan. 1774 ward er kranck u. am 22ten kamen die Blattern so häufig hervor, daß man gleich seinetwegen verlegen wurde. Als den Kindern die Lebensläufe des kleinen Sohlingers[WS 9] u. Weichts[WS 10] vorgelesen worden waren, fragte er: Ob alle Kinder so schöne Lebensläufe bekämen, wie [629] diese beyden? u. da man ihm antwortete: Ja, wenn sie dem Heiland u. ihren Brüdern zur Freude gewesen sind, ward er ganz still u. schien ernstlich nachzudencken. In den folgenden Tagen hatte er viel Schmerzen auszustehen, so daß man großes Mitleiden mit ihm haben muste. Auf Befragen, Ob er gern heimgehen wolte? bezeugte er; daß er dem Heiland gänzlich überlassen sey. Am 30tn Nachmittag wurde er mercklich schwächer. Da man ihn fragte: wenn er wohl heim gehen würde? sagte er: Nach dem Abendessen wolle er schlafen u. in der Nacht zum Heiland gehen. Er schlummerte auch wircklich, nachdem er ein wenig gegeßen hatte, ganz sanfte. Als er wieder erwachte, sang man ihm Verse wie schon öfters geschehen war. Er bat selbst: daß man ihm folgenden singen möchte: Ich finde mehr als ein Versehn, das von mir armen Kind geschehn; allein weil ich ein Sünder bin, so werf ich mich in Demuth hin. Man that noch hinzu: Mein [630] Flehen ist bespreng dein Kind - - mit deinem rosin-farben Blut, das machet allen Schaden gut. Gleich darauf, als wenn der Heiland auf das eigene sünderhafte Bekentniß dieses Kindes gewartet hätte, ging eine so starcke Veränderung bey ihm vor, daß man seinen baldigen Heimgang vermuthen konte. Er verlor nach einiger Zeit das Gesicht, u. endlich auch das Gehör u. bald darauf entschlief er sanft u. selig im 7tn Jahre seines Alters. Das Gefühl der Nähe des Heilandes, welches dabey zu spüren war, faßte auch die Kinder in der Nebenstube kräftig an. Sie stimmten in die lezten Verse, die man dem seligen Kinde sang, beweglich mit ein, u. brachen in Thränen aus, als ihnen der Heimgang ihres Gespielen gemeldet wurde.

12.) Der am 31tn Jan. 1774 in Niskÿ heim gegangene Knabe Johann Friedrich Rhode war daselbst am 15tn Febr. 1758 geboren. 1761 kam er in die Anstalt nach Hennersdorf [631] u. bey der selben Vertheilung 1764 mit andern Kindern in die damalige Anstalt im ledigen Brüder Hause zu Nieskÿ; u. da dieselbe 1770 nach Herrnhut versezt wurde, nahmen ihn seine Eltern zu sich. Seine Gespielen u. Vorgesezten liebte er zärtlich, Er war ein folgsames Kind u. bey den ihm öfters zustoßenden Kräncklichkeiten sehr geduldig. Am 23tn Maÿ 1770 ward er in das Knaben-Chor u. zugleich in das Paedagogium versezt. In dem, was er zu lernen hatte, bewieß er, nach seinem Vermögen, Treue u. Fleiß. Der Heiland ließ sich auch an seinem Herzen nicht unbezeigt. Besonders waren ihm die im Jahr 1773 erneuerten Gesellschaften zum Segen. Am 8tn Juny 1772 wurde er in die Gemeine auf genommen. Wiewohl man ihn, um seines aufrichtigen und kindlichen Characters wegen, den er bis an sein Ende behalten hat, lieben muste, so fehlte es ihm doch am wahren Verlangen nach der Gnade im Blute Jesu; bis er etwan [632] ein Vierteljahr vor seinem seligen Ende, sich gründlicher kennen lernte. Er sagte: Er sey bisher durch verschiedene Dinge in seinem Gemüthe gar sehr zerstreut worden, u. dieses sey so weit gegangen, daß er auch eine Wiedridkeit gegen den Heiland u. die Gemeine gefühlt habe, Kurz vor seiner Kranckheit klagte er dieses nochmals sünderhaft u. sezte hinzu; ihm sey oft für sich selber bange worden, ob der Heiland Seinen Zweck mit ihm erreichen u. er auch in der Gemeine für Ihn gedeyhen werde. Zugleich gestund er, daß die Hofnung, noch lange in der Welt zu leben, ihn bisher in eine Gleichgültigkeit gegen den Heiland, u. deßen Anforderungen an sein Herz gebracht u. er gedacht hätte, er könne seine Bekehrung noch auf lange Zeit hinnaus schieben. Am 16tn Jan. 1774 fingen die Blattern an, sich bey ihm zu zeigen u. er wurde von seinen Eltern, zur Verpflegung, nach Hause genommen. Er hatte schon vorher [633] gegen einen seiner Gespielen im Vertrauen bezeugt, daß er auch an das Heimgehen dächte u. daß ihm in dieser Absicht, die mit Bruder Gregor gehabte ausführliche u. aufrichtige Unterredung unvergeßlich sey. Jedoch glaubte man, er würde gut durch kommen, bis er am 29tn solche Hitze bekam, daß am 30tn frühe wenig Hofnung übrig war, zu seiner Genesung. Er sehnte sich sehr nach der Gesellschaft seiner Gespielen im Paedagogio u. der Zuspruch seiner bekanten Brüder machte ihm große Freude. Er erinnerte sich mit Vergnügen an seine lezte Gesellschaft, darinn vom Heimgehen geredet worden war u. wie man sich recht nahe zum Heiland zu halten habe, um immer bereit da zuseyn. Er wolle auch sagte er: jezt noch recht viel mit dem lieben Heiland reden u. ganz bekant mit Ihm zu werden suchen. Ferner bezeugte er, er sey des lieben Heilands Krancker u. fühle Seine Liebe u. Nähe, daher er auch bereit sey, dem [634] Heiland zufolgen, Er möchte ihn länger hier bleiben oder zu sich kommen heissen. Als man mit ihm von des Heilands Liebe zu armen Sündern redete, bezeugte er seinen Schmerz darüber, daß er den Heiland, bey gesunden Tagen, nicht so geliebt hätte, wie Er es verdiene, glaubte aber zuversichtlich, daß ihm der Heiland aus Gnaden alles vergeben werde. Des Abends gerade zu der Zeit des Hinscheidens des kleinen Wohns[WS 11], wovon jedoch, weder er noch die Umstehenden etwas wusten, fragte er die anwesenden Geschwister sehr lebhaft: Ob sie nicht dort ein Kind sähen? u. gleich darauf rief er aus: Ey! wie gut hat es dieses Kind! Als er hierauf den Heimgang des kleinen Wohns erfuhr, so war er sehr erfreut darüber. Bald darauf rief er aus: Nun tausche ich mit niemanden mehr, ihr wißt nicht wie mir so wohl ist. Die Nacht verbrachte er ganz ruhig. Am 31tn Vormittags, wurden, wie [635] schon öfters zu seinem Vergnügen geschehen war, verschiedene Verse bey seinem Bette gesungen, worein er, so gut er konte, mit einstimmte, bis er nach u. nach die Sprache u. alle Bewegungen verlor. Gegen Mittag verschied er sanft u. selig mit dem Segen der Gemeine u. seines Chors, in einem Alter von 15 Jahren und 11 Monaten.



