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Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl I/Elftes Capitel

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Zehntes Capitel Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band (1875)
von Charles Darwin
Zwölftes Capitel (II. Band)


[401]
Elftes Capitel.
Insecten. (Fortsetzung.) Ordnung: Lepidoptera.
Geschlechtliche Werbung der Schmetterlinge. – Kämpfe. – Klopfende Geräusche. – Farben beiden Geschlechtern gemeinsam oder brillanter bei den Männchen. – Beispiele. – Sind nicht Folge der directen Wirkung der Lebensbedingungen. – Farben als Schutzmittel angepasst. – Färbungen der Nachtschmetterlinge. – Entfaltung. – Wahrnehmungsvermögen der Lepidoptern. – Variabilität. – Ursachen der Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Männchen und Weibchen. – Mimicrie; weibliche Schmetterlinge brillanter gefärbt als die Männchen. – Helle Farben der Raupen. – Zusammenfassung und Schlussbemerkungen über die secundären Sexualcharactere der Insecten. – Vögel und Insecten mit einander verglichen.

Der interessanteste Punkt für uns ist bei dieser grossen Ordnung die Verschiedenheit in der Färbung zwischen den Geschlechtern einer und derselben Species und zwischen den verschiedenen Species einer und derselben Gattung. Beinahe dieses ganze Capitel wird diesem Gegenstande gewidmet sein; ich will aber zuerst einige wenige Bemerkungen über einen oder zwei andere Punkte machen. Oft kann man mehrere Männchen sehen, welche ein Weibchen verfolgen oder sich um dasselbe versammeln. Ihre Bewerbung scheint eine sich sehr in die Länge ziehende Angelegenheit zu sein, denn ich habe häufig ein oder mehrere Männchen beobachtet, wie sie um ein Weibchen herumtanzten, bis ich ermüdet wurde, ohne das Ende der Bewerbung auch nur vorauszusehen. Auch theilt mir Mr. A. G. Butler mit, dass er mehrere Male eine volle Viertelstunde lang ein Männchen in seinen Bewerbungen um ein Weibchen beobachtet habe; dasselbe wies es aber hartnäckig zurück und liess sich zuletzt auf die Erde nieder, schloss seine Flügel und entgieng so seinen Annäherungen.

Obgleich Schmetterlinge so schwache und zerbrechliche Wesen sind, sind sie doch kampfsüchtig; man hat eine Iris[1] gefangen, deren [402] Flügelspitzen in Folge eines Kampfes mit einem andern Männchen gebrochen waren. Mr. Collingwood erzählt von den häufigen Kämpfen zwischen den Schmetterlingen von Borneo und sagt: „sie drehen sich mit der grössten Schnelligkeit um einander herum und scheinen von der grössten Wuth erregt zu sein.“

Die Ageronia feronia bringt ein Geräusch hervor wie das eines Zahnrades, welches unter einem federnden Sperrhaken läuft, und welches in der Entfernung von mehreren Yards gehört werden kann. Bei Rio de Janeiro hörte ich dieses Geräusch nur, als zwei Schmetterlinge einander in unregelmässigem Laufe jagten, so dass es wahrscheinlich während der Bewerbung der Geschlechter hervorgebracht wird.[2]

Auch einige Nachtschmetterlinge bringen Laute hervor, z. B. die Männchen von Thecophora fovea. Bei zwei Gelegenheiten hörte Mr. Buchanan White,[3] wie das Männchen von Hylophila prasinana ein scharfes schnelles Geräusch erzeugte, welches, wie er meint, in derselben Weise hervorgebracht wird, wie bei Cicada, nämlich durch eine mit einem Muskel versehene elastische Membran. Er citirt auch Guenée dafür, dass Setina ein Geräusch hervorbringt wie das Ticken einer Uhr, wie es scheint „mit Hülfe zweier grosser paukenförmiger Blasen in der Brustgegend; dieselben sind beim Männchen viel mehr entwickelt als beim Weibchen“. Es scheinen daher die lauterzeugenden Organe bei den Lepidoptern in einer gewissen Beziehung zu den Sexualfunctionen zu stehen. Das bekannte Geräusch des Todtenkopfschwärmers will ich nicht erwähnen; es wird meist bald nachdem der Schmetterling die Puppenhülle verlassen hat, gehört.

Girard hat immer beobachtet, dass der moschusartige Geruch, welchen zwei Arten von Sphinx-Schwärmern von sich geben, den Männchen eigenthümlich ist;[4] in den höheren Thierclassen werden wir viele Beispiele dafür finden, dass allein die Männchen Geruch geben.

[403] Jedermann muss die ausserordentliche Schönheit vieler Tag- und Nachtschmetterlinge bewundert haben; und wir werden zu der Frage veranlasst: sind diese Färbungen und verschiedenen Zeichnungen das Resultat der directen Wirkung der physikalischen Bedingungen, denen diese Insecten ausgesetzt gewesen sind, ohne irgendwelchen daraus fliessenden Vortheil? oder sind nach einander auftretende Abänderungen angehäuft und entweder als Schutzmittel oder für irgend einen unbekannten Zweck festgehalten worden, oder dazu dass das eine Geschlecht dem anderen anziehend gemacht werde? Und ferner, was ist die Bedeutung davon, dass bei den Männchen und Weibchen gewisser Species die Färbungen sehr verschieden und bei den beiden Geschlechtern anderer Species gleich sind? Ehe wir versuchen, diese Fragen zu beantworten, muss eine Anzahl von Thatsachen hier mitgetheilt werden.

Bei unseren schönen englischen Schmetterlingen, dem Admiral, dem Pfauenauge, den Fuchsen (Vanessae), und vielen andern sind die Geschlechter einander gleich. Dies ist auch der Fall bei den prachtvollen Heliconiden und den meisten Danaiden der Tropenländer. Aber bei gewissen andern tropischen Gruppen und bei einigen unserer englischen Schmetterlinge, so bei der Iris, dem Aurorafalter u. s. w. (Apatura Iris und Anthocharis cardamines), weichen die Geschlechter entweder bedeutend oder nur unbedeutend in der Farbe von einander ab. Es ist unmöglich den Glanz der Männchen einiger tropischer Species mit Worten zu schildern. Selbst innerhalb einer und der nämlichen Gattung finden wir oft Species, welche eine ausserordentliche Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern darbieten, während bei andern die Geschlechter nahezu gleich sind. So theilt mir Mr. Bates, welchem ich für die meisten der folgenden Thatsachen ebenso wie dafür, dass er diese ganze Erörterung nochmals durchgesehen hat, sehr verbunden bin, mit, dass er von der südamericanischen Gattung Epicallia zwölf Species kennt, von denen die beiden Geschlechter an denselben Orten schwärmen (und dies ist nicht immer bei Schmetterlingen der Fall), welche daher nicht durch die äusseren Bedingungen verschieden beeinflusst worden sein können.[5] Von neun unter diesen zwölf Species gehören die Männchen zu den brillantesten von allen [404] Schmetterlingen und weichen so bedeutend von den vergleichsweise einfachen Weibchen ab, dass sie früher in besondere Gattungen gestellt wurden. Die Weibchen dieser neun Species sind einander in dem allgemeinen Typus ihrer Färbung ähnlich und sind gleichfalls beiden Geschlechtern der Arten mehrerer verwandten Gattungen ähnlich, welche sich in verschiedenen Theilen der Erde finden. Wir können daher schliessen, dass diese neun Species und wahrscheinlich alle übrigen Arten dieser Gattung von einer vorelterlichen Form abstammen, welche in nahezu derselben Weise gefärbt war. Bei der zehnten Species behält das Weibchen noch immer dieselbe allgemeine Färbung, aber das Männchen ist ihm ähnlich, so dass dies in einer viel weniger auffallenden und abstechenden Art gefärbt ist als die Männchen der vorhergehenden Species. Bei der elften und zwölften Species weichen die Weibchen von dem bei ihrem Geschlechte in dieser Gattung gewöhnlichen Typus der Färbung ab, denn sie sind in nahezu derselben Weise lebhaft decorirt, beinah wie die Männchen, aber in einem etwas geringeren Grade. Es scheinen also bei diesen beiden Arten die hellen Farben der Männchen auf die Weibchen übertragen worden zu sein, während das Männchen der zehnten Species die einfache Färbung sowohl des Weibchens als der elterlichen Form der Gattung entweder beibehalten oder wiedererlangt hat. Die beiden Geschlechter in diesen drei Fällen sind daher, wenn auch in einer entgegengesetzten Art und Weise, nahezu gleich gemacht worden. In der verwandten Gattung Eubagis sind beide Geschlechter einiger Species einfach gefärbt und einander nahezu gleich, während bei der grösseren Zahl die Männchen mit schönen metallischen Färbungen in einer verschiedenartigen Weise verziert sind und bedeutend von ihren Weibchen abweichen. Durch die ganze Gattung hindurch behalten die Weibchen denselben allgemeinen Character, so dass sie gewöhnlich einander bedeutend ähnlicher sind als ihren eigenen Männchen.

Bei der Gattung Papilio sind alle Species der Gruppe Aeneas merkwürdig wegen ihrer auffallenden und stark contrastirenden Farben und sie erläutern die häufig vorhandene Neigung, in der Grösse der Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern gradweise Abstufungen eintreten zu lassen. In einigen wenigen Species, z. B. bei P. ascanius, sind die Männchen und Weibchen einander gleich; bei andern sind die Männchen entweder ein wenig heller oder sehr viel glänzender gefärbt als die Weibchen. Die unsern Vanessae verwandte Gattung [405] Junonia bietet einen nahezu parallelen Fall dar; denn obgleich die Geschlechter der meisten ihrer Species einander ähnlich sind und satter Färbung entbehren, so ist doch in gewissen Species, wie z. B. bei J. oenone, das Männchen etwas glänzender gefärbt als das Weibchen, und bei einigen wenigen (z. B. J. andremiaja) ist das Männchen von dem Weibchen so verschieden, dass es leicht fälschlich für eine vollständig verschiedene Species genommen werden kann.

Auf einen andern merkwürdigen Fall machte mich im British Museum Mr. A. Butler aufmerksam, nämlich auf die Theclae aus dem tropischen America, bei denen beide Geschlechter nahezu gleich und wundervoll glänzend sind. Bei einer andern Art ist das Männchen in einer ähnlichen prächtigen Weise gefärbt, während die ganze obere Fläche des Weibchens von einem dunklen gleichförmigen Braun ist. Unsere gemeinen kleinen blauen englischen Schmetterlinge der Gattung Lycaena erläutern die verschiedenen Differenzen in der Färbung zwischen den Geschlechtern fast ebensogut, wenn auch nicht in einer so auffallenden Weise, wie die eben genannten exotischen Gattungen. Bei Lycaena agestis haben beide Geschlechter braune, mit kleinen orangenen Augenflecken geränderte Flügel und sind folglich gleich. Bei L. aegon sind die Flügel des Männchens schön blau mit Schwarz gerändert, während die Flügel des Weibchens braun sind mit einem ähnlichen Rande und denen von L. agestis sehr ähnlich. Endlich sind bei L. arion beide Geschlechter von blauer Farbe und nahezu gleich, obschon beim Weibchen die Ränder der Flügel etwas trüber und die schwarzen Flecke deutlicher sind. Und in einer hellblauen indischen Species sind beide Geschlechter einander noch mehr gleich.

Ich habe die vorstehenden Fälle in ziemlichem Detail mitgetheilt, um an erster Stelle zu zeigen, dass, wenn die Geschlechter bei Schmetterlingen von einander abweichen, der allgemeinen Regel nach das Männchen das schönste ist und am meisten von dem gewöhnlichen Typus der Färbung der Gruppe, zu welcher die Art gehört, abweicht. In den meisten Gruppen sind daher die Weibchen der verschiedenen Species einander viel ähnlicher als es die Männchen sind. Indessen sind in einigen Fällen, auf welche ich später noch hinzuweisen haben werde, die Weibchen glänzender gefärbt als die Männchen. An zweiter Stelle sind die obigen Fälle mitgetheilt worden, um es dem Leser klar zu machen, dass innerhalb einer und der nämlichen Gattung die beiden Geschlechter häufig jede Abstufung von gar keiner [406] Verschiedenheit in der Färbung bis zu einer so bedeutenden darbieten, dass es lange gedauert hat, ehe die beiden Geschlechter von den Entomologen in eine und dieselbe Gattung gestellt wurden. Wir haben aber drittens auch gesehen, dass, wenn die Geschlechter einander ziemlich ähnlich sind, dies allem Anscheine nach entweder die Folge davon ist, dass das Männchen seine Farben dem Weibchen überliefert hat, oder dass das Männchen die ursprünglichen Farben der Gattung zu welcher die Art gehört, beibehalten oder vielleicht auch wiedererlangt hat. Auch verdient es Beachtung, dass in denjenigen Gruppen, bei denen die Geschlechter verschieden sind, die Weibchen gewöhnlich in einer gewissen Ausdehnung den Männchen ähnlich sind, so dass, wenn die Männchen in einem ausserordentlichen Grade schön sind, auch die Weibchen fast ausnahmslos einen gewissen Grad von Schönheit ihrerseits darbieten. Aus den zahlreichen Fällen von Abstufung in dem Betrage an Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern und aus dem Vorherrschen desselben allgemeinen Typus der Färbung durch die ganze Gruppe hindurch können wir schliessen, dass es im Allgemeinen dieselben Ursachen gewesen sind, welche die brillante Färbung allein der Männchen bei manchen Species und beider Geschlechter in mehr oder weniger gleichem Grade bei andern Species bestimmt haben.

Da so viele prachtvolle Schmetterlinge die Tropenländer bewohnen, so ist oft vermuthet worden, dass sie ihre Farben der grossen Wärme und Feuchtigkeit dieser Zonen verdanken. Aber aus der Vergleichung verschiedener nahe verwandter Gruppen von Insecten aus den gemässigten und den tropischen Ländern hat Mr. Bates gezeigt,[6] dass diese Ansicht nicht aufrecht erhalten werden kann; und die Belege hierfür werden zwingend, sobald brillant gefärbte Männchen und einfach gefärbte Weibchen einer und derselben Species den nämlichen Bezirk bewohnen, sich von demselben Futter ernähren und genau dieselben Lebensbedingungen haben. Selbst wenn die Geschlechter einander ähnlich sind, können wir kaum glauben, dass ihre brillanten und schön angeordneten Farben das zwecklose Resultat einer besonderen Beschaffenheit der Gewebe und eine Folge der Einwirkung der umgebenden Bedingungen sind.

Sobald die Farbe zu irgend einem speciellen Zwecke modificirt [407] worden ist, ist dies, und zwar bei Thieren aller Arten, soweit wir es beurtheilen können, zum Zwecke des Schutzes oder zur Bildung eines Anziehungsmittels der Geschlechter an einander geschehen. Bei vielen Arten von Schmetterlingen sind die oberen Flächen der Flügel dunkel gefärbt, und dies befähigt sie aller Wahrscheinlichkeit nach dazu, der Beobachtung und der Gefahr zu entgehen. Aber Schmetterlinge sind vorzüglich wenn sie ruhen den Angriffen ihrer Feinde ausgesetzt und die meisten Arten erheben beim Ruhen ihre Flügel senkrecht über ihren Rücken, so dass nur die unteren Seiten dem Blicke ausgesetzt sind. Diese Seite ist es daher, welche in vielen Fällen in auffallender Weise so gefärbt ist, dass sie den Gegenständen gleicht, auf welche diese Insecten sich am häufigsten niederlassen. Ich glaube, es war Dr. Rössler, welcher zuerst die Aehnlichkeit der geschlossenen Flügel gewisser Vanessae und anderer Schmetterlinge mit der Rinde von Bäumen bemerkte. Viele analoge auffallende Fälle könnten hier noch mitgetheilt werden. Der interessanteste Fall ist der, den Mr. Wallace[7] von einem gewöhnlichen indischen und sumatraner Schmetterling (Kallima) berichtet hat, welcher wie durch einen Zauber verschwindet, wenn er sich in einem Gebüsche niederlässt. Denn er verbirgt seinen Kopf und seine Antennen zwischen den geschlossenen Flügeln und diese können in ihrer Form, Färbung und Aderung von einem verwelkten Blatte in Verbindung mit dessen Stiel nicht unterschieden werden. In einigen andern Fällen ist die untere Fläche der Flügel brillant gefärbt und doch dient sie als Schutzmittel. So sind die Flügel bei Thecla rubi, wenn sie geschlossen sind, smaragdgrün und gleichen den jungen Blättern des Himbeerstrauchs, auf welchen dieser Schmetterling im Frühjahr am häufigsten sitzend anzutreffen ist. Es ist auch merkwürdig, dass bei sehr vielen Arten, bei denen die Geschlechter in der Farbe der oberen Fläche bedeutend von einander abweichen, die untere Fläche in beiden Geschlechtern sehr ähnlich oder identisch gefärbt ist und als Schutzmittel dient.[8]

Obgleich die dunklen Färbungen der oberen oder unteren Flächen vieler Schmetterlinge ohne Zweifel dazu dienen, sie zu verbergen, so können wir doch diese Ansicht nicht auf die brillanten und auffallenden [408] Färbungen der obern Fläche solcher Arten ausdehnen, wie z. B. auf unsern Admiral und unser Pfauenauge, die Vanessae, unsern weissen Kohlschmetterling (Pieris) oder den grossen schwalbenschwänzigen Papilio, welcher auf offenen Gründen schwärmt. Denn es sind diese Schmetterlinge durch jene Farben sichtbar für jedes lebende Wesen gemacht worden. Bei diesen Species sind beide Geschlechter einander gleich; aber bei dem gemeinen Citronenvogel (Gonepterix rhamni) ist das Männchen intensiv gelb, während das Weibchen viel blässer ist, und bei dem Aurorafalter (Anthocharis cardamines) haben nur die Männchen die glänzenden orangenen Spitzen an ihren Flügeln. In diesen Fällen sind die Männchen und Weibchen gleichmässig in die Augen fallend und es ist nicht glaubhaft, dass ihre Verschiedenheit in der Färbung in irgend einer Beziehung zu gewöhnlichen Schutzmitteln steht. Prof. Weismann bemerkt,[9] dass das Weibchen einer der Lycaenen ihre braunen Flügel ausbreitet, wenn es sich auf den Boden setzt, und dann beinahe unsichtbar ist; andrerseits schliesst das Männchen, wenn es ruht, seine Flügel, als wenn es wüsste, welche Gefahr ihm das helle Blau der obern Fläche derselben brächte. Dies zeigt, dass die blaue Farbe in keiner Weise protectiv sein kann. Nichtsdestoweniger ist es wahrscheinlich, dass die auffallenden Farben vieler Species in einer indirecten Weise wohlthätig sind und zwar dadurch, dass dieselben es sofort zu erkennen geben, dass sie ungeniessbar sind. Denn in gewissen andern Fällen ist die Schönheit durch die Nachahmung anderer schöner Species erreicht worden, welche denselben Bezirk bewohnen und vor Angriffen dadurch sicher geworden sind, dass sie in irgendwelcher Weise den Feinden offensiv sind; dann haben wir aber noch immer die Schönheit der nachgeahmten Species zu erklären.

Das Weibchen unseres Aurorafalters, welcher oben erwähnt wurde, und einer americanischen Species (Anthocharis genutia) bietet uns, wie Mr. Walsh gegen mich geäussert hat, wahrscheinlich die ursprünglichen Farben der elterlichen Art der ganzen Gattung dar; denn beide Geschlechter von vier oder fünf sehr weit verbreiteten Arten sind in nahezu derselben Art und Weise gefärbt. Wir können hier schliessen, wie in mehreren der vorhergehenden Fälle, dass es die Männchen von Anthocharis cardamines und genutia sind, welche von dem gewöhnlichen [409] Typus der Färbung ihrer Gattung abgewichen sind. Bei der Anth. sara von Californien sind die orangenen Spitzen beim Weibchen zum Theil entwickelt worden; sie sind aber blässer als beim Männchen und in einigen andern Beziehungen unbedeutend verschieden. Bei einer verwandten indischen Form, der Iphias glaucippe, sind die orangenen Spitzen in beiden Geschlechtern völlig entwickelt. Bei dieser Iphias gleicht die untere Fläche der Flügel, worauf mich Mr. A. Butler aufmerksam gemacht hat, in merkwürdiger Weise einem blassgefärbten Blatte; und bei unserem englischen Aurorafalter gleicht die untere Fläche dem Blüthenkopfe der wilden Petersilie, auf welcher man denselben häufig sich zur Nachtruhe niederlassen sehen kann.[10] Dieselbe Beweiskraft, welche uns dazu zwingt, zu glauben, dass die untere Fläche in diesen Fällen zum Zwecke des Schutzes gefärbt worden ist, veranlasst uns aber auch es zu läugnen, dass in den Fällen, wo die Flügel mit hellem Orange an der Spitze versehen worden sind, und besonders wenn dieser Character auf das Männchen beschränkt ist, dies zu demselben Zwecke geschehen sei.