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II.) Auszug aus den Berichten von der
Neger-Gemeine in Antigoa vom Julius
bis Ende des Jahrs 1773.

In der Conferenz am 2ten Julii bezeigten die Helfer, wie sehr sich die meisten Tauf-Candidaten nach der Taufe sehnten. Bruder Engler kam am 4ten von einem Besuch zurück, den er auf Colonell Martins Plantage gemacht, woselbst er, in der Versammlung über 100 aufmercksame Zuhörer gehabt hatte. Bey unsern heutigen Versammlungen waren so viele Neger da, daß sehr viele draussen vor der Thür stehen musten.

Am 5ten bot uns eine in Philadelphia getaufte Frey-Negerin, die hier in der Stadt wohnt, einige Steine an, die sie uns zum Bau unsers Hauses geben wollte, welches wir auch annahmen. Ein Ungetaufter bezeugte dem Bruder Braun, bey seinem Besuch, daß er den Heiland täglich bitte, ihm seine Sünden zu vergeben, auch die, die er noch in Guinea begangen habe. Am 6ten hatten wir einen freundschaftlichen Besuch von dem Englischen [638] Pfarrer, Herr Stephard, der mit Bruder Meder hieher gekommen. In der Abend-Versammlung am 8ten waren 3 neue Leute von einer Plantage auf der Ost-Seite der Insel. Am 9ten erzehlte uns ein Bruder von einem Treiber auf seiner Plantage, der erst kürzlich in unsere Versammlungen kommt, u. auch heute hier war, daß derselbe sehr erfreut sey, über dem Guten, das er hier gehört, u. er fange nun selber an, andere einzuladen, hieher in die Versammlungen zu kommen.

Denen die zum Dienst in der Kirche angestellt sind, wurde bey Gelegenheit, daß ein neues Paar dazu kam, ihr Amt von neuem wichtig gemacht u. sie zu aller Treue darinnen ermahnet.

Am 10ten wurde mit denen, die morgen getauft werden solten, geredet, u. sie konnten ihre Freude darüber nicht genug ausdrücken. Wir weiße Geschwister genoßen heute das heilige Abendmahl. Am 11tn wurde der Bettag, wozu sich eine große Menge Neger eingefunden hatten, mit Grundsteinlegung zu unserer neuen Kirche angefangen. Erst wurde die Inschrift von Bruder Brown verlesen, worauf [639] sich alles Volck auf den Bauplaz, in schönster Ordnung, stellte. Nachdem die Inschrift in den Grundstein gelegt worden war, betete Bruder Brown kniend zum Heiland, daß Er den Platz u. das Haus zu Seinem Gebrauch weyhen und heiligen möge u. alle daran Arbeitende vor Schaden behüten wolle. Die Maurer fingen gleich darauf an zu arbeiten, u. alle Anwesende, Jung u. Alt, legten Hand an, um es zu fördern. Nachmittags um 2 Uhr, wurden unter dem Gebet der Kirchen-Litaney, folgende 13 Geschwister in Jesu Tod getauft, nemlich von Bruder Brown: Simon der Erstling von der Plantage Richmond, Robert, der schon vor einiger Zeit getauft werden sollte, aber damals Bedencken hatte; weil er noch keinen ganzen Sinn zum Heiland habe; heute aber versicherte er uns, er wolle ganz des Heilandes werden, u. Maria Elisabeth, Margaretha, Magdalena u. Louisa, u. von Bruder Meder: Eduard u. Petrus, Salome, Rosina u. Sarah. Nachher taufte Bruder Brown noch das Töchterlein der Margaretha, mit Namen Sarah. [640] 20 Männer u. 15 Weiber kamen unter die Tauf-Candidaten. Es war dieser Tag ein rechter Gnaden- u. Segenstag für uns u. unser Volck, der HErr sey dafür gelobet u. geprießen!

Die Helferin Margaretha in der Stadt, die Kräncklichkeit wegen nicht zur Grundlegung kommen konnte, hatte unterdeßen auf den Knien zum Heiland gebetet. Am 16ten erzehlten uns die Helfer, wie gesegnet der lezte Bettag Allen, sowol neuen, als denen die schon lange bey uns sind, gewesen sey. Am 18tn kam Bruder Brown von seinem Besuch auf Colonell Farlys Plantage, Hamilton genannt, zurück, von welcher seit Kurzem, verschiedene Neger in unsere Kirche kommen. Er hatte daselbst, zu großer Freude dasiger Neger, eine Versammlung gehalten. Der Verwalter bezeigte sich sehr freundschaftlich u. bat, es ihm ins künftige voraus wißen zu lassen, wenn einer von uns käme, er wolle uns ein Pferd oder Maul Esel schicken. Dem Bruder Brown lieh er eins bis auf Colonell Martins Plantage. In der heutigen Viertelstunde der Getauften that Bruder Brown eine ernstliche Ermahnung, wegen [641] der an einigen, besonders in der Stadt wohnenden Getauften bemerckten Gleichgültigkeit, in die Versammlungen zu kommen. Heute ließen auch 27 Weibsleute von einer Plantage ihre Namen aufschreiben, unter denen einige Hofnungsvolle Leute sind. Durch eine Nachricht von 2 in Untreue gerathenen Helfer-Geschwistern wurden wir sehr betrübt; allein weils noch zur rechten Zeit entdeckt ist wurde: so ist die Absicht des bösen Feindes vernichtet worden. In der Versammlung, die Bruder Braun dieser Tage auf Richmond gehalten hatte, war Einer von den weißen Aufsehern zugegen, der den Bruder ersuchte, noch mehr zu singen; weils die Neger so gern hörten. Der Verwalter daselbst, bey dem er speiste, verwunderte sich, daß die Neger so geschwind das Vater-Unser p. gelernt hätten. Am 23tn besuchten die Brüder Brown u. Meder den Friedens-Richter u. Advocaten in der Stadt, Herrn Burck, unsern guten Freund, der uns allen möglichen Schutz versprach. Sie gaben ihm die Grönländische Historie, die ihm Bruder Brukschaw schon versprochen hatte.

[642] Er erlaubte uns auch, zu unserer Freude, seinen Negern Versammlungen zu halten. Bruder Meder redete am 24tn mit etwa 20 Kindern, in der Helferin Sabina Haus u. beschrieb ihnen die Liebe des Heilands zu ihnen. Am 20tn schickte ein Herr in der Stadt, der sehr kranck war, zu uns u. die Brüder Brown u. Meder gingen zu ihm. Er erkannte sich als einen großen Sünder, hofte aber auf die Erbarmung des Heilands. Wir wiesen ihn gerade zum Heiland. Darauf empfahl er sich unserer Fürbitte.

Augustus. Von den Plantagen Richmond, Gumble u. Byham, auf welchen seit Kurzem eine besondere Gnadenregung zu spüren ist, waren am ersten sehr viele in den Versammlungen. Sie sind so begierig auf das Wort Gottes, daß sie sich oft schon vor Anbruch des Tages auf den Weg machen.

Am 4ten kamen Geschwister Browns von einem Besuch zurück, den sie auf verschiedenen Plantagen gemacht hatten. Obgleich wegen eingefallenen Regen-Wetters, keine Versammlung hatte seyn können: so hatte sich doch Bruder Braun überall mit den Manns- u. die Schwester Braunin mit den Weibsleuten unterredet. An den Kindern auf [643] Martins Plantage wird seit einiger Zeit eine neue Gnadenregung verspürt.

Am 5tn Abends war das Begräbniß unsers Bruder Samuels. Seine Herrschaft besorgte sein Begräbniß, u. ließ ihn vom Englischen Pfarrer begraben. Sehr viele unserer Geschwister waren in dem Leichen Gefolge u unterscheiden sich von den andern, sowol in ihrer Kleidung, als insonderheit ihres ordentlichen Betragens wegen.

Obbenannter seliger Bruder wurde 1771 im May getauft u. im Dec. deßelben Jahrs des heiligen AbendMahls theilhaftig. Er ging seinen Gang, als ein armer Sünder, selig fort u. sezte alle sein Vertrauen auf den Heiland. Dem Leibe nach war er schwach u. elend u. hatte seit etlichen Jahren, den Gebrauch seiner Hände verloren, so daß er seiner Herrschaft unbrauchbar war u. ein schweres Durchkommen hatte. Seine Herrschaft hatte ihm u. seiner Mutter ein Haus verschaft; welches aber beym lezten Orcan einstürzte. Bey allen diesen u. vielen andern betrübten Umständen, da er u. seine Mutter oft nichts zu eßen hatten, blieb er beständig auf den Heiland gerichtet u. sein Trost war, daß er konnte das süße Wort des Evangelii [644] zur Weide seiner Seele hören, so daß er, nach seinem eigenen Bekenntniß, Eßen u. Trincken darüber vergaß. Nachdem er den Heiland kennen gelernt hatte, war er auch andern eine Gelegenheit zu ihrer Bekehrung; wie er dann sowol seine Mutter, als noch 4 andere Neger, durch sein anhaltendes Zureden, bewog, in unsre Versammlungen zu kommen u. das Wort der Versöhnung zu hören, welches sich nachher kräftig an ihren Herzen bewiesen hat. Vor etlichen Tagen wurde er sehr schwach u. von den Brüdern Brown u. Meder besucht, hatte zwar Anfangs keine Gewißheit, ob er bald heimgehen würde; war aber doch in den Willen des Heilands ganz ergeben. Am 5tn Aug. stieg seine Kranckheit aufs höchste, so daß er etwas kleinmüthig wurde; daher wir ihm zuredeten u. ihn an das, was der Heiland für ihn ausgestanden habe, erinnerten, worauf er wieder Muth faßte. Kurz vor seinem Verscheiden empfahl er noch das ganze Häuflein der Neger dem Heiland recht angelegentlich.

Weil wir wegen unsers sich immermehr erweiternden Plans, u. wegen der großen Hitze, sehr viel Beschwerlichkeit erfahren, wenn wir überall hin zu Fuße gehen: [645] so resolvirten wir ein Pferd zu kaufen.

Am 7tn bey unserm AbendMahl genoßen 3 Brüder u. 4 Schwestern, nach vorher gegangener Einsegnung, daßelbe zum erstenmal mit uns, nemlich Martin u. Philip aus der Stadt, Gottfree, Mar. Magdalena u. Mercy von Martins, Paulina von Brauns Plantage und Melisend eine Frey-Negerin. Der Abendmahls Geschwister waren diesmal mit uns weißen Geschwistern, 75 Personen. Die folgenden Tage schaften wir verschiedene Baumaterialien zu unserm Kirchbau in unsern Hof, als Bretter, Schindeln u. dergleichen, welche wir hier gekauft hatten. Am 10tn freueten wir uns bey einem Liebesmahl mit Bruder Braun der heute seinen 47tn Geburtstag beging, seiner Gnadenwahl. Am 13tn ging Bruder Meder auf Hamiltons Plantage besuchen u. kam am 15tn zurück. Auf dem Hinwege erfuhr er eine besondere Bewahrung, indem der Maulesel, den der Verwalter einen von uns zu holen geschickt hatte, auf ebenem Wege auf die Knie fiel, so daß Bruder Meder über den Kopf des Thiers zu Boden stürzte; doch ohne Schaden zu nehmen.

Der dasige Verwalter beträgt sich sehr freundlich gegen uns. Er ist ein Irrländer [646] von Geburt u. hat die Gemeine in Gracehill in Irrland besucht. Bruder Meder hatte Abends sehr viele u. aufmercksame Zuhörer in der Versammlung. Obgenanter Verwalter u. noch einige weiße Leute waren mit zugegen u. er versprach das nächste mal das Zucker-Koch-Haus einzuräumen; weil es in einem Neger-Haus zu enge wäre. In der Viertelstunde der Getauften machte Bruder Brown denselben bekannt, daß 2 Brüder u. eine Schwester, die in Vergehungen gerathen, dieselben beweinet u. um Vergebung gebeten hätten, welche man ihnen hiermit ertheilen wolle. Zum Schluß dieser Versammlung wurde der Gemeine vorgestellt, ob sie nicht eine Collecte, zur Bezahlung der Arbeits-Leute beym neuen Kirchbau unter sich anstellen wollten? welches sie, zu unserer Freude, mit der größten Willigkeit, zu thun versprochen. Bruder Brown ging am 16tn auf Willoks Plantage. Der weiße Mann, der neulich die Störung in der Versammlung gemacht hatte, war auch da; betrug sich aber sehr ordentlich. Die Neger hatten seine Aufführung dem Herrn geklagt, der ihn darüber sehr genau genommen hatte. Am 17tn fingen wir an, die Briefe der [647] Apostel den Negern vorzulesen. Nach allen Versammlungen unterredeten wir uns noch mit den Zimmerleuten über den Bau unserer Kirche. Sie waren alle sehr freudig u. getrost, bald anzufangen u. gaben uns manchen guten Rath. Den Amos, einen AbendMahls Bruder, der sehr geschickt ist in der Zimmer-Arbeit, bestimten sie zum ersten Meister, auf dem alles beruhen sollte, u. Martin ebenfalls ein Abendmahls Bruder solte Untermeister seyn. Die Schwester Fyffe u. Mr Kennel, die uns beyde bey dem Bau sehr unterstüzen, waren auch dabey. Heute nachmittags besuchten die Schwestern Braunin u. Englerin eine krancke Neger-Schwester zu ihrem Trost u. Vergnügen. Eine Abendmahls Schwester kam heute weinend zur Schwester Braunin u. bezeugte, daß sie sich nach mehr Gnade sehne. Am 19tn ging Bruder Brown auf Herrn Burks Plantage, um zu sehen, ob da was unter den Negern mit der Verkündigung des Evangelii zu thun sey? Der Verwalter auf der Plantage ist ein freundlicher Mann u. will uns in allem Be behülflich seyn u. uns, wenn er noch vorher alles mit seinem Herrn [648] verabredet haben wird, ein Haus zur Versammlung anweisen. Die Neger freuten sich sehr den Bruder Brown zu sehen u. waren sehr aufmercksam auf das, was er ihnen vom Heiland sagte.