Die meisten Nachtschmetterlinge ruhen während des ganzen Tages oder des grösseren Theils desselben bewegungslos mit herabhängenden Flügeln, und die oberen Flächen der Flügel sind oft, wie Mr. Wallace bemerkt hat, in einer wunderbaren Weise schattirt und gefärbt, um der Entdeckung zu entgehen. Bei den Bombyciden und Noctuiden[11] bedecken im Ruhezustande die Vorderflügel die Hinterflügel und verbergen dieselben, so dass die letzteren ohne grosse Gefahr glänzend gefärbt sein können; und so sind sie in vielen Species beider Familien wirklich gefärbt. Während des Flugs sind diese Schmetterlinge oft im Stande, ihren Feinden zu entgehen; nichtsdestoweniger müssen, da die Hinterflügel beim Fliegen dem Blicke vollständig ausgesetzt sind, die glänzenden Farben derselben allgemein auf Kosten einer gewissen Gefahr erlangt worden sein. Aber die folgende Thatsache zeigt uns, wie vorsichtig wir sein müssen beim Ziehen von Schlüssen über einen derartigen Gegenstand. Die gemeinen Gelbbandeulen (Triphaena) fliegen oft während des Tages oder des frühen Abends herum und sind dann wegen der Farbe ihrer Hinterflügel sehr auffallend. Man würde [410] natürlich hier denken, dass dies eine Quelle der Gefahr sei; aber Mr. Jenner Weir glaubt, dass dies factisch ein Mittel zur Sicherung ist. Denn die Vögel stossen auf diese glänzend gefärbten und zerbrechlichen Flächen statt auf den Körper. So that z. B. Mr. Weir ein kräftiges Exemplar von Triphaena pronuba in seine Volière, welches sofort von einem Rothkehlchen verfolgt wurde; da aber die Aufmerksamkeit des Vogels sich auf die gefärbten Flügel richtete, so wurde die Motte nicht eher als nach ungefähr fünfzig Versuchen gefangen und nachdem kleine Partieen der Flügel wiederholt abgebrochen worden waren. Er versuchte dasselbe Experiment in freier Luft mit einer Triphaena fimbria und einer Schwalbe, aber die bedeutende Grösse dieser Motte verhinderte wahrscheinlich ihr Gefangenwerden.[12] Wir werden hierdurch an eine von Mr. Wallace[13] gemachte Angabe erinnert, nämlich dass in den brasilianischen Wäldern und auf den malayischen Inseln viele häufige und auffallend decorirte Schmetterlinge nur schwache Flieger sind, trotzdem sie in ihren Flügeln eine grosse Fläche besitzen; und „oft werden sie mit durchbohrten und gebrochenen Flügeln gefangen, als wenn sie von Vögeln ergriffen worden wären. Wären die Flügel im Verhältnisse zum Körper viel kleiner gewesen, so würde das Insect, wie es scheint, wahrscheinlich häufiger an einem wichtigen Theile getroffen oder durchbohrt worden sein, und deshalb kann wohl die Zunahme der Flächenausdehnung der Flügel indirect eine Wohlthat für das Insect gewesen sein.“

Entfaltung der Reize. – Die hellen Farben vieler Tag- und einiger Nacht-Schmetterlinge sind besonders zur Entfaltung angeordnet worden, so dass sie leicht gesehen werden können. Helle Farben werden zur Nachtzeit nicht sichtbar sein; und es lässt sich nicht zweifeln, dass Nachtschmetterlinge im Ganzen genommen viel weniger lebhaft gefärbt sind als Tagschmetterlinge, von denen alle ihrer Lebensweise nach Tagthiere sind. Aber die Nachtschmetterlinge gewisser Familien, so z. B. der Zygaeniden, mehrere Sphingiden, Uraniiden, einige Arctiiden und Saturniiden fliegen während des Tags oder des frühen Abends herum, und viele dieser Arten sind ausserordentlich schön und viel glänzender gefärbt als die im strengen Sinne Nachts [411] lebenden Arten. Einige wenige Ausnahmsfälle von glänzend gefärbten Nachtfliegern sind indessen beschrieben worden.[14]

Wir haben auch noch einen Beweis anderer Art in Bezug auf diese Entfaltung. Wie vorhin erwähnt erheben die Tagschmetterlinge ihre Flügel im Ruhezustande; und während sie im Sonnenscheine ausruhen, erheben sie oft abwechselnd die Flügel und lassen sie wieder sinken, wodurch sie beide Oberflächen vollständig dem Blicke aussetzen; obschon nun die untere Fläche oft als Schutzmittel in einer dunklen Weise gefärbt ist, so ist sie doch in vielen Species ebenso glänzend gefärbt als die Oberfläche, zuweilen auch in einer sehr verschiedenen Weise. Bei einigen tropischen Species ist die untere Fläche selbst noch brillanter gefärbt als die obere.[15] Bei dem grossen Perlmutterfalter, der Argynnis aglaia, ist nur die untere Fläche mit glänzenden Silberflecken verziert. Nichtsdestoweniger ist der allgemeinen Regel nach die obere Fläche, welche wahrscheinlich die vollständiger exponirte ist, glänzender und in einer verschiedenartigeren Weise gefärbt als die untere. Es bietet daher die untere Fläche im Allgemeinen den Entomologen die nützlichsten Merkmale dar zum Auffinden der Verwandtschaften der verschiedenen Arten. Fritz Müller theilt mir mit, dass in der Nähe seines Hauses in Südbrasilien drei Arten von Castnia gefunden werden; bei zweien von ihnen sind die Hinterflügel dunkel und stets von den Vorderflügeln bedeckt, wenn diese Schmetterlinge ruhen. Die dritte Art aber hat schwarze, schön mit Roth und Weiss gefleckte Hinterflügel, und diese werden vollständig ausgebreitet und entfaltet, sobald nur immer der Schmetterling ruht. Es könnten noch andere derartige Fälle hinzugefügt werden.

Wenn wir uns nun zu der enormen Gruppe der Nachtschmetterlinge wenden, welche, wie ich von Mr. Stainton höre, gewöhnlich die untere Fläche ihrer Flügel nicht vollständig dem Blicke aussetzen, so finden wir, dass diese Seite sehr selten glänzender gefärbt ist als die [412] obere, oder auch nur mit gleichem Glanze. Einige Ausnahmen von dieser Regel, entweder wirkliche oder scheinbare, müssen angeführt werden, so die Hypopyra.[16] Mr. R. Trimen theilt mir mit, dass in Guenée’s grossem Werke drei Motten abgebildet sind, bei denen die untere Fläche weitaus die brillanteste ist. So ist z. B. bei der australischen Gastrophora die obere Fläche der Vorderflügel blass gräulichockergelb, während die untere Fläche prachtvoll mit einem Augenflecke von Kobaltblau verziert ist, welcher in der Mitte eines schwarzen, von Orangegelb und nach aussen von Bläulichweiss geränderten Fleckes sich befindet. Aber die Lebensweise dieser drei Schmetterlinge ist unbekannt, so dass für diese ungewöhnliche Art der Färbung keine Erklärung gegeben werden kann. Auch theilt mir Mr. Trimen mit, dass die untere Fläche der Flügel gewisser anderer Geometrae[17] und viertheiliger Noctuae entweder bunter oder glänzender gefärbt ist als die obere Fläche; aber einige dieser Species haben die Gewohnheit, „ihre Flügel vollständig aufrecht über ihren Rücken zu halten und in dieser Stellung eine beträchtliche Zeit zu bleiben“, wobei sie die untere Fläche dem Blicke aussetzen. Andere Species haben, wenn sie sich auf den Boden oder auf Pflanzen niederlassen, die Gewohnheit, ihre Flügel dann und wann plötzlich leicht zu erheben. Es ist daher die Thatsache, dass die untere Fläche der Flügel bei manchen Motten glänzender gefärbt ist als die obere, kein so anomaler Umstand, als es auf den ersten Blick erscheint. Die Saturniiden enthalten einige der schönsten unter allen Nachtschmetterlingen, ihre Flügel sind wie beim kleinen Nachtpfauenauge mit schönen Augenflecken verziert, und Mr. T. W. Wood[18] macht die Bemerkung, dass sie in manchen ihrer Bewegungen Tagschmetterlingen gleichen, „z. B. in dem sanften Auf- und Abschwingen ihrer Flügel, als wenn es auf eine Entfaltung ihrer Schönheit ankäme, welches für die Tagschmetterlinge characteristischer ist als für Nachtschmetterlinge“.

Es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass bei keinem britischen Nachtschmetterling, und kaum bei irgendwelchen ausländischen Arten, soweit ich es wenigstens nachweisen kann, sobald sie brillant gefärbt [413] sind, die Geschlechter in Bezug auf die Färbung bedeutend von einander verschieden sind, trotzdem dies bei vielen glänzend gefärbten Tagschmetterlingen der Fall ist. Indess wird ein americanischer Nachtfalter, die Saturnia Jo, beschrieben als im Besitze tiefgelber und merkwürdig mit purpurrothen Flecken gezeichneter Vorderflügel, während die Flügel des Weibchens purpurbraun und mit grauen Linien gezeichnet sind.[19] Die britischen Nachtschmetterlinge, welche in ihrer Färbung dem Geschlechte nach verschieden sind, sind alle braun oder haben verschiedene Farbennuancen von Schmutzig-gelb oder fast Weiss. Bei mehreren Species sind die Männchen viel dunkler als die Weibchen,[20] und diese gehören Gruppen an, welche meistens während des Nachmittags fliegen. Auf der anderen Seite haben bei vielen Gattungen, wie mir Mr. Stainton mittheilt, die Männchen weissere Unterflügel als die Weibchen, für welche Thatsache Agrotis exclamationis ein gutes Beispiel darbietet. Bei dem Hopfenspinner (Hepialus humuli) ist die Verschiedenheit schärfer ausgesprochen, die Männchen sind weiss und die Weibchen gelb mit dunkleren Zeichnungen.[21] Wahrscheinlich werden hierdurch die Männchen in diesen Fällen auffallender [414] und können von den Weibchen, während sie in der Dämmerung herumfliegen, leichter gesehen werden.