Am 22tn waren wieder verschiedene Neger in den Versammlungen von einigen neuen Plantagen, die ihre Namen aufschreiben ließen. Nach der Viertelstunde der Tauf-Candidaten u. Fremden erzehlte ihnen Bruder Brown etwas von der Collecte zum Kirchen-Bau, wozu sie eben so willig waren als die Getauften u. sie ließen dem Bruder Brown kaum Zeit auszureden. Einige hatten schon vorher ihre Scherflein u. Beytrag gebracht.

Am 25ten in der Abend-Versammlung, die Bruder Engler hielt, suchten einige weiße Leute eine Störung zu machen. Einer unserer Nachbarn hatte eine Gesellschaft bey sich, mit denen er in die Versamlung kam. Sie redten währender Rede laut mit einander u. einer lachte aus vollem Halse. Nach der Versammlung suchten einige, Händel mit den Negern anzufangen u. schlugen unter sie hinein, so daß die Neger anfingen zu schreyen [649] und zum Fenster hinaus zu springen. Wir danckten dem Heiland, daß es nicht so weit gegangen war, als sie sich vorgenommen hatten, wie wir hernach erfuhren. Am 26tn kamen Geschwister Brauns von ihrem Besuch auf verschiedenen Plantagen munter u. vergnügt zurück. In Richmond hielt er im Zucker-Kochhaus den häufig anwesenden Negern u. weißen Leuten eine Versammlung. Einige der leztern redeten hernach sehr hübsch u. erbaulich von der Bekehrung der Neger, in Gegenwart derselben u. ermahnten den Verwalter, er solle morgens u. abends mit seinen Negern beten und singen. Ein Catholick, der ebenfalls da war, redete nachher mit Bruder Brown, über einige Glaubens-Artickel.

Auf Herrn Burks Plantage fanden sie alles schon in Ordnung zur Versammlung für die Neger. Das Haus war hübsch zurechte gemacht, der Boden mit Brettern belegt u. gläßerne Lampen aufgehenckt u. bis zur Zucker-Erndte war daßelbe ganz zu den Versammlungen gewidmet. Bruder Brown hielt daselbst ebenfalls eine Rede an viele aufmercksame Zuhörer. Am 27tn [650] gingen wir, nach reiflicher Ueberlegung, was wir wegen der uns neulich gemachten Störung zu thun hätten, zum Friedens-Richter, Herrn Burk u. brachten die Sache nicht zust klage = sondern erzehlungsweise an. Nachdem er uns angehört u. vernommen hatte, wer die eigentlichen Friedens-Störer gewesen, sagte er, er wolle mit einem jeden drüber reden: wir dürften u. sollten keinesweges gestöret werden. Wir waren dem lieben Heiland danckbar, daß diese Sache, ohne viele Gerichtliche Umstände, abgethan werden kan. Eine Abendmahls Schwester erzehlte uns, sie habe von ihrem HErrn harte Schläge bekommen; weil sie das ihr auferlegte wöchentliche Geld nicht habe schaffen können. Ingleichen vernahmen wir, daß wir die Brüder Amos u. Martin nicht würden zu unserm Kirchenbau bekommen können.

Am 29ten wurde die Grund-Mauer zur Kirche fertig, woran die lieben Schwarzen willig gearbeitet hatten u. zwar sowol die Brüder als auch die Schwestern. Einige ledige Mannsleute hatten in Erinnerung des ledigen Brüder Festes ein Liebesmahl, wobey ihnen ein Begrif gemacht wurde, wie es in unsern [651] Gemeinen mit den Chören gehalten würde u. daß ein jedes Chor seinen eigenen Fest-Tag hätte. Bruder Engler hielt am 30tn das Begräbniß der Neger-Schwester Catharina, welche eine von den Erstlingen war, die durch die Predigt des Evangelii auf Martins Plantage für den Heiland gewonnen worden. In vorigem Jahre wurde sie auf ihrem schmerzhaften Kranckenlager getauft. Als ihr diese Gnade angezeigt wurde, so war sie vor Freuden ganz außer sich. Seit ihrer Taufe ging sie einen stillen seligen Gang. Ihrer Hütte nach wurde sie immer schwächer, bis sie am 29tn dieses sanfte im HErrn entschlief. Ihr beständiger Seufzer war: HErr, erbarme Dich meiner! Eine alte Negerin auf Martins Plantage, die bey einem Besuch des Bruder Englers das erste Wort vom Heiland hörte u. so begierig war, daß sie dem Bruder nicht von der Seite ging, war uns zu großer Freude. Am 31tn gedachten wir in der Abend-Versammlung, worinnen viele Weiße u. Schwarze waren, an den heute vor einem Jahr gewesenen Orcan u. danckten dem Heiland, daß Er uns dieses Jahr gnädig bewahrt hat.

[652] September. Am 2ten war ein solches Sturmwetter, daß viele Leute wieder einen Orcan vermutheten u. darauf praeparirten. Bruder Meder hatte auf Herrn Burks u. andern Plantagen, zu großer Freude der Neger besucht u. Versammlungen gehalten. Am 5tn versammleten sich viele Neger von den Plantagen zum Bettag, so, daß die Kirche ganz gepreßt voll war. Es wurden den Negern verschiedene Nachrichten aus den Carybischen Inseln u. aus Grönland gelesen, wobey alles sehr aufmercksam zuhörte. Die Viertelstunden gingen in der Ordnung fort. Die neuen Leute füllten allein in der ihrigen die Kirche an. 11 Männer u. 21 Weiber kamen unter die Tauf-Candidaten. Sodann wurden 9 Männer, Jeremias, Jacob, Lucas, Samuel, Stephan, Josua, Paulus, Abraham u. Wilhelm u. 7 Weiber: Theresia, Sophia, Amalia, Magdalena, Rebecca, Martha u. Eleonora unter einem seligen Gefühl, in Jesu Tod getauft. Unter den Männern waren die Erstlinge von Richmond u. den andern Plantagen, wo sich kürzlich eine neue Regung hervor gethan u. [653] auch einer, der schon lange getauft werden solte; aber bis jezo sich Bedenckzeit genommen u. sich es nun ausgebeten hatte. Wir weiße Geschwister hatten zum Schluß noch ein seliges AbendMahl. Am 7ten erinnerten wir uns des Ehefestes in den Gemeinen u. die beyden hiesigen Paare empfahlen sich dem Heiland zum Segnen. Wir bekamen heute einen Malatten zum Bau unsers Hauses als Zimmermeister, der seit Kurzem in die Versammlungen komt u. am 10ten fing er seine Arbeit an. Der neulich getaufte Bruder Jacob, der kräncklich ist, sagte dem Bruder Meder, der ihn am 11ten besuchte, er hätte ehe dem sehr leicht böse werden können; seit er aber mit dem Heiland umginge, wäre es nicht mehr so, worüber er sich wundere u. freue. Am 16tn ging Bruder Meder auf Welsens Plantage, einen krancken Tauf-Candidaten zu besuchen, auf deßen oftmaliges Verlangen. Er erklärte sich unter andern: Ich setze mein Vertrauen auf den Heiland ganz allein u. kan nicht anders, als immer an Ihn dencken, auch wenn ich auf meinem Bette liege. Ich habe ein großes Verlangen wieder unter [654] meinen Brüdern u. Schwestern zu seyn und bin ganz betrübt über meine lange Abwesenheit.

Am 16tn empfahlen wir uns unserm HErrn u. Aeltesten zu Seiner gnädigen Führung u. Leitung aufs neue. Auch wurden heute 2 neue Helfer ernannt, nemlich die Brüder Amos u. Josua, worüber sie sehr froh waren; weil unser Plan auf dieser Insel immer weitläuftiger wird.

Wir vernahmen auch heute, zu unserm Vergnügen, daß, als Herr Burk kürzlich auf seiner Plantage gewesen wäre, alle Neger, die Krancken nicht ausgenommen, zu ihm gekommen u. gesagt hätten: Meister, wir dancken euch, daß ihr uns den Lehrer geschickt habt; u. auf die Frage: Ob sie von dem, was sie gehört hätten, guten Gebrauch gemacht hätten? antworteten sie: Sie wären gesonnen, es zu thun. Der Helfer-Bruder David erfuhr dieser Tage eine besondre Bewahrung; indem er, beym Abbrechen des Hauses seines Herrn, herunter fiel; seinen lincken Daumen verlor er aber doch fast ganz, durch einen Balcken, [655] der ihm auf die Hand fiel. Am 20ten arbeiteten unsere Zimmerleute u. andre Neger, in ihren Freystunden, fleißig in ihrer Kirche. Nachmittags besuchte uns Herr Gilbert mit seiner Frau, die mit Bruder Meder von England gekommen sind, nebst noch einigen Methodisten. Am 23tn wurden wir wieder von einigen weißen Leuten, in unserer Versammlung gestört, so daß wir uns genöthiget sahen, den Gerichts-Diener holen zu laßen, in welcher Zeit sie sich entfernten, aber bald wieder kamen u. uns vermuthlich noch mehr gestört haben würden, wenn sich nicht einer unsrer Nachbarn unserer angenommen hätte. Am 24ten war ein sehr starckes Gewitter welches in ein Haus in der Stadt, ohne Schaden, einschlug; aber auf einer uns nahe gelegenen Plantage 2 Neger tödtete. Das Wetter continuirte am 25tn u. 26tn. Am 28tn machte Bruder Braun den Abendmahls-Geschwistern bekannt, daß einer aus ihnen, durch seine Untreuen, sich unsrer Gemeinschaft verlustig gemacht hätte.

October. Am ersten fanden wir in der Conferenz, daß seit dem lezten AbendMahl allerley schmerzliche Dinge unter unserm [656] Volcke vorgekommen waren; doch trauen wir dem Heiland zu, Er werde, als der treue Hirte, Seine verlorne Schäflein wieder finden. Am 2tn richtete Bruder Braun, bey dem Communions-Liebesmahl, einen herzlichen Gruß an alle Anwesende aus, von einer hier von den Brüdern getauften Malattin, Maria Magdalena, die von der Insel St. Vincent aus, schon 2mal an Bruder Brown geschrieben u. bezeugt habe, daß sie sich mit ihrem Herzen, an das hiesige Häuflein, anschließe. Darauf genoßen wir das heilige AbendMahl aufs allerseligste. Die Brüder Augustin u. Antonius u. die Schwestern Barbara u. Sara zum erstenmal mit uns. 2 Brüder wurden readmittirt, nachdem sie eine Weile es hatten entbehren müßen. Die folgenden Tage war Bruder Brown an einem hizigen Fieber sehr kranck, so daß wir seinetwegen in Sorgen waren. Unsern Helfern wünschten wir, am 8tn in der Conferenz, mehr Fleiß in ihrem Dienst u. zugleich, daß aus ihnen ein mehr gebeugtes u. verliebtes Herz gegen den Heiland heraus leuchten möge. Am 10tn kam Bruder Meder von seinem Besuch auf den benachbarten Plantagen, vergnügt zurück. Auf Herrn Burks Plantage finden [657] wir, in dem Betragen der Neger bey den Versammlungen, eine schöne Veränderung, u. sie werden immer ordentlicher. Bruder Brown hatte sich wieder so erholt, daß er am 12tn in die Stadt ging; u. zu unserer herzlichen Freude, brachte er uns Briefe aus der Gemeine mit. Wir sahen aus dem Briefe der Missions-Diaconie, wie brüderlich ja väterlich die Geschwister in den Gemeinen gegen uns gesinnet sind, nicht nur unsern Unterhalt betreffend, sondern auch, daß sie uns mit dem nöthigen Gelde zum Kirchbau unterstüzen wollen. Wir segnen sie dafür in unsern Herzen. Heute wurde die getaufte Schwester Hanna auf Ottos Plantage begraben. Es konnte niemand von uns bey dem Begräbniß seyn; weil der Verwalter daselbst uns nicht hinkommen läst. Der Helfer-Bruder Daniel sang einige Verse in ihrem Hause. Am 15tn besuchte Bruder Meder auf Hamilton eine krancke Negerin, auf ihr Verlangen. Er tröstete sie in ihrer Verlegenheit u. wieß sie zum Sünderfreund, der Sein Blut auch für sie vergoßen habe. An eben dem Tage wurde unsern Helfern etwas aus obbenannten Briefen, zu ihrer [658] Freude, gelesen, u. sie dadurch zum Danck gereizet. Am 17tn hatten 21 Neger-Brüder, die als Zimmerleute am Bau unsrer Kirche arbeiten, ein vergnügtes Liebesmahl mit uns. Bruder Brown war die folgenden Tage so kranck, daß wir am 21sten einen Medicum kommen ließen, worauf es sich ein wenig beßerte.