Nach den verschiedenen im Vorstehenden erwähnten Thatsachen ist es unmöglich anzunehmen, dass die brillanten Farben von Tagschmetterlingen und einigen wenigen Nachtfaltern im Allgemeinen zum Zwecke des Schutzes erlangt worden seien. Wir haben gesehen, dass ihre Färbungen und eleganten Zeichnungen so, als wenn es auf eine Entfaltung derselben abgesehen sei, angeordnet sind und dem Anblicke dargeboten werden. Ich werde daher zu der Vermuthung geleitet, dass die Weibchen im Allgemeinen die brillanter gefärbten Männchen vorziehen oder von diesen am meisten angeregt werden; denn nach jeder andern Annahme würden die Männchen, so weit wir sehen können, zu gar keinem Zwecke geschmückt sein. Wir wissen, dass Ameisen und gewisse lamellicorne Käfer eines Gefühls der Zuneigung für einander fähig sind und dass Ameisen ihre Genossen nach einem Verlaufe von mehreren Monaten wiedererkennen. Es liegt daher keine abstracte Unwahrscheinlichkeit vor, dass die Lepidoptern, welche in der Stufenleiter wahrscheinlich nahezu oder vollständig so hoch stehen wie jene Insecten, hinreichende geistige Fähigkeiten haben sollten, helle Färbungen zu bewundern. Sie finden sicher Blüthen durch deren Färbungen. Der Taubenschwanz (Macroglossa stellatarum) stürzt sich, wie oft beobachtet werden kann, aus einer ziemlichen Entfernung auf eine Gruppe Blüthen in der Mitte von grünem Laube, und zwei Personen haben mir versichert, dass dieser Schwärmer wiederholt an den Wänden eines Zimmers auf gemalte Blumen hinflog und vergebens versuchte, seinen Rüssel in dieselben einzuführen. Fritz Müller theilt mir mit, dass mehrere Arten von Schmetterlingen in Südbrasilien eine unverkennbare Vorliebe für gewisse Farben vor andern zeigen: er beobachtete, dass sie die brillanten rothen Blüthen von fünf oder sechs Gattungen von Pflanzen sehr häufig aufsuchten, aber niemals die weiss oder gelb blühenden Arten derselben oder anderer Gattungen, die in dem nämlichen Garten wuchsen; auch habe ich noch andere Berichte in demselben Sinne erhalten. Der gemeine weisse Schmetterling fliegt oft, wie ich von Mr. Doubleday höre, auf ein Stück Papier auf der Erde hinunter, indem er dasselbe ohne Zweifel für ein Insect seiner Art hält. Mr. Collingwood[22] erzählt von der Schwierigkeit, gewisse [415] Schmetterlinge in dem malayischen Archipel zu sammeln, und gibt an, dass „ein auf einen auffallend vorspringenden Zweig gestecktes todtes Exemplar oft ein Insect derselben Species in seinem stürmischen Fluge aufhält und in den Bereich des Netzes herabbringt, besonders wenn es dem andern Geschlechte angehört“.

Die Werbung der beiden Geschlechter bei Schmetterlingen ist, wie schon bemerkt wurde, eine langwierige Angelegenheit. Die Männchen kämpfen zuweilen aus Eifersucht mit einander und man sieht oft, wie viele um ein und dasselbe Weibchen herumjagen oder sich um dasselbe versammeln. Wenn nun die Weibchen nicht ein Männchen dem andern vorziehen, so muss die Paarung dem blossen Zufalle überlassen sein, und dies scheint mir durchaus nicht der wahrscheinliche Ausgang zu sein. Wenn auf der andern Seite die Weibchen gewöhnlich, oder selbst nur gelegentlich, die schöneren Männchen vorziehen, so werden die Farben der letzteren gradweise glänzender geworden sein und werden auf beide Geschlechter oder nur auf ein Geschlecht vererbt worden sein je nach dem gerade vorherrschenden Gesetze der Vererbung. Sind die Schlussfolgerungen, zu denen wir aus verschiedenen Arten von Belegen in dem Anhange zum neunten Capitel gelangt sind, zuverlässig, so wird der Process der geschlechtlichen Zuchtwahl durch einen Umstand sehr erleichtert worden sein, nämlich dadurch dass die Männchen vieler Lepidoptern, wenigstens im Imagozustande, die Weibchen bedeutend an Zahl übertreffen.

Einige Thatsachen stehen indessen der Annahme, dass weibliche Schmetterlinge die schöneren Männchen vorziehen, entgegen. So ist mir von mehreren Beobachtern versichert worden, dass frische Weibchen häufig in der Paarung mit abgeflogenen, abgeblassten oder schmutzigen Männchen zu sehen sind. Doch ist dies ein Umstand, welcher in vielen Fällen kaum ausbleiben kann, da die Männchen zeitiger aus ihren Puppenhüllen ausschlüpfen als die Weibchen. Bei Nachtschmetterlingen aus der Familie der Bombyciden paaren sich die Geschlechter unmittelbar nachdem sie die Form des Imago angenommen haben; denn wegen des rudimentären Zustands ihrer Mundorgane können sie sich nicht ernähren. Wie mir mehrere Entomologen bemerkt haben, befinden sich die Weibchen in einem fast torpiden Zustande und scheinen auch nicht die mindeste Wahl in Bezug auf ihre Genossen zu äussern. Dies ist mit dem gemeinen Seidenschmetterling (Bombyx mori) der Fall, wie mir mehrere Züchter vom Continente [416] und in England gesagt haben. Dr. Wallace, welcher in Bezug auf die Züchtung von Bombyx Cynthia grosse Erfahrung hat, ist der Ueberzeugung, dass die Weibchen keine Wahl oder keine Vorliebe zeigen. Er hat über dreihundert von diesen Spinnern lebend zusammengehalten und hat oft die kräftigsten Weibchen mit verstümmelten Männchen sich paaren sehen. Wie es scheint, kommt das Umgekehrte selten vor. Denn wie er glaubt gehen die kräftigen Männchen bei den schwächlichen Weibchen vorüber und werden mehr von denen angezogen, welche die meiste Lebenskraft darbieten. Trotzdem die Bombyciden dunkel gefärbt sind, erscheinen sie nichtsdestoweniger wegen ihrer eleganten und bunten Schattirungen unserem Auge für schön.

Ich habe bis jetzt nur die Arten erwähnt, bei denen die Männchen heller gefärbt sind als die Weibchen, und habe ihre Schönheit dem Umstände zugeschrieben, dass viele Generationen hindurch die Weibchen die anziehenderen Männchen gewählt haben. Es kommen aber auch, wenn schon selten, umgekehrte Fälle vor, wo die Weibchen brillanter sind als die Männchen; hier haben, wie ich glaube, die Männchen die schöneren Weibchen gewählt und haben dadurch langsam deren Schönheit erhöht. Wir wissen nicht, warum in verschiedenen Classen des Thierreichs die Männchen einiger wenigen Species die schöneren Weibchen erwählt haben, statt mit Freuden irgend ein Weibchen zu nehmen, was im Thierreich die allgemeine Regel zu sein scheint; wenn aber, im Gegensatz zu dem, was allgemein bei den Lepidoptern der Fall ist, die Weibchen zahlreicher wären als die Männchen, so würden wahrscheinlich die letzteren die schöneren Weibchen aussuchen. Mr. Butler zeigte mir mehrere Arten von Callidryas im British Museum; bei einigen glichen die Weibchen den Männchen an Schönheit, bei andern übertrafen sie dieselben bedeutend; denn nur die Weibchen haben die Flügelränder mit Carmoisin und Orange unterlaufen und mit Schwarz gefleckt. Die einfachen Männchen dieser Arten gleichen einander sehr und zeigen damit, dass hier die Weibchen modificirt worden sind, während in den Fällen, wo die Männchen die geschmückteren sind, diese modificirt sind und die Weibchen einander fast gleich bleiben.

In England haben wir einige analoge, wenn schon nicht so ausgesprochene Fälle. Nur die Weibchen zweier Arten von Theda haben einen hellpurpurnen oder Orange-Fleck auf den Vorderflügeln. Bei Hipparchia sind die Geschlechter nicht sehr verschieden; es ist aber [417] das Weibchen von H. janira, welches einen auffallenden hellbraunen Fleck auf seinen Flügeln hat; und die Weibchen einiger von den andern Arten sind heller gefärbt als ihre Männchen. Ferner haben die Weibchen von Colias edusa und hyale „orange oder gelbe Flecke auf dem schwarzen Randsaume, die bei den Männchen nur durch dünne Striche angedeutet sind“; bei Pieris sind es die Weibchen, welche „mit schwarzen Flecken auf den Vorderflügeln verziert sind, dieselben sind bei den Männchen nur theilweise vorhanden“. Nun weiss man, dass die Männchen vieler Schmetterlinge die Weibchen während ihres Hochzeitsfluges tragen; in der eben genannten Art aber sind es die Weibchen, welche die Männchen tragen, so dass die Rollen, welche die beiden Geschlechter spielen, umgekehrt sind, wie es auch ihre relative Schönheit ist. Durch das ganze Thierreich hindurch stellen die Männchen bei der Werbung den thätigeren Theil dar, und ihre Schönheit scheint dadurch erhöht worden zu sein, dass die Weibchen die anziehenderen Individuen angenommen haben; bei diesen Schmetterlingen indessen übernehmen bei der endlichen Hochzeitsceremonie die Weibchen die thätigere Rolle, so dass wir annehmen dürfen, dass sie dies auch bei der Werbung thun. In diesem Falle können wir sehen, woher es kommt, dass sie die schöneren geworden sind. Mr. Meldola, dem die vorstehenden Angaben entnommen sind, sagt zum Schluss: „Obschon ich von der Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl beim Hervorbringen der Farben bei Insecten nicht überzeugt bin, kann es doch nicht geleugnet werden, dass diese Thatsachen Mr. Darwin’s Ansicht auffallend bestätigen“.[23]

Da geschlechtliche Zuchtwahl an erster Stelle von Variabilität abhängt, so müssen ein paar Worte über diesen Gegenstand noch hinzugefügt werden. In Bezug auf die Farbe besteht hier keine Schwierigkeit, da äusserst variable Lepidoptern in beliebiger Zahl angeführt werden können. Ein einziges gutes Beispiel wird hier genügen. Mr. Bates zeigte mir eine ganze Reihe von Exemplaren von Papilio Sesostris und Childrenae. Bei der letzteren Art variirten die Männchen sehr in der Grösse des schön emaillirten grünen Fleckes auf den [418] Vorderflügeln und in der Grösse sowohl des weissen Flecks als des glänzenden carmoisinrothen Streifens auf den Hinterflügeln, so dass zwischen den am meisten und am wenigsten glänzend gefärbten Männchen ein grosser Unterschied bestand. Das Männchen von Papilio Sesostris ist viel weniger schön als Papilio Childrenae. Auch dieses variirt etwas in der Grösse des grünen Flecks auf den Vorderflügeln und in dem gelegentlichen Auftreten eines kleinen carmoisinrothen Streifens auf den Hinterflügeln, der, wie es scheinen möchte, von dem Weibchen seiner eigenen Species entlehnt ist. Denn die Weibchen dieser und vieler anderen Species der Aeneas-Gruppe besitzen diesen carmoisinen Streifen. Es fand sich daher zwischen den glänzendsten Exemplaren von P. Sesostris und den wenigst glänzenden von P. Childrenae nur eine kleine Lücke; und offenbar lag, soweit blosse Variabilität in Betracht kam, keine Schwierigkeit vor, mittelst der Zuchtwahl die Schönheit der Species beständig zu erhöhen. Hier ist die Variabilität fast ganz auf das männliche Geschlecht beschränkt; aber Mr. Wallace und Mr. Bates haben gezeigt,[24] dass die Weibchen einiger Species ausserordentlich variabel sind, während die Männchen nahezu constant bleiben. In einem späteren Capitel werde ich zu zeigen Gelegenheit haben, dass die schönen, auf den Flügeln vieler Lepidoptern sich findenden Augenflecke oder Ocellen ausserordentlich variabel sind. Ich will hier hinzufügen, dass diese Ocellen nach der Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl eine Schwierigkeit darbieten; denn obschon sie uns so ornamental erscheinen, sind sie niemals in dem einen Geschlecht vorhanden und fehlen in dem andern, auch sind sie niemals in den beiden Geschlechtern sehr verschieden.[25] Diese Thatsache ist für jetzt unerklärlich; sollte aber später gefunden werden, dass die Bildung eines Ocellus Folge irgend einer, in einer sehr frühen Entwickelungsperiode auftretenden Veränderung der Gewebe der Flügel wäre, so dürfen wir nach dem, was wir von den Gesetzen der Vererbung wissen, erwarten, dass sie auf beide Geschlechter überliefert [419] werden würde, auch wenn sie in einem Geschlecht allein zuerst aufträte und ausgebildet würde.