Am 24tn war Bruder Meder auf Herrn Burks Plantage u. redete daselbst, mit Freudigkeit, zu einer großen Menge Volcks, über Matth. 22,1–14. Als er sich nach der Versammlung noch mit einigen besonders unterredete, kam ein Neger, der seit Kurzem in die Versammlungen kommt, mit seinem Kind von 3 bis 4 Jahren u. bat, daß es heute noch möchte getauft werden. Das gab Gelegenheit, mit ihm von der Wichtigkeit der Taufe zu reden, u. wie wirs darinn mit Erwachsenen u. Kindern halten; worauf er sich dann bedeuten ließ u. ermahnet wurde, sein Kind, so gut er könnte, für den Heiland zu erziehen. Am 26tn besuchte uns der Herr Verwalter auf Hamiltons u. am 27tn der auf Herrn Burks Plantage. Lezterer beträgt sich allemal, wenn wir auf die Plantage kommen, sehr [659] freundlich u. liebreich gegen uns. Er war heute Abend bey uns zu Tische u. in der Versammlung. Wir vernahmen auch von ihm, daß er öfters des abends durch den Neger-Town auf die Plantagen gehe u. seit wir da Versammlungen hielten, observirt habe, daß einer von den Negern in seinem Hause singe u. zum Heiland, so gut er kan, bete, welches uns sehr erfreulich zu hören war.

Am 28tn wurde bekant gemacht, daß ein getauftes Ehepaar, welches eine Zeitlang ausgeschloßen war, nun wieder zu unserer Gemeinschaft gelange, u. die Geschwister ihnen alles vergeben möchten.

Am 30tn fiel der heute einfallende Bettag aus; weil wir gern, bis gegen Weyhnachten, mit unserm Bau fertig werden wollen; daher die Zimmerleute heute fleißig arbeiteten. Bruder Brown kam heute von einem Besuch auf Martins Plantage gesund u. wohl zurück.

November. Am ersten in der vergangenen Nacht hatte sich ein Neger in unser Haus geschlichen, um zu stehlen. Er war schon in eine Stube gegangen, wo aber 2 Negerinnen schliefen, welche, als sie ihn [660] beym Erwachen gewahr wurden, Lerm machten; worauf er sich, ehe wir noch kamen, davon machte. Wir waren froh, daß er seine Absicht noch nicht hatte ausführen können. Der Bruder David von Doheg ging am 3ten, als er zur Versammlung kam, noch vorher in die alte Kirche, u. betete laut zum Heiland.

Am 5tn wurden unsere Herzen gar sehr zum Loben u. Dancken gereizt, da unsere Zimmerleute, gegen Mittag, mit dem Aufsezen der neuen Kirche fertig wurden, u. zwar zum Preise unsers lieben HErrn, ohne Schaden zu nehmen, woran auch abends unsre Neger, in der Versammlung, Theil nahmen. Alle freuten sich, die neue Kirche schon so weit fertig zu sehen. Der Helfer-Bruder Abraham erzehlte uns von einem Tauf-Candidaten, der auf der Plantage Debuose Wächter auf dem Zuckerfelde ist, u. daher nicht zur Versammlung kommen kan, daß er ihm seinen Schmerz über den Verlust derselben bezeuget u. gesagt habe, er wolle lieber 100 Joels verlieren /: ein Joels ist ungefehr 1 £ 16 Schilling Sterling :/ als daß er nicht in die Versammlungen kommen könne. Am 7tn wurde wieder fleißig an der Kirche gearbeitet u. es kamen wol 50 Neger, um mit Hand an zu legen.

[661] Am 8ten bekamen wir einen alles erfrischenden Regen, nach einer etlich wöchigen Dürre, wofür wir dem lieben Heiland herzlich danckten; weil nichts mehr im Garten wachsen wolte u. unser Trinck-Wasser zu Ende ging. Am 9tn machte Bruder Brown den Negern, auf eine herzliche u. liebreiche Weise bekannt, daß das Geld, das sie zum Bau der Kirche gegeben, schon ausgegeben wäre: sie möchten noch einmal etwas zu dem Zweck zusammen tragen. Sie nahmen es mit Freudigkeit u. Willigkeit an u. verschiedene kamen in den folgenden Tagen u. brachten ihre Scherflein. Am 12tn nachmittags taufte Bruder Brown das Malatten-Kind der Schwester Lettice. Bruder Braun fragte das Kind, was sie wolle, daß er ihr thun solle? worauf sie ihr Verlangen nach der Taufe zu erkennen gab, welche sie denn bald darauf erhielt u. Elisabeth genannt wurde. Am 13tn fand Bruder Meder, beym Besuch auf Dohegs Plantage, zu seiner Freude, beim Helfer ein hübsches Häufgen Kinder. Auf Befragen, wozu sie dann hergekommen wären? sagten sie: sie kämen oft hieher; weil ihnen der Bruder Abraham Versammlung hielt. Am 14tn war das Begräbniß des neulich getauften Kindes Elisabeth, welche gestern [662] entschlafen war. Es war ein liebes Kind, u. war auch andern zum Segen damit, daß sie das, was sie in den Versammlungen gehört, so gut sie konte, wiederholte. Am 17tn taufte Bruder Meder das krancke Kind der Geschwister Bartholomäus u. Martha, auf ihr wiederholtes Bitten, mit Namen Eleonora. Am 21tn wendete der Heiland ein Unglück beim Bau an der Kirche, von unsern Negern ab; da das Gerüste, worauf einige stunden, mit ihnen herunter brach u. es ohne Schaden abging. Bruder Brown bekam heute einen Brief von Bruder Mack aus St. Thomas, den ein Abendmahls-Bruder Lorenz, der seinem Herrn ein Haus hier bauen soll, mitbrachte. Ingleichen bekamen wir am 25tn, zu unserer Freude, Briefe aus Europa, wie auch Loosungen u. Texte fürs künftge Jahr. Den Helfer-Brüdern u. Schwestern wurde heute der Gruß von der Unitaets Aeltesten Conferenz, zu ihrer großen Freude, ausgerichtet u. zugleich gemeldet, daß auf nächsten Sontag die Kirch-Einweyhung u. eine Taufe seyn würde. Am 27tn hatten wir einen freundschaftlichen Besuch von Herrn Burk u. einigen andern. Er sahe sich die neue Kirche u. unsern Garten mit Wohlgefallen an. Am 28tn als an dem zur Einweyhung bestimmten [663] Tage, war um 10 Uhr vormittags die erste Versamlung, in welcher Bruder Brown zuerst die schöne zupassende Loosung sang: Siehe da! eine Hütte Gottes bey den Menschen, u. Er wird bey ihnen wohnen u. ihr Gott seyn. Worauf er in einem herzlichen Gebet dieses Haus dem HErrn weyhete, daß in demselben manche arme, schüchterne Seele Ruhe finden u. auf den Weg des Heils geleitet werden möchte. Hierauf redete er noch über die obige Loosung. In der folgenden Versammlung wurden folgende 5 Männer u. 7 Weiber in Jesu Tod getauft, nemlich Richard, Jacob, Christian, Isaac, Abraham, Dorothea, Judith, Sara, Susanna, Letice, Maria u. Magdalena. Eine Negerin, die auch solte getauft werden, konnte nicht kommen. Nach dieser gesegneten Versammlung war ein Liebesmahl für alles hierseyende Volck. Es wurde vom Kirchbau geredet u. dem Heiland gedanckt, daß Er die Arbeitsleute vor Schaden gnädig behütet, welchen dann auch noch für ihren Fleiß u. Arbeit herzlich gedanckt wurde. Wir zehlten 27 Plantagen, von denen wir beständige Zuhörer haben. Heute waren 3 bis 400 Neger da u. die Kirche war noch nicht voll. Bruder Meder begrub noch heute [664] abends das neulich getaufte Kind Eleonora, auf Holidays Plantage. Viele unsrer Neger waren mit zugegen.

December. Am ersten taufte Bruder Brown die Negerin, die schon vergangenen Sontag solte getauft werden, auf Martins Plantage, u. nannte sie Patience. Am 3tn wurde Bruder Brown, der auf Mr Burks Plantage Versammlungen hielt von einem Neger so gestört, daß er eine Zeitlang inne halten muste. Besagter Neger, der in Herrn Gilberts Versammlungen geht, wurde wie entzückt u. fiel auf den Boden. Man muste ihn endlich hinaus führen; weil er zum andern mal einen gleichen Zufall bekam. Bruder Brown redete nachher mit ihm darüber. Er gab vor, er habe etwas gesehen. Weil heute einige Getaufte sich hatten verleiten laßen, zu einer Lustbarkeit zu gehen, so hielt Bruder Brown in der Versammlung allen Negern nachdrücklich vor, daß es sich für einen, der dem Heiland allein leben wolte, nicht paßte, an solche Orte zu gehen, u. am wenigsten für die Getauften u. Abendmahlsgenoßen.

Am 4tn ermahnten wir bey dem Communions-Liebesmahl die Geschwister, unsern Brüdern u. Schwestern in Europa, für ihre Hülfe zu unserer neuen [665] Kirche, zu dancken. Darauf hielten wir 6 weiße u. 76 schwarze Geschwister ein seligs Abendmahl, wozu John u. Carity zum erstenmal gelangten. Gleicher Gnade solte noch eine Schwester Christiana theilhaftig werden, welche aber am Fieber kranck darnieder lag. Am Sontag d. 5tn war die Kirche fast ganz voll. Den Zimmerleuten u. Maurern, die an der neuen Kirche gearbeitet haben, wurde ein Liebesmahl gemacht. 31 waren zugegen. Am 8ten kam ein Neger von Herrn Burres Plantage, anzufragen, ob es unrecht sey, wenn sie sich beym Begräbniß seiner Schwester, eines Kindes von 7–8 Jahren, nach der Neger Art, erlustigten. Wir erwiederten, wenn sie in den Wegen Gottes gehen wollten, so wäre es allerdings nicht recht. Man sieht hieraus, daß die dortigen Neger, seit wir ihnen predigen, nicht mehr ruhig sind, sondern christlich wandeln wollen. Weil nun benanntes Kind sowol, als seine Eltern u. Verwandten in unsere Versammlungen gekommen sind: so ritte Bruder Meder hin, das Begräbniß zu halten u. redete zu einer großen Menge Leichenbegleiter, über die Worte: Wer [666] an mich gläubet, der wird nimmermehr sterben. Die Leute auf dieser Plantage waren so ordentlich u. stille bey dem Begräbniß, daß es eine Freude zu sehen war. Die Eltern des Kindes bedanckten sich nachher, daß ihr Kind auf Christliche Weise begraben sey. Auch die weißen Leute sagten unter einander: Ist diese Weise zu begraben nicht beßer, als der Neger ihre Lustbarkeiten? Diese bestehen darinnen: Derjenige, dem jemand verstorben ist, muß denen, die zum Begräbniß kommen, mit verschiedenen Sorten von starckem Geträncke aufwarten, dazu kommt noch das Eßen. Es kommen bey solchen Gelegenheiten sehr viele Gäste, u. wer nur kan, kommt dahin. Während dem Saufen wird auf einer Art von Trommel getrommelt, auf einem Brett mit Hölzern geschlagen u. dazu von einigen, auf eine Heÿdnische Art, gesungen u. getanzt. Am 13ten u. 14tn hatten wir wieder, nach einem starcken Gewitter, einen schönen Regen, der das Land erfrischte. Am 15tn war der vom Herrn Gouverneur durch diese ganze Insel ausgeschriebene Dancktag, für die, seit [667] dem lezten Orcan, von Gott empfangene Wohlthaten, in Ansehung des guten Anscheins zur Fruchtbarkeit des Landes. Wir feyerten den Tag auch mit unsern lieben Schwarzen u. hatten 4 Versamlungen. In der ersten machte Bruder Brown dem Volck eine Idee von diesem Tage u. redte über die schöne Loosung. In der 2ten las er etwas zupassendes aus dem Jeremia u. Matthäus, u. merckte dabey eines u. anders an. In der 3tn wurde das Te Deum laudamus gesungen u. auf den Knien dem HErrn für alle Wohlthaten gedanckt, u. in der 4tn Versamlung redete Bruder Brown noch über den Text. Bruder Meder, der auf Burks Plantage mit den Negern den Tag beging, hatte so viel Zuhörer, daß er genöthiget wurde, die Versammlung unter freyem Himmel zu halten. Das Volck lagerte sich unter einen großen schattigten Tamarinden-Baum u. einige sezten sich auf die Aeste. Sonst war die Versammlung eben so u. gleiches Innhalts, als wie zu Hause u. es war alles sehr aufmercksam. Es scheint, der Heiland will sich auch in diesem Theil der [668] Insel einen reichen Schmerzenslohn einsammlen. Heute hatten wir 600 Neger zu Zuhörern, die aufmercksam u. freudig das Wort aufnahmen. Wir wünschen nur, daß es der Heiland fügen wolle, daß wir ein Stück Land nahe an Herrn Burks Plantage kriegen könnten, zu einer Kirche u. Wohnhaus für ein Paar Geschwister, die sich der Neger daselbst annehmen; weil wir von der Stadt aus zu weit dahin haben, als daß man die Neger gehörig besorgen könnte. Es war auch, nebst andern weißen Leuten, ein Catholischer Verwalter zugegen, welcher bezeugte, er habe uns ganz anders befunden, als man uns beschrieben hätte u. erzehlte, auf Befragen, er habe vernommen, wir lehrten, die Neger sollten nicht für ihre Herrschaft arbeiten. Wir versicherten ihn, daß wir das gerade Gegentheil lehrten. Bruder Meder hatte auch mit dasigem Verwalter, einem religiösen Mann, aus der Englischen Kirche, eine vergnügte Herzens-Unterredung. Am 16tn besuchte Bruder Brown eine Krancke Getaufte auf Faerlys Plantage, wo sich, seit Kurzem, eine Regung unter den Negern hervor [669] gethan hat. Sie führt den Namen vom Admiral Ferrol, welcher nebst seiner Gemahlin, ein gottseliges Leben geführt haben soll. Die Neger können sie nicht vergeßen u. sagen: Ey! lebte unser Meister u. Frau noch, sie würden uns eine Kirche bauen; denn es war ihr Haupt-Anliegen, daß ihre Neger in dem Wege Gottes geleitet würden, so wie ihrs jezt thut. Ihr waret aber noch nicht da, u. kein Weißer gibt sich so viele Mühe mit uns Negern, als ihr es thut. Ein hiesiger Neger hat express ein kleines Haus für uns zurechte gemacht. Bruder Braun hatte abends eine sehr zahlreiche u. aufmercksame Versammlung zu der er mit warmen Herzen redte. Mit den 2 schon oft gedachten Malattinnen, die den andern aus der Bibel vorlesen, redete er auch ins besondere u. sie verlangen nun, in nähere Gemeinschaft mit uns zu kommen. Am 18tn mittags hielt er auf Martins Plantage einer Anzahl Kinder eine Versamlung, wozu der Helfer Abraham mit etwan 20 Kindern, als ein Gros-Vater, von Doheg kam. Am 19ten nach der Predigt sagte ein Treiber: Wer an solche Pläze geht, wie dieser ist, [670] der wird bewahrt werden, Böses zu thun. Bruder Braun besuchte am 20tn den Herrn Burk[WS 12], mit dem er, wegen seiner Neger Kommen zur Christnacht-Wache redete; weil auf allen Straßen in den Weyhnachtsfeyertagen Wachen gesezt sind, die auf die Neger acht haben müßen. Herr Burk rieth dem Bruder Brown, auf was Weise seine Neger frey in die Kirche gehen könnten. Sie solten nemlich nicht viele zusammen in einer Gesellschaft gehen, u. keinen Stock oder Messer bey sich haben. Am 22tn in der Abend-Versamlung wurden die Neger ermahnt, sich vor den in den bevorstehenden Tagen gewöhnlichen sowol äusserlichen als innerlichen Verführungen zu hüten. Denn Weiße u. Schwarze dencken da an nichts als an gut Eßen u. Trincken u. andere Lustbarkeiten.