Obgleich viele ernstliche Einwürfe erhoben werden können, so scheint es doch im Ganzen wahrscheinlich, dass die meisten derjenigen Species von Lepidoptern, welche brillant gefärbt sind, ihre Farben geschlechtlicher Zuchtwahl verdanken, ausgenommen gewisse, sofort zu erwähnende Fälle, bei denen die auffallende Färbung als ein Schutzmittel durch Mimicrie erlangt worden ist. In Folge der heftigeren Begierde des Männchens, durch das ganze Thierreich hindurch, ist dasselbe allgemein bereit, jedes Weibchen anzunehmen, und es ist gewöhnlich das Weibchen, welches eine Wahl ausübt. Wenn daher bei den Lepidoptern geschlechtliche Zuchtwahl eingewirkt hat, so müsste, wenn die Geschlechter verschieden sind, das Männchen das am brillantesten gefärbte sein, und dies ist unzweifelhaft die gewöhnliche Regel. Wenn beide Geschlechter brillant gefärbt sind und einander gleichen, so scheinen die von den Männchen erlangten Charactere auf beide Geschlechter überliefert worden zu sein. Wir werden zu diesem Schlusse durch Fälle geführt, selbst innerhalb einer und derselben Gattung, wo sich zwischen einem ausserordentlichen Grade von Verschiedenheit zwischen den beiden Geschlechtern bis zu einer Identität in der Färbung Abstufungen finden.

Man kann aber fragen, ob die Verschiedenheit in der Färbung zwischen den Geschlechtern nicht durch andre Mittel ausser der geschlechtlichen Zuchtwahl erklärt werden kann. So ist es bekannt,[26] dass die Männchen und Weibchen einer und derselben Species von Schmetterlingen in mehreren Fällen verschiedene Localitäten bewohnen, dass erstere meist im Sonnenscheine sich herumtummeln, während letztere düstere Wälder aufsuchen. Es ist daher möglich, dass verschiedene Lebensbedingungen direct auf die beiden Geschlechter eingewirkt haben; doch ist dies nicht wahrscheinlich,[27] da sie im erwachsenen Zustande nur während einer sehr kurzen Zeit verschiedenen Bedingungen ausgesetzt sind und die Larven beider den nämlichen Bedingungen unterliegen. Mr. Wallace glaubt, dass die Verschiedenheit [420] zwischen den Geschlechtern nicht sowohl eine Folge davon ist, dass die Männchen modificirt worden sind, als davon, dass die Weibchen in allen oder fast allen Fällen zum Zwecke des Schutzes dunkle Farben erlangt haben. Mir scheint es im Gegentheil viel wahrscheinlicher, dass in der grossen Majorität der Fälle nur die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl modificirt worden sind, während die Weibchen nur wenig verändert wurden. Wir können hiernach einsehen, woher es kommt, dass die Weibchen verschiedener, aber verwandter Species einander viel mehr ähnlich sind als die Männchen. Sie zeigen uns annähernd die ursprüngliche Färbung der elterlichen Species der Gruppe, zu welcher sie gehören. Indessen sind sie beinahe immer durch einige der aufeinanderfolgenden Stufen der Abänderung etwas modificirt worden, durch deren Anhäufung die Männchen schöner geworden sind. Doch will ich nicht leugnen, dass allein die Weibchen einiger Arten speciell zum Zwecke des Schutzes modificirt worden sein können. In den meisten Fällen werden die Männchen und Weibchen verschiedener Arten während ihrer längeren Larvenzustände verschiedenen Bedingungen ausgesetzt gewesen und können hierdurch indirect beeinflusst worden sein. Doch wird bei den Männchen jede unbedeutende Veränderung der Farbe, die hierdurch hervorgerufen wurde, meistens durch die mittelst sexueller Zuchtwahl erlangten brillanteren Färbungen maskirt worden sein. Wenn wir die Vögel besprechen werden, so werden wir die ganze Frage zu erörtern haben, ob die Verschiedenheiten der Färbung zwischen den Männchen und Weibchen eine Folge davon sind, dass die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl zu ornamentalen Zwecken, oder davon, dass die Weibchen durch natürliche Zuchtwahl zu protectiven Zwecken modificirt worden sind. Ich werde daher hier nur wenig über den Gegenstand sagen.

In allen den Fällen, in denen die häufigere Form einer gleichmässigen Vererbung auf beide Geschlechter vorgeherrscht hat, wird die Zuchtwahl der hellgefärbten Männchen auch streben, die Weibchen hellgefärbt zu machen, und die Zuchtwahl dunkel gefärbter Weibchen wird umgekehrt streben, die Männchen dunkel zu machen. Werden beide Vorgänge gleichzeitig durchgeführt, so werden sie dahin streben, einander zu neutralisiren; und das endliche Resultat wird davon abhängen, ob eine grössere Anzahl von Weibchen es erreicht, zahlreiche Nachkommen zu hinterlassen, weil sie durch dunkle Farben [421] geschützt waren, oder eine grössere Zahl von Männchen, weil sie heller gefärbt waren und dadurch Genossinnen fanden.

Um die häufige Ueberlieferung von Characteren auf ein Geschlecht allein zu erklären, drückt Mr. Wallace seine Ansicht dahin aus, dass die gewöhnlichere Form der gleichmässigen Vererbung auf beide Geschlechter durch natürliche Zuchtwahl in eine Vererbung auf ein Geschlecht allein verändert werden kann; ich kann aber keine diese Ansicht begünstigenden Belege finden. Wir wissen nach dem, was im Zustande der Domestication eintritt, dass neue Charactere oft erscheinen, welche von Anfang an auf ein Geschlecht allein überliefert werden; und es würde nicht im Geringsten schwierig sein, durch Zuchtwahl derartiger Abänderungen helle Farben nur den Männchen zu geben und gleichzeitig oder später nur den Weibchen dunklere Farben. Es ist wohl wahrscheinlich, dass auf diese Weise die Weibchen einiger Tag- und Nachtschmetterlinge zum Zwecke des Schutzes unscheinbar und von ihren Männchen sehr verschieden geworden sind.

Ohne entscheidende Beweise möchte ich indessen nicht annehmen, dass bei einer grossen Anzahl von Species zwei complicirte Processe von Zuchtwahl, von denen ein jeder die Ueberlieferung neuer Charactere auf ein Geschlecht allein erfordert, in Thätigkeit getreten sind, – wobei nämlich die Männchen durch das Besiegen ihrer Nebenbuhler glänzender und die Weibchen dadurch, dass sie ihren Feinden entgiengen, trübe gefärbt worden wären. Das Männchen des gewöhnlichen Citronenvogels (Gonepteryx) ist von einem bei weitem intensiveren Gelb als das Weibchen, obschon das letztere fast gleichmässig auffallend ist; und in diesem Falle scheint es nicht wahrscheinlich zu sein, dass letzteres seine blassere Färbung als ein Schutzmittel erlangt habe, trotzdem es wahrscheinlich ist, dass das Männchen seine helleren Farben als ein Mittel zur geschlechtlichen Anziehung erlangte. Das Weibchen von Anthocharis cardamines besitzt nicht die schönen orangenen Spitzen an seinen Flügeln, mit welchen das Männchen verziert ist. In Folge dessen ist es den in unsern Gärten so gemeinen weissen Schmetterlingen (Pieris) sehr ähnlich; wir haben aber keinen Beweis, dass diese Aehnlichkeit für die Art eine Wohlthat ist. Im Gegentheil, da dieses Weibchen beiden Geschlechtern mehrerer Species der nämlichen Gattung ähnlich ist, welche verschiedene Theile der Erde bewohnen, so ist es wahrscheinlich, dass es einfach in einem hohen Grade seine ursprünglichen Farben behalten hat.

[422] Verschiedene Betrachtungen führen endlich, wie wir gesehen haben, zu der Schlussfolgerung, dass bei der grösseren Anzahl brillant gefärbter Lepidoptern das Männchen es ist, welches hauptsächlich durch geschlechtliche Zuchtwahl modificirt worden ist. Die Grösse der Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern hängt von der Form von Vererbung ab, welche vorgeherrscht hat. Die Vererbung wird durch so viele unbekannte Gesetze oder Bedingungen bestimmt, dass sie uns in ihrer Wirkung äusserst launisch erscheint;[28] und insoweit können wir wohl einsehen, woher es kommt, dass bei nahe verwandten Species die Geschlechter entweder in einem erstaunlichen Grade von einander abweichen, oder in ihrer Färbung identisch sind. Da die auf einander folgenden Stufen in dem Processe der Abänderung nothwendig sämmtlich durch die Weibchen hindurch überliefert werden, so kann eine grössere oder geringere Anzahl solcher Veränderungszustände sich bei diesen leicht entwickeln, und hieraus können wir verstehen, weshalb sich so häufig eine Reihe feiner Abstufungen von einer ausserordentlich grossen Verschiedenheit bis zu einem durchaus nicht verschiedenen Zustande zwischen den Geschlechtern verwandter Species zeigt. Diese Fälle von Abstufungen sind, wie hinzugefügt werden mag, viel zu häufig, um die Vermuthung zu begünstigen, dass wir hier Weibchen vor uns sähen, welche factisch den Process des Uebergangs darböten und ihre glänzenden Farben zum Zwecke des Schutzes verlören. Denn wir haben allen Grund zu schliessen, dass in einer jeden gegebenen Zeit die grössere Zahl der Species sich in einem fixirten Zustande befindet.