Am 24tn feyerten wir das Fest der Geburt unsers Heilands mit einem Danckgebet, für diese unschäzbare Wohlthat. Nachher war ein Liebesmahl, welches mit Erzehlung der Geschichte u. zupassenden Versen unterhalten wurde. Heute frühe war der ledige Bruder Adolph auf Doheg selig heimgegangen. Er ging so wohl vor als nach seiner Taufe [671] einen hübschen u. seligen Gang. Wir konnten ihn zwar, unserer Umstände wegen, nicht selbst besuchen; aber der Helfer Abraham unterhielt ihn, mit seinem stammelnden Gesang. Sein Alter war ohngefehr 20 Jahre. Der 25te wurde mit einer Predigt u. andern gewöhnlichen Versammlungen begangen. Wir hatten den Schmerz, daß wegen der Freude über eine gute u. reichliche Zucker-Erndte, sowol bey Weißen als Schwarzen, alles voller Lustbarkeiten war u. daß unsere Versammlungen weniger als sonst besucht worden. Am 26tn war der lezte Bettag in diesem Jahr u. es wurde die von der Unitaets Aeltesten Conferenz für Antigoa gezogene Loosung nochmals beherziget u. gewünscht, daß sowol die alten als neuen Zuhörer sich immermehr mit uns in den Wunden Jesu weiden u. ihr ewiges Heil da finden möchten. Nachmittags taufte Bruder Brown 3 Männer, Augustin, John u. Carl, u. 4 Weiber, Johanna, Catharina, Anna u. Caritas in Jesu Tod. Am 27tn feyerten 150 Kinder das Gedächtniß der Geburt ihres Jesuleins u. beteten unter Bruder Browns Gebet daßelbe [672] auf den Knien an. Nachher sahen wir die Neger von einer jeden Plantage besonders u. sagten ihnen, was wir ihnen vom Heiland wünschten. Wir sahen Leute von 31 Plantagen, u. außer dem kommen noch Neger von 16 Plantagen her, so daß wir von 47 u. also von mehr Plantagen als vorm Jahr Zuhörer haben. Die Art, wie viele ihr Herz ausdrückten, machte uns würcklich die Augen übergehen. Am 31sten zum Schluß des Jahrs versammlete sich viel Volcks, so wol aus der Stadt als aus dem Lande. Bruder Brown redete über die Loosung des Tages, wiederholte die merckwürdigsten Begebenheiten des Jahrs, fiel mit der Versammlung auf die Knie u. danckte dem Heiland für alles Gute. Zulezt las er noch die Loosung u. den Text des ersten Januars.

Preiß, Ehre u. Macht sey Ihm von uns armen Erlößten gebracht.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bemühhungen
  2. Vorlage: kennnen
  3. Vorlage: Stubenaufsehern
  4. Vorlage: nahnn
  5. Vorlage: seimem
  6. Vorlage: sverschiedene
  7. Vorlage: Sünderim
  8. Vorlage: Wiederholung sind
  9. s.o. Nr. 6.)
  10. s.o. Nr. 9.)
  11. s.o. Nr. 11.)
  12. Vorlage: Bork