Nachäffung, Mimicrie. – Dieses Princip ist zuerst in einem ausgezeichneten Aufsatze von Mr. Bates[29] klar nachgewiesen worden, welcher dadurch eine Masse Licht auf viele dunkle Probleme warf. Es war früher beobachtet worden, dass gewisse Schmetterlinge in Südamerica, welche zu völlig verschiedenen Familien gehören, den Heliconiden in jedem Striche und jeder Schattirung der Färbung so sehr glichen, dass sie nur durch einen erfahrenen Entomologen von jenen unterschieden werden konnten. Da die Heliconiden in ihrer gewöhnlichen Art und Weise gefärbt sind, während die Andern von der [423] gewöhnlichen Färbung der Gruppen, zu denen sie gehören, abweichen, ist es klar, dass die Letzteren die nachahmenden und die Heliconiden die nachgeahmten sind. Mr. Bates bemerkte ferner, dass die nachahmenden Species vergleichsweise selten sind, während die nachgeahmten in grossen Zahlen umherschwärmen, und dass die beiden Formen durcheinandergemischt leben. Aus der Thatsache, dass die Heliconiden in die Augen fallende und schöne Insecten, aber sowohl den Individuen als den Arten nach so zahlreich sind, folgerte er, dass sie gegen die Angriffe der Vögel durch irgend eine Absonderung oder einen Geruch geschützt sein müssten, und diese Folgerung ist jetzt in ausgedehnter Weise besonders durch Mr. Belt bestätigt worden.[30] Hieraus schloss nun Mr. Bates ferner, dass die Schmetterlinge, welche die geschützten Species nachahmen, ihre jetzige wunderbar täuschende Erscheinung durch Abänderung und natürliche Zuchtwahl erlangt haben, mit der Absicht, für die geschützten Arten gehalten zu werden und dadurch dem Gefressenwerden zu entgehen. Eine Erklärung der brillanten Farben der nachgeahmten Schmetterlinge wird hier nicht zu geben versucht, nur eine Erklärung der Färbung der nachahmenden. Die Farben der Ersteren müssen wir in derselben allgemeinen Weise uns erklären wie in den früheren in diesem Capitel erörterten Fällen. Seit der Veröffentlichung des Aufsatzes von Mr. Bates sind ähnliche und in gleicher Weise auffallende Thatsachen von Mr. Wallace in der malayischen Provinz, von Mr. Trimen in Südafrica und von Mr. Riley in den Vereinigten Staaten beobachtet worden.[31]

Da mehrere Schriftsteller es für sehr schwierig gehalten haben einzusehen, wie die ersten Schritte in dem Processe der Nachäffung durch natürliche Zuchtwahl hätten geschehen können, so dürfte die Bemerkung wohl zweckmässig sein, dass der Process wahrscheinlich vor langer Zeit bei Formen seinen Anfang nahm, welche in der Färbung einander nicht sehr unähnlich waren. In diesem Falle wird selbst eine geringe Abänderung von Vortheil sein, wenn die eine Species dadurch der andern gleicher gemacht wird; später kann die nachgeahmte [424] Species durch natürliche Zuchtwahl oder durch andere Mittel bis zu einem extremen Grade modificirt worden sein. Waren die Aenderungen stufenweise, so können die Nachahmer leicht denselben Weg geführt worden sein, bis sie in einem gleicherweise extremen Grade von ihrem ursprünglichen Zustande abwichen; sie können schliesslich ein Ansehen oder eine Färbung erreichen, welche der der andern Glieder der Gruppe, zu welcher sie gehören, völlig ungleich ist. Man muss sich auch daran erinnern, dass viele Species von Lepidoptern sehr gern beträchtlichen und plötzlichen Abänderungen in der Farbe unterliegen. Einige wenige Beispiele sind in diesem Capitel mitgetheilt worden; noch viel mehr sind in Mr. Bates’ und Mr. Wallace’s Abhandlungen zu finden.

Bei mehreren Species sind die Geschlechter einander gleich und ahmen die beiden Geschlechter einer andern Species nach. Mr. Trimen führt aber in dem bereits erwähnten Aufsatze drei Fälle an, wo die Geschlechter der nachgeahmten Form in der Färbung von einander abweichen und die Geschlechter der nachahmenden Art in gleicher Weise von einander verschieden sind. Es sind auch mehrere Fälle beschrieben worden, wo allein die Weibchen brillant gefärbte und geschützte Species nachahmen, während die Männchen „das normale Ansehen ihrer unmittelbaren Verwandten beibehalten“. Offenbar sind hier die auf einander folgenden Abänderungen, durch welche das Weibchen modificirt worden ist, auf dieses allein überliefert worden. Es ist indessen wahrscheinlich, dass einige der vielen auf einander folgenden Abänderungen auf die Männchen überliefert worden sein und sich in ihnen entwickelt haben würden, wären nicht derartige Männchen, weil sie den Weibchen weniger anziehend waren, eliminirt worden, so dass nur diejenigen Abänderungen erhalten wurden, welche vom Anfang an in ihrer Ueberlieferung auf das weibliche Geschlecht beschränkt waren. Wir haben eine theilweise Erläuterung für diese Bemerkungen in einer Angabe des Mr. Belt,[32] dass die Männchen einiger Leptaliden, welche geschützte Species nachahmen, noch immer in einer versteckten Art und Weise einige ihrer ursprünglichen Charactere beibehalten. So ist bei den Männchen „die obere Hälfte des Unterflügels rein weiss, während der ganze Rest des Flügels mit Schwarz, Roth und Gelb gebändert und gefleckt ist, wie bei der [425] nachgeahmten Species. Die Weibchen haben diesen weissen Fleck nicht, und die Männchen verbergen ihn gewöhnlich, dadurch dass sie ihn mit dem Oberflügel bedecken. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass er von irgend einem andern Nutzen für sie ist als von dem, als Reizmittel bei der Werbung zu dienen, wenn sie ihn den Weibchen darbieten und hierdurch deren tiefeingewurzelte Vorliebe für die normale Farbe der Ordnung befriedigen, zu welcher die Leptaliden gehören“.

Helle Färbung der Raupen. – Während ich über die Schönheit so vieler Schmetterlinge Betrachtungen anstellte, kam mir der Gedanke, dass ja auch mehrere Raupen glänzend gefärbt sind, und da geschlechtliche Zuchtwahl hier unmöglich eingewirkt haben kann, so erschien es mir voreilig, die Schönheit des geschlechtsreifen Insects der Wirksamkeit dieses Processes zuzuschreiben, wenn nicht die glänzenden Farben seiner Larven in irgend welcher Weise erklärt werden könnten. An erster Stelle mag bemerkt werden, dass die Farben der Raupen in keiner nahen Correlation zu denen des geschlechtsreifen Insects stehen. Zweitens dienen ihre glänzenden Farben in keiner gewöhnlichen Art und Weise zum Schutz. Als ein Beispiel hierfür theilt mir Mr. Bates mit, dass die am auffallendsten gefärbte Larve, welche er je gesehen hat (die einer Sphinx), auf den grünen Blättern eines Baumes in den offenen Llanos von Südamerica lebte. Sie war ungefähr 4 Zoll lang, quer schwarz und gelb gebändert und hatte Kopf, Reine und Schwanz hellroth. Sie fiel daher jedem Menschen, welcher vorbeigieng, in einer Entfernung von vielen Yards und ohne Zweifel auch jedem vorüberfliegenden Vogel auf.

Ich wandte mich nun an Mr. Wallace, welcher ein angeborenes Genie hat Schwierigkeiten zu lösen. Nach einigem Ueberlegen erwiederte er: „Die meisten Raupen erfordern Schutz, was sich daraus ableiten lässt, dass mehrere Arten mit Stacheln oder irritirenden Haaren versehen, und dass viele grün, wie die Blätter auf denen sie leben, oder den Zweigen derjenigen Bäume, auf welchen sie leben, merkwürdig gleich gefärbt sind“. Ich will noch als ein anderes Beispiel von Schutz hinzufügen, dass es, wie mir Mr. J. Mansel Weale mittheilt, eine Raupe eines Nachtschmetterlings gibt, welche auf den Mimosen in Südafrica lebt und sich eine Hülle fabricirt, welche von den umgebenden Dornen vollständig ununterscheidbar ist. Nach derartigen [426] Betrachtungen hielt es Mr. Wallace für wahrscheinlich, dass auffallend gefärbte Raupen dadurch geschützt seien, dass sie einen ekelerregenden Geschmack hätten. Da aber ihre Haut äusserst zart ist und da ihre Eingeweide leicht aus einer Wunde hervorquellen, so würde ein unbedeutendes Picken mit dem Schnabel eines Vogels für sie so lethal sein, als wenn sie gefressen worden wären. „Widriger „Geschmack allein würde daher“, wie Mr. Wallace bemerkt, „nicht genügend sein, eine Raupe zu schützen, wenn nicht irgend ein äusseres Zeichen dem Thiere, welches sie fressen will, anzeigte, dass die vorgebliche Beute ein widriger Bissen ist“. Unter diesen Umständen wird es in hohem Grade vorteilhaft für eine Raupe sein, augenblicklich und mit Sicherheit von allen Vögeln und anderen Thieren als ungeniessbar erkannt zu werden. Daher werden die prächtigsten Farben von Nutzen sein und können durch Abänderungen und durch das Ueberleben der am leichtesten wieder zu erkennenden Individuen erlangt worden sein.

Diese Hypothese erscheint auf den ersten Blick sehr kühn; als sie aber der entomologischen Gesellschaft[33] mitgetheilt wurde, tauchten verschiedene Angaben zu ihrer Unterstützung auf; Mr. J. Jenner Weir, welcher eine grosse Zahl von Vögeln in einer Volière hält, hat, wie er mir mittheilt, zahlreiche Versuche gemacht und findet keine Ausnahme von der Regel, dass alle Raupen von natürlicher und zurückgezogener Lebensweise mit glatter Haut, ferner alle von grüner Färbung, ebenso alle, welche Zweigen ähnlich sind, mit Gier von Vögeln verzehrt werden. Die mit Haaren und Stacheln besetzten Arten wurden ohne Ausnahme verschmäht, ebenso vier in einer auffallenden Weise gefärbte Arten. Wenn die Vögel eine Raupe verwarfen, so gaben sie deutlich durch das Schütteln ihres Kopfes und Reinigen ihres Schnabels zu erkennen, dass ihnen der Geschmack widerstand.[34] Mr. A. Butler gab gleichfalls drei auffallend gefärbte Arten von Raupen und Motten einigen Eidechsen und Fröschen und sie wurden [427] verschmäht, trotzdem dass andere Arten gierig gefressen wurden. Es ist hierdurch die grosse Wahrscheinlichkeit der Ansicht Mr. Wallace's bestätigt, dass nämlich gewisse Raupen zu ihrem eigenen Besten auffallend gefärbt worden sind, damit sie leicht von ihren Feinden wiedererkannt würden, beinahe nach dem nämlichen Grundsatze, wie die Apotheker gewisse Gifte zum Besten der Menschen in auffallend gefärbten Flaschen verkaufen. Für jetzt können wir indessen hierdurch die elegante Verschiedenartigkeit der Färbung vieler Raupen nicht erklären. Hätte aber irgend eine Species in einer früheren Zeit ein trübes, geflecktes oder gestreiftes Ansehen erlangt, entweder durch Nachahmung umgebender Gegenstände oder durch die directe Einwirkung des Climas u. s. w., so wird sie beinahe sicher nicht gleichförmig werden, wenn ihre Färbung intensiv und hell geworden war; denn um eine Raupe einfach auffallend zu machen, gibt es keine Zuchtwahl in irgend einer bestimmten Richtung.

Zusammenfassung und Schlussbemerkungen über Insecten. — Blicken wir zurück auf die verschiedenen Ordnungen, so sehen wir, dass die Geschlechter oft in verschiedenen Merkmalen von einander abweichen in einer Weise, deren Bedeutung nicht im mindesten einzusehen ist. Die Geschlechter weichen auch oft in ihren Sinnes- oder Locomotionsorganen von einander ab, so dass die Männchen schnell die Weibchen entdecken oder erreichen können, und noch öfter darin, dass die Männchen verschiedenartige Einrichtungen zum Halten der Weibchen besitzen, wenn sie sie einmal gefunden haben. Aber geschlechtliche Verschiedenheiten dieser Arten gehen uns hier nur in einem untergeordneten Grade an.

In beinahe allen Ordnungen kennt man Arten, deren Männchen, selbst wenn sie schwächlicher und zarter Natur sind, in hohem Grade kampfsüchtig sind, und einige wenige sind mit speciellen Waffen zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern ausgerüstet. Aber das Gesetz des Kampfes herrscht bei Insecten nicht nahe so weit vor wie bei höheren Thieren. Es ist daher wahrscheinlich aus diesem Grunde, dass die Männchen nur in wenig Fällen grösser und stärker geworden sind als die Weibchen. Im Gegentheil sind sie gewöhnlich kleiner, damit sie sich in einer kürzeren Zeit entwickeln können, um in grösserer Anzahl beim Ausschlüpfen der Weibchen in Bereitschaft zu sein.

In zwei Familien der Homoptern und dreien der Orthoptern besitzen [428] nur die Männchen lauterzeugende Organe in einem wirksamen Zustande. Dieselben werden während der Brunstzeit unaufhörlich gebraucht, nicht bloss um das Weibchen zu rufen, sondern auch um dieses anzuregen und zu bezaubern im Wettkampfe mit andern Männchen. Niemand, welcher die Wirksamkeit von Zuchtwahl irgend welcher Art zugibt, wird, nachdem er die obige Erörterung gelesen hat, bestreiten, dass diese musikalischen Instrumente durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. In vier andern Ordnungen sind die Individuen eines Geschlechts oder häufiger noch beider Geschlechter mit Organen zur Hervorbringung verschiedener Laute versehen, welche dem Anscheine nach bloss als Locktöne gebraucht werden. Wenn beide Geschlechter in dieser Weise ausgerüstet sind, werden diejenigen Individuen, welche im Stande sind, das lauteste oder anhaltendste Geräusch zu machen, vor denjenigen Individuen Genossen erhalten, welche weniger lärmend sind, so dass ihre Organe wahrscheinlich durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Es ist belehrend, über die wunderbare Mannichfaltigkeit der Mittel nachzudenken, durch welche Laute hervorgebracht werden: Einrichtungen, welche entweder die Männchen allein oder beide Geschlechter in nicht weniger als sechs Ordnungen besitzen. Wir lernen daraus, wie wirksam geschlechtliche Zuchtwahl gewesen ist bei der Hervorbringung von Modificationen, welche sich zuweilen, wie bei den Homoptern, auf bedeutungsvolle Theile der Organisation beziehen.

Nach den im letzten Capitel beigebrachten Gründen ist es wahrscheinlich, dass die grossen Hörner der Männchen vieler Lamellicornier und einiger anderer Käfer als Zierathen erlangt worden sind. Wegen der unbedeutenden Grösse der Insecten sind wir geneigt, ihre äussere Erscheinung zu unterschätzen. Wenn wir uns aber ein männliches Chalcosoma (Fig. 16) mit seinem polirten, bronzefarbigen Panzer, seinen ungeheuren, complicirten Hörnern zur Grösse eines Pferdes oder selbst nur eines Hundes vergrössert vorstellen könnten, so würde es eines der imponirendsten Thiere der Welt sein.

Die Färbung der Insecten ist ein complicirter und dunkler Gegenstand. Wenn das Männchen unbedeutend vom Weibchen abweicht und keines der beiden Geschlechter brillant gefärbt ist, so haben wahrscheinlich beide Geschlechter in einer unbedeutend verschiedenen Art und Weise variirt, wobei dann die Abweichungen von jedem Geschlechte auf das gleichnamige vererbt wurden, ohne dass daraus irgend ein [429] Vortheil oder Nachtheil hervorgieng. Wenn das Männchen brillant gefärbt ist und auffallend vom Weibchen abweicht, wie es bei manchen Libellen und vielen Schmetterlingen der Fall ist, so verdankt es wahrscheinlich seine Farben geschlechtlicher Zuchtwahl, während das Weibchen einen ursprünglichen oder sehr alten Typus der Färbung beibehalten hat, welcher nur unbedeutend durch die früher erörterten Einwirkungen modificirt worden ist. Aber in einigen Fällen ist offenbar das Weibchen dadurch dunkel geworden, dass Abänderungen als directes Schutzmittel auf es allein überliefert worden sind; und es ist beinahe gewiss, dass es zuweilen brillant gefärbt worden ist, um andere denselben Bezirk bewohnende geschützte Arten nachzuahmen. Wenn die Geschlechter einander ähnlich und beide dunkel gefärbt sind, so sind sie ohne Zweifel in einer Menge von Fällen zum Zwecke des Schutzes gefärbt worden. Dasselbe ist in einigen Beispielen der Fall, wo beide hell gefärbt sind, wodurch sie geschützte Species nachahmen oder umgebenden Gegenständen, wie Blüthen, ähnlich werden, oder ihren Feinden zu erkennen geben, dass sie von einer ungeniessbaren Art sind. In andern Fällen, wo die Geschlechter einander ähnlich und beide brillant gefärbt sind, und besonders wenn die Farben zur Entfaltung entwickelt sind, können wir schliessen, dass sie von dem männlichen Geschlechte als Anziehungsmittel erlangt und dann auf das Weibchen übertragen worden sind. Wir werden zu dieser Folgerung noch besonders geführt, sobald derselbe Typus der Färbung durch eine ganze Gruppe hindurch herrscht; und wir finden dann, dass die Männchen einiger Species von den Weibchen in der Färbung sehr abweichen, während beide Geschlechter anderer Species nur wenig verschieden oder völlig gleich sind, wobei dann zwischenliegende Abstufungen diese beiden extremen Zustände mit einander verbinden.

In derselben Art und Weise, wie helle Farben oft theilweise von den Männchen auf die Weibchen übertragen worden sind, ist es auch mit den ausserordentlichen Hörnern vieler Lamellicornier und anderer Käfer der Fall gewesen; so sind ferner die lauterzeugenden Organe, welche den Männchen der Homoptern und Orthoptern eigen sind, allgemein in einem rudimentären oder selbst in einem nahezu vollkommenen Zustande auf die Weibchen übertragen worden, allerdings nicht in einem hinreichend vollkommenen Zustande, um von irgend einem Nutzen zu sein. Es ist auch eine interessante und sich auf geschlechtliche Zuchtwahl beziehende Thatsache, dass die Stridulationsorgane [430] gewisser männlicher Orthoptern nicht eher als bis mit der letzten Häutung vollständig entwickelt werden und dass die Farben gewisser männlicher Libellen nicht eher vollständig entwickelt werden, als kurze Zeit nach ihrem Ausschlüpfen aus dem Puppenzustande und wenn sie zur Begattung reif sind.

Eine Wirksamkeit geschlechtlicher Zuchtwahl ist nur unter der Voraussetzung denkbar, dass die anziehenderen Individuen von dem andern Geschlechte vorgezogen werden, und da es bei den Insecten, wenn die Geschlechter von einander abweichen, das Männchen ist, welches mit seltenen Ausnahmen am meisten geziert ist und welches am meisten von dem Typus, zu welchem die Art gehört, abweicht, und da es das Männchen ist, welches begierig das Weibchen aufsucht, so müssen wir annehmen, dass gewöhnlich oder gelegentlich das Weibchen die schöneren Männchen vorzieht, und dass diese hierdurch ihre Schönheit erlangt haben. Dass in den meisten oder sämmtlichen Ordnungen die Weibchen das Vermögen haben, irgend ein besonderes Männchen zu verschmähen, ist nach den vielen eigenthümlichen Vorrichtungen wahrscheinlich, welche die Männchen besitzen, um die Weibchen zu ergreifen, wie grosse Kinnladen, Haftkissen, Dornen, verlängerte Beine u. s. w.; denn diese Einrichtungen zeigen, dass der Act seine Schwierigkeiten hat, so dass die Betheiligung des Weibchens nothwendig scheinen möchte. Nach dem, was wir von dem Wahrnehmungsvermögen und den Affecten verschiedener Insecten wissen, liegt von vornherein keine Unwahrscheinlichkeit vor, dass geschlechtliche Zuchtwahl in ziemlicher Ausdehnung in Thätigkeit getreten ist; wir haben aber bis jetzt noch keine directen Belege über diesen Punkt und einige Thatsachen widersprechen der Annahme. Nichtsdestoweniger können wir doch, wenn wir sehen, dass viele Männchen ein und dasselbe Weibchen verfolgen, kaum glauben, dass die Paarung einem blinden Zufalle überlassen wäre, — dass das Weibchen keine Wahl ausübte und von den prächtigen Färbungen oder anderen Zierathen, mit denen das Männchen allein decorirt ist, nicht beeinflusst werden sollte.

Wenn wir annehmen, dass die Weibchen der Homoptern und Orthoptern die von ihren männlichen Genossen hervorgebrachten musikalischen Laute würdigen und dass die verschiedenen Instrumente zu diesem Zwecke durch geschlechtliche Zuchtwahl vervollkommnet worden sind, so liegt in der weiteren Annahme wenig Unwahrscheinliches, [431] dass die Weibchen anderer Insecten Schönheit in der Form und Färbung würdigen und dass in Folge hiervon solche Merkmale von den Männchen zu diesem Zwecke erlangt worden sind. Aber wegen des Umstands, dass die Farbe so variabel und dass dieselbe so oft zum Zwecke des Schutzes modificirt worden ist, ist es schwierig zu entscheiden, wie zahlreich im Verhältniss die Fälle sind, bei welchen geschlechtliche Zuchtwahl ins Spiel gekommen ist. Dies ist ganz besonders schwierig in denjenigen Ordnungen, wie den Orthoptern, Hymenoptern und Coleoptern, bei welchen die beiden Geschlechter selten bedeutend in der Farbe von einander abweichen, denn wir sind hier auf blosse Analogie angewiesen. Was indessen die Coleoptern betrifft, so finden wir, wie vorhin bemerkt wurde, dass in der grossen Gruppe der Lamellicornier, welche von einigen Autoritäten an die Spitze der Ordnung gesetzt wird und bei welcher wir zuweilen eine gegenseitige Anhänglichkeit zwischen den Geschlechtern beobachten, die Männchen einiger Species in Besitz von Waffen zum geschlechtlichen Kampfe, andere mit wunderbaren Hörnern versehen, viele mit Stridulationsorganen ausgerüstet und andere wieder mit glänzenden metallischen Farben verziert sind. Es scheint daher hiernach wahrscheinlich, dass alle diese Charactere auf einem und demselben Wege erlangt worden sind, nämlich durch geschlechtliche Zuchtwahl. Bei den Schmetterlingen haben wir die besten Beweise hierfür, da die Männchen sich oft grosse Mühe geben, ihre schönen Farben zu entfalten; wir können nicht glauben, dass sie so handeln würden, wenn dies Entfalten bei der Werbung nicht für sie von Nutzen wäre.

Wenn wir von den Vögeln handeln werden, so werden wir sehen, dass sie in ihren secundären Sexualcharacteren die grösste Analogie mit den Insecten darbieten. So sind viele männliche Vögel in hohem Grade kampflustig und manche sind mit speciellen Waffen zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern ausgerüstet. Sie besitzen Organe, welche während der Brunstzeit zum Hervorbringen vocaler und instrumentaler Musik benutzt werden. Sie sind häufig mit Kämmen, Hörnern, Fleischlappen und Schmuckfedern der mannichfaltigsten Arten geschmückt und mit schönen Farben verziert, Alles offenbar zum Zweck der Entfaltung. Wir werden finden, dass, wie bei den Insecten, in gewissen Gruppen beide Geschlechter gleichmässig schön und gleichmässig mit Zierathen versehen sind, welche gewöhnlich auf das männliche Geschlecht beschränkt sind. In andern Gruppen sind beide Geschlechter [432] gleichmässig einfach gefärbt und ohne besondere Zierden. Endlich sind in einigen wenigen anomalen Fällen die Weibchen schöner als die Männchen. Wir werden oft in einer und derselben Gruppe von Vögeln jede Abstufung von gar keiner Verschiedenheit zwischen den beiden Geschlechtern bis zu einer äusserst grossen Verschiedenheit finden. Wir werden sehen, dass, ganz wie die weiblichen Insecten, die weiblichen Vögel oft mehr oder weniger deutliche Spuren oder Rudimente der Merkmale besitzen, welche eigentlich den Männchen gehörten und nur für sie von Nutzen sind. In der That ist die Analogie in allen diesen Beziehungen zwischen den Vögeln und Insecten eine merkwürdig grosse. Was für eine Erklärung nur immer in der einen Classe anwendbar ist, dieselbe lässt sich wahrscheinlich auch auf die andere anwenden; und diese Erklärung liegt, wie wir später noch in weiteren Details zu zeigen versuchen werden, in geschlechtlicher Zuchtwahl.

Ende des ersten Bandes.

  1. Apatura Iris: the Entomologist’s Weekly Intelligencer. 1850, p. 139. In Bezug auf die Schmetterlinge von Borneo s. C. Collingwood, Rambles of a Naturalist. 1868, p. 183.
  2. s. mein Journal of Researches. 1845, p. 33. Mr. Doubleday hat einen eigenthümlichen häutigen Sack an der Basis der Vorderflügel entdeckt, welcher wahrscheinlich zur Hervorbringung des Lautes in Beziehung steht (Proceed. Entomolog. Soc., 3. March, 1845, p. 123). Wegen der Thecophora s. Zoological Record, 1869, p. 401. Die Beobachtungen Mr. Buchanan White’s finden sich in: The Scottish Naturalist. July 1872, p. 214.
  3. The Scottish Naturalist. July 1872, p. 213.
  4. Zoological Record, 1869, p. 347.
  5. s. auch den Aufsatz von Mr. Bates in den Proceed. Entomolog. Soc. of Philadelphia. 1865, p. 206; auch Mr. Wallace über denselben Gegenstand in Bezug auf Diadema, in Transact. Entomolog. Soc. of London. 1869, p. 278.
  6. The Naturalist on the Amazons. Vol. I. 1863, p. 19.
  7. s. einen interessanten Artikel in der Westminster Review, July, 1867, p. 10. Ein Holzschnitt der Kallima ist von Mr. Wallace in Hardwicke’s Science Gossip, Sept., 1867, p. 196 mitgetheilt worden.
  8. G. Fraser, in: Nature, Apr., 1871, p. 489.
  9. Einfluss der Isolirung auf die Artbildung. 1872, p. 58.
  10. s. die interessanten Beobachtungen von Mr. T. W. Wood, „The Student“, Sept. 1868, p. 81.
  11. Mr. Wallace in Hardwicke’s Science Gossip, Sept 1867, p. 193.
  12. s. auch über diesen Gegenstand Mr. Weir’s Aufsatz in den Transact. Entomolog. Soc. 1869, p. 23.
  13. Westminster Review, July. 1867, p. 16.
  14. so z. B. Lithosia; Prof. Westwood scheint aber (Modern Classific. of Insects, Vol. II, p. 390) über diesen Fall überrascht gewesen zu sein. Ueber die relativen Färbungen der Tag- und Nachtschmetterlinge s. ebenda p. 383 und 392; auch Harris, Treatise on the Insects of New England. 1842, p. 315.
  15. Derartige Verschiedenheiten zwischen den oberen und unteren Flächen der Flügel bei mehreren Species von Papilio kann man auf den schönen Tafeln sehen zu Mr. Wallace’s Abhandlung on the Papilionidae of the Malayan Region, in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. Part. I. 1865.
  16. s. Wormald über diese Thiere, in: Proceed. Entomolog. Soc, 2. March, 1868.
  17. s. auch eine Beschreibung der südamericanischen Gattung Erateina (einer der Geometern) in: Transact. Entomolog. Soc. New Series, Vol. V, pl. XV und XVI.
  18. Proceed. Entomolog. Soc. of London, July 6, 1868, p. XXVII.
  19. Harris, Treatise on the Insects of New England, edited by Flint. 1862, p. 395.
  20. Ich beobachtete z. B. in der Sammlung meines Sohnes, dass bei Lasiocampa quercus, Odonestis potatoria, Hypogynma dispar, Dasychira pudibunda und Cycnia mendica die Männchen dunkler sind als die Weibchen. Bei der zuletzt genannten Species ist die Verschiedenheit in der Farbe zwischen den beiden Geschlechtern scharf ausgesprochen; auch theilt mir Mr. Wallace mit, dass wir hier, wie er meint, einen Fall von protectiver Nachäffung oder Mimicrie vor uns haben, welche auf das eine Geschlecht beschränkt ist, wie später noch ausführlich auseinandergesetzt werden wird. Das weisse Weibchen von Cycnia gleicht dem sehr gemeinen Spilosoma menthastri, bei welchem beide Geschlechter weiss sind; und Mr. Stainton hat die Beobachtung gemacht, dass dieser letztere Schmetterling mit äusserstem Widerwillen von einer ganzen Brut junger Truthühner verschmäht wurde, welche andere Schmetterlinge sehr gern fressen. Wenn daher die Cycnia von britischen Vögeln gewöhnlich für ein Spilosoma gehalten würde, so würde sie dem Gefressenwerden entgehen und ihre täuschende weisse Farbe wäre daher eine ausserordentliche Wohlthat für sie.
  21. Es ist merkwürdig, dass auf den Shetland-Inseln das Männchen dieses Spinners, anstatt vom Weibchen sehr verschieden zu sein, ihm häufig in der Färbung sehr ähnlich ist (s. MacLachlan, Transact. Entomol. Soc, Vol. II, 1866, p. 459). G. Fraser vermuthet (Nature, Apr., 1871, p. 489), dass in der Zeit des Jahres, wo der Hopfenspinner auf diesen nördlichen Inseln erscheint, die weisse Farbe der Männchen nicht nöthig sein würde, sie während der Dämmerungsnächte den Weibchen sichtbar zu machen.
  22. Rambles of a Naturalist in the Chinese Seas. 1868, p. 182.
  23. Nature. 27. Apr. 1871, p. 508. Meldola citirt Donzel in: Soc. Ent. de France. 1837, p. 77, über den Flug des Schmetterlings während der Paarung, s. auch G. Fraser in: Nature. 20. Apr. 1871, p. 489, über die sexuellen Verschiedenheiten mehrerer englischen Schmetterlinge.
  24. Wallace, on the Papilionidae of the Malayan Region in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1865, p. 8, 36. Ein auffallendes Vorkommen einer seltenen, ganz streng zwischen zwei andern gut markirten Varietäten intermediären Varietät ist von Mr. Wallace beschrieben worden, s. auch Mr. Bates in: Proceed. Entomolog. Soc., Nov. 19, 1866, p. XL.
  25. Mr. Bates hat die Güte gehabt, diesen Gegenstand vor die entomologische Gesellschaft zu bringen; ich habe darüber von mehreren Entomologen Antworten erhalten.
  26. H. W. Bates, The Naturalist on the Amazons. Vol. II. 1863, p. 228. A. R. Wallace, in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1865, p. 10.
  27. Ueber diesen ganzen Gegenstand s. Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 2. Cap. 23.
  28. Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 2. Cap. 12, S. 20.
  29. Transact. Linnean Soc. Vol. XXIII. 1862, p. 495.
  30. Proceed. Entomolog. Soc., 3. Dec. 1866, p. XLV.
  31. Wallace, in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1865, p. 1; auch in: Transact. Entomolog. Soc. 3. Serie.. Vol. IV. 1867, p. 301. Trimen, in: Linn. Transact Vol. 26, 1869, p. 497. Riley, Third Annual Report on the Noxious Insects of Missouri, 1871, p. 163–168. Dieser letzte Aufsatz ist werthvoll, da Mr. Riley hier alle die Einwürfe erörtert, die gegen Mr. Bates’ Theorie erhoben worden sind.
  32. The Naturalist in Nicaragua, 1874, p. 385.
  33. Proceed. Entomolog. Soc., Dec. 3., 1866, p. XLV. und March. 4., 1867, p. LXXX.
  34. s. den Aufsatz von Mr. J. Jenner Weir, on Insects and Insectivorous Birds, in: Transact. Entomolog. Soc. 1869, p. 21, auch Mr. Butler’s Aufsatz ebenda p. 27. Mr. Riley hat analoge Thatsachen mitgetheilt in: Third Annual Report on the Noxious Insects of Missouri, 1871, p. 148. Einige widersprechende Fälle sind indessen von Mr. Wallace und M. H. d’Orville mitgetheilt worden; s. Zoological Record, 1869, p. 349.
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